Die gefallene Diva Blue Jasmine
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Die gefallene Diva Blue Jasmine
Kino NUMMER 257 Wenig Glück in der Liebe Kino kompakt DAS GROSSE HEFT Die Jungen ohne Namen haben es schwer Die literarische Vorlage zu diesem Film, Ágota Kristófs Roman „Le Grand Cahier“, wurde in fast 40 Sprachen übersetzt und mit einigen Preisen ausgezeichnet. Es geht um ein 13-jähriges Zwillingspaar, das zum Ende des Zweiten Weltkriegs von der Mutter zur Großmutter kommt. Die Jungen ohne Namen haben es schwer bei der kaltherzigen Frau. Bei der als Hexe verschrienen Großmama müssen sie schuften und etliche Entbehrungen ertragen. Ihre Erlebnisse halten die beiden in einem Schreibheft fest. Der ungarische Regisseur János Szász hat Filme gemacht wie „Woyzeck“ von 1994. Die Kamera führt Christian Berger, bekannt auch durch Michael Hanekes „Das weiße Band“. (dpa) ** Filmstart in Augsburg „Im weißen Rössl“ mit Diana Amft VON FRED DURAN O KOPFÜBER Hoffnung auf Errettung: Der Diplomat Dwight (Peter Sarsgaard) küsst die ruinierte Milliardärswitwe Jasmine (Cate Blanchett). Saschas Welt mit ADHS Sascha ist zehn und hat Buchstabensuppe im Kopf. Aber nicht nur in der Schule, auch zu Hause läuft bei ihm so einiges aus dem Ruder. Ein Grund dafür ist seine Aufmerksamkeitsstörung ADHS. Zum Glück gibt es da die gleichaltrige Elli, die den ungestümen Sascha einfach so nimmt, wie er wirklich ist. Ein Erziehungshelfer versucht, die Familie, die ohne Vater und in einfachen Verhältnissen lebt, zu unterstützen. Dann gibt es endlich eine Diagnose für den zehnjährigen Sascha. Es folgen Therapiesitzungen und auch Medikamente – alles keine einfachen Lösungen des Problems. Regisseur Bernd Sahling hat einen genau beobachtenden und illusionslosen Film über Saschas Welt gedreht. Den Zuschauer erwartet kein Feelgood-Kino, sondern ein sehenswerter Einblick für Kinder und auch Erwachsene. (dpa) *** Filmstart nicht in der Region O Sascha kann sich nur schwer konzentrieren. Foto: Alpha Medienkontor Weiter sehenswert ● Exit Marrakech **** Vater-Sohn-Geschichte von Caroline Link mit Ulrich Tukur ● Finsterworld **** Von der Sehnsucht nach Nähe in einem kalten Land ● Liberace **** Michael Douglas in der Rolle des homosexuellen Pianisten Liberace Unsere Wertungen * sehr schwach ** mäßig *** ordentlich **** sehenswert ***** ausgezeichnet I Bei uns im Internet ● Alle Programme Die Filme sämtlicher Kinos der Region ● Trailer Eindrücke der aktuellen Filme vermitteln unsere Trailer. ● Tickets gewinnen Wir verlosen täglich Eintrittskarten fürs Kino. ● Quiz Kennen Sie sich aus mit Klassikern? Testen Sie Ihr Wissen. ● Hollywood An welchen Projekten arbeiten Regisseure und Stars? I Direkt ins Kino-Special unter augsburger-allgemeine.de/kino DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2013 Foto: Warner Brothers Die gefallene Diva Blue Jasmine Woody Allen hat seine Tourismusphase beendet. In seinem neuen Werk schickt er eine grandiose Cate Blanchett als ruinierte New Yorker Milliardärswitwe auf Talfahrt VON MARTIN SCHWICKERT „Wo genau bin ich?“, fragt Jasmin (Cate Blanchett) einen vorbeigehenden Passanten. Die Frage ist im Falle der New Yorkerin, die in San Francisco gestrandet ist, nicht nur geografischer, sondern existenzieller Natur. Vollkommen verloren ist sie in dieser ärmlichen, aber keineswegs verwahrlosten Gegend – genauso wie in ihrem eigenen Leben, das von einem Tag auf den anderen in sich zusammengefallen ist. Vor nicht allzu langer Zeit gehörte Jasmin noch zur New Yorker High Society. Ein Apartment an der Park Avenue so groß wie ein Fußballplatz, ein schickes Strandhaus für die Sommermonate und ein Ehemann, der als Investmentberater ein Vermögen verdiente. Als herauskommt, dass Göttergatte Hal (Alec Baldwin) für den eigenen Wohlstand in fremde Kassen gegriffen hatte, ist ihr altes Leben dahin. Nun steht sie im Chanel-Jäckchen, umgeben von ihrem „LouisVuitton“-Kofferset, vor der Wohnung ihrer Schwester Ginger (Sally Hawkins). Sie hofft, auf der anderen Seite des Kontinents wieder auf die Beine zu kommen. Aber die beiden Adoptivgeschwister trennen Wel- ten. Ginger arbeitet in einem Supermarkt. Ihre Wohnung ist klein. Die Ehe mit Augie (Andrew Dice Clay) ging in die Brüche, nachdem Hal den kleinen Lotteriegewinn des Schwagers verspekuliert hatte. Ihr neuer Freund Chili (Bobby Cannavale) ist nicht gerade begeistert, dass anstatt ihm die zickige Schwester einzieht. Mit „Blue Jasmin“ wandert Woody Allen in seinem 44. Film auf vertrautem Terrain. Schon immer hatte Allen ein gutes Händchen für die Ausgestaltung neurotischer Frauencharaktere. Nicht selten wurden die Figurenentwürfe mit einem Oscar für die Darstellerinnen vergoldet. Wie kaum ein anderer versteht es Allen, seine Schauspielerinnen zu frischer Form auflaufen zu lassen. In „Blue Jasmin“ ist es die hervorragende Cate Blanchett, die in der Rolle einer Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs noch einmal über sich hinauswächst. Einerseits ist diese gefallene Park-Avenue-Diva ein Monster, das ohne soziale Kompetenzen seine Mitmenschen durch pure Ignoranz auszusaugen scheint. Andererseits erarbeitet sich das neurotische, Pillen schluckende Wesen trotz des ironischen Blicks zunehmend das Mitgefühl des Publikums, um die Zuschauer wenig später wieder vor den Kopf zu stoßen. Jenseits aller konventionellen Identifikationsmuster ist diese Jas- Woody Allen und seine wichtigsten Filme Woody Allen zählt zu den bekanntesten Filmemachern des amerikanischen Kinos. Berühmt machten ihn vor allem seine neurotischen Komödien: ● Der Stadtneurotiker (1977) Allen zieht Bilanz über sein chaotisches Leben. ● Manhattan (1978) Der TV-Autor Allen steht zwischen verschiedenen Frauen. ● Hannah und ihre Schwestern (’86) In der romantischen Komödie geht es um die heutige Sinnsuche. ● Celebrity (1998) Leornardo Di Caprio spielt einen abgehobenen Hollywoodstar. ● Midnight in Paris (2011) Für das Drehbuch erhält Woody Allen den Oscar. Carla Bruni-Sarkozy tritt in einer Nebenrolle auf. (AZ) min angelegt, die sich wie viele Allen-Figuren stets um Kopf und Kragen redet und durch Blanchetts umwerfende Performance zur unwiderstehlichen Soziopathin wird. Mit unnachgiebiger Genauigkeit zeigt „Blue Jasmin“ eine Frau im freien Fall durch die sozialen Hierarchien. Aber natürlich wird Allen nicht gleich zum Klassenkämpfer, sondern bleibt seiner präzisen psychologischen Betrachtungsweise treu. Das Aufeinanderprallen verschiedener sozialer Milieus wird mit feiner Ironie zelebriert. Der Fokus des Filmes bleibt bedingungslos auf der neurotischen Zentralfigur, deren Schuldverstrickungen am eigenen Schicksal mit einer konventionellen Rückblendendramaturgie sukzessive aufgedeckt werden, während die strauchelnde Heldin auf der Gegenwartsebene in einer neuen Beziehung zu einem schmucken Diplomaten (Peter Sarsgaard) ihrem gesellschaftlichen Abstieg zu entrinnen scheint. Aber wer „Matchpoint“ gesehen hat, weiß, dass man sich in Woody Allens Filmen nie in Sicherheit wiegen darf. So findet auch „Blue Jasmin“ eine Schlusswendung. **** O Filmstart in Augsburg und Ulm Ralph Benatzkys „Im weißen Rössl“ gehört seit seiner Premiere in Berlin 1930 zu den Dauerbrennern auf den Operettenbühnen. Es wurde zu einem Kultstück der Theaterszene. Christian Theede will nun auf den Zug aufspringen und verortet seine filmische Adaption mit einer Rahmenhandlung in der Gegenwart. Die gestresste Karrierefrau Ottilie (Diana Amft) hat im dauerverregneten Berlin wenig Glück mit der Liebe. Aber da fährt auch schon Vati mit einem alten Mercedes vor und lädt die frustrierte Tochter zu einer Spritztour nach Österreich ein. An der Grenze zum Salzkammergut bricht der Himmel auf, zwei Regenbögen verwandeln das Bergpanorama in eine Kitschpostkarte. Anfangs malt Theede die Ankunft am Wolfgangsee mit aufwendigen Tanz- und Gesangschoreografien aus. Aber nach dem knallbunten Auftakt geht der Inszenierung bald die Luft aus. Vor allem die halbherzig modernisierten Musiknummern wollen nicht wirklich zünden. Ohnehin lässt die Sangeskraft der meisten Darsteller – abgesehen von Edita Malovčić als Rössl-Wirtin – zu wünschen übrig. Die Karrierezicke im Salzkammergut Diana Amft („Doctor’s Diary“) entwickelt auf der Leinwand erhebliche Aura-Defizite. Das hat allerdings auch mit der Anlage ihrer Figur zu tun, die als Repräsentantin der postfeministischen Moderne ins altmodische Salzkammergut katapultiert wird und dort ihr Karrierezickenschutzschild langsam herunterfahren muss. Äußerst hartnäckig reitet Theede auf dem Kontrast zwischen herzloser Gegenwart und dem nostalgischen Rössl-Universum herum, wo Männer wild entschlossen Heiratsanträge stellen, anstatt per SMS Schluss zu machen. Irgendwann fragt man sich, ob die modernisierte Fassung in ihrem Herzen nicht spießiger ist, als es das Original jemals war. ** O Filmstart in vielen Kinos der Region Geisterstunde für die Familie Lässige Schulklassen Das kleine Gespenst Geglückte Verfilmung des Kinderbuch-Klassikers Fack ju Göhte Komödie mit Uschi Glas Otfried Preußler war ein begnadeter Geschichtenerzähler. Hexen, Räuber, Gespenster und andere wundersame Wesen bevölkern seine fantastischen Erzählungen – Klassiker der Kinderbuchliteratur. Nun kommt „Das kleine Gespenst“ ins Kino, produziert von den Machern des „Krabat“-Films. Regisseur Alain Gsponer hat für seinen Realfilm die Buchvorlage von 1966 in die Moderne versetzt, ohne große Brüche einzugehen. Das Ergebnis: ein kurzweiliger wie spannender Familienfilm, dem der augenzwinkernde und liebenswert altmodische Charme vieler PreußlerBücher innewohnt. Der freche Geist will die Welt unbedingt am Tage erleben, nicht immer nur zur Geisterstunde. Als sich sein Traum erfüllt, färbt der erste Sonnenstrahl das schneeweiße Flatterwesen in tiefstes Schwarz. Den Ort Eulenstein versetzt der schwarze Geist in helle Aufregung – das Gespenst selbst hat bald genug vom mittäglichen Spuk und will wieder Nachtgeist werden. Eine schwierige Sache. Zum Glück gibt es drei mutige Kinder, die dem kleinen Gespenst helfen wollen, zur Spukzeit um Mitternacht zurückzukehren. Der Film zeigt viel Liebe zum Detail. Es gibt viele lustige Szenen. Vor allem Respektspersonen stellen sich besonders dämlich an: Feuerwehrmänner, Lehrer, Polizisten und der Bürgermeister – erfüllt von ihrer Wichtigkeit und Würde – müssen ertragen, dass das kleine Gespenst und die Kinder ihnen eins auswischen. Anna Thalbach hat dem Gespenst ihre Gesichtszüge und ihre wunderbar geheimnisvolle Stimme verliehen. Inbrünstig lässt sie den kleinen Spukgeist seufzen: „Einmal die Welt bei Tag erleben, das wäre mein größter Wunsch!“ Besonders schön sind die Momente, in denen das Gespenst seinen besten Freund Uhu Schuhu besucht. Jonas Holdenrieder, Emily Kusche und Nico Hartung spielen sehr überzeugend die drei Kinder, die dem Gespenst in seiner vertrackten Lage helfen wollen. Ebenfalls überzeugend: Der selbstverliebte Bürgermeister, herrlich gespielt von Uwe Ochsenknecht, der immer wieder über die eigene Eitelkeit zu stolpern droht. Der Film war als Geschenk zu Preußlers 90. Geburtstag gedacht, den er am 20. Oktober gefeiert hätte. Doch der Autor starb im Februar nahe des Chiemsees. (dpa) **** O Filmstart in vielen Kinos der Region Allerliebst: das kleine Nachtgespenst von Burg Eulenstein. Foto: Universum Film VON DIETER OSSWALD Mit über 2,4 Millionen Besuchern war „Türkisch für Anfänger“ der erfolgreichste deutsche Film im vorigen Jahr. Nun will Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin mit seinem Helden Elyas M’Barek den Comedy-Coup wiederholen. Auf eine Fortsetzung wird verzichtet, stattdessen wird die gute alte Schulkomödie aufgemischt. Dass mit Uschi Glas eine Ikone aus den 70er-Jahren recycelt wird, entpuppt sich als großartig kleiner Genre-Spaß – typisch für den Humor des TV-Retro-Freaks Christian Anschlag in der Schule! Foto: Constantin Becker, der den „Wixxer“, „Jerry Cotton“ oder „Kalkofes Mattscheibe“ produzierte. Schön blöd natürlich auch die Story selbst: M’Barek gibt den Macho und Kleinganoven Zeki Müller, der nach längerem Knastaufenthalt feststellt, dass seine blonde Freundin die Diebesbeute ausgerechnet dort vergraben hat, wo die Turnhalle einer Schule gebaut wurde. Die einzige Möglichkeit, an das Geld zu kommen: einen Tunnel graben. Darum will sich Zeki als Hausmeister bewerben, bekommt jedoch die Stelle als Aushilfslehrer. Im Unterschied zur weltfremden Pädagogin Schnabelstedt kann Herr Müller sich dank robuster Methoden selbst bei der übelsten Klasse Respekt verschaffen. Klar, dass er bald sein Herz für die Kids und die Liebe zur Kollegin entdeckt. Die naive Handlung wimmelt vor Klischees und scheut keine billigen Gags. Dass die Sache gleichwohl amüsant ausfällt, liegt an der bewährten Tapsigkeit von Hauptdarsteller Elyas M’Barek sowie dem überraschenden Ulknudel-Talent von Karoline Herfurth. Die Schülerdialoge sorgen für lässige Stimmung. *** O Filmstart in vielen Kinos der Region