Die Privatbanken wollen jetzt an Höhe gewinnen

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Die Privatbanken wollen jetzt an Höhe gewinnen
UNTERNEHMEN | 30. Juli —5. August 2008 | HANDELSZEITUNG | Nr. 31
Die Privatbanken
wollen jetzt an
Höhe gewinnen
natalie Gratwohl
D
as Umfeld war nie besser,
um qualifizierte Kundenberater zu gewinnen»,
freute sich Alex Widmer, CEO der
Bank Julius Bär, an der Präsenta­
tion der Halbjahreszahlen. Die Privatbank hat sich zum Ziel gesetzt,
in diesem Jahr 10% mehr Kundenberater einzustellen. Auch die
Bank Sarasin sieht Chancen. Laut
Sarasin-Sprecher Harald Melzer
konnten Top-Leute von verschiedenen Wettbewerbern gewonnen
werden. «Im Moment sind gestandene Private Banker mit 20 oder 25
Jahren Berufserfahrung bereit, zu
wechseln», sagte CEO Joachim
Strähle erst kürzlich im Interview
(siehe auch «Handelszeitung» Nr.
29 vom 16. Juli 2008). Die Bank hat
im Mai ihr Jahresziel für neu eingestellte Kundenberater von 55 auf
100 Mitarbeiter erhöht. Bisher
wurden 90 eingestellt.
Abgängen betroffen: «Vielleicht
zwei oder drei in diesem Jahr», sagt
Howell. Im 1. Halbjahr hat EFG bezüglich Neueinstellungen einen
Rekord erreicht und liegt etwas
über den eigenen Vorgaben. Bis
2010 will EFG die Zahl der Kundenberater von heute 629 auf 1000
steigern.
Ein aggressives Wachstum kann
aber auch seine Schattenseiten haben. «Die Banken ergreifen nicht
nur eine Chance, sondern gehen
auch ein Risiko ein», sagt Cocca.
Im aktuell schwierigen Marktumfeld für Privatbanken sei es gefährlich, die Kosten hochzufahren. «Es
muss sich erst noch weisen, ob die
schnelle Wachstumsstrategie unter diesen Bedingungen fortgeführt werden kann.»
Das Karussell dreht sich
Das Karussell der Kundenberater dreht sich in den letzten Monaten immer schneller, vor allem zugunsten der Privatbanken. «Immer
Aggressives Abwerben
häufiger werben die Banken unter«Vor allem Sarasin und Julius einander auch ganze Teams ab»,
Bär nutzen die Gunst der Stunde», sagt Headhunter Gerold Guggensagt Professor Teodoro Cocca, Lei- bühl von Guggenbühl & Bächer Reter der Abteilung für Asset Ma- cruitment AG. Doch entscheidend
nagement an der Johannes-Kep- seien letztlich die Kunden. Ein Kunler-Universität Linz. Die beiden denberater nimmt gemäss Cocca
Privatbanken würden aggressiv bei einem Wechsel im ers­ten Jahr
versuchen, von den
rund 20% seiner Kunbeiden Grossbanken
«Privatbanken dengelder mit. DaKundenberater abzunach dauert es rund
können von
werben. «Die Privatdrei bis fünf Jahre, bis
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er auf das gleiche Nider Schwäche
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«Private Banker
Teodoro Cocca
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nicht zu einem Wechwechsel, wenn wichsel bereit waren.
tige Kunden diesen
Das bestätigt Lonnie Howell, Schritt nachvollziehen», sagt VontoCEO von EFG International: «Wir bel-Sprecher Reto Guidicetti. Diese
konnten von der UBS vor allem im Voraussetzung scheine im Lichte
Ausland Kundenberater abholen, der anhaltenden Finanzkrise und
weniger in der Schweiz.» EFG der daraus resultierenden Reputati­profitiere vor allem indirekt, weil onsschäden für die Grossbanken im
sich die UBS weniger intensiv um Moment tatsächlich gegeben.
neue Private Banker bemühen
Besonders das Image der UBS
könne. Es sei aber allgemein ein- hat gelitten. UBS-Sprecher Axel
facher geworden, erfahrene Pri- Langer will nicht kommentieren,
vate Banker zu gewinnen: «Auch ob es überdurchschnittlich Abgänandere Banken haben Probleme.» ge von Kundenberatern gegeben
Selbst ist die Privatbank wenig von hat: «Die Fluktuation ist je nach Ge-
prisma/HZ-Montage bcu
Kundenberater Sie sind der Schlüssel zum Wachstum:
Kleinere und mittlere Privatbanken profitieren davon,
dass erfahrene «Relationship Manager» wechselwillig sind.
Julius Bär N
Sarasin N
in Fr.
120
in Fr.
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Sie wollen jetzt
abheben: Schweizer Privatbanken
wie Julius Bär und
Sarasin bauen ihre
Personalbestände
aus.
55
100
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29.07.07
29.07.08
schäftsbereich und Region erhöht.»
Die UBS setze zur Bindung von
qualifiziertem Personal nicht primär auf finanzielle Anreize, sondern auch auf Aus- und Weiterbildung. Die Credit Suisse konnte im
Wealth Management die Wachstumsraten der Nettoneugeldzuflüsse steigern und sogar 120 neue Relationship Manager einstellen.
Laut Headhunter Guggenbühl
verdient ein Kundenberater jährlich ein Basissalär von rund 180000
bis 200000 Fr., welches die meisten
Banken bereit sind zu bezahlen.
Der Bonus macht also vor allem
den Unterschied. «Der Bonus kann
zwischen 0 und weit über 500000
Fr. variieren», sagt Guggenbühl.
Der Bonus hängt unter anderem
davon ab, wieviel Neugelder der
Berater bringt oder wie viele Erträge auf diesen Geldern erwirtschaftet werden.
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Faule Kredite: Bei Credit Suisse liegt das Risiko für
weitere Abschreiber auf «handhabbarem» Niveau
B
ei der UBS herrscht Stille
seit dem 4. Juli, als mit der
Gutschrift der Steuer-Joker
gespielt wurde, der auf ein Er­
gebnis knapp oder leicht unter
der Gewinnschwelle hinweist.
Das ist ein gutes Zeichen: Die
Bank dürfte mit den geschätzten
Abschreibern von rund 5 bis 7
Mrd Fr. für das 2. Quartal hinkommen.
Analysten der Deutschen Bank
ermitteln nach dem Verkauf von
Teilen des Kreditportfolios und
Abschreibern einen Betrag von
46,5 Mrd Dollar an Problem­
krediten in den UBS-Büchern.
Dabei entfallen auf Monoliner
6,2 Mrd Dollar, auf SubprimeKredite 8,1 Mrd Dollar und auf
Alt-A-Hypothekenverbriefungen
9,1 Mrd Dollar. Leveraged Finance
kommt auf 8,6 Mrd Fr. Credit
Suisse hatte letzte Woche besonders in der Investment-BankingSparte mit einem Vorsteuerprofit
von 281 Mio Fr. und vernachlässig­
bar kleinen Abschreibern in einer
Höhe von 22 Mio Fr. geglänzt.
Der Betrag der «riskanten An­
lagen» schrumpfte um 27% auf
32,3 Mrd Fr.
Hier ist das Monoliner-Risiko
minimal, die grössten aktuell
gehaltenen Positionen sind Verbriefungen von kommerziellen
Liegenschaften in den USA (15
Mrd Fr.), Leveraged Finance (14,3
Mrd Fr.) und Privathypotheken
(800 Mio Fr. bei Subprime, 1,1 Mrd
Fr. bei Alt-A und 1,1 Mrd Fr.
bei Collateralized Debt Obligations [CDO] auf Privathypotheken).
Bei CDO-Positionen gab es
jetzt überraschend hohe Handelsgewinne, das Abschreiberisiko liegt noch bei 300 Mio Fr. –
«einem handhabbaren Betrag»,
wie Matthew Clark, Analyst bei
Keefe, kommentiert.
Für die Deutsche Bank, die am
31. Juli die Zahlen vorlegt, rechnen die Analysten von Exane mit
einem Abschreiber von 1,5 Mrd
Euro, hauptsächlich bei Monolinern. Bei Leveraged Finance hat
die Deutsche Bank noch 33 Mrd
Euro Ausstände in den Büchern,
bei kommerziellen Liegenschaften 15,5 Mrd Euro und bei
Privathypotheken 1,7 Mrd Euro.
Gegenüber Jahresbeginn konnte
das Exposure bei den grössten
­Positionen um je 10% reduziert
(mn)
werden. Die Kunden nehmen vor der Börsenbaisse Reissaus
online-Broker Erstmals
seit Jahren sind die Umsätze
der Internet-Plattformen
eingebrochen. Trotzdem ist
die Branche in Bewegung
wie selten zuvor.
samuel gerber
Üblicherweise gehören die Online-Broker in einer Börsenbaisse
zur kleinen Schar der Gewinner.
Denn für sie zählt nicht das Auf
und Ab der Aktienkurse, sondern
das Handelsvolumen. Und dieses
lässt sich auch dann generieren,
wenn die Kunden in Scharen Papiere verkaufen.
Jetzt haben aber die schweren
Turbulenzen am Finanzmarkt
auch dieses Gewohnheitsrecht
ausgehebelt: Bei den Schweizer
Internet-Handelsplattformen sind
die Umsätze drastisch eingebro-
chen. So vermeldet PostFinance
für das 1. Halbjahr 2008 einen Volumenrückgang von 20% auf ihrer
Plattform E-Finance. Einbussen in
der gleichen Höhe beklagt die
Berner Kantonalbank (BEKB) bei
ihrem Online-Handelsplatz Trade-Net. Selbst Marktführerin
Swissquote musste einen um 12%
tieferen Ertrag verschmerzen,
nachdem ihre Kunden im 2. Quartal weniger gehandelt haben.
Für die an zwei- bis dreistelliges
Wachstum gewöhnte Branche ist
Swissquote N
in Fr.
80
60
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dies ein Moment der Ernüchterung. Doch stillstehen will in dem
Markt, dessen Potenzial in der
Schweiz auf 400 000 Kunden geschätzt wird, niemand.
Swissquote diversifiziert
Im Gegenteil – es ist so viel Bewegung im Feld wie selten zuvor.
Da sind die grossen Player Post­
finance und BEKB, die um den Podestplatz hinter Swissquote buhlen. «Mittelfristig möchten wir uns
als Nummer zwei im Online-Bro-
kerage etablieren», sagt Alex Josty,
Mediensprecher bei PostFinance.
Dort ist die gelbe Bank mittlerweile angekommen: Mit einem Sprung
von 18000 auf 27000 Kunden hat
sie die Berner innert Jahresfrist
vom Sockel gestossen. Doch auch
die BEKB, die über Trade-Net gegenwärtig 25000 Kunden bedient,
will ein anhaltendes Wachstum
von bis zu 20% erreichen.
Swissquote spielt derweilen in
die Breite und diversifiziert ihr Angebot: Sie ist längst nicht nur die
player im vergleich
Online-Broker
Swissquote
E-Finance (PostFinance)
Trade-Net (BEKB)
e-sider.com (BCV)
Saxo Bank
Tradejet
Anzahl Kunden Januar 2007
62000
18000
20000
6000
*3000
1200
*Synthesis, geschätzt
Anzahl Kunden
1. Semester 2008
103 476
27 000
25 000
7000
k.A.
3000
Quelle: Unternehmen
wichtigste Anlaufstelle für schnelllebige Trades, sondern lanciert
Fonds, bietet Sparkonten und baut
die Dienste für unabhängige Vermögensverwalter aus.
Neulinge mit Ambitionen
Gerade dort könnte sie nun
bald Konkurrenz bekommen: Die
eben gestartete Bank Zweiplus,
hinter der Sarasin und die AIG Private Bank stehen, will Anfang 2009
ebenfalls eine Online-Plattform
lancieren. Noch hält man sich bei
Zweiplus dazu bedeckt. Klar ist jedoch: Die Bank richtet sich mit
dem neuen Produkt an ihre Zielkundschaft – und das sind wie bei
Swissquote die unabhängigen Vermögensverwalter.
Marc Bürki, CEO von Swissquote, macht die Faust im Sack: «In
diesem Bereich gibt es bereits
starke Konkurrenten.» Für einen
Newcomer werde es daher nicht
einfach sein, sich zu behaupten, so
Bürkis Warnung an Zweiplus. Noch
ein weiterer Neuling dürfte bald
Druck aufbauen: Die dänische
Saxo Bank hat sich 2007 den Genfer Online-Broker Synthesis einverleibt und macht seither vorwärts. «Wir haben grosse Wachstumspläne», brüstet sich der
Schweiz-CEO Soren Mose. Bereits
habe man die französische Brokerin Cambiste übernommen und
plane eine Beteiligung an Tricom
in Australien. «Aber wir schauen
uns noch weitere Möglichkeiten
an», sagt CEO Mose.
Das lässt erneut Spekulationen
um die Zukunft der kleineren Tradejet aufkommen. Tradejet-CEO
Christoph Hartgens ist diesbezüglich offen: «Immer wieder erhalten
wir konkrete Offerten. Ein partnerschaftliches Angebot, das Tradejet
in der Weiterentwicklung des Angebotes und der Erschliessung des
Kundenpotenzials weiterbringt,
steht dabei im Vordergrund.»