Syndromale Krankheitsbilder mit Makrozephalie
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Syndromale Krankheitsbilder mit Makrozephalie
„Artikel des Monats“ | Fortbildung Syndromale Krankheitsbilder mit Makrozephalie Alma Küchler , Dagmar Wieczorek | Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen Einleitung Anhand des Leitsymptoms Makrozephalie soll unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Erbgänge ein Überblick über verschiedene Krankheitsbilder mit Makrozephalie gegeben werden [6, 24]. Neben der benignen familiären Makrozephalie, die ohne assoziierte Fehlbildungen einhergeht, gibt es zahlreiche syndromale Krankheitsbilder, die z. T. mit einer mentalen Retardierung assoziiert sind. Die Winter-Baraitser-Dysmorphology Database [9], die bei der Suche nach syndromalen Krankheitsbildern hilfreich ist, führt in der aktuellen Version 330 Krankheitsbilder mit Makrozephalie auf, davon 199 in Kombination mit einer mentalen Retardierung. Dies macht deutlich, dass die nachfolgende Übersicht nur einen Ausschnitt dieses umfassenden Gebiets der klinischen Genetik / Dysmorphologie wiedergeben kann. Die Mikrozephalie, als Pendant zur Makrozephalie, ist ebenfalls ein häufiges klinisches Zeichen bei syndromalen Krankheitsbildern. Eine aktuelle Übersicht zu „Mikrozephaliesyndromen und geistiger Behinderung“ findet sich in der Zeitschrift Medizinische Genetik (2009) 21: 224 – 230. Klassifikation, Diagnose, Pathogenese Die Makrozephalie (griechisch: makro „groß“; kephalo „Kopf“) ist definiert als ein Kopfumfang oberhalb der 97. Perzentile bzw. ein Kopfumfang, der mehr als 2 Standardabweichungen (SD) oberhalb des Mittelwerts 88 für den Kopfumfang unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht liegt. Zur optimalen Messung des Kopfumfangs sollte das Zentimetermaß um die breiteste Stelle der Stirn und die prominenteste Stelle des Hinterkopfs gelegt werden. Mehrfachmessungen sind erforderlich, um eine Makrozephalie zu bestätigen. Die Werte werden anschließend in Perzentilenkurven eingetragen. Für Neugeborene sollten die Perzentilenkurven aus dem Neugeborenenkollektiv der Bundesrepublik Deutschland [21] herangezogen werden. Nach der Neugeborenenperiode können die Kopfumfangskurven nach Nellhaus [12] zugrunde gelegt werden. In jedem Fall sollte auch der Kopfumfang bei beiden Eltern gemessen werden, um festzustellen, ob es sich um eine familiäre Makrozephalie handelt. Ein Algorithmus zur Abklärung einer Tab. 1: Vorgehen bei der Abklärung einer Makrozephalie Anamnese ◾◾ Hinweise auf intrauterine Infektion ◾◾ Beginn der Makrozephalie (primär – bereits zur Geburt bestehend – oder sekundär) ◾◾ Verlauf des Kopfumfangswachstums (perzentilenflüchtig oder – parallel) ◾◾ Entwicklungsverzögerung / mentale Retardierung ◾◾ Familienanamnese bzgl. Makrozephalie Klinische Untersuchung ◾◾ Körpermaße (Kopfumfang, Größe, Gewicht) einschließlich Kopfumfangswerte beider Eltern ◾◾ Kraniofaziale Dysmorphien ◾◾ Neurologische Zeichen ◾◾ Hautauffälligkeiten ◾◾ Auffälligkeiten des Skeletts / der Schädelkalotte, Schädelasymmetrien Bildgebende Diagnostik: Sonographie, CT bzw. MRT des Schädels ◾◾ Erweiterte Liquorräume ◾◾ Megalenzephalie ◾◾ Malformationen ◾◾ Raumforderungen ◾◾ Bei Groß- oder Kleinwuchssyndromen mit Makrozephalie Handröntgen ◾◾ Bei V. a. Skelettdysplasien gegebenenfalls ergänzende Skelettröntgenaufnahmen Ergänzende apparative Diagnostik ◾◾ Pädaudiologische Untersuchung ◾◾ Ophthalmologische Untersuchung ◾◾ Echokardiographie ◾◾ EEG Labordiagnostik ◾◾ Stoffwechseldiagnostik ◾◾ Gegebenenfalls spezifische zytogenetische oder molekulargenetische Analysen Kinderärztliche Praxis 81, 88 – 96 (2010) Nr. 2 www.kinderaerztliche-praxis.de Rotarix® bietet frühestmöglichen Schutz vor schwerer Rotavirus-Gastroenteritis mit nur 2 oralen Dosen1,2 Pflichttext für Fachkreise sowie Fußnoten 1,2 siehe Seite 101. Makrozephalie ist in Tabelle 1 zusammengefasst. Einer Makrozephalie können exogene, syndromale oder metabolische Ursachen zugrunde liegen. Einen Überblick gibt Tabelle 2. Im Folgenden werden exemplarisch einige syndromale Krankheitsbilder dargestellt, die eine Relevanz für die tägliche pädiatrische Arbeit haben. Makrozephalie mit Großwuchs als Leitsymptom Zunächst werden 3 Krankheitsbilder dargestellt, bei denen neben der Makrozephalie auch ein Großwuchs als Leitsymptom vorliegt. Sotos-Syndrom (MIM #117550) Dieses Syndrom wurde erstmals 1964 von Sotos et al. [18] als „zerebraler Gigantismus“ beschrieben. Inzwischen zählt es mit einer Prävalenz von Familiäre Makrozephalie ◾◾ Benigne Multifaktoriell, nichtsyndromal Syndromale Krankheitsbilder mit Makrozephalie* ◾◾ Mit Anomalien der Haut „PTEN hamartoma syndromes“ Neurofibromatose Typ I Hemimegalenzephalie ◾◾ Mit Großwuchs Sotos-Syndrom Weaver-Syndrom Makrozephalie-cutismarmorata teleangiektatika-Syndrom Simpson-Golabi-BehmelSyndrom Beckwith-Wiedemann-Syndrom ◾◾ Neuro-kardio-fazio-kutane Syndrome Noonan-Syndrom LEOPARD-Syndrom CFC-Syndrom Costello-Syndrom ◾◾ Mit mentaler Retardierung Fragiles X-Syndrom ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ ◆◆ * hne Skelettdysplasien und o Stoffwechselerkrankungen Frühestmöglicher Schutz mit nur 2 oralen Dosen1,2 GRO0310_Eselohr_AZ_RZ_7715.indd 1 ca. 1 / 14.000 [4] zu einem der häufigeren Makrozephalie-Großwuchs-Syndrome. Klinisch ist es durch die Leitsymptome Makrozephalie, Großwuchs, charakteristische Gesichtsmerkmale und Lernschwierigkeiten gekennzeichnet. Der Makrozephalus liegt entweder bereits zur Geburt vor (50 % der Patienten) oder manifestiert sich bis zum Ende des ersten Lebensjahres. Der Großwuchs besteht insbesondere in der Kindheit und kann sich im Erwachsenenalter normalisieren. Die Kinder haben große Hände und Füße, das Knochenalter ist akzeleriert (in der Handröntgenaufnahme vor allem im Bereich der Phalangen betont). Die für das Sotos-Syndrom charakteristischen Gesichtszüge (Abb. 1) sind in der Kindheit am markantesten ausgeprägt: Eine hohe, vorgewölbte Stirn mit hoher Stirnhaargrenze, ein längliches Gesicht, nach außen abfallende Lidachsen, ein prominentes, spitzes Kinn sowie ein hoher enger Gaumen, häufig mit Zahnfehlstellungen. Es können Herzfehler, Nierenanomalien (insbesondere vesiko-ureteraler Reflux) und Augenauffälligkeiten auftreten. Meist besteht Kinderärztliche Praxis 81, 88 – 96 (2010) Nr. 2 www.kinderaerztliche-praxis.de 24.02.2010 18:19:52 Uhr eine muskuläre Hypotonie mit einer statomotorischen Entwicklungsverzögerung. Die Mehrheit der Betroffenen hat eine mentale Retardierung, deren Ausprägung eine große Variabilität aufweist. Etwa 1/3 der Patienten entwickelt eine Skoliose, bei etwa ¼ der Betroffenen treten Anfälle (Absencen, tonisch- © PD Dr. med. Dagmar Wieczorek Tab. 2: Genetisch bedingte Krankheitsbilder mit Leitsymptom Makrozephalie Abb. 1: Patient mit Sotos-Syndrom (18 Monate alt) 89 Is t d a s m ö g Nach den MIM-Nummern („Mendelian Inheritance of Man“) sind alle genetischen Krankheitsbilder gelistet. Ein Verzeichnis ist unter folgender Adresse zu finden: www.ncbi.nlm. nih.gov / omim / . 90 drom im Alter von 5 Monaten (oben) zeigt ein deutlich akzeleriertes Knochenalter (zum Vergleich unten ein altersentsprechender Normalbefund) den. Da einige Eltern-Kind-Vererbungen beschrieben wurden, wird eine autosomal dominante Vererbung angenommen. © PD Dr. med. Dagmar Wieczorek il c h ? klonisch, myoklonisch oder fokal-komplex) auf [1, 19]. Oft kommt es aufgrund von chronischen Mittelohrentzündungen zu HörGRO0310_Eselohr_AZ_RZ_7716.indd 1 störungen. Verhaltensauffälligkeiten sind häufig. Beim Sotos-Syndrom besteht ein gering erhöhtes Tumorrisiko (ca. 2 – 3 % der Betroffenen). Im Gegensatz zu anderen Großwuchs-Syndromen sind hier die extraabdominalen Tumoren häufiger vertreten als die intraabdominalen, und der Manifestationszeitpunkt schließt das Erwachsenenalter ein [8]. Bei 80 – 90 % der Betroffenen kann die klinische Diagnose Sotos-Syndrom molekulargenetisch bestätigt werden. Ursache ist eine Veränderung (Mutation oder Deletion) im Gen NSD1 auf dem langen Arm des Chromosoms 5 (im Bereich 5q35). Die Vererbung erfolgt autosomal dominant. In der Regel handelt es sich um Neumutationen, aber auch familiäre Fälle sind beschrieben. Weaver-Syndrom (MIM #277590) Beim Weaver-Syndrom handelt es sich ebenfalls um ein Makrozephalie-Großwuchs-Syndrom [14]. Die klinischen Merkmale des Weaver-Syndroms zeigen Ähnlichkeiten zu denen des Sotos-Syndroms, insbesondere bei jüngeren Kindern. Im Verlauf verändern sich vor allem die fazialen Merkmale: Das Gesicht ist beim Weaver-Syndrom (Abb. 2) runder, die Stirn breit, der Augenabstand weiter (Hypertelorismus) und das Kinn weniger prominent als beim Sotos-Syndrom. Neben der Makrozephalie und dem Großwuchs, der bis ins Erwachsenenalter fortbesteht, liegt meist eine Entwicklungsverzögerung vor. Die Stimme ist häufig rau und tief, es treten Nabel- und Leistenhernien sowie über24.02.2010 18:28:08 Uhr schüssige, schlaffe Haut auf. Das Knochenalter ist akzeleriert mit Betonung im Bereich der Handwurzelknochen (Abb. 3). Die genetische Ursache des Weaver-Syndroms ist noch nicht geklärt. Bei einem kleinen Abb. 3: Die HandröntgenaufnahTeil der Patienten (ca. 10 %) wurden Veränme des Patienten mit Weaver-Synderungen im NSD1-Gen als Ursache gefun- Abb. 2: Patient mit Weaver-Syndrom (12 Monate alt) Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom (MIM #312870 und #300209) Das Simpson-Golabi-Behmel -Syndrom ist durch einen Großwuchs, eine Makrozephalie, vergröberte Gesichtszüge (Abb. 4) mit vollen Lippen, großem Mund, einer großen Zunge, einem hohen Gaumen, Zahnfehlstellungen, einem prominenten Unterkiefer, einem Hypertelorismus und Epikanthus sowie durch einen relativ Kinderärztliche Praxis 81, 88 – 96 (2010) Nr. 2 www.kinderaerztliche-praxis.de Fortbildung | „Artikel des Monats“ ten milde klinische Zeichen auf. Zugrunde liegende Ursachen sind Mutationen (Punktmutationen oder Deletionen) im Gen Glypican-3 (Glp-3), das auf dem langen Arm des X-Chromosoms im Bereich Xq26 liegt. Bei bis zu 70 % der Betroffe- nen können gegenwärtig Mutationen im Glp-3 – Gen nachgewiesen werden. Syndromale Krankheitsbilder mit Makrozephalie und erhöhtem Tumorrisiko Im Folgenden werden 2 syndromale Krankheitsbilder mit Makrozephalie und normaler Körpergröße vorgestellt, bei denen ein deutlich erhöhtes Tumorrisiko vorliegt und deshalb ein Vorsorgeprogramm in der pädiatrischen Praxis durchgeführt werden muss. © PD Dr. med. Dagmar Wieczorek kurzen Hals charakterisiert. Weitere körperliche Merkmale können akzessorische Mamillen, Organomegalien, Herzfehler, Nierenfehlbildungen, verschiedene Mittellinienauffälligkeiten (Hypospadie, Nabelhernie, Kerbe der Zungenspitze oder in der Mitte der Unterlippe, Gaumenspalte) sowie Auffälligkeiten der Wirbelkörper und der Hände (u. a. große Hände, breite Daumen, hypoplastische Nägel, insbesondere der Zeigefinger, Syn- und Polydaktylien) darstellen. Makrozephalie und Großwuchs beginnen in der Regel bereits pränatal. Oft bestehen eine Entwicklungsverzögerung und mentale Retardierung, deren Ausprägung jedoch sehr variabel sein kann [13]. Das Tumorrisiko ist mit etwa 10 % deutlich erhöht. Alle bislang beschriebenen Neoplasien (Wilmstumor, Hepatoblastom, adrenales Neuroblastom, Gonadoblastom, hepatozelluläres Karzinom) waren intraabdominal lokalisiert. Die Vererbung ist X-chromosomal rezessiv. Bei manchen Konduktorinnen tre- Abb. 4: 4-jähriger Patient mit Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom Gorlin-Syndrom (BasalzellnävusSyndrom, MIM #109400) Dieses Syndrom, welches mit einer Prävalenz von ca. 1 / 40.000 auftritt, ist charakterisiert durch die Entwicklung von multiplen Zysten des Kiefers von der zweiten Lebensdekade an und / oder von Basalzellkarzinomen von der dritten Lebensdekade an. Mehr als 60 % der Patienten weisen schon pränatal eine Makrozephalie auf. 0007514_1A_Pharma.pdf - Februar 15, 2010 Cetirizin - 1 A Pharma® en • Bei Heuschnupfen und Allergien • Wirkt schnell und zuverlässig Einnahme lich! nur 1x täg • Lösung für Kinder ab 2 Jahren, Tabletten für Kinder ab 6 Jahren 1 A Pharma GmbH • Keltenring 1 + 3 • 82041 Oberhaching • www.1apharma.de Lindert die Symptome bei saisonalem und ganzjährigem Heuschnupfen und chronischer Nesselsucht. Cetirizin 10 – 1 A Pharma®, Cetirizin Lösung – 1 A Pharma®: Wirkstoff: Cetirizindihydrochlorid. Zus.: -Cetirizin 10: 1 Filmtabl. enth. 10mg Cetirizindihydrochlorid, mikrokrist. Cellulose, Lactose-Monohydr., Mg-Stearat (Ph.Eur.), hochdisp. Siliciumdioxid, Hypromellose, Macrogol 4000, Titandioxid. -Cetirizin Lsg.: 20 Trp. z. Einnehmen (1ml) enthalten 10mg Cetirizindihydrochlorid, Glycerol 85 %, Na-acetat 3 H2O, Propylenglykol, ger. Wasser. Anw.: Linderung v. Nasen- und Augensympt. b. saisonaler und ganzj. allerg. Rhinitis, chron. Nesselsucht (chron. idiopath. Urtikaria). Gegenanz.: Überempf., schw. Niereninsuff. (Kreatinin-Clearance unter 10 ml/min), Cetirizin 10: Kdr. <6J., Galactose-Intol., Lactase-Mangel, Glucose-Galactose-Malabsorp., -Cetirizin Lsg.: Säugl. u. Kdr. <2J. Nebenwirk.: Thrombozytopenie, Überempf.reakt., anaphylakt. Schock, Agitiertheit, Aggressivität, Verwirrtheit, Depressionen, Halluzinationen, Schlaflosigkeit, Tic, Parästhesie, Konvulsionen, Bewegungsstör., Disguesie, Synkope, Tremor, Dystonie, Dyskinesie, Akkomodationsstör., verschwommenes Sehen, Okulogyration, Tachykardie, Diarrhoe, auffällige Leberfunkt. (erhöhte Werte f. Transaminasen, alkal. Phosphatase, gamma-GT u. Bilirubin), Pruritus, Ausschlag, Urtikaria, Quincke-Ödem, fixes Arzneimittelexanthem, Dysurie, Enuresis, Asthenie, Unwohlsein, Ödeme, Gewichtszunahme. Weit. Einzelh. s. Fach- u. Gebrauchsinfo. Apothekenpflichtig. Mat.-Nr.: 582824/3, 584905/3 Stand: März 2009, 1 A Pharma GmbH, Keltenring 1+3, 82041 Oberhaching © PD Dr. med. Dagmar Wieczorek „Artikel des Monats“ | Fortbildung Abb. 5: Erwachsener Patient mit Basalzellnävus-Syndrom (Gorlin-Syndrom) und Makrozephalus PTEN-assoziierte Krankheitsbilder Makrozephalie-Autismus-Syndrom (MIM #605309): Patienten mit diesem autosomal dominanten Krankheitsbild ha- © PD Dr. med. Dagmar Wieczorek Faziale Dysmorphien, wie eine prominente Stirn, grobe Gesichtszüge und Milien, werden bei den Betroffenen häufig beobachtet (Abb. 5). Die meisten Patienten haben Skelettveränderungen, wie z. B. Gabelrippen oder Wirbelkörperfehlbildungen (Abb. 6). Plantare / palmare Grübchen sind ebenfalls häufige klinische Zeichen [10]. Da ca. 5 % der Patienten mit Basalzellnävus-Syndrom ein Medulloblastom mit einem Erkrankungsgipfel im zweiten Lebensjahr entwickeln, ist eine körperliche Untersuchung, einschließlich Messung des Kopfumfangs, und eine Entwicklungsdiagnostik, besonders in den ersten Lebensjahren, notwendig. Ab dem achten Lebensjahr sollte im Abstand von 12 bis 18 Monaten ein Orthopantogramm zur Identifizierung der Kieferzysten durchgeführt werden. Sonnenexposition und Röntgenaufnahmen sollten von Geburt an auf ein absolutes Minimum beschränkt sein. Ferner ist eine jährliche dermatologische Untersuchung notwendig, um die entstehenden Basalzellkarzinome frühzeitig zu erkennen und fachgerecht zu entfernen. Im Alter von 20 Jahren zeigen mehr als 90 % der Patienten ektope Verkalkungen, besonders der Falx cerebri. Bei 60 – 90 % der Betroffenen kann die klinische Diagnose Gorlin-Syndrom molekulargenetisch bestätigt werden. Ursache ist eine Veränderung (Mutation oder Deletion) im Gen PTCH auf dem langen Arm des Chromosoms 9 (im Bereich 9q22.3). Die Vererbung erfolgt autosomal dominant. In der Regel handelt es sich um familiäre Fälle, nur 20 – 30 % sind Neumutationen. 92 Abb. 6: Röntgenaufnahme des Thorax mit Darstellung von Gabelrippen bei einem Neugeborenen mit Gorlin-Syndrom ben eine kongenitale Makrozephalie, die von + 2,5 bis + 8 Standardabweichungen reicht. Es findet sich häufig eine breite und hohe Stirn. Ansonsten bestehen nur milde faziale Dysmorphien. Darüber hinaus haben viele Patienten einen autistischen Verhaltensphänotyp. Bei einem Teil dieser Patienten findet man Mutationen im PTEN-Gen [2, 7], die z. T. identisch sind mit denen, die man bei Patienten mit anderen PTEN-assoziierten Krankheitsbildern ebenfalls findet. Zu den PTEN-assoziierten Krankheitsbildern zählen das Cowden-Syndrom (MIM #158350) und das Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom (BRRS, MIM #153480). Sowohl beim Cowden-Syndrom als auch beim BRRS findet man bei 60 – 85 % der Patienten Mutationen im PTEN-Gen und neben der Makrozephalie weitere Auffälligkeiten, die häufig erst im Erwachsenenalter manifest werden. Dies macht die Abgrenzung der einzelnen PTEN-assoziierten Krankheitsbilder im Kindesalter im Einzelfall schwierig. Das Cowden-Syndrom geht mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von benignen und malignen Tumoren der Schilddrüse, der Mamma und des Endometriums einher. Diese Tumoren treten jedoch in der Regel erst im Erwachsenenalter auf. Das heißt bei Patienten mit Makrozephalie-Autismus-Syndrom und Mutation im PTEN-Gen muss mit Beginn des Erwachsenenalters ein Tumor-Screeningprogramm durchgeführt werden. Das Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom ist neben der Makrozephalie charakterisiert durch intestinale Polypen, Lipome und pigmentierte Flecken des Penis. Diese Veränderungen treten auch erst im Laufe des Lebens auf, so dass eine Verlaufsbeobachtung der Patienten zeitlebens notwendig ist. PTEN-Mutationen sind auch bei Patienten nachgewiesen worden, die klinisch als Proteus-Syndrom diagnostiziert worden waren [2]. Dies ist von anderer Seite wohl zu Recht in Abrede gestellt worden: bisher konnte bei keinem Patienten, der tatsächlich klinisch sicher die Kriterien des Proteus-Syndroms erfüllt, eine Mutation im PTEN-Gen nachgewiesen werden [3]. Kinderärztliche Praxis 81, 88 – 96 (2010) Nr. 2 www.kinderaerztliche-praxis.de Fortbildung | „Artikel des Monats“ Zu diesem Krankheitsspektrum werden nach heutigem Kenntnisstand das Noonan- und LEOPARD-Syndrom (MIM #163950, MIM #151100, #611554), das CFCSyndrom („cardio-facio-cutaneous syndrome“, MIM #115150), das Costello-Syndrom (MIM #218040), die Neurofibromatose Typ I (Morbus Recklinghausen, MIM #162200) und das Legius-Syndrom (MIM #611431) gezählt. Diese Krankheitsbilder werden durch Mutationen in Genen des RAS (Rat Sarcoma virus gene)-MAPK-Signalwegs verursacht und autosomal dominant vererbt. Noonan- und LEOPARD-Syndrom Das mit einer Prävalenz von 1 / 2.500 auftretende Noonan-Syndrom ist charakterisiert durch einen Kleinwuchs, Thoraxdeformitäten, angeborene Herzfehler (häufig Pulmonalstenose, hypertrophe Kardiomyopathie), einen Kryptorchismus und kraniofaziale Dysmorphien. Hierzu gehören die relative Makrozephalie, der Hypertelorismus, die nach außen abfallenden Lidachsen, die Ptosis, die tiefsitzenden, nach hinten rotierten Ohren und der tiefe Haaransatz im Nacken (Abb. 7). Eine milde Entwicklungsverzögerung findet sich bei weniger als einem Drittel der Patienten. Eine erhöhte Blutungsneigung wird häufig beobachtet [20]. Beim Noonan-Syndrom finden sich Mutationen im PTPN11-Gen bei etwa 50 % und im SOS1-Gen bei etwa 10 – 15 % der Patienten. Deutlich seltener finden sich beim Noonan-Syndrom Mutationen im KRASund RAF1-Gen (bei 1 – 2 % bzw. 5 – 10 % der Patienten). Die Genotyp-Phänotyp-Korrelation zeigt, dass Patienten mit Mutationen im PTPN11-Gen häufig Pulmonalstenosen haben. Patienten mit Mutationen im SOS1-Gen haben in der Regel eine normale intellektuelle Entwicklung und seltener einen Kleinwuchs. Eine hypertrophe Kardiomyopathie findet sich häufig bei Mutationen im RAF1-Gen. Während der Drucklegung dieses Artikels wurde noch ein weiteres Noonan-Gen, das NRAS-Gen publiziert. © PD Dr. med. Dagmar Wieczorek Neuro-kardio-fazio-kutane Syndrome Abb. 7: Fazialer Phänotyp einer Patientin mit Noonan-Syndrom und Mutation im SOS1-Gen Das LEOPARD-Syndrom, charakterisiert durch Lentigines, EKG-Veränderungen, okulärem Hypertelorismus, Pulmonalstenose, Genitalanomalien, Retardierung der Körpergröße und Deafness, unterscheidet sich vom Noonan-Syndrom durch die Pigmentveränderungen, die sich in den ersten Lebensjahren entwickeln und in der Pubertät deutlich zunehmen können und stamm- und gesichtsbetont vorhanden sind [17]. Auch die Schwerhörigkeit entwickelt sich häufig erst im Kindesalter, so dass die Abgrenzung zum Noonan-Syndrom in der Kleinkindzeit schwierig sein kann. Mehr als 80 % der Patienten haben spezifische Mutationen im PTPN11- bzw. RAF1-Gen, die sich funktionell von den Mutationen beim Noonan-Syndrom unterscheiden. CFC-Syndrom („cardio-faciocutaneous syndrome“) Das CFC-Syndrom ist durch „cardiac anomalies“ und „facial anomalies“, die dem Noonan-Syndrom ähnlich sind, gekennzeichnet. Zusätzlich haben die Patienten „cutaneous anomalies“, wie Hyperkeratosen, fehlende Augenbrauen und Wimpern und spärliches und lockiges Haar. Ein Polyhydramnion und Fütterungsprobleme gehören ebenfalls zu den charakteristi- Kinderärztliche Praxis 81, 88 – 96 (2010) Nr. 2 www.kinderaerztliche-praxis.de schen klinischen Zeichen des CFC-Syndroms. Eine deutliche psychomotorische Entwicklungsverzögerung ist im Gegensatz zum Noonan-Syndrom bei allen Patienten vorhanden [16]. Bei 50 – 80 % der Patienten findet man Mutationen im BRAF-Gen. MEK1 und MEK2-Gen-Mutationen lassen sich bei 5 – 10 % der Patienten nachweisen. Mutationen im KRAS-Gen wurden in Einzelfällen beschrieben. Costello-Syndrom Patienten mit Costello-Syndrom zeigen ausgeprägte Fütterungsprobleme, einen deutlichen Kleinwuchs, eine Makrozephalie und eine Entwicklungsverzögerung. Die fazialen Dysmorphien überlappen mit dem Noonan- / CFC-Syndrom, allerdings sind die Gesichtszüge beim Costello-Syndrom gröber und die Lippen voller. Die tiefen palmaren und plantaren Hautfalten sind von Geburt an vorhanden, während die charakteristischen perioralen und perianalen Papillome erst im Laufe des Schulkindalters auftreten. Auch die Herzfehler überlappen mit denen des Noonan- / CFC-Syndroms, jedoch treten kardiale Arrhythmien beim Costello-Syndrom häufiger auf [15]. Da beim Costello-Syndrom das Tumorrisiko insbesondere für Rhabdomyosarkome, Neuroblastome und Karzinome der Blase erhöht ist, empfiehlt es sich, bei den Patienten ein Vorsorgeprogramm durchzuführen [5]. Bei über 90 % der Patienten mit Costello-Syndrom lässt sich eine Mutation im HRAS- Gen nachweisen. Neurofibromatose Typ 1 (Morbus Recklinghausen) Auch die Neurofibromatose Typ I (NF1) gehört zu den neuro-kardio-fazio-kutanen Syndromen. Gekennzeichnet ist dieses häufige Krankheitsbild (Prävalenz: 1 / 3.000) durch multiple Café-au-lait-Flecken, eine axilläres „freckling“, Neurofibrome, Lisch-Knötchen der Iris und Skelettveränderungen, wie z. B. Pseudarthrosen. Auch bei diesem Krankheitsbild ist das Tumorrisiko erhöht [23]. 95 „Artikel des Monats“ | Fortbildung Wesentliches für die Praxis . . . ◾◾ Die Makrozephalie ist definiert als ein Kopfumfang oberhalb der 97. Perzentile bzw. ein Kopfumfang, der mehr als 2 Standardabweichungen (SD) oberhalb des Mittelwerts für den Kopfumfang unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht liegt. ◾◾ Neben der benignen familiären Makrozephalie, die definitionsgemäß ohne assoziierte Anomalien einhergeht, gibt es zahlreiche syndromale Krankheitsbilder, die mit einer Makrozephalie assoziiert sind. ◾◾ Die Makrozephalie ist bei manchen syndromalen Krankheitsbildern mit fazialen Dysmorphien assoziiert, die eine Blickdiagnose erlauben. ◾◾ Einige syndromale Krankheitsbilder gehen mit einem erhöhten Tumorrisiko einher, welches ein Vorsorgeprogramm erfordert. ◾◾ Eine molekulargenetische Analyse zur Bestätigung der klinischen Diagnose ist bei einigen syndromalen Krankheitsbildern mit Makrozephalie nach Durchführung einer genetischen Beratung möglich. Es finden sich Punktmutationen im NF1Gen, aber auch Deletionen dieses Gens, die zu einem schwereren Phänotyp führen können. Eine Makrozephalie und Herzfehler, wie z. B. Pulmonalstenosen, finden sich häufiger bei Patienten mit Deletionen des NF1-Gens. Legius-Syndrom Dieses Syndrom wurde als Neurofibromatose Typ I-ähnliches Krankheitsbild beschrieben und stellt eine wichtige Differenzialdiagnose dar. Die Patienten haben eine Makrozephalie, einen fazialen Phänotyp, der große Überlappungen zum Noonan-Syndrom zeigt, Café-au-laitFlecken und das „axillary freckling“, allerdings entwickeln sie im Gegensatz zur NF1 keine Neurofibrome und keine LischKnötchen. Es finden sich Mutationen im SPRED1-Gen [11]. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei Vorliegen einer Makrozephalie eine umfassende Abklärung durchgeführt werden sollte (Tab. 1). Erst die Klärung der 96 Ursache erlaubt es, ein spezifisches pädiatrisches Betreuungskonzept für die Vorsorge und Therapie zu erstellen. Danksagung Wir bedanken uns bei allen Eltern, die sich bereit erklärt haben, dass ein Foto ihres Kindes abgedruckt werden darf. Literatur 1. 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