Anwaltswoche - Anwalt

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Anwaltswoche - Anwalt
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Anwaltswoche
Das Wichtige im Überblick
31/05
Aus dem Inhalt:
Vertragsrecht
Handels- und Gesellschaftsrecht
Internet-Auktion: Verbindlichkeit von Kaufangeboten
bei vorzeitiger Beendigung (OLG Oldenburg)
Anlagevermittlung: Zustandekommen eines Auskunftsvertrags bereits nach dem Beratungstermin
(BGH)
Mietrecht
Insolvenzverschleppung: Beweislastverteilung bei
Klage gegen den GmbH-Geschäftsführer (OLG
Brandenburg)
Modernisierungsmaßnahmen: Keine Beschränkungspflicht auf durchschnittliche Ausstattung für
den Vermieter (BGH)
Mieterhöhungsverlangen: Ausgangsmiete muss
nicht unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen
(BGH)
Wettbewerbsrecht und Gewerblicher
Rechtsschutz
Internet-Auktion: Pflicht des Betreibers zur Verhinderung von Markenverletzungen (OLG Köln)
Arbeitsrecht
Dienstwagen: Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers über die Kosten (BAG)
Abfindung: Zusätzliche Zahlung bei Verzicht auf
eine Kündigungsschutzklage (BAG)
Sozialrecht
Erstausstattung: Anspruch auf einmalige Hilfe zum
Kauf von Kinderbett und –wagen (LSG RheinlandPfalz)
Ein-Euro-Job: Voraussetzungen für Zuweisung
durch Job-Center (SG Berlin)
Steuerrecht
Fahrtkosten: Entfernungspauschale bei ständig
wechselnden Tätigkeitsstätten (BFH)
BMF-Schreiben: Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung
Inhalt
Anwaltswoche 31/05
Vertragsrecht
Handels- und Gesellschaftsrecht
Kaufangebote bei eBay sind selbst bei vorzeitiger
Beendigung der Auktion verbindlich
Die Anfechtungsklage nach § 246 AktG muss auch
dem Aufsichtsrat zugestellt werden
OLG Oldenburg 28.7.2005, 8 U 93/05
4
Vermieter müssen sich bei Modernisierungsmaßnahmen nicht auf eine durchschnittliche Ausstattung
beschränken
BGH 20.7.2005, VIII ZR 253/04
4
Bei einem Mieterhöhungsverlangen muss die Ausgangsmiete nicht unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen
BGH 6.7.2005, VIII ZR 322/04
5
Arbeitsrecht
9
6
Steuerrecht
Arbeitslose haben Anspruch auf einmalige Hilfe zum
Kauf eines Kinderbetts und eines Kinderwagens
LSG Rheinland-Pfalz 12.7.2005, L 3 ER 45/05 AS
6
Job-Center dürfen Arbeitslosen nur unter bestimmten Voraussetzungen einen Ein-Euro-Job zuweisen
7
Fahrtkosten und Verpflegungs-Mehraufwendungen
bei Auswärtstätigkeit mit Ausgangspunkt von ortsfester Betriebsstätte können regelmäßig nur pauschal abgezogen werden
BFH 11.5.2005, VI R 15/04 u.a.
10
Arbeitnehmer mit ständig wechselnden Tätigkeitsstätten können für ihre Fahrtkosten nicht die Entfernungspauschale geltend machen
BFH 11.5.2005, VI R 70/03
11
BMF-Schreiben: Zur Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)
12
An Mitarbeiter „verschenkte“ Goldmünzen stellen
sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt dar
Der Beitragssatz zur Sozialversicherung ist auf
unter 41 Prozent gesunken
OLG Brandenburg 31.3.2005, 11 U 103/04
Betreiber von Internet-Auktionen müssen Markenverletzungen Dritter verhindern („Rolex“)
OLG Köln 18.3.2005, 6 U 12/01
10
Sozialrecht
Hessisches LSG 14.7.2005, L 8/14 KR 399/03
Zur Beweislastverteilung bei Insolvenzverschleppung durch einen GmbH-Geschäftsführer
5
Zusätzliche Abfindung bei Verzicht auf Erhebung
der Kündigungsschutzklage kann zulässig sein
SG Berlin 18.7.2005, S 37 AS 4801/05 ER
Ein Auskunftsvertrag zur Anlagevermittlung kann
bereits nach einem Beratungstermin zustande kommen
BGH 12.5.2005, III ZR 413/04
9
Wettbewerbsrecht und Gewerblicher
Rechtsschutz
Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Auskunft
über die Kosten für die ihnen überlassenen Dienstwagen
BAG 31.5.2005, 1 AZR 254/04
8
Absolutes Wettbewerbsverbot schließt selbständige
Tätigkeit als Handelsvertreter aus
OLG Bremen 28.1.2005, 2 W 108/04
8
Mietrecht
BAG 19.4.2005, 9 AZR 188/04
KG Berlin 11.2.2005, 14 U 193/03
7
Ein-Prozent-Regelung ist im Umsatzsteuerrecht
grundsätzlich nicht anwendbar
8
Niedersächsisches FG 19.5.2005, 5 K 244/03
12
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Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
Vertragsrecht
Kaufangebote bei eBay sind selbst bei vorzeitiger Beendigung der Auktion verbindlich
Mietrecht
Vermieter müssen sich bei Modernisierungsmaßnahmen nicht auf eine durchschnittliche Ausstattung beschränken
OLG Oldenburg 28.7.2005, 8 U 93/05
Verkäufer, die ihre Waren im Internetportal eBay anbieten,
begründen ein verbindliches Angebot. Dieses verbindliche
Angebot wird in seiner Wirksamkeit auch nicht durch die nach
eBay-Grundsätzen mögliche vorzeitige Beendigung der Auktion
berührt. Der Verkäufer kann seine Willenserklärung daher nur im
Wege der Anfechtung beseitigen.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte hatte seinen gebrauchten Pkw bei eBay zu einem
Startpreis von einem Euro angeboten. Der Wert des Fahrzeuges
betrug rund 7.000 Euro. Die Frist zur Abgabe von Angeboten
betrug zwei Wochen. Nach einer Woche beendete der Beklagte
die Auktion vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger mit
4.550 Euro das höchste Angebot abgegeben und verlangte die
Herausgabe des Wagens. Der Beklagte verweigerte die Herausgabe und wies auf die Bedingungen von eBay hin, die Auktion
unter bestimmten Voraussetzungen beenden zu dürfen.
Der Kläger verlangte nunmehr vom Beklagten die Zahlung von
Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot
und dem Verkehrswert des Autos. Die hierauf gerichtete Klage
hatte Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf die
Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen
seinem Gebot und dem Verkehrswert des Autos. Zwischen den
Parteien ist ein Kaufvertrag zustande gekommen. Ein Verkäufer, der eine Ware ins Internetportal eBay einstellt, gibt damit
gleichzeitig die Erklärung ab, dass er bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste wirksame Gebot annimmt. Jede andere Auslegung würde den Bieter der Willkür des Anbieters aussetzen, dass
dieser sein Angebot ohne weitere Angaben von Gründen wieder
zurücknehmen kann.
Der durch das Online-Gebot des Kläger zustande gekommene Kaufvertrag ist auch nicht durch die vorzeitige Beendigung
der Versteigerung rückwirkend beseitigt worden. Der Verkäufer
kann seine Willenserklärung nur im Wege der Anfechtung beseitigen. Die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Vertrags
wegen Irrtums lagen im Streitfall jedoch nicht vor, so dass der
Beklagte an den Kaufvertrag gebunden ist.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des
OLG Oldenburg veröffentlicht.
- Für den Volltext klicken Sie bitte hier.
BGH 20.7.2005, VIII ZR 253/04
Vermieter, die eine Wohnungsmodernisierung beabsichtigen,
müssen sich nicht auf eine nur durchschnittliche Ausstattung
beschränken. Sie dürfen den Standard der Wohnungen vielmehr auch mit einer überdurchschnittlichen Ausstattung erhöhen (hier Ausstattung von Wohnungen mit einem Breitbandkabelnetz-Anschluss). Die Mieter sind verpflichtet, die in ihren
Wohnungen insofern notwendigen Modernisierungsmaßnahmen zu dulden.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnanlage, zu der 66
Wohneinheiten gehören. Die gesamte Wohnanlage war an eine
Gemeinschaftsantenne zum Empfang von Fernsehprogrammen
angeschlossen. Die Klägerin entschloss sich, die Wohnanlage an
ein rückkanalfähiges Breitbandkabelnetz anzuschließen und erbat hierfür die Zustimmung der Mieter.
Die Beklagte ist eine Mieterin der Klägerin und verweigerte
ihre Zustimmung zu den Umbaumaßnahmen. Sie vertrat die
Auffassung, dass es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um
eine nicht notwendige „Luxusmodernisierung“ handele. Der
Fernsehempfang sei seit der Einführung des terrestrischen Digitalfernsehens sehr viel günstiger mit einer so genannten SetTop-Box möglich. Demgegenüber trug die Klägerin vor, dass
ein Breitbandkabelnetz-Anschluss weitaus mehr Empfangsmöglichkeiten biete. Hierzu zählten unter anderem 30 weitere
Hörfunkprogramme sowie zahlreiche weitere in- und ausländische Fernsehprogramme.
Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Duldung der für den Kabelanschluss in deren Wohnung notwendigen
Arbeiten. Die Klage hatte vor dem BGH Erfolg.
Die Gründe:
Die Beklagte muss die Umbaumaßnahmen zur Installation eines
Kabelanschlusses dulden.
Gemäß § 554 Abs.2 S.1 BGB muss der Mieter Maßnahmen zur
Verbesserung der Mietsache dulden. Ob eine Maßnahme der
Verbesserung der Mietsache dient, ist objektiv zu bestimmen.
Die Meinung des derzeitigen Wohnungsmieters ist nicht ausschlaggebend. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Maßnahme
geeignet ist, den Wohnwert der Wohnung zu erhöhen, so dass
der Vermieter damit rechnen kann, dass die Wohnung für künftige Mieter interessant ist und eher angemietet wird als eine, in
der die Maßnahmen nicht durchgeführt wurde. Der Vermieter
muss sich dabei nicht auf eine nur durchschnittliche Ausstattung beschränken. Er darf den Standard der Wohnungen vielmehr auch mit einer überdurchschnittlichen Ausstattung erhöhen. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn der Vermieter eine
so genannte „Luxusmodernisierung“ beabsichtigt.
Im Streitfall dient die Ausstattung der Wohnungen mit dem
Kabelanschluss der Verbesserung des Wohnwerts. Nach dem
gegenwärtigen Stand der Technik ist ein BreitbandkabelnetzAnschluss zwar eine gehobene Ausstattung, aber keine Luxus-
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Anwaltswoche 4
modernisierung. Die Klägerin muss sich daher nicht auf die von
der Beklagten vorgeschlagene billigere aber nicht so leistungsfähige Set-Top-Box verweisen lassen.
Bei einem Mieterhöhungsverlangen muss
die Ausgangsmiete nicht unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen
BGH 6.7.2005, VIII ZR 322/04
Ein Mieterhöhungsverlangen ist nicht deswegen unwirksam,
weil sich die Ausgangsmiete innerhalb der Bandbreite der ortsüblichen Vergleichsmiete befindet. Die Ausgangsmiete muss auch
nichtunter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Lediglich
die vom Vermieter neu verlangte Miete muss sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren.
Der Sachverhalt:
Die Beklagten hatten von der Klägerin eine Wohnung gemietet,
die sie seit August 2000 bewohnen. Die Miete beträgt rund 460
Euro (5,90 Euro pro Quadratmeter). Im September 2002 forderte
die Klägerin von den Beklagten ihre Zustimmung zu einer Erhöhung der Kaltmiete auf rund 485 Euro (6,22 Euro pro Quadratmeter). Die Beklagten stimmten dem nicht zu. Im sich anschließenden Prozess holte das AG ein Sachverständigengutachten
ein, worin der Sachverständige für die örtliche Vergleichsmiete
eine Bandbreite von 5,75 Euro bis 6,23 Euro ermittelte.
Das AG gab der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung statt;
das LG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH
das Urteil des LG auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf
Zustimmung zur Mieterhöhung. Entgegen der Auffassung des
LG ergibt sich der Anspruch der Klägerin aus § 558 Abs.1 S.1
BGB. Hiernach kann der Vermieter die Zustimmung des Mieters
zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Nach § 558
Abs.2 S.1 BGB wird die ortsübliche Vergleichsmiete aus dem
üblichen Entgelt für vergleichbaren Wohnraum gebildet.
Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich nicht um
einen punktgenauen Wert. Die Vergleichsmiete bewegt sich vielmehr innerhalb einer gewissen Bandbreite. Ist kein qualifizierter Mietspiegel vorhanden, wird die ortsübliche Vergleichsmiete mittels eines Sachverständigengutachtens festgestellt. Dabei
wird die vom Vermieter neu verlangte Miete der Höhe nach
durch die ortsübliche Vergleichsmiete begrenzt. Entgegen der
Auffassung des LG setzt ein rechtmäßiges Mieterhöhungsverlangen aber nicht voraus, dass die bisher gezahlte Miete unterhalb der Spanne einer ortsüblichen Vergleichsmiete liegen muss.
Diese Auslegung widerspricht dem Wortlaut des § 558 Abs.2 S.1
BGB, der sich nicht auf die Ausgangsmiete, sondern nur auf die
neu verlangte Miete bezieht.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des
BGH veröffentlicht.
- Für den Volltext klicken Sie bitte hier.
Arbeitsrecht
Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf
Auskunft über die Kosten für die ihnen
überlassenen Dienstwagen
BAG 19.4.2005, 9 AZR 188/04
Arbeitnehmer, die den geldwerten Vorteil für die Überlassung
des Dienstwagens zur privaten Nutzung nicht anhand der EinProzent-Regelung ermitteln, sondern gegenüber dem Finanzamt konkret nachweisen wollen, haben gegen ihren Arbeitgeber
einen Anspruch auf Auskunft über die Kosten für den Dienstwagen. Die Auskunft muss insbesondere Angaben zur Höhe der
Kfz-Steuer, Kfz-Versicherung, Unterhaltskosten (Treibstoffe),
Reparaturkosten, Pflegekosten und Abschreibungskosten beziehungsweise Leasingraten enthalten.
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte stellte ihm für seine Tätigkeit
einen Dienstwagen zur Verfügung, den der Kläger auch zu privaten Zwecken nutzen durfte. Den geldwerten Vorteil der Privatnutzung ermittelte die Beklagte entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung nach der so genannten Ein-Prozent-Regelung
und führte entsprechend Lohnsteuer ab.
Für die Jahre 2000 und 2001 machte der Kläger gegenüber dem
Finanzamt geltend, dass der der Lohnsteuer zugrunde gelegte
Privatnutzungsanteil zu hoch bemessen sei, weil er das Dienstfahrzeug nur in sehr geringem Umfang zu privaten Zwecken
nutze. Das Finanzamt forderte den Kläger daraufhin auf, den
Umfang der privat mit dem Dienstwagen zurückgelegten Strecken nachzuweisen und eine Aufstellung der Beklagten über die
den Dienstwagen betreffenden Kosten vorzulegen.
Die Beklagte weigerte sich, eine entsprechende Kostenbescheinigung zu erstellen. Dies begründete sie damit, dass arbeitsvertraglich die Anwendung der Ein-Prozent-Klausel vereinbart worden
sei. Außerdem sei die Erstellung einer entsprechenden Bescheinigung mit einem unzumutbaren Mehraufwand verbunden.
Mit der hiergegen gerichteten Klage verlangte der Kläger von
der Beklagten Auskunft über die Kosten für die ihm in den Jahren 2000 und 2001 zur Verfügung gestellten Dienstwagen, insbesondere über die Höhe der Kfz-Steuer, Kfz-Versicherung, Unterhaltskosten (Treibstoffe), Reparaturkosten, Pflegekosten und
Abschreibungskosten beziehungsweise Leasingraten. ArbG und
LAG wiesen die Klage ab. Das BAG gab der Klage statt.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auskunft
über die Kosten für die ihm in den Streitjahren überlassenen
Dienstwagen.
Der Anspruch ergibt sich aus einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht der Beklagten. Auch ohne gesetzliche oder vertragliche
Anspruchsgrundlage besteht ein Auskunftsrecht, wenn eine Partei in entschuldbarer Weise über das Bestehen eines Rechts im
Ungewissen ist und es der anderen Partei unschwer möglich ist,
die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen tatsächlichen
Angaben zu machen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Der Kläger ist auf Informationen über die Kosten der ihm überlassenen Dienstwagen angewiesen, um gegenüber dem Finanz-
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Anwaltswoche 5
amt einen niedrigeren privaten Nutzungsanteil nachweisen
zu können als sich bei Anwendung der Ein-Prozent-Regelung
ergibt. Nur die Beklagte verfügt über die erforderlichen Informationen. Die Ermittlung der auf die jeweiligen Dienstwagen
entfallenden Kosten ist auch nicht mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Parteien arbeitsvertraglich die Anwendung der Ein-Prozent-Regelung vereinbart haben.
Der Kläger hat das Recht der Beklagten, den privaten Nutzungsanteil nach der Ein-Prozent-Regelung zu ermitteln, nicht in Frage gestellt. Es geht ihm ausschließlich um die Möglichkeit, seine
steuerlichen Erstattungsansprüche für die Jahre 2000 und 2001
durchzusetzen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des
BAG veröffentlicht.
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Zusätzliche Abfindung bei Verzicht auf
Erhebung der Kündigungsschutzklage kann
zulässig sein
BAG 31.5.2005, 1 AZR 254/04
Sozialplanleistungen dürfen zwar weiterhin nicht von einem
Klageverzicht des Arbeitnehmers abhängig gemacht werden.
Den Betriebsparteien ist es aber grundsätzlich nicht verwehrt,
in einer ergänzend zum Sozialplan geschlossenen freiwilligen
Betriebsvereinbarung eine zusätzliche Abfindung für den Fall
vorzusehen, dass der Arbeitnehmer auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Das gilt jedenfalls dann, wenn hierdurch das
Verbot, Sozialplanleistungen von einem Klageverzicht abhängig
zu machen, nicht umgangen wird.
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1994 als Maschineneinrichter beschäftigt. Anlässlich einer Betriebsänderung schloss
die Beklagte mit dem Betriebsrat einen Interessensausgleich
und Sozialplan. Dieser sah für Arbeitnehmer, denen infolge der
Betriebsänderung gekündigt wird, eine Abfindung nach Maßgabe folgender Formel vor: Alter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsverdienst : 50.
Außerdem einigte sich die Beklagte mit dem Betriebsrat auf eine
Betriebsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmer, die auf die
Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, Anspruch
auf Teilnahme an einem Gruppenoutplacement-Programm
haben. Arbeitnehmer, die sowohl auf eine Kündigungsschutzklage als auch auf die Teilnahme an dem GruppenoutplacementProgramm verzichten, sollten eine zusätzliche Abfindung in
Höhe eines Bruttomonatsgehalts erhalten.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus
betriebsbedingten Gründen zum 31.5.2003. Sie zahlte dem Kläger auf der Grundlage des Sozialplans eine Abfindung in Höhe
von 13.000 Euro. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und
verlangte hilfsweise eine weitere Abfindungszahlung in Höhe
eines Monatsgehalts. Er machte geltend, dass die Verknüpfung
der zusätzlichen Abfindung mit einem Verzicht auf Erhebung der
Kündigungsschutzklage unzulässig sei.
Das ArbG wies die Kündigungsschutzklage ab und verurteilte die
Beklagte zur Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe eines
Monatsgehalts. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten
hatte keinen Erfolg. Auf ihre Revision hob das BAG die Urteile
der Vorinstanzen auf und wies die Klage insgesamt ab.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe eines Monatsgehalts.
Die in der freiwilligen Betriebsvereinbarung aufgestellten Voraussetzungen für eine solche Abfindungszahlung sind vorliegend
nicht erfüllt, da der Kläger nicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage verzichtet hat. Die Betriebsvereinbarung ist
auch zulässig und verstößt weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das Maßregelungsverbot.
Sozialplanleistungen dürfen allerdings nicht von einem Klageverzicht der Arbeitnehmer abhängig gemacht werden. Das folgt aus
dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs.1 S.1 BetrVG. An dieser Rechtslage hat sich
auch durch den zum 1.1.2004 neu eingeführten § 1a KSchG nicht
geändert. Hiernach haben Arbeitnehmer, die auf die Erhebung
einer Kündigungsschutzklage verzichten, zwar unter bestimmten
Voraussetzungen einen Abfindungsanspruch. Hieraus kann aber
für Sozialplanansprüche nichts hergeleitet werden.
Haben die Betriebsparteien – wie hier – neben dem Sozialplan im
Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit eine
Betriebsvereinbarung geschlossen, wonach der Klageverzicht
eines Arbeitnehmers mit einer zusätzlichen Abfindung „belohnt“
wird, so ist dies grundsätzlich zulässig. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass hierdurch das Verbot der Verknüpfung der Sozialplanabfindung mit einem Klageverzicht nicht umgangen wird.
Für eine derartige Umgehung gibt es im Streitfall angesichts der
Höhe der Sozialplanabfindung keine Anhaltspunkte.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des
BAG veröffentlicht.
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Sozialrecht
Arbeitslose haben Anspruch auf einmalige
Hilfe zum Kauf eines Kinderbetts und eines
Kinderwagens
LSG Rheinland-Pfalz 12.7.2005, L 3 ER 45/05 AS
Arbeitslose haben neben dem Anspruch auf die Gewährung einer
Kleidungspauschale für Schwangerschaft und Babykleidung
auch einen Anspruch auf einmalige Hilfe für den Kauf eines
gebrauchten Kinderbetts und eines gebrauchten Kinderwagens.
Dies ist Teil ihres Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung.
Der Sachverhalt:
Die Kläger, ein arbeitsloses Ehepaar, beantragten für ihr noch
nicht geborenes Kind als Erstausstattung des Haurats Hilfe zum
Kauf eines Kinderbetts und eines Kinderwagens. Die beklagte
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Anwaltswoche 6
Agentur für Arbeit lehnte den Antrag ab, bewilligte aber eine
Kleidungspauschale für die Schwangerschaft von 150 Euro und
für Babykleidung von 180 Euro. Der Beklagte begründete seine
Entscheidung damit, dass die Kläger in einem bereits bestehenden Haushalt leben würden. Sie könnten ihre Ansprüche daher
nicht aus einer Erstausstattung der Wohnung herleiten. Die gegen
den entsprechenden Bescheid gerichtete Klage hatte Erfolg.
Die Gründe:
Die Kläger haben einen Anspruch auf eine einmalige Hilfe zum
Kauf eines gebrauchten Kinderbetts und eines gebrauchten Kinderwagens. Denn neben den Regelleistungen haben Arbeitslose
auch einen Anspruch für die Erstausstattung einer Wohnung.
Entgegen der Auffassung des Beklagten hängt der Anspruch
auf Hilfe zu einer Erstausstattung nicht von einem zeitlichen
Umstand ab, sondern von dem Bedarf der Arbeitslosen. Die
Erstausstattung umfasst damit alle Wohnungsgegenstände, die
für eine geordnete Haushaltsführung und ein menschenwürdiges
Wohnen erforderlich sind. Daher ist für eine Wohnung, in die ein
Säugling aufgenommen werden soll, auch ein Kinderbett und ein
Kinderwagen erforderlich. Den Klägern ist es allerdings zuzumuten, sich mit gebrauchten Gegenständen auszustatten.
Job-Center dürfen Arbeitslosen nur unter
bestimmten Voraussetzungen einen EinEuro-Job zuweisen
SG Berlin 18.7.2005, S 37 AS 4801/05 ER
Job-Center dürfen einem Arbeitslosen nur dann einen Ein-EuroJob zuweisen, wenn sie zuvor überprüft haben, ob die Arbeit
gemeinnützigen Zwecken dient und ob dadurch keine regulären
Arbeitsplätze verdrängt werden. Dazu ist zwingend erforderlich,
dass das Job-Center, und nicht der Maßnahmeträger, eindeutig
und verbindlich die Arbeitsinhalte, die genaue wöchentliche
Arbeitszeit und Arbeitszeitverteilung, die Höhe der Entschädigung sowie die Dauer der Maßnahme festlegt.
Der Sachverhalt:
Der 24-jährige Antragsteller besuchte eine Berufsfachschule zum Wirtschaftsassistenten Informatik und erwarb anschließend im Sommer 2004 die Fachhochschulreife. Danach bezog er
zunächst Sozialhilfe und seit dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld II.
Im März 2005 bestand er die Aufnahmeprüfung für den von ihm
angestrebten Studiengang freie bildende Kunst.
Anfang März 2005 forderte das zuständige Job-Center den
Antragsteller auf, sich mit dem Maßnahmenträger X. wegen
eines Ein-Euro-Jobs in Verbindung zu setzen. Weder Job-Center
noch Maßnahmenträger legten verbindlich fest, wo und wie der
Antragsteller tatsächlich eingesetzt werden sollte. Der Maßnahmenträger wies den Antragsteller lediglich darauf hin, dass er
verpflichtet sei, alle ihm übergebenen Aufgaben zu erfüllen, und
dass die wöchentliche Arbeitszeit entsprechend dem Bedarf der
Beschäftigungsstelle abgestimmt werde.
Der gegen die Zuweisung des Ein-Euro-Jobs gerichtete Eilantrag
des Antragstellers hatte vor dem SG Erfolg.
Die Gründe:
Der Eilantrag ist zulässig, da der Antragsteller gemäß § 31 Abs.5
SGB II mit einer zeitweisen Streichung des Arbeitslosengelds II
rechnen muss, wenn er den Ein-Euro-Job nicht antritt.
Der Eilantrag ist auch begründet. Die Zuweisung des Ein-EuroJobs war rechtswidrig. Nach § 16 Abs.3 S.2 SGB II kommen
nur gemeinnützige und zusätzliche Arbeiten als „Ein-Euro-Job“
in Betracht. Die Job-Center müssen vor Antritt der Maßnahme
sicherstellen, dass diese Voraussetzungen vorliegen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass Arbeitslosen willkürliche und sinnlose Hilfsarbeiten zugewiesen werden.
Im Einzelnen ist erforderlich, dass das Job-Center eindeutig und
verbindlich die Arbeitsinhalte, die genaue wöchentliche Arbeitszeit und Arbeitszeitverteilung, die Höhe der Entschädigung für
den Ein-Euro-Job und die Dauer der Maßnahme festlegt. Dieses
Bestimmtheitsgebot wird verletzt, wenn das Job-Center – wie
hier – den Maßnahmenträger über Art und Umfang der Arbeitsgelegenheit entscheiden lässt oder ihm hierbei einen größeren
Spielraum einräumt.
Linkhinweis:
Für den Volltext des auf den Webseiten des SG Berlin veröffentlichten Urteils klicken Sie bitte hier.
An Mitarbeiter „verschenkte“ Goldmünzen stellen sozialversicherungspflichtiges
Arbeitsentgelt dar
Hessisches LSG 14.7.2005, L 8/14 KR 399/03
Goldmünzen, die Arbeitgeber als Dank für die geleistete Arbeit
an ihre Mitarbeiter verteilen, unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Denn der sozialversicherungsrechtliche Begriff
des Arbeitsentgelts umfasst alle Einnahmen und damit nicht nur
Leistungen in Geld, sondern auch Sachzuwendungen, Zulagen
oder ähnliche Einnahmen.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verteilte an ihre Mitarbeiter anlässlich einer
Betriebsfeier Goldmünzen, so genannte „Australien Nuggets“.
Hierbei sollte es sich um eine Belohnung für die geleistete Arbeit
handeln. Sozialversicherungsbeiträge führte sie hierfür nicht ab.
Die beklagte Landesversicherungsanstalt beurteilte die Überlassung der Goldmünzen als sozialversicherungspflichtiges
Arbeitsentgelt und verlangte eine entsprechende Nachzahlung
von Sozialversicherungsbeiträgen in einer Gesamthöhe von rund
3.000 Euro. Mit der hiergegen gerichtete Klage machte die Klägerin geltend, dass es sich bei den Goldmünzen nicht um ein
Zahlungsmittel handele. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Goldmünzen, die die Klägerin an ihre Mitarbeiter verteilt
hat, sind sozialversicherungsrechtlich als Arbeitsentgelt zu beurteilen und unterliegen daher der Sozialversicherungspflicht.
Der sozialversicherungsrechtliche Begriff des Arbeitsentgelts
umfasst nicht nur Geldleistungen, sondern auch sonstige Sachzuwendungen, Zulagen oder ähnliche Einnahmen.
Außerdem ist es auch nicht zutreffend, dass die „Australien Nuggets“ kein Zahlungsmitteln darstellen. In Australien sind diese
Münzen als rechtsgültiges gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt.
Der Hintergrund:
Mit Urteil vom 14.7.2004 (Az.: 7 K 3481/02 L) hat das FG
Münster zur steuerrechtlichen Behandlung der Überlassung von
Goldmünzen an Mitarbeiter im Rahmen einer Betriebsfeier Stel-
31/2005
Anwaltswoche 7
lung genommen. Danach können Arbeitgeber für die Münzen
gemäß § 40 Abs.2 S.1 Nr.2 EStG nur dann Lohnsteuer mit einem
Pauschalsteuersatz von 25 Prozent abführen, wenn das Goldmünzen-Geschenk aus Anlass und nicht nur bei Gelegenheit der
Feier überreicht wird.
Linkhinweis:
Für den Volltext dieser unter http://www.nrwe.de/ (Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW) veröffentlichten Entscheidung des FG Münster klicken Sie bitte hier.
Der Beitragssatz zur Sozialversicherung ist
auf unter 41 Prozent gesunken
Der Beitragssatz zur Sozialversicherung, der sich aus den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung, Pflegeversicherung,
Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung zusammensetzt, ist im Juli 2005 auf 40,96 Prozent gesunken. Im Vormonat
betrug er 41,88 Prozent. Grund für den Rückgang ist eine Neuregelung bei der Krankenversicherung.
Die gesetzlichen Krankenkassen mussten ihren Beitragssatz zum
1.7.2005 um 0,9 Prozentpunkte senken. Hierdurch werden die
Arbeitgeber um 0,45 Prozentpunkte entlastet. Da Arbeitnehmer
nach der Neuregelung einen Zusatzbeitrag in Höhe von 0,9 Prozentpunkte tragen müssen, bedeutet die Neuregelung für sie eine
Mehrbelastung um 0,45 Prozentpunkte.
Handels- und
Gesellschaftsrecht
Die Anfechtungsklage nach § 246 AktG
muss auch dem Aufsichtsrat zugestellt werden
KG Berlin 11.2.2005, 14 U 193/03
Die wirksame Zustellung einer Anfechtungsklage nach § 246
AktG setzt voraus, dass die Klage auch einem Aufsichtsratsmitglied der AG zugestellt wird. Erfolgt die Zustellung nur an ein
Vorstandsmitglied, ist sie gegebenenfalls verfristet. Insofern darf
der Anfechtungskläger nicht davon ausgehen, dass eine Zustellung in die Geschäftsräume der AG automatisch eine Zustellung
an den Aufsichtsrat bewirkt, da sich dort nicht unbedingt der Sitz
des Aufsichtsrats befindet.
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangte die Nichtigerklärung von sechs Beschlüssen der Hauptversammlung der beklagten AG vom 6.2.2003.
Die Anfechtungsklage wurde dem Vorstandsmitglied X. in die
Geschäftsräume der Beklagten zugestellt. Die Zustellung an die
Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten erfolgte allerdings erst am
17.5.2003. Das LG wies die Anfechtungsklage ab, weil sie wegen
Versäumung der Anfechtungsfrist unzulässig sei. Die hiergegen
gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Anfechtungsklage ist wegen Versäumung der Anfechtungsfrist nach § 246 Abs.1 AktG unbegründet. Gemäß § 246 Abs.2
S.2 AktG wird die AG durch den Vorstand und den Aufsichtsrat vertreten. Eine Anfechtungsklage muss daher zwingend auch
mindestens einem Mitglied des Aufsichtsrat zugestellt werden.
Dies ist im Streitfall aber erst am 17.5.2003, also rund drei nach
der Beschlussfassung geschehen. Damit hat der Kläger die einmonatige Anfechtungsfrist des § 246 Abs.1 AktG versäumt.
Der Kläger hat die Frist auch nicht durch die Zustellung an
das Vorstandsmitglied X. in die Geschäftsräume der Beklagten
gewahrt. Er durfte nicht von einem „zustellfähigen“ Aufenthalt
eines Aufsichtsratsmitglied in den Geschäftsräumen ausgehen.
Zudem hat der Kläger nicht vorgetragen, dass sich unter der
Geschäftsanschrift der Beklagten auch der Sitz des Aufsichtsrats befindet.
Absolutes Wettbewerbsverbot schließt
selbständige Tätigkeit als Handelsvertreter
aus
OLG Bremen 28.1.2005, 2 W 108/04
Eine Person wird nicht als Handlesvertreter nach § 84 Abs.1
HGB, § 5 Abs.3 S.1 ArbGG tätig, wenn sie vertraglich einem
umfassenden und mit einer Vertragsstrafe bewehrten Wettbewerbsverbot unterworfen ist und ihr zudem jegliche Konkurrenztätigkeit mit Produkten des sie beschäftigenden Unternehmens verboten ist. Für einen Rechtsstreit mit einem solchen
Einfirmenvertreter sind die Arbeitsgerichte zuständig.
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war für die Klägerin als Vertreter beschäftigt. Der
als „Handelsvertretervertrag“ überschriebene Vertrag der Parteien sah ein umfassendes und mit einer Vertragsstrafe bewehrtes
Wettbewerbsverbot für den Beklagten vor. Darüber hinaus war
dem Beklagten jegliche Konkurrenztätigkeit mit Produkten der
Klägerin untersagt.
Die Klägerin verlangte vom Beklagten die Rückzahlung von
Provisionsvorschüssen. Er habe diese Vorschüsse als selbständiger Handelsvertreter „nicht ins Verdienen gebracht“. Darüber
hinaus habe die Klägerin dem Beklagten eine so genannte Ausbildungsbeihilfe gewährt. Diese habe er vereinbarungswidrig
nicht zurückgezahlt. Die Klägerin legte ihre Klage bei den Zivilgerichten ein. Das LG verwies die Sache an die Arbeitsgerichte.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das LG hat den Rechtsstreit zu Recht an das Arbeitsgericht verwiesen. Der Beklagte ist nicht als Handelsvertreter im Sinn von
§ 84 Abs.1 S.1, 2 HGB tätig geworden. Hiernach wird als Handelsvertreter tätig, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte
zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Das Tatbestandmerkmal „selbständig“ setzt zudem voraus, dass der Handelsvertreter seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit
selbst bestimmen kann.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Der
Beklagte durfte nach dem Vertrag der Parteien nicht für Wett-
31/2005
Anwaltswoche 8
bewerber oder Partnergesellschaften der Klägerin tätig werden
oder sich an einem Konkurrenzunternehmen der Klägerin mittelbar oder unmittelbar beteiligen. Dabei werden die Rechtsbeziehungen der Klägerin zu ihren Partnergesellschaften in dem
„Handelsvertretervertrag“ der Parteien gar nicht erläutert. Der
Beklagte kann hieraus nicht ersehen, welchen Umfang das Wettbewerbsverbot einnimmt. Er unterlag insofern den Weisungen
der Klägerin.
Dem Beklagten war außerdem jegliche Konkurrenztätigkeit
untersagt. Dieses Verbot bezog sich auf alle Produkte der Klägerin, insbesondere auf die Vermittlung von Immobilien, Krediten
und Kapitalanlagen. Der Beklagte war somit als so genannter
Einfirmenvertreter tätig. Für Rechtstreitigkeiten mit einem Einfirmenvertreter sind gemäß § 92a Abs.1 HGB in Verbindung mit
§ 5 Abs.3 ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig.
Ein Auskunftsvertrag zur Anlagevermittlung
kann bereits nach einem Beratungstermin
zustande kommen
BGH 12.5.2005, III ZR 413/04
Ein Auskunftsvertrag zwischen einem Anleger und einem Anlagevermittler kann bereits dann zustande kommen, wenn der
Anleger den Anlagevermittler um einen Beratungstermin bittet und der Anlagevermittler in dem Gespräch Angaben zu den
Erfolgsaussichten einer konkreten Anlage macht. Verletzt der
Anlagevermittler hierbei seine Auskunftspflichten, haftet er dem
Anleger bei einer Fehlinvestition auf Schadensersatz.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte sich an BGB-Gesellschaften beteiligt, die von
der P.C. GmbH als alleiniger Geschäftsführerin und Vertreterin
geführt wurden. Zuvor hatte sich die Klägerin bei dem Beklagten, einem selbständigen Anlageberater, einen Termin geben
lassen, um sich über die Anlage zu informieren. Der Beklagte
versicherte der Klägerin, dass ihre Anlage bei der P.C. GmbH
abgesichert sei und Renditen zwischen 0,4 und zwei Prozent pro
Jahr zu erwarten seien.
Über das Vermögen der P.C. GmbH wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Zudem stellte sich heraus, dass sie nach einem
Schneeballsystem gearbeitet hatte. Die Klägerin verlangte vom
Beklagten die Zahlung von Schadensersatz für den Verlust ihrer
Anlagegelder. Der Beklagte habe seine Auskunftspflichten verletzt, weil er sie nur unzueichend beraten habe. Das Anlagemodell der P.C. GmbH habe nie die versprochenen Renditen erreichen können. Ihre Klage hatte Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin kann vom Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Anlageberatung verlangen. Zwischen den Parteien ist stillschweigend ein Auskunftsvertrag mit
dem entsprechenden Haftungsfolgen zustande gekommen. Ein
solcher Auskunftsvertrag kommt immer dann zustande, wenn
der Anlageinteressent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und
Verbindungen des Anlagevermittlers in Anspruch nehmen will.
Durch diesen Vertrag wird der Anlagevermittler verpflichtet, den
Interessenten richtig und vollständig über das Anlageobjekt zu
informieren.
Im Streitfall ist der Auskunftsvertrag dadurch zustande gekommen, dass der Kläger den Beklagten um einen Termin zur Anlageberatung gebeten hat. Bei diesem Termin hat der Beklagte
Angaben zu der Anlage bei der P.C. GmbH gemacht. Den zwischen den Parteien zustandegekommenen Auskunftsvertrag hat
der Beklagte schuldhaft verletzt. Er hat der Klägerin eine zu
erwartende Rendite aufgezeigt, die mit dem Anlagekonzept der
P.C. GmbH niemals realistisch erreicht werden konnte.
Der Beklagte kann sich auch nicht mit einem Informationsbrief
entlasten, den er der Klägerin bei dem Beratungsgespräch übergeben hatte. Diese Unterlagen sagen nicht darüber aus, ob das
Anlagekonzept der P.C. GmbH tragfähig und die in Aussicht
gestellt Rendite realistisch war. Hätte der Beklagte das Konzept
der P.C. GmbH auf seine Plausibilität hin überprüft, hätte ihm
auffallen müssen, dass die erwartete Rendite mit dem Anlagekonzept nicht erzielt werden konnte.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des
BGH veröffentlicht.
- Für den Volltext klicken Sie bitte hier.
Zur Beweislastverteilung bei Insolvenzverschleppung durch einen GmbH-Geschäftsführer
OLG Brandenburg 31.3.2005, 11 U 103/04
Gläubiger, die den Geschäftsführer einer GmbH wegen einer
Insolvenzverschleppung auf Haftung in Anspruch nehmen, müssen darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen des § 64
GmbHG vorliegen. Ihnen kommen selbst dann keine Beweiserleichterungen zu gute, wenn der Geschäftsführer die Bücher der
GmbH nicht ordnungsgemäß geführt hat.
Der Sachverhalt:
Die Beklagten sind die Geschäftsführer einer GmbH. Sie hatten
bei der Klägerin in den Monaten Februar bis Mai 2001 Waren
bestellt, diese aber nie bezahlt. Als im Jahr 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet wurde, fiel die
Klägerin mit ihren Forderungen aus.
Die Klägerin verlangte von den Beklagten wegen Insolvenzverschleppung die Zahlung der noch offenen Forderungen. Eine
Überschuldung der Gesellschaft habe bereits in den Monaten
Februar bis Mai 2001 bestanden. Dies könne die Klägerin nur
deswegen nicht nachweisen, weil die Bücher der GmbH von den
Beklagten nicht ordnungsmäßig geführt worden seien. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin kann von den Beklagten keine Zahlung der noch
offenen Forderungen verlangen. Der Anspruch der Beklagten
ergibt sich insbesondere nicht aus § 823 Abs.2 BGB in Verbindung mit §§ 283 bis 283d StGB und § 64 GmbHG. Hiernach
haftet ein GmbH-Geschäftsführer, der die Geschäfte der GmbH
in einer insolvenzreifen Situation weiterführt, den Neugläubigern, die bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags keine
Geschäfte mit der GmbH mehr getätigt hätten, auf Schadensersatz. Den Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht muss allerdings der Gläubiger
erbringen.
31/2005
Anwaltswoche 9
Im Streitfall hätte die Klägerin darlegen und beweisen müssen,
dass die GmbH bereits im Zeitpunkt der Bestellung der Waren
durch die Beklagten überschuldet war. Dieser Nachweis ist ihr
nicht gelungen. Sie kann sich insofern auch auf keine Beweiserleichterungen berufen. Beweiserleichterungen kommen grundsätzlich nur in Betracht, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für
die Richtigkeit der von der beweisbelasteten Partei zu beweisenden Tatsache spricht. Im Hinblick auf den Tatbestand einer Insolvenzverschleppung wird von der Rechtsprechung eine Verlagerung der Beweislast daher nur in Betracht gezogen, wenn sich
die Gesellschaft bei der unterlassenen Rechtshandlung bereits
in der Krise befunden hat. Hierfür liegen im Streitfall keine
Anhaltspunkte vor.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verlagert sich die Beweislast auch nicht durch den Umstand, dass die Beklagten die
Bücher der GmbH nicht ordnungsgemäß geführt haben. Eine so
gelagerte Beweiserleichterung würde dazu führen, dass jeden
Geschäftsführer, der seine Bücher nicht ordnungsgemäß führt,
die volle Haftung für jede nach dem Eintritt der Insolvenz aus
dem Vermögen der GmbH nicht mehr zu begleichende Gläubigerforderung trifft. Ein solche allgemeine Ausfallhaftung von
GmbH-Geschäftsführern ist mit der Rechtsordnung aber nicht
vereinbar.
Wettbewerbsrecht
und Gewerblicher
Rechtsschutz
Betreiber von Internet-Auktionen müssen
Markenverletzungen Dritter verhindern
(„Rolex“)
Das OLG wies die auf Unterlassung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage zunächst ab. Auf die Revision der Klägerinnen hob der BGH das Berufungsurteil auf und
wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an
das OLG zurück. Nunmehr nahmen die Klägerinnen die Beklagte auf Unterlassung aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung in
Anspruch. Sie stützten sich dabei auf markenrechtliche Verletzungstatbestände. Das OLG gab der Klage im Wesentlichen statt.
Die Gründe:
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte wegen der auf ihrer
Internet-Plattform begangenen Markenrechtsverletzungen nach
den Grundsätzen der Störerhaftung (§§ 823 Abs.1, 1004 BGB)
einen Anspruch auf Unterlassung.
Die besagten Fremdanbieter haben im geschäftlichen Verkehr
im Sinne des § 14 Abs.2 MarkenG gehandelt. Nur rein private
Tätigkeiten fallen nicht unter den Begriff des geschäftlichen Verkehrs, es sei denn, Waren werden außerhalb des Privatbereichs
einer unbestimmten Vielzahl von Personen – nicht notwendig gegen Entgelt – angeboten. Dies ist bei Internet-Auktionen
infolge der Öffentlichkeit des Internets der Fall. Das Angebot bei
einer Internet-Auktion gilt einem denkbar großen Personenkreis,
mit dem Ziel, einen möglichst hohen Verkaufspreis zu erzielen,
so dass es auch keine Rolle spielt, ob der Anbieter sonst unternehmerisch oder gewerblich tätig ist.
Durch das Betreiben einer Internet-Plattform hat die Beklagte einen ursächlicher Tatbeitrag zur Markenverletzung der
Fremdanbieter geleistet. Sie hat ihre eigenen Prüfungspflichten
verletzt und willentlich und adäquat kausal bei einer Verletzung
von Immaterialgütern mitgewirkt. Daher ist sie nicht nur verpflichtet, das konkrete Uhrenangebot unverzüglich zu sperren,
sondern muss auch in technischer Weise dafür sorgen, dass es zu
keinen weiteren Rechtsgutverletzungen mehr kommt.
Steuerrecht
OLG Köln 18.3.2005, 6 U 12/01
Betreiber einer Internet-Plattform, die auf eindeutige Markenrechtsverletzungen Dritter hingewiesen worden sind, sind verpflichtet, diese Angebote unverzüglich zu sperren. Zusätzlich
besteht die Pflicht, in technischer Weise dafür zu sorgen, dass es
zu keinen weiteren Rechtsgutverletzungen kommt.
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen sind Inhaberinnen der Marke „ROLEX“ und stellen Uhren her. Die Beklagte betreibt ein Internet-Aktionshaus. Auf
der Internet-Plattform der Beklagen werden Fremdversteigerungen angeboten, bei denen Dritte ihre Ware im Internet zur Auktion
stellen. Beim Verkauf erhält die Beklagte eine Provision.
Auf der Internet-Plattform der Beklagten hatten Dritte gefälschte Rolex-Uhren unter der vorgegebenen Rubrik „Mode, Uhren,
Lifestyle“ angeboten und diese mit den Marken der Klägerinnen, insbesondere der Bezeichnung „ROLEX“ und dem RolexLogo (einer fünfzackigen Krone) versehen. Die Uhren hatten
die Fremdanbieter aber ausdrücklich als Plagiate (u.a. „Edelreplika“, „perfekt geklont“, „täuschend ähnlich dem Original“)
bezeichnet. Die Preise für die Plagiate lagen weit unterhalb der
Preise für eine echte Rolex-Uhr.
Fahrtkosten und Verpflegungs-Mehraufwendungen bei Auswärtstätigkeit mit Ausgangspunkt von ortsfester Betriebsstätte
können regelmäßig nur pauschal abgezogen werden
BFH 11.5.2005, VI R 15/04 u.a.
Fahrten zur Arbeitsstätte, die ein im Außendienst tätiger Mitarbeiter unternimmt, unterliegen der Abzugsbeschränkung des §
9 Abs.1 S.3 Nr.4 EStG, wenn der Arbeitnehmer nachhaltig eine
ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers aufsucht, um von dort
seine Instruktionen zu erhalten beziehungsweise sein Dienstfahrzeug zu übernehmen. Verpflegungsmehraufwendungen kann
der Arbeitnehmer in diesen Fällen nicht für die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung, sondern nur für die Zeit ab Verlassen
des Betriebssitzes in Abzug bringen.
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist bei den Stadtwerken als Busfahrer auf wechselnden Linien beschäftigt. Die Fahrzeuge muss der Kläger an
31/2005
Anwaltswoche 10
jeweils unterschiedlichen Busdepots abholen, um von dort seine Routen zu starten. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass es
sich bei seiner Tätigkeit um eine Einsatzwechseltätigkeit handele. Aus diesem Grund machte er in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 Aufwendungen für die mit seinem
privaten Pkw unternommen Fahrten von seiner Wohnung zu den
jeweiligen Busdepots und zurück in Höhe der tatsächlichen Kosten geltend. Dem kam das Finanzamt nicht nach und erkannte
lediglich die Kilometer-Pauschbeträge gemäß § 9 Abs.1 S.3 Nr.4
EStG an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger kann nicht die tatsächlichen Kosten für die mit seinem privaten Pkw unternommenen Fahrten von seiner Wohnung zu den jeweiligen Busdepots und zurück geltend machen.
Das Finanzamt hat zu Recht entschieden, dass diese Fahrten
der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs.1 S.3 Nr.4 EStG unterliegen. Hiernach kann der Arbeitnehmer lediglich die KilometerPauschbeträge für Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner
regelmäßigen Arbeitsstätte geltend machen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Entgegen der Auffassung des Klägers verfügt er über eine regelmäßige Arbeitsstätte und übt keine
Einsatzwechseltätigkeit aus.
Eine regelmäßige Arbeitsstätte im Sinn von § 9 Abs.1 S.3 Nr.4
EStG ist der Betrieb oder eine ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers. Einer solchen Betriebsstätte ist der Arbeitnehmer zugeordnet und sucht sie nachhaltig, fortdauernd und immer wieder
auf. Eine regelmäßige Arbeitsstätte liegt auch dann vor, wenn
der Arbeitnehmer sie lediglich deswegen aufsucht, um dort seine Aufträge entgegenzunehmen, Bericht zu erstatten oder sein
Dienstfahrzeug entgegenzunehmen. Es ist daher nicht ausschlaggebend, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer
die Arbeitsstätte aufsucht. Ausschlaggebend ist vielmehr nur,
mit welcher Nachhaltigkeit er eine oder auch mehrere ortsfeste
Arbeitsstätten aufsucht.
Im Streitfall hat der Kläger Fahrten zu einer regelmäßigen
Arbeitsstätte unternommen, weil er die verschiedenen Busdepots nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Etwas
anderes könnte nur gelten, wenn die Übernahme und Rückgabe
der Fahrzeuge nicht an festen Depots erfolgt, sondern an immer
wieder wechselnden Orten oder auf freier Strecke. In derartigen
Fällen würde den Fahrten der Bezug zu ortsfesten betrieblichen
Einrichtungen des Arbeitgebers fehlen.
Der Hintergrund:
Der BFH entschied in einem weiteren Urteil vom 11.5.2005
(Az.: VI R 16/04), dass Arbeitnehmer auch keinen Verpflegungsmehraufwand geltend machen können, wenn sie den Betrieb des
Arbeitgebers nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsuchen. Im entschiedenen Fall suchte der Kläger, ein Sperrkassierer bei einem Energieversorgungsunternehmen täglich die Verwaltungsstelle seines Arbeitgebers auf, um dort seine Aufträge
zu übernehmen. Anschließend begab er sich in den Außendienst
und suchte die Verwaltungsstelle bis zum Dienstsschluss nicht
mehr auf. Der BFH entschied, dass der Kläger Verpflegungsmehraufwendungen nicht für die Dauer der Abwesenheit von der
Wohnung, sondern nur für die Zeit ab Verlassen des Betriebssitzes in Abzug bringen kann.
Arbeitnehmer mit ständig wechselnden
Tätigkeitsstätten können für ihre Fahrtkosten nicht die Entfernungspauschale geltend
machen
BFH 11.5.2005, VI R 70/03
Die Entfernungspauschale kann nur für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte, die nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufgesucht wird, geltend gemacht
werden. Sie ist daher nicht für Wege zu ständig wechselnden
Tätigkeitsstätten anzusetzen. Die Aufwendungen für solche
Fahrten sind vielmehr nur in der konkret nachgewiesenen oder
glaubhaft gemachten Höhe abziehbar. Bei Sammelbeförderungen des Arbeitgebers scheidet mangels eigenen finanziellen
Aufwands des Arbeitnehmers ein Werbungskostenabzug für die
Fahrtkosten aus.
Der Sachverhalt:
Der Kläger arbeitete im Streitjahr 2001 als Maurerpolier an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten. Er wurde auf Kosten des
Arbeitgebers von zu Hause abgeholt, zum jeweiligen Einsatzort
gefahren und nach Arbeitsende wieder zurückgebracht. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er für
133 Tage die Entfernungspauschale geltend und gab dabei eine
durchschnittliche einfache Fahrtstrecke von 93 Kilometern an.
Das Finanzamt weigerte sich, die Entfernungspauschale anzusetzen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger kann für die Wege zwischen seiner Wohnung und den
ständig wechselnden Tätigkeitsstätten die Entfernungspauschale
nicht ansetzen. Fahrten bei Auswärtstätigkeiten fallen grundsätzlich nicht unter § 9 Abs.1 S.3 Nr.4 EStG. Denn nach dem Sinn
und Zweck dieser Regelung werden von der Entfernungspauschale nur Fahrten zu regelmäßigen Arbeitsstätten erfasst, die
nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufgesucht werden.
Die Regelung der Entfernungspauschale in § 9 Abs.1 S.3 Nr.4
EStG n.F. verfolgt wie die bis zum 31.12.2000 geltende alte
Pauschbetragsregelung das Ziel, den Werbungskostenabzug für
Fahrten zur Arbeitstätte für Steuerpflichtige und Finanzverwaltung zu vereinfachen. Außerdem verfolgt sie verkehrspolitische
und umweltpolitische Zwecke. Es sollen Anreize geschaffen
werden, auf Fahrten mit dem eigenen Pkw zu verzichten und
anstatt dessen öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
Diesen Zwecken entsprechend umfasst die Entfernungspauschale nur Fahrten zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte. Fahrten zu
ständig wechselnden Tätigkeitsstätten sind hiermit nicht vergleichbar, sondern ähneln eher Dienstreisen. In beiden Fällen
muss der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers zu ständig
wechselnden Einsatzorten fahren. Die Benutzung öffentlicher
Verkehrsmittel scheidet in dieser Situation regelmäßig aus.
Im Streitfall handelte es sich um Fahrten zu ständig wechselnden Tätigkeitsstätten anlässlich von Auswärtstätigkeiten. Aufwendungen für solche Fahrten sind – wie bei Dienstreisen - nach
§ 9 Abs.1 S.1 EStG in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten
abziehbar. Die Entfernungspauschale kann dagegen nicht angesetzt werden. Da der Kläger auf Kosten seines Arbeitgebers zu
den Einsatzstätten gefahren wurde, sind bei ihm keine Fahrtkosten angefallen, so dass ein diesbezüglicher Werbungskostenabzug insgesamt ausscheidet.
31/2005
Anwaltswoche 11
Der Hintergrund:
In einer weiteren Entscheidung vom 11.5.2005 (Az.: VI R 25/04)
hat der BFH entschieden, dass obige Grundsätze nicht für Wege
gelten, die ein an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten tätiger
Arbeitnehmer zum Betriebssitz zurücklegt, wenn der Betrieb
Sammelpunkt für die Weiterbeförderung ist. In diesem Fall kann
der Arbeitnehmer für die Wege zum Betrieb die Entfernungspauschale und für die Wege ab dem Betrieb zu den Einsatzstätten
die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten absetzen. Finanziert der
Arbeitgeber den Sammeltransport, bleibt es allein bei der Entfernungspauschale für die Wege zum Betrieb.
Weitere Entscheidungen des BFH vom 11.5.2005 zum Thema:
Der BFH hat am 11.5.2005 insgesamt sechs Entscheidungen
zum Thema Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen
bei Auswärtstätigkeit gefällt. Zusammengefasst gilt danach Folgendes:
- Von der Entfernungspauschale werden nur Fahrten zu regelmäßigen Arbeitsstätten erfasst, die nachhaltig, fortdauernd
und immer wieder aufgesucht werden (Az.: VI R 70/03).
- Für ständig wechselnde Auswärtstätigkeiten kann daher
grundsätzlich keine Entfernungspauschale angesetzt werden.
Etwas anderes gilt für Fahrten zum Betriebssitz, wenn der
Betrieb Sammelpunkt für die Weiterbeförderung ist (Az.: VI
R 25/04).
- Die Entfernungspauschale findet auch dann keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer am Ort der auswärtigen Tätigkeit oder in dessen Nähe vorübergehend übernachtet, statt
abends an seinen Lebensmittelpunkt zurückzukehren (Az.:
VI R 34/04). Der Arbeitnehmer kann dann allerdings die ihm
tatsächlich entstandenen Fahrt- und Übernachtungskosten
geltend machen (Az.: VI R 7/02).
- Die Fahrten zur Arbeitsstätte, die ein im Außendienst tätiger
Mitarbeiter unternimmt, unterliegen der Abzugsbeschränkung
des § 9 Abs.1 S.3 Nr.4 EStG, wenn der Arbeitnehmer nachhaltig eine ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers aufsucht, um
von dort seine Instruktionen zu erhalten beziehungsweise sein
Dienstfahrzeug zu übernehmen (Az.: VI R 15/04). Verpflegungsmehraufwendungen kann der Arbeitnehmer in diesen
Fällen nicht für die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung,
sondern nur für die Zeit ab Verlassen des Betriebssitzes in
Abzug bringen (Az.: VI R 16/04).
Linkhinweise:
Alle sechs Urteile sind auf den Webseiten des BFH http://www.
bundesfinanzhof.de veröffentlicht:
- Volltext des Urteils mit dem Aktenzeichen VI R 70/03
- Volltext des Urteils mit dem Aktenzeichen VI R 25/04
- Volltext des Urteils mit dem Aktenzeichen VI R 34/04
- Volltext des Urteils mit dem Aktenzeichen VI R 7/02
- Volltext des Urteils mit dem Aktenzeichen VI R 15/04
- Volltext des Urteils mit dem Aktenzeichen VI R 16/04
BMF-Schreiben: Zur Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung
(AEAO)
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom
4.8.2005, (IV A 4 – S 0062 – 4/05) die Änderung des Anwendungserlasses zur AO vom 15.7.1998 (der zuletzt durch das
BMF-Schreiben vom 10.3.2005 geändert worden ist), bekannt
gegeben. Die Änderungen betreffen insbesondere die Regelungen zur Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit, zur Arbeitnehmerüberlassung, zu Sozialleistungen und
Subventionen. Das BMF nimmt insofern ausführlich zu Begriffen, Mitteilungspflichten und zum Verfahren Stellung.
Außerdem wird der Anwendungserlass im Hinblick auf § 171
AO (Ablaufhemmung) und § 174 AO (Widerstreitende Steuerfestsetzung) sowie § 198 AO (Außenprüfung) geändert.
Linkhinweis:
- Das Schreiben ist auf der Homepage des BMF veröffentlicht.
- Den Volltext mit einigen Beispielsfällen zur Ablaufhemmung
finden Sie hier.
Ein-Prozent-Regelung ist im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich nicht anwendbar
Niedersächsisches FG 19.5.2005, 5 K 244/03
Die Überlassung eines Firmenwagens an einen Mitarbeiter stellt
einen nach § 1 Abs.1 Nr.1 UStG steuerbaren Umsatz dar. Die
Finanzverwaltung darf die Höhe dieses Umsatzes grundsätzlich
nicht anhand der so genannten Ein-Prozent-Regelung schätzen.
Diese Methode ist im Umsatzsteuerrecht regelmäßig kein geeigneter Maßstab für die Aufteilung der privaten und unternehmerischen Nutzung eines Fahrzeugs. Etwas anderes kann allerdings
für die Schätzung des Umsatzes durch den Unternehmer gelten.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt mehrere Spielhallen. Sie beschäftigte in
den Streitjahren 1996 bis 1999 zwei Außendienstmitarbeiter,
die für die technische Wartung der Automaten zuständig waren.
Den Außendienstmitarbeitern standen für ihre Arbeit zwei Firmenwagen zur Verfügung, die sie nach Darstellung der Klägerin
nicht für private Zwecke nutzen durften. Eine Überwachung dieses Verbots durch die Klägerin – etwa durch Führen eines Fahrtenbuchs- erfolgte allerdings nicht.
Das Finanzamt unterstellte eine private Mitnutzung der Firmenwagen durch die beiden Außendienstmitarbeiter und ermittelte den
Wert der Privatnutzung für lohnsteuerliche Zwecke nach der EinProzent-Regelung. In gleicher Höhe unterwarf es den geldwerten
Vorteil der privaten Dienstwagennutzung der Umsatzsteuer und
erließ dementsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide.
Mit der hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, dass ihre Mitarbeiter die Firmenwagen nicht privat genutzt
hätten. Im Rahmen der Beweisaufnahme bestätigte einer der beiden Außendienstmitarbeiter, dass ihnen eine private Nutzung der
Firmenwagen untersagt gewesen sei.
Die Klage hatte lediglich teilweise Erfolg.
Die Gründe:
Das Finanzamt ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass im
Streitfall eine umsatzsteuerpflichtige private Mitnutzung der
Firmenwagen durch die Arbeitnehmer der Klägerin vorliegt.
Es durfte die Höhe der Umsätze allerdings nicht anhand der so
genannten Ein-Prozent-Regelung schätzen.
Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass ihre Mitarbeiter die
Firmenwagen ausschließlich zu betrieblichen Zwecken genutzt
31/2005
Anwaltswoche 12
haben. Sie ist insoweit beweispflichtig, weil ein Anscheinsbeweis dafür spricht, dass Arbeitnehmer, die Firmenfahrzeuge
nutzen, diese auch für private Zwecke einsetzen. Für den erforderlichen Gegenbeweis reicht der Nachweis eines privaten Nutzungsverbots nicht aus. Arbeitgeber müssen darüber hinaus
vielmehr auch darlegen und beweisen, dass sie dieses Verbot
überwacht haben. Dies ist im Streitfall nicht geschehen.
Das Finanzamt durfte die Höhe des Umsatzes allerdings nicht
anhand der so genannten Ein-Prozent-Regelung (§ 6 Abs.1 Nr.4
S.2 EStG) ermitteln. Diese Methode gilt grundsätzlich nur im
Einkommensteuerrecht und ist im Umsatzsteuerrecht kein geeigneter Maßstab. Denn der Entnahmewert geht vom Listenpreis
des Fahrzeugs aus und berücksichtigt weder die tatsächlich auf
den Betrieb des Fahrzeugs entfallenden Kosten noch die konkreten Nutzungsverhältnisse im Einzelfall.
Zwar kann nach Auffassung der Finanzverwaltung der Unternehmer, der für lohnsteuerliche Zwecke die Ein-Prozent-Regelung anwendet, den so ermittelten Wert aus Vereinfachungsgründen auch im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung verwenden.
Wenn der Unternehmer aber – wie hier – von dieser Vereinfachungsregelung keinen Gebrauch macht, muss der private Nutzungsanteil anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls
geschätzt werden. Danach ist der Privatnutzungsanteil im Streitfall mit 25 Prozent der Betriebskosten anzusetzen.
Linkhinweis:
Für den auf der Website des Niedersächsischen FG veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.
Impressum
Verlag
Verlag Dr. Otto Schmidt KG in Kooperation mit dem Anwalt-Suchservice
Gustav-Heinemann-Ufer 58
50968 Köln
Geschäftsführender Gesellschafter: Dr. h.c. Karl-Peter Winters
Amtsgericht Köln, HRA 5237
USt-Ident-Nr. DE 123047975
Zitierweise
Anwaltswoche Jahrgang, Ausgabe, Seite
ISSN 1613-8090
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Redaktion Anwaltswoche, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln-Marienburg
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31/2005
Anwaltswoche 13