âNichts am Jägerhutâ
Transcription
âNichts am Jägerhutâ
JAGD b l i x i „Nichts am Jägerhut“ Mein Herrle ist Jäger, wie inzwischen ja das ganze Universum weiß, weil er es nicht lassen kann, seinen Senf dazu zu geben. Mir geht das ziemlich auf den Keks, denn es würde mir vollkommen ausreichen, dass er mit mir auf die Pirsch geht. So aber muss ich als „Mediendirektor“ und „Dackel für alle Fälle“ den „Vorspann“ schreiben, damit auch die wenigen Nichtjäger unter uns verstehen, worum es geht. Also, mein Herrle hat einem Jagdkollegen, dem Hanno Wolfram einen Brief geschrieben, weil der wiederum in der Mitgliederzeitschrift der Kreisjägervereinigung Biberach (KJVintern) sich Gedanken zur „Waidgerechtigkeit“ gemacht hat und sich die Lodengrünen überhaupt zur Zeit mächtig aufregen, was ihnen die Grün-Roten in Stuttgart mit ihrem neuen Jagdgesetz einbrocken. 3000 von den Waidgesellen haben deswegen kürzlich in Stuttgart ordentlich Rabatz gemacht. Ins gleiche Horn stoßen die Jäger landauf-landab: Sie sehen sich als Opfer von Natur- und Tierschützern, die ihnen selbst verbieten wollen, die Rehlein im Walde zu füttern und ihnen stattdessen zukünftig im März und April „Jagdruhe“ verordnen. Zu diesem und anderem schrieb also mein Herrle den Brief (linke Spalte) und Hanno Wolfram antwortete ihm (rechte Spalte). Und weil es so selten ist wie der Hubertus-Hirsch, dass sich Jäger solchermaßen austauschen - ach was, lesen Sie selbst! Sehr geehrter Waidgenosse Hanno Wolfram, ich schätze Ihre Denkanstöße sehr, weshalb ich mir die Mühe machen möchte, Ihnen auf Ihre Einlassungen zur Waidgerechtigkeit („Zur Strecke gebracht“) im jüngsten KJVintern zu antworten. Sie haben ja schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht und gemahnt, dass unser jagdlicher Umgang mit dem Schwarzwild nicht waidgerecht ist. Dem kann ich nur zustimmen. Ich sehe die Verantwortung dabei aber vor allen Dingen bei den Jägern selbst und halte nichts davon, sie auf andere abzuschieben. Glossar: Waidgerechtigkeit ist ein zentraler Begriff, der die Jagd als traditionelles Handwerk auf ethischer Basis unter besonderer Berücksichtung des Wildtieres als Mitgeschöpf beschreibt. Die Verantwortung ist eindeutig bei uns. Deswegen habe ich mich auch in unsere eigene Richtung im KJV-Intern geäußert. Als Schwarzwild bezeichnen Jäger Wildschweine wegen ihrer dunklen Fellfarbe. Es sind die Jäger, die bei der Bejagung des Schwarzwildes die Sitten verludern lassen und das schon seit langem. Genau genommen folgen die Jäger dabei dem altbekannten Muster der Schädlingsbekämpfung aus düsterer Vorzeit, als alles, was nicht einer Verwertbarkeit und damit dem eigenen Nutzen zugute kam oder noch schlimmer, die eigene Beute vermeintlich schmälerte, rigoros verfolgt und so weit wie möglich ausgemerzt wurde. Dieser Herleitung kann ich nicht ganz folgen, postuliert sie doch Verhaltens- oder Verfolgungsmuster aus düsterer Vorzeit. Das Wort „Schädlingsbekämpfung“ fand in diesem Zusammenhang erst kürzlich seinen Weg in die Diskussion, die ich kenne und führe. Wobei den Sauen insofern eine Sonderrolle zukommt, da es einerseits ehrfürchtig betrachtetes Wild ist und andererseits dem Jäger durch seine Lebensweise erheblichen Schaden zufügen kann. Diese Mischung aus Ehrfurcht (wehrhaft) und Abscheu (schädlich) ist für das Schwarzwild in besonderem Maße tödlich. Die Ehrfurcht stachelt den Jagdtrieb an und die Abscheu rechtfertigt jedes Mittel. Dass Sauen schaden, kann ich so nicht nachvollziehen: Im Wald, so denke ich, sind sie eher von Nutzen als von Schaden, im Feld schaden sie auch nur insofern, als durch die aktuelle Gesetzeslage der Schaden des Landwirts zum Schaden des Jägers gemacht wird. Beim Energiemais scheint sich das Blatt ja gerade auf dem Weg der Rechtspflege durch Gerichte zu wenden. „Die Ehrfurcht stachelt den Jagdtrieb an und die Abscheu rechtfertigt jedes Mittel“, sehe ich in diesem Zusammenhang (mit Verlaub) eher als unpassenden Allgemeinplatz. Jedenfalls kenne ich keinen Jäger, dessen Tun ich mit diesen Begriffen auch nur in Verbindung bringen könnte. Wildschweine können erheblichen Schaden anrichten, wenn sie auf landwirtschaftlich genutzter Fläche nach Futter suchen, sie gelten im Wald eher als nützlich, können aber auch dort Schaden anrichten. 42 Vielen Dank! JAGD Und die Jäger sind die Exekutoren, die Ihr eigennütziges Tun als edles Waidwerk verbrämen. Als Beispiel verweise ich auf die letzten Ausführungen des Geschäftsführers des Landesjagdverbandes in der Februarausgabe des „Jäger“, in dem er die Jagd im Februar und insbesondere auf Schwarzwild als „Tradition“ gegen das Ansinnen einer Jagdruhe verteidigt. Er verteidigt die „Tradition“ zu Lasten der Waidgerechtigkeit, denn alle angeführten Argumente für die Jagd auf Sauen in dieser Jahreszeit entspringen dem Eigennutz und hat nichts mit Tierschutz zu tun. Denn es ist doch übelstes „Jägerlatein“, wenn er zur Begründung „kleinräumige“ Drückjagden als probates Mittel nennt, als ob sich Hunde daran halten würden (und wenn, dann unterscheiden sie ganz sicher nicht zwischen einem Überläufer und einer Bache, die sie aus dem Wurfkessel scheuchen), und den Nachtansitz an der Kirrung zur sinnvollen Selektion verklärt, wohl wissend dass es im dunklen Tann ganz anders läuft: Geschossen wird, was kommt, egal ob Drückjagd oder Kirrung, es „wird draufgehalten“, wie Sie monieren. Und das bedeutet, billigend in Kauf zu nehmen, dass eine führende Bache auf der Schwarte liegt. Es ist empörend, mit welcher Scheinheiligkeit hier auf die „Tradition“ gepocht wird. Es geht dabei ausschließlich um die eigenen Pfründe, die man damit rechtfertigt, dass man es schon immer so gemacht hat und sie vor allen Dingen nicht von Tier- und Naturschützern in Frage stellen lassen will. Ihre Schlussfolgerung ist deshalb irreführend, wenn Sie schreiben: „Jäger werden willfährige Handlanger von Politikern und anderen und lassen sich zu Schädlingsbekämpfern degradieren.“ Nachtjagd ist auf Schwarzwild erlaubt, wenn dabei außer Gewehr und herkömmliches Zielfernrohr keine technischen Hilfsmittel verwendet werden. Nachtsichtgeräte sind zur Beobachtung, aber nicht zum Schießen erlaubt. Der Biber steht unter europäischem Naturschutzrecht und darf nicht gejagt werden, wobei unter strengen Vorgaben Ausnahmen möglich sind. Meinung und Argumente des Landesjagdverbandes (LJV) unterscheiden sich wesentlich von meinen, weswegen ich damit auch „nichts am Jägerhut“ habe. Wenn wir allerdings gemeinsam glauben, das Sauen im Wald kein Problem sind, warum lassen wir sie dann dort nicht überhaupt in Ruhe? Hinzu kommt, dass keinem Hund ein Vorwurf zu machen ist, was er in Bewegung bringt. Es ist allein der Schütze, der … Ihr Thema, jägerisches Tun nicht von Tier- und Naturschützer in Frage stellen zu lassen, ließe sich im Diskurs in Frage stellen. Wer sind die Tier- und Naturschützer, auf die Jäger häufig treffen? Oft (nicht immer!) und auch oft am lautesten, sind es leider die, die sich mit dem Jahresbeitrag bei PETA, BUND oder NABU zur „schützerischen“ Stellungnahme berufen und befugt fühlen. Und mancherorts „halten auch diejenigen drauf“, die dem Wald den Vorzug vor dem Wild geben. Jagdruhe soll laut neuem Jagdgesetz im März und April herrschen, wogegen der Landesjagdverband nach wie vor protestiert und durchgesetzt hat, dass entgegen der Forderungen von Natur- und Tierschutzverbänden im Februar weiterhin gejagt werden darf. Drückjagd ist eine Jagdart, bei der mit Hunden und Treibern Wild aufgescheucht und den Jägern zugetrieben wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei alles Wild beunruhigt wird, auf das Treiber und Hunde stoßen und letztere auch verfolgen. Kirrungen sind Lockfütterungen, um Wild erlegen zu können. Überläufer ist ein einjähriges Wildschwein, das noch keine Jungen hat. Bache ist ein mehrjähriges weibliches Wildschwein, das in der Regel Junge führt. Die Bache wirft in einem Wurfkessel ihre Frischlinge. Wenn es inzwischen Landesparlamente gibt, bei denen die Dezimierung der Sauen Agendapunkt ist und dazu die technisch unterstützte Nachtjagd auf den Weg gebracht wird, dann ist aus meiner Sicht die mit Bedacht gewählte Formulierung angebracht. Dies gilt auch oder sogar besonders, wenn manche Jäger das gar nicht bemerken. Andernorts wird man als Jäger bereits heute zum „Biberbeauftragten“ gemacht und darf, soll, muss, dann den „Neu-Schädling“ Biber schießen. Eine Bache mit wenigen Wochen alten Frischlingen. Nicht selten wird der zahlreiche Nachwuchs bereits im Januar, häufig schon im Februar geworfen. Aber auf Grund der intensiven Bejagung des in Familienverbänden (Rotten) lebenden Schwarzwildes und des üppigen Nahrungsangebots durch Maisanbau und Klimawandel haben Sauen auch zu anderen Jahreszeiten Nachwuchs. Was Gründe für die starke Vermehrung sind. Foto: ©DJV 43 JAGD Umgekehrt wird ein Jagdstiefel daraus. Dank Landesjagdverband und dem Protest vieler angeblich waidgerechter Jäger werden Sauen im Februar weiterhin während ihrer Vermehrungszeit wie Schädlinge gejagt. Wie oben geschrieben sind meine Stiefel sicher nicht die des LJV! Da die Vermehrungszeit aber nur noch „natürlich“ im Frühjahr liegt und in vivo bereits im November Frischlinge zur Strecke kamen, sollten wir dieses Thema besser nicht (mehr) am Termin fest machen. Aus meiner Sicht, entsprechen viele Regelungen zur Schonzeit eher unserem landeskulturellen Drang zur (deutlich übermäßigen) Regelung und einem intimen Verhältnis zum Verlangen nach Gesetzen. Externe Regeln beenden aber auch in vielen anderen Lebensbereichen das Thema Eigenverantwortung. Und im gleichen Atemzug klagen die Jäger über den drohenden Hungertod des Wildes, wenn zukünftig nur noch sehr eingeschränkt gefüttert werden darf. Das ist pure Scheinheiligkeit und dahinter steckt nichts als Eigennutz. Daran ändert auch nichts, dass die Kreisvereinigung durch geschickte Public Relation (früher Propaganda genannt) und eine unfähige Presse, die der Sache nicht auf den Grund geht, der Öffentlichkeit vorgaukelt, dass das Rehlein im Wald genauso notwendig gefüttert werden muss wie die Meise im heimischen Garten. Ich selbst habe in den letzten Jahren der Unteren Jagdbehörde mehrfach Fütterungen außerhalb der Notzeit zur Kenntnis gebracht, mit dem Ergebnis, dass sie beendet wurden. In den meisten (umgebauten) heimischen Revieren leidet Wild keine Not (mehr) und wird deswegen auch nicht gefüttert. Vor allem nicht außerhalb der Notzeit. Das Thema Fütterung und dessen Verwendung in der öffentlichen Diskussion ist aus meiner Sicht ein allerdings sehr wichtiges Vehikel, um den Unterschied zwischen „Politik“ und „Sachkunde“ kenntlich zu machen. Meine Erfahrungen mit den aktuell Regierenden gibt durchaus Anlass zu der Annahme, dass Politik und Sachkunde eher unvereinbar zu sein scheinen. Bisher durfte Schalenwild (Reh, Hirsch, Sauen) von 1. Dezember bis 31. März gefüttert werden. Das neue Jagd- und Wildtiermanagementgesetzt lässt Fütterung von Wildtieren nur noch in Ausnahmefällen zu. Das ist einfach hanebüchen! Oder haben Sie schon einmal einen Jäger Meisenknödel in den Wald bringen sehen? Warum eigentlich nicht, wenn die Oma mit ihren Meisen so vorbildlich ist? Ich plädiere deshalb dafür, dass jeder fütterungsgeile Jäger seine Rehlein im eigenen Garten zum Trog lockt. Ich kenne in der Kreisjägervereinigung Biberach keine fütterungsgeilen Jäger, allerdings auch keinen, der Meisenknödel in den Wald trägt. Und nun sind wir bei Ihrem „mehrjährigen Bockkitz“, das außerhalb der Jagdzeit und bei der immer noch von vielen Jägern verfemten Drückjagd auf Rehwild zur Strecke kam und als „Kavaliersdelikt“ abgehandelt wird, was Sie kritisieren, anstatt den Falschschießer zu ächten und ihn von der Jagd zu verweisen, was Sie fordern. Sie nennen dies als weiteren Beleg für fehlende Waidgerechtigkeit. Es steht außer Frage, dass Böcke nach dem 15. Oktober Schonzeit haben und jeder Jäger sich danach zu richten hat, egal ob er die gesetzliche Regelung für richtig oder falsch hält. Dass diese Schonzeitregelung keinen wildbiologischen Grund hat, sondern lediglich der Trophäe, vielmehr der fehlenden Trophäe geschuldet ist, sollte aber auch unstrittig sein. Dass der totgeschossene Bock Mitte November oder Dezember (noch) ein gesetzlicher Fehlabschuss darstellt, ist auch unstrittig, aber eine biologische Sünde ist er nicht. Denn es ist zwar ein Verstoß gegen gesetzliche Bestimmung und Tradition, aber einen Verstoß gegen den Tierschutz ist es nicht. Und darin sehe ich den wesentlichen Unterschied. Der Bock hat im Winter keine „Hörner“, meinetwegen, aber die Bache hat im zeitigen Frühjahr Frischlinge. Das ist wohl ein Unterschied. Und die Jagd auf ein ausgeprägt sozial lebendes Wild zu einer Zeit, in der es unter schwierigsten Naturbedingungen (Kälte, Schnee, Nässe) seine Jungen kriegt, mag ganz im Sinne des Geschäftsführers des Landesjagdverbandes „Tradition“ sein, weil es schon immer Praxis war, verstößt aber dennoch gegen den Tierschutz und damit gegen die Waidgerechtigkeit – sofern dieser Begriff mehr sein soll als Traditionspflege und Jägerlatein, sondern vielmehr ethisches Handeln beschreiben soll. Selbstverständlich müssen nicht alle Jäger Drückjagden mögen oder durchführen. Die Begründung für jedwede Schonzeit steht und stand an keiner Stelle zur Debatte. Allerdings sehe ich weiterhin die korrekte Ansprache von Wild vor dem Erlegen als unerlässlich und als zentrales Thema der so genannten „Waidgerechtigkeit“. Wir beide wissen, dass dieser Begriff allerdings nicht definiert ist und deswegen auch ein Maß an Ambivalenz im Verständnis haben muss. Ansprechen und entsprechendes Handeln (sic!) steht allerdings niemals zur Disposition. Nicht bei der Art, beim Geschlecht und auch nicht bei der Aufzucht von Jungen. Dabei geht es nicht um die dahinter liegende Begründung, sondern um die Bereitschaft, vorhandene jagdliche Regeln, die oftmals als Teil der Waidgerechtigkeit gesehen werden, einzuhalten. Hinzukommt, dass Jagdzeiten auch keine Verpflichtung beinhalten. Jeder kann weiterhin dem Bock schon am 1. Mai oder erst am 15. August nachstellen. Jeder kann es also tun oder lassen! Das macht für mich Sinn und ist ein Zeichen von Erwachsensein und ist meist auch eine wichtige Konsequenz von Kenntnissen oder gemachten Erfahrungen. „Das war schon immer so“, erscheint mir grundsätzlich als vergleichsweise tumbes Argument, von wem immer es genutzt wird. Es liegt deshalb allein bei den Jägern, ob sie der Waidgerechtigkeit gerecht werden oder sie „zur Strecke bringen“, wie sie schreiben. In diesem Sinne Waidmannsheil! Dr. Roland Reck 44 Das „mehrjährige Bockkitz“ gibt es natürlich nicht, sondern ironisiert, dass Böcke, die im Spätherbst und Winter kein Geweih tragen, gelegentlich außerhalb der Jagdzeit, die vom 1. Mai bis 15. Oktober geht, geschossen werden, weil der Jäger falsch „angesprochen“ hat, was bedeutet, dass er den Bock wegen des fehlenden Geweihs nicht als solchen erkannt hat. Das wurde früher als Straftat behandelt und gilt heute nur noch als Ordnungswidrigkeit. Hingegen darf das männliche Kitz (Bockkitz) wie das weibliche Rehwild bis Ende Januar geschossen werden. Richtig, der Jäger ist und bleibt der Steuermann! Damit das aber auch in Zukunft klar bleibt, möchte ich ihn oder sie mit meinen freiwilligen und „amtsfreien“ Äußerungen gerne daran erinnern.