Kapitel 3: Fermi-Aufgaben
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Kapitel 3: Fermi-Aufgaben
Kapitel 3: Fermi-Aufgaben Dr. Dankwart Vogel „Wozu brauchen wir das?“ – Eine legitime Schülerfrage Taucht auf, wenn die Algebra einsetzt. Erledigt sich bei Fermi-Aufgaben von selbst. Dieser Aufgabentyp ist nach Enrico Fermi (1901-1954) benannt, einem italienischen Physiker. Fermi liebte diese Art von Aufgaben und warb für sie bei seinen Studenten. Uni Essen WS 2009/10 2 Wer war Fermi? Enrico Fermi (1901-1954) machte mit 17 Abitur und promovierte mit 21 in Physik lehrte ab 1925 Mathematik an der Uni Florenz wurde 1927 als Professor für theoretische Physik an die Uni Rom berufen emigrierte 1938 in die USA, um den Faschisten zu entgehen erhielt im selben Jahr den Nobelpreis für Physik Ø Durch Beschuss von Radium mit langsamen Neutronen gelang ihm die Erzeugung zahlreicher neue Isotope. Uni Essen WS 2009/10 3 Nach Fermi benannt … Fermion (Teilchen mit halbzahligem Spin) Fermi-Dirac-Statistik (gültig für Fermionen) Fermi-Geschwindigkeit (näherungsweise temperaturunabhängige Geschwindigkeit der Elektronen) Fermium (chemisches Element der Ordnung 100) Fermi (Längeneinheit 10-15 Meter) Fermilab (Teilchenbeschleuniger in Illinois, USA) Fermi-Aufgabe (Abschätzung der Größenordnung einer gesuchten Zahl) … Uni Essen WS 2009/10 4 Eine typische Fermi-Aufgabe Schätze die Zahl der DIN-A4-Blätter, die von den Studierenden der UDE im Laufe eines Semesters verschrieben werden. Kennzeichnend ist niemand kennt die genaue Antwort das Ergebnis hängt von den Annahmen ab wichtiger als das Ergebnis ist der Weg, der Findungsprozess nur die Größenordnung des Ergebnisses interessiert eine rasche Antwort mit wenig Aufwand. Uni Essen WS 2009/10 5 Fermi-Aufgaben … stärken den Bezug zur Realität (Daten werden selbst erhoben und nicht – wie bei Textaufgaben – ungeprüft übernommen) fordern zum vereinfachenden Modellieren heraus sind Anlass zum umsichtigen Umgang mit Größen und Einheiten fördern selbstständige und kooperative Lernformen regen zum Kommunizieren und Argumentieren an belohnen kritischen Vernunftgebrauch lassen differierende Lösungswege – und Ergebnisse – als natürlich erscheinen werfen mehr Fragen auf als Antworten Uni Essen WS 2009/10 6 Was zeichnet Fermi-Aufgaben aus? Sie sind … realitätsbezogen von eher spielerischem Charakter (was den typisch mathematischen Blick auf die Welt erleichtert – und schult) herausfordernd (auf einer eher inhaltlichen als technischen Ebene) offen (viele Zugänge und Lösungswege) Genau das macht sie für Lernende so attraktiv! Uni Essen WS 2009/10 7 Warum Fermi-Aufgaben im Unterricht? Fermi-Aufgaben … stärken das Selbstbewusstsein („Wir können was!“) entwickeln wichtige Kompetenzen (Modellieren, Argumentieren, Validieren, Kommunizieren, …) regen zum Weiterfragen an („Was wäre, wenn …“) motivieren zur Beschäftigung mit Mathematik (Sinnfrage!) stärken die Beziehung Mensch-Mathematik (Gewinnen eines eigenen Standpunktes) Genau das macht sie für Lehrende so attraktiv! Uni Essen WS 2009/10 8 Wie entwickele ich Fermi-Aufgaben? Den Weg weisen typische Fragen: Wie viele ( … Blätter hat dieser Baum)? Wie groß ( … müsste ein Parkplatz sein, der alle Autos von Essen fasst)? Wie weit ( … geht ein Mensch im Laufe seines Lebens)? Wie oft ( … pfeifen die Schiedsrichter während einer Bundesligasaison)? Wie schwer ( … ist der Eifelturm)? … Uni Essen WS 2009/10 9 Richtige Mathematik? Ja, denn die Art des Fragens und die Art des Herangehens sind typisch mathematisch. Genau das macht nicht zuletzt die Faszination der Fermi-Aufgaben für alle Beteiligten aus. Uni Essen WS 2009/10 10 Lernen fürs Leben? Ja, denn auch im „echten“ Leben geht es meist eher ums Schätzen als ums Rechnen Wie viel Zeit wird mich das kosten? Werde ich genug Geld im Alter haben? Ist das Angebot den Preis wert? Lohnt sich für mich der Kauf eines Hauses? … Uni Essen WS 2009/10 11 Fermi-Aufgaben schon für Grundschüler? Ja, auch für sie! – Mögliche Fragen: „Wie oft dreht sich das Vorderrad, wenn du von Sulzbach nach Heidelberg fährst?“ „Wenn alle Autos Deutschlands hintereinander stehen würden, wie lang wäre die Schlange?“ „Wie viele Reiskörner sind ungefähr in einer Kilopackung?“ „Wie viele Kühe brauchen wir für unsere Stadt, damit jeder Einwohner täglich ein Glas Milch trinken kann?“ Uni Essen WS 2009/10 12 Wie strukturiere ich den Lösungsweg? Das suche ich: Das weiß ich: Das nehme ich an: So gehe ich vor: zeichnen überschlagen schätzen messen rechnen … Uni Essen WS 2009/10 13 Worauf kommt es an? Wie bin ich zu meinem Ergebnis gekommen? (Annahmen, Folgerungen, Rechnungen, …) Wie hängt mein Ergebnis von meinen Annahmen ab? („Was wäre, wenn …?“) Stimmt die Größenordnung meines Ergebnisses? („Kann das sein?“ – „Untere Schranke, obere Schranke?“) Habe ich alle Hilfsmittel ausgeschöpft? (Internetrecherche, Ausprobieren, Messen, …) Bieten sich alternative Lösungswege? (Gegencheck) Uni Essen WS 2009/10 14 Die Fermi-Box Autoren: Andreas Büchter, Wilfried Herget, Timo Leuders, Jan Müller Verlag: Friedrich Verlag Inhalt: Lehrerheft Box mit 80 Fermi-Fragen zu acht Themen: A Unsere Schule E Wirtschaft und Technik B Ich und mein Körper F Berufswelt C Natur und Umwelt G Sport und Freizeit D Stadt, Land, Fluss H Ah! Oh! – Kurioses Uni Essen WS 2009/10 15 Die Fermi-Box: Beispiel einer Fermi-Karte Vorderseite der Karte Uni Essen WS 2009/10 16 Rückseite der Karte Uni Essen WS 2009/10 17 Brainstorming … Uni Essen WS 2009/10 18 Was sagt das Lehrerbuch? Uni Essen WS 2009/10 19 Was sagt das Lehrerbuch weiter? Wir übergehen, dass dann noch die Fermi-Karten aufgezählt werden, die sich ebenfalls ums Abzählen drehen. Uni Essen WS 2009/10 20 Was sagt das Lehrerbuch weiter? Uni Essen WS 2009/10 21 Was sagt das Lehrerbuch weiter? Uni Essen WS 2009/10 22 Rückblick Wir gehen zurück und fragen, ob das Stufen Zählen eine gute Fermi-Aufgabe ist. Vergegenwärtigen wir uns dazu nochmals den Anfang: Uni Essen WS 2009/10 23 Fermi-Aufgaben … stärken den Bezug zur Realität (Daten werden selbst erhoben und nicht – wie bei Textaufgaben – ungeprüft übernommen) fordern zum vereinfachendem Modellieren heraus sind Anlass zum umsichtigen Umgang mit Größen und Einheiten fördern selbstständige und kooperative Lernformen regen zum Kommunizieren und Argumentieren an belohnen kritischen Vernunftgebrauch lassen differierende Lösungswege – und Ergebnisse – als natürlich erscheinen werfen mehr Fragen als Antworten auf Uni Essen WS 2009/10 24 Ich hoffe, Ihr Appetit ist geweckt! Die Übungen mögen ihn verstärken, denn: Der Appetit kommt beim Essen … Uni Essen WS 2009/10 25 Literatur Andreas Büchter et al.: Die Fermi-Box. 84 Karteikarten in einer Box mit Lehrerkommentar. Seelze-Velber 2007. Gerd Hinrichs: Modellieren im Mathematikunterricht. Heidelberg 2008. Sabine Kaufmann: Umgang mit unvollständigen Aufgaben. Fermi-Aufgaben in der Grundschule. In: Die Grundschulzeitschrift. Heft 191 (2006), Seite 16-20 inkl. Beihefter. Heinrich Winter: Alltag und mathematische Begriffswelt – ein Beispiel aus dem Tennis. In: Selter/Walther: Mathematik lernen und gesunder Menschenverstand. Stuttgart 2001, Seite 211221. Uni Essen WS 2009/10 26