Alles begann in Vietnam - Friedensdorf International

Transcription

Alles begann in Vietnam - Friedensdorf International
Report – April 2015
Zurück zu den Wurzeln:
Alles begann
in Vietnam
Schwerpunkt-Thema
friedensdorf.de
DAS DORF
INHALT
•
Von der Katastrophe
ins Fernsehen
6
•
Heimkehrer
8
•
56. Hilfseinsatz Angola
9
•
71. Kombinationseinsatz
10
•
Projektreise
Kambodscha & Sri Lanka
12
•
Hintergrund Rote Khmer
14
Frieden? Aber so
ist die Welt nicht…
•
Dienstreise Kaukasus
16
„Unser schönstes Ziel ist es, dass unsere Arbeit
•
Schwerpunkt Vietnam
18
einmal nicht mehr notwendig ist, weil es keine
•
Tag des Ehrenamtes
27
Kriege mehr gibt.“
IMPRESSUM
Aktion Friedensdorf e.V.
Postfach 14 01 62
46131 Oberhausen
Vereinsregister Duisburg: 40770
Zentralstelle:
Lanterstr. 21
46539 Dinslaken
Tel: +49 2064 4974-0
Fax: +49 2064 4974-999
Info: [email protected]
Leitung und V.i.S.d.P.:
Thomas Jacobs
stellv. Leitung:
Kevin Dahlbruch,
Wolfgang Mertens
Öffentlichkeitsarbeit:
Jasmin Peters
Fotos: FI, Jakob Studnar,
Sandro Somigli, iStockphoto
friedensdorf-onlinereport.de
Das ist eine Kernaussage im Friedensdorf.
„A
ber so ist die Welt nicht“, wissen Annika Fischer und Jakob Studnar. Mit Stift, Block, Fotokamera, viel Fingerspitzengefühl und
dem Blick für Details haben sich die beiden Journalisten im September
2014 auf den Weg ins Oberhausener Friedensdorf gemacht, um diejenigen zu treffen, die immer wieder darunter leiden müssen, dass die
Welt so nicht ist.
Über die medizinische Einzelfallhilfe des Friedensdorfes bekommen
kranke und verletzte Kinder Hilfe in Deutschland. Jahrzehntelange Erfahrungen haben diesen Arbeitsbereich zu einer komplexen Angelegenheit gemacht. Annika Fischer und Jakob Studnar ist es gelungen, diese
Komplexität in Wort und Bild aufzulösen und sowohl einen Tagesablauf
in der Heimeinrichtung als auch die Vorgänge eines Hilfseinsatzes anschaulich darzustellen. Vielfach greifen sie dazu die Geschichten der
Kinder auf oder lassen sie selbst erzählen. Auf diese Weise ist eine informative wie einfühlsame Reportage entstanden, die wohl noch länger
aktuell sein wird. Zumindest solange diese Welt so ist.
er Artikel von Annika Fischer mit Bildern von Jakob Studnar ist
erschienen in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom
D
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friedensdorf.de
21.10.2014. Die beiden waren so freundlich, uns die Genehmigung zum Nachdruck
zu erteilen, so dass es die
Reportage nun auch in Form
eines
Friedensdorf-Sonderreportes und als PDF-Download
in unserem ONLINE REPORT
gibt. Sie erreichen die neue
Website unter der Adresse:
friedensdorf-onlinereport.de.
Die Medien und
das Friedensdorf
W
eitere ausführliche Themen dieser April-Ausgabe sind der 40. Jahrestag des
Kriegsendes in Vietnam und einige Ausführungen zur Medienberichterstattung über das Friedensdorf. Ferner informieren wir
Sie über vergangene Hilfseinsätze nach Angola und Afghanistan sowie eine Projektreise
nach Südostasien. Und natürlich
möchten wir auch wieder einige
Aktionen vorstellen, die in letzter
Zeit von engagierten Menschen
zu Gunsten des Friedensdorfes
durchgeführt wurden.
W
ir danken allen Spendern,
Unterstützern und ehrenamtlichen Helfern für ihre Mithilfe am Gemeinschaftsprojekt
Friedensdorf.
Herzlich, Ihr
Thomas Jacobs
friedensdorf.de
Schalke-Fieber
Echte Schalker „Hochkaräter“
kamen zu Besuch ins Dorf: Trainer Roberto Di Matteo, Co-Trainer
Sven Hübscher, Klaas-Jan Huntelaar, Leon Goretzka, Fabian Giefer, Neuzugang Matija Nastasic
und Chinedu Obasi nahmen sich
deutlich mehr Zeit im Friedensdorf
als ursprünglich geplant. Auch
Maskottchen „Erwin“ war dabei.
Zurück blieben Begeisterung bei
den Kindern und Mitarbeitern, ein
signiertes Trikot vom „Hunter“ und
ein Scheck über symbolträchtige
1.904 Euro.
Stoag spendete
Vor dem rot-weißen Derby zwischen dem SC Rot-Weiß Oberhausen und Rot-Weiss Essen verzichtete der RWO-Brustsponsor,
die Energieversorgung Oberhausen (evo), für die eine Partie auf
die Trikotbrustwerbung und gab
diese für die Stadtwerke Oberhausen GmbH (STOAG) frei. Aufgrund des Derbysiegs wurden die
„Sondertrikots“ bei der anschließenden Versteigerung zum abso-
3
UNTERSTÜTZER
luten Verkaufsrenner: 2.300 Euro
teilten sich das Friedensdorf und
die RWO-Jugendabteilung.
Ausgezeichnet
„Den Agenda-Preis 2014 erhält
das Solinger Friedensdorf-Netzwerk für die sensible Betreuung
und medizinische Behandlung
von kriegsverletzten Kindern sowie die Umsetzung von Hilfsprojekten in Krisenregionen“, lautete
die Begründung der Jury, die der
Oberbürgermeister bei der Preisverleihung im Meistermannsaal
des Gräfrather Kunstmuseums
verlas. In dem Netzwerk sind fünf
regionale Krankenhäuser, das
Ärztenetzwerk Solimed, das DRK
Solingen und ein Freundeskreis
von engagierten Betreuern aktiv.
Stellvertretend nahm Uli Preuss
den Preis entgegen.
facebook.com/friedensdorf
UNTERSTÜTZER
Heimat aus der Ferne
Die Duisburger Künstlerinnen
Angela Schmitz, Havin Al-Sindy
und Pia Eisenblätter begaben sich
mit Kindern des Friedensdorfes auf
eine malerische Entdeckungsreise
zum Thema „Heimat“. Die Versteigerung der Kunstwerke zugunsten
des Friedensdorfes im Grammatikoff
im Rahmen der Duisburger Akzente
brachte rund 800 Euro ein.
Helfen mit allen Sinnen
Zu einer großen Benefizaktion für das Friedensdorf luden die
Oberhausener Künstlerin Nadja Zikes und Restaurantbesitzer Franco
Fenudi („Il Carpaccio”) ins ehemalige Sacklager der Baumeister Mühle ein. Unter dem Motto „Helfen
mit allen Sinnen” durften sich die
zahlreichen Besucher über Kunst,
Gaumenfreuden und Live-Musik freuen. Versteigert wurde ein
Kunstwerk, das Kinder des Friedensdorfes gemeinsam mit Nadja
Zikes und Miso Brecko, dem Mannschaftskapitän des 1. FC Köln, ge-
friedensdorf-onlinereport.de
schaffen hatten. Darüber hinaus
fand ein Brecko-Trikot mit Unterschriften all seiner Teamkollegen
einen neuen Besitzer. Die Aktion
brachte bemerkenswerte 12.400
Euro ein.
Kinder für Kinder
„M
it Musik helfen“ – so
lautete das Motto des
Konzerts der 7- bis 18-jährigen
Schülerinnen und Schüler der
Klavierschule Heike Groetzner
in Köln-Lindenthal. Im Rahmen
des Konzerts kamen 700 Euro
für das Friedensdorf zusammen.
urch ihren hervorragenden
Einsatz schafften es die
Schülerinnen und Schüler der
Andreasschule in Korschenbroich eine Spende von insgesamt 900 Euro für das Friedensdorf zu „erarbeiten“. Gemeinsam
mit ihrer Religionslehrerin hatten sie einen Flohmarkt organisiert sowie eine weitere Aktion:
Jedes Kind ging mit einer Liste
zu Verwandten, Nachbarn und
Freunden und fragte, ob es etwas für sie tun könne. Gegen
eine Spende erledigten sie dann
die unterschiedlichsten Aufgaben, wie: Plätzchen backen und
D
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verkaufen, Wäsche aufhängen,
Einkaufen, Laub fegen, Aufräumen, und, und, und …!
achdem er im letzten Jahr in
den Herbstferien über den Zirkus Flic Flac von den Kindern des
Friedensdorfes erfahren hatte,
ließ ihn der Gedanke, auch etwas
zu tun, nicht mehr los. Alljährlich
findet in Bocholt am 31. Dezember
der Silvesterlauf statt, an dem der
lauffreudige Finn Filip zum ersten
Mal teilgenommen hat. Der sportliche Junge aus Isselburg entschied
sich, die 10 Kilometer lange Runde zu Gunsten des Friedensdorfes
sponsern zu lassen. Dabei erzielte er das großartige Ergebnis von
362,50 Euro.
N
Friedensdorf-Film jetzt
auch auf Englisch!
Ein Jahr hat der Journalist Olaf
Kracht die Arbeit des Friedensdorfes intensiv begleitet und in
einem Film festgehalten. Darin
dokumentiert er die Einzelfallhilfe, lässt haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter zu Wort kommen
und begleitet Kinder, die innerhalb
weniger Monate in Deutschland
gesund wurden. Jetzt gibt es den
Film auch als englische Version!
friedensdorf.de
friedensdorf.de
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facebook.com/friedensdorf
Von der Katastrophe ins Fernsehen
Über die Problematik der Einzelfallberichterstattung im Friedensdorf
I
m Friedensdorf wird kaum
ferngesehen und Nachrichten
über weltweite Kriege und Krisen gehören erst recht nicht
zum Kinderprogramm. Die Mädchen und Jungen sind hier, um
gesund zu werden und Kind sein
zu dürfen, denn erwachsen werden müssen sie in der Not ihrer Heimatländer schnell genug.
Dennoch: Hätte Thaer – eines
der 42 verletzten Kinder des ersten Friedensdorf-Hilfseinsatzes in
Gaza – die Tagesthemen der ARD
oder die Abendschau des Bayerischen Rundfunks Mitte Januar
gesehen, wären seine Augen vor
Stolz sicher so groß geworden
wie die Murmeln, mit denen die
Kinder zu fast jeder Jahreszeit im
Friedensdorf spielen. „Ich bin im
Fernsehen!“, hätten seine Augen
verkündet und vielleicht auch sein
Mund, denn seit seiner Ankunft in
Deutschland hat der Neunjährige
schon etwas Deutsch gelernt.
Und was hätten Thaers Freunde
im Friedensdorf über den Beitrag
gedacht? Sicher hätten sich viele
mit ihm gefreut, denn das Prinzip des Teilens gehört untrennbar
zum Friedensdorf. Geeint durch
die Schrecken und die Not, die sie
in ihren Heimatländern erfahren
mussten, werden die Kinder zu
Leidensgenossen auf dem oft langen und schmerzhaften Weg des
Gesundwerdens und letztlich zu
Freunden, die applaudieren, wenn
der andere es überstanden und
auf die Liste der Kinder geschafft
hat, die bald wieder zu ihren Familien reisen werden. Doch in diese
ehrliche Freude mischt sich nicht
selten auch der allzu nachvollziehbare Schmerz, dass man selbst
(noch) nicht an der Reihe ist. Ähnlich würde es mit dem Fernsehbeitrag sein. Auf der einen Seite
die Freude mit und für Thaer und
auf der anderen Seite die Frage:
Warum nicht ich? Ist meine Ge-
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SCHWERPUNKT
schichte es nicht wert, erzählt zu
werden?
ie Botschaft des Friedensdorfes an die Kinder lautet
unmissverständlich: Ihr seid alle
gleich und gleich wichtig! Demgegenüber steht die Botschaft der
Kameras, die immer wieder nur
einzelne Kinder filmen und damit
aussagen: Du bist etwas Besonderes!
enngleich aus medialer
Sicht nachvollziehbar, ergibt
sich für das Friedensdorf hieraus
eine Schwierigkeit, mit der es seit
jeher ringt. Wieviel lassen wir zu,
um die Öffentlichkeit sachlich über
das Schicksal der Kinder sowie
Unterstützungsmöglichkeiten zu
informieren und gleichzeitig die
D
W
friedensdorf.de
Privatsphäre der Kinder und den
Gleichbehandlungsgrundsatz einzuhalten? Eine Frage, die in der
Hilfsorganisation immer wieder
neu gestellt und diskutiert wird.
Denn selbst, wenn das oben dargestellte Szenario, dass die Friedensdorf-Kinder gemeinsam den
Bericht über Thaer anschauen,
nicht der Realität entspricht, und
auch wenn Thaer niemals „Starallüren“ entwickeln und damit Unfrieden säen würde, hat sich das
Friedensdorf in einen Grenzbereich seiner Glaubwürdigkeit (sich
selbst und Dritten gegenüber) begeben. Kinderschicksale werden
nicht medial verkauft, daran ist
nicht zu rütteln. Deswegen ist man
sich im Friedensdorf sehr bewusst
darüber, dass Einzeldarstellungen schwierig und gar Mitleid heischende Dramatisierungen völlig
ausgeschlossen sind.
Große Resonanz
D
er Beitrag in den „Tagesthemen“, der sicher nicht zur
letztgenannten Kategorie gehört,
hat eine enorme Resonanz in der
Öffentlichkeit gehabt. Vor allem
auf der Facebook Seite des Senders wurde der Film annähernd
100.000 Mal angeklickt, hundertfach geteilt und es wurde durchaus
kontrovers diskutiert. Die meisten
Menschen sind berührt, sprechen
Anerkennung aus, wollen helfen.
Wenige kritisieren, dass der Vater
nicht auch in Deutschland ist. Eine
menschlich verständliche Reaktion und nur die Personen, die die
Arbeit des Friedensdorfes kennen
und wissen, dass man dort Geschichten wie die des kleinen Jungen aus Gaza jeden Tag und hundertfach erlebt, verstehen, dass
friedensdorf.de
eine Begleitung von Eltern absolut unmöglich ist. Wäre das auch
sinnvoll? Die Kinder im Friedensdorf können damit umgehen und
setzen alle Energien ein, schnell
gesund zu werden, um dann nach
Hause zu können. So wie das „berühmt“ gewordene Kind jetzt, das
auch die Mitarbeiter des Friedensdorfes und des Krankenhauses
durch seine positive Ausstrahlung
und seinen Lebensmut begeistert.
„Lieber langweilig
als unzuverlässig“
D
ie Tatsache, dass die Hilfsaktion für die Kinder aus Gaza
ein derartig großes Medieninteresse mit sich brachte, hat zum einen damit zu tun, dass der Verein
„Sternstunden“, der Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks,
spontan die Finanzierung des
Fluges absicherte und damit zum
wiederholten Mal ein verlässlicher
Partner des Friedensdorfes war.
Zum anderen spielt der Umstand
eine große Rolle, dass der Konflikt im Nahen Osten ein aktueller
Konflikt ist und weltweit im Fokus
steht. Die Frage ist, wie lange? Im
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Friedensdorf sieht man das sehr
differenziert und auch kritisch.
Eine große Stärke der Organisation ist die Kontinuität und Verlässlichkeit bei der Hilfe für Kinder in
den Ländern, in denen das Friedensdorf arbeitet. Das ist für die
Menschen in Afghanistan, Angola
und den anderen Krisengebieten
wichtig. Diese Stärke führt medial
zu einer „Schwächung“, die Themen des Friedensdorfes werden
in vielen Redaktionen als „Dauerbrenner“ oder gar als „langweilig“
empfunden. Die tatsächliche Dramatik und die Schicksale der Kinder aus Gaza unterscheiden sich
aber überhaupt nicht von denen
der anderen Kinder im Friedensdorf.
n diesem Sinne wären die Geschichten aller Friedensdorf-Kinder es wert, erzählt zu werden –
und müssten alle gleichermaßen
aufgrund ihrer Vielzahl und wegen
des Fairness-Gedankens unerzählt bleiben. Ein Dilemma, dem
sich nur mit ständiger Selbstreflexion und vor allem im Dialog mit
Medienvertretern begegnen lässt,
um es im jeweiligen Einzelfall im
Sinne aller aufzulösen.
I
facebook.com/friedensdorf
Uchenna aus Nigeria
flog gesund nach Hause
E
in dreiviertel Jahr lang war der
11-jährige Uchenna aus Nigeria im Friedensdorf. Über die private Initiative eines Krankenhauspfarrers in Süddeutschland kam er
ins Friedensdorf. In Deutschland
wurde er nicht nur gesund, er lernte
auch Kinder aus aller Welt kennen.
Aufgefallen ist Uchenna im Dorf
kaum. Äußerlich unterschied er
sich nicht von den Kindern aus Angola oder Gambia und hörte man
ihn auf Farsi oder Portugiesisch
sprechen, erahnte man kaum,
dass dies gar nicht seine Muttersprache ist. Uchenna kam mit
einer komplizierten urologischen
Fehlbildung nach Deutschland. In
seiner nigerianischen Heimat war
diese nicht behandelbar.
Am Tag vor der Rückreise Mitte Oktober gab es eine kleine Abschiedsfeier für den Jungen, der so
viele Freunde gewonnen hatte und
deren Sprachen, neben Deutsch,
wie selbstverständlich gelernt hat.
Auch wenn Uchenna sich zum
Abschied Pizza gewünscht hatte,
freute er sich doch sehr auf Fufu,
den traditionellen Maniokbrei, den
seine Mutter am nächsten Tag für
ihn zubereiten würde.
afghanischer Partner
und Arzt war aus Kabul
angereist, um die Kinder nach abgeschlossener
medizinischer
Behandlung nach Hause zu begleiten.
Unterdessen ging es
auch für sechs Kinder
aus Gambia zurück
nach Hause, wo sie neben den Eltern definitiv
auch wärmere Temperaturen erwarteten. Ein
Team vom Friedensdorf flog ab Brüssel mit
der Gruppe nach Süden und brachte auf dem Rückweg sechs neue
Kinder mit, die dringend medizinische Hilfe in Deutschland benötigen.
50. Unabhängigkeitstag in Gambia
Der Herzenswunsch einiger
Kinder im Friedensdorf ging im
Dezember 2015 in Erfüllung.
„Endlich sehe ich Mama und Papa
wieder!“, freute sich die kleine Nadia aus Afghanistan. Diese Freude teilten auch elf weitere afghanische Jungen und Mädchen. Ein
Gambia liegt im Westen Afrikas
und feierte am 18. Februar 2015
seinen 50. Unabhängigkeitstag.
1965 erhielt Gambia seine volle Unabhängigkeit im Rahmen
des britischen Commonwealth
of Nations. Zwar ist Gambia kein
Kriegs-, sicher aber ein Krisenland,
dessen Entwicklung u.a. aufgrund
mangelnder Ressourcen nicht vorankommt. Abseits der öffentlichen
Wahrnehmung scheint Präsident
Yahya Jammeh in den vergangenen Jahren seine diktatorische
Herrschaft ausgebaut zu haben.
Menschenrechtsorganisationen
sprechen Medienberichten zufolge von einer desaströsen Menschenrechtslage in dem knapp
zwei Millionen Einwohner starken
friedensdorf-onlinereport.de
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Heimkehr nach
Afghanistan & Gambia
HEIMKEHRER
Land und verweisen etwa auf die
seit Kurzem im Gesetz verankerte
Verfolgung und Bestrafung Homosexueller, die Anwendung von Folter und die Unterdrückung einer
unabhängigen Medienberichterstattung.
Die medizinische Versorgung
der Bevölkerung ist vor allem in
den ländlichen Gebieten abseits
der Hauptstadt Banjul unzureichend. Die Säuglingssterblichkeit
liegt mit rund 66 Todesfällen pro
1000 Lebendgeburten bedauerlich hoch. Im weltweiten Vergleich
bedeutet diese Zahl für Gambia
Platz 18. Auf dem achten Platz findet sich Angola und ein trauriger
erster Platz wird nach Daten von
2014 von Afghanistan gehalten.
friedensdorf.de
Rasantes Wachstum –
doch die Kinder sterben
HILFSEINSÄTZE
Friedensdorf International flog den 56. Hilfseinsatz nach Angola
S
eit über 20 Jahren fliegt Friedensdorf International Kinder
aus Angola zur medizinischen Behandlung nach Deutschland aus,
wenn sie so krank sind, dass sie
in ihrer Heimat nicht angemessen
versorgt werden können. Im südwestafrikanischen Land gibt es
viele Superlative: rasantes Wirtschaftswachstum und eine hohe
Kindersterblichkeitsrate zugleich.
Am frühen Freitagmorgen des
07. November landeten am Düsseldorfer Flughafen 83 Mädchen
und Jungen, deren große Hoffnung jetzt Deutschland heißt. Fast
genauso viele Kinder flogen vier
Tage zuvor mit dem Charterflugzeug gesund nach Hause. Dort
gab es rührende Wiedersehensszenen mit den Eltern und den
hier gesund gewordenen Kindern.
5. Hilfseinsatz in 2014
In dicke Decken gehüllt waren
die Kinder, die auf die Namen
Joao, Maria oder Sebastiao hören
bei ihrer Ankunft in Düsseldorf.
Die wenigsten konnten laufen, einige hatten dicke Gipse am Bein,
ein Kind musste auf einer Vakuummatratze aus der Maschine
getragen werden – jede Erschütterung schmerzte. Rettungswagen
vom Rot-Kreuz-Verbund aus ganz
Deutschland brachten die Kinder
bundesweit in Notaufnahmen,
Ambulanzen, auf Kinderstationen. Schwelm, Hamburg, Lünen,
Schlüchtern, Eberswalde – Krankenhäuser erklärten sich überall
friedensdorf.de
auch bei diesem fünften großen
Hilfseinsatz des Friedensdorfes im
Jahr 2014 bereit, Kinder kostenlos
zu versorgen.
E
in großes Dankeschön galt
erneut dem Flughafen Düssel-
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dorf für den reibungslosen Ablauf, natürlich den „Sternstunden“
des bayerischen Rundfunks, die
diesen Flug teilweise finanziert
haben und der Crew der Fluggesellschaft von Hamburg Airways
für die tolle Zusammenarbeit.
facebook.com/friedensdorf
Afghanistan, Zentralasien und Kaukasus: Impressionen der Rückkehr
Kein Lächeln im Gesicht
Aktueller Friedensdorf-Kombinationseinsatz
„A
m Mittwoch, dem 18.2.
landeten wir mit 109
schwerverletzten Kindern aus
sechs verschiedenen Ländern in
Deutschland. Am späten Samstagnachmittag flogen wir diese
Route nun in umgekehrter Reihenfolge mit den genesenen Kindern
ab dem Flughafen Düsseldorf
zurück. In Tiblissi stiegen die georgischen und armenischen Partner mit den ersten Rückkehrern,
den Hilfsgütern und dem Gepäck
aus. In Tashkent folgten dann die
usbekischen und kirgisischen Kinder und anschließend wir mit den
afghanischen Kindern und mehreren Tonnen Hilfsgütern in Kabul.
Ein Großteil der Hilfsgüter besteht
aus Medikamenten für ehemalige
Schützlinge des Friedensdorfes.
Die letzte Landung des Charter-
friedensdorf-onlinereport.de
flugzeuges folgte in Dushanbe für
die tadschikischen Kinder.
Auf jeder Station fragten die
Kinder ganz aufgeregt: „Jetzt georgisch? Wo usbekisch“? Die Kinder fieberten regelrecht ihrer Heimat entgegen.
n allen Ländern ist die Freude
unvorstellbar, wenn nach der
langen – aber notwendigen – Zeit
der Trennung die Familien wieder zusammen sind. Aufmerksam
hörten die Familien dem Verlauf
der medizinischen Behandlung
in Deutschland zu, mit Stolz wie
der Sohn sich benommen hat
oder was die Tochter gelernt hat.
Auch lassen sich die Eltern der
Kinder, die noch etwas länger in
Deutschland bleiben müssen, von
den Heimkehrern erzählen, wie
es in Deutschland ist und was die
I
10
Söhne oder Töchter machen. Mit
Staunen erfahren sie dann auch
vielleicht, dass der beste Freund
aus Gaza oder die beste Freundin
aus Angola kommt.
uch haben wir sehr viele ehemalige Kinder bzw. mittlerweile junge Männer und Frauen
gesehen, die mal im Friedensdorf
waren und nach wie vor ihre Medikamente benötigen und bei unserem Partner abholten. Besonders
schöne Momente sind es, wenn
wir erfahren, was aus den damals
schwer kranken und verletzten
Kindern geworden ist. Der eine
studiert Ingenieurswissenschaften, der nächste ist Taxifahrer, ein
Dritter arbeitet beim Zoll, ein anderer ist Geschichtslehrer, eine junge
Frau ist Krankenschwerster, wiederum eine andere ist verheiratet
A
friedensdorf.de
und inzwischen Mutter von zwei
Kindern. Gefreut hat uns, dass die
meisten Jüngeren zur Schule gehen. Alle gehen ihren Weg, nicht
zuletzt, weil sie damals die medizinische Hilfe erfahren konnten, die
es bei ihnen zu Hause nicht gab
und leider auch heute noch nicht
gibt.
D
ie Kinder sind die Zukunft und
die Hoffnung ihrer Familien
und können sich nun als gesunde
Menschen auch um die Unterstützung der Großfamilie kümmern.
Darauf sind die Familien in diesem
Land, welches ohne staatliche Sozialversorgung auskommen muss,
dringend angewiesen. Eine Fahrt
durch Afghanistans Hauptstadt
Kabul veranschaulicht uns jedes
Mal die Gegensätze: Auf der einen
Seite den beschwerlichen Alltag
und Überlebenskampf in der Metropole und auf der anderen Seite
den Überlebenswillen und Optimismus, mit denen die Menschen
hier allen Widrigkeiten begegnen.“
F
ür das Friedensdorf war es der
71. Hilfseinsatz in Afghanistan
und der erste im Jahr 2015, also
nach Beendigung der ISAF-Mission in dem Land am Hindukusch.
Insgesamt ließ sich eine offensichtliche Verschlechterung der
medizinischen Situation erkennen.
Ob diese auch mit dem Ende der
ISAF-Mission
zusammenhängt,
lässt sich nur mutmaßen. Fakt
ist, dass dem Friedensdorf-Team
mehr Kinder als bei den letzten
Hilfseinsätzen vorgestellt und
auch mehr Zusagen für eine Behandlung in Deutschland ausgesprochen wurden. Der Charterflug, der wieder einmal von den
„Sternstunden“ des Bayerischen
friedensdorf.de
Rundfunks maßgeblich finanziert wurde,
transportierte zudem
rund sechs Tonnen
Hilfsgüter nach Afghanistan und in die
übrigen Länder. Alles in allem war der
Hilfseinsatz wieder
mal ein Gemeinschaftswerk, an dem
neben den Partnerorganisationen der
jeweiligen Länder der
Düsseldorfer
Flughafen, die STOAG,
das DRK Solingen,
Remscheid und Ubstadt sowie das BRK
Ansbach, Bamberg
und Miltenberg sowie
zahlreiche ehrenamtliche Helfer beteiligt
waren.
Jugendfriedenspreis Oberhausen
Der amtierende Oberhausener Oberbürgermeister Klaus
Wehling hatte beim diesjährigen Jahresempfang – dem
letzten seiner Amtszeit, da
er nicht wieder kandidieren
möchte – den Oberhausener
Jugendfriedenspreis „Youth 4
Peace“ ausgelobt, bei dem das
Friedensdorf Bildungswerk gemeinsam mit der Gedenkhalle,
MULTI (Multilateraler Jugendaustausch in Oberhausen) und
dem Jugendparlament Oberhausen als Träger fungiert.
Junge Menschen bis 20 Jahre sind aufgerufen, die Worte
Klaus Wehlings „Frieden bleibt
und kommt nicht von allein“ mit
Leben zu füllen und ab Juni
11
2015 konkrete Projekte und Aktionsvorschläge einzureichen. Die
Mitarbeiterinnen des Friedensdorf
Bildungswerks freuen sich auf die
neue Aufgabe und sind bereits
sehr gespannt auf die Resonanz.
www.youthforpeace.de
facebook.com/friedensdorf
Projektreise nach
Kambodscha und Sri Lanka
W
ie in der letzten Druckversion des Reportes im Oktober
2014 bereits kurz erwähnt, waren
Friedensdorf-Leiter Thomas Jacobs und Mitarbeiterin Maria Tinnefeld Mitte September 2014 zur
Projektreise nach Südostasien
aufgebrochen. Einige Eindrücke
der Reise sollen hier nochmal ausführlicher aufgegriffen werden.
Im Peace Village Nattandiya auf
Sri Lanka, der ersten Station der
Dienstreise, werden nach wie vor
interkulturelle Events durchgeführt
mit dem Ziel, muslimische, singhalesische und tamilische Kinder einander anzunähern und Vorurteile
aus der Elterngeneration abzubauen, die auch nach dem Kriegsende 2009 bestehen.
Ebenso wie das Peace Village
Nattandiya ist das Zirkusprojekt
im kambodschanischen Battambang nicht auf medizinische Hilfe
ausgerichtet. Vielmehr stehen die
Aspekte Bildung und Soziales im
Mittelpunkt.
Unser Team zeigte sich von
dem Projekt begeistert:
eute waren wir an einem
besonderen Ort, an dem
ein ungewöhnliches Projekt stattfindet, nämlich das Zirkusprojekt
an der Mülldeponie in Battambang. Für uns ist es unvorstellbar,
unmittelbar an einer Mülldeponie
zu leben, geschweige denn sich
vorzustellen, dass das eigene
Kind den Müll aufsammeln muss,
um mit zum Lebensunterhalt der
Familie beizutragen. Hier ist es bitterer Alltag. Zudem sind die Müllsammler alle auf einen Zwischen-
händler angewiesen, der ihnen in
der Regel aber nur 50 Prozent des
eigentlichen Wertes auszahlt.
as Zirkusprojekt, das seit 2012
federführend die „Thüringisch
Kambodschanische Gesellschaft
e.V.“ (TKG) in Kooperation mit der
kambodschanischen Tochtergesellschaft Comped (Cambodian
Education and Waste Management Organization) betreibt, hat
uns deshalb umso mehr begeistert
und ist mehr als nur förderungswürdig. Seit 2009 betreiben un-
D
PROJEKTE
sere Partner auf der Mülldeponie
ein so genanntes „Soziales Abfallzentrum Battambang“ mit dem
Ziel, den Müllsammlerfamilien ein
menschenwürdiges Leben und die
Chance auf Bildung zu ermöglichen. Zum Sozialzentrum gehören
ein überdachter Sortierplatz und
eine Kompostierungsanlage, ein
Unterrichts- und Trainingsraum für
die Schulkinder, eine Kochgelegenheit sowie sanitäre Einrichtungen.“
Ebenfalls einen Fokus auf
„H
friedensdorf-onlinereport.de
12
friedensdorf.de
(Aus-)Bildung legt das Comped
Home, die gemeinsam vom Friedensdorf und der TKG geförderte
Behinderten- und Blindenschule in
Phnom Penh. „Seit unserem letzten Besuch hat sich dieses Projekt
sehr gut weiterentwickelt, so dass
inzwischen die Teilnehmeranzahl
für das Landwirtschaftsprogramm
erhöht werden kann“, freuten sich
Thomas Jacobs und Maria Tinnefeld bei ihrem Besuch vor Ort.
men: Im Januar 2015 wurde die
Entbindungs- und Kinderklinik im
Provinzkrankenhaus Romeas Hek
(Provinz Svay Rieng) eröffnet, die
das Friedensdorf finanziert hat.
In dem zweistöckigen Gebäude
befinden sich eine Notaufnahme,
eine gynäkologische Station und
eine Pädiatrie. Auch ein Brunnen,
der für Frischwasser sorgt, gehört
zum neuen Gebäudekomplex.
Zusätzlich zu diesem Projekt hat
das Friedensdorf in der gleichen
Provinz den Bau von vier Klassenräumen für die Sekundarschule
Chambak finanziert und damit für
deutlich verbesserte Unterrichtsbedingungen gesorgt. Zuvor teilten sich rund 170 Schülerinnen
und Schüler drei Klassenräume.
Kinderklink Romeas Hek
Comped Home
Medizinische
Versorgung dank BGS
Auch die neuesten Basisgesundheitsstationen (BGS) 20, 21
und 22 („Solingen-House“, das nur
mit Spenden aus der Klingenstadt
gebaut wurde) überzeugten das
Friedensdorf-Team von ihrer Effektivität. Für jeweils etwa 12.000
Menschen bieten sie eine wichtige
medizinische Versorgung. Denn
auch wenn einige Regionen Kambodschas touristisch erschlossen
wurden, so ist dies gewiss kein repräsentatives Bild für die Gesamtsituation des Landes. „Wir haben
in einigen Provinzen gesehen und
erlebt, in welch bitterer Armut die
Menschen leben müssen. In den
Häusern oder auf den Grundstücken gibt es keine Sanitäranlagen,
die Notdurft wird im Freien verrichtet“, schildern die Friedensdörfler
ihre Eindrücke.
Damit ist deutlich, dass nach
wie vor besonders in abgelegenen
Provinzen dringender Bedarf an
medizinischen Einrichtungen besteht, weswegen sich die 23. BGS
bereits im Bau und zwei weitere in
Planung befinden.
Was unser Friedensdorf-Team
im letzten Herbst „nur“ in der Bauphase begutachten konnte, hat inzwischen den Betrieb aufgenom-
friedensdorf.de
Baustelle Basisgesundheitsstation 23 in Kambodscha
13
facebook.com/friedensdorf
HINTERGRUND
Das Urteil ist gefallen
Lebenslange Haft für die letzten zwei ranghöchsten Politiker der Roten Khmer
E
ines der schon fast vergessenen, grausamsten Kapitel
der Menschheitsgeschichte, die
Schreckensherrschaft der Roten
Khmer in Kambodscha in den
Jahren von April 1975 bis Januar
1979, wurde angesichts des Prozesses um zwei der noch lebenden
damals ranghöchsten Politiker erneut aufgeschlagen. Anfang August, auf der Anklagebank vor dem
Sondertribunal in Phnom Penh
saßen Nuon Chea, der Generalsekretär und Chefideologe des
Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und der ehemalige
Staatschef Khieu Samphan. Der
Urteilsspruch lautete: „Das Gericht
befindet Nuon Chea wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit
für schuldig, darunter Ausrottung
einschließlich Mord, politische
Verfolgung und inhumane Akte,
darunter Zwangsvertreibung, Verschwindenlassen und Angriffe auf
die menschliche Ehre.“ Über Khieu Samphan wurde wortwörtlich
das gleiche Urteil gefällt.
m nur annähernd dieses traurige Kapitel kambodschanischer Geschichte verstehen zu
wollen, ist es unerlässlich, sich
mit dem Nährboden, auf dem diese Tyrannei entstehen konnte, zu
beschäftigen. Die amerikanische
Regierung, die im Vietnamkrieg
Ostkambodscha als Rückzugsgebiet der Nordvietnamesen vermutete, bombardierte von 1969 bis
1973 völkerrechtswidrig das kleine
asiatische Land. 539.129 Bomben
fielen nieder, hunderttausende
U
friedensdorf-onlinereport.de
Menschen starben, die Reisfelder
waren zerstört und den Menschen
ihre Lebensgrundlage entzogen.
Der seit 1950 regierende König
Sihanouk wurde 1970 abgesetzt
und der von der amerikanischen
Regierung protegierte ehemalige Premierminister Lon Nol als
Staatsoberhaupt eingesetzt. König
Sihanouk, der auch als Gottkönig
von Teilen der Bevölkerung verehrt
wurde, verbündete sich daraufhin
mit den Roten Khmer, die sich als
Befreiungsarmee deklarierten. Sie
wurde 1975 überwiegend von der
kambodschanischen Landbevölkerung unterstützt und mit Freude
und Erleichterung empfangen als
sie die Macht übernahm.
Mord und Vertreibung
statt Befreiung
D
och diese sogenannte Befreiungsarmee
entpuppte
sich schnell als unvorstellbar
mörderisches Regime, das alle
Menschen, die sich ihm nicht unterordneten und die nicht als zugehörig betrachtet wurden, gnadenlos tötete. Die Ideologie des
zukünftigen kambodschanischen
kommunistischen
Agrarstaates
beinhaltete die Vertreibung der
Stadtbevölkerung auf das Land,
die Abschaffung von Geld und Privateigentum, die Verpflichtung zur
einheitlichen Kleidung, die Bildung
von Volkskommunen mit gemeinsamem Essen, Arbeiten und Wohnen. Gedacht, getan… Sofort nach
der Machtübernahme wurde die
14
Stadtbevölkerung aus ihren Häusern vertrieben und unter Androhung der Todesstrafe gezwungen,
aufs Land zu ziehen. So schreibt
Chau Kim Heng in seiner Biografie:
ir wurden von den Roten
Khmer aufgefordert stetig weiterzugehen, es war wie ein
fließender Strom, der sich in eine
Richtung bewegte. Und immer waren die Soldaten der Roten Khmer
als Bewachung dabei.“ (Heng:
Mein Leben ohne Kindheit, S.40).
Massenerschießungen, Folterungen, Zwangsehen, Vergewaltigungen, Umerziehungslager versetzten die Bevölkerung in Angst
und Schrecken und sicherten so
die Macht der Herrschenden. Ca.
2 Millionen Menschen fielen dem
Terrorregime unter Pol Pot zum
Opfer, ¼ der Gesamtbevölkerung
Kambodschas: Intellektuelle, Chinesen, Vietnamesen, Soldaten der
Vorgängerregierung,
Menschen,
die der Kollaboration mit Amerika
verdächtigt wurden und zigtausende Kambodschanerinnen und
Kambodschaner, die aufgrund von
Mangelernährung und Zwangsarbeit starben.
s dauerte lange bis die damals
Verantwortlichen endlich zur
Rechenschaft gezogen wurden.
Bereits 1997 hatte Kambodscha
die Vereinten Nationen um Unterstützung bei der strafrechtlichen
Verfolgung der Führungsmitglieder der Roten Khmer gebeten.
Doch erst 2003 wurde ein Vertrag
zwischen der UN und der Regierung Kambodschas geschlossen,
„W
E
friedensdorf.de
der die Einrichtung eines Sondertribunals beinhaltete. Dies ist ein
gemischtes Gericht, bestehend
aus einer nationalen und aus einer internationalen Komponente. Es wird kambodschanisches
Recht ergänzt durch internationales Recht angewandt, wobei in
allen Kammern die kambodschanischen Richter die Mehrheit besitzen. Und noch einmal sollten
drei Jahre vergehen bis das Gericht 2006 seine Arbeit aufnehmen
konnte.
wurde der Leiter
des Folter- und Vernichtungsgefängnisses S-21, in
dem mindestens 12270 Menschen
ermordet wurden, Kaing Guev
Eav, genannt Duch zu 35 Jahren
Haft verurteilt. In diesem ehemaligen Gefängnis befindet sich heute
das
Tuol-Sleng-Genozid-Museum. Der ehemalige Außenminister
Ieng Sary, der ebenfalls angeklagt
2010
wurde, verstarb.
ie Verurteilung der Angeklagten Nuon Chea und Khieu
Samphan Anfang August diesen
Jahres, die bis dahin völlig unbescholten ihren Lebensabend
genießen konnten, kam in den
Augen vieler betroffener Kambodschaner zu spät. Doch viele der
Opfergruppen konnten vor Gericht
auftreten, ein Novum in der internationalen Gerichtsbarkeit, die
Prozesse konnten öffentlich mitverfolgt werden, im Fernsehen, im
Radio, in den Printmedien und im
Gerichtssaal. Dies gibt den Menschen in Kambodscha trotz Allem
ein Gefühl der Rechtssicherheit
und der Genugtuung.
riedensdorf International ist
seit 2002 in Kambodscha tätig.
22 Basisgesundheitsstationen, die
Unterstützung von Behinderteneinrichtungen und pädagogischen
Freizeitangeboten sind unser Bei-
D
F
trag zum Aufbau einer stabilen Zivilgesellschaft. Eine beabsichtigte
Nebenwirkung der Friedensdorf
Arbeit ist es auch stets, Mitarbeitern der Partnerorganisationen
ehemalig verfeindeter Nationen
Begegnungen zu ermöglichen,
den gegenseitigen Austausch zu
fördern und zu solidarischem Handeln zu ermutigen. So profitiert
heute die Partnerorganisation in
Kambodscha von den jahrelangen
Erfahrungen im Aufbau von Basisgesundheitsstationen der Partner
in Vietnam. Voneinander lernen,
sich gegenseitig unterstützen,
Vorurteile abbauen – so ist Versöhnung und Frieden möglich.
Buchtipp: Chau Kim Heng: Mein
Leben ohne Kindheit, tkg Schriftenreihe der Thüringisch-Kambodschanischen Gesellschaft, erschienen 2010 – erhältlich beim
Friedensdorf.
Die Killing Fields von Choeung Ek: Gedenkstätte an die Gräueltaten der Roten Khmer
friedensdorf.de
15
facebook.com/friedensdorf
Neun Tage im Kaukasus
Friedensdorf-Team kehrt von Dienstreise zurück
B
atumi in Georgien: Die 180.000
Einwohner umfassende Stadt
direkt an der türkischen Grenze gilt
als Wissenschaftsstandort. Das Einsatzteam von Friedensdorf International wollte auch Neues lernen und
so traten Friedensdorf-Leiter Thomas Jacobs und Mitarbeiterin Maria
Tinnefeld (Foto) im März eine neuntägige Dienstreise in den Kaukasus
an, um zu erfahren, was sich innerhalb eines Jahres seit ihrem letzten
Besuch alles verändert hat.
Arbeitslosigkeit
und Flüchtlinge
I
hre erste Station war Georgien, wo
das Friedensdorf seit 1994/95 mit
Projekten und der medizinischen
Einzelfallhilfe aktiv ist. Bereits in
Batumi zeigte sich den beiden ein
zweigeteiltes Bild: Auf der einen
Seite moderne Gebäude und gute
orthopädische Hilfsmittel, auf der
anderen Seite eine hohe Arbeitslosigkeit und arme Familien, die um
das tägliche Überleben kämpfen
und somit kaum Möglichkeiten haben, an die benötigten medizinischen Hilfsmittel zu gelangen. Zwar
findet die medizinische Einzelfallhilfe des Friedensdorfes in Georgien nur punktuell statt, weil über
die georgische Partnerorganisation
einige Patienten inländisch vermittelt werden können oder mitunter
Kinder mit Krankheitsbildern vorgestellt werden, die auch in Deutschland nicht behandelbar sind. Demgegenüber zeigte sich einmal mehr
der enorme Wert der alljährlichen
Bürger-Paketaktion. Dabei erhalten arme Familien und Flüchtlinge
Lebensmittelpakete, mit denen sie
rund einen Monat im oft harten Winter auskommen können.
ie dramatisch die Lage für viele Flüchtlinge in Georgien ist,
wurde durch einen Besuch in einem
Flüchtlingscamp etwas außerhalb
Batumis deutlich. Über 2.000 Menschen fristen dort seit rund zwei Jah-
W
ren ihr Dasein, weil in ihren Bergdörfern aufgrund ökologischer Probleme kein Leben mehr möglich ist.
n Georgiens Hauptstadt Tiblissi
wurden dem Friedensdorf-Team
weitere Kinder vorgestellt, die medizinische Hilfe benötigen und deren Behandlungsmöglichkeiten in
Deutschland nun geprüft werden.
Erfreulich war, wie gut das „Labdoo-Projekt“ in Tiblissi angenommen wird. Die Organisation Labdoo
macht gebrauchte Laptops und
Computer wieder funktionsfähig und
vermittelt sie als Lernmaterialien
in verschiedene Auslandsprojekte,
auch diejenigen des Friedensdorfes.
Privatpersonen können Laptopspenden direkt bei Labdoo abgeben. Nähere Informationen zur Organisation
auf www.labdoo.de.
I
Erdbebenfolgen im
armenischen Gyumri
Flüchtlingscamp in der Nähe von Batumi in Georgien
friedensdorf-onlinereport.de
16
Von Tiblissi aus ging es für das
Team weiter in die armenische
Hauptstadt Yerevan und von dort
aus nach Gyumri. Die Stadt liegt im
Westen Armeniens nahe der Grenze zur Türkei auf etwa 1.590 Metern
Höhe und war besonders durch das
schwere Erdbeben 1988 betroffen.
Für die Friedensdorf-Mitarbeiter
war es beeindruckend zu sehen,
wie gut die dortigen Großfamili-
friedensdorf.de
Berg Ararat nahe
der armenischen Grenze
en- und Nachbarschaftsstrukturen
funktionieren, so dass alle Kinder,
die bei dem Erdbeben zu Waisen
geworden waren, im Kreis ihrer
Verwandten und Bekannten aufgenommen werden konnten. Sichtbar
ist das Unglück jedoch auch heute
noch in Form von Trümmergebäuden, die das Stadtbild zeichnen.
ie bereits in Georgien zeigte
sich dem Friedensdorf-Team
auch in Armenien eine politisch und
gesellschaftlich instabile Situation,
die in Armenien deutlich stärker als
im Nachbarland von Frustration geprägt ist. Viele junge Armenier verlassen auf der Suche nach Arbeit
das Land und kehren oftmals nicht
zurück, was für die Weiterentwicklung ihres Heimatlandes problematisch ist.
W
Positive Entwicklung
der Projektarbeit
D
emgegenüber vermittelte die
durch das Friedensdorf finanzierte Projektarbeit in Armenien ein
sehr positives Bild. Thomas Jacobs
zeigte sich beeindruckt, „wie positiv
sich die ehemals kleine Rehabilitationseinrichtung der Armenischen
Kinderstiftung weiterentwickelt hat“.
Angeboten werden u.a. Logopädie,
Förderung autistischer Kinder, Physio- und Wassertherapie, Tanztherapie- und Unterricht sowie ambulante Krankengymnastik, die bei
den Familien zuhause durchgeführt
wird. Ferner betonte auch der armenische Projektpartner die Wichtigkeit der Paketaktion: „2.000 Pakete erreichen 2.000 Familien, für
die dies ein Auskommen für einen
Monat bedeutet.“ Die Bürgerpaketaktion startet wie immer mit dem
Dorffest im Friedensdorf, in diesem
Jahr am 12. September.
friedensdorf.de
17
facebook.com/friedensdorf
Zurück zu den Wurzeln:
Alles begann in Vietnam
Rückblick anlässlich des 40. Jahrestages des Kriegsendes
S
ich weltweit für Frieden und
Gerechtigkeit
einsetzen,
dies waren damals und
sind bis heute die Beweggründe
der Menschen, die sich für Friedensdorf International engagieren.
Der 11-jährige Krieg in Vietnam
und die Geschichte des Friedensdorfes sind und bleiben untrennbar miteinander verbunden, waren
doch die ersten Patienten, die ins
Friedensdorf nach Oberhausen
kamen, schwerstverletzte vietnamesische Kinder und Jugendliche,
unschuldige Opfer dieses grausamen Krieges. Anlässlich des 40.
Jahrestages des Kriegsendes in Vietnam am 30. April 2015 wollen wir
einen Blick zurückwerfen auf die
Ursprungstage des Friedensdorfes:
ir schreiben das Jahr 1967,
die „Aktion Friedensdorf
e.V.“ wird im Juli gegründet. Die
geplante, aber nicht umsetzbare
Hilfe für Kinder aus Israel und dem
Nahen Osten, Opfer des 6-TageKrieges, wird nun zur Hilfe für die
jungen Kriegsopfer aus Südvietnam. Die ersten Häuser zur Unterbringung der Kinder auf dem
Gelände der ehemaligen Hüttenwerke Oberhausen befinden sich
bereits im Bau, doch wie und wer
soll die Kinder aus Südvietnam
auswählen, die nach Deutschland
zur medizinischen Behandlung
kommen?
Peter Stöbe, Leiter des Friedensdorfes von 1971 bis 1975
beschreibt die damalige Situation
W
friedensdorf-onlinereport.de
folgendermaßen:
hrenamtliche Ärzte in Südvietnam mussten gesucht
und Kontakte zu den dortigen
Behörden, der Polizei und dem
Militär geknüpft werden, um die
betroffenen Kinder zu erreichen.
Gleichzeitig wurden Freibetten in
deutschen Krankenhäusern und
ein kostengünstiger Flug mit Air
France organsiert.“
„E
Erste Kriegsopfer
kommen ins Dorf
I
m Dezember 1967 treffen die
ersten schwerverletzten, Napalm
verbrannten Kinder aus Vietnam
in Oberhausen ein. 1972 leben
bereits 130 Kinder und Jugendliche aus Vietnam im Friedensdorf.
Nach langen Krankenhausaufenthalten erhalten sie neben der medizinischen Rehabilitation Schulunterricht und eine Ausbildung mit
dem Ziel, später in Vietnam ein eigenes, selbstständiges Leben führen zu können. Im gleichen Jahr
werden auch Pläne zur Errichtung
einer Rehabilitationseinrichtung
in DaLat, 280 Kilometer nordöstlich von Saigon geschmiedet.
Bereits 1973, noch während des
Krieges, wird die Hilfsstation „Mimosa“ umgebaut. Dorthin kehren
1974 die ersten vietnamesischen
Patienten, deren Behandlung in
Deutschland abgeschlossen ist,
zurück und werden ihren Familien
übergeben. Zum Jahreswechsel
1974/75 wird mit dem Bau des
18
großen Rehabilitationszentrums
am DaLater See begonnen. Doch
aufgrund der Kriegswirren musste
das Friedensdorf DaLat im März
1975 evakuiert werden.
Als am 30. April 1975 der Vietnamkrieg beendet und kurz
darauf das gesamte Land unter
nordvietnamesischer Herrschaft
wiedervereint wird, können die damaligen Friedensdorf–Schützlinge
nicht mehr zu ihren Familien und
in ihr Heimatland zurückkehren.
Auch vereinsinterne unterschiedliche Meinungen tragen dazu bei,
dass die nordvietnamesische Regierung eine Rückführung der
Friedensdorf-Kinder verweigert.
Diese Situation stellt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Friedensdorfes vor ganz neue Herausforderungen.
Kontakte nach
Vietnam brechen ab
D
er Aufenthaltsstatus der ca.
100 vietnamesischen Kinder
und Jugendlichen in Deutschland
muss geklärt und ihre Integration
in die deutsche Gesellschaft gewährleistet werden. Der eigentliche Satzungsauftrag der „Aktion Friedensdorf e.V.“, die Kinder
nach abgeschlossener Behandlung zu ihren Familien und in ihre
Heimat zurückzuführen, kann bis
in die 80er Jahre hinein nicht mehr
erfüllt werden. Die Kontakte zu
Vietnam brechen ab und können
erst 10 Jahre später sehr behut-
friedensdorf.de
SCHWERPUNKT
Kinder spielen im Kriegsmuseum von Hue, Vietnam
friedensdorf.de
19
facebook.com/friedensdorf
sam und dank der Vermittlung der
Hilfsorganisation VietNam mit Sitz
in Düsseldorf wieder aufgebaut
werden. In diesen Jahren der Ungewissheit steht das Friedensdorf
mehrere Male vor dem finanziellen
Ruin.
Ein Desaster, aus dem die nachfolgenden Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter des Friedensdorfes
ihre Lehren gezogen haben. Eine
Rückkehrgarantie für die Kinder
seitens der Heimatländer ist heute eine unverrückbare Bedingung
für die Ausreise der Kinder zur
medizinischen Behandlung nach
Deutschland. Ebenso ist die überparteiliche Haltung von Friedensdorf International unerlässlich, um
die Rückführung der Kinder zu ihren Familien nie wieder zu gefährden.
Erst 1990 kann das erste Projekt vor Ort, das Friedensdorf in
DaLat, wieder eröffnet werden und
der Versorgung behinderter Kinder zur Verfügung stehen. Weitere
Projekte folgen:
•
•
•
•
•
Friedensdorf DaLat II
Orthopädiewerkstatt seit Dezember 1992
Friedensdorf DaNang
Orthopädiewerkstatt seit Dezember 1992
Friedensdorf Thanh Xuan I,
Hanoi
Kinderstation seit Dezember
1991
Friedensdorf Thanh Xuan II,
Hanoi
Sonderschule und Ausbildungswerkstatt seit April 1996
Friedensdorf Ho-Chi-MinhCity I
Kinderkrankenhaus seit September 1990
friedensdorf-onlinereport.de
•
•
•
•
•
Friedensdorf Ho-Chi-MinhCity II
Pflegestation seit April 1996
Friedensdorf Song Be
Kinderstation seit Dezember
1991
Friedensdorf Tay Ninh
Kinderstation seit November
1993
Friedensdorf Hue
Kinderstation seit September
1995
Friedensdorf Ha Tay
Rehabilitations- und Heimeinrichtung für behinderte Kinder
•
•
mit Basisgesundheitsversorgung seit 1997. Das Friedensdorf Ha Tay ist eingebunden
in das Gemeinschaftsprojekt
„Dorf der Freundschaft“, an
dem Organisationen aus verschiedenen Staaten beteiligt
sind.
Friedensdorf-Schulen
1989: 3 Schulen in der Gemeinde Dai Loc
Fischerei-Schulschiff
1988: Fischkutter „Hoa Binh
- Frieden“ Inbetriebnahme in
VietNam Juli 1988
Basisgesundheitsstationen in Vietnam:
Ein Beispiel macht Schule
S
eit 1990 sind über 100 Basisgesundheitsstationen (BGS)
in Vietnam errichtet worden. Diese
tragen entscheidend zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung
in ländlichen Regionen bei. 6000 –
8000 Menschen werden von einer
Basisgesundheitsstation versorgt.
Friedensdorf, Lang Hoa Binh
und das Gesundheitsministerium
haben eine Konzeption erarbeitet, in der die Aufgaben der BGS
festgelegt werden. Das Drei-Stufen-Modell umfasst die medizi-
20
nische Grundversorgung der Bevölkerung nach WHO Standards,
die Einbettung traditioneller Medizin in die Behandlung und die
Eigenproduktion
pflanzlicher
Arzneimittel. Finanziert werden
die
Basisgesundheitsstationen
von der Bevölkerung selbst. Wer
über ein Einkommen verfügt, gibt
freiwillig einen bestimmten Prozentsatz seines Nettoverdienstes
an die BGS ab, Menschen ohne
Einkommen werden umsonst behandelt. Die Mitarbeiterinnen und
friedensdorf.de
Mitarbeiter einer BGS erwirtschaften zusätzlich durch den Verkauf
landwirtschaftlicher Produkte und
das Angebot von Dienstleistungen
Gelder. Diese werden zurückgelegt, um die BGS auch in Krisenzeiten abzusichern.
Friedensdorf-Arbeit in
Vietnam ist beendet
E
ine vorerst letzte Dienstreise führte ein Team des Friedensdorfes 2011 nach Vietnam.
Einige der seit über 20 Jahren
arbeitenden Projekte wurden von
den Mitarbeitern des Friedensdorfes besucht. Es konnte mit großer Freude festgehalten werden,
dass alle besuchten Projekte ihren satzungsgemäßen Aufgaben
im vollen Umfange nachkommen.
Selbst Gebäude, deren Bausubstanz eine Sanierung erforderlich
machte, wurden von den vietnamesischen Gesundheitsbehörden
instand gesetzt. Heute, 40 Jahre nach Kriegsende in Vietnam,
können wir festhalten, dass weitestgehend eine medizinische Infrastruktur vorhanden ist, so dass
die medizinische Versorgung der
vietnamesischen Kinder in ihrer
Heimat und sogar in einem der
zahlreichen Friedensdorf-Projekte
durchgeführt werden kann.
och der Krieg hinterlässt bis
heute seine schmutzigen
Spuren, kontaminierte Böden,
verseuchtes Wasser – immer
noch werden Kinder mit schweren
Missbildungen und geistigen Behinderungen geboren. Mit großer
Wahrscheinlichkeit eine Folge von
„Agent Orange“. Eine Konsequenz
daraus sollte sein, die Entwicklung, die Produktion und den Einsatz chemischer Kampfstoffe weltweit zu ächten und zu verbieten.
D
friedensdorf.de
Basisgesundheitsstation in DaNang, Vietnam
Hintergründe
N
och heute erinnern sich viele
Menschen an die grauenhaften Bilder des Vietnamkrieges,
war dies doch der erste Krieg der
live, hautnah im Fernsehen übertragen wurde. Ein Bild ging um
die Welt und ist heute noch Bestandteil deutscher Geschichtsbücher. Die wohl bekannteste
Schwarz-Weiß-Fotografie des vietnamesischen Fotografen Nick
Út hat sich über all die Jahrzehnte
tief in das Gedächtnis der damaligen Fernsehzuschauer und Zeitungsleser eingeprägt: Die neunjährige Phan Thị Kim Phúc flieht
zusammen mit anderen Kindern unmittelbar nach einem Napalmangriff
amerikanischer Soldaten aus ihrem
Dorf.
och um was ging es wirklich?
Die Geschichte des Vietnamkrieges ist nur ein Beispiel für den
nach dem zweiten Weltkrieg begonnenen Kalten Krieg zwischen
D
21
SCHWERPUNKT
den damaligen Supermächten
USA und Sowjetunion. Als sich
1949 in China unter Mao Tse Tung
eine kommunistische Regierung
formierte, 1954 die Franzosen
den Indochinakrieg verloren und
Vietnam geteilt wurde, bestand
auf Seiten der USA die massive
Angst, der Kommunismus könnte sich über ganz Asien ausbreiten. Ein Marionettenpräsident aus
dem amerikanischen Exil namens
Ngo Dinh Diem, unterstützt mit
enormen finanziellen Mitteln und
16.000 amerikanischen Militärberatern, führte nun Südvietnam. In
Nordvietnam regierte der Kommunistenführer Ho Chi Minh und sie
bekämpften sich unerbittlich. Die
südvietnamesischen Truppen wurden im Kampf gegen die nordvietnamesische Armee und die südvietnamesische Guerillabewegung
Vietcong mit allen Mitteln vom
amerikanischen Militär unterstützt;
facebook.com/friedensdorf
Nordvietnam erhielt Waffen und
Geld von der Sowjetunion und China. Seit 1962 wurden bereits von
den Amerikanern im Rahmen der
Operation „Ranch Hand“ Herbizide zur systematischen Entlaubung
im Vietcong-Gebiet eingesetzt,
um den „Feind“ besser sichten zu
können. Eines davon erlangte bis
heute unter dem Namen „Agent
Orange“ traurige Berühmtheit.
Im November 1963 wurde der
südvietnamesische Präsident Diem
ermordet, sein Nachfolger General
Dương Văn Minh war nur zwei Monate im Amt und Südvietnam sollte
bis 1967 ohne Führung bleiben.
Bereits Anfang 1964 führten
die USA geheime Operationen
in Nordvietnam durch, eine flächendeckende
Bombardierung
war längst in Planung. Infolge der
Tonkin-Resolution, die den damaligen Präsidenten der USA Lyndon
B. Johnson ermächtigte, mit aller
militärischen Gewalt gegen die
Demokratische Republik Vietnam
(DRV - umgangssprachlich Nordvietnam) vorzugehen, begann
der Vietnamkrieg nun offiziell legitimiert im Frühjahr 1965 mit der
Operation „Rolling Thunder“.
Bis zum Beginn des Jahres
1968 waren zeitweise 550.000
amerikanische Soldaten in Südvietnam stationiert, doch ein Sieg
über die Kommunisten war nicht
in Sicht. Südvietnam hatte inzwischen einen neuen Präsidenten.
General Thieu übernahm 1967
durch Wahlmanipulationen mit Rückendeckung der USA die Macht.
Die Tet-Offensive, ein Großangriff
der nordvietnamesischen Armee
und des Vietcong, die von Januar
bis September 1968 andauerte,
wurde ebenso mit unvorstellbarer
Brutalität geführt. Tausende Menschen wurden gefoltert, lebendig
begraben, getötet. Zwar konnten
die amerikanische und die südvietnamesische Armee die besetzten Städte und Gebiete fast
vollständig zurückerobern, doch
längst hatte die amerikanische
Regierung den Rückhalt in der eigenen Bevölkerung verloren.
as hässliche Gesicht des
Krieges, damals noch weitgehend unzensiert durch das
Fernsehen hineingetragen in die
heimischen Wohnzimmer, rüttelte
die Menschen in Amerika auf. Der
Tod zigtausender amerikanischer
Soldaten, das Leid der vietnamesischen Zivilbevölkerung, der Einsatz
von Napalmbomben und anderen
Chemiewaffen erschütterte die
amerikanische Bevölkerung. Das
ferne Miterleben des Blutbads
von My Lai, als amerikanische
Soldaten das Dorf niederbrannten und 547 Bewohnerinnen und
Bewohner wahllos abschlachteten, veränderte das Bewusstsein.
An einen Sieg über die nordvietnamesische Regierung glaubten
nur noch wenige. Demonstrationen gegen den Krieg, die schon
1965 zunächst an amerikanischen
Universitäten begonnen hatten,
weiteten sich aus. Längst hatten
die Protestwellen auch Europa
erreicht. Am 15.10.1969 gingen
Millionen Amerikanerinnen und
Amerikaner quer durch alle Bevölkerungsschichten landesweit
auf die Straße und forderten das
Ende des Vietnamkriegs. Heute
noch populäre Lieder wie „Blowin‘
in the wind“ von Bob Dylan oder
„Give peace a chance“ von John
Lennon entwickelten sich weltweit
zu Antikriegshymnen.
friedensdorf-onlinereport.de
22
Rolling Thunder
D
1969 gewann Richard Nixon
die Präsidentschaftswahlen und
weltweit stieg die Hoffnung auf ein
baldiges Ende des Krieges, hatte
er dies doch vor der Wahl versprochen. Von einer Vietnamisierung
des Krieges und dem Abzug der
amerikanischen Soldaten war die
Rede. Doch das war nie Nixons
Intention. Im Gegenteil, seiner
Auffassung nach musste der Krieg
ausgeweitet werden und ein Sieg
über Nordvietnam möglicherweise
auch unter Einsatz von Atomwaffen errungen werden. Der damalige Außenminister Kissinger äußerte sich dazu wörtlich:
„Ich weigere mich zu
glauben, dass eine viertklassige Macht wie Nordvietnam nicht an irgendeinem Punkt aufgeben
muss.“
G
edacht getan, die Angriffe auf
nordvietnamesische Stellungen an der kambodschanischen
Grenze wurden im Geheimen intensiviert und im März 1970 marschierte die amerikanische Armee
in das neutrale Kambodscha ein.
Nun war es der Lügen genug, die
größte Antikriegsdemonstration in
der Geschichte der USA und das
weltweite Entsetzen über den Tod
von vier Studenten der Kent State
Universität, die bei einer Demonstration erschossen wurden, erhöhten massiv den Druck auf die
amerikanische Regierung, dem
Kriegstreiben ein Ende zu setzen.
Es sollten jedoch noch drei blutige
Jahre ins Land gehen, bis sich die
amerikanischen Truppen aus Vietnam zurückzogen.
I
m Januar 1972 fanden in Paris
erstmals Friedensverhandlungen
statt, allerdings wurden diese erfolg-
friedensdorf.de
los abgebrochen. Auf eine Großoffensive Nordvietnams antwortete
die amerikanische Armee im März
desselben Jahres mit massiven
Bombenangriffen auf Hanoi und Haiphong. Erneute Geheimgespräche
des Außenministers Kissinger mit
Vertretern Nordvietnams im Oktober 1972 ließen zunächst Hoffnungen auf Frieden aufkommen.
Die südvietnamesische Regierung
lehnte jedoch die Vereinbarungen
zum Verbleib nordvietnamesischer
Truppen in Südvietnam und die
Nichtakzeptanz der entmilitarisierten Zone am 17. Breitengrad als
politische Grenze ab. Nordvietnam
war seinerseits zu Veränderungen
der Vereinbarungen nicht bereit.
Der Krieg wurde mit unverminder-
ter Härte fortgesetzt und gipfelte in
den „Weihnachtsbombardements“
vom 18. bis 29.12.1972. Rund um
die Uhr, 24 Stunden täglich wurden Luftangriffe geflogen, Hanoi
völlig zerstört. In diesem Zeitraum
fielen mehr Bomben auf Nordvietnam als in den drei Jahren zuvor.
Langer Weg zum Frieden
Im gleichen Jahr besuchte Präsident Nixon Mao Tse Tung in Peking und Kremlführer Breschnew
in Moskau. Man verständigte sich
darauf, dass der Vietnamkrieg einer schrittweisen Annäherung der
Großmächte nicht im Wege stehen dürfe.
m Januar 1973 führten erneute Verhandlungen und die Un-
I
Schreckliche Bilanz
des Vietnamkrieges
D
er 11-jährige Krieg kostete
nach Schätzung der Regierung Vietnams ca. 2 Millionen
Menschen das Leben. 1,1 Millionen Soldaten wurden in Nordvietnam getötet, 58.220 US-Soldaten
kehrten nicht nach Hause zurück.
4,8 Millionen Menschen kamen
während der Operation »Ranch
Hand« direkt mit „Agent Orange“
in Kontakt. 17 Millionen Südvietnamesen und eine Million Nordvietnamesen waren den Herbiziden
ausgesetzt. Ehemalige Soldaten,
die damalige Zivilbevölkerung und
die nachfolgenden Generationen
leiden bis heute an den Folgen
des Entlaubungsmittels „Agent
Orange“:
Krebserkrankungen,
schwere geistige und körperliche
friedensdorf.de
Behinderungen. Durchschnittlich
ist jede achte Familie in Vietnam
von den Folgen betroffen.
E
twa 800.000 Tonnen Blindgänger (nicht detonierte Granaten, Bombenteile) wurden auf
einer Fläche von etwa 6,6 Millionen Hektar, also einem Fünftel
der gesamten vietnamesischen
Landfläche, hinterlassen. Bislang
wurde nur ein kleiner Teil davon
gesäubert. Seit Ende des Krieges
verloren 42.000 Menschen bei Explosionen von Blindgängern und
Minen ihr Leben, 62.000 wurden
verletzt. Über 58.000 Vietnam
Veteranen haben sich das Leben
genommen. Der Krieg kostete die
USA 686 Milliarden Dollar.
23
SCHWERPUNKT
terzeichnung eines Abkommens
ebenso wie die Verwicklung Präsident Nixons in die Watergate–Affäre, die das Ende seiner Präsidentschaft einläutete, zum Abzug
der amerikanischen Armee aus
Vietnam. Noch zwei weitere Jahre
bekämpften sich die beiden Regierungen Vietnams bis Ende April
1975 die Truppen Nordvietnams
Saigon besetzten. Unter kommunistischer Herrschaft wurde Vietnam wiedervereint.
Quellennachweis:
Arendt, Hanna (2013):
Wahrheit und Lüge in der
Politik – Zwei Essays, Piper
Verlag GmbH, München.
Frey, Marc (52000): Geschichte des Vietnamkriegs
– Die Tragödie in Asien und
das Ende des amerikanischen Traums, Verlag C.H.
Beck, München.
http://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10620/
vietnamkrieg, 18.03.15
http://www.deutschlandfunk.de/tonkin-zwischenfall-als-die-usa-inden-vietnamkrieg.871.
de.html?dram:article_
id=293318, 18.03.15
http://de.statista.com/
statistik/suche/?q=Vietnam-Krieg, 18.03.15
http://www.tagesschau.
de/jahresrueckblick/meldung221688.html, 18.03.15
facebook.com/friedensdorf
Gekommen und geblieben
Hao und Nop aus Vietnam erinnern sich
SCHWERPUNKT
S
o komplex die Geschichte
des Vietnamkrieges ist, so
detailreich und vielschichtig sind die Geschichten derjenigen, die ihn miterleben mussten.
Dies trifft auch auf Hao und Nop
zu, die sehr Unterschiedliches zu
berichten und doch eine prägnante Gemeinsamkeit haben: Sie
wurden beide im Friedensdorf
aufgenommen und haben später
in Deutschland Fuß gefasst, bis
heute. Anlässlich des 40. Jahrestages des Kriegsendes in Vietnam haben sie ihrem alten Zuhause, der Heimeinrichtung des
Friedensdorfes, einen Besuch
abgestattet und uns dabei an einigen Erinnerungen teilhaben lassen, wofür wir herzlich danken.
Welche Erinnerungen habt ihr
an den Krieg und wie geht es
euch, wenn ihr daran zurückdenkt?
Hao: Es war ein schrecklicher
Krieg und doch hatte ich persönlich Glück, weil ich in meinem
Dorf nur sehr wenig davon mitbekam. Das war bei Nop leider anders. Zwar waren wir früher gemeinsam im Friedensdorf, aber
da wir in verschiedenen Häusern
wohnten, hatten wir damals nicht
so viel miteinander zu tun und haben nicht über unsere Erlebnisse
gesprochen. Erst in den letzten
Jahren haben wir angefangen,
uns auszutauschen.
Nop: Das stimmt. Früher hatte
jeder mit seiner eigenen Zukunft
zu tun. Erst heute lernt man sich
gegenseitig besser kennen.
Ich habe ganz im Norden von
Südvietnam gelebt, fast an der
Grenze. Besonders das Jahr 1969
war schlimm. Ich erinnere mich
an viele, viele Tage und Nächte
im Bunker, an den schrecklichen
Lärm, wenn die Bomben einschlugen, an Hunger und Durst und
daran, dass ich furchtbare Angst
hatte. Manchmal habe ich mir gewünscht, ich würde sterben, damit
ich keine Angst mehr haben müsste. Ich bin dann auch tatsächlich
von einer Handgranate getroffen
worden.
Wie genau ist das passiert?
Nop: Ich lag im Bunker, mein
friedensdorf-onlinereport.de
24
Kopf drinnen, die Füße draußen.
Dann warfen die Amerikaner eine
Handgranate, weil sie dachten, wir
wären Vietcong. Nach dem lauten
Knall habe ich erst gar nichts gefühlt und dann doch etwas… Zu
meinem Vater sagte ich: „Papa, ich
glaub‘, ich hab keine Füße mehr!“
Irgendwie schaffte es mein Vater,
die Soldaten davon zu überzeugen, dass wir keine Vietcong und
auch nicht ihre Sympathisanten
waren. Dann wurde ich mit einem
Hubschrauber in ein Krankenhaus
in Da Nang gebracht. Dort war es
furchtbar, obwohl ich kaum noch
Explosionen hörte. Ich musste mir
friedensdorf.de
mit drei anderen Kindern ein Bett
teilen. Es gab keine Schmerzmittel und niemanden, der mir half,
wenn ich zur Toilette musste. Es
gab nichtmal eine Bettpfanne. Das
war sehr unangenehm und meine Wunden entzündeten sich. Ich
hatte starke Schmerzen und habe
viel geweint. Außerdem war ich
den ganzen Tag allein. Mein Vater
musste arbeiten, um die Behandlung finanzieren zu können und
konnte sich deswegen nicht um
mich kümmern. In Vietnam war
es üblich, dass der Patient von
der Familie selbst versorgt und
verpflegt werden muss. Wegen
meiner Schmerzen habe ich aber
sowieso keinen Hunger verspürt.
Eines Tages kamen zwei „Langnasen“. Einer von ihnen war Fritz
Berghaus, einer der Friedensdorf-Gründer. Sie haben gefragt,
ob ich nach Deutschland möchte. Sie sagten, wenn ich nach
Deutschland ginge, könnte ich
wieder laufen.
Hast du das geglaubt?
Nop: Ich wollte ihnen gern
glauben und vor allem wollte ich
weg aus dem Krankenhaus in Da
Nang. Ich habe meinem Vater davon erzählt und gesagt, dass ich
mitgehen möchte. Ich hatte ja
auch keine Ahnung, wo Deutschland ist. Ich dachte, das wäre in
der Nähe, und mein Vater bestätigte meine Annahme. Er sagte, er
würde mich jeden Mittwoch und
Samstag besuchen kommen. In
Deutschland habe ich vergeblich
auf ihn gewartet.
Erinnert ihr euch an eure Ankunft im Friedensdorf bzw. in
Deutschland?
Hao: Ja, das war am 21. März
1975 und ich war elf Jahre alt. Im
Friedensdorf waren wir mit acht
friedensdorf.de
Mädchen in einer Gruppe und
Hong hat auf uns aufgepasst.
(Anmerkung: Hong Kappenberg,
selbst gebürtige Vietnamesin, hat
41 Jahre im Heimbereich des Friedensdorfes gearbeitet und ist 2013
in den Ruhestand eingetreten. Allerdings ist sie immer noch ehrenamtlich aktiv. Foto unten)
Ich war ja nicht kriegsverletzt,
sondern als Kind an Polio erkrankt, weil es keine Impfungen
gab. In Vietnam konnte mir keiner helfen. Deswegen wurde ich
nach Deutschland gebracht. Eigentlich sollte ich nur sieben Monate bleiben. Mit mir zusammen
kamen noch einige andere Kinder aus meinem Heimatdorf nach
Deutschland. Sie waren auch an
Polio erkrankt.
Nop: Ich war 1969 mit neun Jahren eines der allerersten Kinder,
die aus Vietnam nach Deutschland kamen. Allerdings blieb ich
zuerst zwei Jahre in Hamburg im
Krankenhaus und kam erst 1971
ins Friedensdorf. Es gefiel mir
sehr gut im Krankenhaus und im
Friedensdorf. Endlich kümmerte
sich jemand um mich, fragte mich,
ob ich etwas brauchte und vor allem hatte ich keine Schmerzen
mehr. Ich bekam außerdem Prothesen, die alle 3-4 Jahre erneuert
wurden. Trotzdem habe ich eine
Weile gebraucht, um damit umgehen zu können, dass mir plötzlich
von „Langnasen“ geholfen wurde, während mir zuvor von ihnen
so wehgetan wurde. Als Kind bestand für mich zunächst kein Unterschied zwischen den Amerikanern, die Vietnam bombardierten
und den Deutschen, die mir helfen
wollten.
Wie ging es weiter?
Hao: Anfangs hatten wir kei-
25
nen Kontakt zu unseren Familien,
aber später konnten wir uns zum
Glück Briefe schreiben. Trotzdem
wurde bald klar, dass wir nicht
wieder nach Hause konnten und
so blieben wir im Friedensdorf.
Wir gingen zur Schule und lernten
die deutsche Sprache und Kultur
kennen. 1985 bin ich in eine eigene Wohnung gezogen und habe
ein selbstständiges Leben begonnen. Ich habe geheiratet und zwei
Kinder bekommen. Vier meiner
Geschwister leben inzwischen in
den USA.
Nop: Ich bin bis 1982 im Friedensdorf geblieben und habe
mein Abitur gemacht. Danach bin
ich nach Wiesbaden gezogen und
habe angefangen zu arbeiten.
Später habe ich auch geheiratet.
Ich bin froh über die zweite Chan-
facebook.com/friedensdorf
ce, die ich in Deutschland bekommen habe. Als behindertes Mädchen hätte ich damals in Vietnam
keine Zukunft gehabt.
Lehren aus der
Vergangenheit
Hao und Nop ist es gelungen,
ihr Leben trotz schwierigster Startbedingungen zu meistern und den
Spagat zwischen Vietnam und
Deutschland zu schaffen. Leider
gilt das nicht für alle ehemaligen vietnamesischen Friedensdorf-Kinder. Ihr Leben ist an der
inneren Zerrissenheit zwischen
zwei Ländern, dem Fehlen einer
richtigen Heimat gescheitert. Etwas, das aus Sicht des Friedensdorfes nie wieder passieren darf.
Aus der schwierigen Sozialisation
der damaligen vietnamesischen
Kinder wurden Lehren gezogen.
So arbeitet das Friedensdorf heute ausschließlich mit Nichtregierungsorganisationen aus den jeweiligen Ländern zusammen, um
eine Gefährdung der Rückführung
der Kinder zu vermeiden, die unabhängig von der aktuellen Regierung bzw. den Machthabenden
schnellstmöglich erfolgen muss.
uch Hao und Nop haben bei
ihrem Besuch im Friedensdorf
Erkenntnisse gewonnen. Nach
einem gemeinsamen Frühstück
mit den Kindern im Speisesaal
zeigten sie sich stark beeindruckt
davon, wie brav und vernünftig
die Jungen und Mädchen seien.
A
Höchststand bei
22. Paketaktion
stützten und die rund 84 Tonnen
Fracht zum Düsseldorfer Flughafen verbracht haben sowie beim
Flughafen Düsseldorf.
Bei der 22. Paketaktion ließ
sich ein Höchststand verzeichnen: 5.240 Pakete mit haltbaren
Lebensmitteln sowie warmer Kleidung wurden Mitte Dezember nach
Tadschikistan, Armenien und Georgien gebracht und von den Partnern im ganzen Land an bedürftige
Familien verteilt. Zusätzlich zu der
nahrhaften Unterstützung, die die
Hilfsgüter im oft bitterkalten Winter bieten, sind sie zudem stets
ein Zeichen der Solidarität mit den
Familien im Kaukasus und in Zentralasien. Wir bedanken uns bei
allen fleißigen Teilnehmern, den
Speditionen Hillert und Weisner
und den Transportbotschaftern,
welche uns bei Abholungen unter-
Hilfsgüter für
Rumänien
Knapp 1,8 Tonnen mit medizinischen Hilfsgütern und Bekleidung
transportierte das Friedensdorf
Anfang des Jahres nach Rumänien. Obwohl das Land seit 2007
zur EU gehört, hat sich an den Lebensbedingungen der Menschen,
vor allem in den ländlichen Gegenden, kaum etwas verändert.
„Es tut sich etwas, jedoch noch
zu wenig“, war auch dieses Mal
das Fazit des Friedensdorf-Mitarbeiters, als er von seiner Dienstreise in die Städte Sinnicolau
friedensdorf-onlinereport.de
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„Waren wir damals auch so lieb?“,
fragten sie sich beim Gehen mit
einem Augenzwinkern, das tief blicken lässt. Die Neugier, mit denen
die heutigen Friedensdorf-Kinder
ihnen begegneten, kannten die
beiden aber auch von sich selbst.
„Alle Kinder dieser Welt sind neugierig! Wir haben damals auch
unbekannte Besucher mit Fragen
nach Name und Alter bestürmt.“
lar ist aber, dass das Friedensdorf in Haos und Nops Erinnerung nicht nur baulich anders aussieht, sondern auch ein anderes
war, ein vietnamesisch-deutsches
Friedensdorf. Schließlich kamen
die ersten afghanischen Kinder
erst im Jahr 1988 dazu – und kehrten baldmöglich wieder heim.
K
Mare und Cenad, rund 60 Kilometer nordwestlich von Temeswar
gelegen, zurückkehrte.
Nach wie vor verlaufen Gesundheitsreformen nur zögerlich.
Die medizinischen Hilfsgüter des
Friedensdorfes ermöglichen dem
Krankenhaus in Sinnicolau Mare
Einsparungen, die nun genutzt
werden, um in verschiedenen
Fachdisziplinen, z.B. in der Pädiatrie, eine kostenlose Behandlung
anzubieten.
Aktuell ruhen alle Hoffnungen
der Rumänen auf dem 2014 gewählten Präsidenten Klaus Johannis. Die Bevölkerung verspricht
sich einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine Verbesserung
des Gesundheitssystems. Sicherlich keine leichte Aufgabe, die
über Jahrzehnte praktizierten und
festgefahrenen Strukturen zu verändern.
friedensdorf.de
Statement zum Tag des Ehrenamtes
D
ie Wichtigkeit von freiwilliger
Unterstützung wird schon
in der Struktur der Organisation deutlich. Der stellvertretende
Leiter Kevin Dahlbruch ist neben
seinen übergreifenden Aufgaben
mit der Betreuung und Koordination von Freiwilligen betraut. Im
Interview gibt er einen Einblick
in seinen Arbeitsbereich und die
vielfältigen Möglichkeiten des Engagements für die Oberhausener
Kinderhilfsorganisation.
Wo kann man sich im Friedensdorf ehrenamtlich engagieren?
Dahlbruch: Prinzipiell kann
man sich in beinahe allen Bereichen des Friedendorfes engagieren. Das heißt konkret im Dorf
selbst in der Betreuung und Pflege
der Kinder, aber auch in der Küche, im Fahrdienst, in der Technik,
im Bildungswerk, in der Öffentlichkeitsarbeit und selbst in der Hilfsgüterhalle… Auch handwerkliches
Talent ist jederzeit herzlich willkommen. Hilfe können wir immer
gut gebrauchen! Das gilt übrigens
nicht nur in Oberhausen. Auch
friedensdorf.de
bundesweit betreuen Ehrenamtliche unsere Kinder während ihres
stationären Aufenthaltes im Krankenhaus.
Wie geht das konkret – helfen?
Dahlbruch: Besonders im Kontakt mit den Kindern ist es uns
wichtig und unumgänglich, die
Menschen, die sich ehrenamtlich
für uns engagieren möchten, kennenzulernen. Und die Helfer sollen
auch uns kennenlernen. Darum
organisieren wir regelmäßig Seminare, die auf die Zusammenarbeit
vorbereiten. Bei diesem Seminar
vermitteln wir aber nicht nur Inhalte: Wo kommen die Kinder her?
Was ist im Umgang zu beachten?
Wir versuchen auch, für jeden Interessierten ein passendes Aufgabenfeld zu finden. Es gibt Menschen, die sich gerne engagieren
möchten, aber denen der Umgang
mit unseren Schützlingen nicht
liegt. Dafür helfen sie in der Küche
Kartoffeln schnippeln, holen Spenden ab, veranstalten Infostände
oder werden Seminarleiter im Bildungswerk.
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Gibt es formale Voraussetzungen für ein Ehrenamt?
Dahlbruch: Wir arbeiten mit
Kindern und Jugendlichen. Deshalb müssen Freiwillige in der
Regel mindestens 18 Jahre alt
sein. Dann kommt es auf die Bereiche an: Wer im Dorf mit den
Kindern arbeitet, bitten wir um ein
erweitertes Führungszeugnis. In
der Küche braucht man ein Gesundheitszeugnis und wer unsere
Schützlinge zum Arzt fährt, sollte
eine Insassenversicherung haben.
Wie viele Ehrenamtliche gibt es
im Friedensdorf?
Dahlbruch: Das ist schwierig pauschal zu beantworten. Es
gibt besonders in der Krankenhausbetreuung immer mal wieder
Städte oder Regionen, in denen
einfach einige Monate kein Kind
behandelt wird. Trotzdem können
die Menschen dort ehrenamtliche
Mitarbeiter sein, wenn sie auch
gerade kein Kind aktiv betreuen.
Auch Krankheit, Lebensumstände
oder eine längere Reise können
bedeuten, dass jemand vorüber-
facebook.com/friedensdorf
gehend „raus“ ist, aber eigentlich
doch weiter dabei ist. Darum kann
man keine Zahl konkret nennen.
Es sind aber mehrere hundert.
In einigen Städten der Bundesrepublik haben sich mehrere Freunde
zu einem Friedensdorf Freundeskreis zusammengeschlossen, die
sehr effektiv arbeiten und wichtige
Multiplikatoren für das Friedensdorf darstellen.
Was ist die Herausforderung im
Umgang mit Ehrenamtlichen?
Dahlbruch: Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sind.
Es gibt ganz unterschiedliche Motivationen, sich ehrenamtlich zu
engagieren. Viele möchten sich
mit dem einbringen, was sie gut
können. Andere nutzen ein Eh-
renamt auch, um mal etwas ganz
anderes zu tun, als das womit sie
täglich beispielsweise im Beruf zu
tun haben. Auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einzugehen und
alle so einzusetzen, dass sie auch
wirklich eine Hilfe sind, ist nicht immer einfach.
Und das schönste?
Dahlbruch: Es ist für uns alle
immer wieder schön zu sehen,
dass es so viele Menschen gibt,
die ehrenamtlich das tun möchten,
wofür wir hauptamtlichen Mitarbeiter nicht immer die Zeit finden.
Daran sieht man, dass man einen
ganz tollen, wertvollen Job hat.
Ich lerne so viele Menschen kennen, die sehr engagiert sind und
jede Menge Potenzial und Ideen
haben. Das ist sehr bereichernd.
Besonders für die Praktikanten
und Volontäre gilt das. Ich begleite über das Jahr viele junge Menschen aus unterschiedlichen Ländern.
Ich erlebe, wie das Ehrenamt
sie verändert und bereichert und
wie sie im Team mit den hauptamtlichen Kollegen arbeiten. Das bereitet viel Freude. Unsere älteren
Kolleginnen und Kollegen erzählen aber immer mal wieder, dass
auch das gemeinsame Älterwerden zu den Momenten zählt, die
das Friedendorf ausmacht. Gemeinsam durch Täler gehen und
gemeinsam die schönen Momente „leben“, das ist es, was wir wohl
allen nicht missen möchten.
Seminare für ehrenamtliche Helfer
In diesen Seminaren erfahren die (zukünftigen) Helfer alles, was es über das Friedensdorf und die verschiedenen Aufgabengebiete ehrenamtlicher Tätigkeiten zu wissen gibt. Die nächsten Seminare mit dem Thema
„Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten - Einführung ins Ehrenamt“ finden zu folgenden Terminen statt:
• Kompaktseminar III: 24. - 26. Juli
• Kompaktseminar IV: 16. - 18. Oktober
Bei Interesse senden Sie uns bitte eine Mail mit Ihren Kontaktdaten an: [email protected].
Mehr zum Thema Ehrenamt: http://friedensdorf.de/Ehrenamt.html
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