Kinderkatalog Egon Schiele
Transcription
Kinderkatalog Egon Schiele
EGON SCHIELE UND DU Isabell Kneidinger Raiffeisenbank Tulln Impressum Diese Publikation für junge Leserinnen und Leser erscheint anlässlich der Ausstellung „Egon Schiele - Die Anfänge des Künstlers“ im Egon Schiele Museum Tulln (31. März – 28. Oktober 2012). Ausstellungsveranstalter Niederösterreichische Museum Betriebs GmbH Direktion Carl Aigner Geschäftsführung Brigitte Schlögl, Peter Weiss Kurator Christian Bauer Autorin Isabell Kneidinger unter redaktioneller Mitarbeit von Johannes Kritzl Illustration Maskottchen „Poldi“ Lisa-Iruna Bruckner Grafische Gestaltung schultz+schultz-Mediengestaltung, 1040 Wien Druck Janetschek GmbH, 3860 Heidenreichstein Medieninhaber Niederösterreichische Museum Betriebs GmbH, 3100 St. Pölten www.landesmuseum.net © für den Textbeitrag: bei der Autorin © für die Broschüre: beim Medieninhaber © für die Werkabbildungen: Landesmuseum Niederösterreich (S. 8, 15, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25: Foto: Peter Böttcher; S. 20: Foto Manfred Thumberger); Sammlung Gradisch (S. 8, 17, 20, 21: Foto Christoph Fuchs) © für die Fotografien: Helmut Lackinger (S. 24); IMAGNO/Austrian Archives (Cover, S. 5, 7, 9, 15); Landesmuseum Niederösterreich (S. 9); photos.com (S. 1); Rita Newman (Cover, S. 6); Sammlung Gradisch (S. 10, 23: Foto Christoph Fuchs); Wikimedia Commons (S. 5, 7, 9, 13, 14, 16, 19) © Illustrationen: Isabell Kneidinger (S. 11f ); Sabell-Christina Fabian (S. 4) Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Abdrucks und das der Reproduktion einer Abbildung, sind vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Herzlich willkommen, lieber KunstFan! Super, dass du ins Egon Schiele Museum nach Tulln gekommen bist, um mehr über das Leben des weltberühmten Künstlers zu erfahren. Hier kannst du die ersten Jahre Egon Schieles noch einmal miterleben und den Erfolg des Künstlers bis in die Gegenwart verfolgen. Kann's losgehen? Also dann auf in die Vergangenheit! Die Reise führt uns 100 Jahre zurück in das Leben um 1900. Wie anders war die Welt doch damals, oder? Wie haben die Menschen vor 100 Jahren gelebt und was hat sich bis heute alles geändert? Wie lebte ein Künstler damals und wie lebt er heute? Dazu gibt es in diesem Heft einige Rätsel zu lösen und Fragen zu beantworten. Als zeitreisender Kunst-Fan kannst du bestimmt die passenden Antworten und Lösungen finden … Hier noch einige Infos zur Benützung des Begleithefts zur Ausstellung: Im Lexikon auf der letzten Seite findest du Erklärungen zu Begriffen, die mit einem * gekennzeichnet sind. Wenn du dir nicht sicher bist, ob du etwas richtig verstanden hast, kannst du hier nachschlagen. Mit einem ? sind Aufgaben und Fragen gekennzeichnet. Dabei gibt es auch Anregungen zu Diskussionen mit MitschülerInnen, LehrerInnen, Freunden, Geschwistern oder Eltern. Erklärungen und Infos für Kunstexperten sind am ! zu erkennen. Im Heft findest du außerdem einige TIPPS! zum Selberbasteln und Experimentieren. KUNST FÄLLT NICHT VOM HIMMEL Sicherlich hast auch du schon einmal davon geträumt, ein großer Künstler / eine große Künstlerin zu werden. Doch auch große Künstler wie Schiele sind nicht vom Himmel gefallen. Besonders geprägt wurde der junge Egon durch sein frühes Umfeld, den Bahnhof Tulln, in dem er geboren wurde. Bereits mit zweieinhalb Jahren hat der kleine Egon eifrig gezeichnet, am liebsten Eisenbahnen. Schon früh wollte er Künstler werden. Bereits mit 16 Jahren kam er an die Akademie der bildenden Künste. Aber wie jeder Schüler / jede Schülerin versuchte auch er sich von seinen Lehrern abzusetzen und eigene Wege zu gehen. Dabei hatte er immer eine klare Vorstellung davon, wo er hin wollte. Auch bei Schiele galt: Ohne Fleiß kein Preis. Obwohl er bereits jung starb, hat er in sehr kurzer Zeit unglaublich viele Meisterwerke geschaffen. Dieser Kinderkatalog für das Egon Schiele Museum in Tulln, wo es vor allem um die Kindheit und Jugend des Künstlers geht, versucht die Kindheit zur Zeit Schieles vor hundert Jahren in Verbindung zu bringen mit dem Leben von Kindern heute. Was hat sich verändert? Wie war das Leben damals? Wie prägend war für Egon Schiele die Kindheit in Tulln und seine jungen Jahre in Klosterneuburg und Wien? Was hat sich verändert in der Erziehung damals und heute? All das und vieles mehr findest du in diesem Schiele-Heft, das dir helfen soll, einen eigenen Weg zur Person und zur Kunst von Egon Schiele zu finden. Der große Künstler Pablo Picasso hat einmal auf die Frage, ob Kinder Künstler sein können geantwortet: Es geht nicht darum, ob Kinder Künstler sein können, sondern darum, ob sie es als Erwachsene noch sein können. Egon Schiele konnte es! Carl Aigner Direktor Landesmuseum Niederösterreich und Egon Schiele Museum Tulln Inhalt ES WAR EINMAL IN TULLN … 4 Die Welt vor 100 Jahren 4 ZU GAST BEI FAMILIE SCHIELE 5 Mein Vater, der Bahnhofsvorstand Das Leben am Bahnhof „Ich ewiges Kind“ – Spielzeug einst und jetzt Was ich einmal werden möchte … 6 7 9 10 SCHIELES SCHULJAHRE AUF NACH WIEN! 13 15 Wien um 1900 16 KÜNSTLERLEBEN18 Gustav Klimt – das große Vorbild 19 EGON SCHIELES BILDWELT 20 Was Bilder erzählen Rote und grüne Köpfe Aufregung um nackte Körper Egon Schieles unverwechselbarer Stil 21 21 23 24 SCHWIERIGE UND ERFOLGREICHE JAHRE 25 BIOGRAFIE EGON SCHIELE 28 BEGRIFFSLEXIKON30 Rätselauflösungen 31 Literaturnachweis32 ES WAR EINMAL IN TULLN … Am 12. Juni 1890 wurde Egon Schiele im niederösterreichischen Tulln geboren – einer kleinen Stadt an der Donau, etwa 40 km von Wien entfernt. Damals lebten in Tulln 4 000 Menschen. Heute hat Tulln etwa 15 000 Einwohner. Zu Schieles Zeit war Tulln ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt innerhalb der österreichischungarischen Monarchie*. Der Tullner Bahnhof war eine wichtige Station der Kaiser-FranzJosefs-Bahn, die 1856 gebaut wurde und Wien mit den Städten in Böhmen und in Deutschland verband. Die Eisenbahnstrecke wurde nach Kaiser Franz Josef benannt. Er regierte damals das Kaiserreich Österreich-Ungarn. Die Region Böhmen war ein Teil davon. Heute gehört das Gebiet zu Tschechien. Egon Schieles Mutter wurde dort geboren. Die Karte zeigt dir die Länder, die damals zum Kaiserreich Österreich-Ungarn gehörten. Die Welt vor 100 Jahren Seit dem Jahr 1900 hat sich so einiges in der Welt verändert. Nicht nur die Größe der Städte und die Grenzen der Länder. Der gesamte Lebensalltag der Menschen sieht heute ganz anders aus – die Verkehrsmittel, die Mode oder das Spielzeug. Computer, Fernseher und sogar das Radio waren noch unbekannt. Autos gab es erst sehr wenige und Flugzeuge waren gerade erfunden worden. 4 ? damals < > heute Kannst du die Darstellungen richtig zuordnen? ZU GAST BEI FAMILIE SCHIELE Im Familienleben hat sich in den letzten 100 Jahren vieles geändert. Sehen wir uns bei Familie Schiele an, wie sich der Familienalltag um 1900 von jenem heute unterscheidet … Als dieses Foto aufgenommen wurde, war Egon Schiele fast 4 Jahre alt. Neben Vater Adolf und Mutter Marie sind auch die beiden älteren Schwestern Melanie (stehend hinter Egon Schiele auf dem Schaukelpferd) und Elvira zu sehen. Die älteste Schwester Elvira starb jedoch bereits im Alter von 10 Jahren an Gehirnhautentzündung*. In der damaligen Zeit funktionierte die medizinische Versorgung noch nicht so gut wie heute. Viele Kinder starben schon an einfachen Krankheiten wie an der Grippe. In Österreich kann heute fast jeder im Krankheitsfall schnell und sicher versorgt werden. Familie Schiele, um 1893 5 Die Kindheit vor 100 Jahren verlief nicht immer so unbekümmert wie in der heutigen Zeit. Die Erziehung war strenger und viel ernster als heute. Kinder mussten folgsam sein und Widerspruch wurde nicht geduldet. Der Vater war das Familienoberhaupt. Er hatte das Sagen und konnte Ungehorsam sogar mit Schlägen bestrafen – ebenso der Lehrer, und das war sogar erlaubt! Kinder hat man früher als kleine Erwachsene gesehen und auch so behandelt und gekleidet. Ganz ernst genommen wurden sie aber nie, und was sie sagten wurde kaum beachtet. Heute werden Kinder respektvoll und gleichwertig mit Erwachsenen behandelt. Gewaltanwendung gegenüber Kindern ist durch Gesetze verboten. Heute gibt es in unserer Gesellschaft mehr Wohlstand. Die Eltern nehmen sich mehr Zeit für ihre Kinder. Freizeit war früher sehr knapp und in armen Familien mussten die Kinder sogar arbeiten gehen. Heute dürfen Kinder einfach „Kind sein“. ? Sieh dir die Fotografie mit Familie Schiele noch einmal genau an und vergleiche sie mit dem Familienfoto aus der heutigen Zeit. Welche Unterschiede fallen dir auf? Mein Vater, der Bahnhofsvorstand Egon Schiele wurde am Bahnhof Tulln geboren und verbrachte dort eine glückliche und behütete Kindheit. Früher war es nicht selbstverständlich, die Kindheit ohne Not und Armut zu erleben. Egon Schiele hatte das Glück, in eine wohlhabende Familie geboren worden zu sein. Die Familie Schiele bewohnte im Tullner Bahnhofsgebäude vier Zimmer. Das war für viele andere der reinste Luxus. Auch ein Kinderzimmer zu haben war nicht immer üblich. Egon Schieles Vater arbeitete am Tullner Bahnhof als Bahnhofsvorstand und beaufsichtigte dort das gesamte Bahnhofspersonal. Das war eine große Verantwortung und ein ziemlich toller Beruf damals. Egon Schiele war deshalb sehr stolz auf seinen Vater. Da die Familie am Bahnhof lebte, konnte Egon Schiele die Tätigkeiten des Vaters hautnah miterleben. 6 Nur wenige Frauen erlernten damals einen richtigen Beruf. Die Frau war für den Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig. Aber die Regeln für die Erziehung bestimmte natürlich das Familienoberhaupt – der Vater. Die Väter hatten am meisten Einfluss darauf wie die Zukunft der Kinder aussehen soll. Egon Schieles Vater wollte, dass sein Sohn einmal in seine Fußstapfen tritt und Eisenbahnbediensteter wird. Das Leben am Bahnhof links: Bahnhof Tulln, um 1900 rechts: Bahnhof Tulln, heute Auf einem Bahnhof herrschte schon damals hektisches Treiben. Bahnhöfe hatten vor 100 Jahren noch eine große Bedeutung für den Reiseverkehr. Flugzeuge wurden gerade erst entwickelt, und ein Auto konnten sich damals nur reiche Leute leisten. Umso wichtiger war die Eisenbahn als Verkehrsmittel. damals < > heute links: Dampflokomotive, um 1900 rechts: Elektrische Lokomotive, heute Vor 100 Jahren wurden die meisten Lokomotiven noch mit Wasserdampf angetrieben. Dazu mussten während der Fahrt Brennstoffe wie Holz, Öl oder Kohle verbrannt werden. Das im mitgeführten Kessel erhitzte Wasser erzeugte den Dampf für die Maschine. 7 Egon Schiele saß manchmal stundenlang am Fenster und beobachtete das Treiben am Bahnhof und die ein- und ausfahrenden Züge. Die Geräusche am Bahnhof konnte er bald täuschend echt nachahmen. Du musst dir vorstellen, dass es damals noch keinen Fernseher oder Videospiele gab. Die Kinder verbrachten ihre Zeit mit ganz anderen Beschäftigungen. Egon Schiele zeichnete damals bereits viel und gerne. Am Fensterbrett der Wohnung entstanden seine ersten Zeichnungen von Zügen, Gleisen und Signalanlagen. Eisenbahnzug, um 1906, Tinte auf Papier ? Entdeckst du in der Ausstellung diese Kinderzeichnung einer Eisenbahn? Schiele hat sie gemacht als er 10 Jahre alt war. „Zwei Eisenbahnen und ein Automobil“, um 1900, Bleistift auf Karton Die Mutter ärgerte sich oft, dass ihr Sohn die Zeit nur mit Zeichnen verbrachte und wenig für die Schule lernte. Einmal soll sie sogar die Zeichnungen des Jungen im Ofen verbrannt haben. 8 "Ich ewiges Kind“ – Spielzeug einst und jetzt Wie jedes Kind spielte Egon Schiele auch gerne – am liebsten mit Spielzeugeisenbahnen. Auch als er schon älter war, faszinierten ihn Spielzeuglokomotiven noch immer. ? Findest du diese oder eine ähnliche Spielzeugeisenbahn in der Ausstellung? Aus welchem Material besteht sie? Spielzeug wurde früher vor allem aus Holz oder Blech hergestellt und aufwändig in Handarbeit gefertigt. Deshalb war der Besitz von Spielzeug vor 100 Jahren noch Luxus. Nur wohlhabende Familien konnten es sich leisten für ihre Kinder teures Spielzeug zu kaufen. Die Mehrzahl der Kinder besaß kein Spielzeug. Das ist heute ganz anders. In den Kinderzimmern findet man große Mengen von unterschiedlichstem Spielzeug. Es wird selten in Handarbeit, sondern vor allem in Fabriken aus billigen Materialien hergestellt. Meist besteht es aus Plastik und wird weit weg in Asien gefertigt. ? damals < > heute Womit spielen Kinder? 9 Was ich einmal werden möchte ... Im Spielen wird das Erwachsensein nachgeahmt. Buben spielen gerne die Rolle eines erwachsenen Mannes in unterschiedlichen Berufen. Mädchen lernen im Puppenspiel das Verhalten der erwachsenen Frau als Mutter und Hausfrau. Seit 1900 hat sich in den Rollen von Frau und Mann aber so einiges geändert. Viele Väter übernehmen statt der Mutter die Betreuung der Kinder, führen den Haushalt und kochen. Die Mütter dagegen gehen ganz normal arbeiten. Auch im Spiel geht es umgekehrt – es gibt Buben, die mit Puppen spielen und Mädchen, die Spielzeugautos cool finden. Egon Schiele spielte vor allem mit Teddybären, Puppen, Spielzeugautos und Spielzeugeisenbahnen. Am meisten begeisterte ihn aber die moderne Technik – die neuesten Automodelle, Flugzeuge oder Eisenbahnen. Heute zählt elektronisches Spielzeug zu den neuesten Entwicklungen – ferngesteuerte Autos, Computerspiele oder Nintendos. Vermutlich wäre Egon Schiele heute ein Computer-Fan und genauso fasziniert von modernem „High-Tech“Spielzeug wie du … Zum ältesten Spielzeug der Welt gehören Puppen. Sie können aus den unterschiedlichsten Materialien hergestellt werden: aus Porzellan, Holz, Leder, Stoff, Wolle, Plastik und sogar aus Papier. Mit dieser Anleitung kannst du ganz einfach ein Wollpüppchen selbst basteln: 10 Ein Wollpüppchen leicht gemacht! – Du brauchst: Wolle, Pappe (ca. 30 cm x 30 cm), Schere 1. Wickle einen Wollfaden 30 mal um die Pappe herum. 2. Binde den Wollbausch an einer Seite mit einem Wollfaden zusammen und zieh dann die Wolle von der Pappe ab. 3. Nun schneide mit der Schere die Fäden am anderen Ende durch. 4. Der Kopf wird mit einem Faden abgebunden. 11 5. Als nächstes kommen die Arme dran. Dafür teilst du zwei etwa gleich dicke Stränge ab. Diese kann man dann Flechten oder einfach so lassen, und bindet sie ab. 6. Nun folgt der Oberkörper. Hier wieder je nach Belieben abbinden. 7. Dann nur noch die Fadenenden sauber abschneiden und fertig ist das Püppchen. Natürlich kannst du auch die männliche Variante basteln. Dazu bindest du nochmal die Beine ab. Man kann sie auch flechten. Wer will kann das Püppchen noch mit Wackelaugen, Schleifen oder Stoffresten verzieren. Kinder, deren Eltern sich früher kein Spielzeug leisten konnten, spielten mit selbstgebastelten Dingen. Man braucht auch heute nicht unbedingt teures Spielzeug um Spaß zu haben, sondern einfach nur Fantasie. Mit Rate-, Versteck- oder Fangspielen wie „Räuber und Gendarm“ kann man lustige Nachmittage verbringen. 12 SCHIELES SCHULJAHRE In der Schule ging es vor 100 Jahren ganz anders zu als heute. Obwohl es bereits die allgemeine Schulpflicht* gab, gingen nicht alle Kinder regelmäßig zur Schule. Die Anwesenheit im Schulunterricht wurde wenig kontrolliert. In ärmeren Familien mussten die Kinder statt in die Schule zu gehen im Haushalt mithelfen oder arbeiten gehen. In den Dörfern am Land wurden Kinder unterschiedlichen Alters gemeinsam in einer Klasse unterrichtet. Manche Schulen hatten nämlich nur einen Lehrer und nur ein Klassenzimmer. Mädchen und Buben saßen im Klassenzimmer meistens auf getrennten Seiten. Foto eines Klassenzimmers, um 1900 So ähnlich könnte auch Egon Schieles Klassenzimmer in der Volksschule Tulln ausgesehen haben. In wohlhabenden Familien war es üblich, den Kindern Privatunterricht zu erteilen. Auch Egon Schiele wurde in den ersten beiden Schuljahren von einem Lehrer zu Hause unterrichtet. Erst im dritten Schuljahr besuchte er die Volksschule in Tulln. Heute ist privater Unterricht zu Hause nicht mehr üblich. Mit anderen Kindern gemeinsam zu lernen macht auch viel mehr Spaß. 13 ? <> re c hn er damals heute So sahen die Schulsachen früher aus. Was hat sich hier Modernes eingeschlichen? en Tinte nfas Ta s ch s nzen Schulra en und st a lk n e a ff n nt; Gri tten ge chulbu ort und k (auch S le Dia tw “ ist ein n e “) tt h u „B r Bauc t „dicke heion) bedeute h.: grap c e ri (g l e ff ri G r Ein erät fü chreibg afeln. ist ein S Wachst r e d o rfe ie h c S Griffelkasten t Schwamm und Schiefertafel mi Schreib feder Egon Schiele war nie ein wirklich guter Schüler, denn er hatte immer nur Zeichnen im Kopf. Das tat er nicht nur im Kunstunterricht, sondern unerlaubter Weise auch in anderen Gegenständen. Immer wieder bekam er deshalb Schwierigkeiten und schlechte Schulnoten. ? 14 Wo ging Egon Schiele zur Schule? Du findest die Antwort in der Ausstellung. Blick aus dem Zeichensaal des Gymnasiums Klosterneuburg, 1905, Tempera auf Karton Schieles Zeichenlehrer am Gymnasium in Klosterneuburg war Ludwig Karl Strauch. Bei ihm lernte Egon Schiele das Malen mit Ölfarben. Der Lehrer erkannte das Talent des Jungen und empfahl eine künstlerische Ausbildung für ihn. Schiele war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt. Sein Vater war gerade an einer schweren Krankheit gestorben. Die Mutter blieb mit den drei Kindern allein. Der wohlhabende Onkel und Taufpate Leopold Czihaczek, der in Wien lebte, übernahm nun die väterlichen Pflichten. Er wurde Egon Schieles Ersatzvater, ein sogenannter „Vormund“. Leopold Czihaczek war Ingenieur bei der Eisenbahn. Sehr begeistert war der Onkel nicht über die Entscheidung seines Neffen, Künstler zu werden. Aber Egon Schiele wusste damals schon ganz genau, was er werden wollte. Auch die Mutter unterstützte den Berufswunsch ihres Sohnes. Egon Schiele mit seinem Onkel Leopold Czihaczek, um 1917 AUF NACH WIEN! 1906 übersiedelte Egon Schiele schließlich nach Wien und begann die Ausbildung zum Künstler an einer Kunstuniversität – der Akademie der Bildenden Künste. Mit 16 Jahren war er der jüngste Student in seiner Klasse. Das machte auch den Onkel stolz. Häufig war Schiele bei ihm zum Essen eingeladen. Dort herrschten strenge Regeln. Beim Mittagessen wartete etwa die Familie aufrecht hinter den Sesseln stehend auf den Eintritt des Onkels in das Speisezimmer. Beim Essen durfte natürlich nicht gesprochen werden, außer der Onkel stellte eine Frage, die dann kurz und schnell zu beantworten war. Egon Schiele erhielt immer wieder Geld von seinem Onkel, damit er Malutensilien kaufen konnte. Gut verstanden hat er sich mit dem Onkel aber nie. Egon Schiele im Alter von 16 Jahren mit seiner Malpalette 15 Wien um 1900 Vor 100 Jahren war Wien bereits eine Großstadt und der Mittelpunkt des Kaiserreichs Österreich-Ungarn. 1910 lebten in Wien über 2 Millionen Menschen, die aus den unterschiedlichsten Teilen des Landes kamen. Heute hat Wien etwa 1,7 Millionen Einwohner. Viele Künstler trafen sich damals in Wien in den zahlreichen Kaffeehäusern und unterhielten sich über Kunst, über Politik und über die neuesten Erfindungen und Entwicklungen in der Welt. In Wien lernte Egon Schiele viele interessante Menschen und berühmte Künstler kennen. ? Suche ein Foto in der Ausstellung, auf dem Egon Schiele mit seinen Klassenkollegen zu sehen ist. Kannst du den Künstler darauf entdecken? Warum sind keine Frauen auf dem Foto? Schieles Lehrer an der Kunstakademie war Christian Griepenkerl. Dieser legte großen Wert auf genaues Zeichnen. ? Schau dich in der Ausstellung um. Welche Zeichnungen fertigte Schiele an der Kunstakademie? Was ist dargestellt? 1909 – mit 19 Jahren – verließ Egon Schiele die Kunstakademie. Mit seinem Lehrer Christian Griepenkerl verstand er sich nicht sehr gut. Auch der strenge Unterricht gefiel ihm nicht. Mit seinen Klassenkameraden und mit Künstlerkollegen gründete Schiele nun eine Künstlervereinigung – die „Neukunstgruppe“. Alle Mitglieder dieser Künstlervereinigung hatten das gleiche Ziel: Sie wollten „neue Kunst“ machen – anders als im Unterricht an der Kunstakademie gelehrt wurde. In einer Galerie* in Wien – dem Salon Pisko – fand die erste gemeinsame Ausstellung der Neukunstgruppe statt. 16 ? Findest du im Museum das Plakat für die Ausstellung der „Neukunstgruppe“? Hier siehst du Ausschnitte davon. Kannst du sie zu einem Puzzle zusammenbauen? TIPP! Organisiert in der Schule eine Ausstellung eurer Bilder, die im Kunstunterricht entstanden sind. Ladet eure Familie und Freunde dazu ein. Für eine Ausstellung muss man aber so einiges vorbereiten: Einladungen schreiben und verschicken, ein Ausstellungsplakat entwerfen … Die Kunstwerke sollten signiert* und gerahmt werden, bevor ihr sie an den Wänden befestigt. 17 KÜNSTLERLEBEN Mit 18 Jahren präsentierte Egon Schiele zum ersten Mal seine Zeichnungen und Ölgemälde* bei einer Ausstellung. In Ausstellungen haben Künstler die Möglichkeit, ihre Kunstwerke vielen Menschen zu zeigen und zu verkaufen. Schon bald hatte Egon Schiele die ersten Fans, die von seinen Kunstwerken begeistert waren und anderen davon erzählten. Kunstsammler wurden auf ihn aufmerksam und kauften nun seine Werke. Das waren meist reiche Leute wie der Gastwirt Franz Hauer, der Fabrikbesitzer Carl Reininghaus oder Eisenbahninspektor Heinrich Benesch und sein Sohn Otto. Schon als kleiner Junge besuchte Otto Benesch mit seinem Vater Egon Schiele in dessen Atelier*. Otto Benesch bezeichnete Schiele einmal als den „genialsten Zeichner aller Zeiten“. Nicht nur in Wien wurden die Kunstwerke des jungen Egon Schiele in Ausstellungen präsentiert, auch in Deutschland und in anderen Ländern Europas. In Zeitungen und in Büchern wurde über ihn berichtet. Was braucht ein Künstler für seine Arbeit? Hier sind einige Begriffe versteckt! Besonders gern malte Egon Schiele mit Öl- und Aquarellfarben* oder mit Tusche*. Das Zeichnen mit Kohlestiften, Rötel* oder Bleistift war schon als Kind seine große Leidenschaft. Mit Kohle oder Bleistift fertigen Künstler vor allem Skizzen – das sind Vorzeichnungen oder Entwürfe. 18 TIPP! Herstellung von Zeichenkohle – Probiere es aus! Am besten lässt sich Holzkohle am Lagerfeuer herstellen. Du brauchst Birken- oder Weidenäste. Diese werden mit Alufolie gut umwickelt, so dass keine Luft dazu kommt. Dann legst du sie mehrere Stunden in die Glut des Feuers. Mit einer Grillzange kannst du die eingepackten Äste wieder aus der Glut nehmen und abkühlen lassen. Auspacken und fertig ist die Holzkohle! Gustav Klimt – das grosse Vorbild Ein Vorbild – das kann ein Held in einer Fernsehserie, die Schwester mit dem tollen Beruf oder auch ein berühmter Sportler sein – also jemand, den oder die man sehr bewundert. Egon Schieles großes Vorbild war der Künstler Gustav Klimt, der 28 Jahre älter und fast wie ein Vater für den jungen Schiele war. Gustav Klimt war damals einer der berühmtesten österreichischen Künstler. Egon Schiele war sehr beeindruckt von Gustav Klimt und begann im Stil* Klimts – im Jugendstil* – zu malen. Bald aber entwickelte Schiele seinen eigenen Stil. Egon Schiele zeigte Klimt einmal seine Zeichnungen und fragte ihn nach seiner Meinung. Gustav Klimt soll damals zu Egon Schiele gesagt haben: „Sie zeichnen ja schon besser als ich!“ ? Wer ist dein Vorbild und warum? Bei Gustav Klimt lernte Egon Schiele das Modell Wally Neuzil kennen. Sie wurde seine Freundin und sein Lieblingsmodell. 1911 lebten Egon Schiele und Wally einige Zeit in Krumau (heute Český Krumlov in Tschechien) – der Geburtsstadt seiner Mutter. Egon Schiele gefiel die Stadt sehr gut. Die Bilder, die der Künstler damals geschaffen hat, sind heute weltberühmt. Egon Schiele hat mit seiner Familie in dieser Zeit Kontakt über Briefe gehalten. Die Möglichkeit mit einem Handy oder über den Computer eine SMS oder eine E-Mail zu verschicken, gab es damals noch nicht. „Alte Häuser in Krumau“, 1914, Bleistift auf Papier 19 EGON SCHIELES BILDWELT In seiner unmittelbaren Umgebung fand Egon Schiele Inspiration* für seine Kunst. Auf einem Spaziergang entdeckte Schiele einmal eine alte zerfallende Mühle. Davon entstanden Zeichnungen und ein großes Ölgemälde. Dieses Bild kannst du im Original* im Landesmuseum Niederösterreich in St. Pölten bewundern. Egon Schiele hat es 1916 gemalt. „Zerfallende Mühle“, 1916, Öl auf Leinen Mit seiner jüngeren Schwester Gertrude, die er immer liebevoll Gerti nannte, unternahm Egon Schiele oft kurze Bahnreisen in die Stadt Triest. Dort malte er Bilder von Booten und Segelschiffen. ? Betrachte das Bild genau. Wie trägt der Künstler hier die Farbe auf? Wenn die Farbe dick wie Zahnpasta ist, spricht man von „pastoser“ Farbe, ist sie dünn und wässrig, nennt man diese Malweise „lasierend“. Die Linien im Wasser hat Schiele hier ganz fein mit Bleistift eingezeichnet. „Boote im Hafen von Triest“, 1908, Öl und Bleistift auf Karton ? Da stimmt etwas nicht! Was fällt dir auf? Egon Schiele verändert hier absichtlich die Größenverhältnisse. Ein Kunstwerk muss die Wirklichkeit nicht immer ganz genau darstellen. In Kunstwerken erschaffen Künstler ihre eigene Welt. „Vogel auf einem Ast“, um 1905, Aquarell auf Papier 20 Was Bilder erzählen Betrachte das Bild und beschreibe, was du siehst. Überlege, was eine Waldandacht sein könnte. Wie würdest du die Stimmung im Bild beschreiben? Welche Eigenschaftswörter passen am besten dazu: einsam, friedlich, ruhig, kalt, traurig, freundlich, langweilig, romantisch, warm, aufregend, düster, hell, lebendig? Welche Gedanken kommen dir beim Betrachten? Vielleicht fällt dir auch etwas ein, das du mit dem Bild verbindest – eine Erinnerung an einen Spaziergang, Pilze sammeln im Wald, ein Märchen oder eine Fantasie? „Waldandacht I“, 1907, Öl auf Karton TIPP! Du kannst auch eine Geschichte zum Bild erfinden, zum Beispiel könnte sie so beginnen: „Es war Mitte August. Wir hatten beschlossen, einen Waldspaziergang zu machen. Die Sonnenstrahlen zauberten Lichtflecken auf den weichen Waldboden. Alles schien so friedlich …“ Erzähle weiter! Rote und grüne Köpfe Sehr gerne zeichnete und malte Egon Schiele Porträts – meist von Freunden, Familienmitgliedern oder von Sammlern, die diese Porträts dann auch kauften. ! Was genau ist ein Porträt? Ein Porträt ist ein Abbild einer bestimmten Person. Das kann ein Gemälde, eine Fotografie, eine Skulptur oder eine andere künstlerische Darstellung sein. Stellt ein Künstler sich selbst dar, nennt man das ein „Selbstporträt“. Das Wort Porträt stammt aus dem Lateinischen: „portrahere“ bedeutet „hervorziehen, ans Licht bringen“. Nicht nur die Darstellung der äußerlichen Ähnlichkeit spielt beim Porträt eine Rolle. Es geht auch darum, den Charakter einer Person zu zeigen. Porträt der Schwester Melanie, 1907, Öl auf Leinen 21 Egon Schiele schuf zahlreiche Selbstporträts. Bei der Darstellung von Haut setzte er häufig die Farben Blau, Grün, Violett oder Rot ein. Weil Schiele die Dinge oft nicht sehr schön, sondern verzerrt und mit düsteren Farben darstellte, mochten nicht alle Menschen seine Kunst. Schiele war aber sehr selbstbewusst und zeichnete und malte die Dinge trotzdem so, wie ER es wollte. Wie versucht Egon Schiele hier seine Gefühle darzustellen? Warum malt Schiele einen grünen Kopf? Wie denkst du geht es dem Künstler? „Selbstbildnis mit Gilet“, 1910, Kohle und Aquarell auf Papier TIPP! Experimentiere mit Fotografie! Versuche, Fotografien von dir am Computer mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms farblich zu verändern. Welcher Eindruck entsteht, wenn dein Gesicht plötzlich grün, gelb oder rot erscheint. Oder: Vervielfältige Fotos von dir und übermale sie mit unterschiedlichen Farben, je nachdem welche Stimmung du darstellen möchtest. Die Darstellung von Gefühlen in der Kunst war damals etwas ganz Neues. Gefühle und Stimmungen wurden durch kräftige Farben oder durch verzerrte und übertriebene Formen mit unterschiedlich starken Pinselstrichen verdeutlicht. Diese Art der Darstellung wird als „expressionistisch“ bezeichnet. ! Expression (lat. expressio) = Ausdruck Expressionismus: Das ist ein Kunststil, in dem es darum geht, Gefühle sichtbar zu machen – vor allem durch starke Farbigkeit, durch Verformung und durch kräftige Linien. 22 Nicht nur die Gesichter Egon Schieles wirken oft traurig, auch manche seiner Landschaften oder die verwelkten Sonnenblumen. Sie lassen ihren Blütenkopf und ihre Blätter erschöpft hängen. Manchmal wirken die Porträts Egon Schieles wie Karikaturen. Die Mimik* ist verzerrt und oft übertrieben dargestellt. Durch bestimmte Mimik und Gestik* werden Gefühle sichtbar, die aber nicht immer eindeutig zu beschreiben sind. Vor allem die Augen und der Mund bestimmen den Gesichtsausdruck. „Sonnenblumen“, 1908, Öl auf Karton TIPP! Grimassen im Spiegel: Wie würdest du Freude, Trauer, Wut, Begeisterung, Fröhlichkeit oder Liebe mittels Mimik und Gestik ausdrücken? Ihr könnt auch versuchen die dargestellten Stimmungen des anderen zu erraten! Egon Schiele fotografierte gerne. Oft ließ er sich auch von befreundeten Fotografen porträtieren. Manchmal posierte er wie ein Schauspieler auf einer Bühne oder schnitt Grimassen. ? Fotografie Egon Schiele, 1914 Welchen Eindruck macht Egon Schiele hier auf dich? Zeigt er sich selbstbewusst oder schüchtern? Beschreibe die Körperhaltung, Mimik und Gestik. Besondere Aufmerksamkeit richtete Schiele in seinen Bildern und auch in den Fotografien auf die Darstellung der Hände. Oft sind die Handgesten aber rätselhaft und schwierig zu entschlüsseln. Aufregung um nackte Körper Egon Schiele zeichnete die Menschen gerne nackt. Die Darstellungen nackter Körper nennt man Akte. Schieles Aktdarstellungen waren aber nicht immer schön, sondern manchmal verzerrt und hässlich. Viele Leute waren von diesen Darstellungen schockiert. Deshalb bekam Egon Schiele Schwierigkeiten und musste sogar einmal für 24 Tage ins Gefängnis. Die Gefängniszelle in Neulengbach, in der Schiele im April 1912 eingesperrt war, ist hier 23 im Museum nachgebaut. Du kannst sogar hinein gehen und dir die Zelle genauer ansehen. Egon Schiele war damals sehr verzweifelt. Zum Glück durfte er in der Gefängniszelle zeichnen. Das half ihm ein wenig über die Trostlosigkeit der Situation hinweg. Es entstanden damals 13 sogenannte „Gefängnisaquarelle“. Ist dir schon aufgefallen, dass das Museum kein normales Haus ist? Schau dir das Gebäude einmal genauer an! Es war einmal ein Gefängnis und bis 1961 in Betrieb. 1990 wurde das Gebäude zum Museum umgebaut. Die Zellentüren, die Wände und Teile des Bodens von damals blieben erhalten. Egon Schiele Museum Tulln mit Schiele-Statue von Michael Nogin Egon Schieles unverwechselbarer Stil Jeder Künstler hat eine ganz typische Art ein Kunstwerk zu machen. Die Werke eines bestimmten Künstlers kann man an gewissen Merkmalen erkennen. ? Schau dir die Zeichnungen Egon Schieles in der Galerie genau an. Was ist das Besondere daran? Wie würdest du die Zeichenlinien beschreiben? Dünn, dick, kantig, zackig …? Die Linie spielt in den Kunstwerken Egon Schieles eine wichtige Rolle. Mit nur wenigen Linien entsteht ein Gesicht, eine Hand oder ein ganzer Körper. Manchmal zeichnet Schiele die Linien gar nicht zu Ende und trotzdem kann man erkennen, was dargestellt ist. „Frau mit Kappe und Halskette (Wally)“, 1914, Kreide auf Papier TIPP! Versuche es mal selbst, mit wenigen Linien ein Gesicht zu zeichnen. Oder noch schwieriger: Zeichne ein Gesicht aus einer Linie, ohne den Bleistift abzusetzen! 24 SCHWIERIGE UND ERFOLGREICHE JAHRE 1914 brach in Europa der Erste Weltkrieg aus. Glücklicherweise musste Egon Schiele nicht als Soldat an der Front kämpfen. Er wurde zunächst zum Bewachungsdienst berufen. Weil Egon Schiele eine schöne Schrift hatte, setzte man ihn als Schreiber in einem Kriegsgefangenenlager in Niederösterreich ein. Trotzdem hatte er genug Zeit, um sich seiner Kunst zu widmen. Zu Beginn des Jahres 1914 lernte Egon Schiele Edith Harms kennen. Sie wohnte mit ihren Eltern und ihrer Schwester gegenüber von Schieles Atelier in der Hietzinger Hauptstraße in Wien. 1915 heirateten die beiden. 1918 erlebte der Künstler einen großartigen Erfolg bei der „49. Secessions-Ausstellung“ – eine Ausstellung, in der wichtige österreichische Künstler ihre Werke zeigten. Schiele verkaufte dabei viele seiner Bilder und erhielt große Anerkennung dafür. Plakat zur 49. Secessions-Ausstellung in Wien, 1918 25 Nach diesem Erfolg aber kam die Katastrophe. In Wien herrschte damals eine schwere Grippewelle. Auch Edith und Egon Schiele erkrankten daran. Schließlich starb Edith Schiele am 28. Oktober an der Spanischen Grippe* und Egon Schiele drei Tage später am 31. Oktober 1918. Der Künstler war damals erst 28 Jahre alt. Egon Schiele war zum Zeitpunkt seines Todes in Österreich bereits ein berühmter Künstler. Heute kennt ihn die ganze Welt und in vielen Museen sind Bilder von ihm zu sehen. In Auktionen* werden seine Kunstwerke teuer verkauft. Heute wäre Egon Schiele wohl ein reicher und angesehener Mann – ein richtiger Superstar mit einer großen Fangemeinde auf Facebook. Vielleicht würde er auch als Professor an einer Kunstakademie unterrichten. Oder aber sein Talent würde man in unserer Zeit gar nicht erkennen … ? Überlege: Wie könnte Egon Schieles Leben heute aussehen? Wo würde er leben und wohin auf Urlaub fahren. Was wäre sein Hobby? Hast du dir das Wichtigste gemerkt? 26 Wenn du die Broschüre genau gelesen und dich in der Ausstellung umgesehen hast, kannst du sicher alle Fragen beantworten. Viel Spaß beim Rätseln! (Tipp: Ä bleibt Ä) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Beruf des Vaters Nachname des Onkels Nachname des Zeichenlehrers Geburtsort Schieles lateinisches Wort für „Ausdruck“ Abbild einer bestimmten Person Kunststil um 1900 Lieblingsspielzeug Geburtsort der Mutter Vorbild Egon Schieles Name der kleinen Schwester Vorname der Ehefrau 1 2 3 1 12 4 10 5 6 12 9 8 7 12 lösungswort: 4 7 11 6 3 5 1 2 3 4 5 6 7 10 8 8 9 9 11 10 11 12 27 BIOGRAFIE EGON SCHIELE 1890 Egon Schiele wird am 12. Juni in Tulln geboren. 1895–1897 Egon Schiele erhält zu Hause Privatunterricht. 1898–1900 Besuch der Volksschule in Tulln. 1901–1902 Besuch des Realgymnasiums in Krems. 28 1902 Wegen mangelnder Schulerfolge wird Schiele ins Landesreal- und Obergymnasium nach Klosterneuburg geschickt. 1904 Die ganze Familie übersiedelt nach Klosterneuburg. In der Nacht auf den Neujahrstag stirbt der Vater Egon Schieles. 1905 Leopold Czihaczek wird Egon Schieles Vormund. Der Maler Karl Ludwig Strauch unterrichtet Egon Schiele am Gymnasium und gibt ihm auch privat Unterricht. Schiele macht erste Versuche mit Ölmalerei. 1906 Beginn des Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Professor Christian Griepenkerl. 1907 Egon Schiele lernt Gustav Klimt kennen. 1908 Erste Ausstellungsbeteiligung im Stift Klosterneuburg. 1909 Egon Schiele tritt aus der Kunstakademie aus und gründet mit Künstlerkollegen die „Neukunstgruppe“. Schiele lernt den Kunstkritiker Arthur Rössler kennen. Erste wichtige Ausstellungsbeteiligungen in Wien. 1910 Der Onkel Leopold Czihaczek legt nach einem Streit die Vormundschaft zurück. Egon Schiele beginnt Gedichte zu schreiben. 1911 Egon Schiele zieht mit Wally Neuzil nach Krumau. Im Juli übersiedeln beide nach Neulengbach / NÖ. 1912 Ausstellungen in Deutschland. Im April 24-tägiger Gefängnisaufenthalt. Nach der Haft zieht Egon Schiele wieder nach Wien und arbeitet von nun an in seinem neuen Atelier in der Hietzinger Hauptstraße. 1914 Ausbruch des Ersten Weltkriegs. 1915 Heirat mit Edith Harms. Egon Schiele wird für den Kriegsdienst verpflichtet. Er leistet von nun an Wachdienst und arbeitet als Schreiber in einem Kriegsgefangenenlager in Niederösterreich. 1916 Beteiligung an Ausstellungen in Amsterdam, Stockholm und Kopenhagen. 1917 Schiele kommt zum Kriegsdienst nach Wien. 1918 Im März organisiert Schiele die „49. Secessions-Ausstellung“. Er präsentiert dabei auch eigene Werke und hat großen Erfolg. Am 31. Oktober stirbt Egon Schiele an der Spanischen Grippe. 29 begriffslexikon Aquarellfarben: In Wasser lösliche Tuschfarben. Auf dem Papier wirken sie leicht und durchsichtig. Atelier: Arbeitsraum eines Künstlers. Auktion: Eine Versteigerung. Das ist ein Ereignis, bei dem Kunstwerke oder andere Sammlerstücke an den Meistbietenden verkauft werden. Galerie: Für die Ausstellung von Kunstwerken genutzte Räumlichkeit. Gehirnhautentzündung: Eine Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute, die tödlich sein kann. Gestik: Körperausdruck; Bewegungen der Körperteile. Inspiration: Ein plötzlicher Einfall oder eine unerwartete künstlerische Idee. Jugendstil: Ein Kunststil um 1900. Benannt nach der Zeitschrift „Die Jugend“, in der mit feinen Linien gezeichnete Kunstwerke gezeigt wurden. Die Künstler des Jugendstils verwenden in ihren Kunstwerken klare und einfache Linien, die manchmal geschwungen sind, sowie eher helle Farben, Pflanzenmotive und fantasievolle Muster. Mimik oder Mienenspiel: Die gesamten Bewegungen der verschiedenen Gesichtsmuskeln, der Gesichtsausdruck. Monarchie: Eine Herrschaftsform, bei dem ein Monarch (Kaiser / König) an der Spitze des Staates steht. Die österreichisch-ungarische Monarchie wurde von einem Kaiser regiert. Ölgemälde: Mit Ölfarben gemaltes Bild. Original: Von dem lateinischen Wort „origo“ = Ursprung. Das ursprüngliche, vom Künstler angefertigte Exemplar. Rötel: Eine Farbe, die aus Ton und Hämatit (ein Mineral) hergestellt wird. Signatur: Die Signatur ist die Unterschrift des Künstlers, mit der das eigene Werk gekennzeichnet wird. Schulpflicht: Vor etwa 250 Jahren wurde die allgemeine Schulpflicht von Kaiserin Maria Theresia eingeführt. Jedes Kind musste zumindest die Volksschule besuchen. Stil (Kunststil): Die Art und Weise wie ein Kunstwerk gemacht ist. Bestimmte Merkmale und Besonderheiten wiederholen sich in den Kunstwerken eines Künstlers oder in einem bestimmten Zeitraum immer wieder, z.B. ähnliche Farben, Motive … Spanische Grippe: Eine Grippeart, die aus Spanien eingeschleppt wurde und an der Anfang des 20. Jahrhunderts Millionen von Menschen starben. Tusche und Tinte: Malmittel für Künstler. Tinte ist eine intensiv eingefärbte wässrige Flüssigkeit. Tusche enthält neben Wasser zusätzlich noch weitere Mittel, die die Farbanteile stärker untereinander verbinden, z.B. künstliches Harz oder Leim. 30 rÄtselauflösungen S. 5 Damals: Automobil, Geldschein „Zwanzig Kronen“, Taschenuhr Heute: Flugzeug, Euro-Geldscheine, Mobiltelefon S. 9 Die Spielzeugeisenbahn wurde aus Blech hergestellt. Damals: Teddybär, Schaukelpferd, Reifen Heute: Spielzeugroboter, Nintendo S. 14 Modern ist der Taschenrechner. Egon Schiele besuchte die Volksschule in Tulln und die Gymnasien in Krems und in Klosterneuburg. S. 16 Frauen war das Studieren damals noch nicht erlaubt. Schiele zeichnete auf der Kunstakademie viele Porträts und Akte (Darstellungen des menschlichen Körpers) nach Modellen. S. 17 S. 18 31 S. 20 Der Künstler trägt die Ölfarbe „pastos“ auf. Der Vogel ist zu groß, der Gartenzaun und der Baum sind zu klein dargestellt. S. 24 Mit nur wenigen feinen Linien zeichnete Egon Schiele ein Gesicht oder einen Körper. Man kann trotzdem sofort erkennen, was dargestellt ist. S. 25 S. 27 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Bahnhofsvorstand Czihaczek Strauch Tulln expressio Porträt Jugendstil Eisenbahn Krumau Klimt Gertrude Edith Lösungswort: Zeichenkohle Literaturnachweis Aigner, Carl. „Egon Schiele. Das Werden eines Künstlers“, Ausstellungskatalog, St. Pölten 2008. Ausstellungskatalog des Egon Schiele Museum Tulln: „Eine Dokumentation zu Leben und Werk von Egon Schiele“, Tulln 1991. Nebehay, Christian M. „Egon Schiele und die Eisenbahn“, Wien 1995. 32 Schön, dass du vorbeigeschaut hast. Ich hoffe, es hat dir gefallen und du hast vieles Neues und Interessantes erfahren. Bis zum nächsten Mal im Egon Schiele Museum Tulln! Treffpunkt Schiele Führungen & Atelierprogramm Jeden 2. und 4. Sonntag im Monat 13 - 14 Uhr Führung Führungsbeitrag 2,50 € pro Person Jeden 2. Sonntag im Monat 14 - 17 Uhr Atelierprogramm Teilnahme kostenlos April bis Ok tober Donaulände 28 3430 Tulln www.egon-schiele.eu Fotos: Rita Newman © Landesmuseum Niederösterreich I Änderungen vorbehalten Kunstfreunde! e ß o gr d n u e n Schiele für klei