Unfallforschung Sport
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Unfallforschung Sport
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Unfallforschung Sport Autoren: Othmar Brügger, Giannina Bianchi, Fränk Hofer, Monique Walter, Frank I. Michel, Christoph Müller bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung Bern 2012 Bianchi bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Unfallforschung Sport Unfall-, Risiko- und Interventionsanalyse Autoren: Othmar Brügger, Giannina Bianchi, Fränk Hofer, Monique Walter, Frank I. Michel, Christoph Müller bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung Bern 2012 Autoren Othmar Brügger Teamleiter Forschung Sport und Haus / Freizeit, bfu, [email protected] MSc ETH Bew.-wiss., Dipl. Gymnasiallehrer für Physik, Turn- und Sportlehrer Dipl. II, Swiss Olympic Trainer Spitzensport; seit 1997 bei der bfu, stellvertretender Leiter der Abteilung Forschung und Teamleiter Forschung Sport und Haus / Freizeit. Schwerpunkte: Unfallforschung in Präventionsschwerpunkten Sport. Giannina Bianchi Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu, [email protected] MSc ETH; Studium an der ETH Zürich in Bewegungswissenschaften mit der Vertiefung Bewegungs- und Trainingslehre. Seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Forschung der bfu. Arbeitsschwerpunkte: Schneesport, Statistik der tödlichen Sportunfälle, Pferdesport. Fränk Hofer Ehemaliger Leiter Abteilung Sport, bfu Dipl. Sportlehrer, Primarlehrer. Langjährige Referententätigkeit im Sportbereich, Ausbildungsverantwortlicher beim Schweizer Radverband und Fachleiter J+S, von 2003 bis 2007 Präsident von Swiss Cycling. Von 2007 bis 2011 Leiter der Abteilung Sport der bfu. Arbeitsschwerpunkte: Fahrrad/Bike, Schneesport, strategische Entwicklung Unfallprävention im Sport und Koordination mit Partnern. Seit 1. Januar 2012 Direktor des Eidgenössischen Turnfests 2013 in Biel/Bienne. Monique Walter Beraterin Sport, bfu, [email protected] Diplomierte Sport- und Gymnasiallehrerin. Seit 2000 Beraterin in der Abteilung Sport der bfu mit Schwerpunkt Schnee-, Berg-, Flug- und Abenteuersportarten. Mitarbeit u. a. in der Stiftung Safety in adventures, dem Kernausbildungsteam Lawinenprävention und der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport. Frank I. Michel Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, [email protected] Dr. Sportwiss., Dipl.-SpOec; Staatsexamen für Lehramt Gymnasium, Instandhaltungsmechaniker für technologische Ausrüstungen, Studium der Sport- und Wirtschaftswissenschaften in Jena, Bayreuth und Köln. 1994–2008 Senior Researcher im a.i.t. – adidas innovation team (adidas AG). Seit 2008 tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Forschung der bfu. Arbeitsschwerpunkte: Biomechanik, Sportmedizin/Verletzungsmechanismen, Persönliche Schutzausrüstung. Christoph Müller Berater Sport, bfu, [email protected] Sportlehrer; Ausbildung zum Sportlehrer an der Universität Bern. Seit 1996 Mitarbeiter bei der bfu, seit 2007 Berater in der Abteilung Sport. Gastdozent an Pädagogischen Hochschulen, ISPW Bern, EHSM. Arbeitsschwerpunkte: Ertrinkungsprävention, Mountainbiking, Sicherheitsmanagement im Sport, «Teach the teachers». Impressum Herausgeberin bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung Postfach 8236 CH-3001 Bern Tel. +41 31 390 22 22 Fax +41 31 390 22 30 [email protected] www.bfu.ch Bezug auf www.bfu.ch/bestellen, Art.-Nr. 2.106 Autoren Othmar Brügger, MSc ETH Bew.-wiss., Teamleiter Forschung Sport und Haus / Freizeit, bfu Giannina Bianchi, MSc ETH, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu Fränk Hofer, ehemaliger Leiter Abteilung Sport, bfu Monique Walter, Beraterin Sport, bfu Frank I. Michel, Dr. Sportwiss., Dipl.-SpOec, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu Christoph Müller, Berater Sport, bfu Mitarbeit Steffen Niemann, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu Hans-Jürg Thüler, Leiter Abteilung Sport, bfu David Kerschbaumer, Berater Sport, bfu Nathalie Clausen, lic. iur., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu Regula Hayoz, Projektassistentin Forschung, bfu Stefanie Fahrni, Projektassistentin Forschung, bfu Abteilung Publikationen / Sprachen, bfu Redaktion Stefan Siegrist, Dr. phil., EMBA, Leiter Forschung / Ausbildung, Stv. Direktor, bfu Druck/Auflage Bubenberg Druck- und Verlags-AG, Monbijoustrasse 61, CH-3007 Bern 1/2012/1100 Gedruckt auf FSC-Papier ISBN 978-3-908192-88-6 (Print) ISBN 978-3-908192-89-3 (PDF) © bfu 2012 Alle Rechte vorbehalten; Reproduktion (z. B. Fotokopie), Speicherung, Verarbeitung und Verbreitung sind mit Quellenangabe (s. Zitationsvorschlag) gestattet. Zitationsvorschlag Brügger O, Bianchi G, Hofer F, Walter M, Michel FI, Müller C. Unfallforschung Sport: Unfall-, Risiko- und Interventionsanalyse. Bern: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2012. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10. Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir darauf, konsequent die männliche und weibliche Formulierung zu verwenden. Aufgrund von Rundungen sind im Total der Tabellen leichte Differenzen möglich. Wir bitten die Lesenden um Verständnis. Vorwort 140 Getötete, 10 000 Schwerverletzte und Kosten von 1,8 Milliarden Franken bei Sportunfällen darf eine Gesellschaft nicht als vernachlässigbarer Nebeneffekt einer an sich erwünschten Betätigung hinnehmen. Diese Zahlen stehen für ein bedeutendes Problem der öffentlichen Gesundheit, das zumindest vermindert werden muss. Mit einem systematischen Vorgehen und auf der Grundlage nachvollziehbarer Präventionsempfehlungen können das mit den vielen Unfällen verbundene Leid sowie die betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten merklich reduziert werden. Der vorliegende Bericht zeigt auf, dass dies möglich ist. Erstmals liegt ein Dokument vor, welches das Unfallgeschehen, die Risikofaktoren und erfolgversprechende Präventionsmöglichkeiten für alle wichtigen Sportarten auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse analysiert und darlegt. Die Ergebnisse machen Mut. Sie zeigen zum einen, dass Prävention keineswegs zu einer Einschränkung der sportlichen Aktivitäten führt. Sie machen auch deutlich, dass die relativ aufwendigen Präventionsansätze zur Bewältigung aktueller Gefahrensituationen wenig erfolgversprechend sind. Der Bericht rückt stattdessen primärpräventive Massnahmen in den Vordergrund. Für die erfolgreiche Umsetzung des umfangreichen Vorhabens zeichnet in erster Linie der Hauptautor Othmar Brügger verantwortlich. Ihm ist es gelungen, bfu-interne und externe Sportspezialisten einzubeziehen und ihr Wissen adäquat in die einzelnen Schritte der Unfall-, Risiko- und Interventionsanalyse einfliessen zu lassen. Ihm und allen Beteiligten sei an dieser Stelle herzlich gedankt. bfu Stefan Siegrist, Dr. phil., EMBA Leiter Forschung / Ausbildung Stv. Direktor bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Vorwort 5 Inhalt I. II. Abstract / Résumé / Compendio / Abstract 17 1. Unfallforschung Sport 17 2. Recherche accidentologique en matière de sport 18 3. Ricerca dell'incidentalità nello sport 19 4. Accident Research – Sport 20 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 21 1. Unfallforschung Sport 21 1.1 Einleitung 21 1.2 Methode 22 1.3 Sport der Schweizer Bevölkerung 25 1.4 Unfallgeschehen 25 1.5 Schneesport 27 1.6 Radfahren abseits der Strasse 31 1.7 Bergsport 33 1.8 Wassersport (Ertrinken) 35 1.9 Fussball 37 1.10 Schlussfolgerungen 39 2. Recherche accidentologique en matière de sport 40 2.1 Introduction 40 2.2 Méthodologie 41 2.3 La population suisse et le sport 43 2.4 Accidentalité 44 2.5 Sports de neige 46 2.6 Vélo hors des routes 50 2.7 Sports de montagne 52 2.8 Sports aquatiques (noyades) 54 2.9 Football 56 2.10 Conclusions 58 3. Ricerca dell'incidentalità nello sport 59 3.1 Introduzione 59 3.2 Metodo 60 3.3 Sport della popolazione svizzera 62 3.4 Incidentalità 63 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Inhalt 7 3.5 Sport sulla neve 65 3.6 Bicicletta fuori strada 69 3.7 Sport di montagna 71 3.8 Sport acquatici (annegamento) 73 3.9 Calcio 74 3.10 Conclusioni 77 4. Accident Research – Sport III. IV. V. 8 78 4.1 Introduction 78 4.2 Method 79 4.3 Sport among the Swiss population 81 4.4 Accidents 82 4.5 Snowsports 84 4.6 Off-road cycling 88 4.7 Mountain sports 90 4.8 Watersports (drowning) 92 4.9 Football 94 4.10 Conclusions 96 Einleitung 97 1. Sport hat hohen gesellschaftlichen Nutzen 97 2. Sportunfallprävention als Aufgabe aller Beteiligten 97 3. Sicherheitsniveau im Sport 98 4. Es gibt Handlungsbedarf 98 Methodik 101 1. Unfallforschung 102 1.1 Unfallanalyse 102 1.2 Risikoanalyse 104 1.3 Interventionsanalyse 107 2. Grundsätze bei der Auswahl und Bewertung von Präventionsmöglichkeiten 109 Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 111 1. Jugendliche und Erwachsene 111 Inhalt 1.1 Ausmass und Entwicklung der Sportaktivität 111 1.2 Geschlechts- und Altersunterschiede 112 1.3 Ausgeübte Sportarten 113 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 2. Kinder VI. VII. 115 2.1 Ausmass der Sportaktivität 115 2.2 Geschlechts- und Altersunterschiede 116 2.3 Ausgeübte Sportart 116 2.4 Sportsettings 117 3. Struktur der Sportangebote 118 Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 120 1. Nichtberufsunfälle 120 2. Verletzungen im Sport 121 3. Verletzungen in den Schwerpunktsportarten 123 3.1 Ski- und Snowboardfahren 124 3.2 Radfahren abseits von Strassen 125 3.3 Bergsport 125 3.4 Wassersport (Ertrinken) 125 3.5 Fussball 125 3.6 Unfallkosten 126 4. Fokus auf Schwerpunkte 126 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 127 1. Einleitung 127 1.1 Ski- und Snowboardfahren in der Schweiz 127 1.2 Geschlecht 128 1.3 Alter 128 2. Unfallanalyse 128 2.1 Setting und Unfallhergang 129 2.2 Sportart 131 2.3 Alter 131 2.4 Geschlecht 132 2.5 Fahrniveau 132 2.6 Verletzungslokalisation 132 2.7 Schweregrad der Verletzungen 133 2.8 Unfallkosten 133 3. Risikoanalyse 134 3.1 Nicht optimale Pistenraumgestaltung 134 3.2 Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit 136 3.3 Überhöhte Fahrgeschwindigkeit 137 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Inhalt 9 3.4 Ungenügende physische Kondition und schlechtes Gleichgewicht 138 3.5 Ungenügende Fahrfertigkeiten 139 3.6 Skibindung ist zu wenig wirksam oder wird falsch eingestellt 139 3.7 Handgelenkschutz wird nicht getragen oder ist zu wenig wirksam 141 3.8 Mangelhafte Verhältnisse und falsches Verhalten in Snowparks 142 3.9 Fahren im übermüdeten Zustand 143 3.10 Kopfschutz wird nicht getragen oder ist zu wenig wirksam 144 3.11 Ungenügende Sehschärfe 145 3.12 Rücksichtlose Fahrweise 145 3.13 Falsche Sturztechnik 146 3.14 Alkoholkonsum 146 3.15 Material ist ungeeignet oder in schlechtem Zustand 147 3.16 Rückenschutz wird nicht getragen oder ist zu wenig wirksam 149 3.17 Unvollständige Policy für Schneesportsicherheit 149 3.18 Fehlende Auslösebindung beim Snowboard 150 3.19 Fehlendes Aufwärmen / Einstimmung 150 3.20 Gefahrenstellen bei Förderanlagen 151 3.21 Fahren mit Carvingski 152 3.22 Ineffiziente Rettung 153 4. Interventionsanalyse 10 Inhalt 153 4.1 Optimierung der Pistenraumgestaltung 155 4.2 Verbesserung des Gefahrenbewusstseins und der Selbststeuerungsfähigkeit 156 4.3 Geschwindigkeitsmanagement durch Verhältnis- und Verhaltensprävention 157 4.4 Aufbau der physischen Kondition und Verbesserung des Gleichgewichts vor dem Saisonbeginn 159 4.5 Verbesserung der Fahrfertigkeiten 160 4.6 Wirksamkeit der Skibindung verbessern 161 4.7 Fördern bzw. Erhalten der korrekten Skibindungseinstellung 161 4.8 Verfügbarkeit qualitativ guter Handgelenkschützer auf dem Schweizer Markt 162 4.9 Handgelenkschutz tragen 163 4.10 Verbesserung der Verhältnisse und des Verhaltens in Snowparks 164 4.11 Ausreichend Pausen einlegen 165 4.12 Fördern bzw. Erhalten der Helmtragquote 165 4.13 Wirksamkeit des Schneesporthelms verbessern 167 4.14 Erforderliche Sehhilfe tragen 167 4.15 Sicherheit auf Förderanlagen verbessern 167 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 5. Präventionsempfehlungen VIII. 168 5.1 Forschung 168 5.2 Ausbildung 170 5.3 Beratung 170 5.4 Kommunikation 170 5.5 Kooperation 171 6. Schlitteln / Rodeln 172 6.1 Einleitung 172 6.2 Unfallanalyse 172 6.3 Risikoanalyse 173 6.4 Präventionsempfehlungen 174 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 175 1. Einleitung 175 1.1 Erwachsene beim Radfahren abseits der Strasse 176 1.2 Kinder beim Erlernen des Radfahrens 176 1.3 Sportliches Radfahren 176 2. Unfallanalyse 178 2.1 Korrektur der Unfallstatistik 178 2.2 Mountainbiken im Gelände 178 2.3 Erlernen des Radfahrens 180 3. Risikoanalyse 181 3.1 Konzentration 181 3.2 Gefahrenbewusstsein und Selbststeuerungsfähigkeit 182 3.3 Kenntnisse und Tourenvorbereitung 182 3.4 Physiologischer Zustand 183 3.5 Fahrtechnische Kompetenz 183 3.6 Mountainbike-Routen und -Anlagen 184 3.7 Schutzausrüstung 184 3.8 Fahrrad 185 3.9 Gruppendynamik 186 3.10 Wirksamkeit der Schutzausrüstung 186 3.11 Erlernen des Radfahrens 186 4. Interventionsanalyse 188 4.1 Konzentration 191 4.2 Gefahrenbewusstsein und Selbststeuerungsfähigkeit 191 4.3 Kenntnisse und Tourenvorbereitung 191 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Inhalt 11 4.4 Physiologischer Zustand 192 4.5 Fahrtechnische Fertigkeiten 192 4.6 Mountainbike-Routen und -Anlagen 193 4.7 Schutzausrüstung tragen 193 4.8 Fahrrad 194 4.9 Gruppendynamik 194 4.10 Wirksamkeit der Schutzausrüstung 194 4.11 Betreuung kleiner Kinder 195 4.12 Aktuelle Präventionsanstrengungen 195 5. Präventionsempfehlungen IX. 5.1 Forschung 196 5.2 Ausbildung 196 5.3 Beratung 196 5.4 Kommunikation 197 5.5 Kooperation 197 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 198 1. Einleitung 198 1.1 Ausgangslage 198 1.2 Begriffsklärung 198 1.3 Sportausübung 200 1.4 Der institutionell organisierte Bergsport 201 2. Unfallanalyse Inhalt 202 2.1 Allgemeines 202 2.2 Nicht-tödlich verunfallte Bergsportler 203 2.3 Tödlich verunfallte Bergsportler 204 3. Risikoanalyse 12 196 209 3.1 Mangelnde Wahrnehmungskompetenz 210 3.2 Mangelhafte Planung 211 3.3 Mangelnde Beurteilungskompetenz 211 3.4 Mangelnde Entscheidungskompetenz 212 3.5 Mangelnde Handlungskompetenz 212 3.6 Mangelhafte oder fehlende Sicherungs- und Seiltechnik 212 3.7 Fehlende, mangelhafte oder ungeeignete Ausrüstung 213 3.8 Ungenügende Kenntnisse, ungenügende Fähigkeiten 214 3.9 Alleingänger 214 3.10 Spalteneinbruch 215 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.11 Objektive Gefahren, Naturgefahren 215 3.12 Infrastrukturelle Mängel 215 3.13 Mangelhaftes Rettungswesen 215 3.14 Alkohol- oder Drogenkonsum, Medikamente 216 3.15 Tiereinwirkung 216 3.16 Bedeutsamkeit der Risikofaktoren nach Sportart 216 4. Interventionsanalyse 218 4.1 Wahrnehmungskompetenz 220 4.2 Beurteilungskompetenz 220 4.3 Entscheidungskompetenz 221 4.4 Handlungskompetenz 222 4.5 Planung 222 4.6 Sicherungs-/Seiltechnik 222 4.7 Lawinenverschüttung 223 4.8 Weitere Präventionsmassnahmen 223 5. Präventionsempfehlungen X. 224 5.1 Forschung 224 5.2 Ausbildung 224 5.3 Beratung 225 5.4 Kommunikation 225 5.5 Kooperation 225 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 226 1. Einleitung 226 1.1 Ausgangslage 226 1.2 Inhaltliche Abdeckung 226 1.3 Wassersport in der Schweiz 227 2. Unfallanalyse 227 2.1 Aktivität 228 2.2 Alter und Geschlecht 228 2.3 Unfallort (Gewässer) 229 3. Risikoanalyse 229 3.1 Männliches Geschlecht 229 3.2 Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit 230 3.3 Allein-Schwimmen 231 3.4 Ungünstiger physiologischer Status 231 3.5 Fehlende Rettungskompetenz 231 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Inhalt 13 3.6 Fehlende Kinderaufsicht 231 3.7 Jugendliches Alter 231 3.8 Alkoholmissbrauch 231 3.9 Beeinträchtigte Gesundheit 232 3.10 Fehlende Rettungsweste 232 3.11 Starke Strömung 232 3.12 Fehlende Bootführerkompetenz 232 3.13 Kaltes Wasser, Eiseinbruch 232 3.14 Nichtbeherrschen des Fahrzeugs 233 3.15 Mangelhafte Badeaufsicht 233 3.16 Rettungs- und Bergungsmanöver 233 3.17 Fehlende Poolumzäunung 233 3.18 Allein-Tauchen 233 3.19 Fischen ohne Sicherheitsausrüstung 233 3.20 Flutwelle 233 3.21 Ungeeignete Auftriebshilfen 234 3.22 Mangelhafte Bäder 234 3.23 Ungünstige Witterung 234 4. Interventionsanalyse 14 Inhalt 234 4.1 Risiko für Wasserunfall bei Männern senken 234 4.2 Risiken wahrnehmen, beurteilen und sicherheitsorientiert handeln 240 4.3 In offene Gewässer nur mit Auftriebshilfe oder in kompetenter Begleitung 240 4.4 Sich nur bei optimalem physiologischem Status im Wasser aufhalten 241 4.5 Zum Retten und zur Nothilfe befähigen 242 4.6 Verhindern, dass Kinder wegen fehlender oder mangelhafter Aufsicht ertrinken 243 4.7 Risiko für Wasserunfall bei Jungen senken 243 4.8 Trennen von Alkoholkonsum und Aktivitäten im und am Wasser 243 4.9 Bei Gesundheitsrisiko nur in beaufsichtigten Gewässern schwimmen 244 4.10 Alle Bootsfahrenden tragen Rettungsweste 245 4.11 Gewässer mit starker Strömung meiden 245 4.12 Fahrkompetenz zum Führen von Gummibooten auf Fliessgewässer 245 4.13 Kaltes Wasser meiden oder sich daraus retten können 246 4.14 Fahrzeuge bleiben auf der Verkehrsfläche 246 4.15 Keine tödlichen Ertrinkungsunfälle im organisierten Badbetrieb 247 4.16 Retter und Berger gefährden sich nicht selber 247 4.17 Gewässer im Siedlungsbereich sind für Kinder sicher 247 4.18 Taucher sind nie allein 248 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.19 Fischer tragen auf Boot oder an Fliessgewässern Rettungsweste 248 4.20 Kein Aufenthalt im Gefahrenbereich von Flutwellen 248 4.21 Nur geeignete Auftriebshilfen verkaufen und einsetzen, Kinder überwachen 249 4.22 Keine baulichen oder organisatorischen Sicherheitsmängel in Bädern 249 4.23 Bei ungünstiger Witterung kein Aufenthalt im, am oder auf dem Wasser 249 4.24 Aktuelle Präventionsanstrengungen 249 5. Präventionsempfehlungen XI. 250 5.1 Forschung 253 5.2 Ausbildung 253 5.3 Beratung 253 5.4 Kommunikation 254 5.5 Kooperation 255 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 256 1. Einleitung 256 1.1 Ausgangslage 256 1.2 Sportdisziplinen 256 1.3 Alter 257 1.4 Geschlecht 257 1.5 Organisatorischer Rahmen der Ausübung (Settings) 257 2. Unfallanalyse 258 2.1 Alter 258 2.2 Geschlecht 259 2.3 Verletzungslokalisation 259 2.4 Verletzungsart und Verletzungsschwere 260 2.5 Befund/Diagnose 262 2.6 Verletzungsursache, Unfallort und Setting 262 2.7 Verletzungsmechanismus 263 2.8 Epidemiologie im Kinder- und Jugendfussball 264 2.9 Sportschäden und dauerhafte Folgeschäden infolge Verletzungen 266 2.10 Unfallkosten 267 3. Risikoanalyse 268 3.1 Individuumbezogene Risikofaktoren 273 3.2 Expositionsbezogene Risikofaktoren 274 3.3 Bedeutung der Risikofaktoren 275 3.4 Risikofaktoren im Kinder- und Jugendfussball 277 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Inhalt 15 4. Interventionsanalyse 281 4.1 Potenzielle Präventionsmöglichkeiten: lange Liste 281 4.2 Empfehlungen zur Prävention von Fussballverletzungen für Erwachsene 285 4.3 Internationale und nationale Präventionsprogramme 287 4.4 Präventionsmöglichkeiten im Kinder- und Jugendfussball 291 5. Fazit und Präventionsempfehlungen 303 5.1 Fussball in der Schweiz 303 5.2 Unfallanalyse 303 5.3 Risikoanalyse 304 5.4 Präventionsempfehlungen 305 XII. Schlussfolgerungen 308 XIII. Anhang 310 XIV. Glossar 316 Quellenverzeichnis 16 Inhalt 323 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 I. Abstract / Résumé / Compendio / Abstract 1. Unfallforschung Sport tion. Darauf wird im Sicherheitsdossier vertieft eingegangen. Die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung legt mit dem Sicherheitsdossier «Unfallforschung Die in der Risikoanalyse aufgedeckten Risikofaktoren Sport» eine Sicherheitsanalyse des Sportgeschehens sind weitgehend für jede Sportart spezifisch. Sie sind in der Schweiz dar. Die wissenschaftliche Vorge- in Bezug auf das Individuum (v. a. Risikokompetenz, hensweise soll gewährleisten, dass Entscheidungs- physische und physiologische Voraussetzungen) träger im Sport damit eine Basis für die Planung der oder das Umfeld respektive die Aktivität (u. a. Unfallprävention zur Verfügung haben. Sportinfrastruktur, Ausrüstung, Natur, Regelwerk) zu situieren. Die Methodik deckt die drei Phasen der Unfallforschung ab: In der Unfallanalyse werden das Un- Auch die potenziellen Interventionen zur Reduktion fallausmass dokumentiert und die Unfallschwer- des Unfallrisikos haben sportartspezifischen Charak- punkte detektiert. In der Risikoanalyse werden zu ter. So könnten beispielsweise Anpassungen der den Unfallschwerpunkten Faktoren diskutiert und Infrastruktur von Schwimmbädern Ertrinkungsun- gewichtet, die für das Unfallgeschehen in der fälle verhindern, im Bergsport hingegen kann nicht Schweiz Relevanz haben. In der Interventions- die Infrastruktur, sondern muss der handelnde analyse wird eine breite Palette von Präventions- Mensch das Ziel der Präventionsbemühungen sein. möglichkeiten vorgestellt und hinsichtlich ihrer Wirk- Evidenzbasierte samkeit, Effizienz und Umsetzbarkeit für Schweizer angesichts der grossen Forschungslücken nicht im- Verhältnisse bewertet. Resultat dieser Sicherheits- mer möglich. Der Bedarf nach einer Verstärkung der analyse ist eine abschliessende Liste von Präven- Sportunfallforschung für die Schweizer Präventions- tionsempfehlungen, die die Sicherheit im Sport er- arbeit wurde in dieser Sicherheitsanalyse deutlich. höhen könnten. Oft musste auf die Beurteilung von Expertengremien Massnahmenempfehlungen sind abgestützt werden. Die sportartspezifischen PrävenJährlich verletzen sich rund 300 000 in der Schweiz tionsempfehlungen weisen in der Regel einen gerin- wohnhafte Sportlerinnen und Sportler bei Unfällen gen Konkretisierungsgrad auf. Erst in der inhaltlich- im In- und Ausland so stark, dass sie ärztliche Be- konzeptionellen handlung in Anspruch nehmen müssen. 180 Per- Umsetzung einer Intervention, zum Teil im Aus- sonen verunfallen in der Schweiz beim Sport tödlich. tausch mit potenziellen Präventionspartnern, wird Die Sportarten(-gruppen) Schneesport, Radfahren künftig näher festgelegt, wie die Implementierung abseits der Strasse, Bergsport, Wassersport der Massnahme erfolgen soll und kann. Diese ver- (Ertrinken) sowie Fussball bilden die Schwer- tiefte Analyse ist nicht Gegenstand des Sicherheits- punkte im Unfallgeschehen und sind damit auch dossiers. Die bisherigen Präventionsmassnahmen mit die Haupttätigkeitsfelder der Sportunfallpräven- Wirkungsnachweis sind beizubehalten. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Planung und praxisorientierten Abstract / Résumé / Compendio / Abstract 17 2. Recherche accidentologique en Les facteurs de risque identifiés sont, dans une matière de sport large mesure, spécifiques à chaque sport. Ils se rapportent à l’être humain (surtout compétences Le dossier de sécurité «Recherche accidentolo- face au risque, état physique et physiologique) ou à gique en matière de sport» du bpa – Bureau de l’environnement/à l’activité (notamment infrastruc- prévention des accidents constitue une analyse de tures sportives, équipement, nature, règles). la sécurité dans le domaine du sport en Suisse. Par son approche scientifique, il doit servir de base de De même, les mesures permettant de réduire po- planification aux décideurs pour la prévention des tentiellement le risque d’accident sont spécifiques accidents de sport. aux différents sports. Adapter l’infrastructure des piscines permettrait p. ex. d’éviter des noyades. La méthodologie est calquée sur les trois phases de Dans les sports de montagne en revanche, l’être la recherche accidentologique. L’analyse des acci- humain et non l’infrastructure doit être au centre dents documente l’ampleur de ceux-ci et identifie des efforts de prévention. Formuler des recom- ceux qui sont prédominants. L’analyse du risque mandations fondées scientifiquement n’est pas examine et pondère les facteurs significatifs pour toujours possible en raison des importantes lacunes les domaines d’accidents prédominants en Suisse. en termes de recherche, d’où le recours fréquent à L’analyse d’interventions présente un large l’avis d’un collège d’experts. La présente analyse a éventail de possibilités de prévention et les évalue ainsi clairement mis en évidence la nécessité de en termes d’efficacité, d’économicité et d’applica- renforcer la recherche accidentologique dans le bilité dans le contexte suisse. Le résultat est une domaine du sport en Suisse. Les recommandations liste exhaustive de recommandations pour la de prévention formulées pour les différents sports prévention destinées à renforcer la sécurité dans le ne sont en général guère concrètes. La forme que sport. devra et pourra prendre leur réalisation sera déterminée plus en détail lors de la planification Chaque année, quelque 300 000 sportifs résidant conceptuelle et du contenu ainsi que de la mise en en Suisse se blessent si grièvement dans des acci- œuvre, en partie lors d’échanges avec des dents qui se produisent dans leur pays de domicile partenaires de prévention potentiels. Cette analyse ou à l’étranger qu’ils ont besoin d’un traitement détaillée n’est toutefois pas l’objet de ce dossier de médical. S’y ajoutent 180 personnes tuées dans sécurité. des accidents de sport en Suisse. Les sports de éprouvées, elles doivent être maintenues. Quant aux mesures de prévention neige, le vélo pratiqué hors des routes, les sports de montagne, les sports aquatiques (noyades) et le football constituent des poids lourds de l’accidentalité et donc les principaux domaines d’action pour la prévention des accidents de sport. Ils sont approfondis dans le présent dossier de sécurité. 18 Abstract / Résumé / Compendio / Abstract bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3. Ricerca dell'incidentalità nello sport prattutto competenza di rischio, presupposti fisici e fisiologici) o al contesto, cioè all'attività (tra cui Con il dossier sicurezza «Ricerca dell'inciden- l'infrastruttura sportiva, talità nello sport», l'upi, Ufficio prevenzione natura, la normativa). l'equipaggiamento, la infortuni, presenta un'analisi della sicurezza del mondo sportivo in Svizzera. L'approccio scientifico Anche gli interventi potenziali a scopo di ridurre il garantisce ai decisori in ambito sportivo di disporre rischio d'infortunio si riferiscono specificatamente di una base per la pianificazione della prevenzione alla disciplina. Un adeguamento dell'infrastruttura degli infortuni. delle piscine potrebbe ad esempio evitare casi di annegamento, mentre nello sport di montagna La metodica copre le tre fasi della ricerca dell'inci- l'impegno a livello di prevenzione deve agire piut- dentalità: l'analisi degli infortuni consiste nella tosto sul comportamento umano. Le raccomanda- documentazione dell'entità degli incidenti e nel zioni di misure basate sull'evidenza non sono sem- rilevamento degli infortuni frequenti. L'analisi del pre possibili, date le significative lacune di ricerca. rischio discute e pondera i fattori relativi agli infor- In questa analisi della sicurezza la necessità di in- tuni frequenti rilevanti per la sinistrosità in Svizzera. tensificare la ricerca degli infortuni sportivi ai fini Infine, nell'analisi d'intervento viene presentata del lavoro preventivo in Svizzera emerge chiara- tutta una serie di provvedimenti preventivi, che mente. Spesso è stato necessario ricorrere alla valu- vengono valutati sotto il profilo dell'efficacia, tazione di commissioni di esperti. Di regola, le efficienza e realizzabilità nel contesto svizzero. Il ri- raccomandazioni di prevenzione specifiche della sultato di questa analisi della sicurezza è un elenco disciplina sportiva presentano un grado di con- esaustivo di misure di prevenzione che potrebbero cretizzazione esiguo. Solo nella pianificazione con- aumentare la sicurezza nello sport. cettuale del contenuto e nell'attuazione di un intervento orientata alla prassi, in parte nell'ambito di Ogni anno, circa 300 000 sportivi domiciliati in uno scambio con potenziali partner di prevenzione, Svizzera subiscono nel nostro Paese e all'estero in- si definisce più chiaramente come può e deve fortuni tali da richiedere un trattamento medico. essere configurata l'implementazione della misura 180 persone all'anno perdono la vita praticando in collaborazione con i partner. Questo tipo di ana- sport in Svizzera. I gruppi di discipline di sport lisi approfondita esula dal presente dossier sicu- sulla neve, ciclismo fuori strada, sport alpino, rezza. È necessario continuare a implementare i sport acquatici (annegamento) nonché calcio provvedimenti di prevenzione attuali, la cui effi- sono gli ambiti chiave nell'incidentalità e dunque cacia è stata comprovata. costituiscono i principali ambiti di attività della prevenzione degli infortuni sportivi. Il dossier sicurezza li tratta in maniera approfondita. I fattori di rischio rilevati nell'analisi del rischio sono in gran parte specifici per ogni disciplina sportiva e vanno determinati in riferimento all'individuo (so- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Abstract / Résumé / Compendio / Abstract 19 4. Accident Research – Sport competence, physical and physiological preconditions) or the setting and the activity respectively With its Safety dossier «Accident Research – (including sports infrastructure, equipment, natural Sport», the bfu – Swiss Council for Accident surroundings, official rules). Prevention – presents a safety analysis of sport in Switzerland. This scientific approach is intended to The potential interventions for reducing the risk of ensure that decision-makers in the sports sector accidents are also specific in nature to the type of have a basis available for accident prevention sport. For example, adjustments to swimming pool planning. infrastructures might prevent drowning accidents. In contrast, it is not the infrastructure in mountain The method used covers the three stages in sports that must be the focus of prevention efforts accident research: In the accident analysis, the but extent of accidents will be documented and focal recommendations for measures are not always points detected. The risk analysis will discuss and possible given the major gaps in research. The weight the factors relating to the focal points that need to step up sports accident research for Swiss are of relevance for accidents in Switzerland. The prevention work became obvious in this safety intervention analysis will present a wide range analysis. It was frequently necessary to refer to of prevention possibilities and evaluate them in assessments by bodies of experts. Generally spea- terms of their effectiveness, efficiency and the king, the prevention recommendations relating to degree to which they can be implemented to meet each type of sport are not very specific. In future, Swiss conditions. The result of this safety analysis just how a measure should and can be implement- will be a conclusive list of prevention recommend- ted will only be determined in more detail in the dations that might enhance sport safety. planning of content and concept and in the the active participants. Evidence-based practice-oriented implementation of an interveneEvery year, around 300 000 Swiss residents are tion, partially in the form of an exchange with injured in sports accidents inside and outside potential Switzerland so severely that they need medical analysis is not the subject of the safety dossier. treatment. Previous prevention measures that have proved 180 people suffered fatal sports accidents in Switzerland. The types of sports prevention partners. This in-depth effective must be retained. (-groups) that comprise the accident focal points – snowsports, off-road biking, mountain sports, watersports (drowning) and football – comprise the main areas of activity for sports accident prevention. A closer look will be taken at this in the safety dossier. The risk factors identified in the risk analysis are largely specific to each type of sport. They can be allocated to the individual person (particularly risk 20 Abstract / Résumé / Compendio / Abstract bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 II. Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 1. Unfallforschung Sport Aktivitäten noch erhöht werden kann. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass es 1.1 Einleitung zahlreiche Anstrengungen zur Sportförderung gibt. Und damit ist künftig – und auch wegen der Sporttreiben und auch Aktivitäten wie regelmässi- Zunahme der Bevölkerung – mit mehr Sportun- ges Gehen oder Radfahren tragen zur Gesund- fällen zu rechnen. heitsförderung bei. Ein grosser Anteil der Schweizerinnen und Schweizer treibt Sport, einige bei- Auf Todesfälle infolge von Herz-Kreislaufvorfällen, nahe täglich, andere nur sporadisch. Intensive auf Überlastungsschäden oder Langzeitfolgen von körperliche Verletzungen wird im vorliegenden Bericht auf- Aktivität birgt aber immer ein gewisses Verletzungspotenzial. Dabei kann das tragsgemäss nicht eingegangen. Risiko in Abhängigkeit der gewählten Sportart und der Art und Weise, wie sie ausgeübt wird, Die bfu hat sich zum Ziel gesetzt, sich noch ver- minim oder auch sehr hoch sein. mehrt für mehr Sicherheit im Sport zu engagieren. Dabei ist der Fokus auf die Unfälle mit Die bfu hat den gesetzlichen Auftrag, neben Schwerverletzten und Getöteten gerichtet. Unfällen im Bereich Strassenverkehr sowie Haus und Freizeit auch Sportunfälle zu verhindern Erfolgreiche Prävention basiert auf der Kenntnis und gleich gelagerte Aktivitäten zu koordinie- des Unfallgeschehens, dem Ausarbeiten und Um- ren. Unfallverhütung ist eine Daueraufgabe nicht setzen von evidenzbasierten Massnahmen zur nur der bfu, sondern explizit oder implizit aller im Vermeidung Sport engagierten Institutionen und Personen. wichtig – auf der Evaluation dieser Massnahmen. Jährlich verletzen sich rund 300 000 in der Im vorliegenden Sicherheitsdossier «Unfallfor- Schweiz wohnhafte Sportlerinnen und Sportler schung Sport» wird das Unfallgeschehen in der bei Unfällen im In- und Ausland so stark, dass sie Schweiz dargestellt, Risikofaktoren werden dis- ärztliche nehmen kutiert und in ihrer Relevanz für schweizerische müssen, rund 140 werden getötet, davon ca. 10 Verhältnisse gewichtet sowie Massnahmen zur Er- im Ausland. Zu den Todesfällen in der Schweiz höhung der Sicherheit vorgestellt. Die konkreten müssen im Schnitt noch ca. 50 weitere Opfer aus Empfehlungen orientieren sich an den in der dem Ausland gezählt werden, die in der Schweiz Schweiz einen tödlichen Sportunfall erleiden. Es gibt also Damit bedeutenden Handlungsbedarf, damit der unbe- umfassende Sicherheitsanalyse für den Sport vor. strittene gesellschaftliche Nutzen von sportlichen Die wissenschaftliche Vorgehensweise soll dem Behandlung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 in Anspruch dieser vorhandenen liegt für die Unfälle und – ebenso Rahmenbedingungen. Schweiz erstmals Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version eine 21 Anspruch gerecht werden, Entscheidungsträgern Im systematischen Vorgehen zur wirkungsvollen mit dem Sicherheitsdossier eine Basis für die Pla- Verletzungsprophylaxe wird die Ausgangslage in nung der Sportunfallprävention zu bieten. den Problemfeldern des Unfallgeschehens mit wissenschaftlichen Arbeitsmethoden detailliert be- Die in diesem Bericht vorgeschlagenen Mass- schrieben. Die Unfallforschung stellt also die erste nahmen sind auch im Hinblick auf die Aktivitäten Phase des Präventionszyklus dar. Sie soll Antworten diverser Stakeholder formuliert. Bereits beste- auf die Fragen geben: «Was passiert?», «Wie hende, wertvolle Präventionsanstrengungen kön- und warum passierts?» und «Wie kann es ver- nen verstärkt und noch besser koordiniert, neue hindert werden?». Massnahmen gemeinsam mit Partnern umgesetzt werden. So können Synergien genutzt und mit Das vorliegende «Sicherheitsdossier Sport» deckt einer gemeinsamen, wissenschaftlich abgestützten diese erste Phase ab. Sie umfasst die Unfall-, Strategie kann ein Maximum an Nutzen aus den die Risiko- und die Interventionsanalyse verfügbaren Mitteln gewonnen werden. (Abbildung 2). Das Resultat dieser Analyse ist eine Liste von Präventionsempfehlungen, d. h. Rat- 1.2 Methode schläge, die auf einer systematischen Bewertung von Präventionsmöglichkeiten anhand von spezifi- Das Geschäftsmodell der bfu, also die modellhafte schen Bewertungskriterien basieren. Beschreibung der Vorgehensweise, wird im Präventionskreislauf zur Unfallverhütung (Abbildung 1). aufgezeigt In der ersten Sequenz der Unfallforschung werden das Sportgeschehen und die Unfälle, die sich dabei ereignen, detailliert analysiert (Abbildung 2). Ziel ist es, den Präventionsbedarf aufzuzeigen. Abbildung 1 bfu-Präventionskreislauf zur Unfallverhütung Dieser ergibt sich aus den Unfallschwerpunkten (häufig vorkommende und/oder schwere Unfälle, insbesondere diejenigen mit Todesfolge). Abbildung 2 bfu-Unfallforschung 22 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Um das Unfallgeschehen besser zu verstehen, wird Angaben aus der wissenschaftlichen Literatur über- vorerst auf das Sportverhalten der Schweizer Be- nommen. Wenn auch in der Fachliteratur keine völkerung eingegangen. Denn für die Präventions- Hilfestellung für eine quantitative Angabe vorliegt, arbeit ist es bedeutend, gute Kenntnisse vom kon- wird die Unfallbedeutung von einer Expertengruppe kreten Setting zu haben, in dem die Interventionen abgeschätzt. Diese wird je nach Sportartengruppe zur Anwendung kommen sollen. Auch lässt sich anders zusammengesetzt. Immer sind die bfu-Fach- aus Angaben zur Exposition und zum Unfallaus- leute der Abteilung Beratung Sport und der Abtei- mass nach Sportart das Unfallrisiko quantifizieren. lung Forschung beteiligt; zu allen Unfallschwerpunkten werden auch externe Fachgruppen konsul- Nach der ersten Frage in der Unfallforschung «Was tiert. In einem strukturierten Prozess wird die Bedeu- passiert?» muss den Unfallursachen auf den tung von Risikofaktoren abgeschätzt. Grund gegangen werden, also «Wie und warum passierts?» (Abbildung 2). Das ist die Frage nach Nach der Diskussion und Beurteilung der Unfall- den Faktoren, die bei einem Unfall massgeblich das relevanz von Risikofaktoren wird in der nächsten Risiko beeinflussen, also kausal mit dem Ausgang Sequenz der Unfallforschung die Frage beantwor- des die Verletzung verursachenden Ereignisses ver- tet: knüpft sind. Für die Herleitung der Hauptrisikofakto- (Abbildung 2). In dieser Interventionsanalyse ren muss sowohl die Stärke des Zusammenhangs werden Präventionsmöglichkeiten bewertet, eines Verletzungsrisiko die einen Beitrag zur Risikoreduktion leisten sollen, bestimmt wie auch seine Verbreitung berücksichtigt um schliesslich zu einer Liste von Präventions- werden, um die effektive Bedeutung im Unfallge- empfehlungen zu kommen. Einflussfaktors auf das «Wie kann es verhindert werden?» schehen quantifizieren zu können. Unter Präventionsmöglichkeiten wird dabei die GeBei der Risikoanalyse werden zwar einzelne Faktoren samtheit aller grundsätzlich möglichen Präventions- hervorgehoben und deren Unfallrelevanz wird be- massnahmen verstanden. bfu-intern wird die Auflis- stimmt, aber grundsätzlich wird von einem multi- tung der Präventionsmöglichkeiten als «longlist» kausalen Zusammenhang von Risikofaktoren – bezeichnet. Die «Möglichkeiten» weisen in der Re- also einem Ursachenbündel – ausgegangen, das in gel einen geringen Konkretisierungsgrad auf. Erst in einer bestimmten Konstellation die Wahrscheinlich- der inhaltlich-konzeptionellen Planung und praxis- keit eines Unfalls mit Verletzungsfolge erhöhen oder orientierten Umsetzung einer Intervention, zum Teil reduzieren kann. im Austausch mit potenziellen Präventionspartnern, wird näher festgelegt, wie die Implementierung der In Anbetracht dieser Ausgangslage wird bei der Massnahme zusammen mit Partnern ausgestaltet Bestimmung potenzieller Risikofaktoren und deren werden soll und kann. Die Festlegung des Mass- Bedeutung im Unfallgeschehen – also ihrer Unfall- nahmenpakets muss sich grundsätzlich auf die Situ- relevanz – sequenziell vorgegangen. Zuerst wird ationsanalyse stützen, meist sind jedoch zusätzliche, untersucht, ob sich vom Unfallbeschrieb ableiten vertiefte Analysen erforderlich, die nicht Gegenstand lässt, ob ein ausgewählter Risikofaktor eine Rolle des Sicherheitsdossiers sind. spielt oder nicht. Fehlt diese Information, werden bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 23 Bei der Bewertung der Präventionsmöglichkeiten schehen zum Teil unterschiedliche Unfalljahre be- werden die Beurteilungskriterien Wirksamkeit trachtet. Das Unfallgeschehen wird meist in Fünf- (Effectiveness, also nicht nur die Wirksamkeit unter jahresschnitten angegeben. Somit kann davon Ideal-, sondern unter normalen Lebensbedingun- ausgegangen werden, dass sich die Aussagen bei gen), Effizienz (Wirtschaftlichkeit) und Umsetz- Berücksichtigung der neusten Zahlen nicht markant barkeit berücksichtigt. verändert hätten. Zum Erreichen von Präventionszielen können ver- Ausgehend von der Unfallanalyse werden die schiedene Strategien zur Anwendung kommen. Hauptrisikofaktoren herausgearbeitet. In der Folge Unter Strategien werden Ansätze und Vorgehens- werden Präventionsmassnahmen aufgelistet, die in weisen verstanden, die der Zielerreichung dienen. einem Bewertungsprozess in Bezug auf Wirksam- Im übergeordneten Sinn handelt es sich z. B. um keit, Effizienz und Umsetzbarkeit eine Gesamtbeur- edukative Strategien (informieren, sensibilisie- teilung «empfehlenswert» oder «sehr empfeh- ren, aus- und weiterbilden), um legislative lenswert» erhalten haben. Strategien (Gesetze erlassen, Regelwerke festlegen, kontrollieren), technische Ansätze (Sportge- Die Präventionsempfehlungen werden bei allen räte und Ausrüstungen gestalten, Infrastrukturen Unfallthemen den fünf Hauptfeldern Forschung, anpassen) oder ökonomische Strategien (Anreize Ausbildung, Beratung, Kommunikation und Ko- schaffen). Beim Zusammentragen von Präven- operation zugeordnet. Welche von den in diesem tionsmöglichkeiten werden alle Strategieansätze Bericht empfehlenswerten Massnahmen letztend- berücksichtigt. lich in welcher Form in die Praxis umgesetzt werden, richtet sich nach den in Zukunft verfügbaren Evidenzbasierte Massnahmenempfehlungen sind Ressourcen und Möglichkeiten der diversen Präven- angesichts der grossen Forschungslücken nicht tionspartner. Zudem müssen zu allen Unfall- immer möglich. Auch kann eine Präventionsmög- schwerpunkten die heute bereits umgesetzten lichkeit stark empfohlen werden, obwohl keine Präventionsmassnahmen solide wissenschaftliche Evidenz für die Wirksam- unbedingt weitergeführt werden. mit Wirkungsnachweis keit dieser Intervention vorliegt, z. B. wenn keine Alternative existiert und ein Expertengremium die Die Empfehlungen zu Forschungs- und zu Koope- Intervention als wirkungsvoll für die Unfallver- rationsaktivitäten werden nicht aus der Interven- hütung einschätzt. tionsanalyse abgeleitet, sondern basieren auf grundsätzlichen strategischen Überlegungen für Die Kapitel VII bis XI beinhalten die Sicherheits- eine wirksame Präventionsarbeit. Denn Unfallfor- analyse der Sportarten(-gruppen), die in Kapitel VI schung als Unfallschwerpunkte hervorgehen. Die detail- Grundlage für zielgerichtete, wirksame, effiziente lierte Analyse des Unfallgeschehens in diesen und umsetzbare Präventionsmassnahmen. Zudem Sportarten zeigt die sportartspezifischen Unfall- wird zu allen Unfallschwerpunkten die Präven- schwerpunkte auf. Da die fünf Unterkapitel zeitver- tionsarbeit zwischen den wichtigsten Stakeholdern schoben erarbeitet wurden, werden beim Unfallge- koordiniert und gemeinsame Interventionen wer- 24 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version und Wissensmanagement bilden die bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 den umgesetzt, dies u. a. als Schwerpunktpro- wobei einige Sportarten aufgrund der hohen Fall- gramme und/oder in permanenten Arbeitsgruppen zahl oder der relativ vielen tödlichen Unfällen her- zur Unfallprävention. Wo nötig sollen diese An- vorstechen. In der Schweiz verunfallen jährlich strengungen noch verstärkt werden. Die Koopera- beinahe 180 Personen tödlich (Tabelle 2). Knapp tionsanstrengungen sowie der internationale Aus- ein Drittel der tödlich verunglückten Sportler tausch stellen auch bedeutende Elemente systema- stammt aus dem Ausland. tischer Präventionsarbeit dar. Die Analyse der Häufigkeit und Schwere der Ver- 1.3 Sport der Schweizer Bevölkerung letzungen im Sport zeigt, dass sich im Fussball, im Schneesport (Ski-, Snowboard- und Schlittenfah- Jüngere Erhebungen des Bundesamtes für Sport ren) sowie beim Radfahren abseits der Strasse ermöglichen es, ein repräsentatives Abbild der am meisten Unfälle ereignen (Tabelle 1), während Schweizer Wohnbevölkerung zu skizzieren. Rund im Bergsport (v. a. Bergwandern, Bergsteigen, die Hälfte der Schweizer Wohnbevölkerung im Touren- und Variantenfahren) und im Wasser- Alter von 15 bis 74 Jahren treibt mehrmals pro sport (Ertrinken) häufig tödliche Unfälle zu ver- Woche oder sogar täglich Sport, 17 % zumindest zeichnen sind. Bei Ertrinkungsunfällen müssen einmal pro Woche. Weitere 6 % betätigen sich nur alle Aktivitäten im, am und auf dem Wasser be- ab und zu sportlich. Hingegen ist mehr als ein Vier- trachtet werden, da sich nur zwei Drittel der Fälle tel der Bevölkerung sportlich inaktiv (27 %). beim Wassersport ereignen. 16 % der Kinder treiben durchschnittlich mindes- Damit bilden die Sportarten(-gruppen) Schnee- tens 1 Stunde Sport pro Tag und zwar ausserhalb sport, Radfahren abseits der Strasse, Berg- des obligatorischen Turn- und Sportunterrichts. sport, Wassersport (Ertrinken) sowie Fussball Weitere 31 % der Kinder üben während mehr als die Schwerpunkte im Unfallgeschehen und sind 3 Stunden pro Woche sportliche Aktivitäten aus. damit auch die Haupttätigkeitsfelder der Sportun- Fast die Hälfte der Kinder ist sportlich sehr aktiv fallprävention. und betreibt zusätzlich zum Sportunterricht in der Schule mehrmals pro Woche insgesamt zwischen 3 und 7 Stunden Sport. Weitere 39 % sind bis zu 3 Stunden pro Woche sportlich aktiv. Hingegen treiben 14 % der Kinder ausserhalb des obligatorischen Schulunterrichts keinen Sport. 13 % der befragten Kinder geben an, nicht einmal gelegentlich Fahrrad zu fahren oder zu schwimmen. 1.4 Unfallgeschehen Die 300 000 Sportverletzten verteilen sich auf eine Vielzahl von sportlichen Aktivitäten (Tabelle 1), bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 25 Tabelle 1 Verletzte nach Sportart, 2000–2008 Sportartengruppe/ Sportart Fussball Skifahren (inkl. Touren) Radfahren, Biking (o. Strassenverkehr) Snowboardfahren Schlitteln Baden, Schwimmen Bergwandern Volleyball Inlineskating, Rollschuhlaufen Geräteturnen Laufen, Jogging Land-, Roll- und Unihockey Pferdesport Eishockey Basketball Eislaufen, Eiskunstlauf Kampfsport (inkl. Selbstverteidigung) Handball Gymnastik, Fitnesstraining, Aerobic Leichtathletik Tennis Badminton (inkl. Federball) Bootfahren Kugel-, Wurf- und Schlagspiele Squash Gleitschirmfliegen Übrige Sport- und Spielarten Total 2005 2007 50 650 42 760 50 480 43 660 56 700 40 180 2008 Ø 2004– 2008 57 580 54 300 43 210 43 210 Tabelle 2 Getötete nach Sportart und Wohnort (Unfallort Schweiz), Ø 2004–2008 Sportart 25 950 32 490 34 910 34 150 33 150 24 500 5 740 9 100 5 460 8 560 12 210 24 510 11 210 8 960 8 140 8 430 9 270 22 700 7 820 9 180 9 820 8 680 8 620 24 760 11 580 9 390 8 860 8 810 5 700 24 460 10 080 9 140 8 660 8 610 8 430 7 630 5 110 5 350 7 680 6 560 6 220 8 750 8 120 7 060 8 570 8 860 7 480 8 170 7 730 6 760 6 260 6 290 6 140 5 600 6 650 6 380 5 880 5 240 6 960 6 050 6 000 5 640 6 650 6 320 5 890 5 680 6 590 6 430 5 930 5 410 4 950 4 640 5 320 5 420 5 210 5 720 3 850 5 280 3 860 5 290 3 820 4 760 4 030 5 090 3 950 2 720 4 010 2 530 3 780 3 140 2 500 3 640 3 610 2 470 3 980 3 340 2 610 3 790 3 360 2 700 1 380 1 140 1 750 1 170 1 070 1 460 1 450 1 470 1 610 1 430 1 820 600 24 970 1 320 420 24 380 1 160 490 28 480 1 050 490 27 910 1 250 460 26 290 281 000 294 000 304 000 310 000 302 200 Quelle: bfu, Hochrechnung 26 2000 Ø 2004–2008 Ausland Schweiz Bergsport Bergsteigen 17 17 Klettern 2 4 Bergwandern 9 32 Anderer Bergsport 0 1 Total Bergsport 28 54 Wintersport Skifahren alpin 2 6 Touren-Skifahren 4 8 Varianten-Skifahren 5 4 Snowboardfahren 0 1 Varianten-Snowboardfahren 3 3 Schneeschuhlaufen 0 1 Anderer Wintersport 0 1 Total Wintersport 14 24 Wassersport Baden/Schwimmen 3 13 Bootfahren 0 5 Tauchen 1 3 Total Wassersport 4 21 Flugsport Segelfliegen 1 3 Gleitschirmfliegen 1 6 Base-Jumping 2 0 Anderer Flugsport 0 1 Total Flugsport 4 10 Andere Sportarten Wandern, Spazieren 1 7 Jagd 0 4 Pferdesport 0 2 Rennsport mit Motorfahrzeugen 0 1 Übrige Sportarten 1 4 Total Andere Sportarten 2 18 Total 52 127 Total 34 6 41 1 82 8 12 9 1 6 1 1 38 16 5 4 25 4 7 2 1 14 8 4 2 1 5 20 179 Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 1.5 Schneesport als Fortgeschrittene oder Könner. Unabhängig davon haben Kinder und Jugendliche das höchste Verletzungsrisiko. Daneben bilden die jungen 1.5.1 Ski- und Snowboardfahren Erwachsenen zahlenmässig eine SchwerpunktCa. 1,71 Mio. Schweizer Skifahrer und 0,35 Mio. gruppe im Unfallgeschehen (Tabelle 3). Die Snow- Snowboarder im Alter von 10 bis 75 Jahren boarder verletzen sich am häufigsten am Handge- geniessen den Schneesport auf den Pisten. Hinzu lenk und der Hand sowie im Bereich Schulter und kommen noch kleine Kinder unter 10 Jahren und Oberarm, während rund ein Drittel aller verunfall- Senioren ten Skifahrer eine Knieverletzung erleidet. Für Kin- über 75 Jahre deren Anzahl nicht der und Jugendliche ist das Risiko, eine Kopf- oder bestimmt werden kann. Gesichtsverletzung zu erleiden, höher als für ErUnfallschwerpunkte wachsene. Auf Schneesportpisten im In- und Ausland erleiden Hauptrisikofaktoren jährlich rund 70 000 in der Schweiz wohnhafte Personen Verletzungen. Zudem ziehen sich rund Höchste Unfallrelevanz hat das persönliche Verhal- 30 000 Gäste aus dem Ausland Verletzungen auf ten eines jeden Schneesportlers (Tabelle 4). Zwar ist Schweizer Pisten zu. Durchschnittlich 6 Personen die subjektive Gefahreneinschätzung für Kollisio- verunfallen auf den Schweizer Schneesportpisten nen sehr hoch, aber effektiv ist bei über 90 % der tödlich. Auf die 25 tödlichen Unfälle der Touren- Unfälle nur die verletzte Person selber beteiligt. Bei und Variantenfahrer, die sich im freien Gelände den menschbezogenen Faktoren wirken sich pri- ereignen, wird im Kapitel Bergsport eingegangen. mär das ungenügende Gefahrenbewusstsein und die fehlende Selbststeuerungsfähigkeit – und damit Aufgrund der noch fehlenden Fertigkeiten verlet- verknüpft die überhöhte Fahrgeschwindigkeit – zen sich Anfänger/Ungeübte bedeutend häufiger risikosteigernd aus. Aber auch die ungenügende Tabelle 3 Ski- und Snowboardfahren: Unfallschwerpunkte Wer? Was? Anfänger/Ungeübte Jugendliche und junge Erwachsene Kinder Wie? Knie bei Skifahrer Schulter/-gürtel Kopf Handgelenk bei Snowboardfahrern Routine-Fahrsituation Drehsturz rückwärts beim Skifahren Rückwärtssturz beim Snowboarden Sprung Kollision Tabelle 4 Ski- und Snowboardfahren: Hauptrisikofaktoren für Verletzungen Menschbezogen Umfeld-/ausrüstungsbezogen Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit Pistenraumgestaltung inkl. Snowparks Überhöhte Geschwindigkeit Skibindung falsch eingestellt oder nicht wirksam Mangelhafte physische Kondition Handgelenkschutz nicht getragen oder nicht wirksam Ungenügende Fahrfertigkeit Schutzausrüstung nicht getragen (v. a. Helm, Brille/Sehhilfe) Ungünstiger physiologischer Zustand (v. a. Übermüdung, Alkohol) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 27 langfristige konditionelle Vorbereitung sowie ein Beratung: Der Pistenraum sollte selbsterklärend ungünstiger akuter physiologischer Zustand (v. a. und fehlerverzeihend gestaltet sein. Durch bauliche Übermüdung, Alkohol) haben hohe Unfallrelevanz. Massnahmen und Signalisation können Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den Pistenbenutzern Mängel bei der Sicherung, Präparierung, Markierung minimiert, das Sichtfeld optimiert, einfache, ver- und beim Betrieb von Pisten und Snowparks können ständliche und benutzerfreundliche Pistenführun- das Unfallrisiko respektive die Sturzfolgen erhöhen. gen ermöglicht, Konfliktpunkte vermindert und Im Schneesport ist mit Stürzen zu rechnen. Fehlende physischer Schutz geboten werden. oder ungenügende Schutzausrüstung (v. a. Helm, Handgelenkschutz für Snowboardfahrer), falsch ein- Kommunikation: Schneesportler sollten vor allem gestellte oder unwirksame Auslösebindungen er- für eine verbesserte Risikokontrolle, vorsaisonales höhen dabei das Verletzungsrisiko. Kraft- und Koordinationstraining, genügende Verschnaufpausen, das Tragen des Schneesporthelms und Handgelenkschutzes, die Optimierung der Präventionsempfehlungen Ausrüstung (beispielsweise korrekt eingestellte Aus dem Bewertungsprozess resultieren die fol- Skibindungen, Tragen der erforderlichen Sehhilfe) genden, nach Hauptfeldern geordneten Empfeh- sensibilisiert und motiviert werden. lungen für die Unfallprävention (Tabelle 5): Ausbildung: Im Schneesportunterricht, in den Schulen oder im Verein sollten insbesondere die Themen Gefahrenbewusstsein und Selbststeu- erungsfähigkeit, Geschwindigkeit, Verhalten in Snowparks, ausreichende Erholung, physische Kondition sowie das Tragen der persönlichen Schutzausrüstung behandelt werden. Fachleute im Sportartikelhandel sollten zu den neusten Erkenntnissen im Bereich Schutzausrüstung und Sportgeräte geschult werden. Tabelle 5 Ski- und Snowboardfahren: Präventionsempfehlungen Forschung Ausbildung Beratung Kommunikation Kooperation Unfallforschung Wissensmanagement Statistik Verletztentransporte Erhebung Schutzverhalten Studie Handgelenkschutz Studie Ski-Bindung-SchuhFunktionseinheit Modul «Gefahrenbewusstsein/Selbststeuerungsfähigkeit» Modul «Schutzausrüstung/Sportgerät» Sicheres Skigebiet Pistenraumgestaltung inkl. Snowparks Produktesicherheit Risikokontrolle/ Verhaltensregeln Physische Kondition und physiologischer Zustand Fahrfertigkeiten Schutzausrüstung tragen Optimale Ausrüstung Brille/Sehhilfe Schwerpunktprogramm Schneesport Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten SKUS Internationaler Austausch 28 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 1.5.2 Schlitteln / Rodeln Hauptrisikofaktoren Schlittenfahren ist ein beliebtes Freizeitvergnügen Fehlendens Gefahrenbewusstsein wird häufig als in der Schweiz. Ein Grossteil der Kinder schlittelt Unfallursache erwähnt. Vielen fehlt das Wissen zumindest ab und zu, oft sind auch die Eltern oder zum sicheren Verhalten beim Schlitteln. Wegen andere Betreuungspersonen dabei. Bei Erwachse- ungenügender Lenk- und Bremstechnik verlieren nen wird Schlitteln vor allem auf kommerziell be- Schlittenfahrende häufig die Kontrolle über ihr triebenen Wegen in den letzten Jahren ebenfalls Gefährt, woraus Unfälle mit Verletzungen resul- immer beliebter. tieren (Tabelle 7). Unfallschwerpunkte Gefahrenstellen auf Schlittelwegen führen zu Unfällen. Auch ungeeignete Fahrgeräte sowie unge- Beim Schlitteln verletzten sich jährlich rund 10 000 nügende Ausrüstung erhöhen das Sturz- und Kolli- Personen der Schweizer Wohnbevölkerung, rund sionsrisiko erheblich. Viele Schlittler tragen keinen 60 % sind Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre. Schneesporthelm, wodurch die Folgen von Stürzen Aber auch Frauen verunfallen relativ häufig beim oder Kollisionen nicht vermindert werden können. Schlitteln und ziehen sich öfters schwere Verletzun- Übermässiger Alkoholkonsum und andere be- gen zu (Tabelle 6). Ein grosser Teil der Unfälle sind wusstseinsbeeinflussende Substanzen beeinträch- Kollisionen mit bewegten Objekten (z. B. anderen tigen die Reaktionsschnelligkeit und verändern die Schlittenfahrern, Fahrzeugen) oder mit unbewegten Risikowahrnehmung. Objekten (z. B. Bäumen, Pfosten, Mauern). Viele Verletzungen ereignen sich auch bei einem Sturz vom Schlitten. Die meisten tödlichen Unfälle sind Kollisionen, oftmals mit einem Fahrzeug. Tabelle 6 Schlitteln / Rodeln: Unfallschwerpunkte Wer? Kinder und Jugendliche (< 16 Jahre) Frauen Was? Hirnerschütterung Zerrungen, Verstauchungen und Brüche der unteren Extremitäten Prellungen am Rumpf Wie? Kollisionen mit Objekt Kollisionen mit Fahrzeug Stürze Tabelle 7 Schlitteln / Rodeln: Hauptrisikofaktoren für Verletzungen Menschbezogen Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und ungenügende Selbststeuerungsfähigkeit Fehlendes Wissen Fehlende Fahrfertigkeiten bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Umfeld-/ausrüstungsbezogen Ungenügende Kinderaufsicht Ungenügende Sicherheit auf Schlittelwegen und in Schlittelparks: Gefahrenstellen/Geschwindigkeitsmanagement Ungenügende Ausrüstung und ungeeignetes Fahrgerät Fehlendes Tragen eines Helms Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 29 Kommunikation: Informationsanstrengungen zur Präventionsempfehlungen Sensibilisierung der Eltern für eine bessere KinderUm das Verletzungsrisiko beim Schlitteln zu redu- aufsicht sowie aller Schlittler für die Verwendung zieren, bieten sich folgende, nach Hauptfeldern des richtigen Materials, fürs Helmtragen, für den gruppierte Präventionsmöglichkeiten an (Tabelle 8). vernünftigen Umgang mit Alkohol und für das sichere Verhalten unterwegs sollten unternommen Ausbildung: Durch Schulung sollten Kindern wie werden. auch erwachsenen Schlittenfahrern sichere Verhaltensweisen, das Wissen um die Verwendung des richtigen Materials wie auch bessere Fahrfertigkeiten beigebracht werden. Als integraler Bestandteil in solchen Kursen sollte Schlittlern immer das Risiko bewusst gemacht und Strategien zur Selbststeuerungsfähigkeit sollten vermittelt werden. Beratung: Der Bau, Unterhalt und der Betrieb von markierten, präparierten und gesicherten Schlittelwegen und Schlittelparks sollten gesamtschweizerisch nach grundlegenden, einheitlichen Sicherheitsvorgaben umgesetzt werden. Auch häufig benutzte, nicht markierte und nicht präparierte Schlittelhänge in Gemeinden sollten von einer Sicherheitsoptimierung profitieren. Um einen weiteren Sicherheitsgewinn zu erzielen, sollten auch einheitliche Verhaltensregeln für die Schlittler definiert und eingeführt werden. Mit gesetzlichen Massnahmen sollte weiterhin dafür gesorgt werden, dass nur Material auf den Schweizer Markt kommt, das den Sicherheitsvorgaben entspricht. Tabelle 8 Schlitteln / Rodeln: Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung Wissensmanagement Statistik Verletztentransporte Erhebung Schutzverhalten 30 Ausbildung Modul «Gefahrenbewusstsein/ Selbststeuerungsfähigkeit» Modul «Schutzausrüstung/ Sportgerät» Beratung Gestaltung Schlittelwege und Schlittelparks Produktesicherheit Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Kommunikation Kinderaufsicht bis 8 Jahre Verhaltensregeln Alkoholkonsum Funktionelle Ausrüstung und geeignetes Schlittelgerät Kooperation Schwerpunktprogramm Schneesport Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten SKUS Internationaler Austausch bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 1.6 Radfahren abseits der Strasse ten aus (Tabelle 9). Unfälle im Strassenverkehr sind nicht Bestandteil dieser Sicherheitsanalyse. Bei den Zwei Settings werden beleuchtet: einerseits die Kindern dominieren die Kopfverletzungen, bei den vornehmlich erwachsenen Mountainbiker, die auf Männern die Schultergürtel-/Oberarmverletzungen, Wanderwegen, Bike-Routen und -Anlagen sowie in bei den Frauen die Knieverletzungen. Der Anteil weglosem Gelände fahren. Andererseits die Kinder, der Handgelenk-/Hand-/Fingerverletzungen ist bei die sich beim Erlernen des Fahrens respektive beim allen Radfahrern hoch. Die Mehrheit der Fälle er- Spielen mit dem Fahrrad rund ums Haus, auf Plät- eignet sich auf Singletrails, wobei allgemein das zen und Wegen abseits des Strassenraums aufhal- Verletzungsrisiko auf Abfahrten deutlich erhöht ist. ten. 6 % der 15- bis 74-jährigen Bevölkerung gibt Das Unfallgeschehen von kleinen Kindern, die da- das Mountainbiken als eine von ihnen ausgeübte heim ums Haus oder gar noch in der Wohnung das Sportart an. 58 % der Kinder und Jugendlichen Radfahren erlernen, ist für die Schweiz kaum geben an, regelmässig Fahrrad respektive Moun- dokumentiert. tainbike zu fahren, wobei aber nichts über die Nutzung des Rads abseits der Strasse ausgesagt Hauptrisikofaktoren werden kann. Hingegen wird davon ausgegangen, dass fast alle kleinen Kinder das Fahren mit dem Beim Biken sind die Verletzungen meist die Folge Rad abseits der Strasse erlernen. von selbst verursachten Unfällen (Stürzen, Kollisionen mit Objekten). Fehlende Konzentration beim technisch anforderungsreichen Fahren im Unfallschwerpunkte Gelände und auf unbefestigten Wegen ist ein beDas gesamte Unfallausmass beim Radfahren/Biken deutender Risikofaktor (Tabelle 10). Auch sind sich abseits der Strasse beläuft sich auf ca. 9000 Ver- die Sportler ihrer riskanten Fahrweise und der Ver- letzte pro Jahr, mit einer Häufung bei den Män- letzungsfolgen zu wenig bewusst. Bei unsicherem nern im Alterssegment der 26- bis 45-Jährigen. Verhalten sind übergeordnet weitere, intraper- Kinder (< 17 Jahre) machen ein Drittel der Verletz- sonelle Faktoren wie die Selbststeuerungsfähigkeit Tabelle 9 Radfahren abseits der Strasse: Unfallschwerpunkte Wer? Was? Männer (26–45 Jahre) Kleine Kinder Wie? Kopf, Schädel, Hirn Schultergürtel/Oberarm (Männer) Handgelenk/Hand/Finger Knie (Frauen) Tourenfahrt auf Singletrails Abfahrt Kleine Kinder: Erlernen des Radfahrens Tabelle 10 Radfahren abseits der Strasse: Hauptrisikofaktoren für Verletzungen Menschbezogen Unaufmerksamkeit/Ablenkung Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit Ungünstiger physiologischer Zustand Mangelhafte Tourenvorbereitung Mangelhafte fahrtechnische Kompetenz Umfeld-/ausrüstungsbezogen Gestaltung MTB-Routen/-Anlagen Fehlendes Tragen der Schutzausrüstung (v. a. Helm) Ungeeignetes Fahrrad oder technische Mängel Ungünstige Gruppendynamik Kleine Kinder: mangelhafte Betreuung 1 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 31 bedeutend. Wird mit Kollegen gefahren, können Beratung: Die Vereinheitlichung von Markierung, zum Beispiel gruppendynamische Prozesse zu über- Signalisation, Information und Schwierigkeitsan- steigertem Risikoverhalten führen. Beim Fahren im gabe von Mountainbike-Routen und -Anlagen ist Gelände wirken sich auch fehlende Fahrfertigkei- voranzutreiben und für die Umsetzung ist zu ten, ungenügende Tourenplanung und auf langen sorgen. Touren oder beim intensiven Trainieren die allgemeine zentrale Übermüdung und der Abfall der Kommunikation: Bei den Kommunikationsan- physiologischen Leistungsfähigkeit negativ aus. strengungen sollten die Themen Konzentration, Bikern fehlt oft die Möglichkeit, eine Tour den Gefahrenbewusstsein und Selbststeuerungsfähig- eigenen Fähigkeiten entsprechend zu planen, da keit, auf bestehenden Routen oft die nötige Signalisa- Kenntnisse und Tourenplanung, Bikeanschaffung tion und Gefahrenmarkierung fehlen und die und -unterhalt abgedeckt sein. Eltern und Auf- Sportler sich unnötig in kritische Situationen ma- sichtspersonen muss vermittelt werden, wie das növrieren. Wird zudem die erforderliche Schutzaus- kindergerechte Erlernen des Radfahrens gestaltet rüstung nicht getragen, so führen Stürze oder Kol- werden sollte, welches die angemessene Ausrüstung lisionen eher zu Verletzungen. Bei fehlender Be- ist und dass die Begleitung eine wichtige Voraus- treuung durch Aufsichtspersonen ist das Verlet- setzung für die Sicherheit des Kindes darstellt. physiologischer Status, Schutzausrüstung, zungsrisiko für kleine Kinder, die das Radfahren erlernen oder noch wenig geübt sind, stark erhöht. Präventionsempfehlungen Ausbildung: Für Anfänger, Quereinsteiger oder Ungeübte ist der Besuch eines Ausbildungskurses mit den Inhalten Wissen für sicheres Fahren, Gefahrenbewusstsein und Selbststeuerungsfähigkeit, Fahr-/Bremstechnik sowie Tourenplanung empfehlenswert (Tabelle 11). Tabelle 11 Radfahren abseits der Strasse: Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung Wissensmanagement 32 Ausbildung Gefahrenbewusstsein / Selbststeuerungsfähigkeit Fahrschulung Tourenmanagement Beratung Produktesicherheit: − Kindergerechte Fahrräder − Schutzausrüstung Gestaltung MTB-Routen, -Trails, -Anlagen Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Kommunikation Faktoren: − Aufmerksamkeit − Selbststeuerungsfähigkeit − Physiologischer Status Schutzausrüstung tragen Kenntnisse Tourenplanung Geeignete Fahrgerätewahl und Unterhalt Kindgerechtes Erlernen des Fahrens Kooperation Schwerpunktprogramm Fahrrad / Bike FsMTB Fachgruppe sicher Mountainbiken Internationaler Austausch bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 1.7 Bergsport Männer, die selbst organisiert in den Bergen Sport treiben und sich dabei tödliche Verletzungen zu- Wandern gehört in den Alpenländern zu den be- ziehen. Naheliegend ist, dass die typischen zwei liebtesten Sportarten. In der Schweiz liegt «Wan- Unfallhergänge – im Sommer beim Bergwandern dern, Walking, Bergwandern» an zweiter Stelle der oder Bergsteigen der Absturz aus der Höhe, im betriebenen Sportarten. Der Bergsport gehört we- Winter beim Touren- und Variantenfahren die La- gen den relativ vielen schweren und tödlichen winenverschüttung – die vorherrschenden Todesur- Unfällen zu den Unfallschwerpunkten. Zum Berg- sachen sind (Tabelle 12). sport zählen die Sommerbergsportarten Bergwandern, Bergsteigen, Klettern inkl. Klettersteige sowie Hauptrisikofaktoren im Winter Tourenski- und TourensnowboardfahVarianten- Die bedeutsamen Risikofaktoren im Bergsport un- fahren abseits der gesicherten Schneesportabfahr- terscheiden sich je nach Sportart, was eine allge- ten, Eisklettern, Canyoning und Höhlenbegehen. meine Einschätzung der Unfallrelevanz für den ren, Schneeschuhlaufen, Freeriden/ gesamten Bergsport erschwert. Die Ursache der In der Sicherheitsanalyse wird auch angesichts der meisten Unfälle beim Bergsport ist die mangelnde Datenlage auf die tödlichen Unfälle fokussiert. Risikokompetenz. Risikokompetenz umfasst einer- Einerseits sind es die relativ vielen tödlichen Un- seits die Fähigkeit, potenzielle Gefahren zu erken- fälle, die die Bergsportarten zu einem Schwerpunkt nen (Wahrnehmungskompetenz) und richtig einzu- in der Prävention machen, andererseits werden schätzen beim Vermeiden von tödlichen Unfällen potenziell die Fähigkeit, sicherheitsorientierte Entscheide zu auch Unfälle mit Schwerstverletzten verhindert. fällen (Entscheidungskompetenz) und diese durch (Beurteilungskompetenz). Andererseits zielgerichtetes Handeln auch zu verwirklichen (Handlungskompetenz) (Tabelle 13). Extrinsische Unfallschwerpunkte Risikofaktoren wie Naturgefahren oder InfrastrukVon der Schweizer Wohnbevölkerung verunfallen jährlich knapp 11 000 Sportler beim Bergsport im Tabelle 13 Bergsport: Hauptrisikofaktoren für tödliche Unfälle Winter oder Sommer so schwer, dass sie sich ärztlich behandeln lassen müssen. Im Fünfjahresschnitt kommen in der Schweiz ca. 120 Personen im Bergsport durch einen Unfall ums Leben, davon 32 im Schneesport abseits der Pisten. 45 der Getöteten Menschbezogen Mangelnde Wahrnehmungskompetenz Mangelnde Planung Mangelnde Beurteilungskompetenz Mangelnde Entscheidungskompetenz Mangelnde Handlungskompetenz Mangelhafte Sicherungs-/Seiltechnik sind Gäste aus dem Ausland. Es sind vor allem Tabelle 12 Bergsport: Unfallschwerpunkte Wer? Männer (> 20 Jahre) Selbst-organisierte Bergsportler Ausländische Gäste bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wie? Ab-/ Sturz Lawinen Was? Bergwandern Bergsteigen Schneesporttouren Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 33 tur spielen im Bergsport eine untergeordnete Rolle, sportler sollten dadurch motiviert werden, ihre wenn sie vom Sportler richtig beurteilt werden. Touren nicht allzu sorglos anzugehen, sondern sorgfältig zu planen. Soweit möglich sollten sie dazu gebracht werden, ihre Risikobereitschaft zu Präventionsempfehlungen senken und eine Sicherheitsreserve einzubauen. Die Interventionen, die aufgrund der Sicherheits- Dies gilt insbesondere für Schneesportler im freien analyse zur Umsetzung empfohlen werden, lassen Gelände. sich nach Themenfeldern auflisten (Tabelle 14): Kooperation: Auch ausländische Touristen sollten Ausbildung: Im Bergsport, insbesondere in Lawi- – am besten bereits bei sich zu Hause – mit den nenausbildungskursen, sollte ein Schwerpunkt auf Präventionsbotschaften erreicht werden, was im die Verbesserung der Entscheidungs- und Hand- internationalen Austausch mit Fachorganisationen lungskompetenz gelegt werden. Zudem könnte ein anzustreben ist. Partnercheck bzw. eine «Zweitmeinung» als Element in allen Ausbildungskursen eingeführt werden. Beratung: Es sollten vermehrt einfache Hilfsmittel zur Selbsteinschätzung zur Verfügung gestellt werden. Planungshilfen, wie etwa Checklisten, können auch individuell angewendet werden. Zum Sammeln von Erfahrungen sollte die Nutzung eines Schonraums (z. B. für Schneesportler) propagiert werden. Kommunikation: Durch Informationsanstrengungen sollte das Bewusstsein für Gefahren geschaffen bzw. erhöht werden. Die Bergsportler sollten also so gut wie möglich sensibilisiert und informiert werden, z. B. auch durch die Kommunikation von Unfallanalysen und davon abgeleitet Empfehlungen zu sicherheitsorientiertem Verhalten. Die BergTabelle 14 Bergsport: Präventionsempfehlungen Forschung Ausbildung Unfallforschung bfu / SAC Wissensmangement Studie (Beinahe)Unfälle Lawinenkunde (v.a. Entscheidungs- und Handlungskompetenz) Partnercheck 34 Beratung Selbsteinschätzung Schonraum Planungshilfen / Checklisten Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Kommunikation Gefahrenbewusstsein Tourenplanung Risikobereitschaft Kooperation Schwerpunktporgramm Bergsport Fachgruppe Sicherheit im Bergsport Kernausbildungsteam Lawinenprävention Internationaler Austausch bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 1.8 Wassersport (Ertrinken) der Kinder haben die Unfälle in der Kindheit hohe Bedeutung. In Bezug auf die Gesamtbevölkerung Sportliche und andere Aktivitäten im, am und auf ertrinken einerseits am meisten Personen im Alters- dem Wasser gehören zu den beliebtesten Freizeit- segment der 15- bis 24-jährigen Männer, anderer- beschäftigungen der Schweizer Bevölkerung. Der seits ältere Männer (> 65 Jahre) (Tabelle 15). Men- Aufenthalt im Wasser birgt aber auch das Risiko, schen ertrinken meist in freien Gewässern, aber sich zu verletzen oder gar zu ertrinken. In der vor- auch in öffentlichen Bädern. liegenden Sicherheitsanalyse wird der Fokus nicht auf die mehreren tausend Leicht- oder Mittel- Hauptrisikofaktoren schwerverletzten im Wassersport gerichtet, sondern auf die tödlichen Ertrinkungsunfälle. Es wer- Einige Risikofaktoren können nicht wirklich mass- den sowohl die Ertrinkungsfälle beim Sport als geblich beeinflusst werden (z. B. männliches Ge- auch beim Spielen der Kinder, bei Strassenver- schlecht, Junge), haben aber Bedeutung bei der kehrsunfällen, bei der Ausübung des Hobbys oder Auswahl der Zielgruppe und beim Formulieren der bei beruflichen Tätigkeiten einbezogen. adäquaten Präventionsstrategie. In Tabelle 16 sind die Hauptrisikofaktoren als Übersicht zusammengestellt. Dominate Bedeutung hat das individuelle Unfallschwerpunkte Verhalten der Menschen bei Aktivitäten im (z. B. Im Schnitt ertrinken in der Schweiz jährlich 43 Per- allein oder nicht fit schwimmen oder tauchen), am sonen, davon 7 mit Wohnort im Ausland. Die meis- (z. B. fehlendes Gefahrenbewusstsein) und auf ten Fälle ereignen sich beim Freizeitsport (v. a. dem Wasser (Alkoholkonsum beim Bootfahren). Baden/Schwimmen, Bootfahren, Tauchen), aber auch im Sportunterricht, im Militärsport, bei Haus- Aber auch infrastrukturelle (mangelhafte Poolsiche- und anderen Freizeitaktivitäten sowie als Folge von rung) oder ausrüstungsbezogene (keine Rettungs- Verkehrsunfällen ertrinken in der Schweiz Men- weste) Faktoren können das Risiko massgeblich schen. Wegen des besonderen Schutzbedürfnisses beeinflussen. Zudem ist die fehlende lückenlose Tabelle 15 Wassersport (Ertrinken): Unfallschwerpunkte Wer? Wo? Kinder (0–9 Jahre) Männer (≥ 16 Jahre) Ältere Menschen Offene stehende Gewässer Fliessgewässer Öffentliche Schwimmbecken Was? Schwimmen / Baden in offenen Gewässer Bootfahren Tauchen Tabelle 16 Wassersport (Ertrinken): Hauptrisikofaktoren Menschbezogen Umfeld-/ausrüstungbezogen Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit Alkoholkonsum Alleinschwimmen oder -tauchen Ungünstiger physiologischer oder gesundheitlicher Status bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fehlende / mangelhafte Kinderaufsicht Fehlende Rettungsweste Fehlende Rettungskompetenz Starke Strömung Fehlende Poolsicherung Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 35 Aufsicht von Kindern am Wasser der einzige sin- Kommunikation: Informationsanstrengungen sollen guläre Risikofaktor für beinahe alle Ertrinkungsun- unternommen werden, um Eltern, Betreuern und fälle der Kinder. der Badeaufsicht die zentrale Botschaft bewusst zu machen, dass die lückenlose Aufsicht von Kindern ein Imperativ für die Vermeidung von Ertrin- Präventionsempfehlungen kungsunfällen ist. Wassersportler sollten noch besVon den Empfehlungen lassen sich nach Themen- ser dafür sensibilisiert werden, dass nur ins Wasser feldern vor allem folgende hervorheben (Tabelle 17): darf, wer fit ist, und dass ein Fehlverhalten im Wasser tödliche Folgen haben kann. Das sicherheits- Ausbildung: Die Kantone sollen dabei unterstützt orientierte Verhalten, das in den Bade-, Fluss-, werden (u. a. mit Unterrichtshilfen), an ihren Freitauch- und Eisregeln prägnant zusammenge- Schulen einheitliche Sicherheitsstandards für den fasst ist, soll vermehrt adressatengerecht kommu- Wassersport einzuführen und die Lehrpersonen niziert werden. Hervorzuheben ist der Appell, auf entsprechend aus- und weiterzubilden. Alle Kinder Alkohol und aufs Alleinschwimmen oder Alleintau- sollen schwimmen lernen, dabei soll der primäre chen zu verzichten sowie beim Bootfahren eine Fokus auf Gefahrenbewusstsein/Selbststeuerungs- Rettungsweste zu tragen. fähigkeit und auf Selbstrettung gerichtet sein. Die Aus- und Weiterbildung von Rettungsschwimmern bleibt ein wichtiges Element der sekundären Prävention. Beratung: Anstrengungen für die Verbesserung der baulichen Sicherheit von öffentlichen und privaten Bädern sowie Kleingewässer sind weiterzuführen. Ebenso die Tätigkeiten zur Produktesicherheit (u. a. Auftriebshilfen, Rettungswesten) und die Entwicklung einer automatischen Auftriebshilfe. Die interaktive, stets aktualisierte Gewässerkarte für Wassersportler sollte auch Präventionsbotschaften (v. a. zu Schutzausrüstung) enthalten. Tabelle 17 Wassersport (Ertrinken): Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung bfu/SLRG Wissensmanagement 36 Ausbildung Modul «Gefahrenbewusstsein / Selbststeuerungsfähigkeit» Selbst- und Fremdrettungskompetenz Beratung Schwimmbäder: Gestaltung und Betrieb Produktesicherheit Unterwasserdetektion Automatische Auftriebshilfe Gewässergefahrenkarte Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Kommunikation Kinderaufsicht Alleinschwimmen Alleintauchen H2O-fit Alkoholkonsum Rettungsweste Kooperation Wasserprogramm Internationaler Austausch bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 1.9 Fussball rungen und auch Prellungen am Fuss und an den Zehen sind häufig. Fussball ist eine der in der Schweiz am häufigsten Hauptrisikofaktoren ausgeübten Sportarten. 7,5 % der 15- bis 74-Jährigen und 54,8 % der 10- bis 14-Jährigen spielen zumindest sporadisch Fussball. Dabei bilden die Zu den wichtigsten Risikofaktoren für eine Ver- Männer im Alter von 15 bis 29 Jahren den grössten letzung beim Fussball (Tabelle 19) gehört die Anteil. Verletzungsvorgeschichte. Auch mangelnde Kondition oder koordinative Defizite sind starke Prä- Unfallschwerpunkte diktoren für eine Verletzung. Jährlich müssen ca. 54 000 Sportler und Sportlerin- Wird im Kinderfussball der biologische Reifestatus nen infolge einer Fussballverletzung ärztlich behan- nicht berücksichtigt oder die Trainingslast zu delt werden, Männer machen dabei einen Anteil schnell erhöht, steigt das Risiko für Verletzungen. von 94 % aus. Die Analyse der Verletzungshäufig- Defizite in der Trainingsgestaltung sind u. a. keit nach Altersklasse zeigt einen steten Anstieg bis fehlende ganzheitliche Entwicklung aller relevanten ins Alterssegment der 26- bis 45-Jährigen. Neben konditionellen und koordinativen Faktoren und den Kindern und Jugendlichen stellen also die Män- Überforderung. Auch fehlende oder mangelhafte ner bis ins mittlere Alter eine bedeutende Risiko- Ausrüstung gruppe dar (Tabelle 18). Verletzungen auswirken. Bei Wettkampfsituationen kann sich risikoerhöhend auf verletzen sich deutlich mehr Sportler als im TraiFussballer ziehen sich vor allem Verletzungen an ning. Dabei spielen sowohl das Einhalten von Fair- den unteren Extremitäten zu (knapp 70 %). Dazu play-Regeln als auch das konsequente Durchsetzen gehören insbesondere Verstauchungen oder Zer- dieser Regeln durch die Spielleitung eine grosse Tabelle 18 Fussball: Unfallschwerpunkte Wer? Was? Männer (26 – 45 Jahre) Kinder und Jugendliche Verletzungslokalität: Unterschenkel, Fuss, Sprunggelenk, Kniegelenk Verletzungsart: Bänderdehnung, Riss (Bänder / Sehnen / Menisken), Muskelzerrung, Prellung Wie? Durch Gegnerkontakt Ohne Gegnereinwirkung: Landung nach Sprung oder abrupter Richtungswechsel Tabelle 19 Fussball: Hauptrisikofaktoren für Verletzungen Menschbezogen Verletzungsvorgeschichte (wiederholte Verletzung) Konditionelle und koordinative Defizite Eigene aggressive Spielweise Reifeprozess bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Umfeld-/ausrüstungbezogen Während Wettkampf/Spielbetrieb Regelwerk / Fair Play wird ungenügend durchgesetzt Defizite in Trainingsgestaltung Spielfeld in mangelhaftem Zustand Fehlende oder mangelhafte Spielerausrüstung Fehlende Sprunggelenkstabilisation nach Verletzung Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 37 Rolle. Wird Fussball im Training, in der Schule, bei Beratung: Im Verkauf müssten Sportler, aber auch Grümpelturnieren oder sonst in der Freizeit prakti- Trainer, Lehrpersonen und Eltern, besser über die ziert und dies bei sehr unterschiedlichen meteoro- altersgerechte, individuell optimale Ausrüstung logischen Bedingungen, kann auch vom Spielun- (Schuh, Schienbeinschoner, Sprunggelenkorthesen, tergrund und von der Spielfeldumgebung ein er- Bälle) informiert werden. Die Beratungstätigkeit für höhtes Verletzungsrisiko ausgehen. Durch die Wahl «sichere Sportanlagen» gilt es weiterzuführen. der Ausrüstung, insbesondere der Schuhe und Schienbeinschützer, kann der Spieler sein Verlet- Kommunikation: Fussballspieler sollen stärker für zungsrisiko reduzieren. Fussballer, die nach einer das Risiko sensibilisiert werden, das sich aus einer Verletzung in der Fussgelenkregion keine Sprung- Vorverletzung ergibt. Wünschenswert ist, dass die gelenkorthese tragen, haben ein deutlich erhöhtes Suva zusammen mit dem Schweizerischen Fussball- Risiko für eine weitere Sprunggelenkverletzung. verband ihre Präventionskampagne weiterführt. Aber auch Fussballspielern und -spielerinnen, die nicht in einem Verein organisiert sind, sollten Prä- Präventionsempfehlungen ventionsprogramme mit multifaktoriellem Ansatz Als Ergebnis der Interventionsanalyse resultieren vermittelt werden. Die Bedeutung einer fairen folgende Empfehlungen (Tabelle 20): Spielweise für sicheres Spiel – nicht nur in Bezug auf Verletzungen bei anderen, sondern auch bei Ausbildung: In der Ausbildung der Trainer sollte sich selber – sollte in der Kommunikation ebenfalls vermehrt der Aspekt eingebracht werden, dass im vermehrt thematisiert werden. Zudem soll Trainern Kinder- und Jugendfussball Regeln, die dem Alter und Lehrern bewusst gemacht werden, wie durch respektive dem Reifestadium angepasst sind und entsprechende Vorbereitung und Leitung dem sich an den Fertigkeiten respektive am Leistungs- erhöhten Risiko bei Wettkämpfen und Spielformen niveau orientieren, dazu beitragen können, gefähr- mit Wettkampfcharakter begegnet werden kann. liche Situationen zu entschärfen (z. B. Zweikämpfe bei grossem Kraft-, Grössen- oder Leistungsgefälle). Die hohe Bedeutung der strikten Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerks für die Verletzungsprävention muss in der Multiplikatorenausbildung vermittelt werden (Liga-, Trainingsbetrieb, Schulsport). Tabelle 20 Fussball: Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung Wissensmanagement Studie «Prävention im Kinderbereich» Analyse Fokusthemen 38 Ausbildung Situationsgerechte Regeln und Vereinbarungen Strike Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerks Reifeprozess Kindheit Trainingsgestaltung Beratung Spielerausrüstung: - Schuhe - Schienbeinschutz Sprunggelenksorthese Spielfeld Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Kommunikation Kooperation Vorverletzung Konditionelle, koordinative Defizite Faire Spielweise Wettkampf/Spielbetrieb Fussballprogramm Kinder und Jugendliche Internationaler Austausch bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 1.10 Schlussfolgerungen Es liegt nun für die Schweiz eine umfassende Sicherheitsanalyse im Sport vor und damit für die Entscheidungsträger eine verlässliche Basis für die Planung der Sportunfallprävention. Das Unfallausmass ist gut dokumentiert und die Unfallschwerpunkte Schneesport, Radfahren abseits der Strasse, Bergsport, Wassersport (Ertrinken) und Fussball sind klar detektiert. Dafür liegen zum Unfallhergang respektive zu den Risikofaktoren für Sportunfälle kaum detaillierte Informationen vor. Einzelne Schweizer Erhebungen können als Element für die Risikoanalyse dienen, beim Auflisten von Risikofaktoren und deren Unfallrelevanz muss aber weitgehend auf die wissenschaftliche Literatur oder auf Expertenbeurteilung zurückgegriffen werden. Evidenzbasierte Massnahmenempfehlungen sind angesichts der grossen Forschungslücken nicht immer möglich. Oft musste auf die Beurteilung von einem bfu-internen und einem externen Expertengremium abgestützt werden. Der Bedarf nach Unfallforschung in den Unfallschwerpunkten wurde in dieser Sicherheitsanalyse deutlich. Die sportartspezifischen Präventionsempfehlungen weisen in der Regel einen geringen Konkretisierungsgrad auf. Erst in der inhaltlich-konzeptionellen Planung und praxisorientierten Umsetzung einer Intervention, zum Teil im Austausch mit potenziellen Präventionspartnern, wird künftig näher festgelegt, wie die Implementierung der Massnahme zusammen mit Partnern ausgestaltet werden soll und kann. Die bisherigen Präventionsmassnahmen mit Wirkungsnachweis sind beizubehalten. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 39 2. Recherche accidentologique en Les décès par suite d’un problème cardiovasculaire, matière de sport de lésions par surcharge ou de séquelles à long terme de blessures ne font pas l’objet du présent 2.1 Introduction dossier de sécurité, conformément au mandat. Le sport mais aussi des activités comme marcher ou Le bpa s’est fixé pour objectif de renforcer son faire du vélo régulièrement contribuent à la santé. engagement en faveur de la sécurité dans le sport, Une grande partie des Suisses font du sport, cer- en mettant l’accent sur les accidents avec des tains quasi quotidiennement, d’autres seulement blessés graves ou des tués. sporadiquement. Une activité physique intense présente néanmoins toujours un certain potentiel Pour que la prévention porte ses fruits, elle doit se de blessures: le risque peut être minime ou extrê- baser sur les connaissances quant à l’accidentalité, mement élevé, selon la discipline sportive et la sur l’élaboration et la mise en œuvre de mesures manière dont elle est pratiquée. fondées scientifiquement et – tout aussi important – sur l’évaluation de ces mesures. Le bpa – Bureau de prévention des accidents a pour mandat légal d’éviter les accidents dans la Le présent dossier de sécurité «Recherche acciden- circulation routière, l’habitat et les loisirs mais aussi tologique en matière de sport» présente l’acci- le sport, et de coordonner les activités de même dentalité en Suisse, examine les facteurs de nature. La prévention des accidents est une mission risque, pondère leur importance dans le contexte permanente non seulement du bpa, mais aussi – helvétique et décrit des mesures à même de ren- implicitement ou explicitement – de toutes les per- forcer la sécurité. Les recommandations con- sonnes ou institutions engagées dans le sport. crètes sont axées sur le cadre suisse. Il s’agit de la première analyse complète de la sécurité dans ce Chaque année, quelque 300 000 sportifs résidant domaine en Suisse. Par son approche scientifique, en Suisse se blessent si grièvement dans des acci- ce document doit servir de base de planification dents qui se produisent dans leur pays de domicile aux décideurs pour la prévention des accidents de ou à l’étranger qu’ils ont besoin d’un traitement sport. médical; 140 environ sont tués, dont une dizaine à l’étranger. A ces décès, il faut ajouter en moyenne Les mesures qu’il propose sont également formu- une cinquantaine de victimes étrangères d’acci- lées dans l’optique des activités des différents dents de sport qui ont lieu en Suisse. D’où la protagonistes. En renforçant les mesures éprouvées nécessité d’agir, afin d’augmenter encore le béné- et en améliorant leur coordination, en mettant en fice incontestable du sport pour la société. œuvre de nouvelles mesures en partenariat, on D’autant que les efforts visant à promouvoir le exploite les synergies et, sur la base d’une stratégie sport sont nombreux et que les accidents de sport commune pourvue d’une assise scientifique, on tire devraient donc être amenés à se multiplier à le meilleur parti des moyens disponibles. l’avenir, notamment aussi en raison de la croissance démographique. 40 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 2.2 Méthodologie Dans le cadre de la recherche accidentologique, on analyse dans un premier temps la pratique La démarche du bpa est schématisée par le cycle sportive et les accidents qui en découlent de prévention des accidents (Illustration 1). (Illustration 1), dans le but d’identifier le besoin en matière de prévention. Celui-ci résulte des acci- Pour effectuer un travail de prévention efficace, il dents prédominants (accidents graves et/ou fré- faut décrire la situation dans les domaines quents, en particulier les accidents mortels). problématiques de l’accidentalité à l’aide de méthodes scientifiques. La recherche accidento- Un examen préalable du comportement de la po- logique constitue donc la première phase du cycle pulation suisse en matière de sport permet une de prévention. Elle répond aux interrogations meilleure compréhension de l’accidentalité. Une suivantes: «Que s’est-il passé?», «Pourquoi et bonne connaissance du cadre dans lequel les me- comment?», «Comment l’éviter?». sures devront être mises en œuvre est en effet décisive pour le travail de prévention. Des informa- Le présent dossier de sécurité porte sur cette pre- tions sur l’exposition et l’ampleur de l’accidentalité mière phase, qui englobe l’analyse des accidents, selon le sport permettent par ailleurs de quantifier du risque et d’interventions (Illustration 2). Il en le risque d’accident. résulte une liste de recommandations pour la prévention, c.-à-d. de conseils qui se fondent sur Après avoir répondu à la première question de la une évaluation de possibilités de prévention sur la recherche accidentologique, il s’agit d’identifier les base de critères spécifiques. causes des accidents: «Comment et pourquoi?» (Illustration 2). En d’autres termes, on recherche les facteurs qui ont une influence significative sur le risque en cas d’accident, c.-à-d. Illustration 1 Cycle de prévention des accidents du bpa ceux qui présentent une relation de causalité avec l’issue de l’événement à l’origine des blessures. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Comment l'éviter? Analyse des accidents Analyse du risque Analyse d'interventions Causes des accidents Possibilités de prévention Entrée Pourquoi? Accidents Evaluation Que s'est-il passé? - Fréquence - Gravité Sortie Processus Illustration 2 La recherche accidentologique au bpa Accidents prédominants Importance: - diffusion - dangerosité - Efficacité - Economicité - Applicabilité Principaux facteurs de risque Recommandations pour la prévention Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 41 Pour déduire les principaux facteurs de risque et Par possibilités de prévention on entend l’ensemble quantifier dans des mesures de prévention potentielles. Au sein du l’accidentalité, il faut déterminer le poids de la bpa, on parle de «longlist». Ces possibilités ne relation entre un facteur d’influence et le risque de présentent en général qu’un faible degré de con- blessures, et prendre en compte sa diffusion. crétisation. Ce n’est que lors de la planification leur importance effective conceptuelle et du contenu que l’on détermine Lors de l’analyse du risque, certains facteurs se plus précisément, parfois avec le concours de par- cristallisent certes et on détermine leur importance, tenaires de prévention potentiels, comment une mais en général on procède d’un ensemble mesure peut et doit être mise en œuvre avec ces multicausal de facteurs de risque qui, selon leur derniers. La définition des mesures doit se fonder constellation, font progresser ou réduisent la sur l’analyse de la situation, mais elle requiert en probabilité général des analyses complémentaires approfon- d’un accident occasionnant des blessures. dies, qui ne font pas l’objet du présent dossier de sécurité. Sur cette base, on procède de manière séquentielle pour déterminer les facteurs de risque potentiels et L’évaluation des possibilités de prévention procède leur importance pour l’accidentalité. Dans un pre- des critères efficacité (effectiveness, soit l’effi- mier temps, on examine si la description d’un acci- cacité dans des conditions de vie idéales mais aussi dent permet de conclure à l’implication ou non normales), économicité et applicabilité. d’un facteur de risque défini. Si cette donnée fait défaut, on reprend les informations contenues Différentes stratégies, c.-à-d. approches ou dé- dans la littérature scientifique. Lorsque cette marches, peuvent permettre d’atteindre les objec- dernière n’est d’aucune aide pour la quantification, tifs de prévention. Au sens large, il s’agit p. ex. de un collège d’experts dont la composition varie stratégies éducatives (information, sensibilisa- selon le groupe de sports estime l’importance des tion, formation initiale et complémentaire), de facteurs de risque d’après un processus bien stratégies législatives (promulgation de lois, structuré. Il comprend toujours des spécialistes des fixation de règles, contrôle), de stratégies tech- services Sport et Recherche du bpa; des externes niques (conception du matériel et de l’équipement sont également consultés pour tous les domaines sportif, adaptation des infrastructures) ou de stra- d’accidents prédominants. tégies économiques (incitations). On tient compte de chacune d’elles lors de l’élaboration du L’étape suivante de la recherche accidentologique paquet de mesures de prévention. consiste à répondre à la question «Comment éviter ces accidents?» (Illustration 2). Dans le En raison des grandes lacunes en termes de re- cadre de cette analyse d’interventions, on cherche, il n’est pas toujours possible de formuler évalue les possibilités de prévention censées des recommandations fondées scientifiquement. contribuer à la réduction du risque pour en déduire Une possibilité de prévention peut donc être vive- une liste de recommandations pour la pré- ment recommandée bien qu’il n’existe pas de vention. preuves scientifiques solides quant à son efficacité, 42 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 p. ex. s’il n’existe pas d’alternative et qu’un groupe vention efficace. La recherche accidentologique et d’experts l’a considérée comme efficace en termes la gestion des connaissances constituent en effet la de prévention des accidents. base de mesures de prévention ciblées, efficaces, économiques et applicables. Pour tous les do- Les chapitres VII à XI comprennent l’analyse de la maines d’accidents prédominants, le travail de pré- sécurité pour les (groupes de) sports identifiés vention sera de surcroît coordonné entre les princi- comme des domaines d’accidents prédominants au paux protagonistes et des mesures communes chapitre VI. L’analyse détaillée des accidents pour seront mises en œuvre, notamment dans le cadre ces sports révèle les éléments prédominants de programmes prioritaires et/ou de groupes de spécifiques à chacun d’eux. Etant donné que ces travail permanents. Si nécessaire, les efforts en ce cinq réalisés sens seront intensifiés. Les coopérations et les simultanément, les années d’accident examinées échanges internationaux constituent également varient parfois. Mais comme l’accidentalité est des éléments essentiels du travail de prévention. chapitres n’ont pas été généralement considérée sur une période de cinq ans, on peut admettre que les résultats n’auraient 2.3 La population suisse et le sport pas été sensiblement différents si l’on avait tenu compte des chiffres les plus récents. Des enquêtes récentes de l’Office fédéral du sport (OFSPO) permettent d’obtenir une image représen- Les principaux facteurs de risque sont ensuite dé- tative du comportement de la population résidante gagés. On en déduit une liste de mesures de pré- suisse en matière de sport. La moitié environ des vention qui se voient attribuer l’appréciation 15–74 ans fait du sport plusieurs fois par semaine «recommandée» ou «vivement recommandée» en voire quotidiennement, 17% au moins une fois par fonction de trois critères: efficacité, économicité et semaine et 6% seulement de temps en temps. En applicabilité. revanche, plus du quart (27%) est inactif physiquement. Puis, ces recommandations pour la prévention sont affectées aux cinq domaines suivants: recherche, 16% des enfants pratiquent des activités physiques formation, conseil, communication et coopération. en dehors de l’enseignement obligatoire de Les ressources disponibles à l’avenir et les possibili- l’éducation physique et du sport pendant au moins tés des différents partenaires détermineront quelles 1 heure par jour en moyenne, 31% pendant plus mesures seront mises en œuvre in fine et sous de 3 heures hebdomadaires. En d’autres termes, quelle forme. Par ailleurs, toutes les mesures de les enfants sont, pour près de la moitié, très actifs prévention ad hoc ayant déjà fait leurs preuves physiquement et font du sport plusieurs fois par doivent absolument être poursuivies. semaine en sus des leçons de gymnastique, pendant 3 à 7 heures au total. 39% s’adonnent à Les recommandations quant aux activités de re- des cherche et de coopération ne sont pas déduites de hebdomadaires au plus. Par contre, 14% ne font l’analyse d’interventions, mais se fondent sur des pas de sport en dehors de l’enseignement réflexions stratégiques en vue d’un travail de pré- obligatoire. 13% des enfants interrogés indiquent bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 activités physiques pendant 3 heures Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 43 ne faire ni vélo ni natation, même occasionnellement. 2.4 Accidentalité Les 300 000 personnes qui se blessent en pratiquant un sport se répartissent sur moult activités physiques (Tableau 1), dont certaines se démarquent en raison d’un nombre important de cas ou d’une issue fatale. En Suisse, près de 180 personnes subissent chaque année un accident mortel en faisant du sport (Tableau 2). Un peu moins du tiers d’entre elles est domicilié à l’étranger. En analysant la fréquence et la gravité des blessures d’origine sportive, on constate que la majorité des accidents se produit lors de la pratique du football, des sports de neige (ski, snowboard ou luge) ou du vélo hors des routes (Tableau 1), alors que les sports de montagne (surtout la randonnée en montagne, l’alpinisme, le ski de randonnée et le hors-piste) et les sports aquatiques (noyades) occasionnent souvent des accidents mortels. S’agissant des noyades, il faut considérer toutes les activités dans, au bord ou sur l’eau, car seuls les deux-tiers des cas concernent les sports aquatiques. Aussi, les sports de neige, le vélo pratiqué hors des routes, les sports de montagne, les sports aquatiques (noyades) et le football constituentils les poids lourds de l’accidentalité et donc les principaux domaines d’action pour la prévention des accidents de sport. 44 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tableau 1 Blessés selon le type de sport, 2000–2008 2000 Groupe de sports / sport Football 50 650 42 760 Ski alpin (y c. ski de randonnée) 25 950 Vélo, VTT (hors trafic routier) Snowboard 24 500 Luge 5 740 Baignade, natation 9 100 5 460 Randonnée en montagne Volley-ball 8 560 12 210 Roller, patin à roulettes 7 630 Gymnastique aux agrès 5 110 Course à pied, jogging 5 350 Hockey sur gazon, rink-hockey, unihockey Sports équestres 6 260 Hockey sur glace 6 290 Basket-ball 6 140 5 600 Patinage, patinage artistique 4 950 Sports de combat (y c. self-défense) Hand-ball 5 720 3 850 Gymnastique, fitness, aérobic Athlétisme 2 720 Tennis 4 010 Badminton 2 530 1 380 Navigation (à rames, voiles, moteur) 1 140 Jeux de boules, sports de lancer, de frappe Squash 1 820 Parapente 600 Divers sports et jeux 24 970 Total 281 000 Source: bpa, extrapolation bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 2005 2007 50 480 43 660 56 700 40 180 2008 Ø 2004– 2008 57 580 54 300 43 210 43 210 32 490 34 910 34 150 33 150 24 510 11 210 8 960 8 140 22 700 7 820 9 180 9 820 24 760 11 580 9 390 8 860 24 460 10 080 9 140 8 660 8 430 9 270 8 680 8 620 8 810 5 700 8 610 8 430 7 680 8 750 8 570 8 170 6 560 8 120 8 860 7 730 6 220 7 060 7 480 6 760 6 650 6 380 5 880 5 240 6 960 6 050 6 000 5 640 6 650 6 320 5 890 5 680 6 590 6 430 5 930 5 410 4 640 5 320 5 420 5 210 5 280 3 860 5 290 3 820 4 760 4 030 5 090 3 950 3 780 3 140 2 500 1 750 3 640 3 610 2 470 1 070 3 980 3 340 2 610 1 450 3 790 3 360 2 700 1 610 1 170 1 460 1 470 1 430 1 320 1 160 1 050 1 250 420 490 490 460 24 380 28 480 27 910 26 290 294 000 304 000 310 000 302 200 Tableau 2 Tués selon le sport et le pays de résidence (lieu de l’accident: Suisse), Ø 2004–2008 Sport Ø 2004–2008 Etranger Suisse Sports de montagne Alpinisme 17 17 Escalade 2 4 Randonnée en montagne 9 32 Autres sports de montagne 0 1 Total sports de montagne 28 54 Sports d’hiver Ski alpin 2 6 Ski de randonnée 4 8 Ski hors-piste 5 4 Snowboard 0 1 Snowboard hors-piste 3 3 Raquettes 0 1 Autres sports d’hiver 0 1 Total sports d’hiver 14 24 Sports aquatiques Baignade, natation 3 13 0 5 Navigation (à rames, voiles, moteur) Plongée 1 3 Total sports aquatiques 4 21 Sports aériens Vol à voile 1 3 Parapente 1 6 Base jump 2 0 Autres sports aériens 0 1 Total sports aériens 4 10 Divers sports Randonnée, promenade 1 7 Chasse 0 4 Sports équestres 0 2 Course automobile 0 1 Autres sports 1 4 Total divers sports 2 18 Total 52 127 Total 34 6 41 1 82 8 12 9 1 6 1 1 38 16 5 4 25 4 7 2 1 14 8 4 2 1 5 20 179 Source: bpa, statistique des accidents de sport mortels Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 45 2.5 Sports de neige bien plus fréquemment que les sportifs avancés/chevronnés. Indépendamment de cela, les enfants et les jeunes ont le risque de blessures le 2.5.1 Ski et snowboard plus élevé. En nombre, les jeunes adultes forment Quelque 1,71 million de skieurs et 0,35 million de par ailleurs un groupe de taille dans l’accidentalité. snowboarders entre 10 et 75 ans domiciliés en Les snowboarders se blessent le plus souvent aux Suisse jouissent des joies des sports de neige sur les poignets, aux mains ainsi qu’au niveau des épaules pistes, auxquels s’ajoutent des enfants de moins de et de la partie supérieure des bras, alors que le tiers 10 ans et des seniors de plus de 75 ans dont le environ des skieurs accidentés se blesse aux ge- nombre ne peut pas être déterminé. noux. Les enfants et les jeunes ont plus de risque de se blesser à la tête ou au visage que les adultes Caractéristiques de l’accidentalité (Tableau 3). Environ 70 000 personnes domiciliées en Suisse se Principaux facteurs de risque blessent chaque année sur les pistes helvétiques ou étrangères. S’y ajoutent quelque 30 000 touristes Le comportement des sportifs joue un rôle majeur étrangers blessés sur les pistes suisses. 6 personnes dans l’accidentalité (Tableau 4). Le risque de colli- en moyenne se tuent annuellement sur les pistes sion est perçu comme très élevé, mais le fait est en Suisse. Les 25 accidents mortels recensés que dans plus de 90% des accidents, la personne chaque année lors de la pratique du ski/snowboard blessée est la seule impliquée. Pour ce qui est des de randonnée ou du hors-piste sont traités au cha- facteurs humains, l’augmentation du risque est pitre «Sports de montagne». surtout due à une conscience insuffisante des dangers et à un manque de capacité d’autorégulation En raison d’un manque de savoir-faire, les per- – son corollaire étant une vitesse excessive. Une sonnes débutantes/inexpérimentées se blessent préparation physique insuffisante et un état phy- Tableau 3 Ski et snowboard: caractéristiques de l‘accidentalité Qui? Débutants / inexpérimentés Adolescents et jeunes adultes Enfants Quoi? Skieurs: genoux Ceinture scapulaire Tête Snowboarders: poignets Comment? Situation ordinaire Ski: chute arrière avec rotation Snowboard: chute arrière Saut Collision Tableau 4 Ski et snowboard: principaux facteurs de risque pour les blessures Liés à l'être humain Manque de conscience des dangers et de capacité d'autorégulation Vitesse excessive Condition physique insuffisante Savoir-faire technique insuffisant Etat physiologique défavorable (surtout fatigue, alcool) 46 Liés à l'environnement / équipement Aménagement des pistes / snowparks Fixations de ski mal réglées ou inefficaces Protège-poignets absents ou inefficaces Pas d'équipement de protection (surtout casque, lunettes de vue/lentilles) Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 siologique défavorable (notamment fatigue et Conseil: Les pistes devraient être lisibles et tolérer alcool) sont aussi d’une grande importance. les erreurs humaines. Des mesures constructives et la signalisation doivent permettre de minimiser les Des insuffisances dans la sécurisation, la prépara- différences de vitesse entre les usagers des pistes, tion, le balisage ou l’exploitation des pistes et des d’optimiser le champ de vision, d’obtenir des tracés snowparks peuvent faire progresser le risque de pistes simples, compréhensibles et agréables d’accident et aggraver les conséquences des pour les utilisateurs, de réduire le nombre chutes. Or, les chutes sont indissociables des sports d’endroits conflictuels et d’offrir une protection de neige. Un équipement de protection absent ou physique. insuffisant (surtout casque, protège-poignets pour les snowboarders), des fixations de ski mal réglées Communication: Les pratiquants de sports de ou inefficaces font aussi progresser le risque de neige devraient notamment être sensibilisés à un blessures. meilleur contrôle du risque et incités à entraîner leur force et leur coordination avant la saison d’hiver, à faire des pauses en suffisance, à porter Recommandations pour la prévention un casque de sports de neige et des protègeLe processus d’évaluation livre les recommanda- poignets, et à optimiser leur équipement (p. ex. tions pour la prévention suivantes, classées selon fixations de ski réglées correctement, port des les principaux domaines (Tableau 5). lunettes de vue/lentilles). Formation: Les thèmes suivants, en particulier, devraient être traités dans les cours de sports de neige, à l’école ou dans les clubs: conscience des dangers et capacité d’autorégulation, vitesse, comportement dans les snowparks, récupération, condition physique et port des équipements de protection individuelle. Les spécialistes dans les magasins d’articles de sport devraient bénéficier de formations sur les nouvelles connaissances quant aux équipements de protection et au matériel. Tableau 5 Ski et snowboard: recommandations pour la prévention Recherche Formation Conseil Communication Coopération Recherche accidentologique Gestion des connaissances Statistique des transports de blessés Enquête sur le comportement relatif aux mesures de protection individuelle Etude sur les protègepoignets Etude sur l'ensemble fixation de ski-chaussure Thème «conscience des dangers / capacité d'autorégulation» Thème «équipement de protection / matériel de sport» Sécurité des domaines skiables Aménagement des pistes / snowparks Sécurité des produits Contrôle du risque / règles de comportement Condition physique et état physiologique Savoir-faire technique Port des équipements de protection Equipement optimal Lunettes de vue / lentilles Programme prioritaire «sports de neige» du bpa Commission suisse pour la prévention des accidents sur les descentes pour sports de neige (SKUS) Echanges internationaux bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 47 2.5.2 Luge Principaux facteurs de risque Luger est une activité de loisirs populaire en Suisse. Une conscience insuffisante des dangers est sou- La plupart des enfants lugent au moins de temps vent citée comme cause d’accident. De nombreux en temps, souvent accompagnés de leurs parents accidentés n’ont pas les connaissances leur permet- ou d’autres personnes. Depuis quelques années, les tant d’adopter un comportement sûr en lugeant. adultes apprécient toujours davantage ce sport, Les accidents qui occasionnent des blessures résul- qu’ils pratiquent essentiellement sur des chemins à tent souvent aussi d’une perte de contrôle de la vocation commerciale. luge par manque de maîtrise des techniques de guidage et de freinage (Tableau 7). Caractéristiques de l’accidentalité Les endroits dangereux sur les pistes de luge donblessent nent lieu à des accidents. Pratiquer la luge sur des chaque année en faisant de la luge; environ 60% engins inadaptés ou en étant insuffisamment d’entre eux sont des enfants ou des jeunes jusqu’à équipé augmente considérablement le risque de 16 ans. Les femmes aussi sont relativement sou- collision ou de chute. Nombre de lugeurs ne por- vent accidentées en lugeant et s’en tirent souvent tent pas de casque de sports de neige, qui permet- avec des blessures graves (Tableau 6). Les accidents trait pourtant d’amoindrir les conséquences des sont, pour une large part, des collisions avec des chutes ou des collisions. Une consommation exces- objets en mouvement (p. ex. autres lugeurs, véhi- sive d’alcool ou d’autres substances psychotropes cules) ou immobiles (p. ex. arbres, poteaux, murs). altère la vitesse de réaction et la perception du Nombre de blessures résultent aussi d’une chute. risque. Quelque 10 000 résidents suisses se La majorité des accidents mortels sont des collisions, souvent avec un véhicule. Tableau 6 Luge: caractéristiques de l‘accidentalité Qui? Quoi? Enfants et jeunes (< 16 ans) Femmes Comment? Commotions cérébrales Elongations, entorses et fractures aux extrémités inférieures Contusions au tronc Collisions avec un objet Collisions avec un véhicule Chutes Tableau 7 Luge: principaux facteurs de risque pour les blessures Liés à l'être humain Manque de conscience des dangers et de capacité d'autorégulation Manque de connaissances Maîtrise insuffisante des techniques de pilotage 48 Liés à l'environnement / équipement Surveillance insuffisante des enfants Défaut de sécurité sur les pistes et dans les parcs de luge: endroits dangereux / gestion de la vitesse Equipement insuffisant ou engin inapproprié Pas de casque Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Communication: Des efforts d’information sont Recommandations pour la prévention nécessaires pour sensibiliser les parents à une surLes possibilités de prévention suivantes, classées veillance accrue des enfants et inciter l’ensemble selon les principaux domaines, permettent de ré- des lugeurs à utiliser le bon matériel, à porter un duire le risque de blessures lors de la pratique de la casque, à faire preuve de modération avec l’alcool luge (Tableau 8). et à adopter un comportement sûr en lugeant. Formation: Les lugeurs, enfants ou adultes, devraient apprendre à adopter un comportement sûr, à utiliser correctement le bon matériel et à maîtriser les techniques de pilotage dans des cours. La prise de conscience des risques et l’élaboration de stratégies d’autorégulation devraient toujours faire partie intégrante de ceux-ci. Conseil: La construction, l’entretien et l’exploitation de pistes et parcs de luge préparés, balisés et sécurisés devraient répondre à des exigences de sécurité uniformes dans toute la Suisse. De même, dans les communes, il faudrait optimiser la sécurité des pentes très fréquentées par les lugeurs, mais qui ne sont ni préparées ni balisées. Un gain de sécurité supplémentaire pourrait être obtenu en définissant et introduisant des règles comportementales uniformes pour la pratique de la luge. Des mesures légales devraient par ailleurs garantir que seul du matériel conforme aux exigences de sécurité soit présent sur le marché suisse. Tableau 8 Luge: recommandations pour la prévention Recherche Recherche accidentologique Gestion des connaissances Statistique des transports de blessés Enquête sur le comportement relatif aux mesures de protection individuelle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Formation Thème «conscience des dangers / capacité d'autorégulation» Thème «équipement de protection / matériel de sport» Conseil Aménagement des pistes / parcs de luge Sécurité des produits Communication Surveillance des enfants jusqu'à 8 ans Règles de comportement Consommation d'alcool Equipement fonctionnel et engin approprié pour luger Coopération Programme prioritaire «sports de neige» du bpa Commission suisse pour la prévention des accidents sur les descentes pour sports de neige (SKUS) Echanges internationaux Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 49 2.6 Vélo hors des routes trafic routier ne font pas l’objet de cette analyse. Les blessures dominantes touchent la tête chez les Deux groupes sont concernés: d’une part, les vété- enfants, la ceinture scapulaire/la partie supérieure tistes, essentiellement des adultes, qui pratiquent des bras chez les hommes et les genoux chez les leur sport sur les chemins de randonnée, les itiné- femmes. Chez tous, la part des blessures aux raires et installations pour VTT ou dans des terrains poignets, aux mains ou aux doigts est élevée. Les sans chemins; d’autre part, les enfants qui appren- accidents se produisent en majorité sur des sentiers nent à rouler ou jouent avec leur vélo autour de la (singletrails). Le risque de blessures est toutefois maison ou sur les places et les chemins hors de sensiblement accru sur les pistes de descente. l’espace routier. 6% des 15–74 ans citent le VTT L’accidentalité des jeunes enfants qui apprennent à parmi les activités sportives qu’ils pratiquent. 58% faire du vélo autour de la maison voire à l’intérieur des enfants et des jeunes indiquent faire réguliè- de l’appartement n’est guère documentée pour la rement du vélo ou du VTT, sans que l’on sache Suisse. cependant s’ils roulent hors des routes. On peut en revanche admettre que la quasi-totalité des jeunes Principaux facteurs de risque enfants apprend à faire du vélo à l’écart des routes. Pour le VTT, les blessures font généralement suite à des accidents que les vététistes ont causé eux- Caractéristiques de l’accidentalité mêmes (chutes, collisions avec des objets). Le Les accidents de vélo/VTT pratiqué hors des routes manque de concentration lors de la pratique tech- occasionnent quelque 9000 blessés annuels au niquement exigeante du VTT dans le terrain ou sur total. On observe une multiplication des cas chez des chemins non stabilisés est un facteur de risque les hommes entre 26 et 45 ans. Les enfants et les majeur (Tableau 10). De même, les sportifs sont jeunes (< 17 ans) représentent le tiers des blessés insuffisamment conscients de leur manière risquée (Tableau 9). Les accidents qui se produisent dans le de rouler et des conséquences en termes de bles- Tableau 9 Vélo hors des routes: caractéristiques de l‘accidentalité Qui? Hommes (26–45 ans) Jeunes enfants Quoi? Comment? Tête, crâne, cerveau Ceinture scapulaire / partie supérieure des bras (hommes) Poignets / mains / doigts Genoux (femmes) Tour de VTT sur sentier Descente Jeunes enfants: apprentissage du vélo Tableau 10 Vélo hors des routes: principaux facteurs de risque pour les blessures Liés à l'être humain Inattention / distraction Manque de conscience des dangers et de capacité d'autorégulation Etat physiologique défavorable Préparation insuffisante de la sortie Technique lacunaire 50 Liés à l'environnement / équipement Aménagement des itinéraires / installations pour VTT Absence de port de l'équipement de protection (surtout casque) Vélo inadapté ou défauts techniques Dynamique de groupe défavorable Jeunes enfants: encadrement insuffisant Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 sures. En cas de comportement risqué, d’autres facteurs intrapersonnels comme la Recommandations pour la prévention capacité d’autorégulation jouent un rôle prépondérant. A Formation: Pour les débutants (même s’ils pro- plusieurs, des processus liés à la dynamique de viennent d’autres sports) et les vététistes peu che- groupe peuvent p. ex. inciter les cyclistes à prendre vronnés, il est recommandé de suivre un cours sur davantage de risques. Dans le terrain, une tech- les connaissances nécessaires à la pratique sûre du nique lacunaire, une préparation insuffisante des VTT, sur la conscience des dangers et la capacité sorties de même qu’un épuisement généralisé et la d’autorégulation, les techniques de guidage et de chute des performances physiologiques sur les freinage ainsi que la préparation des sorties longs tours ou en cas d’entraînement intensif ont (Tableau 11). également des effets négatifs. Les vététistes ont rarement la possibilité de planifier une sortie en Conseil: Il s’agit d’uniformiser le marquage, la fonction de leurs propres capacités, car la signalisa- signalisation, les degrés de difficulté et les informa- tion et le marquage des dangers font souvent tions sur les itinéraires et installations pour VTT, et défaut sur les itinéraires existants, si bien qu’ils se de veiller à leur mise en œuvre. mettent inutilement dans des situations critiques. Si l’équipement de protection préconisé n’est en Communication: Les efforts de communication outre pas porté, les chutes ou collisions donnent devraient porter sur les thèmes suivants: concentra- davantage lieu à des blessures. Chez les jeunes tion, conscience des dangers et capacité d’auto- enfants qui apprennent à faire du vélo ou qui sont régulation, état physiologique, équipement de encore peu rompus à cette activité, le risque de protection, préparation des sorties, achat et blessures est considérablement accru en l’absence entretien du VTT. Les parents ou autres personnes d’encadrement. encadrant les enfants devraient être informés sur la façon d’adapter l’apprentissage du vélo aux petits, sur l’équipement approprié et l’importance de l’accompagnement pour la sécurité des enfants. Tableau 11 Vélo hors des routes: recommandations pour la prévention Recherche Recherche accidentologique Gestion des connaissances bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Formation Thème «conscience des dangers / capacité d'autorégulation» Cours de technique de guidage / freinage Gestion des sorties à VTT Conseil Sécurité des produits: - vélos adaptés aux enfants - équipement de protection Aménagement des itinéraires, sentiers et installations pour VTT Communication Facteurs: - Concentration - capacité d‘autorégulation - état physiologique Port de l'équipement de protection Préparation des sorties Choix du bon vélo et entretien Apprentissage du vélo adapté aux enfants Coopération Programme prioritaire «vélo / VTT» du bpa Groupe d'experts «sécurité de la pratique du VTT» Echanges internationaux Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 51 2.7 Sports de montagne pratiquent les sports de montagne de manière indépendante. Pas étonnant dès lors que les deux La randonnée compte parmi les sports les plus déroulements d’accidents les plus typiques – chute populaires dans les pays de l’arc alpin. En Suisse, dans le vide lors d’une randonnée en montagne ou «randonnée, marche, randonnée en montagne» d’une sortie d’alpinisme en été et ensevelissement pointe au deuxième rang des sports les plus prati- par une avalanche pendant une randonnée à qués. Les sports de montagne font partie des poids ski/snowboard ou en hors-piste durant l’hiver – lourds de l’accidentalité, en raison d’un nombre soient les causes de mortalité prédominantes relativement élevé d’accidents graves ou mortels. (Tableau 12). Ils comprennent les sports de montagne estivaux (randonnée en montagne, alpinisme, escalade, y Principaux facteurs de risque compris vias ferratas) et hivernaux (ski et snowboard de randonnée, raquette, hors-piste, escalade Les facteurs de risque significatifs varient selon le glaciaire) ainsi que le canyoning et la spéléologie. sport de montagne. C’est pourquoi il est difficile de faire un commentaire général pour l’ensemble de Compte tenu de l’état des données, l’analyse met ces sports. Des compétences insuffisantes face au l’accent sur les accidents mortels. D’une part, leur risque sont la cause de la plupart des accidents. nombre relativement élevé fait des sports de mon- Elles incluent la capacité à identifier les dangers tagne un axe de prévention prioritaire; d’autre potentiels (compétence perceptive) et à les appré- part, leur prévention permet potentiellement aussi cier correctement (compétence d’évaluation) ainsi d’éviter les accidents graves. que la capacité à prendre des décisions dans le souci de la sécurité (compétence décisionnelle) et à les concrétiser par des actions ciblées (compétence Caractéristiques de l’accidentalité d’action) (Tableau 13). Les facteurs de risque Un peu moins de 11 000 résidents suisses sont accidentés chaque année si grièvement en pratiquant un sport de montagne hivernal ou estival extrinsèques comme les dangers naturels ou l’infraTableau 13 Sports de montagne: principaux facteurs de risque des accidents mortels qu’ils doivent se soumettre à un traitement médical. En moyenne quinquennale, quelque 120 personnes perdent la vie en Suisse lors de la pratique de sports de montagne, dont 32 en hors-piste; 45 tués sont des touristes étrangers. Les blessures Liés à l'être humain Manque de compétence perceptive Préparation insuffisante Manque de compétence d'évaluation Manque de compétence décisionnelle Manque de compétence d'action Maîtrise insuffisante des techniques d'assurage / d'encordement mortelles concernent surtout des hommes qui Tableau 12 Sports de montagne: caractéristiques de l‘accidentalité Qui? Hommes (> 20 ans) Personnes pratiquant les sports de montagne de manière indépendante Touristes étrangers 52 Quoi? Chute de plain-pied / dans le vide Avalanche Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Comment? Randonnée en montagne Alpinisme Randonnée à ski / snowboard / raquette bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 structure jouent un rôle mineur dans les sports de pour l’adoption d’un comportement sûr. Cela de- montagne, dans la mesure où ils sont évalués vrait inciter les pratiquants de sports de montagne correctement par les pratiquants. à être moins insouciants et à préparer leurs sorties avec soin. Il s’agit, si possible, de les amener à réduire leur propension au risque et à prévoir une Recommandations pour la prévention marge de sécurité, en particulier les pratiquants du Les mesures recommandées sur la base de ce qui précède peuvent être classées selon hors-piste. quatre Coopération: Dans le cadre d’échanges interna- domaines thématiques (Tableau 14). tionaux avec les organismes spécialisés étrangers, sur on s’emploiera à faire en sorte que les messages de l’amélioration des compétences décisionnelle et prévention touchent également les touristes étran- d’action, en particulier dans les cours relatifs aux gers – dans l’idéal déjà dans leur pays de domicile. Formation: L’accent devrait être mis avalanches. Le contrôle du partenaire ou un «deuxième avis» pourrait par ailleurs être introduit dans toutes les formations. Conseil: Davantage d’outils simples devraient être disponibles pour l’autoévaluation. Des aides à la préparation, telles que des listes de contrôle, peuvent aussi être utilisées à titre individuel. L’expérience devrait être acquise dans un espace protégé (p. ex. pour les pratiquants de sports de neige). Communication: Des efforts d’information et de sensibilisation devraient être consentis en vue d’une (meilleure) prise de conscience des dangers, p. ex. par le biais de comptes rendus d’analyses d’accidents et, sur cette base, de recommandations Tableau 14 Sports de montagne: recommandations pour la prévention Recherche Formation Conseil Communication Coopération Recherche accidentologique bpa / CAS Gestion des connaissances Etude sur les accidents / presqu'accidents Cours sur les avalanches (surtout compétences décisionnelle et d'action) Contrôle du partenaire Autoévaluation Espace protégé pour les pratiquants de sports de neige Aides à la préparation, listes de contrôle Conscience des dangers Préparation des sorties Propension au risque Programme prioritaire «sports de montagne» du bpa Groupe d'experts «sécurité de la pratique des sports de montagne» Equipe pour une formation de base sur les avalanches Echanges internationaux bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 53 2.8 Sports aquatiques (noyades) de la route. Du fait du besoin de protection accru des enfants, leurs accidents revêtent une impor- Les activités sportives ou ludiques dans, au bord ou tance majeure. Par rapport à la population totale, sur l’eau comptent parmi les loisirs les plus popu- les noyades touchent surtout les hommes entre 15 laires dans la population suisse. Elles présentent et 24 ans, et ceux de plus de 65 ans (Tableau 15). toutefois un risque de blessures voire de noyade. Elles se produisent généralement dans des eaux La présente analyse ne met pas l’accent sur les libres, mais aussi dans des piscines publiques. personnes atteintes de blessures légères ou de Principaux facteurs de risque gravité moyenne, pourtant au nombre de plusieurs milliers, mais sur les noyades mortelles, qu’elles se sports Il n’est pas vraiment possible d’influencer de ma- aquatiques, lorsque les enfants jouent, dans les nière significative certains facteurs de risque accidents de la route, en bricolant ou dans un comme le sexe (masculin) ou l’âge (enfants). Ils cadre professionnel. sont néanmoins d’importance pour le choix des produisent lors de la pratique des groupes cibles et la formulation des stratégies de prévention adéquates. Le Tableau 16 présente les Caractéristiques de l’accidentalité principaux facteurs de risque. Le comportement 43 personnes en moyenne, dont 7 domiciliées à individuel lors des activités dans (p. ex. nager ou l’étranger, se noient chaque année en Suisse. Les plonger tout seul ou en n’étant pas en bonne accidents se produisent pour la plupart lors de la forme physique), au bord (p. ex. conscience insuffi- pratique sante des dangers) ou sur l’eau (consommation sportive de loisir (surtout nata- d’alcool en bateau) a une importance majeure. tion/baignade; navigation à rames, voile, moteur; plongée), mais aussi pendant les leçons d’éducation physique et de sport, durant le sport En outre, des facteurs relevant de l’infrastructure militaire, pendant les activités de loisirs à la maison, (piscine insuffisamment sécurisée) ou de l’équi- en bricolant ou comme conséquences d’accidents pement (pas de gilet de sauvetage) peuvent avoir Tableau 15 Sports aquatiques (noyades): caractéristiques de l’accidentalité Qui? Enfants (0–9 ans) Hommes (≥ 16 ans) Aînés Où? Quoi? Eaux libres stagnantes Eaux en mouvement Piscines publiques Baignade / natation dans des eaux libres Navigation (à voiles, rames, moteur) Plongée Tableau 16 Sports aquatiques (noyades): principaux facteurs de risque Liés à l'être humain Manque de conscience des dangers et de capacité d'autorégulation Consommation d'alcool Natation ou plongée en solo Etat physiologique ou sanitaire défavorable 54 Liés à l'environnement / équipement Manque / absence de surveillance des enfants Pas de gilet de sauvetage Pas de compétences en matière de sauvetage Force du courant Piscine non sécurisée Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 une influence déterminante sur le risque. Par son. La carte interactive des cours d’eau pour ailleurs, une surveillance lacunaire des enfants au les pratiquants de sports aquatiques devrait tou- bord de l’eau est le seul facteur de risque commun jours être à jour et véhiculer aussi des messages de à la quasi-totalité des noyades d’enfants. prévention (surtout concernant l’équipement de protection). Recommandations pour la prévention Communication: Des efforts d’information doiParmi les recommandations pour la prévention, il vent être consentis pour que les parents, les ac- convient de souligner en particulier les suivantes compagnateurs d’enfants et les maîtres-nageurs (Tableau 17). soient conscients que l’impératif pour éviter les noyades est une surveillance incessante des en- Formation: Il s’agit d’épauler les cantons (notam- fants. Les pratiquants de sports aquatiques de- ment par des outils didactiques) afin qu’ils mettent vraient être rendus encore mieux attentifs à la en place des standards de sécurité uniformes dans nécessité d’être en bonne forme physique et aux leurs écoles pour la pratique des sports aquatiques conséquences et qu’ils forment les enseignants en conséquence. mauvais comportement dans l’eau. La communica- Tous les enfants doivent apprendre à nager, mais tion quant au comportement soucieux de la sécu- l’accent doit avant tout être mis sur la conscience rité tel qu’il est résumé dans les règles de la des dangers, la capacité d’autorégulation et la ca- baignade, pacité à se secourir soi-même. La formation (de comportement sur la glace et de la plongée libre, base et continue) des sauveteurs reste un élément doit être mieux adaptée au groupe cible. Il s’agit important de la prévention secondaire. d’appeler la population à renoncer à l’alcool, à de potentiellement comportement tragiques en rivière, d’un de renoncer à nager ou à plonger seul et à porter un Conseil: Il faut poursuivre les efforts visant à ren- gilet de sauvetage en bateau. forcer la sécurité constructive des piscines publiques et privées ainsi que des pièces et cours d’eau de petite taille. Il en va de même des activités en faveur de la sécurité des produits (notamment aides à la flottaison, gilets de sauvetage) et de la mise au point d’une aide automatique à la flottaiTableau 17 Sports aquatiques (noyades): recommandations pour la prévention Recherche Recherche accidentologique bpa/SSS Gestion des connaissances bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Formation Conseil Communication Coopération Thème «conscience des dangers / capacité d'autorégulation» Capacité à se secourir soimême et à secourir les autres Piscines: aménagement et exploitation Sécurité des produits Détection subaquatique Aide automatique à la flottaison Carte indicative des dangers des eaux Surveillance des enfants Natation en solo Plongée en solo En forme pour aller dans l'eau Alcool Gilet de sauvetage Programme de sécurité aquatique du bpa Echanges internationaux Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 55 2.9 Football Principaux facteurs de risque Le football est l’un des sports les plus pratiqués en Les blessures antérieures comptent parmi les prin- Suisse. 7,5% des 15–74 ans et 54,8% des 10– cipaux facteurs de risque (Tableau 19). De même, 14 ans y jouent au moins sporadiquement. Les un manque de condition physique ou des déficits hommes entre 15 et 29 ans constituent la plus de la coordination augmentent fortement le risque grande partie des pratiquants. de blessure. Caractéristiques de l’accidentalité Le constat est le même si, chez les enfants, on ne tient pas compte de leur stade de développement Chaque année, quelque 54 000 personnes (dont ou qu’on augmente trop rapidement la charge 94% d’hommes) doivent recevoir un traitement d’entraînement. Les déficits présentés par l’entraî- médical à la suite d’une blessure subie au football. nement sont, entre autres, un manque de L’analyse de la fréquence des blessures selon l’âge conception globale de tous les facteurs significatifs révèle une augmentation continue jusqu’à la ayant trait à la condition physique et à la tranche d’âge des 26–45 ans. Outre les enfants et coordination ainsi qu’une trop grande sollicitation. les adolescents, les hommes jusqu’à un âge moyen De même, l’équipement – absent ou insuffisant – constituent donc un important groupe à risque peut faire progresser le risque. Les blessures sont (Tableau 18). bien plus nombreuses en compétition qu’à l’entraînement. Le respect des règles de fair-play Les footballeurs subissent surtout des blessures aux ainsi que leur application conséquente par les ar- extrémités inférieures (près de 70%), notamment bitres jouent un rôle majeur à cet égard. La surface des entorses ou des claquages, mais aussi des con- de jeu mais aussi l’environnement du terrain tusions aux pieds ou aux orteils. peuvent induire un risque accru de blessures lorsque le football est pratiqué à l’entraînement, Tableau 18 Football: caractéristiques de l’accidentalité Qui? Hommes (26–45 ans) Enfants et jeunes Quoi? Comment? Localisation des blessures: bas des jambes, pieds, chevilles, genoux Types de blessures: élongation des ligaments, déchirures (ligaments / tendons / ménisque), claquage, contusions Par contact avec l'adversaire Sans l'action d'un adversaire: réception après un saut ou brusque changement de direction Tableau 19 Football: principaux facteurs de risque pour les blessures Liés à l'être humain Blessures antérieures (blessure à répétition) Déficits en termes de condition physique et de coordination Jeu agressif de la personne elle-même Degré de maturité 56 Liés à l'environnement / équipement Pendant une compétition / un match Respect insuffisant des règles / règles de fair-play Déficits de l'entraînement Etat du terrain Equipement absent ou insuffisant Absence de stabilisation de la cheville après une blessure Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 dans le cadre scolaire, dans des tournois à six ou Conseil: A l’achat, les sportifs mais aussi les en- d’une autre manière pendant les loisirs, dans les traîneurs, les enseignants et les parents devraient conditions météorologiques les plus diverses. Le être mieux informés de l’équipement optimal pour choix de l’équipement, en particulier des chaus- chaque individu et chaque âge (chaussures, sures et des protège-tibias, permet de réduire le protège-tibias, orthèses de cheville, balles). Le tra- risque. Les footballeurs qui ne portent pas vail de conseil en vue de la sécurité des installations d’orthèse après une blessure à la cheville présen- sportives doit être poursuivi. tent un risque sensiblement accru de blessure à la Communication: Les footballeurs doivent être même partie du corps. davantage sensibilisés au risque qui découle d’une blessure antérieure. Il serait souhaitable que la Suva Recommandations pour la prévention poursuive sa campagne de prévention en partenaLes recommandations suivantes résultent de riat avec l’Association suisse de football. Les footballeurs non affiliés à un club devraient eux aussi l’analyse d’interventions (Tableau 20). bénéficier de programmes de prévention pourvus Formation: La formation des entraîneurs devrait d’une approche multifactorielle. La communication davantage souligner que, dans la pratique du foot- devrait ball chez les enfants et les jeunes, des règles adap- l’importance du fair-play pour la sécurité du jeu – tées à l’âge ou au stade de développement et en termes de blessures touchant tant les autres axées sur les aptitudes ou le niveau de perfor- que soi-même. Les entraîneurs et les enseignants mance peuvent contribuer à désamorcer les situa- devraient par ailleurs prendre conscience de la tions dangereuses (p. ex. duels en cas de grand manière de lutter contre un risque accru dans le écart de force, de taille ou de performance). cadre des compétitions et autres formes de jeu de L’importance, pour la prévention des blessures, de même nature, grâce à une préparation et à une la stricte mise en application de ces règles doit être direction adéquates. par ailleurs davantage traiter de communiquée dans la formation des multiplicateurs (ligue de football, entraîneurs, sport scolaire). Tableau 20 Football: recommandations pour la prévention Recherche Recherche accidentologique Gestion des connaissances Etude «prévention chez les enfants» Analyse de thèmes prédominants bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Formation Règles et conventions adaptées à la situation Stricte mise en application des règles Degré de maturité des enfants Structure de l'entraînement Conseil Equipement: - chaussures - protège-tibias Orthèse de cheville Terrain de jeu Communication Blessures antérieures Déficits en termes de condition physique, de coordination Fair-play Compétition / match Coopération Programme footballistique à l'intention des enfants et des jeunes Echanges internationaux Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 57 2.10 Conclusions La Suisse dispose désormais d’une analyse complète de la sécurité dans le sport et donc, pour les décideurs, d’une base de planification fiable pour la prévention des accidents de sport. L’ampleur de l’accidentalité est bien documentée et les poids lourds en la matière sont clairement identifiés: sports de neige, vélo hors des routes, sports de montagne, sports aquatiques (noyades) et football. En revanche, on n’a que peu d’informations détaillées sur le déroulement des accidents, soit sur les facteurs de risque. Quelques enquêtes suisses peuvent contribuer à l’analyse du risque, mais l’identification des facteurs de risque et de leur importance fait largement appel à la littérature scientifique et aux avis d’experts. Formuler des recommandations fondées scientifiquement n’est pas toujours possible en raison des importantes lacunes en termes de recherche, d’où le recours fréquent à l’avis d’un collège d’experts internes et externes au bpa. La présente analyse a ainsi clairement mis en évidence le besoin en matière de recherche pour les domaines d’accidents prédominants. Les recommandations pour la prévention spécifiques aux différents sports ne sont en général guère concrètes. La forme que devra et pourra prendre leur réalisation conjointement avec des partenaires sera déterminée plus précisément lors de la planification conceptuelle et du contenu ainsi que de la mise en œuvre, en partie lors d’échanges avec des partenaires de prévention potentiels. Quant aux mesures de prévention éprouvées, elles doivent être maintenues. 58 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3. Ricerca dell'incidentalità nello sport Nel presente rapporto vengono volutamente tralasciati i decessi dovuti agli infortuni cardiocircolatori, 3.1 Introduzione gli infortuni in seguito a sollecitazione eccessiva o alla conseguenza a lungo termine di infortuni precedenti. Praticare sport, camminare regolarmente o andare in bicicletta contribuiscono alla promozione della salute. L'upi si è posto l'obiettivo di impegnarsi ancora di più Gran parte degli svizzeri pratica sport, alcuni quasi a favore di una maggiore sicurezza nello sport, con- giornalmente, altri solo in modo sporadico. Un'attività centrandosi sugli infortuni con lesioni gravi e decessi. fisica intensa implica tuttavia sempre un potenziale rischio d'infortunio, che varia a seconda della disci- Il successo nella prevenzione fonda sì sulla cono- plina sportiva scelta e di come viene praticata. Di con- scenza dell'incidentalità, sull'elaborazione e attua- seguenza, può essere minimo o addirittura molto zione di misure basate sull'evidenza per evitare che elevato. questo tipo di infortuni accadano, ma un aspetto altrettanto importante è la valutazione corretta dei All'upi, Ufficio prevenzione infortuni, è stato conferito provvedimenti da adottare. il mandato legale di prevenire, oltre agli incidenti nell'ambito della circolazione stradale nonché do- Il presente dossier sicurezza «Ricerca dell'incidentalità mestico e del tempo libero, anche gli infortuni nello sport» illustra l'incidentalità in Svizzera, de- sportivi, inlcudendo nell'organizzazione delle atti- lucida i fattori di rischio e ne pondera la rilevanza vità altresì questo settore. Non solo l'upi ma, in per il contesto svizzero. Infine, presenta le misure per modo più o meno esplicito, tutte le istituzioni e per- aumentare la sicurezza. Poiché le raccomandazioni sone impegnate nell'ambito dello sport hanno il concrete si basano sulle condizioni quadro in Svizzera, dovere di attuare una costante prevenzione degli per la prima volta disponiamo di un'ampia analisi infortuni. della sicurezza per la Svizzera nello sport. L'approccio scientifico del dossier sicurezza vuole offrire ai decisori Ogni anno circa 300 000 sportivi residenti in Svizzera una base per pianificare la prevenzione degli infortuni subiscono un infortunio nel nostro Paese o all'estero, sportivi. riportando lesioni tali da richiedere un trattamento medico, circa 140 rimangono uccisi, di cui ca. 10 Le misure proposte nel presente rapporto sono state all'estero. Ai casi di decesso in Svizzera bisogna formulate anche in vista delle attività di diversi stake- aggiungere più o meno 50 ulteriori vittime prove- holder. I preziosi sforzi già messi in atto per la preven- nienti dall'estero, che muoiono in seguito a un infor- zione vengono così rafforzati e coordinati ancora tunio sportivo. Sussiste pertanto una notevole ne- meglio. Nuove misure possono essere realizzate cessità d'intervento affinché l'indiscutibile beneficio nell'ambito di una cooperazione tra partner. In tal delle attività sportive possa essere ulteriormente in- modo si sfruttano al meglio le sinergie e si trae il crementato. A fronte dei numerosi sforzi profusi per massimo vantaggio da tutti i mezzi disponibili. la promozione dello sport (e data anche la crescita demografica), è facile prevedere che in futuro gli infortuni sportivi aumenteranno ulteriormente. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 59 3.2 Metodo Nella prima sequenza della ricerca dell'incidentalità vengono attentamente analizzati il mondo Il modello aziendale dell'upi, e dunque la descrizione sportivo e gli incidenti che si verificano (Figura 1). esemplare della procedura, viene illustrato nel ciclo L'obiettivo è quello di illustrare il fabbisogno di pre- della prevenzione infortuni (Figura 1). videnza, il quale risulta dagli infortuni frequenti (infortuni che si verificano frequentemente e/o La procedura sistematica per una profilassi efficace infortuni gravi, in particolare quelli con esito degli incidenti descrive in modo dettagliato la situa- mortale). zione di partenza relativa alle problematiche dell'incidentalità, avvalendosi di metodi lavorativi Per comprendere meglio la sinistrosità, si studia scientifici. La ricerca dell'incidentalità rappresenta innanzitutto il comportamento sportivo della popo- dunque la prima fase del ciclo della prevenzione e lazione svizzera. Infatti, per il lavoro di prevenzione deve essere in grado di rispondere a domande, è fondamentale disporre di una buona conoscenza quali: del setting in cui si interviene. Inoltre, le indicazioni «Cosa succede?», «Come e perché succede?» e «Com'è possibile prevenire?». relative all'esposizione e all'entità degli incidenti per ogni disciplina consentono di quantificare il Il presente «dossier sicurezza sport» copre questa rischio d'infortunio. prima fase, che comprende l'analisi degli infortuni, dei rischi e degli interventi (Figura 2), da cui Una volta posta la prima domanda «Cosa è risultata una serie di raccomandazioni per la succede?», nell'incidentalità è necessario appro- prevenzione, ovvero consigli che si basano sulla fondire le cause d'incidente, dunque «Come e valutazione sistematica delle possibilità di preven- perché succede?» (Figura 2). Si tratta della do- zione in base a criteri di valutazione specifici. manda sui fattori che in caso d'incidente influ- Figura 1 Ciclo upi della prevenzione infortuni iscono in maniera determinante sul rischio e quindi sono causalmente collegati all'esito dell'evento che provoca le lesioni. Per dedurre i principali fattori di rischio è necessario stabilire sia l'importanza cauFigura 2 Ricerca incidentalità upi Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Analisi del rischio Analisi d'intervento Incidentalità (Incidenti) Cause degli incidenti Possibilità di prevenzione Valutazione Come prevenire? Analisi degli incidenti - Frequenza - Gravità Rilevanza infortunio: - Diffusione - Pericolosità Incidenti frequenti Principali fattori rischio Input 60 Perché succede? Output Processo Cosa succede? - Efficacia - Economicità - Realizzabilità Consigli per la prevenzione bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 sale di un fattore d'influenza con il rischio di alla riduzione del rischio, in modo da ottenere una lesioni, sia la sua diffusione. Solo così si può serie di raccomandazioni per la prevenzione. quantificare l'effettiva rilevanza nell'incidenPer possibilità di prevenzione s'intende l'insieme di talità. tutte le misure preventive fondamentalmente La valutazione del rischio evidenzia i singoli fattori possibili. All'interno dell'upi, l'elenco delle possi- e ne determina la rilevanza d'incidente. Tuttavia, bilità di prevenzione viene denominato «longlist». sostanzialmente si parte da un collegamento Le «possibilità» di regola presentano un grado di multicausale di fattori di rischio (quindi da tutta concretizzazione esiguo. Solo nella pianificazione una serie di cause), che in una precisa costellazione concettuale del contenuto e nell'attuazione di un può aumentare o ridurre la probabilità che si veri- intervento orientata alla prassi, in parte nell'ambito fichi un incidente con conseguenti lesioni. di uno scambio con potenziali partner di prevenzione, si definisce più chiaramente come configura- A fronte di questa situazione di partenza, nella de- re l'implementazione della misura in collaborazione finizione dei potenziali fattori di rischio e della loro con i partner. La determinazione del pacchetto di importanza nell'incidentalità (quindi la rilevanza misure deve sostanzialmente basarsi sull'analisi d'incidente) si procede in maniera sequenziale. della situazione, ma richiede spesso analisi appro- Innanzitutto fondite supplementari, che esulano dal presente si analizza se dalla descrizione dell'incidente è possibile o meno dedurre la rile- dossier sicurezza. vanza di un determinato fattore di rischio. In mancanza di questa informazione si riprendono i dati Nella stima delle possibilità di prevenzione vengono della letteratura specialistica. Nel caso in cui nem- considerati i criteri di valutazione efficacia (effecti- meno quest'ultima sia in grado di fornire un indizio veness, ossia non l'efficacia in condizioni ideali, ma per giungere a un dato quantitativo, la rilevanza relativa a situazioni di vita normali), efficienza dell'incidente viene valutata da un gruppo di (economicità) e realizzabilità. esperti, che varia in base al gruppo di discipline. In ogni caso vengono coinvolti gli specialisti upi del Per raggiungere gli obiettivi di prevenzione si reparto Sport e del reparto Ricerca; per tutti gli possono attuare diverse strategie, intese come infortuni frequenti viene altresì richiesto il parere di approcci e procedure ai fini della realizzazione degli gruppi specialistici esterni. Dopodiché, nell'ambito obiettivi. Nello specifico, si tratta ad esempio di di un processo strutturato viene valutata la rile- strategie educative (informare, sensibilizzare, for- vanza dei fattori di rischio. mare e perfezionare), strategie legislative (emanare leggi, stabilire normative, esercitare un con- Dopo la discussione e la valutazione relativa alla trollo), approcci tecnici (configurazione delle rilevanza d'incidente dei fattori di rischio, nella fase attrezzature e degli equipaggiamenti sportivi, successiva della ricerca incidentalità si risponde alla adattamento delle infrastrutture) o strategie eco- domanda: «Com'è possibile prevenire?» (Figura nomiche (creazione d'incentivi). Nella raccolta 2). Questa analisi d'intervento valuta le possi- delle possibilità di prevenzione vengono considerati bilità di prevenzione che offrono un contributo tutti gli approcci strategici. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 61 A causa delle significative lacune di ricerca, le tutti gli infortuni frequenti è fondamentale conti- raccomandazioni di misure basate sull'evidenza nuare a implementare gli attuali provvedimenti di non sono sempre possibili; una possibilità di prevenzione, la cui efficacia è stata comprovata. prevenzione può essere fortemente raccomandata nonostante la mancanza di una solida evidenza Le raccomandazioni relative alle attività di ricerca e scientifica sull'efficacia di questo tipo d'intervento, cooperazione non vengono dedotte dall'analisi ad es. in assenza di alternative e se una com- d'intervento, ma si basano su considerazioni fonda- missione di esperti giudica che l'intervento sia mentalmente strategiche ai fini di un lavoro di efficace ai fini della prevenzione infortuni. prevenzione efficace. Infatti, la ricerca dell'incidentalità e la gestione delle conoscenze costituiscono I capitoli da VII a XI includono l'analisi della sicu- la base per ottenere misure di prevenzione mirate, rezza dei gruppi di discipline, che nel capitolo VI efficaci, efficienti e realizzabili. Inoltre, per tutti gli sono considerati soggetti a infortuni frequenti. infortuni frequenti viene coordinato il lavoro di L'analisi dettagliata della sinistrosità relativa a prevenzione tra i principali stakeholder, in modo da queste discipline illustra gli infortuni frequenti attuare interventi comuni nell'ambito di programmi specifici. Poiché i cinque sottocapitoli sono stati principali e/o gruppi di lavoro permanenti per la elaborati in periodi diversi, gli anni d'infortunio prevenzione infortuni. Laddove necessario, gli osservati nell'incidentalità risultano in parte diffe- sforzi verranno ulteriormente consolidati. Le attività renti. Spesso la sinistrosità viene indicata in fasi di promozione della cooperazione e lo scambio quinquennali. Pertanto, considerando le cifre più internazionale rappresentano altri elementi signifi- recenti, si può affermare che i risultati non avreb- cativi di un lavoro di prevenzione sistematico. bero subìto variazioni significative. 3.3 Sport della popolazione svizzera Partendo dall'analisi del rischio vengono dedotti i principali fattori di rischio e successivamente elen- Le più recenti rilevazioni dell'Ufficio federale dello cate misure di prevenzione, che nell'ambito di un sport consentono di tracciare un quadro rappre- processo di valutazione sull'efficacia, l'efficienza e sentativo della popolazione svizzera. Circa la metà la realizzabilità sono state giudicate complessiva- degli abitanti in Svizzera di età compresa tra i 15 e i mente come «raccomandabili» o «molto racco- 74 anni pratica sport più volte a settimana o addi- mandabili». rittura quotidianamente, il 17% almeno una volta a settimana; un ulteriore 6% soltanto sporadica- Le raccomandazioni per la prevenzione vengono mente. Più di un quarto della popolazione, invece, attribuite per tutti i temi d'infortunio ai cinque non pratica alcuna attività sportiva (27%). settori principali di ricerca, formazione, consulenza, comunicazione e cooperazione. A decidere quali Il 16% dei bambini dedica almeno un'ora al giorno tra queste misure raccomandate dal presente rap- allo sport al di fuori delle lezioni di ginnastica e porto in ultima analisi verranno messe in pratica sport obbligatorie, mentre il 31% dei bambini svol- nonché la relativa forma saranno le risorse e possi- ge attività sportive per più di 3 ore a settimana. bilità dei vari partner di prevenzione. Inoltre, per Quasi la metà dei bambini è molto attiva sportiva- 62 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 mente e pratica lo sport più volte a settimana anche al di fuori delle regolari lezioni di sport a scuola, complessivamente tra le 3 e le 7 ore. Un altro 39% è attivo fino a 3 ore settimanali, mentre il 14% dei bambini non pratica sport al di fuori delle lezioni scolastiche obbligatorie. Il 13% dei bambini intervistati dichiara di non andare in bicicletta o nuotare nemmeno occasionalmente. 3.4 Incidentalità I 300 000 infortunati nello sport sono ripartiti su molteplici attività sportive (Tabella 1), tra cui alcune spiccano per l'elevato numero di casi o la frequenza di incidenti mortali. In Svizzera quasi 180 persone all'anno muoiono in seguito a un infortunio (Tabella 2). Quasi un terzo degli sportivi che perdono la vita in un incidente proviene dall'estero. L'analisi della frequenza e della gravità di lesioni nello sport dimostra che nel calcio, nello sport sulla neve (sci, snowboard e slitta) nonché nell'uso della bicicletta fuori strada si verifica il maggior numero d'infortuni (Tabella 1), mentre nello sport alpino (soprattutto trekking, arrampicata, escursionismo e freeriding) e negli sport acquatici si registrano il maggior numero di incidenti mortali. Negli incidenti per annegamento vanno considerate tutte le attività svolte in, presso e sull'acqua, poiché solo una percentuale esigua dei casi si verifica praticando uno sport acquatico. I gruppi di discipline di sport sulla neve, ciclismo fuori strada, sport alpino, sport acquatici e calcio rappresentano i punti focali nell'incidentalità e costituiscono pertanto i principali ambiti di attività della prevenzione degli infortuni sportivi. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 63 Tabella 1 Infortunati secondo lo sport, 2000–2008 2000 Disciplina/ gruppo di discipline Calcio 50 650 42 760 Sci alpino (compreso sciescursionismo) 25 950 Ciclismo, mtb (senza ciclismo su strada) Snowboard 24 500 Slittino 5 740 Balneazione, nuoto 9 100 Trekking 5 460 Pallavolo 8 560 12 210 In-line skating, pattinaggio a rotelle Attrezzistica 7 630 Podismo, jogging 5 110 5 350 Hockey su prato, su rotelle e unihockey Equitazione, ippica 6 260 Disco su ghiaccio 6 290 Basket 6 140 5 600 Pattinaggio, pattinaggio artistico 4 950 Arti marziali (compreso autodifesa) Pallamano 5 720 3 850 Ginnastica, fitness, aerobica Atletica leggera 2 720 Tennis 4 010 2 530 Badminton (compreso volano) Uso di natanti 1 380 1 140 Giochi di lancio e di mazza Squash 1 820 Parapendio 600 Altri sport e giochi 24 970 Totale 281 000 Fonte: upi, estrapolazione 64 2005 2007 2008 50 480 43 660 56 700 40 180 Ø 2004– 2008 57 580 54 300 43 210 43 210 32 490 34 910 34 150 33 150 24 510 11 210 8 960 8 140 8 430 9 270 22 700 7 820 9 180 9 820 8 680 8 620 24 760 11 580 9 390 8 860 8 810 5 700 24 460 10 080 9 140 8 660 8 610 8 430 7 680 6 560 6 220 8 750 8 120 7 060 8 570 8 860 7 480 8 170 7 730 6 760 6 650 6 380 5 880 5 240 6 960 6 050 6 000 5 640 6 650 6 320 5 890 5 680 6 590 6 430 5 930 5 410 4 640 5 320 5 420 5 210 5 280 3 860 5 290 3 820 4 760 4 030 5 090 3 950 3 780 3 140 2 500 3 640 3 610 2 470 3 980 3 340 2 610 3 790 3 360 2 700 1 750 1 170 1 070 1 460 1 450 1 470 1 610 1 430 1 320 1 160 1 050 1 250 420 490 490 460 24 380 28 480 27 910 26 290 294 000 304 000 310 000 302 200 Tabella 2 Morti negli sport invernali secondo lo sport (infortunio accaduto in Svizzera), Ø 2004–2008 Sport Ø 2004–2008 Estero Svizzera Totale Sport di montagna Alpinismo 17 17 34 Arrampicata 2 4 6 Trekking 9 32 41 Altri sport di montagna 0 1 1 Totale sport di montagna 28 54 82 Sport invernali Sci alpino 2 6 8 Scialpinismo 4 8 12 Sci fuoripista 5 4 9 Snowboard 0 1 1 Snowboard fuoripista 3 3 6 Racchette da neve 0 1 1 Altri sport invernali 0 1 1 Totale sport invernali 14 24 38 Sport acquatici Balneazione/Nuoto 3 13 16 Uso di natanti 0 5 5 Subacquea 1 3 4 Totale sport acquatici 4 21 25 Sport aerei Volo a vela 1 3 4 Parapendio 1 6 7 Base-Jumping 2 0 2 Altri sport aerei 0 1 1 Totale sport aerei 4 10 14 Altri sport Trekking, passeggiare 1 7 8 Caccia 0 4 4 Equitazione, ippica 0 2 2 Corse con veicoli a motore 0 1 1 Altri sport 1 4 5 Totale altro 2 18 20 Totale 52 127 179 upi, statistica sui casi mortali nello sport Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.5 Sport sulla neve inesperti, a causa della mancanza di esperienza. A prescindere da questo dato, i bambini e gli adolescenti sono i più esposti ai rischi d'incidente. Sotto 3.5.1 Sci, snowboard il profilo numerico, i giovani adulti costituiscono un Circa 1,71 milioni di sciatori svizzeri e 0,35 milioni gruppo chiave nell'incidentalità (Tabella 3). Gli di snowboarder di età compresa fra i 10 e i 75 anni snowboarder si feriscono maggiormente al polso e si dedicano allo sport sulla neve nelle piste. A ciò si alla mano nonché alla spalla e al braccio, mentre aggiungono i bambini piccoli sotto i 10 anni e gli circa un terzo di tutti gli sciatori infortunati riporta anziani oltre i 75 anni, il cui numero non può una lesione al ginocchio. Il rischio di ferirsi alla testa essere precisato. o al viso è più elevato nei bambini e negli adolescenti che negli adulti. Infortuni frequenti Principali fattori di rischio Ogni anno, circa 70 000 persone residenti in Svizzera riportano ferite nelle piste di sport sulla neve La maggiore rilevanza d'incidente è attribuita al nazionali ed estere. Inoltre, pressoché 30 000 ospiti comportamento individuale del singolo sportivo stranieri subiscono lesioni sulle piste svizzere. A sulla neve (Tabella 4). Anche se nelle collisioni la perdere la vita nelle piste di sport sulla neve sviz- valutazione soggettiva del pericolo risulta molto zere sono in media 6 persone. I 25 incidenti mortali elevata, in realtà, nel 90% degli incidenti è coin- che si verificano nelle zone non controllate tra gli volta esclusivamente la stessa persona ferita. Nei escursionisti e i freerider saranno trattati nel capito- fattori dovuti a un errore umano, invece, sono lo dedicato allo sport alpino. soprattutto l'insufficiente senso del pericolo e la mancanza di capacità di autoregolazione (e dun- Rispetto a esperti e sportivi più abili, le lesioni più que anche l'eccessiva velocità) ad aumentare il frequenti rischio. Ma anche un'insufficiente preparazione sono decisamente tra principianti/ Tabella 3 Sci, snowboard: incidenti frequenti Chi? Cosa? Principianti / Inesperti Adolescenti e giovani adulti Bambini Ginocchia negli sciatori Spalla / Cintura scapolare Testa Polso negli snowboarder Come? Situazione di discesa di routine Caduta all'indietro con distorsione sciando Caduta all'indietro con lo snowboard Salto Collisione Tabella 4 Sci, snowboard: principali fattori di rischio per le ferite Dovuti a un errore umano Dovuti al contesto/equipaggiamento Senso del pericolo insufficiente e mancanza di capacità di autoregolazione Velocità eccessiva Scarsa condizione fisica Padronanza insufficiente della tecnica Condizioni fisiologiche sfavorevoli (soprattutto sonnolenza, alcol) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Strutturazione delle piste, inclusi gli snowpark Attacchi degli sci non regolati correttamente o inefficaci Mancanza di parapolso o inefficace Mancanza d'equipaggiamento di protezione (soprattutto casco, occhiali/lenti da vista) Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 65 della resistenza fisica a lungo termine e cattive nell'ambito dell'equipaggiamento di protezione e condizioni fisiologiche acute (soprattutto eccessiva degli attrezzi sportivi. stanchezza e alcol) sono altamente rilevanti per Consulenza: lo spazio delle piste deve presentare l'incidentalità. una struttura semplice, dove gli errori non abbiano Le carenze nella sicurezza, preparazione, demarca- conseguenze gravi. Per mezzo di misure di costru- zione e gestione delle piste e degli snowpark pos- zione e di una segnaletica adeguata è possibile ri- sono incrementare il rischio d'infortunio e le conse- durre al minimo le differenze di velocità tra i vari guenze delle cadute. Nello sport sulla neve è preve- utenti di pista, ottimizzare la visibilità, consentire dibile che si verifichino delle cadute. Un equipaggia- percorsi di pista semplici, chiari e di facile utilizzo, mento di protezione inadeguato o addirittura in- diminuire i punti di conflitto nonché offrire una esistente (per gli snowboarder soprattutto casco e protezione fisica. parapolsi), attacchi regolati in modo sbagliato o inComunicazione: gli sportivi della neve devono efficaci aumentano il rischio d'incidente. essere sensibilizzati e motivati a migliorare il controllo dei rischi, praticare prima della stagione in- Raccomandazioni per la prevenzione vernale un allenamento di resistenza e coordinaDal processo di valutazione risultano le seguenti mento, inserire sufficienti pause per riposare, raccomandazioni per la prevenzione degli infortuni, portare il casco per sport sulla neve e i parapolsi suddivise in base agli ambiti principali (Tabella 5). nonché ottimizzare l'equipaggiamento (ad es. re- Formazione: i corsi di sport sulla neve nelle scuole golando correttamente gli attacchi da sci, portando o presso le associazioni devono trattare in parti- lenti di vista adeguati). colare argomenti come il senso del pericolo e la capacità di autoregolazione, la velocità, il comportamento negli snowpark, un riposo sufficiente, la condizione fisica e l'importanza dell'equipaggiamento di protezione individuale. Gli specialisti nel commercio di articoli sportivi dovrebbero seguire corsi di perfezionamento sugli ultimi sviluppi Tabella 5 Sci, snowboard: consigli per la prevenzione Ricerca Ricerca dell'incidentalità Gestione della conoscenza Statistica del trasporto degli infortuni Rilevamento del comportamento cautelativo Studio sui parapolsi Studio sugli attacchi da sci e le scarpe 66 Formazione Modulo «Senso del pericolo/Capacità di autoregolazione» Modulo «Equipaggiamento di protezione/attrezzo sportivo» Consulenza Comunicazione Cooperazione Territorio di sci sicuro Strutturazione delle piste, inclusi gli snowpark Sicurezza dei prodotti Controllo del rischio/Regole comportamentali Forma fisica e condizioni fisiologiche Padronanza della tecnica Padronanza della tecnica Portare l'equipaggiamento di protezione Equipaggiamento ottimale Occhiali/Lenti da vista Programma principale sport sulla neve Commissione svizzera per la prevenzione degli infortuni sulle piste per sport sulla neve SKUS Scambio internazionale Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.5.2 Slitta/Slittino Principali fattori di rischio La slitta è un'attività del tempo libero molto amata Una delle frequenti cause d'incidente è la man- in Svizzera. Gran parte dei bambini slitta almeno canza di senso del pericolo. Tanti non sanno qual è sporadicamente, spesso insieme ai genitori o ad il comportamento corretto in slitta oppure non altri accompagnatori. Negli ultimi anni, la slitta è dispongono delle conoscenze tecniche per guidare diventata popolare anche tra gli adulti, soprattutto e frenare. Perdono spesso il controllo del mezzo, su piste gestite a livello commerciale. provocando incidenti con lesioni (Tabella 7). Incidenti frequenti I punti nevralgici sulle piste per slitte sono a rischio d'incidente. Gli attrezzi inadeguati e un equi- Ogni anno, circa 10 000 persone tra la popolazione paggiamento insufficiente aumentano notevol- svizzera subisce un incidente sulla slitta, di cui circa mente il pericolo di cadute e collisioni. Poiché il 60% sono bambini e adolescenti fino ai 16 anni. spesso non vengono indossati i caschi per sport Anche le donne si feriscono frequentemente slit- sulla neve, non è possibile ridurre le conseguenze tando, spesso in modo grave (Tabella 6). Una gran- delle cadute o collisioni. Un eccessivo consumo di de parte degli infortuni sono collisioni con oggetti alcol e di altre sostanze che alterano la coscienza in movimento (ad es. altre slitte, veicoli a motore) o compromette la capacità di reazione e la perce- statici (ad es. alberi, pali, muri). Tante lesioni ven- zione del rischio. gono inoltre riportate cadendo dalle slitte. Gli incidenti mortali più frequenti si verificano in seguito Raccomandazioni per la prevenzione a collisioni, spesso con un veicolo a motore. Per ridurre il rischio d'infortunio sulla slitta si possono adottare i seguenti provvedimenti di prevenzione, suddivisi per ambiti principali (Tabella 8). Tabella 6 Slitta/Slittino: incidenti frequenti Chi? Bambini e adolescenti (< 16 anni) Donne Cosa? Come? Commozione cerebrale Stiramenti, distorsioni e rotture degli arti inferiori Contusioni al tronco Collisioni con un oggetto Collisioni con un veicolo Cadute Tabella 7 Slitta/Slittino: principali fattori di rischio per le ferite Dovuti a un errore umano Dovuti al contesto/equipaggiamento Senso del pericolo insufficiente e mancanza di capacità di autoregolazione Scarse conoscenze Padronanza insufficiente della tecnica Scarsa sorveglianza dei bambini Mancanza di sicurezza sulle piste e nei parchi per slitta: punti nevralgici/gestione della velocità Equipaggiamento insufficiente e attrezzo inadeguato Mancanza di casco bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 67 Formazione: ai bambini e agli adulti che praticano del casco nonché su un consumo misurato di alcol la slitta va insegnato in appositi corsi il comporta- e un comportamento sicuro sulle piste. mento sicuro da adottare, le conoscenze e l'utilizzo del materiale corretto, così come la tecnica per guidare la slitta. Come parte integrante, i corsi devono altresì trasmettere la consapevolezza del rischio rappresentato dalla slitta e insegnare strategie per migliorare la capacità di autoregolazione. Consulenza: la costruzione, manutenzione e gestione di piste e parchi per slitte adeguati in termini di segnaletica, preparazione e sicurezza devono avvenire secondo disposizioni di sicurezza fondamentali e unitarie. Anche le discese per slitte utilizzate spesso, prive di segnaletica e non preparate all'interno di comuni vanno sottoposte a un'ottimizzazione della sicurezza. Per ottenere un ulteriore guadagno sotto il profilo della sicurezza occorre inoltre definire e introdurre regole comportamentali unitarie per chi va in slitta. È necessario garantire, per mezzo di appositi provvedimenti legali, che sul mercato svizzero continui ad arrivare esclusivamente materiale conforme alle disposizioni di sicurezza. Comunicazione: occorre promuovere l'informazione sulla sensibilizzazione dei genitori per una migliore custodia dei bambini e di tutte le persone che slittano sull'utilizzo del materiale adeguato e Tabella 8 Slitta/Slittino: consigli per la prevenzione Ricerca Ricerca dell'incidentalità Gestione della conoscenza Statistica del trasporto degli infortuni Rilevamento del comportamento cautelativo 68 Formazione Modulo «Senso del pericolo/Capacità di autoregolazione» Modulo «Equipaggiamento di protezione/attrezzo sportivo» Consulenza Strutturazione delle piste e dei parchi per slitta Sicurezza dei prodotti Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Comunicazione Cooperazione Sorveglianza dei bambini fino a 8 anni Regole comportamentali Consumo di alcolici Equipaggiamento funzionale e attrezzo per slittare adeguato Programma principale sport sulla neve Commissione svizzera per la prevenzione degli infortuni sulle piste per sport sulla neve SKUS Scambio internazionale bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.6 Bicicletta fuori strada (Tabella 9). Gli infortuni nella circolazione stradale non sono oggetto della presente analisi della Vengono delucidati due setting: da un lato i sicurezza. I bambini riportano frequentemente mountain biker, prevalentemente adulti, che uti- lesioni alla testa, gli uomini alla cintura scapolare/al lizzano sentieri escursionistici, percorsi e impianti braccio e le donne alle ginocchia. La quota di per bike nonché sentieri privi di tracciato. Dall'altro, lesioni al polso/alla mano/alle dita è elevata in tutti i i bambini che imparano ad andare in bicicletta o ciclisti. La maggior parte degli incidenti si verifica giocano nei pressi della casa, su piazzali e vie sui singletrail; in generale si riscontra un rischio lontane dallo spazio stradale. Il 6% della popo- d'infortunio decisamente maggiore sulle discese. La lazione di età compresa fra i 15 e 74 anni dichiara sinistrosità dei bambini piccoli che apprendono ad la mountain bike tra le attività sportive praticate. Il andare in bicicletta nei pressi della casa o addi- 58% dei bambini e adolescenti afferma di utilizzare rittura nell'appartamento non è sufficientemente regolarmente la bicicletta o la mountain bike. Non documentata per la Svizzera. vi sono indicazioni sull'uso di questi mezzi fuori dalle strade regolari. Si parte invece dal presup- Principali fattori di rischio posto che quasi tutti i bambini piccoli imparino ad Spesso gli infortuni riportati in bicicletta/bike sono andare in bicicletta lontano dalle strade. la conseguenza di incidenti autoprovocati (cadute, collisioni con oggetti). La mancanza di concen- Infortuni frequenti trazione nella guida su sentieri non tracciati e vie L'entità complessiva degli incidenti in bicicletta/bike non pavimentate costituisce un importante fattore fuori strada ammonta a circa 9000 feriti all'anno, di rischio (Tabella 10). Inoltre, gli sportivi sono poco di cui soprattutto uomini appartenenti alla fascia coscienti della loro guida pericolosa e delle con- d'età dei 26–45 anni. I bambini (< 17 anni) costi- seguenze di un incidente. Un comportamento poco tuiscono un terzo delle persone infortunate sicuro può essere determinato da altri fattori intra- Tabella 9 Bicicletta fuori strada: incidenti frequenti Chi? Uomini (26–45 anni) Bambini piccoli Cosa? Testa, cranio, cervello Cintura scapolare/Braccio (uomini) Polso/Mano/Dita Ginocchia (donne) Come? Gite su singletrail Discesa Bambini piccoli: apprendimento della bicicletta Tabella 10 Bicicletta fuori strada: principali fattori di rischio per le ferite Dovuti a un errore umano Disattenzione/Distrazione Senso del pericolo insufficiente e mancanza di capacità di autoregolazione Condizioni fisiologiche sfavorevoli Preparazione insufficiente all'escursione Scarse competenze tecniche di guida bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Dovuti al contesto/equipaggiamento Strutturazione dei percorsi e impianti MTB Mancanza di equipaggiamento di protezione (soprattutto casco) Bicicletta inadeguata o tecnica carente Dinamica di gruppo sfavorevole Bambini piccoli: sorveglianza insufficiente Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 69 personali, come la capacità di autoregolazione. Se raccomandabile seguire un corso di formazione che ad esempio si viene accompagnati da amici, pos- trasmette le conoscenze di una guida sicura, il sono subentrare processi legati alla dinamica di senso del pericolo e la capacità di autoregolazione, gruppo, che inducono più facilmente a comporta- così come la tecnica per guidare e frenare nonché menti rischiosi. Percorrendo sentieri non tracciati, la pianificazione delle escursioni (Tabella 11). inoltre, la padronanza carente della tecnica, la pianificazione insufficiente dell'escursione e (nelle Consulenza: occorre promuovere e unificare le de- escursioni lunghe o durante un allenamento in- marcazioni, la segnaletica, l'informazione e l'indica- tenso) il sovraffaticamento generale e il calo delle zione del grado di difficoltà dei percorsi e impianti prestazioni fisiologiche si ripercuotono negativa- di mountain bike. mente. Ai biker manca spesso la possibilità di pianificare un'escursione adatta alle proprie ca- Comunicazione: per quanto riguarda l'impegno a pacità, in quanto molte volte i percorsi esistenti livello di comunicazione, vanno tematizzati argo- non dispongono di un'adeguata segnaletica e de- menti come la concentrazione, il senso del pericolo marcazione dei pericoli, che induce spesso gli e la capacità di autoregolazione, lo stato fisiolo- sportivi a mettersi inutilmente a rischio. Se a ciò si gico, l'equipaggiamento di protezione, le cono- aggiunge anche la mancanza di un equipaggia- scenze e la pianificazione delle escursioni, nonché mento di protezione adatto, le cadute o collisioni l'acquisto e la manutenzione delle bike. Ai genitori portano più facilmente a una lesione. L'assenza di e agli accompagnatori occorre trasmettere l'in- una degli segnamento corretto ai bambini ad andare in accompagnatori aumenta fortemente il rischio bicicletta, l'equipaggiamento adeguato e l'impor- d'incidente nei bambini piccoli che apprendono ad tanza della sorveglianza ai fini della sicurezza del andare in bicicletta o sono ancora poco esperti. bambino. sorveglianza adeguata da parte Raccomandazioni per la prevenzione Formazione: per principianti, persone provenienti da un'altra disciplina sportiva o biker inesperti è Tabella 11 Bicicletta fuori strada: consigli per la prevenzione Ricerca Ricerca dell'incidentalità Gestione della conoscenza 70 Formazione Modulo «Senso del pericolo/Capacità di autoregolazione» Gestione delle escursioni Consulenza Comunicazione Cooperazione Sicurezza dei prodotti: - biciclette per bambini - equipaggiamento di protezione Arredo percorsi MTB, trail, impianti Fattori: - concentrazione - capacità di autoregolazione - stato fisiologico Portare l'equipaggiamento di protezione Conoscenze nella pianificazione dell'escursione Scelta del veicolo adeguato e manutenzione Insegnamento della tecnica adatta ai bambini Programma principale bicicletta/mountain bike Gruppo specialistico per la sicurezza in mountain bike «FsMTB» Scambio internazionale Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.7 Sport di montagna pista. 45 di essi sono ospiti provenienti dall'estero. Si tratta soprattutto di uomini che per fare sport in Nei Paesi alpini, l'escursionismo è tra le discipline montagna si organizzano autonomamente, e poi sportive più popolari. In Svizzera le attività come perdono la vita in un incidente. Ovviamente, le due «passeggiate, walking e trekking» sono al secondo dinamiche d'incidente più tipiche (in estate la posto degli sport più praticati. A causa dei fre- caduta dall'alto durante il trekking o l'arrampicata, quenti infortuni gravi e mortali, il trekking è tra i gli in inverno le valanghe) sono le principali cause di sport più pericolosi. Negli sport alpini rientrano le morte (Tabella 12). attività di sport alpini estivi come il trekking, l'alpinismo, l'arrampicata incl. vie ferrate nonché, Principali fattori di rischio in inverno, lo sciescursionismo e lo snowboardescursionismo, il pattinaggio su ghiaccio, il free- I fattori di rischio più significativi nello sport alpino riding fuori dalle piste per sport sulla neve, variano in base al tipo di attività sportiva. Questo l'arrampicata su ghiaccio, il canyoning e l'arram- rende più difficoltoso valutare in generale la rile- picata nelle grotte. vanza d'incidente per tutti gli sport alpini. La causa della maggior parte degli infortuni nello sport In considerazione dei dati rilevati, l'analisi della alpino va attribuita alla mancanza di competenza sicurezza si concentra sugli incidenti mortali. Da un del rischio, che da un lato consiste nella capacità di lato sono i numerosi incidenti mortali che fanno riconoscere degli sport alpini uno dei temi cruciali della percettiva) e di valutarli correttamente (compe- prevenzione, dall'altro, la prevenzione di infortuni tenza di valutazione). Dall'altro, nella capacità di con esito letale aiuta potenzialmente a prevenire prendere decisioni orientate alla sicurezza (compe- anche gli infortuni con feriti gravi. tenza decisionale) e di metterle in pratica agendo i potenziali pericoli (competenza in modo mirato (competenza d'intervento (Tabella 13). I fattori di rischio estrinseci come i pericoli Infortuni frequenti della natura o l'infrastruttura, nello sport alpino Tra gli abitanti in Svizzera, sono circa 11 000 gli sportivi che praticando uno sport alpino in estate o Tabella 13 Sport alpino: principali fattori di rischio per incidenti mortali in inverno riportano lesioni talmente gravi, da doversi sottoporre a un trattamento medico. Nell'arco di un periodo di cinque anni, in Svizzera nello sport alpino perdono la vita all'incirca 120 Dovuti a un errore umano Scarsa capacità percettiva Pianificazione insufficiente Facoltà di valutazione insufficiente Scarsa competenza decisionale Tecnica di sicurezza/delle corde insufficiente persone, tra cui 32 in uno sport sulla neve fuori Tabella 12 Sport alpino: incidenti frequenti Chi? Uomini (> 20 anni) Alpinisti organizzati autonomamente Ospiti stranieri bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Come? Cadute (dall'alto) Valanghe Cosa? Trekking Arrampicata Sciescursionismo Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 71 sono d'importanza secondaria, a patto che lo tivato a pianificare l'escursione in maniera accurata sportivo sia in grado di valutarli correttamente. e consapevole; se possibile, riducendo la propria propensione al rischio e inserendo un margine di sicurezza. Questo vale soprattutto per gli sportivi Raccomandazioni per la prevenzione della neve nelle zone non controllate. Gli interventi, la cui attuazione viene raccomandata in base all'analisi della sicurezza, possono essere Cooperazione: i messaggi sulla prevenzione de- elencati in base agli ambiti tematici (Tabella 14): vono poter raggiungere anche i turisti stranieri, idealmente quando si trovano ancora nel loro Formazione: lo sport alpino, e in particolare i corsi paese, nell'ambito di uno scambio internazionale di formazione sulle valanghe, devono puntare al tra le organizzazioni specialistiche. miglioramento della competenza decisionale e d'intervento. Inoltre, in tutti i corsi di formazione si potrebbe introdurre il partnercheck, ovvero una «seconda opinione», come elemento didattico. Consulenza: occorre offrire più mezzi ausiliari semplici per l'autovalutazione. Gli ausili per la pianificazione, come le liste di controllo, possono essere applicati anche individualmente. L'utilizzo di uno spazio protetto (ad es. per gli sportivi della neve) può rivelarsi utile per fare esperienza. Comunicazione: a livello informativo va (ulteriormente) promossa la consapevolezza del pericolo, sensibilizzando e informando gli sportivi alpini, ad es. anche attraverso la comunicazione delle analisi degli infortuni e delle relative raccomandazioni per un comportamento orientato alla sicurezza. Chi pratica sport alpini deve essere moTabella 14 Sport alpino: consigli per la prevenzione Ricerca Formazione Consulenza Ricerca dell'incidentalità Gestione della conoscenza Studio (mancati) infortuni Competenza decisionale e d'intervento, soprattutto nei corsi sulle valanghe Partnercheck Autovalutazione Spazio protetto sport sulla neve Strumenti ausiliari per la pianificazione, liste di controllo 72 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Comunicazione Senso del pericolo Pianificazione delle escursioni Propensione al rischio Cooperazione Programma principale sport alpino Gruppo specialistico sulla sicurezza nello sport alpino Team principale di formazione sulla prevenzione valanghe Scambio internazionale bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.8 Sport acquatici (annegamento) di protezione dei bambini, gli incidenti nell'infanzia rivestono un'importanza significativa. In rapporto Le attività sportive o di qualsiasi altro genere in, alla popolazione complessiva, da un lato i casi più presso e sull'acqua rientrano tra quelle più pra- frequenti di annegamento si verificano negli uomi- ticate nel tempo libero dalla popolazione svizzera. ni di età compresa tra i 15 e i 24 anni, dall'altro Ma stare in acqua comporta anche il rischio di negli uomini anziani (> 65 anni) (Tabella 15). Le ferirsi o addirittura di annegare. La presente analisi persone annegano più spesso nei bacini d'acqua della sicurezza è incentrata sui casi di annega- aperti, ma anche nelle piscine pubbliche. mento con esito mortale e tralascia le migliaia di persone ferite leggermente o in maniera media- Principali fattori di rischio mente grave. Vi sono inclusi gli annegamenti che si verificano nei bambini facendo sport o giocando, Alcuni fattori di rischio non possono essere influ- nell'ambito di incidenti stradali, praticando un enzati in maniera determinante (ad es. il sesso hobby o durante un'attività lavorativa. maschile, i giovani), ma sono rilevanti ai fini della selezione del gruppo target e della formulazione di un'adeguata strategia preventiva. Nella Tabella 16 Infortuni frequenti è riportata la panoramica dei principali fattori di Mediamente, in Svizzera annegano ogni anno 43 rischio, da cui emerge l'importanza predominante persone, tra cui 7 residenti all'estero. La maggior del comportamento individuale delle persone nello parte dei casi si verifica praticando uno sport nel svolgimento delle attività in acqua (ad es. nuotare tempo libero (balneazione/nuoto, barca, immer- o fare immersioni da soli o con una scarsa condi- sioni), ma tante persone in Svizzera annegano zione fisica) e sull'acqua (consumo di alcolici in anche durante le lezioni di sport, nello sport barca). militare, nelle attività domestiche e in altre attività del tempo libero nonché come conseguenza di Ma vi sono anche fattori infrastrutturali (sicurezza incidenti stradali. A causa della particolare esigenza carente della piscina) o relativi all'equipaggiamento Tabella 15 Sport acquatici (annegamento): incidenti frequenti Chi? Bambini (0–9 anni) Uomini (≥ 16 anni) Anziani Dove? Bacini d'acqua aperti Corsi d'acqua Piscine pubbliche Cosa? Nuotare/Immergersi nei bacini d'acqua aperti Barca Immersioni Tabella 16 Sport acquatici (annegamento): principali fattori di rischio Dovuti a un errore umano Senso del pericolo insufficiente e mancanza di capacità di autoregolazione Consumo di alcol Nuoto o immersioni da soli Stato fisiologico o condizioni di salute insufficienti bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Dovuti al contesto/equipaggiamento Sorveglianza bambini mancante/carente Mancanza di giubbotto di salvataggio Mancanza di competenze di salvataggio Correnti forti Mancanza di sicurezza della piscina Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 73 (mancanza di un giubbotto di salvataggio) che La carta dei pericoli dei corpi d'acqua inter- possono rischio. attiva e costantemente aggiornata per gli sporti- Inoltre, la disattenzione nella sorveglianza di vi dell'acqua andrebbe integrata con messaggi sulla bambini vicini all'acqua costituisce l'unico fattore di prevenzione (soprattutto sull'equipaggiamento di rischio in quasi tutti i casi di annegamento di protezione). influenzare notevolmente il bambini. Comunicazione: sensibilizzare genitori, accompagnatori e bagnini sul fatto che la sorveglianza Raccomandazioni per la prevenzione continua dei bambini è un imperativo per la preLe principali raccomandazioni, suddivise per ambiti venzione dei casi di annegamento. Gli sportivi tematici, sono le seguenti (Tabella 17): dell'acqua vanno resi ancora più consapevoli dell'importanza di entrare in acqua in buone condi- Formazione: offrire un supporto ai cantoni (ad es. zioni fisiche e sul fatto che un comportamento con mezzi ausiliari didattici), per l'introduzione nelle sbagliato può avere delle conseguenze mortali. Un scuole di standard unitari di sicurezza negli sport atteggiamento orientato alla sicurezza, riassunto acquatici e per la formazione e il perfezionamento efficacemente nelle regole per il bagnante, per i adeguati del personale d'insegnamento. Tutti i fiumi, per l'apnea e per il ghiaccio, andrebbe bambini devono imparare a nuotare, ponendo comunicato in modo più mirato. Va sottolineato l'accento sul senso del pericolo/sulla capacità di l'appello di rinunciare all'alcol, così come al nuoto e autoregolazione e sull'autosalvataggio. La forma- alle immersioni individuali nonché di indossare il zione e il perfezionamento di personale addetto al giubbotto di salvataggio. salvataggio continua a costituire un elemento importante della prevenzione secondaria. 3.9 Calcio Consulenza: gli sforzi tesi a migliorare la sicurezza Il calcio è una delle attività sportive più amate in edile delle piscine pubbliche e private, nonché delle Svizzera. Lo pratica, almeno sporadicamente, il acque minori vanno portati avanti, così come le 7,5% delle persone tra i 15 e i 74 anni e il 54,8% attività relative alla sicurezza dei prodotti (ad es. aiuti dei bambini tra i 10 e i 14 anni. La fascia d'età più al galleggiamento, giubbotti di salvataggio) e lo rappresentata sono gli uomini di età compresa tra i sviluppo di un aiuto automatico al galleggiamento. 15 e i 29 anni. Tabella 17 Sport acquatici (annegamento): consigli per la prevenzione Ricerca Ricerca dell'incidentalità upi/SSS Gestione della conoscenza 74 Formazione Modulo «Senso del pericolo/Capacità di autoregolazione» Competenza di autosalvataggio e di salvataggio di terzi Consulenza Comunicazione Piscine: strutturazione e gestione Sicurezza dei prodotti Rilevamento subacqueo Aiuto automatico al galleggiamento Carta dei pericoli dei corpi d'acqua Sorveglianza dei bambini Nuoto da soli Immersioni da soli In forma per l'H2O Alcol Giubbotto di salvataggio Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version Cooperazione Programma sull'acqua Scambio internazionale bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Se nel calcio praticato dai bambini non viene Infortuni frequenti considerato l'aspetto di maturità biologica o si Ogni anno, circa 54 000 sportivi devono sottoporsi a aumenta troppo rapidamente il carico durante trattamenti medici in seguito a lesioni riportate nel l'allenamento, il rischio d'infortunio sale. I deficit calcio. Tra questi, il 94% sono uomini. L'analisi della legati all'organizzazione dell'allenamento sono tra frequenza di lesioni in base alle fasce d'età evidenzia l'altro riconducibili a un complessivo sviluppo un incremento costante fino al segmento d'età tra i carente di tutti i fattori condizionali e coordinativi 26 e i 45 anni. Oltre ai bambini e agli adolescenti, nonché al carico eccessivo. Anche un equipaggia- sono dunque gli uomini fino alla mezza età a costi- mento inadeguato, o addirittura mancante, può tuire un importante gruppo a rischio (Tabella 18). ripercuotersi negativamente sul rischio d'infortunio. Nelle situazioni di competizione si nota un signi- I calciatori si feriscono soprattutto negli arti inferiori ficativo aumento delle lesioni tra gli sportivi rispetto (quasi il 70% dei casi). Si tratta in particolare di slo- a quelle riportate durante l'allenamento. In tal gature o stiramenti, ma anche le contusioni al pie- senso sono fondamentali sia l'osservanza delle de e alle dita del piede sono frequenti. regole del fair play, sia l'imposizione coerente di queste regole da parte della direzione del gioco. Se il calcio viene praticato durante l'allenamento, a Principali fattori di rischio scuola e in occasione di tornei amatoriali di calcio II principali fattori di rischio di lesione durante il oppure nell'ambito del tempo libero nelle più sva- gioco del calcio (Tabella 19) sono riconducibili ai riate condizioni metereologiche, il rischio d'infor- precedenti di infortunio. Il rischio di ferimento è tunio può essere determinato anche dal campo di altresì fortemente determinato da una scarsa con- gioco e dal contesto circostante. La scelta dell'equi- dizione fisica e da deficit di coordinazione. paggiamento adeguato, in particolar modo delle scarpe e dei parastinchi, può ridurre il rischio Tabella 18 Calcio: incidenti frequenti Chi? Uomini (26–45 anni) Bambini e adolescenti Cosa? Come? Parti soggette a ferimento: polpaccio, piede, articolazione tibiotarsica, articolazione del ginocchio Tipo di ferimento: stiramento dei legamenti, strappo (legamenti/tendini/menischi), strappo muscolare, contusione In seguito a contatto con l'avversario Senza contatto con l'avversario: caduta dopo un salto o cambio di direzione brusco Tabella 19 Calcio: principali fattori di rischio per le ferite Dovuti a un errore umano Precedenti d'infortunio (ripetuti infortuni) Deficit di condizione e coordinazione Modo di giocare aggressivo Processo di maturità bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Dovuti al contesto/equipaggiamento Durante la competizione/partit Normativa/Insufficiente imposizione del fair play Deficit nella strutturazione dell'allenamento Cattive condizioni del campo da gioco Equipaggiamento da gioco mancante o carente Mancata stabilizzazione dell'articolazione tibiotarsica dopo l'infortunio Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 75 d'infortunio dei giocatori. I calciatori che dopo aver palloni). L'attività di consulenza a favore di contratto una lesione alla caviglia non portano una «impianti sportivi sicuri» deve essere portata cavigliera di protezione malleolare hanno un rischio avanti. notevolmente più elevato di ferirsi nuovamente alla Comunicazione: i calciatori vanno sensibilizzati caviglia. maggiormente sul rischio rappresentato da un precedente Raccomandazioni per la prevenzione d'infortunio. Idealmente, la Suva dovrebbe proseguire la sua campagna di preDall'analisi d'intervento risultano le seguenti venzione insieme all'Associazione svizzera di Football. Ma anche ai calciatori non appartenenti ad raccomandazioni (Tabella 20): alcuna organizzazione dovrebbero essere trasmessi Formazione: nella formazione degli allenatori programmi di prevenzione con un approccio multi- occorre una maggiore sensibilizzazione sul fatto fattoriale. L'importanza del fair play ai fini di un che le regole nel calcio per bambini e adolescenti gioco sicuro (non solo riferito alle lesioni di altri devono essere adeguate all'età e allo stadio di giocatori, ma anche alle lesioni personali) va altresì maturità e conformi alle capacità e al livello di tematizzata più frequentemente. Inoltre, è neces- prestazioni, in modo da ridimensionare le situazioni sario rendere più consapevoli allenatori e insegnan- pericolose (ad es. forte dislivello di forza, altezza o ti sull'importanza di un'adeguata preparazione e prestazioni in uno scontro tra due giocatori). Il conduzione del gioco, in modo da ridurre il rischio significato fondamentale dell'imposizione o attua- nelle competizioni e partite con carattere compe- zione categorica della normativa ai fini della titivo. prevenzione d'infortuni deve essere trasmessa nell'ambito della formazione dei moltiplicatori (gestione nell'ambito delle diverse serie e dell'allenamento, sport scolastico). Consulenza: nel settore della vendita è necessario fornire agli sportivi, ma anche agli allenatori, educatori e genitori un'informazione adeguata sull'equipaggiamento individuale ottimale (scarpe, parastinchi, cavigliere di protezione malleolare, Tabella 20 Calcio: consigli per la prevenzione Ricerca Formazione Consulenza Comunicazione Cooperazione Ricerca dell'incidentalità Gestione della conoscenza Studio «Prevenzione nei bambini» Analisi dei temi d'approfondimento Regole e accordi adeguati alle regole Imposizione e attuazione rigorosa della normativa Processo di maturità infantile Strutturazione dell'allenamento Equipaggiamento da gioco: - scarpe - parastinchi Cavigliera di protezione malleolare Campo da gioco Precedente d'infortunio Deficit di condizione e di coordinazione Fair play Competizione/Partita Programma di calcio per bambini e adolescenti Scambio internazionale 76 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.10 Conclusioni dimenti di prevenzione attuali, la cui efficacia è stata comprovata. La Svizzera dispone dunque di un'ampia analisi della sicurezza nello sport e i decisori di una base affidabile per la pianificazione della prevenzione degli infortuni sportivi. L'entità degli incidenti è ben documentata e gli infortuni frequenti nello sport sulla neve, nella bicicletta fuori strada, nello sport alpino, negli sport acquatici e nel calcio sono stati rilevati con chiarezza. Purtroppo non sussistono praticamente informazioni sulle dinamiche dell'infortunio, ossia sui fattori di rischio relativi agli infortuni sportivi. Alcuni studi svizzeri possono essere integrati nella valutazione del rischio. Tuttavia, per la determinazione dei fattori di rischio e della loro rilevanza d'infortunio occorre basarsi prevalentemente sulla letteratura scientifica e sulle valutazioni degli esperti. A causa delle significative lacune di ricerca, le raccomandazioni di misure basate sull'evidenza non sono sempre possibili. Spesso, per sostenere le valutazioni è stato necessario rivolgersi a una commissione di esperti esterna o interna dell'upi. Da questa analisi della sicurezza emerge chiaramente la necessità di attuare una ricerca dell'incidentalità sugli infortuni più frequenti. Le raccomandazioni per la prevenzione specifiche per le singole discipline sportive di regola presentano un grado di concretizzazione esiguo. Solo nella pianificazione concettuale del contenuto e nell'attuazione di un intervento orientata alla prassi, in parte nell'ambito di uno scambio con potenziali partner di prevenzione, si definisce più chiaramente come può e deve essere configurata l'implementazione della misura in collaborazione con i partner. È fondamentale continuare a implementare i provve- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 77 4. Accident Research – Sport In accordance with the bfu’s remit, this report will not cover fatalities caused by cardiovascular 4.1 Introduction incidents, overuse or the long-term consequences of injuries. Sports and other activities such as taking regular walks or cycling contribute towards promoting The bfu has set itself the goal of even greater health. A large proportion of the Swiss population commitment to safety in sports. The focus is on goes in for sport, with some people pursuing it on accidents resulting in severe injuries and fatalities. an almost daily basis while others only do it sporadically. However, intense physical activity Successful prevention is based on a knowledge of always involves a certain potential for injury. The the accident, on the drafting and implementing of risk can be at either a very low or very high level evidence-based measures to avoid these accidents depending on the type of sport chosen and how it and – equally important – on evaluating these is pursued. measures. The bfu – Swiss Council for Accident Prevention’s This safety dossier on «Accident Research – Sport» legal remit, to prevent accidents in the road will traffic sector as well as home and leisure time Switzerland, discuss risk factors and weight their accidents also applies to sports accidents and to relevance for Swiss conditions as well as present coordinating activities of a similar nature. measures Accident prevention is a permanent duty not only recommendations will be oriented towards the for the bfu but also, explicitly or implicitly, for all outline conditions prevalent in Switzerland. For the the institutions and people involved in sports. first time, Switzerland will have a comprehensive describe to the accident increase situation safety. in Specific safety analysis in sport. The purpose of this Every year, around 300 000 Swiss residents are scientific approach is to provide decision-makers injured so severely in sports accidents inside and with the basis for accident prevention planning in outside Switzerland that they need medical the sports sector in the shape of this safety dossier. treatment. About 140 people are killed, approximately 10 of them abroad. An average of The measures proposed in this report have also approximately 50 other victims from abroad who been formulated with regard to the activities of suffer fatal sports accidents in Switzerland must various stakeholders. Existing, valuable prevention also be added to the fatalities in Switzerland. There efforts can be boosted and coordinated to an even is therefore a considerable need for action so that better degree, while new measures can be the undisputed social benefits of sports activities implemented in conjunction with partners. In this can be increased even further. This must also be way, synergies can be exploited and the maximum seen against a background of countless efforts to benefit can be gained from the means available promote using a joint, scientifically-based strategy. sports. More sports accidents can therefore be anticipated in future – and not simply due to the increase in population. 78 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.2 Method In the first sequence in accident research, sports and the accidents that happen are analysed in The bfu’s business model, in other words a detail (Figure 1). The aim is to list the prevention description of how the bfu addresses its remit, is requirements. This is obtained from the accident shown in the prevention cycle for accident focal points (accidents that occur frequently prevention (Figure 1). and/or are severe, particularly fatal ones). In the systematic approach to effective injury Initially, a closer look will be taken at the Swiss prevention, the initial situation in the accident population’s sports behaviour in order to better problem areas is described in detail with scientific understand the accidents. It is important in working thus prevention work to have a good insight into the represents the first stage in the prevention cycle. specific setting in which the interventions are to be The aim is to answer the questions: «What made. The risk of accident can also be quantified happens?», «How and why does it happen?» from data on the exposure to and extent of and «How can it be prevented?». accidents by type of sport. This «Safety Dossier Sport» covers this initial stage. Following on from the first question in accident It comprises the analysis of accidents, risks and research of «What happens?», the accident interventions (Figure 2). The result of this analysis causes must be investigated, in other words is a list of prevention recommendations, i.e. «How and why does it happen?» (Figure 2). suggestions based on a systematic evaluation of This is the question about the factors that prevention substantially influence the accident risk, i.e. are methods. Accident possibilities research derived evaluation criteria. Figure 1 bfu prevention cycle for accident prevention from specific causally linked with the outcome of the injurycausing event. To establish the main risk factors, the strength of a factor’s influence on the risk of injury must be determined, as must its extent in bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 What happens? Why does it happen? How can it be prevented? Accident analysis Risk analysis Intervention analysis Accident situation Accident causes Assessment (injury causing events) - Frequency - Severity Accident relevance - Extent - Riskiness Output Input Process Figure 2 bfu Accident Research Accident focal points Main risk factors Prevention possibilities - Effectiveness - Efficiency - Feasibility Prevention recommendations Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 79 order to be able to quantify its actual significance order to finally arrive at a list of prevention in accidents. recommendations. In the risk analysis, although individual factors are Prevention possibilities are understood to represent singled out and their relevance for accidents is the sum total of prevention measures that are determined, it is basically assumed that there is a basically possible. At bfu, this listing of prevention multi-causal interconnection of risk factors – in possibilities is termed the «long list». Generally other words a bundling of causes, which in a speaking, these «possibilities» are not very specific. specific constellation can increase or reduce the It is only at the stages of content and concept likelihood of an accident that results in injury. planning and the practice-oriented implementation of an intervention, to some extent in an exchange In view of this initial situation, the approach to with potential prevention partners, that more determining their specific detail is given as to how the implement- significance in accidents – i.e. their relevance for tation of the measure is to be and can be arranged accidents – will be sequential. The investigation will with partners. Fundamentally, determining the first look into whether the accident description package of measures must be based on the situ- allows any deductions to be made as to whether a ation analysis. However, additional, in-depth analy- selected risk factor plays a role or not. If this ses are usually needed that are not the subject of information is unobtainable, details from scientific the safety dossier. potential risk factors and literature will be used. If the specialist literature also fails to shed any light for a quantitative In the evaluation of the prevention possibilities, the statement, the accident significance will be assessment criteria of effectiveness (i.e. not only assessed by a group of experts. This group will be effective under ideal but under normal living put together differently according to the type of conditions), efficiency (cost effectiveness) and sport. bfu specialists from the sports advisory feasibility (the degree to which they can be department and research department will always implemented to meet Swiss conditions) will be be included; external groups of specialists will also taken into account. be consulted on all accident focal points. A structured process will be used to assess the Various strategies can be deployed to achieve the importance of the risk factors. prevention goals. «Strategies» mean approaches and procedures that serve to reach the goal. In a Following on from the discussion and assessment broader sense, this includes e.g. educational of the relevance of risk factors for accidents, the strategies (informing, making aware, training and next sequence in accident research will tackle the further training), legislative strategies (enacting question of: «How can it be prevented?» laws, (Figure 2). technical In this intervention analysis, establishing regulations, approaches monitoring), (designing sports prevention possibilities that are intended to equipment, adapting infrastructures) or economic contribute towards risk reduction are evaluated in strategies (creating incentives). All these strategic 80 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 approaches will be taken into consideration when and the possibilities of the various prevention compiling prevention possibilities. partners. In addition, it is vital to continue the prevention measures already currently being Evidence-based recommendations for measures are implemented for all the accident focal points that not always possible in view of the major gaps in have proved effective. research. A prevention possibility can also be highly recommended even though there is no solid, The recommendations for research and coopera- scientific evidence for the effectiveness of this tion activities are not derived from the intervention intervention, e.g. if there is no alternative and a analysis but are based on fundamental strategic panel of experts consider the intervention to be an considerations effective contribution towards accident prevention. Accident research and knowledge management for effective prevention work. form the basis for targeted, effective, efficient and Sections VII to XI contain the safety analysis of the feasible prevention measures. In addition and for types of sports (groups) that were shown to be all accident focal points, prevention work will also accident focal points in section VI. The detailed be coordinated and joint interventions implement- analysis of the accident situation in these types of ted among the most important stakeholders. These sport will highlight the focal points specific to the will also be focal point programmes and/or in type of sport. Since the five sub-sections were permanent working groups on accident pre- drafted over a period of time, the years for vention. Where necessary, these efforts are to be accidents considered will vary to some extent. The boosted even more. Both cooperation efforts and accident situation is usually given in five-year an international exchange are also important sections. It can thus be assumed that the elements of systematic prevention work. statements made would not have changed significantly when taking the latest figures into 4.3 Sport among the Swiss population consideration. Recent surveys conducted by the Swiss Federal The main risk factors will be derived from the Office of Sport provide a representative view of the accident analysis. A list of prevention measures will Swiss residential population. Around half of the then be drawn up that were awarded an overall Swiss residential population aged between 15 and assessment «highly 74 go in for sport several times a week or even recommended» in terms of their effectiveness, daily and 17% at least once a week. A further 6% efficiency and feasibility in an evaluation process. only do sports occasionally. In contrast, more than of «recommended» or one fourth of the population pursues no sporting For all accident topics, the prevention recommend- activities (27%). dations are sub-divided into the five main areas of research, training, advice, communication and 16% of children do at least one hour of sport a cooperation. Which of the measures recommended day in addition to compulsory gymnastics and in this report will finally be implemented in practice sports lessons at school. Another 31% of children will depend on the resources available in future go in for sporting activities for more than 3 hours a bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 81 week. Almost half of the children are very active in sports and do a total of 3 to 7 hours of sport several times a week in addition to sports lessons at school. A further 39% are active in sports up to 3 hours a week. In contrast, 14% of children do not do any sports outside compulsory sports lessons at school. 13% of the children interviewed stated that they never cycle or swim, not even occasionally. 4.4 Accidents The 300 000 people who suffered sports injuries are distributed over a wide variety of sports activities (Table 1) whereby some types of sport stand out due to the many cases or relatively high number of fatal accidents. Almost 180 people suffer fatal accidents in Switzerland (Table 1) every year. Almost one third of these sports fatalities are foreigners. The analysis of the frequency and severity of injuries in sports shows the focal points for accidents in football, winter sports (skiing, snowboarding and tobogganing) as well as in offroad biking (Table 1) while there are frequently fatal accidents in mountain sports (particularly hiking, mountaineering, ski-touring and off-piste skiing) and in watersports (drowning). In the case of drowning accidents, all activities in, on and around water have to be taken into consideration since only two out of three cases occur during water sports. These types of sport (groups) form the main areas of activity in sports accident prevention. 82 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Table 1 People injured, by type of sport, 2000–2008 Sports group/ 2000 2005 2007 2008 Ø 2004 type of sport –2008 Football 50 650 50 480 56 700 57 580 54 300 Skiing 42 760 43 660 40 180 43 210 43 210 (incl. touring) Cycling, biking 25 950 32 490 34 910 34 150 33 150 (not in traffic) Snowboarding 24 500 24 510 22 700 24 760 24 460 Tobogganing 5 740 11 210 7 820 11 580 10 080 Bathing, swimming 9 100 8 960 9 180 9 390 9 140 Hiking 5 460 8 140 9 820 8 860 8 660 Volleyball 8 560 8 430 8 680 8 810 8 610 Inline skating, roller 12 210 9 270 8 620 5 700 8 430 skating Gymnastics 7 630 7 680 8 750 8 570 8 170 Running, jogging 5 110 6 560 8 120 8 860 7 730 Land, roller/ 5 350 6 220 7 060 7 480 6 760 unihockey Equestrian sports 6 260 6 650 6 960 6 650 6 590 Ice-hockey 6 290 6 380 6 050 6 320 6 430 Basketball 6 140 5 880 6 000 5 890 5 930 Ice-skating, figure5 600 5 240 5 640 5 680 5 410 skating Martial arts (incl. 4 950 4 640 5 320 5 420 5 210 self-defence) Handball 5 720 5 280 5 290 4 760 5 090 Gym/fitness, 3 850 3 860 3 820 4 030 3 950 aerobics Athletics 2 720 3 780 3 640 3 980 3 790 Tennis 4 010 3 140 3 610 3 340 3 360 Badminton (incl. 2 530 2 500 2 470 2 610 2 700 shuttlecock) Boating 1 380 1 750 1 070 1 450 1 610 Bowling, throwing 1 140 1 170 1 460 1 470 1 430 and hitting games Squash 1 820 1 320 1 160 1 050 1 250 Paragliding 600 420 490 490 460 Other sports 24 970 24 380 28 480 27 910 26 290 and games Total 281000 294 000 304 000 310000 302 200 Source: bfu, extrapolation bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Table 2 Fatalities, by type of sport and residential location (location of accident: Switzerland), Ø 2004–2008 Type of sport Ø 2004–2008 Abroad Switzerland Mountain sports Mountaineering 17 17 Climbing 2 4 Hiking 9 32 Other mountain sports 0 1 Total for mountain sports 28 54 Winter sports Downhill skiing 2 6 Ski touring 4 8 Off-piste skiing 5 4 Snowboarding 0 1 Off-piste snowboarding 3 3 Snowshoeing 0 1 Other winter sports 0 1 Total for winter sports 14 24 Water sports Bathing/swimming 3 13 Boating 0 5 Diving 1 3 Total for water sports 4 21 Flying sports Gliding 1 3 Paragliding 1 6 Base-jumping 2 0 Other flying sports 0 1 Total for flying sports 4 10 Other types of sport Rambling, walking 1 7 Hunting 0 4 Equestrian sports 0 2 Motor vehicle racing 0 1 Remaining types of sport 1 4 2 18 Total for other types of sport Total 52 127 Total 34 6 41 1 82 8 12 9 1 6 1 1 38 16 5 4 25 4 7 2 1 14 8 4 2 1 5 20 179 Source: bfu, Statistics on fatal sports accidents Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 83 4.5 Snowsports injury. In terms of numbers, young adults also form a focal point for accidents (Table 3). Snowboarders suffer wrist and hand injuries most often as well as 4.5.1 Skiing and snowboarding injuries to the shoulder and upper arm while Approx. 1.71 million Swiss skiers and 0.35 million around one third of all skiers injured suffer a knee snowboarders aged between 10 and 75 enjoy injury. The risk of a head or facial injury is greater winter sports on the pistes. Added to these are among children and young people than among children under the age of 10 and senior citizens adults. over 75 whose number cannot be specified. Main risk factors Accident focal points Every snowsport fan’s personal behaviour is of the Around 70 000 Swiss residents are injured every utmost relevance for accidents (Table 4). Although year on snowsport pistes in Switzerland and the subjective assessment of collision danger is very abroad. In addition, around 30 000 foreign visitors high, in actual fact only the injured persons suffer injuries on Swiss pistes. On average, there themselves are involved in 90% of accidents. are 6 fatal accidents on Swiss snowsport runs. The Among the people-related factors, it is mainly the 25 fatal accidents suffered by touring and off-piste lack of risk awareness and lack of self-regulation – skiers on unmarked runs is dealt with in the added to excessive speed – that increase risk. mountain sports section. However, a lack of long-term fitness preparation as well as unfavourable, acute physical condition Due to their lack of skill, beginners/ inexperienced (over-tiredness and alcohol in particular) are also skiers are injured significantly more often than highly relevant for accidents. advanced or expert skiers. Irrespective of this, children and young people have the highest risk of Table 3 Skiing and snowboarding: accident focal points Who? Beginners/inexperienced skiers Teenagers and young adults Children What? Knee among skiers Shoulder/shoulder girdle Head Wrist among snowboarders How? Routine skiing situation Twisting fall backwards when skiing Falling over backwards when snowboarding Jump Collision Table 4 Skiing and snowboarding: main risk factors for injuries People-related Insufficient awareness of danger and lack of self-regulation Excessive speed Lack of physical fitness Inadequate skill Unfavourable physiological condition (over-tiredness, alcohol, in particular) Situation/equipment-related Piste area design incl. snowparks Ski binding set wrongly or ineffectively Wrist protectors not worn or ineffective Protective equipment not worn (helmet in particular, snowsports goggles/standard spectacles) 1 84 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Deficiencies in the securing, preparing, marking any points of conflict and by offering physical and operating of pistes and snowparks can protection. increase the risk of accidents or the consequences of falls. Falls are inevitable in winter sports. A lack Communication: Winter sports enthusiasts should of or inadequate protective equipment (particularly be particularly made aware of and motivated a helmet and wrist protectors for snowboarders) towards improved risk awareness, pre-seasonal and incorrectly adjusted or ineffective release strength and coordination training, sufficient rest bindings increase the risk of injury. breaks, wearing snowsport helmets and wrist protectors, optimising their equipment (for example, correctly adjusted ski bindings, wearing Prevention recommendations the necessary eyewear). The following recommendations for accident prevention will result from the evaluation process, arranged according to the main areas (Table 5): Training: In particular, the topics of danger awareness and self-regulation, speed, behaviour in snowparks, sufficient rest, physical fitness and wearing personal protective equipment should be addressed in winter sports training, in schools or in clubs. Trained staff in sporting goods stores should receive instruction on the latest findings in the field of protective gear and sports equipment. Advice: Ski slope areas should be designed to be self-explanatory and forgiving. Speed differences between piste users can be minimised by structural measures and signage as well as by optimising the range of vision, by providing simple, comprehendsible and user-friendly piste layouts, by reducing Table 5 Skiing and snowboarding: Prevention recommendations Research Accident research Knowledge management Statistics on the transportation of people injured Survey on protection behaviour Study on wrist protection Study on ski-binding-bootcomplex bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Training Module «Awareness of danger/self-regulatory behavior» Module «Protective equipment/sports equipment» Advice Safe skiing area Skiing area design incl. snowparks Product safety Communication Checking the risk/ rules of behaviour Physical fitness and physiological state Skill Wearing protective equipment Optimum equipment Glasses/eyewear Cooperation Priority programme in snowsports Swiss Commission for the Prevention of Accidents on Snowsport Runs SKUS International exchange Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 85 4.5.2 Tobogganing Main risk factors Tobogganing is a popular pastime in Switzerland. A lack of awareness of danger is frequently The majority of children go tobogganing at least mentioned as a cause of an accident. Many people occasionally and are also often accompanied by do not know how to behave safely when parents or other carers. Tobogganing is becoming tobogganing. Tobogganers often lose control of increasingly popular among adults in recent years, their toboggans due to inadequate steering and particularly on commercially-operated runs. braking knowhow, which leads to accidents and injuries (Table 7). Accident focal points Danger spots on tobogganing runs result in Around 10 000 people in the Swiss residential accidents. population are injured while tobogganing every inadequate equipment also increase the risk of a year. About 60% of these are children and young fall or collision substantially. Many tobogganers fail people under the age of 16. However, women also to wear a snowsport helmet, meaning that the suffer when consequences of falls or collisions cannot be tobogganing and their injuries are quite often reduced. Excessive alcohol consumption and other severe (Table 6). A large proportion of the substances that affect awareness have a negative accidents are collisions with moving objects (e.g. effect on reaction speed and alter people’s other tobogganers, vehicles) or with immovable perception of risks. accidents fairly frequently Unsuitable toboggans as well as objects (e.g. trees, posts, walls). Many injuries are also caused when falling off a toboggan. Most of the fatal accidents are due to collisions, frequently with a vehicle. Table 6 Tobogganing: Accident focal points Who? What? Children and young people (≤ 16 years) Women Concussion Strains, sprains and fractures of the lower extremities Bruising of the trunk How? Collisions with objects Collisions with vehicles Falls Table 7 Tobogganing: Main risk factors for injuries People-related Lack of awareness of danger and inadequate self-regulatory skills Lack of knowledge Lack of skill 86 Situation/equipment-related Children inadequately supervised Inadequate safety on tobogganing runs and in toboggan parks: management of danger spots/speed Inadequate equipment and unsuitable toboggan Not wearing a helmet Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 tobogganers to use the proper materials, to wear Prevention recommendations helmets, to restrict alcohol intake and to take care The following prevention possibilities, grouped on the slopes. according to the main areas, could reduce the risk of tobogganing injuries (Table 8). Training: Training both for children and adult tobogganers on safe behaviour, knowledge of the correct materials to use and better tobogganing skills. As an integral part of such courses, tobogganers should always be made aware of the risks and be taught strategies to improve selfregulation. Advice: The construction, maintenance and operation of marked, groomed and secured tobogganing runs and toboggan parks should be implemented according to fundamental, uniform safety guidelines throughout Switzerland. Frequently used, unmarked and ungroomed tobogganing runs in local communities should also benefit from optimised safety. Uniform rules of conduct for tobogganers should also be defined and introduced in order to achieve even greater gains in safety. Legislative measures should continue to ensure that only materials that meet the safety regulations should reach the Swiss market. Communication: Information efforts should be undertaken to make parents aware of the need to supervise their children better and to get all Table 8 Tobogganing: Prevention recommendations Research Accident research Knowledge management Statistics on transportation of people injured Survey on protection behaviour bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Training Module «Awareness of danger/self-regulatory behaviour» Module «Protective equipment/sports equipment» Advice Communication Safety on toboggan runs and in toboggan parks Product safety Supervision of children up to the age of 8 Rules of behaviour Alcohol consumption Functional equipment and suitable toboggan Cooperation Priority programme in snowsports Swiss Commission for the Prevention of Accidents on Snowsport Runs SKUS International exchange Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 87 4.6 Off-road cycling girdle/upper arm injuries and women mainly suffer knee injuries. The share of wrist/hand/finger Two settings will be highlighted: firstly, the mainly injuries is high for all cyclists. The majority of cases adult mountain bikers, who use hiking trails, bike happen on singletrack, with a substantial increase routes and facilities as well as off-road areas; in the general risk of injury on descents. Accidents secondly, the children who are also off-road while among young children learning to ride a bike at learning to ride or playing out on bikes around home around the house or even in the flat are their homes, in squares and on pathways. 6% of hardly documented in Switzerland. the population aged 15 to 74 state that mountain biking is one of the sports they pursue. 58% of the Main risk factors children and young people state that they regularly ride a bike or mountain bike, which reveals nothing Injuries caused while cycling are usually the result about off-road usage, however. In contrast, it can of accidents caused by cyclists themselves (falls, be assumed that almost all young children learn to collisions with objects). A lack of concentration ride a bicycle off-road. during technically-challenging, off-road cycling and on unmetalled tracks is an important risk factor (Table 10). Cyclists are also too little aware of their Accident focal points risky cycling style and the consequences of injury. The full extent of off-road cycling/biking accidents With amounts to approx. 9,000 people injured every intrapersonal factors such as cyclists’ self-regulatory year, with men in the 26- to 45-year-old age ability are important. If cycling with friends, for segment being in the majority. One third of those example, group-dynamic processes can lead to injured are children (< 17 years of age) (Table 9). excessively risky behaviour. When cycling off-road, Accidents in road traffic are not included in this a lack of cycling skills, inadequate tour planning safety analysis. Head injuries are the most common and, on long tours or during intensive training, among general over-tiredness and drop in physical stamina children while men suffer shoulder unsafe behaviour, other overriding, Table 9 Off-road cycling: Accident focal points Who? What? Men (aged 26–45) Young children How? Head, skull, brain Shoulder girdle/upper arm (men) Wrist/hand/finger Knee (women) Tour on singletrack Descent Young children: learning to ride a bike Table 10 Off-road cycling: Main risk factors for injuries People-related Inattention/being diverted Insufficient awareness of danger and lack of self-regulatory ability Unfavourable physiological state Poor preparation for the tour Faulty technical skills 88 Situation/equipment-related Design of MTB routes/facilities Lack of protective equipment (helmet in particular) Unsuitable bike or technical defects Unfavourable group dynamics Young children: lack of supervision Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 can all have a negative effect. Cyclists are often and supervising adults must be instructed in how unable to plan a tour that suits their own abilities children should best be taught to ride a bike, in since the necessary signage and warning markings what is the appropriate equipment and that are often lacking on existing routes and cyclists supervision is an important prerequisite for a child’s unnecessarily get themselves into critical situations. safety. If the required protective equipment is also not being worn, any falls or collisions will tend to result in injuries. The risk of injury among young children learning to ride a bike or with limited cycling skills increases significantly if there is a lack of adult supervision. Prevention recommendations Training: Beginners, switchers or those who lack the skills required are recommended to attend a training course teaching safe cycling, awareness of the dangers and self-regulation, cycling/braking technique as well as tour planning (Table 11). Advice: Uniformity in the marking, signage, information and level of difficulty for mountain bike routes and facilities must be pursued even more and attention paid to their implementation. Communication: Communication efforts should cover the topics of concentration, awareness of danger and self-regulatory abilities, physiological state, protective equipment, proficiency and tour planning, buying and maintaining a bike. Parents Table 11 Off-road cycling: Prevention recommendations Research Accident research Knowledge management bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Training Module «Awareness of danger/self-regulatory behaviour» Tour management Advice Product safety: - bikes suitable for children - protective equipment Design of MTB routes/ facilities (incl. signage, markings) Communication Factors: - Concentration - Self-regulatory behaviour - Physiological state Wearing protective equipment Tour planning proficiency Suitable choice of bike and maintenance Child-friendly learning to ride Cooperation Priority programme in cycling/biking FsMTB (Safe mountain biking specialist group) International exchange Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 89 4.7 Mountain sports mountain sports and suffer fatal injuries. It seems self-evident that the typical two mountain accident Hiking is one of the most popular types of sport in scenarios – a fall from a height while hiking or Alpine countries. In Switzerland, «hiking, walking, mountaineering in summer, buried by an avalanche mountain hiking» is in second place among the while ski touring or skiing off-piste in winter – are sporting activities pursued. Mountain sports are an the predominant causes of death (Table 12). accident focal point due to the relatively high number of serious and fatal accidents. Mountain Main risk factors sports include the summer pursuits of mountain hiking, mountaineering, climbing incl. via ferratas The important risk factors in mountain sports differ and, in winter, ski and snowboard touring, according to the type of sport, which makes a snowshoeing, general free-riding/off-piste skiing, ice- estimate of accident relevance for mountain sports as a whole difficult. The cause of climbing, canyoning and caving. most mountain sports accidents is the lack of risk In the safety analysis, the focus is also on fatal expertise. Risk expertise comprises, firstly, the accidents given the data situation. Firstly, there is a ability to recognise potential dangers (perception relatively large number of fatal accidents, which skills) and assess correctly (judgement). Secondly, make the types of mountain sport a focal point in the prevention fatal (decision-making skills) and to also implement accidents will potentially also prevent those them by targeted actions (ability to act) (Table 13). accidents that result in the most severe injuries. Extrinsic risk factors such as natural dangers or work. Secondly, preventing ability to take safety-oriented decisions infrastructure play a subordinate role in mountain sports if they are correctly assessed by participants. Accident focal points Among the Swiss residential population, almost 11 000 mountain sports enthusiasts suffer such severe accidents every year in winter or summer Table 13 Mountain sports: Main risk factors for fatal accidents that they require medical attention. In the five-year average for Switzerland, approx. 120 people are fatally injured in mountain sports accidents, 32 of which are in off-piste snowsport accidents. Foreign visitors account for 45 of the fatalities. It is men, in People-related Lack of perception skills Lack of planning Lack of judgement Lack of decision-making skills Lack of ability to act Lack of securing/rope technique particular, who go in for privately organised Table 12 Mountain sports: accident focal points Who? Men (> 20 years old) Privately organised mountain sports fans Foreign visitors 90 What? Fall Avalanches Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version How? Mountain hiking Mountaineering Snowsport tours bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 and to incorporate a safety reserve. This particularly Prevention recommendations applies to off-piste snowsports fans. The interventions, which – based on the safety analysis – are recommended for implementation, Cooperation: Foreign tourists should also be can be listed by topic area (Table 14): targeted with prevention messages – preferably before they leave home. This should be a goal in Training: In mountain sports, particularly in international exchanges with specialist organi- avalanche training courses, emphasis should be sations. placed on improving decision-making skills and the ability to take action. In addition, a partner check or a «second opinion» could be introduced as an element in all training courses. Advice: More simple aids to self-assessment should be made available. Planning aids such as checklists can also be used individually. The use of a test environment (e.g. for snowsports enthusiasts) should be propagated in order to gain experience. Communication: Awareness of dangers should be created or improved by means of information measures. Mountain sports enthusiasts should thus be made aware and informed as much as possible, e.g. by also communicating accident analyses and recommendations on safety-oriented behaviour derived from them. Mountain sports enthusiasts should be motivated to not be too casual in their tour-planning approach, but to plan carefully instead. As far as possible, they should be encouraged to reduce their willingness to take risks Table 14 Mountain sports: Prevention recommendations Research Accident research Knowledge management Study accident near-misses bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Training Advice Communication Cooperation Decision-making skills and ability to take action, particularly in avalanche courses Partner check Self-assessment Test environment for snowsports Planning aids, checklists Awareness of dangers Tour planning Willingness to take risks Priority programme in mountain sports Specialist group on safety in mountain sports Core training team in avalanche prevention International exchange Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 91 4.8 Watersports (drowning) are men in the age segment of 15 to 24, followed by older men (> 65 years) (Table 15). Most people Sports and other activities in, on and around water drown in open water while some drown in public are among the Swiss population’s most popular pools. leisure pastimes. However, being in water also carries a risk of injury or even drowning. In the Main risk factors safety analysis, the focus will not be on the several thousand people who suffer slight or moderately Some risk factors (e.g. male gender, youth) cannot severe injuries during water sports, but on fatal be influenced to a truly substantial degree but are drowning accidents. These will cover drowning important when choosing a target group and incidents in sports as well as children while playing, formulating a suitable prevention strategy. Table in road traffic accidents and while pursuing 16 gives an overview of the main risk factors. Prime hobbies or working. importance behaviour is given during to people’s activities in individual water (e.g. swimming/diving alone or when unfit), around Accident focal points water (e.g. lack of awareness of danger) and on On average, 43 people drown in Switzerland every the water (alcohol consumption when boating). year, 7 of whom are from abroad. Most of the incidents happen during leisure-time sporting However, infrastructural (poor pool safety) or activities (bathing/swimming, boating, diving) but equipment-related (no life-jacket) factors can also people also drown in Switzerland during sports substantially influence the risk. In addition, the lack lessons, in military sports, activities in the home of continuous supervision of children around water and is the one, singular risk factor for almost all other leisure-time consequence accidents of are traffic particularly pursuits and accidents. as a Childhood important due drowning accidents involving children. to children’s special need for protection. In relation to the population as a whole, most drowning victims Table 15 Watersports (drowning): accident focal points Who? Where? Children (0 – 9 years) Men (≥ 16 years) Elderly people Open, standing water Flowing water Public swimming pools How? Swimming/bathing in open water Boating Diving Table 16 Watersports (drowning): Main risk factors People-related Insufficient awareness of danger and lack of self-regulation Alcohol consumption Swimming or diving alone Unfavourable physiological state or state of health 92 Situation/equipment-related Lack of/poor supervision of children No life-jacket Lack of rescue skills Strong current Lack of pool safety Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 that a wrong move in water can have fatal Prevention recommendations consequences. Safety-oriented behaviour that is The following recommendations by topic area are succinctly summarized in bathing, river, free-diving of particular importance (Table 17): and ice regulations, must be increasingly communicated in the right form for each target Training: The cantons should be supported group. What must be emphasized is the call to (including teaching aids) in introducing uniform avoid alcohol, to not swim or dive alone and to safety standards for water sports in their schools wear a life-jacket when boating. and instructing the teachers accordingly. All children should learn to swim, with the main focus on an awareness of danger/self-regulation as well as self-rescue. The training and further training of lifeguards remain a further important element in secondary prevention. Advice: Efforts to improve structural safety in public and private swimming pools as well as ponds must be continued. Product safety activities (including buoyancy aids and life-jackets) and the development of an automatic buoyancy aid must also not be forgotten. The interactive, continuously updated nautical chart for water sports enthusiasts should also contain prevention messages (particularly on protective equipment). Communication: Information efforts should be directed at making parents, carers and pool supervisors aware of the core message that seamless supervision of children is imperative if drowning accidents are to be prevented. Water sports enthusiasts should be made even more aware that only fit people can go into water and Table 17 Watersports (drowning): Prevention recommendations Research Training Advice Accident research bfu/ Swiss Lifesaving Society SLRG-SSS Knowledge management Module «Awareness of danger/self-regulatory behaviour» Self-rescue and third-party rescue skills Swimming pools: design and operation Product safety Underwater detection Automatic buoyancy aids Nautical danger charts bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Communication Supervision of children Swimming alone Diving alone H2O fit Alcohol Life-jacket Cooperation Water programme International exchange Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 93 4.9 Football Main risk factors Football is one of the most popular types of sport The most important risk factors for a football injury played in Switzerland. 7.5% of 15- to 74-year-olds (Table 19) include a prior history of injury. A lack of and 54.8% of 10- to 14-year-olds play football at fitness or coordination deficits are strong predictors least sporadically. Men aged 15 to 29 are the for injuries. largest group of players. If a child’s biological maturity level is not taken into account or the training level is increased too Accident focal points quickly, the risk of injury in children’s football is Approximately 54 000 sportsmen and women increased. Factors missing in the training structure require medical treatment every year due to injuries include a lack of holistic development in all the incurred while playing football. 94% of these are relevant fitness and coordination factors as well as men. An analysis of injury frequency by age excessive demands on fitness. A lack of equipment category reveals a constant rise up to the 26- to 45- or faulty equipment can also increase the risk of year-old age segment. Men up to middle age injury. Significantly more players are injured in represent an important risk group alongside children competitive situations than during training. Both and young people (Table 18). the observance of fair play rules and the consistent enforcement of these rules by referees play a major In particular, footballers suffer injuries to the lower role. If football is played either in training sessions, extremities (almost 70%). In particular, these at school, in five-a-side tournaments or during include sprains or strains as well as frequent bruises leisure on the feet and toes. meteorological conditions, an increased risk of time and under a wide range of injury can also be assumed due to the playing surface and the area around the pitch. Players can reduce their risk of injury by choosing the proper Table 18 Football: accident focal points Who? Men (26–45 years old) Children and young people What? How? Injury localisation: calf, foot, ankle joint, knee joint Type of injury: pulled ligament, tear (ligaments/tendons/meniscus), pulled muscle, bruise Contact with opponent Without opponent: landing after a jump or abrupt change of direction Table 19 Football: Main risk factors for injuries People-related Prior history of injury (repeat injury) Fitness and coordination deficits Own aggressive style of play Maturing process 94 Situation/equipment-related In competitive situations/games Rules/fair play inadequately enforced Training structure deficits Pitch in poor condition Lack of or faulty playing kit Lack of ankle stabilisation following injury Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 kit, particularly boots and shin guards. Footballers continue its prevention campaign in conjunction who fail to wear an ankle brace after an injury with the Swiss Football Association. have a clearly increased risk of a further ankle joint Footballers who are not organised in a club should injury. also be informed about prevention programmes using a multi-factor approach. The importance of Prevention recommendations fair play for safer games – not only in terms of The following recommendations result from the injuries to others but also to oneself – should also intervention analysis (Table 20): be given greater emphasis as a communication topic. In addition, trainers and teachers must be Training: The training given to trainers should made aware of how the increase in risk in contests incorporate the aspect that, in children’s and youth and competitive matches can be countered by football, rules adapted to age or level of maturity means of the corresponding preparation and and in line with skills or performance level, can guidance. contribute towards ameliorating dangerous situations (e.g. tackles involving major gaps in strength, size or performance). The prime importance of strict enforcement or implementtation of the rules in injury prevention must be taught in disseminator training (league level, training, school sports). Advice: Sports retail outlets should give players as well as trainers, teachers and parents better information about age-appropriate, individually ideal equipment (boots, shin guards, ankle braces, balls). Advisory activities for «safe sports facilities» should be continued. Communication: Footballers should be made more strongly aware of the risk that comes with a previous injury. It would be desirable for Suva to Table 20 Football: Prevention recommendations Research Training Advice Communication Accident research Knowledge management Study «Prevention in children’s football» Analysis of focus topics Rules and agreements to suit the situation Strict enforcement or implementation of the regulations Children maturing Training structure Players’ equipment: - Boots - Shin guards / Ankle braces Football pitch Previous injury Fitness, coordination deficits Fair play Contests/matches bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Cooperation Football programme for children and young people International exchange Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto / Condensed version 95 4.10 Conclusions Switzerland now has a comprehensive safety analysis for sport and thus a reliable basis for decision-makers in their planning for sports accident prevention. The extent of accidents is well documented and the accident focal points of snowsports, off-road cycling, mountain sports, watersports (drowning) and football have been clearly identified. In contrast, there is hardly any detailed information on how sports accidents happen or the risk factors. Individual Swiss studies can help as an element in risk analysis, but recourse to scientific literature or to assessments by experts is largely needed when listing the risk factors and their relevance for accidents. Evidence-based recommendations for measures are not always possible given the major gaps in research. Support was often needed from an assessment by an internal bfu panel and an external body. The need for accident research into accident focal points became obvious in this safety analysis. The prevention recommendations for each type of sport are generally not very specific. In future, just how a measure should and can be implemented with partners will only be determined in more detail in the planning of content and concept and in the practice-oriented implementation of an intervention, partially in the form of an exchange with potential prevention partners. Previous prevention measures that have proved effective must be retained. 96 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 III. Einleitung 1. Sport hat hohen gesellschaftlichen ten wie Schwimmen oder bei Walking. Dabei kann Nutzen sicherheitsabträgliches Verhalten dem Sportler gar nicht bewusst sein. Ein optimales Mass an körperlicher Aktivität ist eine wichtige Voraussetzung für die Erhaltung der Gesundheit. Körperliche Aktivitäten umfassen eine 2. Sportunfallprävention als Aufgabe aller Beteiligten unbegrenzte Fülle von möglichen Bewegungsformen – Sporttreiben stellt einen spezifischen Die bfu hat den gesetzlichen Auftrag neben Bereich daraus dar. Ein grosser Anteil der Schwei- Unfallverhütung zer Bevölkerung treibt Sport, einige beinahe täg- sowie Haus und Freizeit auch Sportunfälle zu lich, andere nur sporadisch. So vielfältig wie die verhindern und gleich gelagerte Aktivitäten zu Sportarten sind, die in der Schweiz ausgeübt wer- koordinieren. Unfallverhütung ist nicht nur ein den, so unterschiedlich können die Motive für die Auftrag des Gesetzgebers, sondern auch eine ge- sportlichen Aktivitäten sein. Menschen treiben sellschaftliche Verpflichtung, damit Schmerzen und Sport, weil sie etwas für ihre Gesundheit tun wol- menschliches Leid, das von Unfällen ausgeht, ver- len, sich gerne in der Natur bewegen, mit Kollegen hindert oder gemildert werden können, aber auch etwas unternehmen wollen, Spannung spüren um die damit verknüpfte volkswirtschaftliche Belas- wollen, sich auszudrücken wollen, um sich im tung zu reduzieren. im Bereich Strassenverkehr Wettkampf zu messen oder auch als reiner Ausdruck der Lebensfreude. Mehrere nationale Institu- Unfallverhütung ist eine Daueraufgabe, nicht nur tionen wie beispielsweise das Bundesamt für Sport der bfu, sondern explizit oder implizit aller im Sport (BASPO) – insbesondere mit den Jugendförder- engagierten Institutionen und Personen. Sportun- ungsprogramm Jugend+Sport – , Swiss Olympic fallverhütung ist so alt wie der Sport selbst; nie- mit seinen über 80 nationalen Sportverbänden, die mand will sich im Sport verletzen oder gar zu Tode kantonalen Sportämter, die Schule und kommerzi- kommen. Damit Sport als Selbstzweck Freude be- elle Anbieter engagieren sich daher in Programmen reitet und Sinn stiftet, muss mit dem Risiko, das zur Sportförderung. von einer Tätigkeit ausgeht, vernünftig umgegangen werden. Sport umfasst eine heterogene Viel- Intensive körperliche Aktivität birgt aber immer ein falt von Aktivitäten; der Charakter einer ausge- gewisses Verletzungspotenzial. Dabei kann das wählten Sportart ist kaum vergleichbar mit irgend- Risiko, in Abhängigkeit der gewählten Sportart und einer anderen. Entsprechend sind das Unfallrisiko der Art und Weise wie sie ausgeübt wird, minim und damit die adäquaten Präventionsmassnahmen oder auch sehr hoch sein. So ist die Wahrschein- unterschiedlich. lichkeit sich im Wettkampf orientierten Ballsport zu verletzen mehrfach höher als bei Ausdauersportar- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Einleitung 97 3. Sicherheitsniveau im Sport Strassen oder im Gelände sowie Inlineskating, dass bei uns im Sport deutlich häufiger Schutzartikel Im internationalen Vergleich hat der Sport in der getragen werden als in den Nachbarländern. Dieses Schweiz ein hohes Niveau. Dies insbesondere in gute Schutzverhalten widerspiegelt auch das in Bezug auf die politischen Strukturen, die Gesetze Resultaten aus Bevölkerungsbefragungen doku- und Reglemente, die eingesetzten Sportgeräte und mentierte hohe Sicherheitsbedürfnis im Sport. die Infrastruktur. Wie eingangs erwähnt, ist auch Sportler wollen sich bei der Ausübung ihrer Frei- der Anteil der Bevölkerung, der Sport treibt, relativ zeittätigkeit nicht verletzen und sind auch bereit, hoch. Schwierig ist es eine Aussage zum generellen etwas dafür zu tun. Sicherheitsniveau im Sport zu machen. Die Anzahl der Sportunfälle gibt keine Auskunft zum eigen- 4. Es gibt Handlungsbedarf tlichen Risiko, das mit dem Sporttreiben einhergeht. Das Risiko hängt von der Art der Sportaus- Präventionsarbeit kann das Unfallrisiko reduzieren, übung ab und muss in Relation zur Expositionszeit aber mit verhältnismässigem Aufwand und ohne gesetzt werden und diese ist oft nicht bekannt. völligen Sportverzicht kann eine Vielzahl der mehr- Spezifisch für die Schweiz ist der grosse Anteil der heitlich leichten Verletzungen nicht komplett ver- Fläche, der von den Bergen eingenommen wird. hindert werden. Das heutige Ausmass an Sportun- Diese topografische Voraussetzung hat auch die fällen ist bekannt. Jährlich verletzen sich rund Sportszene der Schweiz geprägt. Wandern, Berg- 300 000 in der Schweiz wohnhafte Sportlerinnen steigen, Klettern und Flugsport im Sommer sowie und Sportler bei Unfällen im In- und Ausland so Ski- und Snowboardfahren auf und neben Pisten stark, dass sie ärztliche Behandlung in Anspruch im Winter sind mit den Alpen verbunden, bergen nehmen müssen, ca. 140 werden getötet, davon aber Risiken, denen Flachland- oder Hallensportler ca. 10 im Ausland. Zu den Todesfällen in der nicht ausgesetzt sind. Darum ereignen sich in der Schweiz müssen in Schnitt noch ca. 50 weitere Schweiz in Relation zur Bevölkerung viele tödliche Opfer aus dem Ausland gezählt werden, die in der Unfälle als Folge von Abstürzen oder Lawinen- Schweiz einen tödlichen Sportunfall erleiden. Es niedergängen in fehlerintoleranten Sportaktivitäten gibt also bedeutenden Handlungsbedarf, damit der wie Klettern oder Tauchen. unbestrittene gesellschaftliche Nutzen von sportlichen Aktivitäten noch erhöht werden kann. Dies ist Auch wenn es in der Schweiz in Bezug zur Bevölke- auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass es zahl- rung zu vielen tödlichen Sportunfällen kommt, gibt reiche Anstrengungen zur Sportförderung gibt, um es einige Bereiche, wo das Sicherheitsniveau im mehr Menschen zum Sport bringen und damit – Schweizer Sport im Allgemeinen relativ hoch ist. So und auch wegen der Zunahme der Bevölkerung – zeigt der Vergleich, dass in der gewässer- und bä- ist künftig mit mehr Sportunfällen zu rechnen. derreichen Schweiz das Ertrinkungsrisiko so tief ist, wie kaum in einem anderen Land auf der Welt. Die bfu hat sich zum Ziel gesetzt, Anstrengungen Auch belegen die regelmässigen Erhebungen zum zu unternehmen, um den Sport sicherer zu ma- Tragverhalten von Schutzartikeln in den Sportarten chen. Dabei ist der Fokus auf die Unfälle mit Ski- und Snowboardfahren, Fahrradfahren auf Schwerverletzten und Getöteten gerichtet. Als 98 Einleitung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 quantitative Zielsetzung wurde eine Reduktion der Im vorliegenden Sicherheitsdossier «Sport» werden Schwerverletzen und der Getöteten im Sport um das Unfallgeschehen in der Schweiz dargestellt, 10 % bis 2015 formuliert. Risikofaktoren werden diskutiert und in ihrer Relevanz für schweizerische Verhältnisse gewichtet Im vorliegenden Bericht wird auftragsgemäss nur sowie Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit auf die akuten Verletzungen als Folge eines trau- vorgestellt. Die konkreten Präventionsempfeh- matischen Ereignisses eingegangen. Nicht berück- lungen orientieren sich an den in der Schweiz sichtigt werden also insbesondere Todesfälle im vorhandenen Rahmenbedingungen. Es liegt damit Sport, die als Folge von Herz-Kreislaufvorfällen erstmals für die Schweiz eine umfassende Sicher- resultieren. Auch wird nicht auf die Thematik heitsanalyse vor. Überlastungsschäden eingegangen, die in mehreren Sportarten das Ausmass der Akutverletzungen Die Publikation richtet sich an Personen und Institu- übersteigt (z. B. Laufen, Schwimmen). Ausserdem tionen, die für die Planung und Finanzierung von kann nicht auf die Langzeitschäden von Sportver- präventions- und anderen sicherheitsrelevanten letzungen eingegangen werden [1, S. 93,2], was in Massnahmen im Sport verantwortlich sind. Sportarten wie Fussball oder Skifahren nach schweren Knieverletzungen für die Betroffenen (u. a. Die Präventionsempfehlungen werden unter dem überdauernde Schmerzen, Bewegungseinschrän- Motto ausgearbeitet «Ein Leben mit Sport – aber kung) [3–5], aber auch das Krankenwesen (Kosten) sicher». Auftragsgemäss ist der Fokus der bfu auf [6], zu erheblichen negativen Konsequenzen füh- die Verhütung von schweren und tödlichen Sport- ren kann. unfällen gerichtet. Erfolgreiche Prävention basiert auf der Kenntnis Die in diesem Bericht vorgeschlagenen Massnah- des Unfallgeschehens, dem Ausarbeiten und Um- men sind auch in Hinblick auf die Aktivitäten diver- setzen von evidenzbasierten Präventionsmassnah- ser Stakeholder formuliert. Bereits bestehende, men zur Vermeidung dieser Unfälle und – ebenso wertvolle wichtig – auf der Evaluation dieser Massnahmen. verstärkt und noch besser koordiniert, neue Mass- Die bfu-Forschungstätigkeit dient dem Zweck, das nahmen gemeinsam mit Partnern umgesetzt wer- für die Unfallprävention nötige Basiswissen aufzu- den. So können Synergien genutzt und mit einer arbeiten, mit eigenen Studien zu ergänzen und zur gemeinsamen, wissenschaftlich abgestützten Stra- Verfügung zu stellen. Damit stellt die Forschung tegie ein Maximum an Nutzen aus den verfügbaren die Grundlage zur Formulierung und Realisierung Mitteln gewonnen werden. Welche von den in von Zielen und Strategien dar. Damit wird sicher- diesem Bericht empfehlenswerten Massnahmen gestellt, dass die bfu den Auftrag zur Prävention letztendlich in welcher Form in die Praxis umge- von Sportunfällen auf der Basis von gesichertem setzt werden, richtet sich nach den in Zukunft ver- Wissen wahrnehmen und relevante Inhalte für die fügbaren Ressourcen und Möglichkeiten der diver- Entwicklung wirksamer Massnahmen zur Unfall- sen Präventionspartner. Präventionsanstrengungen können verhütung ableiten kann. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Einleitung 99 Partner der bfu in der Sportunfallprävention sind anzupassen und das eigene Risikoverhalten zu die Dachorganisationen für den öffentlich-rechtli- optimieren. chen und den privat-rechtlichen Sport, das Bundesamt für Sport BASPO und die Swiss Olympic Erwachsene als Betreuungspersonen haben da- Association. Es existieren aber auch diverse natio- für zu sorgen, dass für Kinder in ihrer Obhut das nale Institutionen, die sich schwerpunktmässig in Risiko für tödliche Sportunfälle oder von Unfällen den spezifischen Settings in der Unfallprävention mit Schwerstverletzten möglichst Null ist. Zudem engagieren. So können untern anderen in der La- können sicherheitsorientierte Anstrengungen in der winenprävention das WSL-Institut für Schnee- Erziehung – zum Beispiel in mannigfaltiger Funk- und Lawinenforschung SLF, in der Ertrinkungs- tion als Vorbilder– das Risikoverhalten von Kin- prävention die Schweizerische Lebensrettungs- dern positiv beeinflussen. Gesellschaft SLRG, in der Schneesportunfallprävention die Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten SKUS und in den risikoreichen Outdoorsportarten die Stiftung Safety in Adventures genannt werden. Die Suva ist vielfältig für die Freizeitsicherheit aktiv, schwergewichtig im Schneesport, in den grossen Ballsportarten, beim Fahrradfahren, im Laufsport und allgemein in der Sturzprävention. Auch andere Institutionen, für die die Unfallprävention nicht zur Hauptaufgabe gehört, setzen sich häufig für sicheren Sport ein, so beispielsweise im Wassersport die Badmeister, die Seepolizei, swimmsports.ch; im Bergsport der Schweizer Alpen-Club SAC und Schweizerische Bergführerverband SBV; im Schneesport der Verband Seilbahnen Schweiz SBS. Sportunfallverhütung ist nicht nur Sache der Präventionsinstitutionen, der Versicherer, der Schule, der Sportverbände und der Sportärzte, sondern auch der Tourismus- und Sportartikelbranche sowie der Zuständigen für die Sportinfrastruktur. Aber Unfallprävention ist nicht nur eine Aufgabe von Institutionen und kommerziellen Anbietern. Es liegt an jedem einzelnen Sportler, jeder einzelnen Sportlerin selber dafür zu sorgen, die Verhältnisse des eigenen Sport-Settings bestmöglich 100 Einleitung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 IV. Methodik Ziele, Schwerpunkte und Arbeitsprogramm legt die erste Phase des Präventionszyklus dar. Sie soll Ant- bfu (Unfall- worten auf die Fragen geben: «Was passiert?», schwerpunkte) und des Wissens über die Wirkung «Wie und warum passierts?» und «Wie kann von Präventionsmassnahmen fest. Dabei ist die bfu es verhindert werden?». aufgrund des Handlungsbedarfs auftragsgemäss ausschliesslich der Sicherheit verpflichtet. Mitberücksichtigt werden aber auch das Sind die Unfallschwerpunkte bekannt, die Hauptri- gesellschaftliche und politische Umfeld sowie die sikofaktoren detektiert und Präventionsempfehlun- zur Verfügung stehenden Ressourcen [7]. gen aufgelistet, kann die bfu unter Berücksichtigung des Auftrags, der Mission und der Ressour- Das Geschäftsmodell der bfu, also die modellhafte cen realistische Präventionsziele in stark belaste- Beschreibung der Vorgehensweise, wird im Präven- ten Unfallbereichen formulieren. Die Ressourcen tionskreislauf sollen auf die relevanten Unfallschwerpunkte und zur Unfallverhütung aufgezeigt auf wirksame Präventionsmassnahmen konzentriert (Abbildung 3). werden. Im systematischen Vorgehen zur wirkungsvollen Verletzungsprophylaxe wird die Ausgangslage in In den definierten Handlungsfeldern werden in den Problemfeldern des Unfallgeschehens mittels einem programmatischen Vorgehen Präventions- wissenschaftlichen detailliert partner einbezogen, um gemeinsam die Umset- beschrieben. Die Unfallforschung stellt also die zung möglicher Massnahmen zu konkretisieren. Arbeitsmethoden Abbildung 3 bfu-Präventionskreislauf Resultat dieser Zyklusphase ist ein evidenzbasiertes und koordiniertes Präventionsprogramm. Das Präventionsprogramm (Aktionsplan) umfasst eine Gruppe von koordinierten Präventionsmassnahmen, die auf das Erreichen gemeinsamer Ziele ausgerichtet sind. Dabei ist mit «Präventionsmassnahme», die von aussen gesteuerte, zielorientierte und systematische Einflussnahme gemeint, um unfallbedingte Verletzungen zu verhindern, weniger wahrscheinlich zu machen oder deren Schweregrad zu reduzieren. Bei der Umsetzung der Massnahmen, auf die man sich im Aktionsplan geeinigt hat, kommt die Arbeitsweise des klassischen Projektmanagements zum Tragen. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Methodik 101 Das Ziel der Erfolgskontrolle dieser systema- 1.1 Unfallanalyse tischen Vorgehensweise zur Verletzungsprävention ist sowohl die abschliessende Bewertung oder In der ersten Sequenz der Unfallforschung wer- Überprüfung des Erfüllungsgrads der definierten den das Sportgeschehen und die Unfälle, die sich Präventionsziele (Evaluationsberichte) als auch das dabei ereignen, detailliert analysiert (Abbildung 4). kontinuierliche Feedback, um den Verlauf der Prä- Ziel ist es, den Präventionsbedarf aufzuzeigen. Der ventionsarbeit optimieren zu können (Qualitäts- Bedarf ergibt sich aus den Unfallschwerpunkten management). (häufig vorkommende und/oder schwere Unfälle, insbesondere diejenigen mit Todesfolge). Die Un- 1. Unfallforschung fallkosten werden bei der Festlegung der Schwerpunkte nicht explizit berücksichtigt. Aus der Ana«Unfallfor- lyse der volkswirtschaftlichen Kosten der Nichtbe- schung Sport» deckt die erste Phase des Präven- rufsunfälle in der Schweiz geht deutlich hervor, tionszyklus, die Unfallforschung ab. dass Unfälle mit Schwerverletzten oder gar Getöte- Das vorliegende Sicherheitsdossier ten für die Volkswirtschaft im Vergleich zu den Die wissenschaftliche Vorgehensweise soll dem Unfällen mit Leichtverletzten monetär eine domi- Anspruch gerecht werden, dass Entscheidungs- nante Rolle spielen [6]. Der Fokus der bfu ist vor trägern mit dem Sicherheitsdossier eine Basis für allem auf das Vermeiden von Unfällen mit Schwer- die Planung der Sportunfallprävention vorliegt. Die verletzen oder Getöteten gerichtet [7]. Damit wird Unfallforschung umfasst die Unfall-, die Risiko- in der Schwerpunktsetzung implizit den kostenin- und die Interventionsanalyse (Abbildung 4). Das tensivsten Unfällen Priorität eingeräumt. schlussendliche Resultat dieser Analyse ist eine Liste von Präventionsempfehlungen. Dies sind Rat- Um das Unfallgeschehen besser zu verstehen, wird schläge, basierend auf einer systematischen Bewer- vorerst auf das Sportverhalten der Schweizer tung von Präventionsmöglichkeiten anhand von Bevölkerung eingegangen. Denn für die Präventi- spezifischen Bewertungskriterien. onsarbeit ist es bedeutend, gute Kenntnisse vom Sportbetrieb zu kennen, wo die Interventionen zur Abbildung 4 bfu-Unfallforschung Was passiert? Anwendung kommen sollen. Auch lässt sich aus Warum passierts? Wie verhindern? Angaben zur Exposition und zum Unfallausmass Risikoanalyse Interventionsanalyse Unfallgeschehen (Unfallereignisse) Unfallursachen Präventionsmöglichkeiten Beurteilung Unfallanalyse - Häufigkeit - Schwere Unfallrelevanz: - Verbreitung - Gefährlichkeit - Wirksamkeit - Wirtschaftlichkeit - Umsetzbarkeit Output Input Prozess nach Sportart auch das Unfallrisiko quantifizieren. Unfallschwerpunkte Hauptrisikofaktoren Präventionsempfehlungen Das Sportverhalten der Schweizer Bevölkerung wurde 2007 in einer Bevölkerungsbefragung gründlich erfasst [8,9]. In dieser vom BASPO beauftragten Studie wurde erhoben, welche Sportarten die in der Schweiz wohnhaften Personen ausüben. Umfassende Angaben zur Exposition, zur Organisationsform, zu soziodemografischen Angaben und zu anderen Kriterien charakterisieren das Sporttrei- 102 Methodik bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 ben in den zahlreichen in der Schweiz ausgeübten Sport, welche seit 2000 erfasst werden, bilden Sportarten [10]. Aus dieser Erhebung resultierten dabei eine Untermenge [14]. Diese von der bfu neben den Hauptberichten «Sport Schweiz 2008: geführte Statistik umfasst für den Sport alle Un- Sportverhalten der Schweizer Bevölkerung» [8] und fälle, die sich beim Ausüben einer sportlichen Tä- «Sport Schweiz 2008: Kinder- und Jugendbericht» tigkeit ereignen und bei denen die Opfer an den [9] auch Detailanalysen zum Bergsport [11] und Folgen der Verletzung an Ort oder innerhalb von zum Velofahren in der Schweiz [12], was im Kon- 30 Tagen nach dem Unfalltag sterben. Auch sind text des Unfallgeschehens in diesen Aktivitäten die Ertrinkungsfälle bei Aktivitäten, die nicht zum besonders hilfreich ist. Sport gezählt werden, in der Datenbank enthalten. Eine umfassende Datenbank als Grundlage für die Im Schneesport führt die bfu in Zusammenarbeit Beschreibung des Sportunfallgeschehens, wie sie mit Seilbahnen Schweiz eine Statistik der Ver- zum Sportverhalten vorliegt, existiert nicht. Um das letztentransporte [15]. Diese Unfallprotokollierung Unfallgeschehen ganzheitlich dokumentieren zu durch die Pistenrettungsdienste der Seilbahnunter- können, muss zwar auf diverse Quellen zurückge- nehmungen deckt alle in ausgewählten Skigebie- griffen werden, dennoch ergibt sich ein vollständi- ten verunfallten Personen ab, welche den Pisten- ges Bild des Ausmasses der Sportunfälle. Die rettungsdienst in Anspruch nehmen. Die Daten- bedeutendste Grundlage zum Aufzeigen der Un- sammlung enthält als Ergänzung zur UVG-Statistik fallhäufigkeiten bildet die Statistik der Unfälle der auch alle Nicht-Erwerbstätigen und damit auch das nach UVG versicherten Bevölkerung, die seit 1984 Kinder- und Seniorensegment. Zudem deckt dieser von der Sammelstelle für die Statistik der Unfallver- Datensatz, in dem Verletztentransporte seit 1989 sicherung UVG (SSUV) geführt wird. Diese Statistik enthalten sind, auch Schneesportunfälle der nicht deckt das gesamte Geschehen der Nicht-Berufsun- in der Schweiz wohnhaften Schneesportler ab, also fälle (NBU) der ca. 4 Mio. 16- bis 64-jährigen der Touristen aus dem Ausland, die sich auf selbstständig Erwerbtätigen ab. Die bfu wertet den Schweizer Pisten verletzen. Datensatz der UVG-Statistik aus und rechnet, unter Berücksichtigung der demografischen Kennwerte Die umfassende Statistik der Nichtberufsunfälle aus der UVG-Statistik, die Unfallzahlen auf das wird jährlich von der bfu aktualisiert und einerseits gesamte Bevölkerungssegment in der Alters- im «Status – Statistik der Nichtberufsunfälle und gruppe der 16- bis 64-Jährigen hoch [13]. Das des Sicherheitsniveaus in der Schweiz» [16], Unfallgeschehen der in der UVG-Statistik nicht andererseits in separaten Fachpublikationen zu abgedeckten Altersklassen, den Kinder und den Spezialthemen, namentlich zu Schneesportunfällen Senioren, wurden vor längerer Zeit von der bfu in [17], Ertrinkungsunfällen [18], Unfällen im Pferde- Spezialstudien erhoben und bildet noch heute eine sport [19] oder Unfällen beim Schlitteln [20] publi- Grundlage der nationalen Unfallstatistik. 2013 ziert. werden aktualisierte Daten vorliegen. Die Unfallanalyse soll nicht nur Information über Auch die Vollerhebung der NBU mit Todesfolge ist die Verletzungen und weitere unfallbedingte Indi- von hoher Bedeutung. Die tödlichen Unfälle im katoren liefern, sondern auch das Sicherheitsniveau bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Methodik 103 beleuchten. Wichtige Sicherheits- und Risikoindika- Die Unfallanalyse, in der das Ausmass und die Fol- toren wie das Schutzverhalten oder Angaben zu gen der Unfallereignisse aufgezeigt werden, führt Wissen, Meinungen und Einstellungen in sicher- zum Aufdecken der Unfallschwerpunkte. In einer heitsrelevanten Themen werden von der bfu perio- ersten Phase werden in diesem Bericht alle Sport- disch erhoben. Die Analyse der jährlich durchge- unfälle gesamthaft betrachtet und aus diesem führten repräsentativen Befragung der Schweizer Überblick festgelegt, in welchen Sportartengrup- Bevölkerung dient untern anderem der Evaluation pen aus Sicht der öffentlichen Gesundheit der von Interventionen (v. a. Kampagnen), dem Ken- Handlungsbedarf am dringendsten ist. Das Unfall- nenlernen der Akzeptanz der Bevölkerung für Un- geschehen in den Sportartengruppen, die sich als fallpräventionsanstrengungen oder zum Aufdecken Schwerpunktthemen herausstellen, wird in einem von Lücken bei sicherheitsrelevantem Wissen (z. B. folgenden Analyseschritt eingehender untersucht Kenntnis FIS- oder Baderegeln) [16, S. 46,21 S. 42]. So werden Hauptrisikogruppen, Unfallschwere, Verletzungsart oder spezifische Tätigkeit beim Un- Auch wird das Tragverhalten von Schutzartikeln in fall näher umschrieben. ausgewählten Sportarten (Radfahren/Biken, Ski- und Snowboardfahren, Rollsport) beobachtet [22–24]. 1.2 Risikoanalyse Nicht für alle wichtigen Aspekte des Unfallgesche- Nach der ersten Frage in der Unfallforschung «Was hens liefern die oben aufgeführten Datenbanken passiert?» muss den Unfallursachen auf den hinreichend Informationen. Wo sich ein Bedarf an Grund gegangen werden, also die Forschungsfrage zusätzlichen Angaben ergibt, werden in der inter- «Wie und warum passierts?» beantwortet wer- nationalen Fachliteratur publizierte Ergebnisse aus den (Abbildung 4, S. 102). Dies ist die Frage nach epidemiologischen oder biomechanischen Studien den Faktoren, die bei einem Unfall massgeblich das konsultiert. In einer systematischen Suche werden Risiko beeinflussen, also kausal mit dem Ausgang Fachartikel aus Literaturdatenbanken (z. B. Pub- des Verletzung verursachenden Ereignisses ver- Med, Cochrane Library, Safetylit, Web of Science) knüpft sind. Dabei soll aufgezeigt werden, welche ausfindig gemacht, die helfen die Wissenslücken zu Faktoren beim Ausüben einer sportlichen Tätigkeit reduzieren. Auch werden Good-Practice-Erkennt- das Risiko erhöhen (Gefährlichkeit eines Faktors), nisse diverser englischer oder deutscher Instituti- dass es zu einem Unfall mit Verletzungsfolge onen mit international anerkannter Expertise in kommt, aber auch wie verbreitet dieser Risikofak- Sportunfallforschung und -prävention konsultiert tor im Sportgeschehen auftritt (Verbreitung und an Kongressen der direkte Austausch gesucht respektive Prävalenz eines Risikofaktors). Wenn ein (z. B. EuroSafe, World Health Organization WHO, Faktor ein sehr hohes Risiko (Gefährlichkeit) für US Centers for Disease Control and Prevention einen Unfall darstellt, aber nur äussert selten CDC, Kuratorium für Verkehrssicherheit in Öster- Sportler diesem risikoerhöhenden Merkmal ausge- reich KfV, Arbeitsgemeinschaft Sicherheit im Sport setzt in Deutschland ASiS, European Child Safety Alli- Unfallgeschehen weniger Bedeutung als ein Faktor, ance ECSA). dem der überwiegende Anteil einer sportartspezi- sind, so hat dieser Risikofaktor im fischen Nutzergruppe ausgesetzt ist, welcher aber 104 Methodik bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 das Unfallrisiko nur mittelmässig erhöht. Für die privates Schwimmbad korrekt gesichert ist). Dieses Herleitung der Hauptrisikofaktoren muss sowohl die anderweitig bedingte Risiko muss bei der Ermitt- Stärke des Zusammenhangs eines Einflussfaktors auf lung des Präventionspotenzials (in dem z. B. alle das Verletzungsrisiko bestimmt wie auch seine Kleingewässer korrekt gesichert würden) mitbe- Verbreitung berücksichtigt werden, um die effektive rücksichtigt werden. Bedeutung im Unfallgeschehen quantifizieren zu können. Bei der Risikoanalyse werden zwar einzelne Faktoren hervorgehoben und deren Unfallrelevanz be- In der Epidemiologie wird als Stärke des Zusam- stimmt, aber grundsätzlich wird von einem multi- menhangs zwischen einem bei einem Unfall betei- kausalen Zusammenhang von Risikofaktoren ligten Faktor und seinem Einfluss auf das Unfallge- also einem Ursachenbündel ausgegangen, das in schehen der relative Effekt berechnet. Wenn der einer bestimmten Konstellation die Wahrscheinlich- relative Effekt = 1 ist, hat das Untersuchungs- keit eines Unfalls mit Verletzungsfolge erhöhen oder merkmal keinen Einfluss auf den Outcome (hier das reduzieren kann. Unfallrisiko). Ist der relative Effekt >1 bedeutet dies, dass das Merkmal einen Risikofaktor darstellt Im Untersuchungsgegenstand «Sportverletzungen» (bzw. <1 ein Schutzfaktor). Als relatives Mass wer- gibt es kaum Studienergebnisse, die für die sport- den in der Epidemiologie anhand von Studiende- artenspezifische Teilpopulation, z. B. alle Skifahrer, signs relative Risiken (RR) oder – in der Unfallfor- detaillierte Hinweise auf die relativen Effekte von schung meist – Odds Ratios (OR), ein Risikover- Einflussfaktoren oder auf deren Verbreitungsgrad hältnis, berechnet. Neben der Stärke eines Zusam- geben. Der Grund dafür ist das Fehlen der menhangs (d. h. die Höhe eines relativen Effekts) Verknüpfung von Unfalldaten mit Expositions- wird auch die «Verbreitung» (Prävalenz) des disku- angaben. tierten Risikofaktors bestimmt. Das Produkt aus Erhebung zum Sportverhalten der Schweizer Bevöl- Effektstärke eines Risikofaktors und seiner Verbrei- kerung keine Angaben zu risikobeeinflussenden tung ergibt seine Unfallrelevanz (attributables Ri- Faktoren (wie z. B. Tragen Schutzartikel, Alkohol- siko) für das Kollektiv der Sportler in einer Sport- konsum, Art und Zustand der Sportgeräte oder artengruppe. Das attributable Risiko (AR) sagt aus, Sportanlagen) enthalten, andererseits fehlt bisher in welchem Ausmass ein Ereignis einem bestimm- in allen Unfallstatistiken der Bezug zur Exposition ten Merkmal zugeschrieben werden kann (z. B. wie der verletzten Sportler. Einerseits sind in der nationalen viele Ertrinkungsunfälle auf den Risikofaktor «Fehlende Einzäunung von privaten Schwimmbädern» In Anbetracht dieser Ausgangslage wird bei der zurückzuführen sind) [25]. Das attributable Risiko Bestimmung potenzieller Risikofaktoren und deren entspricht nicht einfach dem Anteil Ereignisse mit Bedeutung im Unfallgeschehen – also ihrer Unfall- dem entsprechenden Merkmal (in unserem Beispiel relevanz, sequenziell vorgegangen. Zuerst wird «Ertrunkene Kinder in privaten Schwimmbädern untersucht – ob sich vom Unfallbeschrieb ableiten ohne Einzäunung»). Vielmehr besteht auch ein lässt, ob ein ausgewählter Risikofaktor eine Rolle Risiko, wenn das Merkmal nicht erfüllt ist (z. B. es spielt oder nicht. Wenn diese Information fehlt, ereignen sich auch Ertrinkungsunfälle, wenn ein werden Angaben aus der wissenschaftlichen Litera- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Methodik 105 tur übernommen. Wenn auch in der Fachliteratur Intrinsische Risikofaktoren betreffen die bio- keine Hilfestellung für eine quantitative Angabe logische (physische), physiologische oder psycho- vorliegt, wird die Unfallbedeutung von einer Exper- logische Charakteristik eines Individuums, die das tengruppe abgeschätzt. Diese wird je nach Sport- Risiko einer Verletzung erhöhen. Dies können u. a. artengruppe anders zusammengesetzt. Immer sind sein: Alter, Geschlecht, Gesundheit (z. B. Vorver- die bfu-Fachleute der Abteilung Beratung Sport letzung), Konstitution, Morphologie, Kondition und der Abteilung Forschung beteiligt; zu allen (z. B. Ausdauer, Kraftniveau), Koordination (z. B. Unfallschwerpunkten werden auch externe Fach- neuromuskuläre Kontrolle), Persönlichkeit, physio- gruppen konsultiert (insbesondere im Schneesport, logischer Status (z. B. Übermüdung, Blutalkohol- Bergsport, Biken, Fussball und in der Ertrinkungs- gehalt). Dabei wird zwischen modifizierbaren (z. B. prävention). In einem strukturierten Prozess wird physiologischer Status) und nicht-modifizierbaren die Bedeutung von Risikofaktoren abgeschätzt. (z. B. Alter) Faktoren unterschieden. In der Fachliteratur werden diverse Klassierungs- Mit extrinsischen Risikofaktoren sind Faktoren systeme für Risikofaktoren verwendet (z. B. Had- gemeint, die zum Zeitpunkt eines Unfall-/Ver- don-Matrix). In der Sportunfallforschung werden letzungsereignisses von aussen eine Rolle spielen, meist zwei Gruppen von Risikofaktoren unter- also allgemein gesprochen mit der Exposition schieden: intrinsische und extrinsische Faktoren respektive der Aktivität verknüpft sind. Beispiele (Abbildung 5) [26]. dafür sind meteorologische Einflussfaktoren, physische Umwelt, Sportgerät, Schutzausrüstung, Spiel- Abbildung 5 Dynamisches Modell der Ätiologie von Sportverletzungen Quelle: übersetzt aus Meeuwisse et al. [26] 106 Methodik bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 regeln. Auch hier kann zwischen modifizierbaren 1.3 Interventionsanalyse (z. B. defizitäre Infrastruktur) und nicht-modifizierbaren (z. B. Lawinengefahrenstufe) unterschieden Nach der Diskussion und Beurteilung der Unfallre- werden. Intrinsische (Individuum bezogene) und levanz von Risikofaktoren (Tabelle 21) wird in der extrinsische (Exposition bezogene) Risikofaktoren nächsten Sequenz der Unfallforschung die Frage lassen sich aber nicht immer scharf trennen. In der beantwortet: «Wie kann es verhindert werden?» Risikoanalyse in den Sportartengruppen wurde (Abbildung 4). In dieser Interventionsanalyse diese Einteilung als Ordnungssystem bei der tabel- werden Präventionsmöglichkeiten bewertet, larischen Auflistung meist berücksichtigt. Das die einen Beitrag zur Risikoreduktion leisten sollen, «dynamische Modell der Ätiologie (Ursachen von um schliesslich zu einer Liste von Präventions- Krankheiten und Verletzungen) von Sportverlet- empfehlungen zu kommen. Unfallursachen, die zungen» [27] deutet darauf hin, dass das Ausüben zu Sportverletzungen führen, sind selten mono- einer Sportaktivität normalerweise nicht zu einer kausal, sondern ein Element in einem multifak- Verletzung führt. Die Erfahrungen, die ein Sportler toriellen Geschehen. Dies bedeutet, dass die beim Sporttreiben macht, beeinflussen aber stets Prävention auf verschiedenen Ebenen ansetzen auch sein Risikoprofil. Das Training beeinflusst eine muss. Hauptsächlich sind dabei gesetzliche oder Vielzahl seiner intrinsischen und extrinsischen andere verbindliche Bestimmungen und deren Risikofaktoren – zum einen unbewusst (z. B. ver- Durchsetzung (Enforcement), Ausbildung und Er- ändertes Kraftniveau), zum anderen als bewusst ziehung (Education) oder technische Vorkehrungen vorgenommene Veränderung (z. B. Wahl oder (Engineering) gemeint (Kap. IV.2, S. 109). In der Weglassen der Schutzausrüstung). Interventionsanalyse wird nur auf die Minderung der Risiken eingegangen, die im Unfallgeschehen Die Risikofaktoren werden entsprechend ihrer Un- hohe Relevanz haben. Im Allgemeinen werden also fallrelevanz in einer Fünfer-Skala eingeordnet. Präventionsmassnahmen beleuchtet, die massge- Ein («Sad emoticon», hier «Saddy») bedeutet blich den Einfluss oder die Konsequenzen von Risi- dabei, dass für das Kollektiv der Sportler in einer kofaktoren reduzieren können, die gemäss voraus- speziellen Sportartengruppe dieser Risikofaktor gehender Risikoanalyse eine «grosse» oder «sehr «geringe», fünf grosse» Bedeutung im Unfallgeschehen haben. hingegen, dass dieser «sehr hohe» Unfallrelevanz hat. Unter Präventionsmöglichkeiten wird dabei die Gesamtheit aller grundsätzlich möglichen Präven- Tabelle 21 Risikofaktoren: Skala der Unfallrelevanz Skala * tionsmassnahmen verstanden. bfu-intern wird die Unfallrelevanz [qualitativ] Unfälle [quantitativ] sehr hoch Sportart spezifisch hoch mässig hoch Auflistung der Präventionsmöglichkeiten «longlist» bezeichnet. Die «Möglichkeiten» weisen in der Regel einen geringen Konkretisierungsgrad auf. Erst ist der inhaltlich-konzeptionellen Planung und gering praxisorientierten Umsetzung einer Intervention, sehr gering zum Teil im Austausch mit potenziellen Präventi- * : sprich «Saddy» von «Sad emoticon» bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 onspartnern, wird näher festgelegt, wie die Imple- Methodik 107 mentierung der Massnahme zusammen mit Part- Zur Beurteilung der drei Kriterien wird, wie schon nern ausgestaltet werden soll und kann. Die Fest- beim Bewertungsprozess der Unfallrelevanz von legung des Massnahmenpakets muss sich grund- Risikofaktoren, vorerst die wissenschaftliche Litera- sätzlich auf die Situationsanalyse stützen, meist sind tur gesichtet. Im Themenfeld Sport liegen nur spär- jedoch zusätzliche, vertiefte Analysen erforderlich, lich Resultate zur Wirksamkeit von Präventions- die nicht Gegenstand des Sicherheitsdossiers sind. massnahmen vor [28]. Wenige Präventionsmassnahmen wurden bisher qualitativ hochwertig eva- Beim Zusammentragen von Präventionsmöglich- luiert. Erst in den letzten Jahren hat die Qualität keiten, die dann bewertet werden, beeinflussen die der sportwissenschaftlichen Forschung einen deut- Good-Practice-Erkenntnisse aus der Unfallfor- lichen Fortschritt gemacht und die Dichte an Evalu- schung die Auswahl [7, S. 46]: ationsstudien zugenommen [29,30]. Wo gut konzi- 1. Wenn immer möglich soll die Gefahrenquelle pierte Studien vorliegen (also z. B. Studien mit entfernt oder entschärft werden. randomisiertem Fall-Kontrollgruppendesign oder 2. Bei der Verhaltensprävention sollen möglichst verlässliche experimentelle biomechanische Stu- grosse Bevölkerungsgruppen beeinflusst wer- dien), werden die Studienresultate als Grundlage den. Die Bearbeitung von kleinen Hochrisiko- für Beurteilung der Wertigkeit einer Präventions- gruppen ist nur in bestimmten Fällen als ergän- massnahme übernommen. In den Themen, in de- zende Massnahme sinnvoll. nen aus Mangel an qualitativ guten Studien keine 3. Je geringer die notwendige Eigenverantwor- wissenschaftlich begründete Beurteilung möglich tung/Eigeninitiative der Person, desto wirksamer ist, wird auf das Urteil derselben Expertengruppen die Massnahme. zurückgegriffen, die bereits in der Risikoanalyse 4. Ausbildung und Sensibilisierungsmassnahmen erwähnt werden. sind wirksamer, wenn sie den Möglichkeiten und dem Interesse des Zielpublikums angepasst sind. Bei der Effizienz von Präventionsmöglichkeiten 5. Sensibilisierungsmassnahmen sind effizienter, wurde eine einfache Abschätzung vorgenommen. wenn sie zur Erhöhung der Akzeptanz einer Dabei wurde der zu erwartende Nutzen (v. a. ver- Vorschrift eingesetzt werden. hinderte Verletzungen, reduzierter Schweregrad 6. Gesetzgebung und Kontrollen haben positive der Verletzungen oder Todesfälle) abgeschätzt und Auswirkungen auf die Unfallzahlen, wenn Ak- in Relation zum monetären Aufwand gesetzt, der zeptanz, Verständlichkeit und Umsetzbarkeit sich für die Gesellschaft aus diesen Massnahmen gegeben sind. ergeben würde. Als Nutzwert wurde der monetäre Betrag eingesetzt, der sich als Folge der Einsparun- Bei der Bewertung der Präventionsmöglichkeiten gen ergibt, der sich sonst für die Gesellschaft beim werden die Beurteilungskriterien Wirksamkeit Ausbleiben der Präventionsmassnahmen infolge (Effectiveness, also nicht nur die Wirksamkeit von Verletzungen und Todesfällen als Kosten resul- unter Ideal-, sondern unter normalen Lebens- tiert (Schadensreduktion). Es wurden beispielsweise bedingungen), Effizienz (Wirtschaftlichkeit) und nicht nur die Kosten für eine Kampagne zum Umsetzbarkeit Helmtragen berücksichtigt, sondern auch die Kos- berücksichtigt. 108 Methodik (politische, gesellschaftliche) ten für die Sportler, für die Anschaffung der bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Helme. Bei der Nutzwertabschätzung der jeweili- Unter Strategien werden Ansätze und Vorgehens- gen Massnahme wurde der Wirkungsgrad der weisen verstanden, die der Zielerreichung dienen Massnahme berücksichtigt. [31]. Im übergeordneten Sinn handelt es sich z. B. um edukative Strategien (informieren, sensibili- Auch bei der Bewertung der Umsetzbarkeit musste sieren, aus- und weiterbilden), um legislative entweder auf Erfahrungswissen der Expertengruppen Strategien (Gesetze erlassen, Regelwerke festle- abgestützt werden oder, wo vorhanden, auf Resul- gen, kontrollieren), technische Ansätze (Sportge- tate aus bfu-Bevölkerungsbefragungen zu den spe- räte und Ausrüstungen gestalten, Infrastrukturen zifischen Themen (z. B. Akzeptanz für ein Obliga- anpassen) oder ökonomische Strategien (Anreize torium für Fahrradhelmtragen für Kinder). Die Bewer- schaffen). Beim Zusammentragen von Präven- tung der Massnahmen im schweizerischen Kontext tionsmöglichkeiten werden alle Strategieansätze erfolgte nach bestem Wissen und Gewissen und ist berücksichtigt. als Diskussionsgrundlage zu verstehen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Empfehlungen immer Prävention sollte grundsätzlich bei relevanten Risi- Wertvorstellungen beinhalten, die nicht klar darge- kofaktoren ansetzen, kann aber in begründeten stellt und vor allem nicht quantifiziert werden können. Fällen von dieser Maxime abweichen. Es ist zu bedenken, dass die Unfallrelevanz zwar für eine ge- Die drei Kriterien Wirksamkeit, Effizienz und Reali- samte Sportartengruppe gering sein kann, für spezi- sierbarkeit dienen zur Gesamtbeurteilung einer elle Subgruppen aber beachtlich. So wird aus ethi- Präventionsmöglichkeit. Diese wird in einer Vie- schen Überlegungen auf das in der Bundesverfas- rer-Skala mit den Prädikaten «nicht empfehlens- sung explizit erwähnte besondere Schutzbedürf- wert» bis «sehr empfehlenswert» angegeben und tigkeit von Kindern Rücksicht genommen (Bundes- ermöglicht, Schwerpunkte zu setzen. Das Resultat verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. der Unfallforschung wird somit eine Liste von Art. 11 Schutz der Kinder und Jugendlichen Präventionsempfehlungen sein. Aus der ur- «Kinder und Jugendliche haben Anrecht auf be- sprünglichen Liste der Präventionsmöglichkeiten sonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und das För- («longlist») wird also eine deutlich kürzere tabella- dern ihrer Entwicklung»). Auch kann eine Präventi- rische bfu-Präventionsempfehlungen onsmöglichkeit sehr empfohlen werden, auch wenn («shortlist»). Der Einfachheit halber wird als Tabel- keine solide wissenschaftliche Evidenz für die Wirk- lenüberschrift von «Massnahmen» gesprochen, samkeit dieser Intervention vorliegt, z. B. wenn keine obwohl es sich – wie oben ausgeführt – nicht um Alternative existiert oder unter allen Beteiligten die konkret ausgearbeitete Massnahmen handelt. Intervention befürwortet wird. 2. Grundsätze bei der Auswahl und Bei der Festlegung der Schwerpunkte und der Be- Bewertung von Präventionsmög- wertung von Präventionsmöglichkeiten werden lichkeiten folgende Grundsätze berücksichtigt [7, S. 14]: Liste der Unfallvermeidung und Schadenminderung: Zum Erreichen von Präventionszielen können ver- Nicht alle Unfälle lassen sich vermeiden (z. B. schiedene Strategien zur Anwendung kommen. Stürze beim Biken oder Skifahren). Deshalb bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Methodik 109 kann sich die bfu nicht nur auf die Unfallverhü- dieser Studie aber nicht nachgegangen werden. tung beschränken, sondern muss auch folgen- Das Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) mindernde Massnahmen (z. B. Schutzausrüs- der Universität Zürich hat im Auftrag der bfu in tung, Rettung) fördern. Im Vordergrund steht einer Literaturübersicht den aktuellen Stand des immer die primäre Unfallprävention, also das Wissens zu dieser Thematik dargestellt [33,34]. Bestreben, das die Verletzung verursachende Ereignis zu verhindern (z. B. eine Abschrankung, so dass Kleinkinder nicht unabsichtlich in ein privates Schwimmbad fallen). Wo solche Massnahmen nicht möglich oder zweckmässig sind, kommen Elemente der sekundären Prävention zum Tragen (z. B. den Schneesporthelm tragen, so dass die Aufprallenergie den Kopf nicht schädigt). Mit tertiärer Prävention sind Massnahmen gemeint, die die Folge einer Verletzung mindern sollen (z. B. schnelle, kompetente Rettung). Verhältnis- vor Verhaltensbeeinflussung [32]: Verhältnisprävention ist in der Regel wirkungsvoller und nachhaltiger als Verhaltensprävention. Dies hat sich vor allem in der Unfallprävention ausserhalb des Sports gezeigt [27]. Nicht alle Unfälle lassen sich aber mit Verhältnisprävention verhindern, weshalb auf Verhaltensprävention nicht verzichtet werden kann. Diese entfaltet ihre Wirkung am intensivsten, wenn sie mit technischen und/oder rechtlichen Massnahmen kombiniert wird. Zumal Massnahmen, die die Verhältnisse verändern, meist eine Anpassung des Verhaltens der Nutzer erfordern. Im «Sicherheitsdossier Sport» müsste aus Sicht der öffentlichen Gesundheit (Public Health) neben den Sportunfällen auch der Gesundheitsnutzen der sportlichen Aktivität berücksichtigt werden, um die Gesundheitsbilanz aus Sicht der Gesellschaft abschliessend beurteilen zu können. Dieser Erweiterung der Betrachtungsweise konnte im Rahmen 110 Methodik bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 V. Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) Sporttreiben umfasst eine beinahe unbegrenzte Fülle von möglichen Bewegungsformen. 1. Jugendliche und Erwachsene Ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung treibt mehr In einem ersten Teil der Befragung des Sportobser- oder weniger häufig und intensiv Sport. So wird vatoriums wurden rund 10 000 Personen im Alter in der Freizeit mit Freunden und der Familie aber von 15 bis 74 Jahren befragt, in einem zweiten Teil auch im Verein als reiner Zeitvertrieb oder gar mehr als 1000 Kinder und Jugendliche (Kap. V.2, wettkampfmässig geradelt, geschwommen, ge- S. 115). Personen, welche die Frage «Treiben Sie wandert, Fussball gespielt, Ski und Snowboard selbst Gymnastik, Fitness oder Sport?» mit «ja» gefahren und vielen weiteren sportlichen Aktivi- beantworteten galten als sportlich aktiv. 27 % der täten nachgegangen. Schweizer Bevölkerung treiben «nie» Sport und werden daher als «Nichtsportler» angesehen. Rund Es gibt verschiedene Motive, um Sport zu treiben. zwei Drittel der «Nichtsportler» geben aber an, In der dennoch hie und da sportlichen Aktivitäten nach- Schweizer Bevölkerung ist für 96 % der 7800 zugehen. Dies wird im Folgenden als «sporadische aktiven Sportler (15- bis 74-Jährige) die «Gesund- Aktivität der Nichtsportler» aufgeführt. einer Befragung zum Sportverhalten heitsförderung» ein wichtiges oder sogar sehr wichtiges Motiv [8]. 95 % wollen beim Sport «Spass haben». Als wichtige Beweggründe für das 1.1 Ausmass und Entwicklung der Sportaktivität Sporttreiben nennen Schweizer Sportler, dass sie dabei «abschalten» (87 %) und «sich entspannen» Die Auswertung der Befragung zeigt, dass rund die (86 %) können. Leistungsmotive, die aus Sicht der Hälfte der Schweizer Wohnbevölkerung im Alter Unfallprävention von Bedeutung sein können, von 15 bis 74 Jahren mehrmals pro Woche oder werden zwar weniger häufig genannt, doch gibt sogar täglich Sport treiben (Abbildung 6). 17 % noch mindestens je ein Drittel der Sportler an, dass treiben zumindest einmal pro Woche Sport. Wei- es für sie zumindest «wichtig» sei, «den Körper zu tere 6 % betätigen sich nur gerade ab und zu erfahren» sportlich. Hingegen ist mehr als ein Viertel der (76 %), «einmalige Erlebnisse zu erleben» (53 %), «Grenzen zu erfahren» (50 %) Bevölkerung inaktiv (27 %). oder «persönliche Leistungsziele zu erreichen» (47 %). «Sich messen mit anderen» bewerten nur Ein Vergleich mit früheren Angaben zum Sportver- 18 % als «wichtig», für ein Drittel ist dieses Motiv halten der Schweizer Wohnbevölkerung zeigt, dass «weniger wichtig» und für knapp 50 % ist das der Anteil der sportlich aktiven Personen, die min- Wetteifern im Sport «nicht wichtig». destens einmal pro Woche Sport treiben, in den vergangenen dreissig Jahren deutlich zugenommen hat (Abbildung 7). Der Anteil an Personen, die bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 111 mehrmals pro Woche Sport treiben, hat sich von 1.2 Geschlechts- und Altersunterschiede 1978 bis 2008 mehr als verdoppelt. Der Anteil der Inaktiven zeigte über die Jahre hinweg nur gering- Über die gesamte Bevölkerung gesehen gibt es fügige Schwankungen und liegt heute wieder auf geringe geschlechtsspezifische Unterschiede in der demselben Wert wie vor dreissig Jahren. Es wird Häufigkeit der Ausübung von sportlichen Aktivi- vermutet, dass die Sportförderung es bisher kaum täten (Abbildung 8). Wenn die verschiedenen geschafft hat, Sportmuffel zu regelmässiger sport- Altersklassen verglichen werden, zeigen sich jedoch licher Aktivität zu bringen. Hingegen sind die «Ge- Unterschiede zwischen Frauen und Männern. legenheitssportler», die sich nur ab und zu sportlich betätigen, beinahe völlig verschwunden. Es Bei den jungen Frauen (Abbildung 9) sind mehr kann davon ausgegangen werden, dass die inaktiv als bei den Männern (Abbildung 10). In der Mehrheit dieses Bevölkerungssegments heute wö- vierten Lebensdekade ändert dies aber. Mehr chentlich regelmässig Sport treibt. Männer ab ca. dem 40. Lebensjahr müssen als Abbildung 6 Verteilung der Sportaktivität, Jugendliche und Erwachsene, 2007 «inaktiv» bezeichnet werden. Hingegen steigt der Anteil Männer, welche mindestens einmal wöchentlich sportlich aktiv sind. Nach einem Rück- 11.5% gang der Sportaktivität der Frauen im Alter von 25 27.1% bis 35 Jahren, steigt die Aktivität zuerst wieder an und nimmt ab Mitte vierzig bis zur Pensionierung nur leicht ab. 6.2% 37.9% 17.3% Nie Ab und zu/selten Mehrmals pro Woche (Fast) täglich Etwa einmal pro Woche Anmerkung: Anzahl Betagte: 10 246. Die Angabe der Fallzahlen beruht immer auf den ungewichteten Daten. Die Prozentwerte beziehen sich auf die Schweizer Bevölkerung im Alter von 15 bis 74 Jahren. Ein Prozent entspricht rund 57 000 Personen. Den Prozentwerten liegen die gewichteten Daten zu Grunde. Abbildung 8 Sportaktivität nach Geschlecht, Häufigkeit und Dauer, Jugendliche und Erwachsene, 2007 100% 90% Abbildung 7 Entwicklung der Sportaktivität, Jugendliche und Erwachsene, 1978–2008 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1978 26.7 70% 5.3 7.2 60% 11.2 7.4 50% 17.5 17.6 40% 30% 20% 41.2 38.5 10% 0% 1984 1990 Mehrmals pro Woche Weniger als einmal pro Woche 1994 2000 Etwa einmal pro Woche Nie Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [8] 112 27.5 80% 2008 Weiblich Männlich Mehrmals pro Woche, insgesamt drei Stunden und mehr Mindestens einmal pro Woche, aber insgesamt zwei Stunden und mehr Mindestens einmal pro Woche, aber insgesamt weniger als zwei Stunden Unregelmässig/selten Nie Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [8] Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Nach der Pensionierung nimmt der Anteil der esten Sportarten wird vom «helvetischen Tria- Frauen, die sich mehrmals wöchentlich sportlich thlon» mit Radfahren, Wandern und Schwimmen betätigen, deutlich ab, während bei den Männern angeführt (Tabelle 22). 14 % des Radfahrens fällt ein Anstieg erkennbar ist. Aber auch der Anteil der dabei auf das Mountainbiking. Inaktiven nimmt bei den Männern nach der PensiDie onierung stärker zu als bei den Frauen. beiden Disziplinen «Radfahren» und «Wandern» haben seit der Erhebung 2000 an 1.3 Ausgeübte Sportarten Beliebtheit gewonnen, während das Schwimmen in etwa gleich geblieben ist. Der Zuwachs beim Die Schweizer Wohnbevölkerung im Alter von «Wandern, Walking, Bergwandern» ist vor allem 15 bis 74 Jahren ist polysportiv und betreibt im auf das Walking zurückzuführen. Der Anteil der Schnitt 3,3 Sportarten [8]. Die Liste der beliebt- Walker in der Kategorie «Wandern, Walking, Berg- Abbildung 9 Sportaktivität der Frauen nach Alter, Häufigkeit und Dauer, Jugendliche und Erwachsene, 2007 wandern» beträgt einen Drittel. Beim Radfahren haben das normale Radfahren auf der Strasse wie auch das Mountainbiking gleichermassen leicht zugelegt. 100% 80% 60% Über 20 % der Wohnbevölkerung fahren Ski, 5 % 40% Snowboard. Diese beiden Sportarten belegen somit 20% Rang 4 sowie 9 der beliebtesten Sportarten. Beide 0% 15–24 Sportarten legten seit den Erhebungen 2000 um 25–34 35–44 45–54 55–64 65–74 Mehrmals pro Woche, insgesamt drei Stunden und mehr einige Prozent zu. Mindestens einmal pro Woche, insgesamt zwei Stunden und mehr Sportart Nennungen inkl. sporadische Aktivität der Nichtsportler Platz Abbildung 10 Sportaktivität der Männer nach Alter, Häufigkeit und Dauer, Jugendliche und Erwachsene, 2007 Ø Anz. Tage pro Jahr Nie Tabelle 22 Die beliebtesten Sportarten, Jugendliche und Erwachsene, 2007 Veränderung 2000–2008 Unregelmässig/selten Anteil CHBevölkerung Mindestens einmal pro Woche, aber insgesamt weniger als zwei Stunden 100% 1 Radfahren 35.0% +3.2% 45 42.1% 80% 2 Wandern, Walking, Bergwandern 33.7% +11.1% 40 42.3% 3 Schwimmen 25.4% –0.9% 30 31.7% 4 Skifahren (Pisten) 21.7% +3.8% 10 26.6% 5 Jogging, Laufen 16.8% –0.8% 52 17.6% 6 Fitnesstraining, Aerobic 14.0% +2.5% 90 14.1% 7 Turnen, Gymnastik 11.7% –5.3% 50 11.9% Mindestens einmal pro Woche, aber insgesamt weniger als zwei Stunden 8 Fussball 6.9% –2.2% 50 7.5% Unregelmässig/selten 9 Snowboardfahren 4.7% +0.8% 10 5.2% Nie 10 Tennis 4.4% –2.0% 32 4.8% 60% 40% 20% 0% 15–24 25–34 35–44 45–54 55–64 65–74 Mehrmals pro Woche, insgesamt drei Stunden und mehr Mindestens einmal pro Woche, insgesamt zwei Stunden und mehr Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [8] bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [8] Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 113 Fussball hat in den letzten acht Jahren an Beliebt- Fussball spielen nur wenige junge Frauen und wird heit verloren, ist aber dennoch die beliebteste von Frauen über 30 Jahren kaum mehr ausgeübt. Team- und Ballsportart und liegt auf Platz 8 der Bei den 15- bis 29-jährigen Männern ist Fussball Rangliste. 7 % der Schweizer Wohnbevölkerung im die beliebteste Sportart überhaupt. Aber bereits ab Alter zwischen 15 und 74 Jahren geben an, 30 Jahren geht der Anteil der Männer, die Fussball Fussball zu spielen. spielen, stark zurück. Nicht in der Tabelle 22 aufgeführt sind einige Sport- Bei den Männern zwischen 30 und 60 Jahren ist arten, die im Klassement der beliebtesten Sportarten wiederum Radfahren die beliebteste Sportart. Das deutlich weiter unten rangieren, aber wegen der Wandern steigt währenddessen stark an und führt Häufigkeit und Schwere der Unfälle in diesen bei den 60- bis 74-jährigen Männern schliesslich Aktivitäten für die vorliegende Studie von Interesse die Rangliste an. sind. So hat die Sportartengruppe «Ski-, Snowboard- oder Schneeschuhtouren» an Beliebtheit gewonnen und liegt mit 2,5 % aber nur auf dem 18. Rang. «Klettern, Bergsteigen» wird von rund 1,6 % der Schweizer Wohnbevölkerung ausgeübt und liegt somit auf dem 22. Rang. «Schlitteln» Abbildung 11 Sportarten der Frauen nach Alter, Jugendliche und Erwachsene, 2007 50% 40% 30% wurde von nur gerade 1,5 ‰ der Jugendlichen und Erwachsenen als Sportart erwähnt. Schlitteln wird 20% allgemein nicht als Sportart verstanden. Zwar liegen 10% für das wichtige Alterssegment der Kinder für diese 0% 15–29 sportliche Aktivität Daten vor, doch eine Befragung 30–44 45–59 Radfahren Schwimmen des Sportartikelhandels ergibt, dass 19 % der über Wandern, Walking, Bergwandern Skifahren 14-jährigen männlichen sowie 23 % der weiblichen Snowboardfahren Fussball 60–74 Befragten angeben in den letzten 12 Monaten Schlitteln gefahren zu sein [35]. Abbildung 12 Sportarten der Männer nach Alter, Jugendliche und Erwachsene, 2007 Bei den Sportarten zeigen sich beträchtliche Altersjunge 50% Frauen lieber Radfahren und Schwimmen, wird das 40% Wandern bereits mit 30 Jahren zur beliebtesten 30% und Geschlechtsunterschiede. Während Sportart der Frauen (Abbildung 11). Snowboard- 20% fahren wird sowohl bei den Frauen wie auch den Männern (Abbildung 12) vorwiegend in jungen Jahren praktiziert, der Anteil Ausübender sinkt 10% 0% 15–29 30–44 45–59 bereits ab dem 30. Lebensjahr stark ab. Ski wird Radfahren Schwimmen vor allem von Personen zwischen 30 und 60 Jahren Wandern, Walking, Bergwandern Skifahren Snowboardfahren Fussball gefahren. 114 60–74 Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [8] Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 2. Kinder Inaktivität zurückgeht (Abbildung 14). Danach geht der Anteil sportlich aktiver Kinder wieder zurück. Das Observatorium für Sport und Bewegung Schweiz hat 2007 eine telefonische Befragung von Auch das Geschlecht hat einen Einfluss auf die 1530 Knaben und Mädchen im Alter von 10 bis Sportaktivitäten der Kinder. Knaben sind aktiver als 14 Jahren durchgeführt, um das Sportverhalten Mädchen (Abbildung 15). Beinahe doppelt so viele und die Sportbedürfnisse der Kinder zu ermitteln Knaben wie Mädchen betreiben mehr als 7 Stun- [9]. Bei den Kindern wurde unterschieden zwischen den Sport pro Woche. Auch im Hinblick auf sportli- sportlichen Aktivitäten im engeren und solche im che Aktivitäten im weiteren Sinn sind die Knaben weiteren Sinn. Sportaktivitäten im weiteren Sinn bedeutend aktiver. umfassen auch alle ungebundenen und sporadischen Aktivitäten, wie z. B. das Fussballspielen mit Freunden. 2.1 Abbildung 13 Sportaktivität nach Dauer, Kinder, 2007 Ausmass der Sportaktivität Die Befragung zeigt, dass 16 % der Kinder durchschnittlich mindestens 1 Stunde Sport pro Tag treiben (Abbildung 13) und zwar ausserhalb des 100% 80% 15 70% 39 60% obligatorischen Turn- und Sportunterrichts. Weitere 50% 31 % der Kinder üben während mehr als 3 Stunden 40% 32 31 30% pro Woche sportliche Aktivitäten aus. Fast die Hälfte 20% der Kinder ist sportlich sehr aktiv und betreibt 10% zusätzlich zum Sportunterricht in der Schule mehr- 13 14 90% 40 16 0% Sportaktivitäten im engeren Sinne mals pro Woche insgesamt zwischen 3 und 7 Stun- Über 7 Stunden Sportaktivitäten im weiteren Sinne Über 3 und bis 7 Stunden Bis 3 Stunden Nie den Sport. Weitere 39 % sind bis zu 3 Stunden pro Woche sportlich aktiv. Hingegen treiben 14 % der Kinder ausserhalb des obligatorischen Schulunter- Abbildung 14 Sportaktivität nach Alter und Dauer, Kinder, 2007 richts keinen Sport. 13 % der befragten Kinder geben an, nicht einmal gelegentlich Fahrrad zu fahren oder zu schwimmen (Sportaktivitäten im weiteren Sinn). 100% 90% 80% 15 11 16 8 17 13 11 14 30 28 47 43 45 12 13 14 14 19 70% 31 60% 50% Verschiedene Faktoren beeinflussen das Sportver- 40% halten der Kinder. Eine bedeutende Rolle spielt 30% 39 20% dabei das Alter: Die sportliche Aktivität ausserhalb 10% des obligatorischen Schulunterrichts steigt zwi- 0% schen dem 10. und 12. Lebensjahr an, während die 35 39 27 10 Über 7 Stunden 11 Über 3 und bis 7 Stunden Bis 3 Stunden Nie Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [9] bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 115 2.2 Geschlechts- und Altersunterschiede Aktivität danach zurück, während sie bei den Knaben wieder ansteigt. Betrachtet man die Aktivitäten der Kinder nach Alter und Geschlecht wird ersichtlich, dass die 2.3 Ausgeübte Sportart Knaben über fast alle Alter gesehen deutlich aktiver sind (Abbildung 16). Es zeigt sich aber, dass die Kinder zwischen 10 und 14 Jahren üben durch- Knaben auf das 13. Lebensjahr hin eine Aktivitäts- schnittlich 2,2 Sportarten (im engeren Sinn) und 4,3 abnahme zeigen, während die Mädchen mit 13 sportliche Aktivitäten (im weiteren Sinn) aus [9]. Jahren am aktivsten sind. In diesem Alter ist der geschlechtsspezifische Unterschied daher am ge- Betrachtet man die sportliche Aktivität im weiteren ringsten. Bei den Mädchen geht die sportliche Sinn, ist wie bei den Erwachsenen auch bei den Kindern «Radfahren» die beliebteste Sportart Abbildung 15 Sportaktivität nach Geschlecht und Dauer, Kinder, 2007 (Tabelle 23). Mehr als die Hälfte der Kinder fährt zumindest gelegentlich Rad. Auf dem zweiten Rang liegt Schwimmen, gefolgt von Fussball. Dies 100% 12 90% 11 15 15 sind auch die drei beliebtesten Sportarten bei 10 80% 19 Betrachtung des «Sports im engeren Sinn». 33 70% 31 46 60% 50% Fussball liegt nach dem Kriterium «Sport im 34 40% engeren Sinn» an erster Stelle und wird von mehr 34 30% 28 20% als einem Drittel aller Kinder ausgeübt. Rund 20 % 48 33 10% der Kinder fahren zudem regelmässig Rad oder 21 11 0% Männlich Weiblich Männlich Weiblich gehen Schwimmen. Sportaktitivtäten im engeren Sinne Sportaktitivtäten im weiteren Sinne Über 7 Stunden Über 3 und bis 7 Stunden Bis 3 Stunden Nie 38 % der Kinder geben an, zumindest gelegentlich Ski zu fahren, während nur gerade 11 % der Kinder Abbildung 16 Sportaktivität nach Alter, Geschlecht und Dauer, Kinder, 2007 Tabelle 23 Die beliebtesten Sportarten, Kinder, 2007 Platz Sportart 100% 90% Anteil aller Kinder 58.0% Sport im engeren Sinn 22.9% Ø Anzahl Tage pro Jahr 100 1 Radfahren 2 Schwimmen 53.2% 19.2% 40 3 Fussball 50.5% 32.2% 90 4 Skifahren 38.3% 9.2% 12 5 Wandern, Walking, Bergwandern 17.6% 3.7% 14 30% 6 Turnen, Gymnastik 17.3% 17.3% 45 20% 7 Jogging, Laufen 12.7% 8.0% 45 10% 8 Unihockey, Landhockey, Rollhockey 11.9% 8.5% 45 9 Snowboardfahren 11.2% 3.1% 14 10 Inline-Skating, Rollschuhlaufen 8.9% 3.8% 45 80% 70% 60% 50% 40% 0% 10 11 Über 7 Stunden: männlich Über 3 Stunden: männlich 12 13 Über 7 Stunden: weiblich Über 3 Stunden: weiblich Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [9] 116 14 Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [9] Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Snowboard fahren. Mit dem Snowboardfahren wird 2.4 Sportsettings meist erst ab ca. dem 10. Lebensjahr begonnen. Rund 40 % des Sports, der ausserhalb des obligaBergsport wird von Kindern eher selten ausgeübt. torischen Unterrichts ausgeübt wird, wird bei Kin- Immerhin noch 18 % der Kinder geben an, gele- dern von Vereinen (29 %), Schulen (freiwilliger gentlich wandern zu gehen. Rund 3 % der Kinder Schulsport: 6 %) oder anderen Institutionen (5 %) gehen mindestens ab und zu klettern, während organisiert (Tabelle 25). Bei den Knaben zwischen nicht einmal mehr 1 % der Kinder Ski-, Snow- 10 und 14 Jahren gehören Fussball, Kampfsport, board- oder Schneeschuhtouren unternehmen. Unihockey, Tennis und Turnen zu den beliebtesten Vereinssportarten. Die Mädchen üben am häufigs- Knaben und Mädchen unterscheiden sich bezüg- ten Turnen, Tanzen, Leichtathletik, Volleyball und lich der favorisierten Sportarten (Tabelle 24). Wäh- Fussball im Verein aus. 60 % des Sports wird somit rend beinahe 70 % der Knaben Fussball spielen, ungebunden («selbstorganisierten») mit Freunden, liegt bei den Mädchen das Schwimmen an erster Familie oder allein ausgeübt. Stelle. Doch sowohl bei den Mädchen wie bei den Knaben gehören Fussball, Radfahren, Schwimmen, Im Vergleich zum Sport im engeren Sinn findet bei Skifahren, Wandern, Jogging und Turnen zu den den sportlichen Aktivitäten ein geringerer Anteil im zehn beliebtesten Sportaktivitäten. Einige Sportak- organisierten Rahmen statt. Bei den sportlichen tivitäten werden aber auch vorwiegend von Mäd- Aktivitäten gewinnen Skifahren, Snowboardfahren chen ausgeübt (Tanzen, Reiten und Inline-Skating), und Wandern, aber auch Fussball, Radfahren und andere von Knaben (Unihockey, Snowboardfahren Schwimmen an Beliebtheit. Dies sind dann auch und Basketball). Aktivitäten die vermehrt mit der Familie oder Freunden ausgeübt werden. Tabelle 24 Die beliebtesten Sportarten nach Geschlecht, Kinder, 2007 Sportart Fussball, Streetsoccer Anteil Sportart Knaben 69.0% Schwimmen Anteil Mädchen 57.1% Tabelle 25 Sportaktivität nach Setting und Organisationsgrad, Kinder, 2007 Radfahren, Mountainbiking 59.9% Radfahren, Mountainbike 56.0% Schwimmen 49.5% Skifahren (Pisten), Carven 38.2% Skifahren (Pisten), Carven 38.4% Fussball, Streetsoccer 30.8% Unihockey, Land-, Rollhockey 18.9% Turnen, Gymnastik 24.7% Organisiert im Verein (Sportverein/Jugendverband) 19.2% Organisiert von der Schule (freiwilliger Schulsport) 6.9% 16.1% Wandern, Walking, Bergwandern 5.5% Wandern, Walking, Bergwandern 15.4% Organisiert in Ferien/ in einem Lager 1.3% 13.4% Tanzen, Jazztanz, Ballett 0.8% Snowboardfahren Jogging, Laufen, Waldlauf 11.2% Reiten, Pferdesport 14.9% Turnen, Gymnastik 10.3% Jogging, Laufen, Waldlauf 14.2% Basketball, Streetball 9.8% Inline-Skating, Rollschuhlaufen Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [9] bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 12.1% Anderweitig organisiert Sportaktivitäten Sportaktivitäten im engeren Sinn im weiteren Sinn 29.3% 15.1% 4.2% 4.3% Ungebunden mit Kollegen 31.5% 35.7% Ungebunden mit Eltern 17.0% 25.1% Ungebunden allein 11.4% 11.4% Anderswo nicht organisiert Total 0.3% 100% 0.2% 100% Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [9] Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 117 3. Struktur der Sportangebote Das grösste Sportförderungsprogramm des BASPO Jugend und Sport (J+S) richtet sich an Kinder und In der Bundesverfassung (Art. 68)1 sind die Aufga- Jugendliche im Alter von 5 bis 20 Jahren und leitet ben des Bundes im Bereich Sport verankert: Er diese zu Sport und einer gesunden Lebensweise fördert den Sport, betreibt eine Sportschule und an. Mit dem Erwachsenensport Schweiz esa setzt erlässt Vorschriften für den Jugendsport. Zudem sich das BASPO für mehr Sport und Bewegung im hat er die Kompetenz Bundesgesetze und entspre- Erwachsenenalter ein. Das Programm «schule chende Bereich bewegt» unterstützt Lehrpersonen bei der ein- Sport zu erlassen. Die Aufgabenteilung zwischen fachen und nachhaltigen Umsetzung der Bewe- dem Bund und verschiedenen Institutionen im gungsförderung. Das Netzwerk Gesundheit und öffentlich- wie auch privatrechtlichen Bereich wer- Bewegung Schweiz (hepa.ch) ist ein Zusammen- den u. a. im «Bundesgesetz über die Förderung schluss von Organisationen, Institutionen und Ausführungsverordnungen im 2 von Turnen und Sport» geregelt. Unternehmen, die sich schweizweit auf nationaler, kantonaler und lokaler Ebenen für die Gesund- In seinem Konzept vom 30.11.2000 für eine Sport- heitsförderung durch Bewegung und Sport ein- politik in der Schweiz unterscheidet der Bundesrat setzen. bei der Sportförderungstätigkeit drei Bereiche: Der Bund unterstützt hauptsächlich den Breitensport. Für den Schulsport sind die Kantone zuständig. Sie Im Spitzensport kann er nach dem Subsidiaritäts- sind verpflichtet, für ein Minimum an Sport- prinzip Rahmenbedingungen schaffen oder kon- unterricht an Schulen zu sorgen. krete Förderungsmassnahmen, vor allem zur Ausbildung, wahrnehmen und im Schausport muss er Der Schweizerische Verband für Sport in der Schule keine Förderungstätigkeiten entfalten. Aufbauend (SVSS) ist die Berufsorganisation der Bewegungs- auf diesem Grundkonzept koordiniert jeder Kanton und Sportlehrpersonen in der Schweiz. Mit 4500 den Sport nach einem eigenen Sportkonzept. Mitgliedern engagiert sich der SVSS für Bewegungs- und Sporterziehung in der Schule und für Das BASPO ist dem eidgenössischen Departement die Bewegungsförderung im Schulalltag. für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport angegliedert. Es ist Dienstleitungs-, Ausbildungs- Die Eidgenössische Sportkommission (ESK) setzt und Trainingszentrum für den Spitzen-, Leistungs- sich aus Vertreterinnen und Vertretern aus Bund, sowie Breitensport. Mit diversen Programmen för- Kantonen, Gemeinden, Swiss Olympic, Forschung, dert das BASPO den Sport in allen Leistungsgrup- Schulsport, Armeesport sowie weiteren Partner pen und Altersklassen auf nationaler, kantonaler zusammen. Sie ist vor wichtigen Entscheiden und regionaler Ebene sowie in der Schule. anzuhören. Swiss Olympic ist der Dachverband der Schweizer ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ 1 2 118 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, SR 101 Bundesgesetz über die Förderung von Turnen und Sport vom 17. März 1972, SR 415.0 Sportverbände, die olympische und nichtolympische Sportarten vertreten. Swiss Olympic fördert mit 82 Mitgliederverbänden, 22 000 Vereinen und Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 1,5 Mio. Mitgliedern sowohl den Breiten- wie auch den Leistungssport. Mit der Totalrevision des Bundesgesetzes über die Förderung von Turnen und Sport aus dem Jahr 1972 hat der Bund das bisherige Sportfördersystem den veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Das revidierte Bundesgesetz über die Förderung von Sport und Bewegung (Sportförderungsgesetz, SpoFöG) wurde am 17. Juni 2011 vom Parlament verabschiedet (SR 415.0), die Referendumsfrist lief unbenützt ab. Gestützt auf diese neue gesetzliche Grundlage wurden in der Folge auch die bestehenden Ausführungserlasse im Bereich Sport in ihrer Gesamtheit angepasst – insbesondere die Verordnung über die Förderung von Sport und Bewegung und die Verordnung des VBS über Sportförderungsprogramme und -projekte. Diese Erlasse treten auf den 1. Oktober 2012 in Kraft. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Sportgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 119 VI. Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 1. Nichtberufsunfälle Strassenverkehr die Letalität (Kennwert für die Gefährlichkeit von Unfällen als Anzahl Getötete Jährlich verletzen sich beinahe 1 Million in der pro 10 000 Personenschäden) am höchsten. Schweiz wohnhafte Personen bei Nichtberufsunfällen im Strassenverkehr, im Sport oder im Im Sport verletzen sich jährlich rund 300 000 in Bereich Haus und Freizeit (Tabelle 26). Rund 3000 der Schweiz wohnhafte Personen, davon 220 so Personen verletzen sich dabei so schwer, dass sie schwer, dass sie lebenslänglich behindert bleiben, dauerhaft teil- oder vollinvalid bleiben, 2000 123 sogar tödlich (Tabelle 26). Über 10 000 erleiden sogar tödliche Verletzungen. Der Bereich Unfälle sind schwer und erfordern einen Spital- Haus und Freizeit hat am meisten Verletzte und aufenthalt von 7 Tagen oder mehr. Mehr als Getötete 15 000 Personen erleiden mittelschwere Verlet- zu verzeichnen, hingegen ist im Tabelle 26 Nichtberufsunfälle der Schweizer Wohnbevölkerung, 2008 Verletzte1 Invalide Schwerverletzte Bereich Total Strassenverkehr Sport Haus und Freizeit Total Getötete Letalität 91 000 555 7 820 Mittelschwerverletzte 4 970 310 000 220 10 220 15 840 123 4 600 000 1 001 000 2 148 2 923 26 890 44 930 20 090 40 900 1 538 1 990 26 20 329 2 36 Tabelle 27 Kosten von Nichtberufsunfällen, 20073 Bereich Verletzte1 SchwerMittelschwerverletzte verletzte Sachschäden Invalide Getötete Total Leichtverletzte Materielle Kosten von Nichtberufsunfällen (in Mio. CHF), 20083 Strassenverkehr Sport Haus und Freizeit Total 1 4 483 734 107 289 491 5 030 ... 5 104 454 333 668 187 1 746 ... 5 2 927 799 1 386 1 518 2 706 380 820 1 235 2 192 810 1 488 4 743 11 519 2 927 Verletzungsschwere: − Leichtverletzte: kein Spitalaufenthalt − Mittelschwerverletzte: Spitalaufenthalt von 1 bis 6 Tagen − Schwerverletzte: Spitalaufenthalt von 7 oder mehr Tagen − Invalidität: dauerhaft teil- oder vollinvalid, Definition gemäss Art. 8 ATSG 2 Getötete auf Schweizer Strassen im Jahr 2007 (inkl. Touristen, Berufsunfälle, Sport): 357 3 Es werden nur Verletzungen berücksichtigt, die medizinische Leistungen respektive Versicherungsleistungen erforderten. Aufgrund von Rundungen sind in allen Tabellen im Total leichte Differenzen möglich. 4 Darin enthalten sind auch Sachschäden bei Unfällen ohne Verletzte oder Getötete sowie Polizei- und Rechtsfolgekosten. 5 Es existieren keine Grundlagen, mit denen die Sachschäden sowie die Polizei- und Rechtsfolgekosten der Sport-, Haus- und Freizeitunfälle berechnet werden konnten. Die Kosten dürften unter 700 Mio. CHF liegen. Quelle: bfu, aktualisierte Berechnung 120 Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 zungen und müssen 1 bis 6 Tage im Spital ball die meisten Verletzungen (∅ 54 300 Verletzte), verbringen. gefolgt von Skifahren (∅ 43 210 Verletzte) und Radfahren abseits der Strasse (∅ 33 150 Verletzte) Die Nichtberufsunfälle generieren jährlich mate- (Fussnote 1, Tabelle 28 und Kap. VIII, S. 175ff). rielle Kosten von mehr als 11 Mia. Franken (Tabelle Immer noch durchschnittlich 14 460 Personen ver- 27) [6]. Die volkswirtschaftlichen Kosten inkl. letzen sich beim Snowboardfahren und rund 10 000 immateriellen Kosten wie beispielsweise Leid oder beim Schlitteln / Rodeln. Schmerz sind beinahe 5-mal so hoch und belaufen sich auf mehr als 53 Mia. Franken [6]. Aufgrund des hohen Unfallgeschehens generiert der Bereich Haus und Freizeit auch die meisten Kosten. Die Verletzungen im Sport verursachen jährlich knapp 2 Mia. Franken (Tabelle 27). Je schwerer die Verletzungen sind, desto höher sind die materiellen Kosten. Auffällig ist, dass im Vergleich mit dem Bereich Haus und Freizeit im Sport die Kosten eines Todesfalles bedeutend höher sind. Im Bereich Haus und Freizeit ist die Todesrate rund 10-mal höher als im Sport, die Kosten betragen jedoch nur rund das 3-fache wie im Sport. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Kosten eines tödlichen Unfalls mit zunehmendem Alter sinken. Personen, welche im Bereich Haus und Freizeit tödlich verunfallen, sind im Durchschnitt deutlich älter (81 Jahre) als diejenigen im Sport (46 Jahre), was tiefere Kosten nach sich zieht als die Todesfälle im Sport [6]. Im Strassenverkehr sind bei den Getöteten (Durchschnittsalter 45 Jahre) ähnlich hohe Fallkosten wie im Sport zu verzeichnen. 2. Verletzungen im Sport Die 300 000 Sportverletzten verteilen sich auf eine Vielzahl von sportlichen Aktivitäten, wobei einige Sportarten aufgrund der hohen Fallzahl oder der relativ vielen tödlichen Unfällen hervorstechen (Tabelle 28). Absolut gesehen ereignen sich im Fuss- Tabelle 28 Entwicklung der Anzahl Verletzter nach Sportart, 2000–2008 Sportartengruppe / Sportart Fussball Skifahren (inkl. Touren) Radfahren, Biking (ohne Strassenverkehr)1 Snowboardfahren Schlitteln Baden, Schwimmen Bergwandern Volleyball Inlineskating, Rollschuhlaufen Geräteturnen Laufen, Jogging Land-, Roll- und Unihockey Pferdesport Eishockey Basketball Eislaufen, Eiskunstlauf Kampfsport (inkl. Selbstverteidigung) Handball Gymnastik, Fitnesstraining, Aerobic Leichtathletik Tennis Badminton (inkl. Federball) Bootfahren Kugel-, Wurf- und Schlagspiele Squash Gleitschirmfliegen Übrige Sport- und Spielarten Total 1 2000 2005 2007 2008 50 650 50 480 56 700 57 580 42 760 43 660 40 180 43 210 25 950 32 490 34 910 34 150 Ø 2004– 2008 54 300 43 210 33 150 24 500 24 510 22 700 24 760 5 740 11 210 7 820 11 580 9 100 8 960 9 180 9 390 5 460 8 140 9 820 8 860 8 560 8 430 8 680 8 810 12 210 9 270 8 620 5 700 24 460 10 080 9 140 8 660 8 610 8 430 7 630 5 110 5 350 7 680 6 560 6 220 8 750 8 120 7 060 8 570 8 860 7 480 8 170 7 730 6 760 6 260 6 290 6 140 5 600 4 950 6 650 6 380 5 880 5 240 4 640 6 960 6 050 6 000 5 640 5 320 6 650 6 320 5 890 5 680 5 420 6 590 6 430 5 930 5 410 5 210 5 720 3 850 5 280 3 860 5 290 3 820 4 760 4 030 5 090 3 950 2 720 4 010 2 530 3 780 3 140 2 500 3 640 3 610 2 470 3 980 3 340 2 610 3 790 3 360 2 700 1 380 1 140 1 750 1 170 1 070 1 460 1 450 1 470 1 610 1 430 1 820 1 320 1 160 1 050 600 420 490 490 24 970 24 380 28 480 27 910 1 250 460 26 290 281 000 294 000 304 000 310 000 302 200 Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde festgestellt, dass die Hochrechnung der Unfälle beim Radfahren, Biking (ohne Strassenverkehr) falsch berechnet wurde. In dieser Tabelle werden die Zahlen aus der bfu-Hochrechnung 2011 wiedergegeben. Im Kapitel «Radfahren abseits von Strassen» werden die korrekten Zahlen verwendet und die Korrektur erläutert (Kap. VIII, S. 175ff) Quelle: bfu, Hochhrechnung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 121 In Bezug auf die Anzahl der ausgeübten Stunden Das Ausmass der Unfälle nach Sportartengruppen pro Sportart zeigt sich, dass Fussball die höchste hat sich über die letzten 8 Jahre nicht merklich Anzahl Verletzte fordert (Abbildung 17). Während verändert (Abbildung 18). Die verschiedenen Sport- einer Million Stunden Fussballspielen ereignen sich artengruppen zeigen leichte Schwankungen auf, beinahe 1800 Verletzungen. Eishockey liegt mit ca. wobei davon ausgegangen werden kann, dass 1400 Verletzungen auf eine Million ausgeübter diese insbesondere auf die Anzahl ausgeübter Stunden auf Rang 2 [36]. Auf Rang 3 liegt eine Stunden pro Jahr zurück zu führen sind. Bei Out- weitere Team- und Ballsportart: Basketball. Snow- door-Sportarten wie dem Winter- oder Bergsport boardfahren und Skifahren fordern rund 700 bzw. haben dabei Faktoren wie beispielsweise das Wet- 500 Verletzungen während einer Million Stunden. ter einen starken Einfluss auf die Anzahl ausgeüb- Während einer Million Stunden auf dem Bergwan- ter Stunden. Der Wassersport beispielsweise zeigt dern verletzen sich nur gut 100 200 Personen. im «Jahrhundertsommer» 2003 eine gesteigerte Abbildung 17 Inzidenzraten nach ausgewählten Sportarten, Ø 2002–2006 Verletztenzahl auf. In der Schweiz verunfallen jährlich knapp 180 Per- Fussball 1798 Eishockey 848 Land-, Roll- und Unihockey Im Bergsport sind die meisten Todesopfer zu ver- 784 Inline-Skating, Rollschuh zeichnen. Beim Bergwandern starben im Durch- 726 Snowboardfahren 677 schnitt der Jahre 2004 bis 2008 41 Personen pro Handball 656 Jahr. Beim Bergsteigen starben im gleichen Zeit- Squash 648 raum 34 Personen, wobei die Hälfte Gäste aus dem Volleyball Ausland waren. 520 Skifahren (inkl. Touren) Abbildung 18 Entwicklung der Verletzten nach Sportartengruppen, 2000–2008 461 Pferdesport 354 Badminton 348 Tennis 325 Kampfsport, Selbstverteidig. 323 350000 300000 250000 Skilanglauf 257 Bootfahren 255 200000 Leichtathletik 242 150000 Radfahren, Biking 173 100000 Radrennsport 165 50000 Baden, Schwimmen 161 Bergwandern (ohne Klettern) 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 129 Laufen, Jogging, (Nord.) Walking 89 0 500 1000 Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [36] 122 verunglückten Sportler stammen aus dem Ausland. 1426 Basketball sonen tödlich (Tabelle 29). Rund ein Drittel der tödlich 1500 2000 Ballspiele Flugsport Turnen, Leichtathletik Wintersport Bergsport Rad- und Rollsport Wassersport Andere Sport- und Spielarten Quelle: bfu, Hochhrechnung Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ebenfalls viele Todesopfer sind im Winter- und nismässig am meisten ausländische Todesopfer hat Wassersport zu verzeichnen. Drei Viertel der Todes- das Base-Jumping zu verzeichnen. opfer im Wintersport sterben abseits der Pisten. Im Winter- und Bergsport sind mehr als die Hälfte der Bei den in der Statistik erscheinenden Wanderun- Getöteten Gäste aus dem Ausland, während im fällen (durchschnittlich 8 Getötete) handelt es sich Wassersport rund 20 % der tödlich verunfallten um spezielle Fälle. All diese Unfälle können nicht Sportler ausländische Gäste waren. dem Bergwandern zugeordnet werden und haben mit Wanderrisiken kaum etwas zu tun. Die Auch beim Ausüben des Flugsports sterben durch- Mehrheit der Fälle sind Ertrinkungsunfälle. Diese schnittlich 14 Personen pro Jahr. Der Anteil der ereignen sich beim Versuch, andere Menschen ausländischen Gäste beträgt rund 40 %. Verhält- oder Hunde in freien Gewässern zu retten, oder beim Durchqueren von Flüssen und Bächen. Tabelle 29 Getötete nach Sportart und Herkunft, Ø 2004–2008 Sportart Ausland Bergsport Ø 2004–2008 Schweiz Fussgänger fallen vor allem häufig unter Alkoholeinfluss ins Wasser und ertrinken. Spezifische Total Präventionsvorschläge für die Verhinderung dieser 17 17 34 tödlichen Wander- und Spazierunfälle sind ent- Klettern 2 4 6 weder kaum ableitbar oder in der nachfolgenden Bergwandern 9 32 41 0 28 Wintersport 1 54 1 82 Skifahren alpin 2 6 8 Touren-Skifahren 4 8 12 Varianten-Skifahren 5 4 9 Snowboardfahren 0 1 1 Varianten-Snowboardfahren 3 3 6 Schneeschuhlaufen 0 1 1 Die Analyse der Häufigkeit und Schwere der Ver- 0 14 Wassersport 1 24 1 38 letzungen im Sport zeigt, dass sich im Fussball, Ski- Baden/Schwimmen 3 13 16 Bootfahren 0 5 5 Tauchen Total Wassersport 1 4 3 21 4 25 Segelfliegen 1 3 4 belle 10). Der Schneesport fordert nicht nur sehr Gleitschirmfliegen 1 6 7 viele Verletzte auf den Pisten, sondern auch relativ Base-Jumping 2 0 2 1 10 1 14 Bergsteigen Anderer Bergsport Total Bergsport Anderer Wintersport Total Wintersport 0 4 Andere Sportarten im Kapitel Ertrinkungs- prävention berücksichtigt (Kap. X, S. 226ff). 3. Verletzungen in den Schwerpunktsportarten und Snowboardfahren sowie Radfahren abseits der Flugsport Anderer Flugsport Total Flugsport Interventionsanalyse Strasse am meisten Unfälle ereignen (Tabelle 9), während der Bergsport und das Baden/Schwimmen häufig tödliche Unfälle zu verzeichnen haben (Ta- viele Todesfälle, die sich in erster Line abseits von Pisten ereignen. In der Kategorie Baden/Schwimmen ist nur ein Bruchteil der Ertrinkungsfälle Wandern, Spazieren 1 7 8 Jagd 0 4 4 abgedeckt (Kap. VI.3.4, S. 125). Bei Ertrinkungs- Pferdesport 0 2 2 fällen müssen alle Aktivitäten im, am und auf dem Rennsport mit Motorfahrzeugen 0 1 1 1 2 52 4 18 127 5 20 179 Übrige Sportarten Total Andere Sportarten Total Wasser betrachtet werden. Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 123 Die fünf oben genannten Sportarten(-gruppen) nieren Verletzungen der Kinder und Jugendlichen bilden die Schwerpunkte im Unfallgeschehen und bis 16 Jahre sowie junger Erwachsener bis 25 Jahre. sind damit auch die Haupttätigkeitsfelder der Sportunfallprävention. Die Schneesportdisziplinen Ski- und Snowboardfahren weisen mit 68 bzw. 46 Verletzungen pro Je nach Altersgruppe ergibt sich eine andere 100 000 Sportstunden eine durchschnittliche Ver- Schwerpunktreihenfolge (Tabelle 30). Aufgrund letzungsinzidenz auf. der Datenstruktur der Unfallzahlen respektive der Hochrechnung werden in der Tabelle 30 unter- 86 % der Verletzungen der Skifahrer und sogar schiedlich 93 % der Verletzungen der Snowboarder sind leicht grosse Altersgruppen zusammenge- zogen. und erfordern zwar ärztliche Behandlung, aber keinen Spitalaufenthalt. Der Schneesport forderte im 3.1 Ski- und Snowboardfahren Winter 2008 jedoch auf und vor allem auch neben der Piste 19 Todesopfer beim Skifahren und 6 beim Beim Skifahren weisen die 26- bis 45-Jährigen mit Snowboardfahren (Tabelle 31). 11 000 Verletzten die höchste Verletzungshäufigkeit auf (Tabelle 30). Beim Snowboardfahren domiTabelle 30 Verletzte nach Alter und Sportart, Ø 2004–2008 Sportart Fussball Skifahren alpin Biken (ohne Strassenverkehr)2 Snowboardfahren Bergsport Baden, Schwimmen 0–16 10 420 11 990 28 630 13 460 640 3 890 17–25 19 350 3 490 530 5 850 530 1 410 26–45 21 500 15 960 2 790 4 570 2 970 2 430 46–64 2 980 11 080 1 140 550 3 250 1 330 65+ 50 690 60 30 2 430 80 Total1 54 300 43 210 33 150 24 460 9 820 9 140 1 Total gerundet 2 Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde festgestellt, dass die Hochrechnung der Unfälle beim Radfahren, Biking (ohne Strassenverkehr) falsch berechnet wurde. In dieser Tabelle werden die Zahlen aus der bfu-Hochrechnung 2011 wiedergegeben. Im Kapitel «Radfahren abseits von Strassen» werden die korrekten Zahlen verwendet und die Korrektur erläutert (Kap. VIII, S. 175ff) Quelle: bfu, Hochrechnung Tabelle 31 Schwerpunkte im Unfallgeschehen Sport, 2008 Sportartengruppe / Sportart Fussball Skifahren alpin Biken (ohne Strassenverkehr)2 Snowboardfahren Bergsport Baden, Schwimmen Verletzte3 Schwerverletzte Mittelschwerverletzte 1 210 2 490 2 760 3 410 1 390 1 150 480 1 300 890 1 350 70 260 Getötete Letalität 0 19 1 6 50 5 Verletzte pro 100 000 Sportstunden, 2007 0 4 0 2 48 5 180 46 17 68 …4 16 3 Verletzungsschwere: − Leichtverletzte: kein Spitalaufenthalt − Mittelschwerverletzte: Spitalaufenthalt von 1 bis 6 Tagen − Schwerverletzte: Spitalaufenthalt von 7 oder mehr Tagen 4 Information ist nicht verfügbar. Quelle: bfu, Hochrechnung; Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [36] 124 Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.2 Radfahren abseits von Strassen Verhältnis zu den Verletzten mit 5 Personen, also einer Letalität 5 relativ hoch (Tabelle 31). Beim Radfahren abseits von Strassen und beim Schwimmen/Baden verletzten sich die Jüngsten (bis Ertrinkungsunfälle ereignen sich aber nicht nur im 16 Jahre) deutlich am häufigsten (Tabelle 30). Wassersport. Neben 5 Wassersportlern ertrinken in der Schweiz jährlich noch beinahe 40 Personen, so Beim Biken (ohne Strassenverkehr) liegt die Verlet- unter anderem beim Durchqueren von Gewässern, zungsrate bei Rettungsmanövern, beim Fischen oder im im erwerbstätigen Alter bei rund 17 Verletzungen pro 100 000 Sportstunden. Strassenverkehr. Auch beim Radfahren/Biken abseits von Strassen 3.5 Fussball erfordern über 90 % der Unfälle keinen Spitalaufenthalt. Im Jahre 2008 verletzte sich dafür Aus Tabelle 30 geht hervor, dass Verletzungen eine Person tödlich (Tabelle 31). beim Fussballspielen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (17 bis 25 Jahre) sowie bei den Er- 3.3 Bergsport wachsenen bis ins mittlere Alterssegment (26 bis 45 Jahre) ein Unfallschwerpunkt darstellt. Mit über Im Bergsport sind weniger Kinder und Jugendliche 10 000 verletzten Kindern und Jugendlichen bis von Verletzungen betroffen. Die meisten Unfälle mit 16 Jahre gehört das Fussballspielen auch in dieser Verletzungsfolge erleiden Berggänger im Alter von Altersklasse zu den Schwerpunkten. 26 bis 45 Jahren sowie über 65 Jahre (Tabelle 30). Der Fussball hat mit 180 Verletzungen pro 100 000 Der Bergsport hat mit 50 Getöteten die meisten Stunden Sportausübung die höchste expositions- Todesopfer zu verzeichnen (in dieser Angabe sind bezogene Inzidenz, also die meisten Verletzungen nur die Unfälle der Schweizer Wohnbevölkerung pro ausgeübte Stunden (Tabelle 31). enthalten) (Tabelle 31). Die sehr hohe Letalität von 48 zeigt, dass die Anzahl der Getöteten im Ver- Rund 94 % der Verletzungen im Fussball erfordern hältnis zur Anzahl der Verletzten im Bergsport weit- zwar eine ärztliche Behandlung jedoch keinen aus am höchsten der betrachteten Sportarten ist. Spitalaufenthalt und gelten als leichte Verletzungen. Zudem hat der Fussball äusserst selten Todes- 3.4 Wassersport (Ertrinken) opfer aufgrund von Unfällen zu beklagen (5 tödliche Unfälle in 12 Jahren) (Tabelle 31). Beim Baden/Schwimmen ereignen sich absolut gesehen bedeutend weniger Verletzungen als beim Fussball, Ski-, Snowboard- und Radfahren. Zudem ist die Inzidenz mit 16 Sportlern pro 100 000 Stunden Exposition im Vergleich zu beispielsweise Fussball gering. Dafür ist die Anzahl der Getöteten im bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 125 3.6 Unfallkosten 4. Fokus auf Schwerpunkte Das Skifahren mit rund 43 000 Verletzen und bei- Aufgrund der Häufigkeit und Schwere der Verlet- nahe 20 Getöteten generiert die höchsten materi- zungen werden in der Unfallprävention Schwer- ellen Unfallkosten im Sport (Tabelle 32). Vor allem punkte auf die Bereiche Schneesport (Ski-, Snow- die Schwerverletzen, welche 7 oder mehr Tage im boardfahren, Schlitteln / Rodeln), Bergsport, Rad- Spital verbringen, verursachen ein Vielfaches der fahren abseits der Strasse, Wassersport (allg. Kosten der anderen Sportarten. Aber auch die Ertrinkungsunfälle) sowie Fussball gelegt. In den materiellen Kosten der Verletzungen mit Invalidi- folgenden Kapiteln wird vertieft auf die fünf Berei- tätsfolge sowie der mittelschweren Verletzungen che eingegangen. Im Schneesport wird neben dem sind bedeutend höher als in den anderen Sportar- Ski- und Snowboardfahren auch das Schlit- ten. Fussball generiert die zweithöchsten Kosten. teln / Rodeln betrachtet. Wie im Kapitel Methodik Dort sind es vor allem die vielen leichten Verlet- (Kap. IV, S. 101) dargestellt, werden nachfolgend, zungen, die einen hohen Kostenanteil ausmachen. ausgehend von einer detaillierteren Analyse des Unfallgeschehens und der Risikofaktoren, Präventi- Allgemein lässt sich sagen, dass die relativ wenigen onsmassnahmen erarbeitet und diese in Bezug auf Schwerverletzten und Invaliden im Sport ähnlich Wirksamkeit, Effizienz und Umsetzbarkeit be- hohe Kosten verursachen wie all die vielen Leicht- wertet. verletzten [6]. Tabelle 32 Materielle Kosten von Nichtberufsunfällen in den Schwerpunkten im Sport nach Verletzungsschwere (in Mio. CHF), 20061 Bereich Fussball Skifahren Biken (ohne Strassenverkehr)3 Snowboardfahren Bergsport Wassersport Invalide 21 87 42 11 13 21 Schwerverletzte 56 134 33 21 45 13 Verletzte2 Mittelschwerverletzte 47 73 17 22 30 11 Getötete Leichtverletzte 117 92 43 46 22 35 19 2 12 65 43 Total 240 405 137 112 174 122 1 Es werden nur Verletzungen berücksichtigt, die medizinische Leistungen respektive Versicherungsleistungen erforderten. Aufgrund von Rundungen sind in allen Tabellen im Total leichte Differenzen möglich. 2 Verletzungsschwere: − Leichtverletzte: kein Spitalaufenthalt − Mittelschwerverletzte: Spitalaufenthalt von 1 bis 6 Tagen − Schwerverletzte: Spitalaufenthalt von 7 oder mehr Tagen − Invalidität: Dauerhaft teil- oder vollinvalid, Definition gemäss Art. 8 ATSG 3 Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde festgestellt, dass die Hochrechnung der Unfälle beim Radfahren, Biking (ohne Strassenverkehr) falsch berechnet wurde. In dieser Tabelle werden die Zahlen aus der bfu-Hochrechnung 2011 wiedergegeben. Im Kapitel «Radfahren abseits von Strassen» werden die korrekten Zahlen verwendet und die Korrektur erläutert (Kap. VIII, S. 175ff). Quelle: bfu, aktualisierte Berechnung 126 Unfallgeschehen Schweiz (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 VII. Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 1. Einleitung und Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren fahren rund 38 % Ski und 11 % Snowboard [9]. Die Gründe zum Ausüben von Schneesport sind Somit geniessen ca. 1,71 Mio. Schweizer Skifahrer unterschiedlich. Für die meisten Schweizerinnen und 0,35 Mio. Snowboarder im Alter von 10 bis 75 und Schweizer steht beim Sporttreiben der Spass Jahren, an durchschnittlich 10 Tagen pro Winter- im Vordergrund [8]. Aber auch der soziale Aspekt saison, den Schneesport auf den Pisten (Abbildung und das Aussehen motivieren Frauen und Männer 19, Abbildung 20). Hinzu kommen noch Kinder zum Sporttreiben. Das Erreichen von persönlichen unter 10 Jahren und Senioren über 75 Jahren. Leistungszielen liefern vor allem für junge Sportler Basierend auf der subjektiven Wahrnehmung aus Anreize für sportliche Aktivitäten. Beim Skifahren den jährlichen Beobachtungen der bfu in 20 sind Naturerleben, Bewegungserleben und soziales Skigebieten in der Schweiz ist der Anteil der über Wohlbefinden wichtige Anreizwerte [37]. Bei den 75-Jährigen sehr klein. Hingegen wird davon Snowboardern liefern auch das Kompetenzerleben ausgegangen, dass im Rahmen von Ausflügen in der bzw. die Leistungsverbesserung häufig Motivation Familie oder Schule viele der 7- bis 10-Jährigen am zum Ausüben der Sportart. Schneesport teilnehmen. Eine Quantifizierung ist aufgrund fehlender Daten nicht möglich. 1.1 Ski- und Snowboardfahren in der Schweiz Die über 500 Seilbahnen in der Schweiz mit ihren ca. 1800 Seilbahn- und Skiliftanlagen erzielen Rund 27 % der Schweizer Wohnbevölkerung zwi- 80 % des Umsatzes im Winter. Seilbahnen Schweiz schen 15 und 75 Jahren geben an, Ski zu fahren, (SBS) ist der nationale Verband der Seilbahn- und rund 5 % Snowboard. [8]. Von den Kindern branche und umfasst knapp 370 Seilbahnunter- Abbildung 19 Sportaktivität der Skifahrer nach Dauer (in Anzahl Tagen pro Jahr), Jugendliche und Erwachsene, 2007 Abbildung 20 Sportaktivität der Snowboardfahrer nach Dauer (in Anzahl Tagen pro Jahr), Jugendliche und Erwachsene, 2007 40% 40% 36 30% 25% 33 35% 35% 30 30% 27 23 25% 20% 20% 15% 12 19 18 15% 10% 10% 5% 2 0 0 0% 1–5 6–10 11–20 21–50 51–100 101–200 Mehr als 200 Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [10] bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 5% 1 0 0 0% 1–5 6–10 11–20 21–50 51–100 101–200 Mehr als 200 Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [10] Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 127 nehmungen, davon alle grossen und mittelgrossen Bericht nicht ersichtlich, da Snowboardfahren nicht Betriebe [38]. Die Seilbahnen in der Schweiz zu den 10 Sportarten gehört, welche Mädchen am generieren durchschnittlich 27 Mio. Ski- bzw. häufigsten ausüben. Snowboardtage pro Jahr (10-Jahres-Durchschnitt) [38]. Darin sind auch die Fahrten der Gäste aus 1.3 Alter dem Ausland enthalten. Ein «Ski- bzw. Snowboardtag» wird gezählt, wenn ein Schneesportler Die Snowboarder sind tendenziell die jüngeren an einem Tag zumindest einmal durch das Dreh- Schneesportler. Rund 20 % der 15- bis 29-jährigen kreuz geht. Wie oft er während des Tages die Lift- Schweizer fahren Snowboard, weitere 22 % Ski [8] anlagen benutzt, spielt dabei keine Rolle. Über die (Abbildung 21, Abbildung 22). Von den 30- bis 44- Anzahl der Schneesportler an kleineren Liftanlagen, jährigen befragten Schweizern fahren noch 4 % die nicht dem SBS angehören, kann nichts ausge- Snowboard, dafür 35 % Ski. Snowboarder über sagt werden. Zudem fahren vor allem Kinder auch 44 Jahre sind selten anzutreffen. Rund 32 % der an Hängen in der Wohnumgebung oder an Schweizer Bevölkerung im Alter von 45 bis 59 Jah- siedlungsnahen Hängen Ski und Snowboard, ohne ren fahren Ski, im Alterssegment der 60- bis 74- Lifte zu benutzen. Jährigen sind es noch 14 % der Bevölkerung. 1.2 2. Geschlecht Unfallanalyse Rund 6 % der in der Schweiz wohnhaften Männer Auf Schneesportpisten im In- und Ausland erleiden fahren Snowboard, 28 % Ski [8] (Abbildung 21, jährlich rund 70 000 in der Schweiz wohnhafte Abbildung 22). Von den Schweizer Frauen fahren Personen Verletzungen, die eine ärztliche Behandlung rund 5 % Snowboard und 25 % Ski. Knaben und erfordern [39]. Zudem erleiden rund 30 000 Gäste Mädchen fahren gleich häufig Ski (je 38 %). aus dem Ausland Verletzungen auf Schweizer Pisten. Während rund 13 % der Knaben Snowboard Pro Jahr verunfallen durchschnittlich 6 Personen fahren, liegt dieser Anteil bei den Mädchen unter tödlich auf den Schneesportpisten in der Schweiz 12 % [9]. Die genaue Häufigkeit wird aus dem [14]. Neben der Piste sterben jährlich rund 25 Schnee- Abbildung 21 Sportaktivität der Skifahrer nach Alter, 2007 Abbildung 22 Sportaktivität der Snowboardfahrer nach Alter, 2007 10–14 Jahre 38 15–29 Jahre 30–44 Jahre 45–59 Jahre 0.4 60–74 Jahre 14 20% 30% Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [9, 10] 128 4 45–59 Jahre 32 10% 20 30–44 Jahre 35 0% 11 15–29 Jahre 22 60–74 Jahre 10–14 Jahre 40% 0.0 0% 5% 10% 15% 20% Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [9, 10] Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 sportler. Auf die Unfälle der Touren- und Varianten- Kollisionen einschliesst. Im Durchschnitt der Winter fahrer, welche im freien Gelände verunfallen, wird 2003 bis 2007 starb durchschnittlich eine Person im Kapitel Bergsport (Kap. IX, S. 198) eingegangen. an den Folgen einer Kollision mit einem anderen Skifahrer oder Snowboarder [40]. 2.1 Setting und Unfallhergang Knapp 80 % der Unfälle mit Verletzungsfolge er- In der bfu-Statistik der Verletztentransporte im eignen sich auf markierten und präparierten Pisten. Schneesport werden verletzte Schneesportler er- Am häufigsten verletzten sich sowohl Skifahrer wie fasst, die den Pistenrettungsdienst in Anspruch auch Snowboarder auf mittelschweren (roten) nehmen. Leichtere Verletzungen sind in diesen Pisten (rund 53 % aller Verletzungen) [15]. Weitere Daten untervertreten, da der Pistenrettungsdienst rund 38 % der Verletzungen ereignen sich auf in diesen Fällen meist nicht erforderlich ist. blauen Pisten. Seltener sind Unfälle auf schwierigen (schwarzen) Pisten (6 %), wobei die Benut- Gemäss dieser Statistik verletzten sich beinahe zerfrequenzen nach Pistenklasse aufgrund fehlen- 80 % der Schneesportler auf blauen, roten oder der Datengrundlage nur abgeschätzt werden schwarzen Pisten, 3 % im freien Gelände sowie können. 2 % auf Abfahrtsrouten, 3 % auf Förderanlagen und 7 % in einem Snowpark, einer Halfpipe oder In einer österreichischen Untersuchung zeigte sich, auf einem Boardercross [15] (Tabelle 33). dass sich Snowboarder die meisten Verletzungen auf eisigen Pisten (42 %), gefolgt von hartem Die meisten Unfälle sind Selbstunfälle ohne Einwir- Altschnee (29 %), zuzogen [41]. Die Skifahrer kung anderer. Über 90 % der Verletzungen erfol- erlitten die häufigsten Verletzungen auf hartem gen aufgrund eines Sturzes oder einer Kollision mit (34 %) bzw. weichem (30 %) Altschnee [42]. Wei- einem Objekt [39]. Der Anteil der Verunfallten aus tere Analysen des Unfallgeschehens in Österreich Personenkollisionen beim Ski- und Snowboard- zeigen, dass sich die meisten Unfälle bei stark fahren betrug in den letzten 6 Jahren 5 bis 7 %, wechselnden Schneebedingungen auf der Piste wobei dieser Anteil auch verletzte Verursacher der ereignen [43]. Tabelle 33 Verletzte beim Ski- und Snowboardfahren nach Unfallort, Wintersaison 2009/10 Skifahren (n = 3098) Snowboardfahren (n = 818) Schneesportler mit weniger guten Fertigkeiten fahren tendenziell eher auf roten und blauen Pisten Total (n = 4161) und verunfallen häufiger. Genauere Untersuchun- 81 74 79 gen des Unfallgeschehens zeigen aber, dass auch Freies Skigelände 3 2 3 gute und ausgezeichnete Fahrer am häufigsten auf Abfahrtsroute 2 1 2 roten, gefolgt von blauen Pisten verunfallen [42]. Förderanlagen 2 4 3 Funpark, Boardercross, Halfpipe Anderer Unfallort 5 14 7 Piste blauen Pisten öfters befahren werden und je nach 5 Unbekannt Total Weiter muss beachtet werden, dass die roten und 3 4 Schneesportgebiet mehr rote und blaue Pisten vorhanden sind als schwarze. Eine Untersuchung 2 1 2 100 100 100 Quelle: bfu, Statistik der Verletztentransporte bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 aus Kanada zeigt aber, dass nicht nur die Anzahl Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 129 der Verletzungen sondern auch das Risiko, auf Pis- beiden Sportarten bei Unfällen in Snowparks im ten mit einem geringeren Schwierigkeitsgrad zu Gegensatz zu Unfällen auf den Pisten leicht erhöht. verunfallen, grösser ist als auf Pisten mit einem Verschiedene ausländische Studien untersuchten höheren Schwierigkeitsgrad [44]. die Verletzungen von verunfallten Skifahrern und Snowboardern im Snowpark und verglichen sie mit Die meisten Unfälle geschehen bei sonnigem Wetter Verletzungen, die sich ausserhalb von Snowparks [45] und guter Sicht, dies ist auf die hohe Gesamt- ereigneten. Dabei stützten sich alle Studien auf die exposition bei diesen Bedingungen zurückzuführen. Daten aus Spitälern, Rettungsdiensten, Notfallstati- Bei gutem Wetter sind bedeutend mehr Schnee- onen oder weitere Informationen von Ärzten. In sportler auf den Pisten anzutreffen. Zudem suchen verschiedenen Schneesportgebieten in den USA die Schneesportler bei schlechtem Wetter öfters ein ereigneten sich rund 20 % bzw. 30 % der Unfälle Restaurant auf oder gehen früher nach Hause bzw. in Snowparks [47,48]. In Frankreich waren es in der kommen später im Schneesportgebiet an. Wintersaison 2007 in 37 Schneesportgebieten durchschnittlich rund 5 % [49]. Ergebnisse aus Gemäss der bfu-Statistik der Verletztentransporte diversen Studien bestätigen die Resultate aus der im Schneesport verletzten sich im Winter 2009/10 Schweizer Statistik. Die meisten Unfälle ereigneten rund 14 % der Snowboarder sowie 5 % der Ski- sich gemäss Untersuchungen in Schneesportgebie- fahrer, welche den Pistenrettungsdienst in An- ten in Kanada und Amerika nach Sprüngen bzw. spruch nehmen mussten, im Snowpark, der Half- aufgrund eines Falls aus der Höhe [47,48,50]. pipe oder auf einem Boardercross [15]. Die Verlet- Kopfverletzungen traten bei Unfällen in Snowparks zungen erfolgten am häufigsten durch einen häufiger auf als bei Unfällen auf der Piste [47– Selbstunfall nach einem Sprung (ca. 7–15 %) oder 49,51–53]. Auch der erhöhte Anteil an Rücken- einem Selbstunfall ohne Sprung (ca. 71 %). bzw. Wirbelsäulenverletzungen in Snowparks wird Kollisionen mit anderen Personen oder Objekten durch die Ergebnisse verschiedener Studien aus kamen selten vor (ca. 2–5 %). Skifahrer erlitten bei Kanada und Amerika bestärkt [47,48,54]. Die Unfällen im Snowpark, Boardercross oder der Half- Analysen von Unfalldaten aus Frankreich, Amerika pipe am meisten Knie- (17 %) oder Rücken- bzw. und Kanada führen zur Annahme, dass sich die Wirbelsäulenverletzungen (17 %) [46]. Die Snow- Schneesportler in Snowparks häufig schwerer ver- boarder verletzten sich im Snowpark, Boardercross letzen als auf der Piste [49,52]. Diese Aussagen oder der Halfpipe vor allem den Schädel/Hirn-Be- werden durch die Beobachtung bestätigt, dass bei reich (16 %) sowie das Handgelenk (16 %). Im Unfällen in Snowparks häufiger ein Abtransport Vergleich zu den Verletzungen, die Skifahrer auf durch die Ambulanz bzw. eine Hospitalisierung der Piste erleiden, traten im Snowpark vermehrt erforderlich werden [47,49,52]. Schneesportler, die Verletzungen am Rücken bzw. der Wirbelsäule, am sich im Snowpark verletzen, fahren häufiger Snow- Schlüsselbein sowie im Bereich des Fuss- und board, sind männlich und jung (13 bis 24 Jahre) Sprunggelenks auf. Bei den Snowboardern waren [47,48]. vermehrt Verletzungen im Bereich des Rückens bzw. der Wirbelsäule sowie dem Oberarm zu be- Rund 3 % aller Verletzungen [15] und über 70 % obachten. Der Anteil der Kopfverletzungen war bei der tödlichen Unfälle [39] ereignen sich ausserhalb 130 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 der gesicherten und markierten Pisten. Diese Un- 2.2 Sportart fälle sind nicht Bestandteil dieses Kapitels und werden im Kapitel Bergsport behandelt. Absolut gesehen verletzen sich beim Skifahren auf Pisten im In- und Ausland jährlich rund 45 000 in In der Statistik der Verletztentransporte im Schnee- der Schweiz wohnhafte Personen [40] (Tabelle 34). sport verletzen sich 1 % der verunfallten Skifahrer Beim Snowboardfahren ereignen sich rund 26 000 und Snowboarder auf Schleppliften und 2 % der Unfälle mit Verletzten. Geht man davon aus, dass Skifahrer bzw. 3 % der Snowboarder beim Ein- rund 1,71 Mio. Schweizer Ski und 350 000 Snow- bzw. Ausstieg von Schlepp- und Sesselliften [15]. In board fahren, hat der Schneesport eine Verlet- der UVG-Statistik der Sammelstelle für die Statistik zungsrate von rund 2,6 Verletzten pro 100 Ski- der Unfallversicherung UVG (SSUV) liegt der Anteil fahrer sowie 7,4 Verletzten pro 100 Snowboard- der verletzten Skifahrer und Snowboarder, die sich fahrer. In verschiedenen Studien wurde ein grös- bei der Benutzung von Förderanlagen verletzten, seres Verletzungsrisiko für Snowboarder im Gegen- bei 3 bzw. 1 % [55]. Die UVG-Statistik erfasst nur satz zu Skifahrer gefunden [56,58]. Zudem verletz- erwerbstätige Personen zwischen 16 und 65 Jahren ten sich rund 30 000 ausländische Gäste auf der Schweizer Wohnbevölkerung, die obligatorisch Schweizer Pisten [40]. Nach Angaben der Seilbah- nach (UVG) nen Schweiz erlebte die Schweiz im Durchschnitt versichert sind. Gemäss verschiedenen Studien der Winter 2002 bis 2006 28,4 Mio. Schneesport- ereigneten sich rund 3 bis 8 % der Snowboard- tage pro Jahr (Skier–Days) [38]. Demnach ereigne- unfälle bei der Liftbenutzung [56]. In den letzten ten sich in den Wintern 2002/03 bis 2005/06 in der 11 Jahren haben sich in der Schweiz 4 tödliche Schweiz im Durchschnitt ca. 3,5 Unfälle pro 1000 Unfälle auf Förderanlagen ereignet [57]: 3 Unfälle Skier-Days. dem Unfallversicherungsgesetz auf Schleppliften, 1 auf einem Sessellift. Zwei der Verunfallten waren Kinder bis 14 Jahre, die 2.3 Alter anderen beiden Erwachsene bis 40 Jahre. Zwei Personen kollidierten nach einem Sturz auf dem Skifahrer und Snowboarder der jüngsten Alters- Schlepplift mit einem Liftmast. Ein Junge blieb mit klasse (bis 16 Jahre) erleiden in der Schweiz seinem Helm am Bügel hängen und wurde mitge- 35–40 % aller Verletzungen (Tabelle 34) [40] und schleift. Bei einem anderen Fall sprang der Sessel machen auf den Pisten 20–30 % aller Schnee- bei starkem Wind aus der Halterung und stürzte sportler aus [59]. Von den 17- bis 25-jährigen mit dem Schneesportler zu Boden. Schneesportlern verletzen sich rund 9800 Perso- Tabelle 34 Verletzte beim Ski- und Snowboardfahren nach Alter, Ø 2003–2007 Sportart Skifahren alpin Anzahl Anteil 0–16 12 130 17–25 3 540 26–45 16 820 46–64 11 430 65+ 710 Total 44 600 27% 8% 38% 26% 2% 100% Snowboardfahren Anzahl 13 820 6 220 4 710 500 40 25 300 Total Anteil Anzahl 55% 25 950 25% 9 760 19% 21 530 2% 11 930 0% 750 100% 69 900 37% 14% 31% 17% 1% 100% Anteil Quelle: bfu, Hochrechnung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 131 nen, was einen Anteil am Gesamtunfallgeschehen von 14 % ausmacht. Sie machen auf 2.5 Fahrniveau den Schweizer Pisten rund 15–20 % aller Schneesport- Aufgrund der noch fehlenden Fertigkeiten der ler aus. 30–40 % der Pistenbenutzer sind zwischen Anfänger verletzen sich diese bedeutend häufiger 26 bis 45 Jahre alt und haben jährlich rund 30 % [44,63,68]. 13–23 % der verletzten Snowboarder der Unfälle mit Verletzungsfolge. Der Anteil der verunfallen sogar am ersten Tag auf dem Snow- 46- bis 64-jährigen Schneesportler auf den Pisten board [56]. Der Anteil der verletzten Anfänger bei beträgt 15–20 % und sie erleiden 15–20 % der den Snowboardern ist zudem grösser als der bei Verletzungen. ältesten den Skifahrern. Dafür ist der Schweregrad der Pistenbenutzern (65+) machen jährlich rund 1 % Verletzungen bei den geübten Fahrern höher aller Unfälle aus. [52,69,70], wohl weil sie meist mit höherem Die Verletzungen der Tempo unterwegs sind, einen aggressiveren Fahrstil Daraus lässt sich schliessen, dass Kinder und Ju- haben gendliche das höchste Verletzungsrisiko haben. schwierigerem Gelände bewegen [71]. Zudem Studien bestätigen diese Feststellung [44,60]. An- üben vor allem Snowboarder vermehrt Sprünge dere sagen aus, dass sich Kinder unter 11 Jahren aus [54,72,73]. [69], sich in anspruchsvollerem und gleich oft wie Erwachsene, Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahre jedoch häufiger verletzten [61]. 2.6 Verletzungslokalisation Gründe für ein höheres Verletzungsrisiko der Kinder und Jugendlichen können noch geringe Fertigkeiten, Je nach Sportart, Geschlecht und Altersklasse treten fehlende Erfahrungen, fehlendes Gefahrenbewusst- Verletzungen unterschiedlich häufig auf [74–78]. sein, Selbststeuerungsfähigkeit, häufig nicht kindge- Aufgrund verschiedener Studien aus der Schweiz rechte Ausrüstung [44] sowie ein noch nicht ausge- [40,79], Deutschland [65,80], Österreich [74,81], reifter Körper sein, welcher anfälliger für Ver- Frankreich [82,83], Norwegen [75,84,85], Kanada letzungen ist [62,63]. [76] und Amerika [86] lassen sich für die Gesamtmenge der verunfallten Ski- und Snowboardfahrer 2.4 Geschlecht die Anteile der verletzten Körperteile grob angeben (Tabelle 35). Das Risiko für eine Verletzung ist für Frauen und Männer ähnlich [44,64]. Das Verletzungsbild zeigt Die Snowboarder verletzen sich am häufigsten am jedoch starke Unterschiede. Frauen erleiden signifi- Handgelenk und der Hand sowie im Schulterbereich kant häufiger Verletzungen am Knie, während sich und am Oberarm, während rund ein Drittel aller Männer bedeutend öfters am Kopf verletzen verunfallten Skifahrer eine Knieverletzung erleiden. [60,64,65]. Männer erleiden häufiger Gehirner- Skifahrer verletzen sich bedeutend häufiger an den schütterungen [66]. Eine Studie schätzt das unteren, Snowboarder an den oberen Extremitäten Kopfverletzungsrisiko der Männer im Vergleich zu [40,44]. Bei den Snowboardern ist zudem das Hand- den weiblichen Schneesportlern auf das 2,2-fache gelenk bis zu 4-mal häufiger von Verletzungen ein [67]. betroffen als bei den Skifahrern [40]. Snowboarder verletzen sich zudem häufiger am Sprung- 132 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 gelenk als die Skifahrer, jedoch weniger oft am 4000 Schneesportler erlitten mittelschwere Ver- Kniegelenk [56]. Des Weiteren erleiden Snow- letzungen, welche einen Spitalaufenthalt von 1 bis 6 boarder während Tagen erforderte. Rund 56 000 Skifahrer und Skifahrer häufiger Daumenverletzungen davon- Snowboarder verletzten sich nur leicht und mussten tragen. Weibliche Schneesportlerinnen verletzen also nicht im Spital behandelt werden. öfters Rückenverletzungen, sich deutlich häufiger am Knie als die männlichen, während die Männer ein höheres Risiko für eine Bei Snowboardunfällen ist die Verletzungsschwere in Kopf- oder Gesichtsverletzung haben [60,64,66,67]. der Regel leichter und sie generieren weniger Für Kinder und Jugendliche ist das Risiko höher, eine Arbeitsausfalltage als die Unfälle beim Skifahren. Kopf- oder Gesichtsverletzung zu erleiden, als für für Jährlich verunfallen durchschnittlich 9 Personen töd- Kopfverletzungen könnte bei den Kindern an der lich auf Schneesportpisten. Bei Unfällen mit Todes- geringen Körpergrösse und dem verhältnismässig folge sind traumatische Hirnverletzungen meist die hohen relativen Gewicht des Kopfs liegen [83]. Haupttodesursache [67,86–89]. Verletzungen des Erwachsene [60,83]. Das erhöhte Risiko Kopfs sowie der Halswirbelsäule stellen die Die Verletzungsanteile variieren in der Literatur schwersten Verletzungen sowohl bei den Skifahrern aufgrund wie auch bei den Snowboardern dar [44]. der verschiedenen Studiendesigns. Basieren die Daten auf Rapporten von Pistenrettungsdiensten oder Notaufnahmen sind schwere 2.8 Unfallkosten Verletzungen oder Verletzungen der unteren Extremitäten häufig überrepräsentiert. In Unfalldaten von Die jährlich rund 70 000 Unfälle im Schneesport Versicherungen sind zum Teil nicht alle Alters- führen zu rund 600 000 Arbeitsausfalltagen. Die ma- gruppen vertreten. teriellen Kosten (u. a. medizinische Kosten und Produktivitätsausfall) belaufen sich auf CHF 470 Mio. [6]. 2.7 Schweregrad der Verletzungen Im Winter 2007 verletzten sich knapp 3000 Skifahrer und Snowboarder so schwer, dass sie 7 oder mehr Tage im Spital verbringen mussten [39]. Mehr als Tabelle 35 Verletzungslokalisation beim Ski- und Snowboardfahren: Abschätzung der bfu Körperteil Skifahren Anteil Snowboard Kopf / Hals 15% Bandbreite 13–17% Rumpf / Wirbelsäule 15% Schulter / Oberarm 20% Ellbogen / Vorderarm Handgelenk / Hand Hüfte / Oberschenkel Anteil 16% Bandbreite 13–17% 15–19% 15% 15–20% 17–23% 20% 18–22% 5% 3–6% 10% 8–12% 10% 10–13% 20% 15–25% 8% 7–10% 4% 3–5% Knie 25% 20–30% 15% 13–18% Unterschenkel / Sprunggelenk / Fuss 15% 12–18% 13% 10–15% Quelle: bfu, Abschätzung aufgrund diverser Studien bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 133 3. Risikoanalyse vingski) sind heute die Schneesportpisten aufwändig, gleichmässig und breit präpariert. Buckelpisten Ausgehend vom Unfallgeschehen haben Experten sind grösstenteils verschwunden [90]. der bfu die relevanten Risikofaktoren im Schneesport aus den Unfallstatistiken, aus einer Literatur- Dennoch besteht Grund zur Annahme, dass ein analyse und aus Expertenbefragungen ermittelt Zusammenhang zwischen der Pistengestaltung und (Tabelle 36). Dabei wurde auch bewusst auf die -präparierung mit der Häufigkeit und dem Schwe- Relevanz von Risikofaktoren eingegangen, die nicht regrad von Verletzungen besteht [43,91,92]. Un- aus der Literatur oder der Unfallanalyse hervorge- fälle häuften sich beispielsweise an Stellen, an hen, aber in Fachkreisen oder den Medien oft the- denen mehrere Pisten zusammenkamen und als matisiert werden. eine gemeinsame Piste weiterführten, bei einer steilen Piste, auf welcher die Schneesportler die 3.1 Nicht optimale Pistenraumgestaltung Kontrolle über ihr Fahrgerät verloren und die Piste runterrutschten, bei einer kleinen Gegensteigung, Aufgrund der technischen Fortschritte und der bei welcher die Schneesportler mit hoher Ge- Anforderungen an modernes Material (z. B. Car- schwindigkeit angefahren kamen, eine Kompres- Tabelle 36 Ski- und Snowboardfahren: Bewertung von Risikofaktoren Sportart Ski/Snowboard 1 Risikofaktor Nicht optimale Pistenraumgestaltung Ski/Snowboard 2 Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit Ski/Snowboard 3 Überhöhte Fahrgeschwindigkeit Ski/Snowboard 4 Ungenügende physische Kondition und schlechtes Gleichgewicht Ski/Snowboard 5 Ungenügende Fahrfertigkeiten Ski 6 Skibindung ist zu wenig wirksam oder wird falsch eingestellt Snowboard 7 Handgelenkschutz wird nicht getragen oder ist zu wenig wirksam Ski/Snowboard 8 Mangelhafte Verhältnisse und falsches Verhalten in Snowparks Ski/Snowboard 9 Ungünstiger physiologischer Zustand (v. a. Übermüdung) Ski/Snowboard 10 Kopfschutz wird nicht getragen oder ist zu wenig wirksam Ski/Snowboard 11 Ungenügende Sehschärfe Ski/Snowboard 12 Rücksichtslose Fahrweise Ski/Snowboard 13 Falsche Sturztechnik Ski/Snowboard 14 Alkoholkonsum Ski/Snowboard 15 Material ist ungeeignet oder in schlechtem Zustand Ski/Snowboard 16 Rückenschutz wird nicht getragen oder ist zu wenig wirksam Ski/Snowboard 17 Unvollständige Policy für Schneesportsicherheit Snowboard 18 Fehlende Auslösebindung beim Snowboard Ski/Snowboard 19 Fehlendes Aufwärmen / Einstimmung Ski/Snowboard 20 Gefahrenstellen bei Förderanlagen Ski 21 Fahren mit Carvingski Ski/Snowboard 22 Ineffiziente Rettung Skala: 134 Nr. Verletzungsrelevanz Anteil der Verletzten: >25 sehr hoch >10 – 25 hoch >6 – 10 mässig hoch >3 – 6 gering ≤3 sehr gering Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 sion erfuhren und stürzten, bei ungenügender Untersuchungen im Skiweltcuprennen zeigen auf, Pistenpräparierung, auf Pisten mit reduzierter Prä- dass Veränderungen im Gefälle einer Piste oder ein parierung, im Bereich von Snowparks oder bei «intelligenter» Pistenverlauf vor Schlüsselstellen die Pistenkreuzungen. Zur Befahrungsdichte konnte in Geschwindigkeit der Rennfahrer und damit das Ver- diesen Studien jedoch keine Aussage gemacht letzungsrisiko deutlich zu reduzieren vermag [96]. werden. In der Schweiz werden alle Seilbahnunternehmen Schwere Verletzungen ereigneten sich oftmals bei mit Winterbetrieb alle drei Jahre von einem Exper- einer Kollision mit einem unerwarteten festen oder tenteam nach verschiedenen Beurteilungskriterien beweglichen Objekt, wie einer Pistenmaschine, auf Verantwortlichkeits- und Organisationsstruktu- einem Netz oder auch einem Baum [93,94]. Mit ren, Sicherheit, Markierung und Signalisation, Pis- entsprechenden Massnahmen konnte die Anzahl tenqualität, Pisten- und Rettungsdienst, Rettungs- der schweren Verletzungen reduziert werden. organisation, Ausbildungsstand der Pisten- und Rettungsfachleute sowie statistische Unfallerfas- Künstlich hergestellter Schnee unterstützt den Auf- sung überprüft. Wenn sie den Auflagen genügen, bau und die Instandhaltung der Pisten. Kunst- erhalten sie das Qualitäts- und Sicherheitslabel schnee ist aber durch seine kleineren und kugel- «geprüfte Pisten». förmigen Kristalle auch dichter und härter als Naturschnee. Schneesportler sind auf härteren Pisten Das heutige Angebot an verschiedenen Schnee- aufgrund der geringeren Reibungskräfte mit höhe- sportgeräten und Fahrstilen sowie die mühelose ren Geschwindigkeiten unterwegs und haben da- Bergfahrt aufgrund moderner Förderanlagen füh- her eine höhere kinetische Bewegungsenergie. Bei ren dazu, dass auf denselben Pisten Sportler mit einem Aufprall auf eine harte Schneeunterlage als sehr unterschiedlichen Fahrfertigkeiten, Geschwin- Folge eines Sturzes ist die Krafteinwirkung auf den digkeiten und Fahrweisen unterwegs sind. Sowohl Körper deutlich höher als bei tieferer Geschwindig- mit Skiern wie auch mit dem Snowboard können keit und einem Aufprall auf weichen Schnee. Zu- verschiedene Fahrtechniken angewendet werden, dem kann das Schneesportgerät auf sehr harten welche zu unterschiedlichen Spurenbildern führen. Pisten leichter wegrutschen. Die Verletzungsgefahr Während mit der Carving-Technik ausgedehnte dürfte also aufgrund der höheren Kräfte, die auf Schwünge z. T. sogar hangaufwärts gefahren wer- den Körper einwirken, schwerer sein. Einer öster- den, bleibt der Skifahrer, der kurzschwingt, auf reichische Studie zufolge ereigneten sich 42 % der einer relativ regelmässigen und schmalen Bahn. Snowboardverletzungen auf eisigen Pisten [95]. Auch mit dem Snowboard können kürzere oder Während sich aber vor allem bei stark wechselnden ausgedehntere Schwünge gefahren werden. Un- Schneebedingungen das Risiko für Verletzungen geübte haben oftmals keinen regelmässigen Fahr- erhöht, wurde kein nachweislicher Effekt der stil und fahren unerwartete Kurven. Zudem gibt es Schneebeschaffenheit auf das Verletzungsrisiko noch verschiedene Fahrvarianten wie Rückwärts- gefunden [43]. fahren, Springen, Drehungen usw. Insgesamt haben sich die Bewegungskorridore durch die Entwicklung von Snowboards und Carvingskiern ver- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 135 ändert und die Schneesportler fahren nicht mehr sportler gestört, was zu Missmut, Ärger und Stür- so nahe an der Falllinie [97]. zen oder Kollisionen führen kann [97]. Aufgrund der steigenden Förderkapazität der Bah- Der Einfluss der Präparierung und Sicherung von nen können zudem die Verhältnisse auf den Pisten Pisten auf das Unfallgeschehen ist nicht ganz ein- eng werden, und es kann zu (Beinahe-)Kollisionen deutig. Dennoch kann aufgrund der Resultate kommen [97]. Mit zunehmender Frequentierung verschiedener Studien davon ausgegangen wer- der Pisten nimmt das individuelle Unfallrisiko je- den, dass Mängel bei der Sicherung, Präparierung doch leicht ab [43]. Schneesportler scheinen bei und Markierung das Unfallrisiko erhöhen können. zunehmender Dichte auf den Pisten ihr Tempo Fahrfehler der Schneesportler können nicht ausge- anzupassen und fahren vorsichtiger. Die Befah- schlossen werden und daher sollte die Infrastruktur rungsdichte ist zudem sehr variabel, was mit dem in der Lage sein, die Auswirkungen dieser Fahrfeh- Fahren in Gruppen und einer momentanen Grup- ler zu minimieren, damit sich möglichst keine penbildung aufgrund unterschiedlicher Fahrge- schweren Unfälle ereignen. schwindigkeiten begründet wird [92]. Eine nicht optimale Pistenraumgestaltung Problematisch auf den Pisten könnten die grossen scheint zusammenfassend eine grosse Relevanz im Geschwindigkeitsunterschiede sein, welche eine Unfallgeschehen zu haben. Orientierung und Positionierung der Fahrer untereinander erschweren. Tatsache ist, dass der Anteil der Verletzten, die sich bei einer Kollision verletzten, deutlich unter 10 % des gesamten 3.2 Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit Unfallausmass ist [40]. Wie oft sich Beinahekollisionen auf den Pisten ereignen, bzw. wie viele Nicht nur im freien Gelände, sondern auch auf den Selbstunfälle sich aufgrund des Verhaltens Dritter Schneesportpisten bestehen Gefahren, die den ereignen, ist unklar. Schneesportlern häufig nicht bewusst sind. Unkenntnis kann zu Fehlverhalten führen. Untersu- Das subjektive Gefahrenbewusstsein für Kollisionen chungen zeigen, dass beinahe drei Viertel der ist sehr hoch [97,98]. 95 % der befragten Schnee- Schneesportler auf Schweizer Pisten das Unfall- sportler auf Pisten in 20 Schneesportgebieten in ausmass unterschätzen [98]. Werden Gefahren- der Schweiz überschätzen den Anteil der Kollisio- stellen erkannt, spielt auch die Beurteilung der nen am Unfallgeschehen [98]. Im Gegensatz dazu Situation eine Rolle. Dabei erhöht die Fehleinschät- wird die durchschnittliche Anzahl der Unfälle pro zung von Risiken die Verletzungshäufigkeit [99]. Schneesporttag unterschätzt. Es besteht eine hohe Gemäss einer österreichischen Untersuchung ver- subjektive Bedrohungseinschätzung durch andere letzt sich rund die Hälfte der Schneesportler bei Schneesportler, welche zu erhöhter Unsicherheit einer Routinehandlung, welche ihnen nicht als und vermehrten Stürzen führen kann. Der persönli- verletzungsgefährlich erschien [41,42]. Schliesslich che Bewegungsraum ist bei deutlich erhöhtem ist es nicht nur das Gefahrenbewusstsein, welches Fahrtempo und vollen Pisten durch andere Schnee- den Umgang mit Risiken beeinflusst, sondern auch 136 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 die Selbststeuerungsfähigkeit. Sicherheitsorientierte einem unbewegten Objekt bei einer Geschwindig- Entscheidungen und Handlungen sind massgebend keit von 30 km/h entspricht demnach einem Sturz in der Verhütung von Unfällen und Verletzungen. aus 3,5 m, bei 50 km/h einem Sturz aus 9,8 m Höhe [39]. Die Verletzungsfolgen dürften bei einer Viele Schneesportler verletzen sich bei Routine- höheren Geschwindigkeit physikalisch gesehen also handlungen. Drei Viertel der Schneesportler auf höher sein. Studien fanden einen Einfluss der Fahr- Schweizer Pisten unterschätzen das Unfallausmass geschwindigkeit auf die Häufigkeit von Schulter- und viele haben zu wenig Kenntnis oder Einsicht luxationen [102] und auf den Schweregrad von über effiziente Präventionsmöglichkeiten. Daher Verletzungen [103]. In experimentellen Untersu- haben ein ungenügendes Gefahrenbewusst- chungen mit Crashtest-Dummys konnte zudem sein und eine fehlende Selbststeuerungsfähig- aufzeigt werden, dass bei Kollisionen zwischen keit eine sehr hohe Relevanz im Unfall- Skifahrern bereits bei 30 km/h ein hohes Verlet- geschehen. zungspotenzial vorliegt [104]. Geschwindigkeitsmessungen der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik 3.3 Überhöhte Fahrgeschwindigkeit (AGU) Zürich ergab Durchschnittsgeschwindigkeiten von rund 16–30 km/h auf Pisten mit einer Aufgrund des immer besser werdenden Materials Neigung von 34°–44° [105,106]. Eine Untersu- und der aufwändig präparierten, gleichmässigen chung auf einer mittelsteilen (roten) Piste in einem und breiten Pisten wird allgemein davon ausge- anderen Schweizer Schneesportgebiet hat ergeben, gangen, dass heute das durchschnittlich gefah- dass die meisten Skifahrer und Snowboarder mit rene Tempo höher ist als noch vor 10 bis 20 einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 35 Jahren. Shealy et al. berechneten anhand von bis 40 km/h fahren [105]. In den USA waren bei Geschwindigkeitsangaben in einem Artikel zu Messungen auf Pisten mit einer Neigung von 16–20° Schutzausrüstung for Schneesportler mit durchschnittlich 43 km/h [100], Testing and Material (ASTM) einen Geschwindig- in Österreich mit 44 km/h auf mittelsteilen (roten) keitsanstieg von 11,6 km/h zwischen den späten Pisten [107] unterwegs. In den verschiedenen 1970er-Jahren und der Wintersaison 2002/03 Untersuchungen wurden Maximalgeschwindigkei- [100]. Vergleichsmessungen fehlen aber, um diese ten von 70–100 km/h gemessen. Skifahrer waren Aussage zu bestätigen. Auch andere Autoren rund 5 km/h schneller unterwegs als Snowboarder gehen und [100,107]. Williams et al. untersuchten die Fahrge- Snowboarder aufgrund der Verbesserungen in der schwindigkeiten von sehr guten Skifahrern und Technologie und im Unterhalt der Pisten schneller Snowboardern auf einer bezeichneten und bewal- bessere Fahrfertigkeiten aneignen und schneller deten Abfahrt sowie in einem Snowpark [108]. Die fahren als je zuvor [101]. Skifahrer fuhren im bewaldeten Gelände mit Höchst- davon der aus, American dass sich Society Skifahrer geschwindigkeiten von 42 km/h (wobei 80 % der Die kinetische Energie, welche bei einem Sturz Skifahrer langsamer als 25 km/h fuhren), die Snow- oder einer Kollision auf den menschlichen Körper boarder mit 23 km/h. Beim Durchfahren von wirkt, steigt quadratisch zur gefahrenen Ge- künstlichen Hindernissen im Snowpark erreichten schwindigkeit an (E = ½*m*v2). Eine Kollision mit die Schneesportler Höchstgeschwindigkeiten von bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 137 26 km/h. Eine andere Untersuchung zeigte zudem, 3.4 Ungenügende physische Kondition und schlechtes Gleichgewicht dass die durchschnittliche Geschwindigkeit auf Buckelpisten 15 km/h war, die Höchstgeschwindigkeit betrug 23 km/h, während die Skifahrer auf Die konditionellen Fähigkeiten sind Voraussetzung präparierten Pisten mit durchschnittlich 21 km/h zum Ausüben körperlicher Tätigkeiten, insbeson- sowie maximal 30 km/h fuhren [90]. dere sportlicher Bewegungshandlungen [114]. Sie umfassen die Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Übersteigt die Geschwindigkeit das Fahrkönnen Beweglichkeit. Neben guten konditionellen Fähig- resultiert bereits bei kleinen Bodenunebenheiten keiten spielen beim Schneesport aber auch eine und wechselnden Schneebedingungen ein Kon- gute Gleichgewichts- [115] und Reaktionsfähigkeit trollverlust über das Schneesportgerät, was entwe- eine grosse Rolle [116]. Die gesamte Körpermusku- der zu einem Sturz oder zu einer Kollision mit latur muss den Körperschwerpunkt ständig neu einem Objekt oder gar einer anderen Person füh- stabilisieren, damit es nicht zu einem Sturz kommt. ren kann. Bei unerwartet auftauchenden Hinder- Insbesondere ungeübte Snowboarder verlieren oft- nissen kann der Schneesportler nicht mehr brem- mals bei geringer Geschwindigkeit oder gar im sen und Kollisionen mit häufig schweren Verlet- Stand das Gleichgewicht, wobei sie bei dem resul- zungen sind die Folge. Eine nicht angepasste Ge- tierenden Rückwärtssturz auf die ausgestreckten schwindigkeit und der damit verknüpfte Kontroll- Arme eine Verletzung des Handgelenks erleiden verlust über das Schneesportgeräte gehören zu den [117–119]. Raschner et. al betonen zudem, dass häufigsten Ursachen für Unfälle [95,109,110] und zur richtigen Bewegungs- und Fahrtechnik beim führen zu einer Vielzahl von Verletzungen bei Kin- Carving gut ausgebildete konditionelle Fähigkeiten, dern, Jugendlichen und Erwachsenen [63,83,111– Koordination und Propriozeption notwendig sind 113]. In einer deutschen Studie nannten rund ein [120]. Drittel aller Schneesportler als Verletzungsursache eine zu hohe Geschwindigkeit [109]. Laut einer Bei jungen Skirennfahrern wurde festgestellt, dass österreichischen Studie ereigneten sich 20 % der eine ungenügende Rumpf- und Beinmuskulatur ein Skiunfälle [42] und sogar 42 % der Snow- Risikofaktor für Verletzungen des vorderen Kreuz- boardunfälle nach Angaben der Verunfallten bei bands im Knie sein kann [121]. Bouter et al. führen schneller Fahrt [41]. Zudem zeigen Untersuchun- in ihrer Studie 24 % der Unfälle auf den Verlust gen, dass Schneesportler ihre Geschwindigkeit oft- des Gleichgewichts zurück [122]. Verschiedene mals unterschätzen [97,100]. Die Resultate einer Autoren sehen in der Verbesserung der physischen deutschen Studie zeigen: Je schneller die Skifahrer Kondition eine Präventivmassnahme zur Verhin- fahren, desto schlechter wird ihre Geschwindig- derung von Verletzungen [61,63,111,123–125]. keitseinschätzung Ge- Gute Beweglichkeit, technische Fertigkeiten, gute schwindigkeit hat nicht nur einen Einfluss auf die Ausdauer und ein gesunder Bewegungsapparat Unfallhäufigkeit, sondern auch auf die Unfall- sind wichtige Faktoren in der allgemeinen Ver- schwere und hat damit eine sehr hohe Relevanz hütung von Verletzungen, vor allem bei älteren im Unfallgeschehen. Menschen [126]. Ein Schneesportler mit einem gut [97]. Eine überhöhte entwickelten Gleichgewicht sowie genügend Kraft 138 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 kann Stürze eher vermeiden als ein völlig niken, höhere Fahrgeschwindigkeiten oder ein untrainierter Mensch [127]. Mit einer guten physi- aggressiverer Fahrstil schen Kondition können Ursachen für Stürze (z. B. Handgelenksverletzungen frühzeitige Ermüdung, Kontrollverlust über das werden, dass geübte Snowboarder aufgrund der Schneesportgerät) reduziert werden, bei drohender höheren Energie bei einem Unfall schwerere Sturzgefahr besser reagiert und während dem Verletzungen hatten als Anfänger [128,132]. Sturz die Gelenke und andere Körperstrukturen Ebenso besser stabilisiert werden. Eine gute Gleichge- Verletzungen wichts- und Reaktionsfähigkeit vermindert zudem schwerere Kopfverletzungen als Ungeübte [73]. die Sturzhäufigkeit. Verletzungen der Wirbelsäule gehören, zusammen erlitten sein geübte des [69]. Auch konnte beobachtet Schneesportler Rückenmarks bei mehr [72] oder mit den Kopfverletzungen, zu den schlimmsten Mangelhafte physische Kondition sowie ein und kostspieligsten Verletzungen im Schneesport schlechtes Gleichgewichtsvermögen haben also [54]. Die meisten Verletzungen der Snowboarder eine sehr hohe Relevanz im Unfallgeschehen. an der Wirbelsäule [54,72] und am Kopf [73] resultieren nach missglückten Sprüngen. 3.5 Ungenügende Fahrfertigkeiten Ungenügende Fahrfertigkeiten haben somit Jährlich lernen viele Kinder, aber auch Jugendliche eine sehr hohe Relevanz im Unfallgeschehen. und Erwachsene neu Ski oder Snowboard zu fahren oder sind noch im Prozess des angeleiteten oder selbstständigen Bewegungslernens. 3.6 Skibindung ist zu wenig wirksam oder wird falsch eingestellt Ungeübte und unerfahrene Skifahrer und Snow- Das Knie ist beim Skifahren der am häufigsten boarder verletzen sich häufiger als geübte Schnee- verletzte Körperteil. Internationale Daten zeigen, sportler [44,63,68,99,124,128–130], einige sogar dass rund 25 % der Verletzungen beim Skifahren am ersten Tag [131]. Anfänger haben gegenüber das Knie und 15 % den Unterschenkel, das Fortgeschrittenen und Könnern ein rund doppelt so Sprunggelenk oder den Fuss betreffen (Tabelle 35). grosses Unfallrisiko [99]. Aufgrund fehlender Fer- Frauen verletzen sich häufiger am Knie als Männer tigkeiten und Fähigkeiten verlieren die ungeübten [60,64,65,132], Schneesportler schneller die Kontrolle über ihr Knieverletzungen und sogar rund 3-mal häufiger Schneesportgerät und stürzen. In einer österrei- Verletzungen des vorderen Kreuzbandes erleiden chischen Studie gaben rund ein Drittel der Skifah- [133]. Dies ist auf anatomische, neuromuskuläre rer und 13 % der Snowboarder an, bei Bewe- und hormonelle Gründe zurückzuführen [134]. wobei sie doppelt so viele gungen, die sie mittelmässig oder schlecht beherrschen, verunfallt zu sein [41,42]. Auslösebindungen wurden konzipiert, um Unterschenkelfrakturen zu reduzieren [135]. Doch das Gute Ski- und Snowboardfahrer haben jedoch ein Risiko für Verletzungen der restlichen unteren Ext- höheres Risiko für schwere Verletzungen [69,70]. remitäten (vor allem des Knies) wird durch die Aus- Gründe dafür können unterschiedliche Fahrtech- lösebindung nur ungenügend reduziert. Durch die bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 139 Einführung moderner Auslösebindungen konnte Männern [133]. Vor allem die Bindung von Kindern die Häufigkeit von Fussgelenksverletzungen und ist häufig nicht korrekt eingestellt [44,63,138]. Brüchen der unteren Extremitäten reduziert wer- Aber auch ein Sturz aufgrund des verfrühten Aus- den [132,136], während die Anzahl der Risse des lösens der Bindung kann zu Verletzungen führen. vorderen Kreuzbandes [132,136] sowie schwere Mit einer Skibindung, die nicht älter als ein Jahr ist, Verletzungen des Knies anstiegen [135]. In einer kann die Fehlauslösung minimiert werden. Es weiteren österreichischen Untersuchung lösten wurde festgestellt, dass das Knieverletzungsrisiko sich bei 85 % der Skifahrerinnen mit einer von Frauen mit einer aktuellen Skibindungsein- Verletzung des vorderen Kreuzbands die Bindung stellung (< 1 Jahr) um das 1,8-fache geringer war beim Sturz nicht, obwohl die Bindungsüber- als dasjenige von weiblichen Carvingskifahrerinnen prüfung und Einstellung bei zwei Dritteln der mit einer älteren Bindungseinstellung [139]. Auf Verunfallten in einem Fachhandel erfolgte und Schweizer Pisten liessen im Winter 2009/10 59 % nicht älter als ein Jahr war [137]. Ruedl et al. der befragten Skifahrer ihre Bindung zu Beginn der beobachteten, dass die Bindung bei einem Vor- Wintersaison von einer Fachperson testen und wärtsdrehsturz in rund einem Drittel der Fälle aus- einstellen [39]. In Österreich waren es im Winter lösten, während bei einem Rückwärtsdrehsturz 2009/10 38 % der Skifahrer, die eine aktuelle nur gerade 5 % der Bindungen auslösten. Sie Bindungseinstellung (< 1 Jahr) hatten, wobei rund schlussfolgern, Auslösemechanismus 10 % der Skifahrer ihre Bindung selber eingestellt massgebend vom Unfallmechanismus abhängig ist. hatten [140]. Trotzdem lagen 40 % aller getes- dass der teten Bindungen nicht im Toleranzbereich von ± Aktuelle Skibindungen weisen noch keinen 15 % des Einstellwertes nach ISO-Norm 1088. ausreichenden Auslösemechanismus für alle 17 % der Bindungen waren zu leicht, 22 % zu möglichen Raumrichtungen auf, in die bei einem stark eingestellt Sturz Kräfte vom Ski auf den Skischuh und damit den Unterschenkel und das Knie wirken [99,138]. Rund 15 % der Skiausrüstungen, die auf den Pisten genutzt werden, sind Mietmaterial. Aufgrund Falsch eingestellte Skibindungen können zu- von verschiedenen Untersuchungen befürchten dem zu Verletzungen führen [61,99,136]. Eine zu Experten, dass die manuelle Einstellung der späte oder keine Auslösung der Bindung kann Skibindung, insbesondere auch im Skiverleih vor Verletzungen insbesondere der unteren Extremitä- Ort, ten provozieren. Die Skier können als Hebelarm durchgeführt wird [42]. Eine Untersuchung über wirken und Dreh- oder Beugebewegungen der den Sicherheitsstandard im deutschen Skiverleih Beine verstärken [135]. In einer Studie waren 75 % aus der Wintersaison 2003/04 zeigte, dass mehr als der Frakturen der unteren Extremitäten ein Resultat ein Viertel der getesteten Skibindungen entweder einer falsch eingestellten Bindung [63]. In Untersu- hätten ersetzt oder repariert werden müssen oder chungen gaben rund die Hälfte (46 %) der verletz- nicht korrekt eingestellt waren [141]. Bei den ten Skifahrer an, dass die Skibindung zu spät oder Kinderbindungen mussten sogar 66 % ausge- nicht ausgelöst hat [42], wobei die Bindung von mustert werden, weil die Bindungseinstellung mehr Frauen 2,6-mal häufiger nicht auslöste als bei den als 30 % vom Einstellwert der ISO-Norm abwich. 140 nicht immer mit Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) der nötigen Sorgfalt bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Das Knie wird beim Skifahren am häufigsten ver- [145], Matsumoto et al. von sogar 86 % aller letzt. Auslösebindungen zielen darauf ab, Verlet- Snowboardverletzungen [147]. zungen des Sprunggelenks und Unterschenkels zu reduzieren, können jedoch die Häufigkeit für Knie- Die häufigsten Unfallhergänge, die zu einem verletzungen nicht reduzieren. Da die Bindung Handgelenksbruch noch keinen ausreichenden Auslösemechanismus Überstreckung des Handgelenks bei einem Fall auf in alle Richtungen aufweist, hat eine reduzierte den ausgestreckten Arm [150] sowie der Aufprall Wirksamkeit der Auslösebindung eine hohe der Handfläche auf eine harte Unterlage [151]. führen, sind eine schnelle Relevanz im Unfallgeschehen. Jugendliche und vor allem Kinder verletzten sich Skier, deren Bindung in einer Sturzsituation nicht häufiger am Handgelenk als erwachsene Snow- auslöst, wirken als Hebelarm und erhöhen damit boardfahrer [128,152,153]. Ungeübte Snowboar- die Kräfte auf die unteren Extremitäten und kön- der erleiden öfters Handgelenksverletzungen als nen das Verletzungsrisiko erhöhen. Zudem führt geübte Fahrer [117,119,128,142,147,152–154]. eine verfrühte Auslösung zu einem Sturz, mit wel- Der Unfallhergang bei ungeübten Snowboardern chem Verletzungen einhergehen können. Daher ist oftmals ein Gleichgewichtsverlust bei geringer hat eine falsche Bindungseinstellung eine mit- Geschwindigkeit oder gar im Stand, wobei der tlere Relevanz im Unfallgeschehen. Snowboarder rückwärts auf die ausgestreckten Arme stürzt [117,118]. Es ist jedoch unklar, ob 3.7 Handgelenkschutz wird nicht getra- gewisse Gruppen von Snowboarder weniger ge- gen oder ist zu wenig wirksam fährdet sind, Handgelenksverletzungen zu erleiden. In einer Studie von Binet et al. waren Handgelenks- In diversen Studien wird berichtet, dass sich Snow- verletzungen in allen Gruppen der untersuchten boardfahrer am häufigsten an den oberen Extremi- Snowboarder, unabhängig vom Fahrniveau oder täten verletzen [44,142,143]. Dabei ist das Handge- der Erfahrung, vorherrschend [155]. lenk am meisten betroffen [44,56,128,132,144,145]. Gemäss einer Hochrechnung internationaler Daten Gemäss den Resultaten aus einer systematischen erleiden rund 20 % der verletzten Snowboardfah- Literaturübersicht beträgt die Schutzwirkung eines rer Verletzungen am Handgelenk oder an der Hand aktuellen Handgelenkschutzes 38 bis 65 % [142]. und 10 % am Ellbogen oder am Vorderarm (Tabelle Experten beurteilen hingegen die meisten auf dem 35). Verschiedene neuere Untersuchungen bestäti- Schweizer Markt verfügbaren Produkte als gen diese Daten [56,58,128,146–148]. nur eingeschränkt wirksam (Expertenurteil bfu, Expertenrunde Kassensturz 2009). Verschiedene Die häufigste Verletzungsart im Bereich des Hand- Untersuchungen kamen zum Schluss, dass nicht gelenks sind distale Radiusfrakturen [145,147,149]. alle auf dem Markt erhältlichen Handgelenkschüt- In der Schweiz machen die Radiusfrakturen bei den zer genügenden Schutz vor Verletzungen bieten Erwachsenen Snowboardern (16–65 Jahre) einen [117,119,150,153,156,157] oder sogar das Risiko Anteil von rund einem Drittel aus [55]. Sasaki et al. für ermittelten in ihrer Studie einen Anteil von 54 % [117,142,158]. Ein wirksamer Handgelenkschutz bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 eine Verletzung des Unterarms fördern Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 141 sollte das Handgelenk vor Überstreckung schützen [150] und Stösse darauf und auf den Unterarm 3.8 Mangelhafte Verhältnisse und falsches Verhalten in Snowparks dämpfen [156]. Bis heute besteht noch keine Norm, welche die Qualitätssicherung des Hand- Immer mehr Schneesportgebiete richten Snow- gelenkschutzes gewährleisten würde. parks und Halfpipes ein. Die bfu erhebt seit der Wintersaison 2002/03 bei- In der Schweiz verunfallten im Winter 2009/10 nahe jährlich die Tragquote des Handgelenkschut- rund 14 % der Snowboarder und 5 % der Skifah- zes von Snowboardfahrern in der Schweiz. In der rer, welche den Rettungsdienst in Anspruch nah- Wintersaison 2009/10 trugen rund 27 % der men, in einem Snowpark oder auf einem Ski- oder Snowboarder einen Handgelenkschutz [39]. Die Boardercross [15]. Studien aus Frankreich, Kanada Tragquote war seit den letzten vier Jahren rück- und Amerika geben Grund zur Annahme, dass das läufig und hat seit der Wintersaison 2006/07 be- Risiko für schwerere Verletzungen in Snowparks reits um 15 % abgenommen. Es sind vor allem höher ist als auf der Piste [47,49,52,161]. Zudem Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre, Fortgeschrit- zeigen Resultate aus der Schweiz, Frankreich, Ka- tene, Snowboarder, die in der Schweiz wohnhaft nada und Amerika, dass Schneesportler innerhalb sind und Snowboarder, die auf den Pisten in der von Snowparks vermehrt Kopf- und Rücken- Deutschschweiz fahren, die ihr Handgelenk mit bzw. Halswirbelsäulenverletzungen erleiden, [46– einem Protektor schützen [159,160]. 49,51,52,54,161]. Cundy et al. stellen nach Analyse diverser Studien fest, dass der Anteil der Kopf- Durch das Tragen eines Handgelenkschutzes mit verletzungen, trotz allgemeiner Abnahme der Un- optimaler Schutzwirkung könnten viele Verletzun- fälle, zugenommen hat [162]. Sie nehmen an, dass gen des Handgelenks sowie des Unterarms ver- dies auf die zunehmende Beliebtheit von Manövern hindert werden. Eine nicht maximale Wirksamkeit in der Luft und auf Elementen in Snowparks zu- des Handgelenkschutzes reduziert das Rettungspo- rückzuführen ist. Ruedl et al. fanden in ihrer Studie tenzial erheblich. Darum hat eine nicht optimale heraus, dass das Kopfverletzungsrisiko beim Fahren Wirksamkeit in einem Snowpark um das 1,69-fache höher ist als des Handgelenkschutzes eine hohe Relevanz im Unfallgeschehen. beim Fahren auf der Piste [53]. Kopf- und Halswirbelsäulenverletzungen stellen gemäss einer Die Tragquote war in den letzten Jahren wieder kanadischen Studie die schwersten Verletzungen in rückläufig und im Winter 2009/10 schützte weni- den beiden Sportarten dar [163]. ger als ein Drittel der Snowboarder ihr Handgelenk mit einem Schutz. Daher hat das Nichttragen Mangelhafte Verhältnisse: Infrastrukturen sollten eines heute auf dem Markt verfügbaren so gestaltet sein, dass sie in der Lage sind, Fahr- Handgelenkschutzes eine mittlere Relevanz im fehler zu minimieren. In der Schweiz bestehen Unfallgeschehen. keine allgemein gültigen Vorgaben für das Erbauen eines Snowparks. In manchen Schneesportgebieten werden die Parks ohne professionelle Vorkenntnisse und Erfahrungen gebaut und unterhalten. Es 142 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 besteht keine Gewähr, dass die Elemente der An- Zudem wird vermutet, dass ermüdete Personen lage Sicherheitsaspekten genügen, sich in einem Risiken eingehen, die sie in leistungsfähigerem guten Zustand befinden oder der Park regelmässig Zustand nicht auf sich nehmen würden [164]. unterhalten respektive bei Bedarf rechtzeitig ge- Werden die nötigen Pausen nicht eingelegt, erhöht sperrt wird. sich die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung im Verlauf des Tages [63]. Gemäss der bfu-Statistik Falsches Verhalten: Das zunehmende Angebot der Verletztentransporte aus dem Winter 2009/10 an Snowparks führt dazu, dass immer mehr ereigneten sich auf Schweizer Pisten 24 % der Skifahrer und Snowboarder diese neue Variante Unfälle am Morgen, 33 % in der Mittagszeit des Fahrens nutzen. Viele Schneesportler haben (11:30–13:30 Uhr), 32 % am Nachmittag und aber noch kaum Erfahrung und können die Risiken weitere 12 % nach 15:30 Uhr [15]. Dabei muss schlecht einschätzen. Fehlende Schwierigkeitsan- berücksichtigt gaben im Park erschweren den Unerfahrenen das Schneesportler gegen Mittag zunimmt. Erstaunlich Einschätzen der Anforderungen der Elemente an ist, dass sich nach 15:30 Uhr rund 12 % der Un- die Fahrer. Aber auch die Unkenntnis der Regeln fälle ereignen, obwohl viele Schneesportgebiete im Park kann das Risiko von Unfällen erhöhen. gegen 16:30 Uhr schliessen. Dies lässt vermuten, werden, dass die Anzahl der dass eine zunehmende Müdigkeit zu mehr Unfällen Aufgrund der zunehmenden Beliebtheit des Fahrens führt. Diese Beobachtung und die daraus gezogene in Snowparks, dem hohen Schweregrad der Schlussfolgerung werden durch andere Studien Verletzungen, der relativ geringen Fertigkeiten vieler bestätigt [43,45,144,166]. Es muss aber auch Fahrer und der mangelhaften Verhältnisse in ge- beachtet werden, dass sich der Pistenzustand im wissen Snowparks hat der Risikofaktor «mangel- Verlauf des Tages verschlechtern und das Fahren hafte Verhältnisse und falsches Verhalten in anspruchsvoller werden kann. Repräsentative Da- Snowparks» eine hohe Relevanz im Unfall- ten zu Benutzungsfrequenzen im Tagesverlauf geschehen. liegen sowohl in den Schweizer wie auch in den anderen Studien nicht vor, was die Berechnung 3.9 Fahren im übermüdeten Zustand von Risiken in Bezug auf das Verkehrsaufkommen auf den Pisten verunmöglicht. Ermüdung ist eine Folge vorangegangener physischer oder psychischer Belastung und eine Ver- Es ist anzunehmen, dass im Verlauf mehrerer minderung der aktuellen Leistungsfähigkeit [164]. Schneesporttage infolge die Ermüdung und damit Die Ermüdung des Körpers reduziert den Fahrge- das Unfallrisiko täglich zunehmen. Diese Aussage nuss und führt zum vermehrten Aufkommen von konnte aber nicht bestätigt werden. In einer öster- Unfällen mit Verletzungsfolge [63,111]. Mit zuneh- reichischen Studie verringerte sich das tägliche mender Müdigkeit lassen Kraft, Koordination und Unfallrisiko im Verlauf des Skiurlaubs [43]. Strojnik Konzentration nach, was vermehrt zu Stürzen et al. untersuchten die Leistungsfähigkeit von un- führt. Beim Skifahren werden diverse Beinmuskeln trainierten Skifahrern während einer Skiwoche die ganze Zeit über stark beansprucht, was [167]. Nach dem ersten und vierten Skitag konnte zwangsläufig zu deren Ermüdung führt [63,165]. eine verminderte Kraftaufbringung beobachtet bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 143 werden. Über die ganze Skiwoche gesehen ver- verhindern. Seine Schutzwirkung liegt gemäss besserte sich aber die physische Fitness und es fand einem Übersichtsartikel bei durchschnittlich 35 % eine stetige Zunahme der täglich gefahrenen (Vertrauensintervall 21 bis 45 %) [178]. Distanz statt. Die Resultate lassen vermuten, dass die Skifahrer ihr Fahrverhalten soweit anpassen, Die Helmtragquote in der Schweiz konnte mit ver- dass eine Übermüdung im Verlauf der Woche ver- schiedenen Präventionsanstrengungen von einem hindert werden kann. Weitere Untersuchungen Ausgangsniveau von 16 % im Winter 2002/03 auf zeigen, dass beim Freizeitskifahren kein Zustand 81 % im Winter (2010/11) gesteigert werden der völligen Ermüdung auftritt, weil die Schnee- [179]. Heute fahren auf Schweizer Pisten 80 % der sportler ihre Fahrtechnik anpassen [165,168,169]. Skifahrer sowie 82 % der Snowboarder mit einem Bei langen Abfahrten werde die Fahrgeschwin- Schneesporthelm. digkeit reduziert, um eine Ischämie und Übersäuerung der Muskulatur zu minimieren [170]. Flache Da die Schutzwirkung des Schneesporthelms bei Pistenabschnitte können der aktiven Erholung die- rund 35 % liegt [178], könnten durch eine Verbes- nen und auch die Wahl der Lifte kann massgebend serung der Schutzwirkung weitere Verletzungen für die Erholung sein. verhindert werden. Heutige Schneesporthelme schützen vor offenen Wunden und vor dem Ein- Da mit zunehmender Müdigkeit Konzentration, dringen von Gegenständen (z. B. Skistock) in den Gleichgewicht, Kraft und Reaktion nachlassen, hat Kopf. In einigen Studien konnte eine signifikante der Risikofaktor Übermüdung eine hohe Rele- Reduktion schwerer Kopfverletzungen durch den vanz im Unfallgeschehen. Schneesporthelm nachgewiesen werden [85,173], während andere Untersuchungen diese Aussage 3.10 Kopfschutz wird nicht getragen nicht bestätigen konnten [100,180]. Rughani et al. oder ist zu wenig wirksam konnten in ihrer Studie aufzeigen, dass der Helm Schädelfrakturen zu verhindern vermag [181]. Rund 15 % der verunfallten Schneesportler er- Unklar ist auch die Schutzwirkung des Schnee- leiden eine Kopf- oder Halsverletzung (Tabelle 35) sporthelms in Bezug auf Gehirnerschütterungen [79]. Schätzungsweise 75 % dieser Verletzungen [182]. Eine Auswertung der europäischen «Injury liegen im Schutzbereich des Schneesporthelms, Data Base (IDB)» gibt Grund zur Annahme, dass welcher den Schädel sowie bei den meisten Mo- der Schneesporthelm auch die Wahrscheinlichkeit dellen die Ohren umgibt. Kopfverletzungen sind von Gehirnerschütterungen zu reduzieren vermag die Hauptursache für tödliche Verletzungen auf [183]. Es stellt sich auch die Frage, ob die heutigen Schneesportpisten [67,86–89]. Um den Kopf vor Normenanforderungen [184], die ein Schneesport- Verletzungen zu schützen, sollten alle Schnee- helm erfüllen muss, den Geschwindigkeiten, die sportler einen Helm tragen. Die Schutzwirkung des auf den Pisten gefahren werden (Kapitel VII.3.2, Schneesporthelms wurde in verschiedenen Studien S. 136), gerecht werden. nachgewiesen [67,85,88,171–177]. Der Schneesporthelm vermag den Schweregrad von Kopfver- Das Risiko bei einem Sturz oder einer Kollision eine letzungen zu reduzieren oder diese vollständig zu Kopfverletzung zuzuziehen ist hoch. Ein Schnee- 144 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 sporthelm kann wirkungsvoll einen Teil dieser Ver- Der hohe Anteil an Schneesportlern, die ohne er- letzungen verhindern. Die Schutzwirkung des forderliche Sehhilfe Ski- oder Snowboardfahren, Schneesporthelms liegt heute allerdings bei durch- lässt vermuten, dass eine ungenügende Seh- schnittlich 35 % und könnte somit noch verbessert schärfe eine mittlere Relevanz für das Unfallge- werden. Die eingeschränkte Schutzwirkung des schehen hat. Schneesporthelms hat daher eine mittlere Relevanz im Unfallgeschehen. 3.12 Rücksichtlose Fahrweise Aufgrund der sehr hohen Tragquote ist das Ver- Die Schweizer Schneesportgebiete hatten in der letzungsausmass, das auf das Nichttragen eines Wintersaison 2010/11 26,0 Mio. Skier-days wäh- Kopfschutzes zurückzuführen ist, insgesamt kleiner rend durchschnittlich 123 Betriebstagen zu ver- geworden. Das Nichttragen eines Kopfschutzes zeichnen [187]. Trotz der hohen Frequentierung ist hat daher eine mittlere Relevanz im Unfallge- aber bei höchstens 5–7 % der Unfälle mit Verlet- schehen. Geeignete Massnahmen müssen aber zungsfolge eine Kollision mit einem anderen Pis- dafür sorgen, dass die Tragquote weiterhin an- tenbenutzer die Ursache [39]. steigt oder zumindest auf diesem hohen Level bleibt. Der Risikofaktor «fehlender Kopfschutz» Die FIS- und SKUS-Regeln geben, ähnlich wie die wird ansonsten wieder an Bedeutung gewinnen. Verkehrsregeln im Strassenverkehr, Vorgaben für das Verhalten auf der Piste. Die Regeln basieren 3.11 Ungenügende Sehschärfe auf der gegenseitigen Rücksichtnahme und Hilfe und helfen den Schneesportlern sich richtig zu Eine gute Sicht ist wichtig für das frühzeitige Er- verhalten. kennen von potenziellen Gefahren auf der Piste [92,185]. Fehlende Sicht kann zu Stürzen und Kolli- Die Unkenntnis über die FIS-Regeln und Pisten- sionen führen. Senner et al. kommen zum Resultat, markierungen und deren Missachtung kann zu dass ein eingeschränkter Visus vor allem Hinder- risikoreicherem Ski- und Snowboardfahren und nisse mit geringem Kontrast, wie zum Beispiel ver- somit zu mehr Unfällen führen [43]. Rücksichtloses eiste Stellen, schwer erkennbar macht [186]. Ne- Fahren führt zwar zu relativ wenigen Unfällen, ben der Kurzsichtigkeit können aber auch Blend- andere Schneesportler fühlen sich jedoch dadurch wirkung, Tränenbildung oder das verminderte stark bedroht. Kontrastsehen den Visus reduzieren. In einer Befragung im Winter 2004/2005 mit 1075 Jendrusch et al. stellten dar, dass rund 35 % der Schneesportlern auf Schweizer Pisten stellte sich Personen, die im Alltag eine Sehhilfe benötigen, heraus, dass 85 % der Befragten die meisten Fra- diese zum Skifahren nicht tragen [185]. In einer gen zu den FIS- und SKUS-Regeln richtig beantwor- Schweizer Studie trugen 95 % der Kontaktlinsen- teten [127]. Ungenügendes Wissen hatten die träger aber nur 50 % der Brillenträger ihre not- Schneesportler aber beim Thema «Vortritt». Das wendige Sehhilfe auf den Pisten [92]. Gewähren des Vortritts ist ein wichtiger Bestandteil bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 145 eines rücksichtsvollen Fahrverhaltens auf der Piste 3.14 Alkoholkonsum um Kollisionen zu vermeiden. Der Schneesport verlangt ein gutes GleichgeEine rücksichtslose Fahrweise kann absichtlich wichtsgefühl und eine gute Reaktionsschnelligkeit. oder unabsichtlich erfolgen und kann zu riskanten Alkohol verlängert die Reaktionszeit, reduziert das Ausweichmanövern, Kollisionen oder Stürzen in- Gleichgewichtsvermögen und die Konzentrations- folge subjektiver Bedrohungsempfindung führen. leistung und verändert die Bewegungspräzision, Risikowahrnehmung und Selbsteinschätzung [189]. Eine rücksichtslose Fahrweise hat eine mittlere Unfallrelevanz. Symptome eines Hang-overs («Kater») aufgrund übermässigen Alkoholkonsums am Vorabend sind u. a. Kopfschmerzen, schlechtes allgemeines Wohl- 3.13 Falsche Sturztechnik befinden, Übelkeit, Appetitlosigkeit und Müdigkeit [92,99,190]. Demnach kann übermässiger Alkohol- Ein fahrtechnischer Fehler wird häufig als Unfall- genuss am Schneesporttag oder am Vorabend sehr ursache und eine falsche Falltechnik als Verlet- wahrscheinlich als negativer Einflussfaktor betrach- zungsursache angegeben [95]. So könnte beim tet werden. Snowboardfahren das Beherrschen der richtigen Falltechnik Handgelenksbrüche und -verstauchun- Verschiedene Studien haben den Zusammenhang gen verhindern [56,95,118]. Auch beim Skifahren zwischen dem Alkoholkonsum und dem Unfallge- könnte das Risiko für Knieverletzungen durch eine schehen beim Ski- und Snowboardfahren unter- angemessene Falltechnik reduziert werden [42]. sucht. Die verschiedenen Forschungsgruppen kamen dabei zu widersprüchlichen Resultaten und Da die Reaktionszeit bei einem Sturz sehr kurz ist, Schlussfolgerungen. Senner et al. untersuchten den liegt in der Anwendung der richtigen Sturztechnik Einfluss von Alkohol auf das skifahrerische Leis- nur ein geringes Rettungspotenzial. In einer öster- tungsvermögen [191]. Sie fanden, dass die Ein- reichischen Studie gaben rund 40 % der Skifahrer nahme von Alkohol (>0,5 Promille) während des und Snowboarder an, dass die Unfallsituation so Tages das Reaktionsvermögen leicht verschlechtert schnell abgelaufen ist, dass sie nicht reagieren und der Hang-over-Effekt aufgrund des Alkohol- konnten [188]. konsums am Vorabend in Kombination mit zu wenig Schlaf das statische Gleichgewichtsvermö- Viele Unfallsituationen laufen so schnell ab, dass gen am ehesten negativ beeinflusst. Eine Ver- die Schneesportler nicht mehr handeln können. Ist schlechterung des Skifahrverhaltens wurde jedoch eine Sturztechnik aber automatisiert und läuft weder unter dem Alkoholeinfluss von bis zu einem ohne zu überlegen ab, können Verletzungen ver- Promille noch infolge eines übermässigen Alkohol- hindert werden. konsums am Abend zuvor gefunden. Diverse wissenschaftliche Studien untersuchten den Einfluss Eine falsche Sturztechnik hat eine mittlere von Alkohol und der Verletzungshäufigkeit im Relevanz im Unfallgeschehen. Schneesport. Einige Studien schlussfolgern, dass Alkohol allein oder in Kombination mit anderen 146 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Drogen das Risiko von Verletzungen oder schwere- konsumierten Alkohols scheinen nicht sehr hoch zu ren Verletzungen erhöhen [192,193]. Salminen et sein [99,191,195], zumindest nicht im Ausmass, al. konnten weder die Unfallhäufigkeit noch die wie es in der Presse in den letzten Jahren oft Unfallschwere in den Zusammenhang mit Alkohol dargestellt wurde. Hingegen dürfte der Alko- bringen [194]. In diversen Unfallstudien konnte holkonsum in den Aprés-Ski-Bars ein Problem dar- auch kein direkter Zusammenhang zwischen Ski- stellen, sofern nach hohem Alkoholkonsum noch bzw. Snowboardfahren unter Alkoholeinfluss eine Piste hinuntergefahren werden muss. Weiter und dem Verletzungsrisiko erbracht werden muss auch bedacht werden, dass viele Schnee- [92,99,148,195–198]. Gaudio et al. beobachteten, sportler am Ende des Tages mit dem Auto selber dass oftmals auch ein übermässiger Alkohol- nach Hause fahren und daher auf übermässigen konsum im Spiel war, obwohl die häufigsten Alkoholkonsum verzichten sollten. Unfallhergänge überhöhte Geschwindigkeit, Übermüdung, technische Fehler oder schlechte Wetter- Trotz widersprüchlichen Resultaten scheint der verhältnisse waren [110]. Zudem wurde in ver- Alkohol auf das Unfallgeschehen keinen nennens- schiedenen Studien ein starker Zusammenhang werten Einfluss zu haben. Er ist aber vermutlich zwischen dem Alkoholkonsum am Vorabend und Kofaktor von anderen unfallverursachenden Fakto- der [195,199] ren wie z. B. frühzeitige Ermüdung, zu hohe Ge- obwohl beim Unfall kein Alkohol mehr nachgewie- schwindigkeit, schlechteres Fahrvermögen, schlech- sen werden konnte. teres Wahrnehmungsvermögen, rücksichtlose Ver- Verletzungshäufigkeit gefunden haltensweise. Zudem kann ein übermässiger AlkoMüller et al. untersuchten mit einem Atemalkohol- holkonsum am Vorabend und zu wenig Schlaf test die Atemalkoholkonzentration von Schnee- vermehrt zu Verletzungen führen. sportlern auf der Piste [92]. Dabei war der Anteil angetrunkener Schneesportler (>0,5 Promille) bis In Anbetracht des relativ geringen Ausmasses des 16 Uhr bei höchstens 2 %. Danach stieg der Anteil Alkoholkonsums und des bisher nicht nachge- auf rund 8 % zwischen 16 und 17 Uhr sowie auf wiesenen Einflusses auf das Unfallgeschehen hat 27 % zwischen 17 und 17:30 Uhr an. Gemäss das Thema eine mittlere Relevanz im Unfallge- Bouter et al. gaben 79 % der verletzten sowie schehen. 67 % der unverletzten Schneesportler an, während Pausen an einem Schneesporttag nie Alkohol zu trinken [99]. Je ein Drittel der verletzen und un- 3.15 Material ist ungeeignet oder in schlechtem Zustand verletzten Schneesportler gaben zudem an, höchstens zwei alkoholische Getränke pro Tag zu trin- Lösen Skibindungen in einer Sturzsituation nicht ken. In der Untersuchung von Meyers et al. konnte aus, wirken die Skier wie ein Hebelarm und können bei 6 % der Schneesportler (verletzte und unver- die Belastung auf die unteren Extremitäten erhö- letzte) eine Alkoholkonzentration gemessen wer- hen. Eine verfrühte Auslösung einer Bindung kann den [195]. Sowohl der Anteil Schneesportler, wel- zudem zu Stürzen mit Verletzungsfolge führen che beim Ausüben des Schneesports Alkohol (Kap. VII.3.6, S. 139). Aber nicht nur die Skibin- trinken (<10 %) [99,195] wie auch die Menge des dung, sondern auch der Zustand sowie die Eignung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 147 des ganzen Materials haben einen Einfluss auf den Halt in den Schuhen. Eine schlechte Kraftübertra- Fahrkomfort und das Unfallgeschehen. So doku- gung auf das Schneesportgerät, fehlende Kontrolle mentieren verschiedene Autoren ein höheres Risiko über die Skier oder das Snowboard sowie eine für Knieverletzungen bei Frauen mit steigender frühzeitige Ermüdung sind die Folgen. Zu kleine Skilänge [92,141]. Ein Forscher schlussfolgert, dass Schuhe schmerzen schnell und der Schneesport Verletzungen des vorderen Kreuzbandes weniger macht keinen Spass. Fehlende Riemen an der oft auftreten, wenn der Ski höchstens 75 % der Snowboardbindung reduzieren den Halt und ver- Körperlänge entspricht. Stellen die Skier oder das mindern ebenfalls die Kontrolle über das Brett. Ein Snowboard Anforderungen an den Fahrer, die sein zu grosser Schneesporthelm schützt nicht ausrei- Können übersteigen, kann es zu unkontrolliertem chend vor Verletzungen, da er sich auf dem Kopf Fahren mit vermehrten Stürzen kommen und be- verschiebt. reitet keine Freude. Insbesondere bei den Snowboardern ereignen sich Snowboards, Ski, Bindungen und Schuhe sind oft- viele Unfälle auf eisigen oder harten Piste. In einer mals in ihrer Funktion nicht für Kinder angepasst. österreichischen Untersuchung zeigte sich, dass Sie sind verkleinerte Versionen von «Erwachse- sich 42 % der Verletzungen der Snowboarder auf nenmaterial» [63]. Das Material ist oftmals alt und eisigen, 29 % auf Pisten mit hartem Altschnee schlecht unterhalten und die Auslösemechanismus ereigneten [41]. Bei den Skifahrern verletzten sich der Skibindung nicht auf das Körpergewicht von gemäss dieser Studie 34 % auf Pisten mit hartem Kindern angepasst [44]. Ausrüstungsgegenstände Altschnee [42]. Damit der Ski oder das Snowboard werden oftmals von älteren Geschwistern über- auch auf harter Unterlage guten Halt bietet, sind nommen und sind daher nicht an die Anforde- scharfe Kanten notwendig. Mit stumpfen Kanten rungen des jüngeren Kindes angepasst. Über- kann das Schneesportgerät unkontrolliert weg- altertes Material, schmerzende Schuhe, falsche rutschen und es kann vermehrt zu Stürzen Skilängen sowie ausgefahrene Skier oder ein altes kommen. Snowboard werden trotzdem weiterhin genutzt. Die Benutzung von nicht auf die Fertigkeiten und Beim Verleih von Schneesportausrüstung kann die anatomischen Gegebenheiten angepasstem sowie fehlende Verfügbarkeit von Ausrüstungsmaterial schlechtem Material vermindert in erster Linie den oder der Zeitmangel bei der Beratung dazu führen, Fahrgenuss und das Wohlbefinden auf der Piste. dass keine individuell optimale Ausrüstung vermie- Falsches oder defektes Material kann aber auch tet wird [42]. Stürze provozieren und Verletzungen hervorrufen. Ungeeignetes oder schlecht gewartetes Mate- Fehlender Unterhalt der Schneesportausrüstung rial hat eine mittlere Unfallrelevanz. kann zu Mängeln am Material führen und das Risiko für Stürze erhöhen. In zu grossen Ski- oder Snowboardschuhen oder in alten Schuhen mit einem abgenutzten Fussbett findet der Fahrer keinen Halt. Auch defekte Schnallen reduzieren den 148 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.16 Rückenschutz wird nicht getragen oder ist zu wenig wirksam Schweizer Studie kommt zum Schluss, dass Rückenprotektoren vor axialen Schlägen (z. B. bei einem Sturz auf den Kopf) und bei starken Rota- Gemäss einer Hochrechnung internationaler Daten tionskräften auf den Rumpf keinen Schutz bieten verletzen sich rund 15 % der verunfallten Skifahrer [200]. und Snowboarder am Rumpf oder der Wirbelsäule (Tabelle 35). In der Schweiz sind es rund 14 % der Es besteht keine Norm für die Qualitätssicherung Skifahrer sowie 17 % der Snowboarder, welche von Rückenprotektoren im Schneesport [200,201]. sich verletzen und den Pistenrettungsdienst in An- Einige Rückenprotektoren entsprechen der EN- spruch nehmen, die Verletzungen am Rumpf oder Norm 1621-2 für Motorradfahrer-Schutzkleidung, der Wirbelsäule erleiden [39]. Insgesamt beträgt wobei es keine Studien gibt, die aufzeigen, ob der Anteil der Wirbelsäulenverletzungen beim Ski- diese Anforderungen auch für den Schneesport- fahren und Snowboarden rund 2–10 % [200,201]. bereich gültig sind. Brüche der Wirbelsäule sind dabei die häufigste Verletzung [201]. Weitere Verletzungen im Bereich Auf Schweizer Pisten tragen aktuell rund 13 % der des Rückens und des Gesässes machen in der Skifahrer sowie 49 % der Snowboarder einen Rü- Schweiz bei den erwachsenen Skifahrern (16–65 ckenschutz [39]. Die Tragquote ist in den letzten Jahre) rund 4 % aus, bei den Snowboardern 7 % Jahren angestiegen, ohne dass das Tragen eines und sind meist Prellungen [200]. Rückenschutzes stark promotet wurde. Es besteht jedoch noch ein grosses Verbesserungspotenzial. Durch das Tragen heutiger Rückenprotektoren Daher hat das Nichttragen des Rückenschutzes können Prellungen im Rücken- und Gesässbereich, eine mittlere Relevanz im Unfallgeschehen. Frakturen im Bereich der Lenden- und Brustwirbelsäule sowie der Kreuz- und Steissbeinregion ver- Der Wirkungsbereich des Rückenschutzes ist einge- hindert oder zumindest vermindert werden [202]. schränkt. Um die Wirbelsäule effektiv vor Verlet- Über die Schutzwirkung des Rückenprotektors zungen zu schützen, müsste die Schutzwirkung kann zum heutigen Zeitpunkt keine Aussage ge- sowie der Wirkungsbereich des Rückenschutzes macht werden. verbessert werden. Daher hat die mangelhafte Schutzwirkung eine mittelmässige Relevanz im Gemäss einer nicht repräsentativen Umfrage im Unfallgeschehen. Internet glauben drei Viertel (76 %) der befragten Schweizer Schneesportler (total 1700 befragte Schneesportler), die einen Rückenschutz tragen, 3.17 Unvollständige Policy für Schneesportsicherheit dass dieser vor Wirbelbrüchen schützt [200]. Beinahe die Hälfte (49 %) der befragten Schnee- Für eine ganzheitliche und nachhaltige Unfallver- sportler denkt, dass das Rückenmark durch den hütung sollte ein umfassendes Massnahmenpaket Protektor vor Verletzungen geschützt ist. Die zusammengestellt werden, welches alle Bereiche Schneesportler überschätzen somit den Wirkungs- eines Schneesportgebietes beachtet. Um ein sol- bereich ches Konzept umzusetzen, müssten verschiedene eines Rückenschutzes bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 deutlich. Eine Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 149 Personen und Organisationen miteinbezogen Knieverletzungen treten aufgrund der Fixierung der werden. Das Programm sollte den Betrieb und beiden Beine beim Snowboardfahren bedeutend den Unterhalt von Anlagen und Pisten, die weniger häufig auf als beim Skifahren. Das Ausrüstung und das Verhalten der Schnee- Snowboard kann aber eine grosse Hebelwirkung sportler, die Ausbildung der Schneesportler und auf die unteren Extremitäten ausüben, solange es Ausbildner sowie auch eine interinstitutionelle sich bei einem Sturz nicht von den Schuhen löst. Koordination betreffen. Heute gängige Snowboardbindungen verfügen über keinen Auslösemechanismus, wie dies bei In der Schweiz laufen verschiedene Programme, die Skibindungen der Fall ist. Ein Auslösemechanismus einzelne dieser Bereiche abdecken. Eine Experten- könnte beim Überschreiten einer bestimmten Be- gruppe der Pistenabnahmekommission kontrolliert lastung den Snowboarder von seinem Schnee- im Rahmen einer Erstabnahme und Nachkontrolle sportgerät befreien und einen Teil der Verletzun- (alle 3 Jahre) die Qualität der Schneesportgebiete. gen, insbesondere des Knies [56], aber auch der Als für gut befundene Schneesportgebiete werden oberen Extremitäten, verhindern [205]. Zudem hin- mit dem Qualitäts- und Sicherheitslabel «geprüfte dert die feste Fixierung beider Beine den Snow- Pisten» ausgezeichnet. Das Gütesiegel «Q-Label» boarder im Falle eines Lawinenunglücks an der des Schweizer Tourismus-Verbands beinhaltet auch Oberfläche zu bleiben [56,205]. Ungeübte Snow- Kriterien zur Unfallverhütung. Die Schneesport- boarder würden sich gemäss Bally et al. zudem schulen stellen dabei einen Bereich des Quali- sicherer fühlen, wenn ihre Beine nicht dauerhaft tätsprogrammes dar [203]. Seilbahnen und Skilifte fest fixiert wären [205]. Es besteht jedoch die Be- werden durch die Kontrollstelle für Seilbahnen und fürchtung, dass im Falle einer einbeinigen Aus- Skilifte (IKSS) nach strengen Sicherheitsnormen auf lösung die Verletzungsgefahr ihre Funktionstauglichkeit überwacht [204]. könnte [56]. Einzelne Programme bestehen, ein ganzheitliches Die Relevanz des Fehlens einer Auslösebin- Massnahmenpaket fehlt jedoch weitgehend. Diese dung beim Snowboard auf das Unfallgesche- unvollständige Policy für die Schneesport- hen liegt im mittleren Bereich. erhöht werden sicherheit hat eine mittlere Relevanz im Unfallgeschehen. 3.19 Fehlendes Aufwärmen / Einstimmung 3.18 Fehlende Auslösebindung beim Snowboard Es wird angenommen, dass Aufwärmprogramme die sportliche Leistungsfähigkeit verbessern und Unfallstatistiken zeigen, dass der Anteil der Knie- sportbedingte Verletzungen verhindern können. verletzungen beim Snowboarden rund 15 % be- Die Meinungen darüber gehen jedoch auseinander trägt (Tabelle 35). 13 % der Verletzungen betref- [206,207]. Aufwärmen bereitet den Körper und die fen den Unterschenkel, das Sprunggelenk oder den Psyche auf die bevorstehende Abfahrt vor. Das Fuss, 20 % die Schulter oder den Oberarm. Herz-Kreislauf-System, die Muskulatur, der passive Bewegungsapparat sowie das nervöse System 150 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 werden angeregt und für die späteren Bewe- wusst anzugehen. Fehlendes Aufwärmen hat gungen vorbereitet. Noch wichtiger dabei ist die eine geringe Relevanz im Unfallgeschehen. mentale Vorbereitung des Schneesportlers auf die bevorstehende Abfahrt. 3.20 Gefahrenstellen bei Förderanlagen In der wissenschaftlichen Literatur werden Auf- Immer mehr Schlepplifte wurden in den letzten wärmprogramme vor einer sportlichen Aktivität Jahren durch moderne Sessel- und Gondelbahnen empfohlen, um Verletzungen vorzubeugen. Eine ersetzt und ermöglichen eine entspannte Berg- Studie aus Australien zeigt, dass ein spezifisches fahrt. Aufwärmprogramm von 30 bis 45 Minuten noch bis zu 17 Minuten nach dem Aufwärmen zu einer signi- Die Benützung von Förderanlagen kann aber auch fikant höheren Köpertemperatur führt [208]. Eine Gefahren mit sich bringen. Aufgrund zu steiler, Studie aus Österreich fand sogar eine signifikant vereister oder gar fehlender Liftspuren können reduzierte Verletzungshäufigkeit beim Skifahren nach Stürze erfolgen. An Kreuzungen des Trasses mit einem Aufwärmprogramm von 5 Minuten [209]. einer Schneesportpiste besteht die Gefahr von Kollisionen. Beim Abbügeln kann der Bügel u. a. Wichtig scheint die psychische Vorbereitung auf Kopfverletzungen verursachen. Jedes Jahr ereignen die Belastung. Fehlende Konzentration, aber auch sich zudem Unfälle, weil Personen – insbesondere fehlende Motivation oder Überforderung können Kinder – von einem Sessellift herunterfallen. Auf- zu Leistungseinbussen führen und das Risiko von grund zu starken Windes kommt es sogar manch- Stürzen und Verletzungen erhöhen. Gemäss einer mal vor, dass das Tragseil eines Sessels oder einer deutschen Studie (1995/1996) ereignen sich 46 % Gondel aus der Seilführung gehoben wird und der Unfälle aufgrund von Fahrfehlern, die sich in dieser oder diese dann abstürzt. Diese Unfälle Kombination ereignen enden aufgrund des Sturzes aus der Höhe nicht [186]. Eine andere Studie fand heraus, dass sich die selten mit schweren oder sogar tödlichen Verlet- meisten Unfälle bei bekannten Bewegungsabläufen zungen. mit Unaufmerksamkeit ereignen und daher auf Unaufmerksamkeit und fehlende Konzentration zurückgeführt werden Gemäss der Statistik der Verletztentransporte im können [188]. Mit einem Aufwärmprogramm zu Schneesport [15] verletzen sich jährlich rund 2–4 % Beginn des Schneesporttages werden Aufmerk- der Skifahrer und Snowboarder in der Schweiz auf samkeit und Konzentration auf den Schneesport Förderanlagen. Die meisten Verletzungen ereigne- gelenkt. Um Verletzungen zu vermeiden, ist es ten sich beim Ein- bzw. Aussteigen von Schlepp- wichtig, sich jeweils auf jede kommende Abfahrt und Sesselliften und sind vermutlich im Allge- einzustimmen und diese bewusst anzugehen. meinen eher von leichter Natur. Mit einem Aufwärmen vor der ersten Abfahrt Somit könnten vermutlich relativ wenige Verletzungen sportanalgen eine relativ kleine Relevanz im verhindert werden. Es ist aber umso wichtiger, sich Unfallgeschehen. haben Gefahrenstellen bei Schnee- auf jede Abfahrt neu einzustimmen und sie be- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 151 3.21 Fahren mit Carvingski Der Carvingski weist aufgrund seiner geringen Länge, der Taillierung und dem erhöhten Stand Der Carvingski ist kürzer und stärker tailliert als der eine verminderte Laufruhe auf [210,213]. herkömmliche Ski und stellt dadurch andere Anforderungen an die Skifahrer. Durch die Kürze und Das Fahren mit dem Carvingski stellt mit seinem Taillierung werden die Dreheigenschaften deutlich veränderten Belastungsprofils hohe Anforderungen verbessert [210]. Der Carvingski erlaubt es, die an Kondition (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Be- Kurve auf der Kante zu fahren und somit, im Ver- weglichkeit), gleich zu einer gerutschten Kurvenfahrt, höhere [211,212]. Die Skifahrer müssen ein besseres Geschwindigkeiten zu erreichen [120,211–213]. Gleichgewichtsvermögen, insbesondere um Vor- Koordination und Propriozeption bzw. Rücklage zu vermeiden, und ein gefühlDurch die kürzeren Ski ist es schwieriger, den Kör- volleres Kantverhalten aufbringen [120]. perschwerpunkt zentral zu halten und Abweichungen nach vorne und hinten, aber auch zur Seite Da aber die wenigsten Skifahrer die Carvingtechnik auszugleichen [212,213]. Der Verlust der zentralen beherrschen und in den Kurven die Rutschphase Position des Körperschwerpunkts zur Seite kann auch mit Carvingski immer noch mehr oder weni- schneller zum Sturz führen [120,212], eine gute ger ausgeprägt ist, sind die entstehenden Flieh- Reaktionsgeschwindigkeit ist daher gefragt [212]. kräfte nicht sehr hoch und ein erhöhter Stand ist nicht notwendig. Zudem ist die Taillierung der Die starke Taillierung der Skier führt zu einem en- Carvingskier sogar im Spitzensport reglementarisch geren Kurvenradius, weshalb die Fliehkräfte beim begrenzt, um zu hohe Fliehkräfte zu vermeiden. Durchfahren einer Kurve grösser werden [120,210– Aufgrund der offenen Beinstellung können die 212,214]. Die erhöhten Fliehkräfte stellen grössere Skispitzen Anforderungen an die Muskulatur [120,213]. Wegen der geringen Länge und der Taillierung des Durch die stärkere Taillierung ist zudem die Gefahr Skis ist er einfacher zu steuern. Zudem führt die des Verkantens höher [210,212]. Kürze des Skis dazu, dass er eine geringere Hebel- kaum mehr überschneiden [212]. wirkung auf den Unterschenkel erzeugt. Die beim Carvingschwung erreichte Schräglage in der Kurve erfordert einen erhöhten Stand (Abstand In der jährlich durchgeführten bfu-Beobachtung in zwischen Schnee und Skischuhsohle) [212]. Dieser 20 Schneesportgebieten der Schweiz werden bei- wird mit unterschiedlich dicken Bindungsplatten er- nahe nur noch Skier mit Carvingform registriert. reicht. Durch eine erhöhte Bindungsplatte nehmen aber die Belastungen auf das Knie zu [210,212– Es wird davon ausgegangen, dass das Aufkommen 214]. Zu hohe Standerhöhungen können die Kon- des Carvingskis das Verletzungsrisiko beim Skifah- trolle über den Ski reduzieren [212]. Zudem ren im Vergleich zum herkömmlichen Ski reduziert können Ausweichbewegungen, die zum Verschnei- hat [134,210]. Daher hat das Fahren mit dem den des Skis führen, durch den erhöhten Stand Carvingski eine sehr kleine Relevanz für das weniger leicht verhindert werden [210,213]. Unfallgeschehen. 152 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.22 Ineffiziente Rettung Ausgehend von dieser groben Analyse der heutigen Situation wird dem Risikofaktor «ineffizi- Eine schnelle und kompetente Rettung hilft, die ente Rettung» eine sehr kleine Relevanz auf Folgen eines Unfalles zu minimieren. Erfolgt die die Unfallfolgen beigemessen. Rettung vor allem bei einer schweren Verletzung verspätet, wird die Risikosituation falsch einge- 4. Interventionsanalyse schätzt, werden die ersten Hilfe-Massnahmen nicht optimal angewendet oder ist die gesamte Ret- Um das Verletzungsrisiko im Schneesport zu redu- tungskette nicht effizient organisiert, können die zieren, bieten sich verschiedene Präventionsmög- Folgen einer Verletzung unnötig verschlimmert lichkeiten an. Die Massnahmen werden im Folgen- werden. den aufgrund ihrer Wirksamkeit, Effizienz und Umsetzbarkeit bewertet, um zu einer Liste von Die Schweiz hat eine gut funktionierende Ret- Empfehlungen für die Prävention von Schneesport- tungskette vom Unfall bis zur Einlieferung ins Spi- unfällen zu gelangen (Tabelle 38). tal. Der Interverband für Rettungswesen (ivr ias) fördert und koordiniert das Rettungswesen in der Schweiz und sorgt für die Qualitätssicherung im Rettungswesen (www.ivr-ias.ch). Bei einem Unfall sind alle anwesenden Personen zur Hilfeleistung verpflichtet. In den Schneesportgebieten leisten die Pistenrettungsdienste die professionelle «Erste Hilfe». Sie sind im ganzen Schneesportgebiet stationiert und organisieren wenn nötig den Transport der Verletzten zum Arzt oder ins Spital. Private Flugrettungsdienste (z. B. Rega, Air Glacier, Air Zermatt) bringen die Verletzten mit dem Hubschrauber, der Rettungsdienst mit dem Krankenwagen ins Spital. Die internationale Notrufnummer 112 ist noch nicht bei allen Schneesportlern bekannt und es verstreicht wertvolle Zeit bis qualifizierte Retter an der Unfallstelle eintreffen. Eine Vielzahl von unterschiedlichen Notrufnummern verwirren zudem die Sportler. Insbesondere kann von ausländischen Gästen nicht erwartet werden, dass sie neben der international gültigen Notrufnummer auch noch nationale Nummern für Rettungsdienste kennen. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 153 Tabelle 37 Ski- und Snowboardfahren: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten Präventionsziel Präventionsmöglichkeiten Wirksamkeit + Bewertung Effizienz Umsetzbarkeit + + Prädikat 1 Optimierung der Pistenraumgestaltung Erarbeitung eines Leitfadens mittels Analyse der Unfallhäufungspunkte sowie der Mängel in der Pistengestaltung inkl. möglicher Massnahmen zur Optimierung 2 Verbesserung des Gefahrenbewusstseins und der Selbststeuerungsfähigkeit Massenmediale Kommunikation und Informationsmaterial - ± + 3 Schulung des Gefahrenbewusstseins im Schneesportunterricht ± + + 2 Signalisation und Markierung der Pisten optimieren + ± ± 2 Beratung und Aufklärung der Schneesportler über ihr Verhalten auf der Piste + ± ± 2 Geschwindigkeitsmanagement durch Verhältnis- und Verhaltensprävention Pistenraumgestaltung + ± ± 2 Massenmediale Kommunikation zur Sensiblisierung und Bekanntmachung der FIS-Regel 2 ± ± + 2 Schulung der Multiplikatoren inkl. der Personen, welche für die Infrastruktur verantwortlich sind (Bergbahnen, Abnahmekommission) ± + + 2 Veränderungen des Materials + - – 4 Entwicklung einer integrierten Geschwindigkeitsanzeige - - ± 3 Bestrafung bei überhöhter Geschwindigkeit, Kontrolle durch Pistenpolizei ± – – 4 Kontrolle durch Patrouilleure + ± ± 2 Schule: gezieltes Kraft- und Koordinationstraining im Schulunterricht + + ± 2 Privat: Ganzjähriges Kraft- und Koordiantionstraining im Sportverein oder zu Hause ± ± - 3 Beruf: Schulung der Sicherheitsfachleute in den Betrieben (SGA-S) + ± ± 2 Massenmediale Kommunikation - – + 4 Schneesportunterricht als verpflichtender Bestandteil im obligatorischen Sportunterrricht ± - – 4 Vergünstigungen für Schneesportunterricht ± - + 3 Vergünstigung für Tageskarte nach dem Besuch eines Schneesportunterrichts ± ± + 2 Geschicklichkeitspark zum Fördern der Fähigkeiten und Fertigkeiten - ± ± 3 ++ ++ ± 1 Massenmediale Kommunikation zur korrekten Bindungseinstellung ± ± + 2 Schulung, Informationsmaterial und Qualitätsvorgaben für Sporthändler ± ± + 1 Korrekte Bindungseinstellung im Schneesportunterricht ± ± + 2 Bindungsüberprüfung im Schneesportgebiet ± ± + 2 Qualitätskriterien erarbeiten, Materialtestverfahren entwickeln und Marktbereinigung + + + 1 ++ + ± 1 Kampagne zur Kaufberatung der Konsumenten ± ± ± 3 Schulung der Sportfachhändler ± + + 2 Massenmediale Kommunikation zur Wichtigkeit des Tragens eines wirksamen Handgelenkschutzes ± ± + 2 Handgelenkschutz in Snowboardanfängerkursen zur Verfügung stellen ± + - 2 Vorbilder/Snowboardleher tragen einen Handgelenkschutz + ± - 3 Handgelenkschutztragpflicht in Snowboardanfängerkursen ± + - 2 Schulung der Multiplikatoren (Snowboardschulen, Jugend+Sport, Sportfachhandel) ± + ± 2 Preisreduktion beim Kauf eines Handgelenkschutzes ± - ± 3 3 4 5 6 Aufbau der physischen Kondition und Verbesserung des Gleichgewichts vor dem Saisonbeginn Verbesserung der Fahrfertigkeiten Wirksamkeit der Skibindung verbessern Fördern bzw. Erhalten der korrekten Skibindungseinstellung 7 Verfügbarkeit qualitativ guter Handgelenkschützer auf dem Schweizer Markt Handgelenkschutz tragen 154 Entwicklung einer neuen Bindung mit erweitertem Auslösemechanismus Entwicklung einer internationalen Norm zur Wirksamkeit des Handgelenkschutzes beim Snowboardfahren Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 1 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.1 Optimierung der Pistenraum- fassung der Unfälle in einem Schneesportgebiet gestaltung eine Analyse der Unfallhäufungspunkte und somit bestehender Schwachstellen im Gebiet, Ein selbsterklärender und fehlerverzeihender Pisten- andererseits können Mängel in der Infrastruktur raum hilft den Schneesportlern sich intuitiv der durch die Inspektion von Experten ermittelt Situation anzupassen und Fahrfehler zu vermeiden werden. Es sollte eine Kombination beider Vor- bzw. die Auswirkungen der Fehler zu minimieren gehensweisen angewandt werden, um den Pisten- [215]. Um Mängel aufzudecken bieten sich zwei raum auf ein mögliches Sicherheitsdefizit zu über- Vorgehensweisen an: einerseits ermöglicht die Er- prüfen und mit individuellen Lösungen sicherer Tabelle 37 – Fortsetzung Ski- und Snowboardfahren: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten Präventionsziel 8 9 10 Verbesserung der Verhältnisse und des Verhaltens in Snowparks Ausreichend Pausen einlegen Fördern bzw. Erhalten der Helmtragquote Wirksamkeit des Schneesporthelms verbessern 11 20 Schneesportler tragen die erforderliche Sehhilfe sowie Schneesportbrille Sicherheit der Förderanlagen verbessern Skala Prädikat: 1= Sehr empfehlenswert 2= Empfehlenswert 3= Bedingt empfehlenswert 4= Nicht empfehlenswert bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Präventionsmöglichkeiten Erstellen eines Handbuchs zum sicheren Bau und Unterhalt von Snowparks Bewertung Wirksam- Effizienz Umsetzkeit barkeit ± + + Prädikat 2 Abnahmeinstanz für Snowparks + ± ± 2 Einfache Hindernisse zum Erwerben der Fertigkeiten ± ± + 2 Schulung der Snowparkbenutzer im Rahmen der Schneesportkurse ± + + 2 Informationstafeln zum richtigen Verhalten und der Fahrtechnik in Snowparks ± - ± 3 Parkaufsicht ± - ± 3 Massenmediale Kommunikation ± ± + 2 Attraktive Erholungsorte (Restaurants, Café, Aufenthaltsräume für Jugendliche etc.) - ± ± 3 Unterhaltungsangebote für Kinder (z. B. Spielplatz im Schnee), evt. betreut - - + 3 Thema einer ausreichenden Erholung im Schneesportunterricht einbringen ± ± + 2 Massenmediale Kommunikation zur Erhöhung der Helmtragquote Preisreduktion beim Helmkauf Helm in Schneesportkursen gratis zur Verfügung stellen Schneesporthelm bei Miete von Skiern oder Snowboard gratis abgeben Helmtragpflicht für alle Schneesportler auf der Piste Helmtragpflicht für Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre Helmtragpflicht in Schneesportkursen Schulung der Multiplikatoren Weiterentwicklung der Wirksamkeit durch Forschung (Materialien, Aufbau, Tests) Strengere Schutzanforderungen in der Norm für Schneesporthelme Informationskampagne mit Optikern zum Tragen der erforderlichen Sehhilfe Sensibilisierung auf den Pisten Entwicklung technischer Massnahmen, damit Kinder nicht vom Sessellift fallen können ± - + 3 ± ± ± ± ± + 3 3 2 ± – ± ± + ± ± ± ± – ± ± + ± 4 4 2 2 2 + - - 3 ± ± + 2 ± + ± ± + 3 2 Skala Beurteilung (Wirksamkeit, Effizienz, Umsetzbarkeit) ++ = Sehr hoch + = Hoch +/= Mittel = Tief = Sehr tief – Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 155 gestalten zu können. In einigen Schneesportgebie- ruhigeren Raum für Familien, Anfänger/Ungeübte ten der Schweiz werden solche Analysen bereits und gemütliche Fahrer dar. Weitere Möglichkeiten heute vorgenommen und Massnahmen realisiert. einer Pistenraumgestaltung wären auch eine Ver- So überprüfen beispielsweise Experten des Ver- änderung der Pistenführung, um das Sichtfeld zu bands Seilbahnen Schweiz (SBS) alle drei Jahre die optimieren, oder die Schneesportler sicherer und Pisten ihrer Mitglieder und verleihen das Qualitäts- verständlicher zu leiten. und Sicherheitslabel «geprüfte Pisten». Um ein solches Vorgehen zu optimieren und anderen Strukturelle und technische Massnahmen, wie die Schneesportgebieten zu helfen, allfällige Mängel Optimierung der Pistenraumgestaltung, sind in der aufzudecken und zu beheben, sollte ein Leitfaden Regel wirkungsvoller und nachhaltiger als Mass- erarbeitet werden. nahmen, die das Verhalten des Menschen beeinflussen. Zudem zielt die Massnahme zur Optimie- Ein solcher Leitfaden sollte einerseits das heute zur rung der Pistenraumgestaltung nicht nur darauf ab, Verfügung stehende Wissen zur Analyse von Un- die Verletzungsfolgen beim Sturz zu minimieren, fallschwerpunkten und Mängeln in der Infrastruk- sondern den Unfall zu verhindern. Die Erarbei- tur enthalten und andererseits Möglichkeiten auf- tung und Umsetzung eines Leitfadens würde zeigen, wie Mängel behoben und Pisten selbster- eine effiziente und umfassende Umsetzung ermög- klärender und fehlerverzeihender gestaltet werden lichen und ist daher sehr empfehlenswert. können. Um den Pistenraum sicherer zu gestalten bieten sich bauliche Massnahmen oder eine Signa- 4.2 Verbesserung des Gefahren- lisation an, welche die Geschwindigkeitsdifferenz bewusstseins und der Selbst- zwischen den verschiedenen Pistenbenutzern mi- steuerungsfähigkeit nimieren, das Sichtfeld optimieren, eine einfache, verständliche und benutzerfreundliche Pistenfüh- Um situationsgerecht zu agieren, müssen die rung ermöglichen, Konfliktpunkte minimieren oder Schneesportler Gefahren erkennen und richtig ein- auch physischen Schutz bieten. Dies könnte z. B. schätzen können sowie aus den wahrgenommenen durch das Angebot verschiedenartiger Pisten reali- Informationen eine angemessene Entscheidung siert werden. Ein breites Angebot unterschiedlicher treffen und selbst bei externen Barrieren und Pisten kommt den individuellen Wünschen der gegenläufigen Motiven zielgerichtet handeln. In- Schneesportler nach und bietet auf ihre Weise struktionen, wie bestimmte Verletzungen vermie- einen den werden können, scheinen Wirkung zu zeigen Sicherheitsgewinn. beispielsweise höhere Buckelpisten Anforderungen stellen an die [124]. Schneesportler, was insbesondere Fortgeschrittene als attraktiv empfinden, reduzieren die Fahrge- In Form einer Informationskampagne können schwindigkeit und, aufgrund der weicheren Ober- die Schneesportler für Gefahren sensibilisiert wer- fläche, die Folgen von Stürzen [90,216]. Tempo- den. Es muss vermittelt werden, was für Gefah- reduzierte Pisten kommen dem Wunsch nach ren im Schneesport bestehen und wie diese weniger hohen Fahrgeschwindigkeiten und der eingeschätzt werden müssen. Die Schneesport- Schonraumsituation ler dürfen sich aber danach nicht in falscher Sicher- 156 nach und stellen einen Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 heit wähnen, weil sie glauben nicht mehr unfallan- aufmerksam machen. Dadurch könnte eine Sen- fällig zu sein. Obwohl eine solche Kampagne gut sibilisierung der Schneesportler für das Verhalten umsetzbar wäre, ist es schwierig das Gefahren- auf und neben der Piste entwickelt werden. Es ist bewusstsein und die Selbststeuerungsfähigkeit der bereits heute Aufgabe der Pistenpatrouillleure auf Schneesportler mit Hilfe einer Kampagne über- Fehlverhalten hinzuweisen und gegebenenfalls dauernd zu verbessern. Die Massnahme wird daher einzuschreiten [217]. Mit dieser Massnahme kön- als bedingt empfehlenswert eingeschätzt. nen nur einzelne Schneesportler erreicht werden, die direkte Information von den Pistenpatrouilleu- Im Schneesportunterricht sollte das Gefahren- ren verspricht dafür eine hohe Wirksamkeit der bewusstsein als Thema intergiert werden. Dafür Massnahme. müssen Multiplikatoren (z. B. Schneesportschulen, empfehlenswert. Diese Massnahme ist daher Jugend+Sport, Swiss Snowsports, Pädagogische Fachhochschulen, Sportstudenten) geschult wer- 4.3 Geschwindigkeitsmanagement den. Da auf diesem Wege nur die Schüler der durch Verhältnis- und Verhaltens- Schneesportkurse und -lager erreicht werden kön- prävention nen, ist die Wirksamkeit dieser Massnahme als mittel einzustufen. Die Massnahme ist dank der Um die Häufigkeit von Kollisionen und Stürzen zu hohen Umsetzbarkeit dennoch empfehlenswert. reduzieren, sollten alle Schneesportler mit einer Geschwindigkeit fahren, die ihrem Können sowie Durch entsprechende Markierung und Signali- den Verhältnissen angepasst ist. Die zweite der sation auf den Pisten könnten die Schneesportler 10 FIS-Verhaltensregeln besagt, dass alle Skifahrer auf allfällige Gefahren aufmerksam gemacht wer- und Snowboarder im Bereich ihrer Sichtmöglich- den. Warntafeln, Absperrungen und Hinweise sind keiten anhalten oder ausweichen müssen. Dies be- bereits heute auf allen Pisten anzutreffen. Zu viele dingt, dass an unübersichtlichen oder stark befah- Informationen könnten aber dazu führen, dass die renen Stellen langsamer gefahren werden muss. einzelnen Tafeln nicht mehr wahrgenommen werden. Daher sollte die Menge der Markierungen und Es bieten sich verschiedene Massnahmen an, damit die Signalisation nicht erhöht, sondern die Qualität die Schneesportler das Tempo ihrem Können und der Informationen verbessert werden. Die Optimie- den Verhältnissen anpassen. rung der Signalisation dient im Rahmen einer umfassenden Pistenraumgestaltung als Element, um Wie bereits unter Kap. VII.4.1, S. 155 aufgeführt, Pisten selbsterklärend zu gestalten und dadurch kann der Pistenraum mit baulichen Massnahmen Fahrfehler der Schneesportler zu verhindern. Daher oder Signalisation so gestaltet werden, dass die ist diese Massnahme empfehlenswert. durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit der Schneesportler reduziert wird. Beispielsweise zwingen Der Pistenrettungsdienst oder eine andere Kon- Buckelpisten die Schneesportler zu einem lang- trollperson könnte die Aufsicht über die Schnee- sameren Fahrstil. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, sportler übernehmen und sie auf Gefahren bzw. damit solche Massnahmen vor allem bei Anfängern Fehlverhalten (nicht Einhalten der FIS-Regeln) nicht das Verletzungsrisiko erhöhen. Auch mit bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 157 Schikanen, die zur Geschwindigkeitsreduktion bei- nicht hinreichend eine effiziente Bremsmöglichkeit tragen oder zweckdienlichen Markierungen kön- zu erlernen, da diese die Schneesportler dazu be- nten die Schneesportler zu einer langsameren Fahr- fähigt, schneller zu fahren. Der Sicherheitsaspekt weise gebracht werden. Massnahmen, die mit muss klar im Vordergrund stehen. Am wirkungs- relativ einfachen Mitteln den Pistenraum und vollsten ist die Schulung der Multiplikatoren (Ju- damit die Verhältnisse beeinflussen, damit die gend+Sport, Swiss Snow Sport, Schneesportschu- Fahrgeschwindigkeit in neuralgischen Bereichen len, Pädagogische Fachhochschulen, Ausbildung überdauernd reduziert wird, sind aus der Sicht der von Sportstudenten), die das erlernte Wissen wei- Unfallprävention empfehlenswert, müssen aber ter geben. Eine Sensibilisierung der Multiplika- derart gestaltet werden, dass diese von den toren im Schneesport für die Bedeutung des Schneesportlern nicht als reine Schikane empfun- Risikofaktors «Geschwindigkeit» und ihnen die den wird. nötigen Instrumente zur Verfügung zu stellen, um das Thema den Schützlingen im Schneesportun- Mit Hilfe von Plakaten, Werbespots im Fernsehen terricht adäquat zu vermitteln, wird als eine oder Radio sowie anderen massenmedialen Kom- empfehlenswerte Massnahme beurteilt. munikationsmitteln könnten die Schneesportler für eine angepasste Geschwindigkeit sensibilisiert wer- Die effektive Fahrgeschwindigkeit auf den Skiern den. Dabei könnte den Schneesportlern das Verlet- oder dem Snowboard ist schwierig selber einzu- zungsrisiko und vor allem die Auswirkungen eines schätzen. Durch das Tragen eines Geschwindig- Sturzes bzw. einer Kollision bei einem bestimmten keitsmessers würden die Schneesportler ein Feed- Tempo bewusst gemacht werden. Mit einer Kam- back über ihre Geschwindigkeit erhalten und pagne könnte auch die FIS-Regel 2 «Jeder Ski- hätten somit genügend Information, um sie zu fahrer und Snowboarder muss auf Sicht fahren. Sie kontrollieren. Die Angabe zur Fahrgeschwindigkeit müssen ihre Geschwindigkeit und Fahrweise ihrem ist nicht hinreichend, um eine Aussage zum Risiko Können und den Gelände-, Schnee- und Witter- zu machen, das damit verbunden ist. Dieses ergibt ungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte an- sich in Abhängigkeit von vielen Einflussfaktoren passen» besser bekannt gemacht werden und die wie Können, Pistenverhältnisse, Ermüdung, andere Schneesportler zur Eigenverantwortung aufgerufen Pistennutzer usw. Die summarische Beurteilung der werden. Da gut konzipierte Kampagnen beinahe Situation ist sinnvoller als der geringe Zusatznutzen alle Schneesportler erreichen und durch ihre sensi- aus der Angabe der absoluten Geschwindigkeit. bilisierende Wirkung die Bereitschaft für sicheres Zudem können Geschwindigkeitsangaben per se Verhalten erhöhen können, wird diese Massnahme zum Rasen motivieren. Aus diesen Gründen wird als empfehlenswert taxiert. die alleinige Angabe der Geschwindigkeit als bedingt empfehlenswert eingestuft. Auch edukative Massnahmen zum Thema «Geschwindigkeit» sind in Betracht zu ziehen. Eine Auf der gesetzgebenden Ebene sind Massnahmen realistische Einschätzung der eigenen Fahrge- im Zusammenhang mit der Geschwindigkeit relativ schwindigkeit sowie des Bremswegs ist massge- schwierig umzusetzen, da die Schneesportler nicht bend für einen kontrollierten Fahrstil. Es ist aber wissen können, wie schnell sie fahren. Eine Pis- 158 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 tenpolizei, welche bei offensichtlich überhöhter geeigneten Trainingsmethoden verbessert werden Geschwindigkeit Bussen verteilt, ist nicht emp- sollten [120]. fehlenswert. Die Massnahme würde auf zu geringe Akzeptanz stossen sowie einen hohen Mit Hilfe einer nationalen Kampagne könnten finanziellen und administrativen Aufwand verur- Skifahrer und Snowboarder auf die Wichtigkeit sachen [218]. eines ganzjährigen Trainings aufmerksam gemacht werden. Auf diesem Weg könnten auch Trainings- Hingegen sind Patrouilleure verpflichtet auf die empfehlungen mit möglichen Übungen zu Kraft, FIS-Regeln hinzuweisen und gegen rücksichtslose Kondition, Koordination und Beweglichkeit gegeben Schneesportler einzuschreiten [217]. Sie sollten werden. Eine rein massenmedial gestaltete daher darauf achten, dass Schneesportler, die mit Kampagne wird aber kaum das Potenzial haben, ihrer Fahrgeschwindigkeit andere Pistenbenutzer die Schneesportler in Hinblick auf den Präventions- «gefährden oder gar schädigen», durch Belehrung, gedanken zu motivieren, das ganze Jahr über zu Ermahnung oder gar Entzug des Fahrausweises trainieren. Eine massenmediale Kampagne, um zurechtgewiesen werden. Vorstellbar wäre, dass Schneesportler zu überdauernden regelmässigem Patrouilleure Geschwindigkeitskontrollen durchfüh- Konditionstraining zu bewegen, ist aufgrund des zu ren, um «Raser» zu verwarnen bzw. von den Pisten erwartenden geringen Effekts und den damit ver- wegzuweisen. Hier ist aber Vorsicht geboten, da bundenen hohen Kosten nicht empfehlenswert. die Geschwindigkeitsempfindung subjektiv ist und vom Können des Schneesportlers abhängt. Pisten- Im Hinblick auf den Schneesporttag, das Schnee- patrouilleure können nur einen kleinen Ausschnitt sportlager oder die Wintersaison im Allgemeinen des Schneesportbetriebs in ihren Gebieten überwa- könnte im Rahmen des obligatorischen Schul- chen, jedoch durch Stichkontrollen die subjektive unterrichts ein gezieltes Kraft- und Koordina- Kontrollwahrscheinlichkeit der Schneesportler er- tionstraining durchgeführt werden, welches die höhen. Als Abschreckung vor Fehlverhalten auf der spezifischen Muskelgruppen aufbaut und das Piste ist eine vermehrte Kontrolle durch Pat- Gleichgewicht schult. Die Durchführung der Übun- rouilleure daher empfehlenswert. gen während mindestens 2–3 Monaten muss sich aber nicht auf den Sportunterricht beschränken, 4.4 Aufbau der physischen Kondition sondern könnte auch während den Schulstunden und Verbesserung des Gleichge- als Auflockerung eingebaut werden. Zudem kön- wichts vor dem Saisonbeginn nte für ein solches Training auch mit anderen Motiven als der Verletzungsprävention geworben Mit Hilfe eines adäquaten Trainings können Kraft, werden. Der Nutzen wäre insbesondere für Untrai- Ausdauer, Beweglichkeit und Gleichgewicht ver- nierte sehr gross und diese Massnahme darum em- bessert werden und dadurch Unfälle und Verlet- pfehlenswert. Auf diesem Weg könnten jedoch zungen vermieden werden. Raschner et al. beto- nur Kinder und Jugendliche erreicht werden. nen, dass für das Fahren mit einem Carvingski neben der Kraft und Ausdauer insbesondere die Im Sportverein könnte vor Beginn der Saison oder Propriozeption und Bewegungskoordination mit wenn möglich während der ganzen Saison ein bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 159 Aufbauprogramm angeboten werden. Dabei wür- und Verletzungsrisiko liefern keinen Nachweis, dass den Kraft, Kondition, Beweglichkeit und auch Ko- die Teilnahme an einem Schneesportunterricht zur ordination trainiert. Es könnte auch eine Übungs- Verbesserung der allgemeinen Fertigkeiten das sammlung abgegeben werden, welche es den Risiko Schneesportlern ermöglicht, zu Hause ein entspre- [95,99,124,219]. Jorgensen et al. zeigten den chendes Training durchzuführen. Hier ist jedoch zu Teilnehmern zu Beginn der Schneesportwoche ein beachten, dass nur sehr wenige Personen motiviert Sicherheitsvideo und konnten einen Reduktion der sein werden, das Programm allein konsequent Verletzungen durch diese Intervention feststellen ausführen, wenn nicht die Einbettung in einer mo- [220]. Ettlinger et al. konnten durch eine Schulung, tivierenden Gruppe existiert. Sportvereine könnten in der ein Video mit Verletzungssituationen in einer breit angelegten Kampagne mit spezifisch vorgeführt und diskutiert wurde sowie eine Liste geschulten Instruktoren, finanziellen Anreizen und mit Do's und Don't's studiert wurde, eine dem Zurverfügungstellen des nötigen Trainings- Reduktion der schweren Verletzungen des vor- materials unterstützt werden. Der finanzielle Auf- deren Kreuzbandes beobachten [221]. Neben dem wand wäre beträchtlich, aber im Hinblick auf eine Vermitteln von Fertigkeitstraining müsste in jedem hohe Wirksamkeit und eine zu erwartende gute Unterricht auch das Gefahrenbewusstsein sowie Umsetzbarkeit der eine verantwortungsvolle Fahrweise mitgeschult Sportvereine bei einem Schneesporttraining werden. Bei der ausschliesslichen Schulung der als bedingt empfehlenswert eingeschätzt. Fertigkeiten kann es zu einer Selbstüberschätzung wird die Unterstützung für Verletzungen direkt beeinflusst der Schneesportler kommen. Die Schneesportler könnten über Multiplikatoren an ihrem Arbeitsplatz direkt erreicht werden. Der Jeder Schneesportunterricht sollte neben der Ver- Einbezug der Multiplikatoren – die Fachleute besserung der Fahrfertigkeiten auch die Schulung für Gesundheitsschutz und Sicherheit in den Be- eines risikoarmen Verhaltens (z. B. Kennen und trieben SGA-S (Schweizerische Gesellschaft für Ar- Einhalten der FIS-Regeln, Tragen eines Schnee- beitssicherheit SGAS) – wäre sinnvoll. Über die sporthelms, Fahren in nicht übermüdetem Zustand) Betriebe könnte den Schneesportlern auch ein auf der Piste anstreben. Durch die Entwicklung von effizientes Training angeboten werden. Da bereits Unterrichtsmaterial mit dessen Hilfe die Schnee- in vielen Betrieben die nötigen Strukturen existie- sportler wichtige sicherheitsrelevante Themen auf ren, die eine Umsetzung ermöglichen würden, wird der Piste direkt umsetzen können, kann die In- diese Massnahme als empfehlenswert beurteilt. tegration des Themas «Sicherheit» in den Schneesportunterricht gefördert werden. 4.5 Verbesserung der Fahrfertigkeiten Eine Schneesportausbildung könnte als fester In Schneesportlagern oder -kursen kann die rich- Bestandteil des obligatorischen Schulsports ein- tige Fahrtechnik erlernt und sich schnell die geführt werden. Die Schneesportausbildung sollte nötigen Fertigkeiten zum Ski- respektive Snow- Fahrfertigkeiten schulen und die Kinder und boardfahren angeeignet werden. Die meisten Jugendlichen für ein risikoarmes Verhalten sensibi- Studien über den Zusammenhang von Schulung lisieren. Da aber nicht alle Schulen Schneesport 160 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 anbieten, sich viele Schulen nicht in der Nähe eines 4.6 Wirksamkeit der Skibindung verbessern Schneesportgebiets befinden und nicht alle Schüler später Ski- oder Snowboardfahren, wird die Umsetzbarkeit dieser Massnahmen als sehr tief Damit eine Skibindung Verletzungen vermeiden und deshalb als nicht empfehlenswert einge- kann, muss sie immer dann auslösen, wenn es schätzt. notwendig ist. Die Wirksamkeit der Skibindung sollte in Zukunft verbessert werden, sodass die Um die Teilnahme an Kursen für Anfänger Bindung beispielsweise auch bei einem (langsa- attraktiver zu machen, könnten Vergünstigungen men) Rückwärts(dreh)sturz auslöst. In einer Mach- für die Kurse angeboten werden. Eine andere Vari- barkeitsstudie sollte der Frage nachgegangen wer- ante wäre eine Vergünstigung der Tageskarte eines den, ob die Funktionseinheit Ski-Bindung-Schuh so Schneesportgebietes nachdem ein Schneesportkurs weiterentwickelt werden könnte, dass das Knie bei besucht wurde. Die Umsetzbarkeit dieser beiden einem Sturz vor Verletzungen geschützt wird. Massnahmen wäre gewährleistet, da in beinahe allen Skigebieten ein Kursangebot existiert. Die Eine neuartige Bindung mit erweiterten Auslöse- Kosten im Verhältnis zum Nutzen sind bei Ver- mechanismen sollte entwickelt und auf dem Markt günstigungen auf den Schneesportunterricht eingeführt werden. Die Entwicklung eines neuen eher hoch, was zu einer «bedingt empfehlens- Auslösemechanismus ist zwar ein langwieriger werten» Beurteilung führt. Eine Vergünstigung Prozess, der mit hohen Kosten verbunden ist, mit auf Tageskarten wäre aber sicherlich ein guter einer neuartigen Bindung könnten jedoch sehr viele Ansporn, um Schneesportkurse zu besuchen, und Verletzungen verhindert werden. Daher wird diese wird als Massnahme empfohlen. Massnahme dennoch als sehr empfehlenswert eingestuft. Damit Schneesportler ihre Fertigkeiten selbstständig verbessern können, wäre es denkbar, in den Skigebieten Geschicklichkeitsparks einzu- 4.7 Fördern bzw. Erhalten der korrekten Skibindungseinstellung richten. Auf Tafeln könnten gleichzeitig auch Sicherheitshinweise aufgeführt werden. Diese Um Stürze und Verletzungen aufgrund von Fehl- Massnahme wäre relativ einfach umzusetzen. Es ist funktionen der Skibindung zu minimieren, muss aber fragwürdig, ob Schneesportler beim Durch- die Bindung jährlich von einer Fachperson nach ISO fahren eines Geschicklichkeitsparks wirklich ihre 11088 kontrolliert und eingestellt werden. Fertigkeiten verbessern können. Auch hier ist Vorsicht vor Selbstüberschätzung nach der Schulung Mit massenmedialer Kommunikation zur kor- geboten. Wegen dem fraglichen Nutzen ist diese rekten Skibindungseinstellung können die Skifahrer Massnahme nur bedingt empfehlenswert. für die Gefahr sensibilisiert werden, welche eine falsch eingestellte Bindung mit sich bringt. Jørgsen et al. sensibilisierten Schneesportler vor Beginn einer Schneesportwoche durch ein Video und konnten erreichen, dass die Interventionsgruppe ihre Skibin- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 161 dung öfters überprüfen und korrekt einstellen liess werden, die den Aufwand scheuen, ihre Skier in [220]. Zudem werden mit Werbespots oder Plakaten ein Fachgeschäft zu bringen. Die Massnahme ist als viele Schneesportler daran erinnert, ihre Bindung Ergänzung zur Schulung der Sportfachhändler überprüfen und einstellen zu lassen. Trotz der relativ empfehlenswert. hohen Kosten für massenmediale Kampagnen und deren geringe Wirksamkeit (kaum Verhaltens- 4.8 Verfügbarkeit qualitativ guter änderung durch Kampagne), ist diese Massnahme Handgelenkschützer auf dem empfehlenswert. Schweizer Markt Seit bald 20 Jahren läuft die bfu-Skivignetten-Ak- Ein wirksamer Handgelenkschutz beim Snowboard- tion, mit der sich die bfu für das korrekte Einstellen fahren sollte bei einem Aufprall das Handgelenk vor der Skibindung einsetzt. Diverse Sportfachgeschäfte Überstreckung schützen [150] und Stösse darauf in der Schweiz kleben nach der Kontrolle und und auf den Unterarm dämpfen [156]. Ein inter- richtigen Einstellung der Skibindung die bfu-Ski- nationales Review ermittelte, dass durch das Tragen vignette auf die Ski. Die bfu sorgt dafür, dass diese eines Handgelenkschutzes das Risiko einer Hand- Geschäfte die Skibindung mit einem Prüfgerät gelenksverletzung beim Snowboardfahren um 38 % überprüfen und nach der ISO-Norm einstellen. Die bis 65 % reduziert werden kann. Es ist jedoch bfu-Skivignette erinnert die Skifahrer zudem daran, unklar, welche der heute auf dem Schweizer Markt dass sie im kommenden Jahr ihre Bindung über- verfügbaren Produkte diese Anforderung erfüllen. prüfen lassen sollten. Schulungen, Informations- Um die Verfügbarkeit qualitativ guter Handgelenk- material und Qualitätsvorgaben erleichtern den schützer auf dem Schweizer Markt zu verbessern, Sportfachhändlern die korrekte Einstellung der Ski- sollten die Snowboarder kurzfristig über wirksame bindungen. Diese Präventionsanstrengung sollte Produkte beraten werden. Um Informationen über weitergeführt werden, um den Anteil der jährlich das Risiko von Handgelenksverletzungen und über korrekt eingestellten Skibindungen noch zu erhöhen die Anforderungen sowie die Schutzwirkung eines und ist damit sehr empfehlenswert. Handgelenkschutzes an die Snowboarder zu bringen, könnten eine Kampagne sowie die Schulung Schüler einer Skischule werden ohne grossen Auf- der Sportfachhändler dienen. Diese beiden Mass- wand erreicht und sollten auch über Unfallverhü- nahmen sind zu gegebener Zeit empfehlenswert. tung unterrichtet werden. Die korrekte Bindungs- Insbesondere eine Kampagne zur Kundeninfor- einstellung im Schneesportunterricht hätte je- mation ist momentan bedingt empfehlenswert. doch nur eine mittlere Wirksamkeit und Effizienz, da nur ein kleiner Teil der Skifahrer einen Schneesport- Mittelfristig ist eine Bereinigung des Marktes kurs besucht und viele Anfänger einen Ski mieten. erstrebenswert. Dafür müssen in einem ersten Diese Massnahme ist jedoch mit geringem Aufwand Schritt die Qualitätskriterien für einen wirk- durchführbar und daher empfehlenswert. samen Handgelenkschutz erarbeitet werden. Um die vorhandenen Handgelenkschützer auf die Durch Bindungsüberprüfungen Schneesportgebiet 162 können direkt Skifahrer im definierten Kriterien überprüfen zu können, muss erreicht in einem zweiten Schritt ein Testverfahren für die Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Überprüfung entwickelt werden. Mit diesen beiden auf dem Schweizer Markt verfügbar sind, sollte die Schritten könnte festgestellt werden, welche Hand- Tragquote aber stark gefördert werden. gelenkschützer ausreichenden Schutz bieten. In einem dritten Schritt sollte dafür gesorgt werden, Die Handgelenkschutztragquote dass Handgelenkschützer, die auf dem Schweizer massenmediale Kommunikation gefördert wer- Markt angeboten werden, den Qualitätskriterien den. Mit einer zielgruppenorientierten Kampagne genügen. Die Marktbereinigung ist eine sehr sollen das Verletzungsrisiko und die Wirksamkeit empfehlenswerte Massnahme, da von einer des hohen Effizienz und Wirksamkeit ausgegangen Kampagnen sind nicht die optimalen Hilfsmittel um werden kann. eine langfristige Verhaltensänderung zu erreichen. Handgelenkschutzes Dennoch könnten die könnte aufgezeigt Snowboarder durch werden. mittels Um die Wirksamkeit eines Handgelenkschutzes massenmedialer Kommunikation für das Risiko beim Snowboardfahren längerfristig zu garantieren, einer Handgelenksverletzung sensibilisiert und über sollte die Entwicklung einer internationalen die Norm informiert werden [222]. Diese Massnahme ist angestrebt werden. Der Prozess zur Entwicklung einer Norm ist sehr zeit- und kostenintensiv. Mit wirksamen Schutzwirkung des Handgelenkschutzes empfehlenswert. Handgelenkschützern könnten jedoch viele Verletzungen beim Snowboar- In Snowboardkursen könnten wirksame Hand- den verhindert werden. Daher wird diese Mass- gelenkschützer zur Verfügung gestellt werden. nahme als sehr empfehlenswert erachtet. Auf diese Weise lernen die Snowboarder die Wichtigkeit des Tragens eines Handgelenkschutzes 4.9 Handgelenkschutz tragen und deren Komfort kennen. Kombiniert mit dieser Massnahme sollten die Lehrer als gute Vorbilder Basierend auf internationalen Studien kann davon vorausgehen und ebenfalls einen Handgelenkschutz ausgegangen werden, dass rund die Hälfte der tragen. Da Snowboardanfänger besonders häufig Handgelenksverletzungen durch das Tragen eines Handgelenksverletzungen erleiden, kann auf diesem Handgelenkschutzes vermieden werden könnten Weg direkt die Zielgruppe erreicht werden. Die [142]. Befragungen von jährlich rund 600 Snow- Massnahme ist daher empfehlenswert. Da aber boardern auf Schweizer Pisten zeigt, dass die Trag- nicht alle Anfänger einen Kurs besuchen und das quote des Handgelenkschutzes in den vergange- Tragen eines Handgelenkschutzes auch im fortge- nen drei Saisons um rund 15 % abgenommen hat schrittenen Lern-Stadium sinnvoll ist, hat die [39]. In der Wintersaison 2009/2010 trugen nur Massnahme nur eine beschränkte Wirksamkeit. noch 27 % der befragten Snowboarder einen Zudem ist das Handling des Ausleihmaterials in Handgelenkschutz [159]. Schneesportkursen äusserst aufwändig. Das Fördern der Handgelenkschutztragquote ist Eine weitere Massnahme könnte eine Tragpflicht erst sinnvoll, wenn feststeht, welche Handgelenk- in bestimmten Schneesportorganisationen wie schützer den Sicherheitsanforderungen genügen. beispielsweise Jugend+Sport sein. Die Massnahme Sobald genügend wirksame Handgelenkschützer ist aufgrund ihrer Effizienz empfehlenswert. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 163 Ebenfalls empfehlenswert wäre die Schulung der erklärend und fehlerverzeihend gebaut und unter- Multiplikatoren (Schneesportschulen, Sportfach- halten werden können. Ebenfalls sollte im Rahmen handel, Jugend+Sport), damit diese den Snow- eines solchen Handbuchs eine einheitliche Mar- boardern kierung und Signalisation festgelegt werden. einen wirksamen Handgelenkschutz empfehlen und als Vorbild dienen können. Diese Massnahme ist empfehlenswert. Um den Kauf eines Handgelenkschutzes at- Um bessere Sicherheitsstandards zu gewährleisten, traktiver zu machen und insbesondere den Kauf könnte eine Abnahmeinstanz institutionalisiert von wirksamen Handgelenkschützern zu fördern, werden, welche den Bau und Unterhalt von Snow- könnte eine temporäre oder dauerhafte Kaufförde- parks und Halfpipes überwacht. Dafür müsste eine rung, wie sie seit Jahren für den Fahrradhelm neue Stelle geschaffen werden, was die Effizienz der existiert, umgesetzt werden. Um mit einer Kosten- Massnahme deutlich reduziert. Vorstellbar wäre reduktion einen Anreiz zum Kauf eines Handge- jedoch auch eine Weiterentwicklung der bereits lenkschutzes zu schaffen, müsste der Beitrag ziem- bestehenden Pistenabnahmekommission. Die Mass- lich hoch sein, was zu einem relativ schlechten nahme wäre so gesehen empfehlenswert. Kosten-Nutzen-Verhältnis führen würde. Daher ist die Massnahme bedingt empfehlenswert. Viele Fahrer sind ungeübt und müssen die spezifischen Fertigkeiten zum Fahren im Park und der 4.10 Verbesserung der Verhältnisse und Halfpipe erst erwerben. Dafür sollten in allen des Verhaltens in Snowparks Schneesportgebieten verschiedene Elemente im Park auch mit einfacheren Schwierigkeitsan- Unfälle, die aufgrund mangelhafter Planung, in- forderungen vorhanden sein. Die Bezeichnung korrektem Bau oder ungenügendem Unterhalt der Schwierigkeitsstufen sollte in allen Schnee- eines Snowparks oder einer Halfpipe erfolgen, sportgebieten möglichst einheitlich sein. In kleine- sollten verhindert werden. Zudem sollte die Infra- ren Gebieten könnte das Erbauen zusätzlicher Ele- struktur Verhaltensfehler der Schneesportler und mente eventuell aufgrund des beschränkten Platzes das Risiko für schwere Verletzungen minimieren. schwierig sein. Diese Massnahme ist aber durchaus Ein selbsterklärender Snowpark lenkt die Fahrer empfehlenswert. intuitiv und hilft ihnen, sich in der jeweiligen Situation anzupassen und Fahrfehler zu vermeiden. Sowohl die Sensibilisierung der Skifahrer und Massnahmen der Verhältnisprävention erfordern der Snowboarder für die Gefahren und das keine direkte Verhaltensänderung der Schnee- Verhalten in Snowparks als auch die Schulung der sportler und versprechen daher eine gute Wirk- korrekten Fahrtechnik sind wichtig. In Schnee- samkeit und nachhaltige Effekte. sportkursen sollten einerseits gute Fertigkeiten, andererseits aber auch sicheres Verhalten geschult Mit einem Handbuch könnten Empfehlungen ab- werden. Obwohl auf diesem Wege nur Skifahrer gegeben werden, welche Sicherheitsaspekte beim und Snowboarder erreicht werden können, die Bau und Unterhalt beachtet und eingehalten Kurse besuchen, ist es empfehlenswert, Gefah- werden müssen, damit die Anlagen sicher, selbst- rensensibilisierung und Förderung von Sicher- 164 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 heitsverhalten sowohl in spezifischen Kursen als Stehen attraktive Erholungsplätze zur Verfü- auch in den Grundkursen der Ausbildung zu gung, so legen die Schneesportler öfters eine Pause integrieren. ein. Für Kinder könnte ein Spielplatz im Schnee oder ein Raum zum Spielen eingerichtet werden. Bei allen Snowparks sollten ausreichend Infor- Für Jugendliche ist insbesondere ein Aufenthaltsort mationen verfügbar sein, damit die Benutzer wis- in der Snowpark-Anlage attraktiv, von welcher aus sen, wie sie sich richtig verhalten. Tafeln mit Infor- die anderen Fahrer im Park beobachtet werden mationen zu Regeln und Schwierigkeitsgraden können. Auch ein gemütlich eingerichteter Auf- sollten angebracht werden. Die Effizienz einer enthaltsraum, in dem auch selbstmitgebrachte Ver- solchen Massnahme ist gering und die Massnahme pflegung eingenommen werden darf, könnte für daher bedingt empfehlenswert. Jugendliche zur Verfügung gestellt werden. Das Errichten von neuen Erholungsorten kann mit hohen Auch eine Parkaufsicht könnte den Fahrern Kosten verbunden sein. Die Schaffung neuer helfen, sich sicher im Park zu bewegen. Diese Erholungsorte scheint bedingt empfehlenswert. rekrutiert sich mit Vorteil aus geübten Fahrern und ihr Alter liegt im Bereich der Parkbenutzer. Sie Ausreichende Erholung sollte als Sicherheits- könnte den Zustand des Parks laufend prüfen, die aspekt in Ausbildungen thematisiert werden. Fahrer auf Gefahren aufmerksam machen und bei Insbesondere Lehrpersonen und Eltern, aber auch Problemen helfen. Diese Massnahme ist aufgrund alle anderen Schneesportler, müssen erkennen, des relativ tiefen Kosten-Nutzen-Verhältnisses je- wann eine Pause erforderlich ist. Diese Massnahme doch bedingt empfehlenswert. ist aufgrund der guten Umsetzbarkeit auf jeden Fall empfehlenswert. 4.11 Ausreichend Pausen einlegen 4.12 Fördern bzw. Erhalten der HelmUm einer Übermüdung vorzubeugen, sollten wäh- tragquote rend eines Schneesporttags regelmässig Pausen eingelegt werden. Einerseits bietet schon das Sit- Das Helmtragen im Schneesport wurde mit ver- zen auf einem Sessellift eine kurze Erholung, ande- schieden Massnahmen gefördert. Zentral dabei rerseits sollten auch die nötigen Pausen zum Ver- waren die beiden massenmedial konzipierten bfu- pflegen eingehalten werden. Schneesportkampagnen «enjoy sport – protect yourself» und «Fahre mit Respekt und Helm». Durch eine massenmediale Kommunikation Massenmediale Kommunikation (Plakate, TV- könnten die Schneesportler für den Zusammen- Spots, Anzeigen, Radio-Spots) ist einsetzbar, wenn hang zwischen Ermüdung und Verletzungen sensi- bereits eine positive Einstellung zum Schutzprodukt bilisiert und Empfehlungen zu ausreichender Erho- vorhanden ist [222]. Insbesondere die Sensibilisie- lung abgegeben werden. Eine solche massenmedi- rung für das persönliche Unfall- und Verletzungs- ale Kommunikation ist empfehlenswert. risiko sowie die Schutzwirkung des Schneesporthelms mittels einer Kampagne wird empfohlen [222]. Der Helm wird heute als sozial wünschens- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 165 wert empfunden. Gemäss externer Evaluation hat empfehlenswert, da ausländische Touristen und die bfu-Kampagne das Tragen des Schneesport- Personen, die selten Ski oder Snowboard fahren, helms unterstützt [223]. Aufgrund der bereits deutlich seltener einen Helm tragen [179]. hohen Helmtragquote von 81 % im 2011 [179] ist die Weiterführung der Kampagne nicht mehr vor- Mit einer Helmtragpflicht könnte die Tragequote dringlich, da ein Plateaueffekt zu erwarten ist und vermutlich weiter gesteigert werden. Das Einführen damit nur noch ein kleiner Restnutzen generiert einer Helmtragpflicht für alle Skifahrer und Snow- werden könnte. Die Massnahme ist daher bedingt boarder ist aber zurzeit nicht empfehlenswert. empfehlenswert. Andere Anstrengungen in der Einerseits stieg die Tragquote in den letzten sechs Kommunikation und der Ausbildung zum Fördern Jahren von 16 auf 81 % an, andererseits muss in des Helmtragens sind weiterhin notwendig. der Bevölkerung eine grosse Akzeptanz für eine Tragpflicht bestehen. Mit einer Preisreduktion beim Kauf eines Helms könnte ein Anreiz geschaffen werden, wel- Auch eine Helmtragpflicht für Kinder und Ju- cher im Allgemeinen eine vielversprechende Mass- gendliche bis 17 Jahre ist denkbar. Da jedoch die nahme darstellt. Gemäss bfu-Befragung stellen Helmtragquote bei dieser Zielgruppe bei über jedoch die Kosten für einen Schneesporthelm kein 90 % liegt, bringt diese Massnahme kaum noch Hindernisgrund dar, diesen Schutzartikel anzu- zusätzlichen Nutzen und ist daher nicht empfeh- schaffen. Eine Preisreduktion ist kein ausreichendes lenswert. Kaufargument für die Nichthelmträger im Schneesport. Auch das kostenlose Zurverfügung- Vorstellbar wäre eine Tragpflicht in bestimmten stellen von Schutzmaterial für die Teilneh- Schneesportorganisationen wie beispielsweise menden von Schneesportkursen erhöht den in Jugend+Sport-Kursen. Die Ski- und Snowboard- Anreiz, die Schutzausrüstung zu tragen. Die meis- lehrer sollten den Schülern als Vorbilder dienen ten Kursteilnehmenden im Schneesport sind Kin- und die Wichtigkeit des Tragens eines Helms der. Die Tragquote der jüngsten Pistenbenutzer (bis vorleben. Die Besucher von Schneesportkursen sind 12 Jahre) liegt aber ohnehin bereits bei über 95 % häufig Kinder und Jugendliche, bei denen die Trag- [179]. Beide Massnahmen sind daher bedingt quote bereits bei über 90 % liegt. Der Zusatz- empfehlenswert. nutzen einer Tragpflicht wäre nicht sehr gross, die Massnahme dennoch empfehlenswert. Es ist sehr Eine weitere Möglichkeit würde darin bestehen, wichtig, dass Schneesportlehrer einen Helm tragen, bei der Miete von Skiern oder einem Snow- um ihrer Vorbildfunktion nachzugehen. board einen Schneesporthelm zum kostenlosen Gebrauch dazu abzugeben. Auf diesem Durch die Schulung von Multiplikatoren (Sport- Weg könnten auch die ausländischen Gäste er- fachhandel, reicht werden, die ihr Material oftmals mieten. In Schneesportschulen, Pädagogische Fachhochschu- dem Fall gibt es aber meist Probleme mit der len, Ausbildung von Sportstudenten) können Un- Hygiene. Die Massnahme ist darum für die fallverhütungsbotschaften an die Schneesportler Umsetzung weniger gut geeignet. Sie ist dennoch weitergegeben werden. Das Thema Schutzverhal- 166 Jugend+Sport, Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) Swiss Snowsports, bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 ten sollte in der Ausbildung als Pflichtteil im Lehr- Gemeinsam mit plan integriert werden und somit auch in den Informationskampagne viele Schneesportler erreicht Lehrmitteln behandelt werden. Über die Mul- werden. tiplikatoren können viele Schneesportler erreicht könnten die Botschaften am richtigen Ort platziert werden. Daher ist es empfehlenswert, Multiplika- und die Zielgruppen direkt angesprochen werden. toren zu Sicherheitsthemen zu schulen. Somit scheint eine Informationskampagne eine Dank Optikern einer könnten solchen mit einer Zusammenarbeit empfehlenswerte Massnahme zu sein, die 4.13 Wirksamkeit des Schneesporthelms verbessern Schneesportler dazu zu motivieren, ihre erforderliche Sehhilfe auch im Schneesport zu tragen. Um die Wirksamkeit von Schneesporthelmen zu Eine weitere Möglichkeit zur Sensibilisierung der verbessern, sollten zuerst Studien durchgeführt Skifahrer und Snowboarder könnte direkt auf den werden, um abzuklären, wo Defizite bestehen. Pisten erfolgen. Die Schneesportler könnten Brillen Danach kann die Schutzwirkung verbessert wer- mit verschiedenen Sehschärfen aufsetzen und damit den. Eine technische Weiterentwicklung kostet eine kurze Strecke fahren, um den Einfluss der viel Zeit und Geld. Durch eine Verbesserung der Sehleistung zu erfahren. Mit dieser Sensibilisie- Wirksamkeit des Helms können aber viele Kopf- rungsmöglichkeit verletzungen verhindert werden. Diese Massnahme Schneesportler erreicht werden, sie ist daher be- ist empfehlenswert. dingt empfehlenswert. Danach könnten die Norm überarbeitet und 4.15 Sicherheit auf Förderanlagen strengere Schutzanforderungen an den Helm könnten leider nur wenige verbessern gestellt werden. Die Überarbeitung einer Norm nimmt sehr viel Zeit und Ressourcen in Anspruch. Auch wenn das Unfallausmass im Anlagenbereich Die relativ gering ist, ereignen sich immer wieder Unfälle Massnahme ist daher bedingt emp- fehlenswert. mit schweren oder gar tödlichen Verletzungsfolgen. In den letzten 11 Jahren verunfallten immerhin 4 Per- 4.14 Erforderliche Sehhilfe tragen sonen beim Benutzen von Anlagen tödlich [224]. Sowohl das Tragen einer Sonnenbrille wie auch der Obwohl dabei in den meisten Fällen menschliches erforderlichen Sehhilfe ist im Schneesport uner- Versagen die Ursache ist, dürfen sich solche Unfälle lässlich. Die ändernden Sicht- und Schneeverhält- nicht ereignen. Das System muss menschliche Fehler nisse oder speziell kontrastarme Stellen auf der verzeihen können, ohne dass es zu tödlichen Unfäl- Piste erfordern eine hohe Sehleistung. len oder schweren Verletzungen kommt. So sollten Sessellifte so konstruiert sein, dass es auch für Kin- Den Schneesportlern muss bewusst gemacht wer- der nicht möglich ist, herunterzufallen. den, dass das Tragen der erforderlichen Sehhilfe unerlässlich ist, um Stürze und Kollisionen zu ver- Seilbahnen meiden. heute strengen Vorschriften. Die Seilbahnen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 und Skilifte unterliegen bereits Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 167 werden nach verpflichtenden Standards gebaut vermeiden oder deren Folgen zu minimieren, müs- und nach Inbetriebnahme regelmässig überprüft sen diese Anstrengungen unbedingt weiter geführt (www.seilbahnen.org/Sicherheit.html). Die Verord- werden. nung des Bundesamts für Verkehr (BAV) gibt strenge Sicherheitsnormen vor, welche von den Seil- 5.1 Forschung bahnen erfüllt werden müssen. Die Kontrollstelle des Interkantonalen Konkordats für Seilbahnen und Effiziente Präventionsarbeit basiert primär auf der Skilifte (IKSS) überwacht die Funktionstauglichkeit Kenntnis des Unfallgeschehens, um schwerpunkt- der Skilifte. Zudem wird auch auf die Ausbildung orientiert die nötigen Anstrengungen planen zu des Personals hoher Wert gelegt. können. Eine detaillierte Analyse der Risikofaktoren verschafft die Grundlage für das Ableiten mögli- Die technischen Einrichtungen sollten laufend ver- cher Präventionsanstrengungen. Aus der Vielzahl bessert werden und immer auf dem neusten Stand von Präventionsoptionen, die sich bieten, muss ein sein. Zusätzliche Sicherheitseinrichtungen, wie bei- systematischer Bewertungsprozess aufzeigen, wel- spielsweise Rückhaltesysteme für Kinder auf che Massnahmen zu favorisieren sind. Daher soll Sesselbahnen, sind empfehlenswert. weiterhin Unfallforschung betrieben werden, um über aktuelle Kenntnisse zum Unfallgeschehen 5. Präventionsempfehlungen sowie Risiko- und Sicherheitsfaktoren im Schneesport zu verfügen. Um das Unfallgeschehen in der Um die Anzahl der Unfälle im Schneesport zu re- Schweiz zu erfassen, dient die UVG-Statistik der duzieren, steht eine breite Palette von Präventi- Sammelstelle für die Unfallversicherung UVG onsmöglichkeiten zur Verfügung. Basierend auf (SSUV) als eine der hilfreichen Quellen. Um auch den Kriterien «Wirksamkeit», «Effizienz» und über gute Kenntnisse zum Unfallgeschehen des «Umsetzbarkeit» wurden die Präventionsmöglich- nicht über die UVG-Statistik abgedeckten Anteils keiten beurteilt. Aus diesem Prozess resultiert eine der Schneesportler (Kinder, Nicht-Erwerbstätige, kurze Liste von Empfehlungen für die Unfall- Senioren, ausländische Touristen) zu verfügen, soll prävention im Schneesport mit Massnahmen, die in Zusammenarbeit mit dem Verband Seilbahnen alle das Prädikat «empfehlenswert» oder gar «sehr Schweiz (SBS) aber auch die laufende Datener- empfehlenswert» erhalten haben (Tabelle 38 und hebung der Verletztentransporte der Pisten- Tabelle 39). Für die Ausarbeitung und Umsetzung rettungsdienste weitergeführt werden. Im Sinn der Massnahmen bedarf es jeweils eines intensiven eines Monitorings diverser sicherheitsrelevanter Austauschs mit den relevanten Partnern. Faktoren soll ebenso die Erhebung «Schutzausrüstung im Schneesport» weitergeführt werden. Verschiedene, heute bereits umgesetzte Präven- Die Ergebnisse aus der Schweiz sollen zudem wei- tionsmassnahmen haben dazu geführt, dass das terhin durch international verfügbares wissen- Unfallrisiko im Schneesport in den letzten Jahren schaftliches Wissen um erfolgreiche Unfallpräven- abgenommen hat [124]. Um weitere Unfälle zu tion ergänzt werden. 168 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 In verschiedenen Themenfeldern bedarf es zurzeit Snowboarden sollte eine internationale Norm an- weiterer Studien, um sicherheitsrelevante Faktoren gestrebt werden. Auch im Bereich der Optimierung zu definieren. Um beispielsweise zu überprüfen, der Ski-Bindungs-Schuh-Funktionseinheit ist der welche auf dem Schweizer Markt erhältlichen Bedarf an Forschungsarbeit momentan hoch. In Handgelenkschützer den Sicherheitsanforderungen einer Machbarkeitsstudie soll der Frage nach- genügen, sollen basierend auf biomechanischen gegangen werden, ob die Ski-Bindung-Schuh- Analysen Qualitätskriterien für einen wirk- Funktionseinheit so weiterentwickelt werden samen könnte, dass das Knie bei einem Sturz vor Verlet- Handgelenkschutz erarbeitet und Materialtestverfahren für dessen Überprüfung zungen geschützt wird. entwickelt werden. Für eine langfristige Garantie der Wirksamkeit von Handgelenkschützern beim Tabelle 38 Ski- und Snowboardfahren: Empfehlenswerte und sehr empfehlenswerte Präventionsmöglichkeiten Nr. 1.1 2.1 2.2 2.3 3.1 3.2 3.3 3.4 4.1 4.2 5.1 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 8.1 8.2 8.3 8.4 9.1 9.2 10.1 10.2 10.3 10.4 11.1 20.1 Präventionsziel Optimierung der Pistenraumgestaltung Verbesserung des Gefahrenbewusstseins und der Selbststeuerungsfähigkeiten Geschwindigkeit dem Können und den Verhältnissen anpassen Aufbau der physischen Kondition vor dem Saisonbeginn Verbesserung der Fahrfertigkeiten Wirksamkeit der Skibindung verbessern Fördern bzw. Erhalten der korrekten Skibindungseinstellung Verfügbarkeit qualitativ guter Handgelenkschützer auf dem Schweizer Markt Handgelenkschutz Verbesserung der Verhältnisse und des Verhaltens in Snowparks Ausreichend Pausen einlegen Fördern bzw. Erhalten der Helmtragquote Wirksamkeit des Schneesporthelms verbessern Schneesportler tragen die erforderliche Sehhilfe sowie Schneesportbrille Sicherheit auf Förderanlagen verbessern Präventionsmöglichkeit Erarbeitung eines Leitfadens mittels Analyse der Unfallhäufungspunkte sowie der Mängel in der Pistengestaltung inkl. möglicher Massnahmen zur Optimierung Schulung des Gefahrenbewusstseins im Schneesportunterricht Signalisation und Markierung der Pisten optimieren Beratung und Aufklärung der Schneesportler über ihr Verhalten auf der Piste Pistenraumgestaltung Massenmediale Kommunikation zur Sensibilisierung und Bekanntmachung der FISRegel 2 Schulung der Multiplikatoren Kontrolle durch Patrouilleure Schule: Gezieltes Kraft- und Koordinationstraining im Schulunterricht Beruf: Schulung der Sicherheitsfachleute in den Betrieben SGAS Vergünstigung für Tageskarte nach dem Besuch eines Schneesportunterrichts Entwicklung einer neuen Bindung mit erweitertem Auslösemechanismus Schulung, Informationsmaterial und Qualitätsvorgaben für Sporthändler Massenmediale Kommunikation zur korrekten Bindungseinstellung Korrekter Bindungseinstellung im Schneesportunterricht Bindungsüberprüfung im Schneesportgebiet Qualitätskriterien erarbeiten, Materialtestverfahren entwickeln und Marktbereinigung Entwicklung einer internationalen Norm zur Wirksamkeit des Handgelenkschutzes beim Snowboardfahren Schulung der Sportfachhändler Massenmediale Kommunikation zur Wichtigkeit des Tragens eines wirksamen Handgelenkschutzes Handgelenkschutz in Snowboardanfängerkursen zur Verfügung stellen Handgelenkschutztragpflicht in Snowboardanfängerkursen Schulung der Multiplikatoren (Snowboardschulen, Jugend+Sport, Sportfachhandel) Erstellen eines Handbuchs zum sicheren Bau und Unterhalt von Snowparks Abnahmeinstanz für Park und Pipe Schulung der Snowparkbenutzer im Rahmen der Schneesportkurse Einfache Hindernisse zum Erwerben der Fertigkeiten Massenmediale Kommunikation Thema einer ausreichenden Erholung im Schneesportunterricht einbringen Schulung der Multiplikatoren Schneesporthelm bei Miete von Skiern oder Snowboard gratis abgeben Helmtragpflicht in Schneesportkursen Weiterentwicklung der Wirksamkeit durch Forschung (Materialien, Aufbau, Tests) Prädikat 1* Informationskampagne mit Optikern zum Tragen der erforderlichen Sehhilfe Entwicklung technischer Massnahmen, damit Kinder nicht vom Sessellift fallen können 1* 2* 2* 2* 2* 1* 2* 2* 2 2 1* 1* 2* 2 2 1* 1* 2* 2 2 2 2* 2* 2 1* 2* 2 2 2* 2* 2* 2* 2 2* 1 = sehr empfehlenswert; 2 = empfehlenswert; * zum Teil bereits heute realisiert bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 169 5.2 Ausbildung lisation können Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen den Pistenbenutzern minimiert, das Sichtfeld Damit die Botschaften bei der Zielgruppe ankom- optimiert, einfache, verständliche und benutzer- men, ist die Förderung der Sicherheit über die freundliche Pistenführungen ermöglicht, Konflikt- Schulung der Multiplikatoren vielversprechend. punkte minimiert und physischer Schutz geboten Auf diesem Weg werden die Schneesportler per- werden. Verschiedenartige Pisten kommen zudem sönlich angesprochen. Im Schneesportunterricht, den verschiedenen Bedürfnissen, Fertigkeiten und den Schulen oder dem Verein sollten insbesondere Fahrstilen nach. Nicht nur die Pisten, sondern auch die Themen Geschwindigkeit, Gefahrenbewusst- die Snowparks sollten so gestaltet werden, dass sein, Verhalten in Snowparks, ausreichend Erho- sie Fehler verzeihen, kein Sicherheitsrisiko darstel- lung, physische Kondition sowie das Tragen von len und den Bedürfnissen von Fahrern jeden Ni- persönlicher Schutzausrüstung behandelt werden. veaus Auch Multiplikatoren im Bereich Infrastruktur und Schneesportgebiet so sicher gestaltet sein, Sportartikelhandel sollten zu den neusten Erkennt- dass beim bestimmungsmässigen Benutzen der An- nissen im Bereich der Unfallverhütung im Schnee- lagen und Pisten kein Risiko für schwere Verlet- sport geschult werden. zungen existiert. Das Verhalten der Schneesportler nachkommen. Allgemein sollte ein spielt aber auch eine wichtige Rolle im Unfallge- 5.3 Beratung schehen. Gezielte Information kann die Schneesportler für ein risikoarmes Verhalten sensibilisieren Gefahrenstellen auf den heutigen Förderan- und damit einen Beitrag zu einem sicheren Skige- lagen haben zwar eine kleine Verletzungsrelevanz, biet leisten. da das Sicherheitsniveau vor allem bei den grossen und mittleren Bahnen relativ hoch ist, die Sicher- Nicht nur im Bereich von Pisten und Anlagen, son- heit der Anlagen stellt aber klar ein Bedürfnis der dern auch im Bereich von Produkten sollte das Bevölkerung dar. Bahnen und Lifte müssen so ge- Verletzungsrisiko minimiert werden. Im Rahmen baut und gewartet sein, dass keine Unfälle provo- ihres Auftrags zur Marktaufsicht sollten zuständige ziert werden. Zudem ist es wichtig, dass technische Institutionen dafür sorgen, dass nur sichere Anlagen gewisse menschliche Fehler verzeihen, Produkte (z. B. Skibindungen, Helme, Schutzarti- ohne dass es zu schwerewiegenden Folgen kommt. kel) auf den Markt kommen und sichere, profes- Ein bestehendes Problem ist das Fehlen von Sicher- sionelle Dienstleistungen (z. B. Bindungseinstel- heitsvorkehrungen, damit Kinder nicht mehr vom lung von Mietbindungen) angeboten werden. Sessellift fallen können. Es sollten effiziente Rückhaltesysteme entwickelt und eingebaut werden. 5.4 Eine gute Pistenraumgestaltung führt zu einer Massenmediale Kampagnen mit beispielsweise höheren Attraktivität der Schneesportgebiete und Werbespots, Plakaten oder Anzeigen bieten die kann gleichzeitig Unfälle verhüten. Pisten sollten Möglichkeit zur Sensibilisierung und können einen selbsterklärend gestaltet Grossteil der Schneesportler erreichen. Sie bieten werden. Mit baulichen Massnahmen und Signa- aber keinen direkten Kontakt mit den Schnee- 170 und fehlerverzeihend Kommunikation Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 sportlern und sind nicht die optimalen Hilfsmittel, Das bfu-Schwerpunktprogramm Schneesport um eine langfristige Verhaltensänderung zu errei- soll weitergeführt werden und in zumindest jähr- chen [222]. Sie können aber den notwendigen lichen Absprachen mit allen relevanten Partnern Impuls liefern, wenn bereits eine positive Einstel- sollen neue Programme vorbesprochen und unter- lung zum Schutzprodukt oder -verhalten vorhan- schiedliche Aktivitäten aufeinander abgestimmt den ist. Zudem kann die Kombination mit weiteren werden. Massnahmen, wie beispielsweise Anreizsystemen, Um rechtliche Aspekte in Bezug auf die Sicherheit die Wirksamkeit von Kampagnen verbessern. bei Schneesportaktivitäten in den SchneesportgeMit zielgruppenorientierten Kampagnen sollten das bieten mit allen Stakeholdern diskutieren zu kön- Verletzungsrisiko und Präventionsmöglichkeiten auf- nen, ist die weitere Zusammenarbeit in der gezeigt werden. Schneesportler sollten vor allem für Schweizerischen Kommission für Sicherheit eine verbesserte Risikokontrolle, vorsaisonales auf Schneesportabfahrten SKUS und die Mit- Kraft- und Koordinationstraining, Einlegen von gliedschaft in und Unterstützung der entsprechen- genügenden Verschnaufpausen, Massnahmen den Stiftung sinnvoll. zum Tragen eines Schneesporthelms, Wichtigkeit des Tragens eines Handgelenkschutzes, Ski- und Snowboardfahren sind zumindest in den Optimierung der Ausrüstung, wie beispielsweise hochentwickelten Ländern weltumspannende Sport- korrekt eingestellte Skibindung und Tragen der arten. Überall werden Anstrengungen unternom- erforderlichen Sehhilfe sensibilisiert und motiviert men, um das Verletzungsrisiko in diesen Frei- werden. zeitaktivitäten zu reduzieren. Das Material, die Infrastruktur, das Sportgeschehen und die Verhal- 5.5 Kooperation tensregeln auf den Pisten sind beinahe weltweit identisch oder zumindest ähnlich. Der Austausch Damit aus den limitierten Mitteln für die Präven- mit Forschenden aus anderen Ländern hat der tion ein maximaler Nutzen resultiert, sollten ge- Schweiz bereits wertvolle Impulse für effiziente samtschweizerische oder gar internationale An- Präventionsmassnahmen geliefert. Der Austausch strengungen koordiniert werden. mit den internationalen Gremien soll weitergeführt werden und zwar im Rahmen der Teilnahme an Konferenzen wie beispielsweise der «International Tabelle 39 Ski- und Snowboardfahren: Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung Wissensmanagement Statistik Verletztentransporte Erhebung Schutzverhalten Studie Handgelenkschutz Studie Ski-Bindung-SchuhFunktionseinheit bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ausbildung Modul «Gefahrenbewusstsein/ Selbststeuerungsfähigkeit» Modul «Schutzausrüstung/ Sportgerät» Beratung Kommunikation Kooperation Sicheres Skigebiet Pistenraumgestaltung inkl. Snowparks Produktesicherheit Risikokontrolle/ Verhaltensregeln Physische Kondition und physiologischer Zustand Fahrfertigkeiten Fahrfertigkeiten Schutzausrüstung tragen Optimale Ausrüstung Brille/Sehhilfe Schwerpunktprogramm Schneesport Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten SKUS Internationaler Austausch Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 171 Society for Skiing Safety ISSS» (International Um die Häufigkeit der Unfälle beim Freizeitschlit- Congress on Ski Trauma and Skiing Safety), der teln sowie den Schweregrad der Verletzungen zu Universität Salzburg (International Congress on reduzieren, wird das Unfallgeschehen analysiert, Skiing and Science) und des Internationalen Olym- die Hauptrisikofaktoren werden herausgearbeitet pischen Komitees (IOC – World Conference on und darauf aufbauend Präventionsmöglichkeiten Prevention of Injury and Illness in Sport), wo eigene empfohlen. Die bfu-Grundlage «Sicherheitsanalyse Arbeiten vorgestellt werden sollten. Zudem sollen des Schlittelns und Rodelns in der Schweiz» liefert vermehrt Erkenntnisse der Schweiz als wissen- detailliertere Informationen dazu [20]. schaftliche Artikel in internationalen renommierten Zeitschriften publiziert werden, um im inhalt- 6.2 Unfallanalyse lichen Austausch mit der Fachwelt die eigene Forschungsqualität zu erhöhen. Rund 60 % der 10 000 verletzten Schlittenfahrenden sind Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre 6. Schlitteln / Rodeln (Tabelle 40). Während sich Kinder leichte (keinen Spitalaufenthalt) 6.1 Einleitung oder seltener mittelschwere (Spitalaufenthalt bis 6 Tage) Verletzungen zuziehen, erleiden Erwachsene, insbesondere Frauen, Schlitteln ist ein beliebtes Freizeitvergnügen in der öfters schwere Verletzungen, die in einzelnen Fäl- Schweiz. Vor allem Kinder, aber auch Jugendliche len sogar zu Invalidität führen. Zudem ereignet sich und Erwachsene geniessen die rasante Abfahrt mit pro Jahr durchschnittlich ein tödlicher Unfall. Holzschlitten, Rodel, Bob und anderen Schlittengeräten auf markierten, präparierten und gesicherten Erwachsene Schlittenfahrende erleiden am häufigs- Wegen oder in Schlittelparks, aber auch im freien ten Zerrungen und Verstauchungen, aber auch Gelände. Das Vergnügen ist aber nicht ganz unge- Brüche der unteren Extremitäten sowie Prellungen fährlich, verletzen sich doch dabei jährlich rund am Rumpf. Insbesondere bei Kindern treten häufig 10 000 Personen der Schweizer Wohnbevölkerung. auch Kopfverletzungen auf. Tabelle 40 Schlitteln / Rodeln: Unfallschwerpunkte Wer? Kinder und Jugendliche (< 16 Jahre) Frauen Was? Hirnerschütterung Zerrungen, Verstauchungen und Brüche der unteren Extremitäten Prellungen am Rumpf Wie? Kollisionen mit Objekt Kollisionen mit Fahrzeug Stürze Tabelle 41 Schlitteln / Rodeln: Hauptrisikofaktoren für Verletzungen Menschbezogen Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und ungenügende Selbststeuerungsfähigkeit Fehlendes Wissen Fehlende Fahrfertigkeiten 172 Umfeld-/ausrüstungsbezogen Ungenügende Kinderaufsicht Ungenügende Sicherheit auf Schlittelwegen und in Schlittelparks: Gefahrenstellen/Geschwindigkeitsmanagement Ungenügende Ausrüstung und ungeeignetes Fahrgerät Fehlendes Tragen eines Helms Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ein grosser Teil der Unfälle ereignet sich aufgrund über das Gerät, was zu Stürzen oder Kollisionen von Kollisionen mit bewegten Objekten (z. B. ande- führen kann. ren Schlittenfahrende, Fahrzeugen) oder mit unbewegten Objekten (z. B. Bäumen, Pfosten, Mauern). Da ein Kind erst ab ca. 8 Jahren ein vorausschau- Viele Verletzungen ereignen sich auch durch einen endes Gefahrenbewusstsein entwickelt, kann eine Sturz vom Schlitten. Die meisten tödlichen Unfälle fehlende Kinderaufsicht das Risiko von Unfällen sind Kollisionen, wobei oftmals Fahrzeuge involviert erhöhen. sind. Zwei Drittel der tödlichen Unfälle in der Schweiz trugen sich beim Schlitteln auf nicht Gefahrenstellen auf Schlittelwegen und in Schlit- offiziellen oder auf geschlossenen Schlittelwegen zu. telparks, wie z. B. unbewegte oder bewegte Objekte oder auch eisige oder apere Stellen, können Schlit- 6.3 Risikoanalyse tenfahrende nicht immer rechtzeitig erkennen. Zudem können sie auf eisigen oder sehr steilen Neben der Frage nach dem Ausmass der Unfälle ist Abfahrten schneller die Kontrolle über die Ge- im Rahmen der Präventionsarbeit vor allem die schwindigkeit und ihr Fahrgerät verlieren. Frage nach den Ursachen von Interesse, also den Risikofaktoren, die ursächlich mit dem Auftreten Nicht jedes Gerät ist geeignet zum Schlitteln auf eines Unfalls verknüpft sind. Schlittelwegen, in Schlittelparks oder im freien Gelände, da sie schlecht steuer- und bremsbar sind Um Unfälle zu vermeiden, müssen die Schlitten- oder seitlich wegrutschen. Mit ungeeigneten Schu- fahrenden potenzielle Gefahren erkennen und hen kann der Schlitten schlecht gesteuert und beurteilen können (Tabelle 41). Fehlendes Gefah- kaum gebremst werden. Ein ungeeignetes Fahr- renbewusstsein wird häufig als Unfallursache er- gerät sowie ungeeignete Ausrüstung erhöhen die wähnt. Werden Gefahrensituationen erkannt, so Gefahr von Stürzen, Kollisionen und Verletzungen muss der Schlittler eine sicherheitsorientierte Ent- erheblich. scheidung treffen und adäquat handeln. Fehlende Selbststeuerungsfähigkeit kann die Ursache sein, Die meisten Schlittler tragen keinen Schneesport- wenn trotz erkannter Gefahr keine angemessene helm, wodurch sich bei einem Sturz oder gar einer Handlung erfolgt. Kollision häufiger Kopfverletzungen ereignen oder der Schweregrad der Verletzungen höher ist als mit Vielen fehlt das Wissen über das sichere Verhalten Helm. beim Schlitteln. So halten sie sich an unübersichtlichen Stellen auf oder steigen mitten auf der Übermässiger Alkoholkonsum und andere be- Fahrbahn hoch, wodurch sich Kollisionen mit wusstseinsbeeinflussende Substanzen beeinträch- andern Schlittenfahrenden ereignen können. tigen die Reaktionsschnelligkeit und verändern die Risikowahrnehmung. Der genaue Einfluss auf das Wegen ungenügender Lenk- und Bremstechnik Unfallgeschehen ist jedoch unklar. verlieren Schlittenfahrende schnell die Kontrolle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) 173 6.4 Präventionsempfehlungen heitsvorgaben erfolgen. Durch eine gute Gestaltung der Schlittelwege und Schlittelparks sollten Um das Verletzungsrisiko beim Schlitteln zu redu- die Geschwindigkeiten angepasst, Gefahrenstellen zieren, bieten sich verschiedene Präventionsmög- minimiert und Signalisation, Markierungen und lichkeiten an (Tabelle 42). Präparierungen optimiert werden. Wichtig wäre auch, dass nicht nur bereits markierte Schlittelwege Die Kenntnis des Unfallgeschehens und der rele- und Schlittelparks von einer Sicherheitsoptimierung vanten Risikofaktoren stellen die Grundlage für profitieren, sondern auch häufig benutzte, nicht zielgerichtete, wirksame, effiziente und umsetzbare markierte und nicht präparierte Schlittelhänge in Präventionsmassnahmen dar. Dafür werden Unfall- Gemeinden. Um einen weiteren Sicherheitsgewinn daten aus der Schweiz analysiert (Unfallforschung), zu erzielen, sollten auch einheitliche Verhaltensre- Erkenntnisse aus internationalen Studien berück- geln definiert und eingeführt werden. Mit ge- sichtigt sowie Erfahrungen von Experten eingeholt setzlichen Massnahmen sollte dafür gesorgt wer- (Wissensmanagement). Als Basis für die Evaluation den, dass nur Material auf den Schweizer Markt der kommt, das den Sicherheitsvorgaben entspricht. Präventionsanstrengungen sollten künftig durch Erhebungen auf Schlittelwegen und in Schlittelparks Informationen zum Sicherheitsverhalten, Informationsanstrengungen sollten insbesondere der Risikobereitschaft und der Einstellung der zur Sensibilisierung der Eltern für eine bessere Kin- Schlittenfahrenden gewonnen werden. Die erarbei- deraufsicht sowie aller Schlittler für die Verwen- teten Informationen sollen danach zielgruppenge- dung des richtigen Materials, fürs Helmtragen, für recht weitergegeben werden. den vernünftigen Umgang mit Alkohol vor oder während dem Schlitteln und für die Verbesserung Kinder wie auch erwachsene Schlittenfahrende einer sicheren Verhaltensweise erfolgen. sollten durch Schulung sich bessere Fahrfertigkeiten und eine sichere Verhaltensweise wie auch die «Schlitteln / Rodeln» ist Teil des Schwerpunktpro- Verwendung des richtigen Materials aneignen. gramms Schneesport in der bfu. Präventionsanstrengungen von Institutionen aus dem Bereich Bau, Unterhalt und Sicherung von markierten, Schlitteln / Rodeln sollten koordiniert und eine nati- präparierten und gesicherten Schlittelwegen und onale wie auch internationale Zusammenarbeit Schlittelparks sollten unter einheitlichen Sicher- gefördert werden. Tabelle 42 Schlitteln / Rodeln: Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung Wissensmanagement Statistik Verletztentransporte Erhebung Schutzverhalten 174 Ausbildung Modul «Gefahrenbewusstsein/ Selbststeuerungsfähigkeit» Modul «Schutzausrüstung/ Sportgerät» Beratung Gestaltung Schlittelwege und Schlittelparks Produktesicherheit Kommunikation Kinderaufsicht bis 8 Jahre Verhaltensregeln Alkoholkonsum Funktionelle Ausrüstung und geeignetes Schlittelgerät Ski-, Snowboardfahren und Schlitteln / Rodeln (Autoren: Giannina Bianchi, Othmar Brügger) Kooperation Schwerpunktprogramm Schneesport Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten SKUS Internationaler Austausch bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 VIII.Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 1. Einleitung Im vorliegenden Bericht ist mit Biken das Radfahren abseits der Strasse («Mountainbiken») gemeint. Radfahren hat viele Facetten. Aus der Urform, der Andere radsportliche Aktivitäten, die in der «Laufmaschine», die 1817 von Karl Dreis aus Holz Schweiz mehr oder weniger bedeutsam sind wie gebaut wurde, hat sich eine breite Palette von Radball, Kunstradfahren, Bahnradrennsport usw. Fahrradtypen entwickelt. Die dominante Rolle des werden aufgrund der geringen Unfallrelevanz nicht Fahrrads ist seine Verwendung im Strassenverkehr, erörtert. Aus demselben Grund wird auch der Qu- um Transportwege (v. a. Arbeits-, Einkaufs- und errennsport nicht analysiert. Schulweg) zu bewältigen. Seit 1868 wird das Fahrrad auch als Sportgerät genutzt, um sich im Wett- Was aber thematisiert wird, sind die Radunfälle von kampf zu messen oder einfach um die Gegend zu kleinen Kindern, die sich abseits der Strasse ereig- erkunden und dabei etwas für die eigene Gesund- nen. Die ersten Fahrversuche unternehmen Kinder heit zu tun. meist rund um Haus und Hof oder auf Quartierwegen. In dieser Lernphase kommt es häufig zu Gegenstand dieses Berichts ist das sportliche Rad- Stürzen oder Kollisionen mit festen Hindernissen. fahren, aber auch bei dieser Einschränkung gibt es Dieses Unfallsegment wird im vorliegenden Sicher- eine Vielzahl von unterschiedlichen Nutzungsarten heitsdossier «Unfallforschung Sport» und nicht im des Fahrrads zu differenzieren. Der Einsatz des Sicherheitsdossier «Fahrradverkehr» abgehandelt, Rennrads zum Trainieren im Strassenverkehr wird da die motorischen Grundfertigkeiten weitgehend hier nicht näher betrachtet, obwohl immerhin 1 % abseits vom öffentlichen motorisierten Verkehr der Schweizer Wohnbevölkerung explizit «Renn- erlernt werden. radfahren» als die von ihnen ausgeübte Sportart angibt [8]. Der Grund für diese Ausklammerung ist, Somit ergeben sich für dieses Kapitel zwei haupt- dass das Radfahren auf der Strasse und auf Rad- sächliche Settings, die genauer diskutiert werden. wegen bereits anderweitig von der bfu in ihrer Einerseits sind dies die vornehmlich erwachsenen Präventionsarbeit abgedeckt wird. Das Fahrrad Mountainbiker, die auf Wanderwegen, Bike- wird im «System Strassenverkehr» als Fahrzeugtyp Routen und -Anlagen sowie in weglosem Gelände betrachtet und die Implikationen, die sich aus der fahren, und andererseits die Kinder, die sich beim spezifischen Nutzung und dem Unfallgeschehen Erlernen des Radfahrens respektive beim Spielen für die Prävention ergeben, werden im Sicherheits- mit dem Fahrrad rund ums Haus, auf (Schulhaus-) dossier «Fahrradverkehr» näher beleuchtet [215]. Plätzen und auf Wegen abseits des Strassenraums Darin sind die trainierenden Rennradfahrer implizit aufhalten. auch immer gemeint. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 175 1.1 Erwachsene beim Radfahren abseits Hof. Ab ca. 8 Jahren gleichen sich die Fahrräder der Strasse der Kinder immer mehr den Modellen der Erwachsenen an. City-Bikes und Mountainbikes dominie- Mountainbiker nutzen ihr Bike vorwiegend an Wo- ren jetzt das Erscheinungsbild. chenenden und in den Ferien für Freizeitfahrten. Der Grossteil der Fahrten unternehmen sie auf 1.3 Sportliches Radfahren markierten Routen (z. B. Mountainbike-Routen von SchweizMobil [www.schweizmobil.ch], Wander- 1.3.1 Radfahren der Schweizer Bevölkerung wegen). Oder sie bahnen sich ihren Weg auf schmalen Wurzel- oder Trampelpfaden quer durch Das BASPO hat in der Studie «Sport Schweiz Wälder, über Wiesen oder den Flüssen und Bächen 2008» [8] das Sportverhalten der Schweizer entlang. Die meisten suchen dabei vor allem das Bevölkerung detailliert beschrieben. Radfahren auf Natur- und Gruppenerlebnis. Bei einem kleinen und abseits der Strasse ist demnach die beliebteste Anteil dieser Biker steht aber die fahrtechnische sportliche Tätigkeit der Schweizer Bevölkerung. Herausforderung oder der Leistungsgedanke im Vordergrund. Bei dieser Nutzergruppe geht die Die Analyse der einzelnen Sportarten [10, S. 17] Bandbreite von Aktivitäten wie Cross Country Bi- und die hochgerechneten Daten zeigen, dass king über Freeriding und 4Cross, Dirt, BMX bis hin knapp 2 % der 15- bis 74-jährigen Bevölkerung zum spektakulären Downhillbiken (für die Begriffs- Mountainbiken als ihre Hauptsportart bezeichnen klärung siehe [225, S. 9ff]). Dementsprechend und 6 % der 15- bis 74-Jährigen Mountainbiken vielseitig sind die Fahrradtypen, die zum Einsatz als eine von ihnen ausgeübte Sportart benennen. kommen. Dabei ist der Anteil der Deutschschweizer, die angeben Mountainbike zu fahren, mit 7 % deutlich 1.2 Kinder beim Erlernen des Radfahrens höher als bei den Bewohnern der Romandie (5 %) oder dem Tessin (2 %) (Unterschiede sind hoch Sobald Kinder selbstständig gehen können, sind im signifikant) [12]. Wohnraum erste Lauf-Rollmanöver mit dem Laufrad möglich. Dabei sind Laufräder pedallose Kin- 1.3.2 Alter und Geschlecht derfahrräder, auf denen sich Kinder laufend vorwärts bewegen. Der Antrieb funktioniert über das Erwachsene beim Radfahren abseits der Strassen Abstossen mit den Füssen vom Boden, gebremst wird auch mit den Füssen respektive Schuhen. Die Mountainbiker üben ihre Sportart durchschnittlich Modellvielfalt für Kinderfahr- und Laufräder auf während 80 Stunden pro Jahr aus, was zu einer dem Markt ist breit. Auch wenn heute viele Kinder hochgerechneten Gesamtexposition der 15- bis 74- mit Laufrädern zu fahren beginnen, sind noch viele Jährigen von 28 Mio. Stunden führt. Mountain- Formen von Zwei-, (mit oder ohne Tretmechanis- biking zählt bei den Erwachsenen somit zu den am mus sowie mit oder ohne Stützrädern), Drei- oder häufigsten ausgeübten Sportarten [8]. Frauen und gar Vierrädern im Angebot. Ab ca. 2 Jahren fahren Männer sind beim Radfahren anteilsmässig etwa Kinder mit Kinderfahrrädern rund um Haus und gleich stark vertreten. Beim Biken hingegen sind die 176 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Männer in der Mehrheit (73 %), (Abbildung 23). Erhebungsdaten Nur wenige Biker sind in Vereinen organisiert (2 %), gemacht werden. zur Expositionszeit ausfindig einige sind meist in festen Gruppen unterwegs (9 %), die meisten üben aber ihre Sportart ohne In der Studie «Sport Schweiz 2008, Kinder- und Fremdorganisation aus (89 %) [12]. Jugendbericht» [9] wurde das Sportverhalten der 10- bis 19-jährigen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen untersucht. 58 % der Kinder im Alter Kinder und Jugendliche von 10 bis 14 Jahren und 30 % der Jugendlichen Ein grosser Anteil der kleinen Kinder bewegt sich ca. und jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis 19 ab dem 2. Lebensjahr auf Zwei- bis Dreirädern. Jahren geben an, regelmässig Rad respektive Zuerst halten sie sich im und ums Haus herum auf, Mountainbike zu fahren. Bei dieser Angabe sind dann erweitert sich der Bewegungsradius mit dem auch Fahrten zur Schule oder für andere Verrich- Rad kontinuierlich. Kurz nach dem Erreichen des tungen eingeschlossen. Es ist nicht nur die Nutzung ersten Lebensjahrs beginnt bei einigen bereits die des Fahrrads als Sportgerät gemeint. In dieser Laufrad-Phase. In der Schweiz ist diesbezüglich ein Erhebung wird das Radfahren auf und abseits der Boom zu verzeichnen. Die angebotenen Laufrad- Strasse in einer Kategorie zusammengefasst, was Variationen bieten von Federgabel über die Hybrid- keine differenzierte Aussage zum Radfahren abseits version (mit ansteckbarem Kettenantrieb) bis zu der Strasse erlaubt. ausgeklügelten Bremssystemen alles an. Während der Lebensphase zwischen 1,5- und 3-jährig steigt 1.3.3 Fahrgerät die Fahrradgeschwindigkeit kontinuierlich an. Die Kinder erreichen schätzungsweise eine Geschwin- Fahrräder haben zwar meistens zwei Räder, aber je digkeit von 15–20 km/h beim Geradeausfahren. nach Fahrzweck werden Bikes völlig anders gebaut oder ausgerüstet. Ein markantes Unterscheidungs- Über die Nutzung des Fahrrads als Spiel- und merkmal der Bikes, die bei Geländefahrten ver- Sportgerät der unter 10-Jährigen konnten keine wendet werden, ist die Art der Federung. Soge- Abbildung 23 Sportaktivität der Mountainbiker nach Alter und Geschlecht, Jugendliche und Erwachsene, 2007 nannte «Fullys» verfügen vorne und hinten über eine Federung, «Hardtails» nur vorne. Hingegen haben Spezialbikes oder viele der sehr alten Moun- 20% tainbikes zum Teil überhaupt keine Federung. Die 18% Federung dient einerseits dem Komfort, anderer- 16% 14% seits kann in holperigem Gelände die Fahrkontrolle 12% mittels auf den Fahrer abgestimmter Federung 10% deutlich erhöht werden. 8% 6% 4% Seit 3–4 Jahren sind auf dem Markt auch Moun- 2% tainbikes mit leistungsstarken Elektromotoren ver- 0% 15–29 30–44 45–59 60–74 Weiblich 15–29 30–44 45–59 60–74 Männlich fügbar [226]. Dieses Segment wird vermutlich Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [10] bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 177 künftig noch stark zulegen. Zum allgemeinen Sicht von ca. 3000 statt von 28 000 Unfällen bei Nutzungsverhalten liegen noch keine Angaben vor. Kindern und Jugendlichen unter 17 Jahren ausgegangen. Damit beläuft sich das gesamte Unfall- 2. Unfallanalyse ausmass beim «Radfahren/Biking (ohne Strassenverkehr)» neu auf ca. 9000 Verletzte. Die Unfall- Gemäss den Auswertungen in der Publikation tendenz im Segment der UVG-Versicherten ist in «STATUS» ereignen sich jährlich in der Schweizer den letzten Jahren stark zunehmend (Abbildung 24). Bevölkerung 34 000 Radsport-Unfälle abseits des Strassenraums [16]. 2.2 Mountainbiken im Gelände In den letzten 12 Jahren wurden beim Radfahren 2.2.1 Alter abseits der Strasse total 14 Getötete registriert, davon 11 Mountainbiker, 2 Radrennfahrer und ein Bei den Erwachsenen, die sich abseits vom System sonstiger Radfahrer [14]. Als Unfallhergang steht der «Strassenverkehr» verletzten, ist eine Häufung von «Sturz aus der Höhe» vor dem «Sturz in der Ebene». Unfällen in der Altersklasse der 26- bis 45-Jährigen Alle Unfallopfer waren männlich, ausser einem 3- zu beobachten. Von den verunfallten Radfahren- jährigen Mädchen, das mit einem Kinderfahrrad in den sind ca. 3000 Personen jünger als 16 Jahre. einen Bach stürzte und ertrank. Nicht Bestandteil Das Unfallgeschehen dieser Altersklasse wird im der vorliegenden Studie sind die verletzten oder Unterschied zu den Ereignissen im Strassenverkehr getöteten Radfahrer, die im System Strassenverkehr oder im Unterschied zum Unfallgeschehen in der verunfallten, unabhängig davon, ob es sich um Altersklasse der obligatorisch nach Unfallversich- trainierende Rennradfahrer, Biker auf Waldwegen erungsgesetz (UVG) versicherten Personen nicht mit motorisiertem Verkehr oder Kleinkinder auf permanent erhoben. Die Kenntnisse zu den Unfall- Kinderrädern umständen bei Kindern und Jugendlichen basieren handelt. Wie bereits eingangs erläutert, wird diese Thematik im bfu-Sicherheits- auf älteren Studien [227]. dossier «Fahrradverkehr» abgehandelt [215]. 2.1 Korrektur der Unfallstatistik Abbildung 24 Entwicklung der Anzahl Verletzter beim Radfahren abseits der Strasse, 1995–2009 Die statistischen Angaben zu den Fahrradunfällen beruhen auf Studien aus den frühen 90er-Jahren 7000 [227]. Ende der 90er-Jahre hat die bfu erstmals das 6000 gesamte Ausmass der Unfälle im Sport berechnet 5000 [13]. Beim Nachvollziehen dieser Berechnung im 4000 Rahmen der vorliegenden Studie wurde ein Fehler 3000 festgestellt, der bei der damaligen Hochrechnung 2000 gemacht wurde. Die Nachberechnung der Fahrrad- 1000 unfälle bei Kindern und Jugendlichen führt zu einer 0 Anpassung der Unfallzahlen. Es wird aus heutiger 178 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Quelle: bfu, Spezialauswertung; SSUV, UVG-Statistik Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Kollisionen mit anderen Fahrzeugen, auch wenn 2.2.2 Geschlecht diese sich auf Waldstrassen ereignen, nicht Inhalt Bei den verletzten erwachsenen Bikern sind die dieser Unfallanalyse. Bei engen Mountainbike-Trails Männer deutlich in der Mehrzahl. In der UVG-Sta- ist der unmittelbar angrenzende Raum selten hin- tistik z. B. beträgt der Anteil der verletzten männli- dernisfrei, was bei Fahrfehlern eine hohe Gefahr chen Biker im 5-Jahresschnitt (2005–2009) 83 % für Kollisionen mit stationären Objekten birgt. [55]. Auch bei Kindern sind es mehrheitlich Knaben (knapp 60 %), die sich verletzen [227]. 2.2.5 Verletzungsart und -lokalisation 2.2.3 Sportart Erwachsene Mountainbiker Differenziert nach den unterschiedlichen Diszipli- Die UVG-Statistik ermöglicht es, Angaben zur Ver- nen des Radsports «abseits vom Strassenraum» letzungslokalisation und -art der verunfallten 16- bis können nur wenige Aussagen zu den Unfallzahlen 64-jährigen Biker zu machen [179]. Schultergür- gemacht werden. International hat sich die wissen- tel/Oberarm (20 %), untere Extremitäten (16 %), schaftliche Forschung bisher vorwiegend um die Handgelenk/Hand/Finger (17 %) und Rumpf (15 %) Analyse von Überlastungs- und Verletzungsmus- sind die am häufigsten betroffenen Körperregionen. tern von Ausdauerleistungssportlern und Downhillern gekümmert. Für das ausdauernde Biken Betrachtet man alle Verletzungen, so sind weibli- abseits der Strasse kann angegeben werden, dass che Unfallopfer gegenüber männlichen deutlich sich ca. 1,1 Verletzungen pro 1000 Stunden häufiger an Wirbelsäule/Rückenmark (12 % bzw. Sportausübung ereignen [228]. Beim wettkampf- 6 %) und Knie (12 % bzw. 5 %) verletzt. Männer orientierten Downhill-Biking ist die Inzidenz mit verletzen sich dafür deutlich häufiger an Handge- 16,8 ein Mehrfaches höher [229]. lenk/Hand/Finger als Frauen (17 % bzw. 7 %) [55]. 2.2.4 Unfallhergang Auffällig ist, dass sich ein Sportler pro RadsportUnfall durchschnittlich 1,3 Verletzungen zuzieht Die meisten Verletzungen beim Mountainbiken [40]. Kim et al. [230] haben in einer regionalen 10- sind Folgen von Alleinunfällen. Als häufige Unfall- Jahresanalyse festgestellt, dass 399 Patienten 1092 hergänge können «Aus-/Abrutschen mit nachfol- Verletzungen beim Mountainbiken erlitten haben gendem Stürzen», «Anstossen/Anschlagen an et- [230], also sogar 2,7 Verletzungen pro Verunfall- was (Ästen, Felsvorsprüngen, Zäunen)» und «In ten. Diese hohe Zahl von Mehrfachverletzungen etwas hineinfahren/Etwas anfahren mit Sturz- oder deutet darauf hin, dass die radsportspezifischen Kollisionsfolge» aufgezählt werden. Wie oben Stürze und Kollisionen wohl aufgrund der allge- erwähnt (Kap. VIII.1, S. 175), werden in der vorlie- mein höheren Geschwindigkeiten und des harten genden Sturzraums Analyse Strassenverkehrsunfälle nicht berücksichtigt. Sind bei einem Unfall Motorfahr- ein grösseres Verletzungspotenzial beinhalten als bei anderen Sportarten. zeuge beteiligt, so werden diese Fälle dem Unfallbereich Strassenverkehr zugeordnet. Damit sind bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 179 Kinder und Jugendliche sind die Altersklassen so eingeteilt, dass nicht nach Vorschul- und Schulalter differenziert werden kann In einer bfu-Kinderunfallstudie [227] werden die oder nicht klar wird, ob sich der Unfall im öffentli- Verletzungen beim Radfahren detailliert analysiert. chen Verkehrsraum ereignet hat oder nicht. Dabei werden aber immer die Unfälle beim Radfahren sowohl auf als auch abseits der Strasse gemein- In der Schweizer Kinderunfallstatistik der bfu von sam geführt. Es zeigen sich folgende Verletzungs- 1994 machten die «Sportunfälle» 30 % aller Un- lokalisationen: In ca. 55 % der Fälle sind der Kopf- fälle in der Kindheit (< 17-jährig) aus, 19 % davon bereich, in 35 % die oberen und in 20 % die beim «Radsport». In der Altersklasse der 3- bis 5- unteren Extremitäten betroffen. Seit 1993, als die Jährigen macht der «Radsport» gar 28 % und bei Unfalldaten erhoben wurden, hat sich aber die den 6- bis 8-Jährigen 30 % der «Sportunfälle» aus. Charakteristik des Radfahrens (v. a. Helmtragquote, Fahrgerät) stark verändert. Heutige Erhe- In der Verletztenstatistik der Europäischen Union bungen würden höchstwahrscheinlich zu anderen (Injury Database IDB) figuriert das Kinderfahrrad bei Zahlen führen. Kindern unter 5 Jahren auf der Liste der beteiligten Objekte an fünfter Stelle [232]. Oberflächliche Verletzungen und Prellungen stellen mit rund 32 % die häufigsten Verletzungen dar, In einer Studie zu Kinderunfällen in Deutschland gefolgt von Knochenbrüchen mit fast 30 % und waren bei 6 % der Sturzunfälle der unter 4-Jähri- intrakraniellen Verletzungen mit rund 20 %. gen «ein Fahrrad beteiligt» [233], bei den 5- bis 14-Jährigen war dieser Anteil bei 20 %. Aleman und Meyers [231] listen als Resultat einer Literaturübersicht zum Unfallgeschehen bei Kin- In der Verletztenstatistik der Europäischen Union dern folgende Befunde auf: Verglichen mit dem (IDB) rangiert bei den Unfällen der unter 5-Jährigen Radfahren auf der Strasse sind die Kinder beim das Kinderfahrrad an 4. Stelle der am Unfall betei- Mountainbiken abseits der Strasse einem höheren ligten Objekte [232]. Verletzungsrisiko ausgesetzt, das sich in mehr Knochenbrüchen, Verrenkungen, Gehirnerschütterun- Auch wenn das Ausmass der Unfälle von Kleinkin- gen und einem höheren Risiko eines Spitalaufent- dern beim Radfahren abseits der Strasse schlecht halts niederschlägt. abgeschätzt werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass von den ca. 3000 Kindern und 2.3 Erlernen des Radfahrens Jugendlichen (<17 Jahre), die sich jährlich beim Radfahren abseits der Strasse verletzen und ärztlich Das Unfallgeschehen von kleinen Kindern, die da- behandelt werden müssen (Kap. VIII.2.1, S. 178), ein heim ums Haus herum oder gar noch in der Woh- markanter Anteil auf die jüngste Altersklasse fällt. nung das Radfahren erlernen, ist für die Schweiz nicht umfassend dokumentiert. In den Statistiken zu Kinderunfällen werden die Fahrradunfälle der ersten Lebensjahre meist zusammengefasst. Dabei 180 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3. Risikoanalyse Gründen kommt es früher oder später zu einem Konzentrationsabfall. Fällt die Konzentration ab, Wie im Kapitel Methode (Kap. IV.1.2, S. 104) darge- wird die Bewegungssteuerung unpräziser und auch stellt, wird im Folgenden bei der Risikoanalyse ein die Reaktionszeit wird länger, also auch der Anhal- dreistufiges Verfahren angewandt. Zuerst wird teweg bei nötigen Bremsmanövern. Im Vergleich dargestellt, Schweizer zum Radfahren auf der Strasse bedingt das Radfah- Unfallstudien respektive -statistiken bezüglich Un- ren im Gelände einen beinahe permanenten Blick fallursachen und mitverursachenden Faktoren lie- auf die eigentliche Fahrspur. Abschweifen des welche Angaben die fern. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden mit dem aktuell verfügbaren Wissen aus der wissenschaftlichen Literatur ergänzt. Bei der Eruierung der Tabelle 43 Radfahren abseits der Strasse: Bewertung von Risikofaktoren, Erwachsene Risikofaktoren und der Gesamtbewertung der Unfallrelevanz der detektierten Risikofaktoren im Schweizer Kontext (Tabelle 43 und Tabelle 44) Unfallrelevanz 1 2 haben sich die Autoren auch auf Expertenwissen von Fachleuten aus der bfu und externen Beratern abgestützt. Beim Thema «Radfahren abseits der 3 4 Strasse» werden dabei insbesondere die Expertise der «Fachgruppe sicher Mountainbiken (FsMTB)» des bfu-Schwerpunktprogramms Fahrrad/Bike 6 berücksichtigt. 3.1 5 Konzentration 7 Beim Mountainbiken im Gelände (z. B. Singletrails Menschbezogene Risikofaktoren Unaufmerksamkeit/Ablenkung Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit Mangelndes Wissen, ungenügende Tourenvorbereitung und situationsangepasstes Handeln Ungünstiger physiologischer Zustand: Übermüdung, Energiemangel, Temperatureinfluss Mangelnde fahrtechnische Kompetenzen: Fahren, Bremsen, Stürzen Umwelt-/ausrüstungsbezogene Risikofaktoren Mangelhafte Gestaltung vonMountainbikeRouten, -Trails, -Anlagen (Signalisation, Schwierigkeitseinstufung, Markierung Gefahrenstellen) Fehlendes oder mangelhaftes Tragen von Schutzund Rettungsausrüstung wie Helm, Handschuhe, Sehhilfe/Schutzbrille, Mobiltelefon und je nach Disziplin noch andere (Integralhelm, Halskrause, Rücken-/Brust-, Hüft-/Becken-, SchienbeinEllbogenschutz) Ungeeignetes Fahrgerät oder technische Mängel (Typ, Grösse, Ergonomie, Sitzposition, Bremsanlage, Bereifung, Pedalsystem) Ungünstige Gruppendynamik oder Mountainbike-Anlagen) sind die Verletzungen 8 meist Folgen von selbst verursachten Unfällen 9 (Stürzen, Kollisionen mit Objekten). Sie sind also 10 Zu geringe Schutzwirkung von Helm, Rückenschutz selbst und nicht fremd verursacht. Biken auf Naturstrassen ist unvergleichlich schwieriger als das Radfahren auf der Strasse, die normalerweise auch von Motorfahrzeugen benutzt wird. Das Fahren auf Naturwegen verlangt, dass beinahe ununterbrochen auf Richtungsänderungen und Hindernisse reagiert werden kann, setzt also ein hohes Mass an Konzentration voraus. Auf Moutainbike-Touren oder -Trainings sind Biker oft während mehreren Stunden in kleineren oder grösseren Gruppen unterwegs. Aus wahrnehmungsphysiologischen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 44 Radfahren abseits der Strasse: Bewertung von Risikofaktoren, Kinder Spezifische Risikofaktoren für Kinder Unfallrelevanz Mangelnde Betreuung von kleinen Kindern (Risikofaktoren, die nicht nur im Erwachsenen11 bereich, sondern speziell auch bei Kindern relevant sind) v. a. Unaufmerksamkeit/Ablenkung; Fahrfertigkeit; Schutzausrüstung; Fahrgerät Anteil der Verletzten in Prozent >50 >30–50 >20–30 >10–20 ≤10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 181 Blickes, Kommunikation mit Gruppenkolleginnen onsstrategie ist aber wichtig, den sicheren Umgang oder das plötzliche Auftauchen von starken visuel- mit Risiken zu thematisieren. Es sind nicht nur len Reizen (z. B. Licht-Schattenwechsel) sind häu- «Skills», also Fähigkeiten bedeutsam, sondern auch fige Ursachen von Fahrfehlern. das Fördern eines sicheren Verhaltens auf der motivationalen Ebene. 3.2 Gefahrenbewusstsein und Selbststeuerungsfähigkeit 3.3 Kenntnisse und Tourenvorbereitung Beim Moutainbiken im Gelände muss der Sportler Um auf der Strasse sicher Rad zu fahren, sind gute häufig entscheiden, welche Route und welche Spur Kenntnisse der Verkehrsregeln unabdingbar. Diese er wählt. In kritischen Situationen kann es nötig werden im Verlauf der Kindheit und frühen Jugend werden, dass eine Passage zu Fuss statt auf dem über die Eltern, die Schule oder die Verkehrserzie- Bike überwunden wird. Die wechselnde Belagsgrif- hung der Polizei erworben. Auch das sichere Fah- figkeit der Fahrspur verlangt ein häufiges Anpassen ren im Gelände verlangt spezifische Kenntnisse der (Kartenkunde, Fahrgeschwindigkeit oder Bike-Einstellung Signalisation und Markierung, (Sattelhöhe, Federung). All diese Faktoren bedin- Materialkunde, Wetterkunde, Gefahrenbewusst- gen, dass der Sportler fähig ist, die Risiken, die sich sein, Erste Hilfe). Nur erhalten Biker diese selten in aus seiner Fahrweise ergeben, wahrzunehmen, und institutionellem Rahmen vermittelt. Auch die Eltern sich bewusst ist, wie er durch sein Verhalten das können kaum etwas weitergeben, da sie diese Risiko beeinflusst. Er muss bereits bei der Planung, Sportart selten selbst ausüben. Damit besteht ein aber auch während der Bike-Ausfahrt eine Vielzahl latentes Risiko, dass Biker nur über «trial and er- von Entscheidungen treffen, die das Unfallrisiko ror» – also einer heuristischen Methode von Ver- massgeblich beeinflussen. Eine häufige Ursache such und Irrtum – zu Kenntnissen gelangen. Dieser von Mountainbike-Unfällen ist der Umstand, dass Prozess ist in einer Sportart, in der sich Stürze und sich Biker oft auf Wege begeben, die für sie grund- Kollisionen mit hoher Geschwindigkeit und (bei- sätzlich ein sehr hohes Risiko darstellen. Zudem nahe) ohne Knautschzone ereignen können, na- sind sich die Sportler ihrer riskanten Fahrweise und turgemäss verletzungsreich. der Verletzungsfolgen zu wenig bewusst. Dieser ungünstige Umgang mit Risikosituationen kann mit Ohne entsprechende Planung und Vorbereitung den drei Elementen Wahrnehmungs-, Beurteilungs- begeben sich viele Biker in unbekanntes Gelände. und Entscheidungskompetenz charakterisiert wer- Werden die fahrtechnischen Anforderungen einer den. Bei unsicherem Verhalten sind noch überge- Strecke bei der Planung einer Ausfahrt unter- ordnet weitere, intrapersonelle Faktoren wie Moti- schätzt, kann sich der Biker in Situationen bringen, vation und Selbstbild bedeutend. in denen er fahrtechnisch überfordert ist. Auch fehlen bei nachlässiger Vorbereitung Orientie- Es gibt keine wissenschaftlichen Hinweise zur Be- rungshilfen, nötige Verpflegung und Erste-Hilfe- deutsamkeit von mangelnder Selbststeuerungsfä- Material. Zudem werden vorhersehbare spezielle higkeit in Abgrenzung zu ungenügendem Gefah- Wettereinflüsse nicht erkannt. renbewusstsein. Für die Konzeption einer Präventi- 182 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bei Bike-Unfällen hat der Themenkomplex «Man- tief gehen, Schwerpunkt verlagern und die Kombi- gelhaftes Wissen über die ergonomische Bikewahl nation dieser Techniken. Das Erlernen dieser Fertig- und -einstellung», «Richtige Ausrüstung», «Erfor- keiten kann nur in einem längeren Prozess ange- derliche Schritte bei der Tourenplanung», «Fähig- eignet werden. Mountainbiker sind aber oft Quer- keitsangepasste Routenwahl» und «Situations- einsteiger aus dem Strassenradfahren. Für sie stellt bedingtes optimales Verhalten» eine hohe Unfall- das eigentliche Fahren kein Problem dar. Hingegen relevanz. ergeben sich aus den spezifischen Anforderungen des Geländefahrens unerwartete Risikosituationen, 3.4 Physiologischer Zustand mit denen sie anfangs nicht rechnen und auch nicht darauf vorbereitet sind. Beim Biken muss im In Ausdauersportarten, in denen aus Sicherheits- Unterschied zum Radfahren auf der Strasse ab und gründen hohe technische Anforderungen an den zu mit Stürzen gerechnet werden. Der häufigste Sportler gestellt werden, spielt der optimale Leis- Grund für schwere Verletzungen sind Stürze über tungszustand eine bedeutende Rolle. Auf Ausfahr- den Lenker – häufig beim Fahren im Gefälle. Dieser ten kommt es abhängig vom Trainingszustand und Art von Stürzen kann durch ein antizipierendes vom angeschlagenen Fahrrhythmus früher oder Fahren (und Positionieren des Körperschwerpunkts später zur Ermüdung. Beim Mountainbiken führt in Relation zu den Auflagepunkten des Bikes) oder Übermüdung/fehlende Erholungspausen, Energie-/ eine erlernte Falltechnik weitgehend vorgebeugt Flüssigkeitsmangel, werden. Alkohol-/Medikamentenkon- Beim Fahren im Gelände eine Ursache von sum sowie Überhitzung/Unterkühlung und der unangemessene damit einhergehende Konzentrationsabfall eher zu vielen Unfällen. Meist ist es die überhöhte einem Unfall als in anderen Ausdauersportarten. Geschwindigkeit, die auf Abfahrten zu Unfällen Während Laufen, führt. Aber auch zögerliches und unsicheres und Schwimmen, Langlaufen, aber auch Radfahren auf damit meist zu langsames Fahren kann in gewissen der Strasse bei einem Abfall der optimalen Leis- Situationen (steilen Passagen mit Hindernissen) tungsfähigkeit vor allem langsamer wird, wirkt sich ebenfalls Ursache von Stürzen sein. Eine Ursache ein physiologisch ungünstiger Zustand beim Moun- von schwerwiegenden Unfällen, bei denen der tainbiken in technisch anforderungsreichen Situa- Biker kopfvoran über den Lenker stürzt, kann tionen (v. a. Abfahrten) stark risikoerhöhend für tatsächlich das zögerliche Fahren und die falsche Unfälle aus. Linienwahl in hindernisreichen Passagen sein. 3.5 Zu schnelles Fahren mit dem Mountainbike hat man beim ausdauernden Fahrtechnische Kompetenz Geschwindigkeit ist eine höhere Unfallrelevanz als zu langsames FahMountainbiken im Gelände verlangt nicht nur ein ren. Im Downhill-Rennsport ist die möglichst hohe hohes Mass an Ausdauer, sondern auch an koordi- Geschwindigkeit das eigentliche Wettkampfziel. nativen Fähigkeiten und fahrtechnischem Können. Nur eine geringe Anzahl von Bikern übt diese Form Grundanforderungen sind das richtige Treten, von Biken aus. Das Verletzungsrisiko ist in dieser Bremsen, Schalten und Steuern mit Zusatzanforde- Disziplin trotz besserem Tragverhalten von Schutz- rungen wie antizipieren, be- und entlasten, hoch/ artikeln deutlich höher als beim Tourenfahren. Das bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 183 Befahren von Sprüngen unterschiedlicher Höhe Können, Verhaltenstipps) weitgehend fehlen. sowie das draufgängerische Befahren von verblock- Damit werden Gelegenheitsbiker in Situationen ten Streckenabschnitten kann zwar erlernt werden. manövriert, in denen sie überfordert sein können. Bei einem Fahrfehler ist aber das Verletzungsrisiko sehr hoch, da wegen den hohen Geschwindigkei- Fahren auf Mountainbike-Anlagen kann für ältere ten und den grossen Sturzhöhen die getragene Kinder eine sinnvolle Gelegenheit sein, um sich Schutzausrüstung die auftretenden Kräfte nicht fahrtechnisch weiterzuentwickeln. Damit Kinder abzubauen vermag. Fortschritte machen und wegen Überforderung kein unnötiges Verletzungsrisiko eingehen, muss 3.6 Mountainbike-Routen und -Anlagen das Befahren solcher Anlagen auch von kundigen Begleitern betreut werden, was erfahrungsgemäss Für Wanderer und Schneesportler wurde eine nati- heute oft unterlassen wird. Ausserdem wäre es onal einheitliche Signalisation der Wege respektive erforderlich, dass Anlagen, die für Kinder offen Pisten festgelegt. Nutzer dieser Wege werden sind, über adäquate Einrichtungen verfügen, die mittels eines Klassierungssystems auf die techni- den Lernprozess ermöglichen, ohne ein unverhält- schen Anforderungen hingewiesen, die sich aus nismässiges Risiko darzustellen. Bei heutigen Anla- ihrer Routenwahl ergibt. Ein Anfänger respektive gen wird diese Anforderung selten erfüllt. Ungeübter wird darum kaum eine schwarze Skipiste wählen, da er davon ausgehen muss, 3.7 Schutzausrüstung fahrtechnisch überfordert zu werden. Bei der Wahl der Route spezieller Wie erwähnt muss beim Mountainbiken mit Stür- Mountainbike-Routen und -Anlagen können sich zen gerechnet werden. Darum spielt das Tragen Biker flächendeckend einer angemessenen Schutzausrüstung für die einheitlichen Markierungssystem orientieren. Da sie Verletzungsminderung oder -verhinderung eine meist nicht antizipieren können, was auf sie bedeutende Rolle. Da Biker nicht als homogene zukommt, bringen sich Sportler unnötig in kritische Gruppe von Sportlern zu sehen sind, die alle in Situationen. Auch gibt es auf den bestehenden etwa das Gleiche tun, sind die Anforderungen an signalisierten Bike-Routen nur selten Hinweise auf die Schutzausrüstung auch abhängig von der Art gefährliche Stellen, wo ein Fahrfehler fatale Folgen der zu erwartenden Krafteinwirkung auf den haben kann. Obwohl gesetzlich vorgeschrieben, Körper unterschiedlich. an und keinem dem Befahren ähnlichen, fehlt zudem bei Weidezäunen im Streckenverlauf von Bike-Routen oft noch die erforderliche Gefahrenkennzeichnung. Allen Rollsportarten gemeinsam ist der hohe Nutzen des Helmtragens. Diese Erkenntnis hat sich beim Radfahren abseits der Strasse weitgehend Auffällig ist, dass auch bei gewissen Bergstationen, durchgesetzt, im Unterschied zum Radfahren auf wo Seilbahnen Biker mitsamt dem Bike in grosse der Strasse. Radfahrer auf Naturstrassen tragen Höhen bringen, Informationen über die nötigen häufiger einen Helm (78 %) [23] als diejenigen auf Voraussetzungen zum Meistern der Abfahrten der Strasse (44 %) [234]. Hingegen stellt auch (v. a. Bikeart, Schutzausrüstung, fahrtechnisches beim Radfahren abseits von Strassen der Misuse, 184 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 also das nicht korrekte Tragen des Helms, ein zer tragen. Dabei hat das Gewicht der Schutzaus- Problem dar. Vor allem beim Aufsteigen wird bei rüstung eine geringere Relevanz. warmer Witterung der Helm geöffnet oder gar abgezogen. Zwar ist das Verletzungsrisiko beim 3.8 Fahrrad Berganfahren wegen der langsamen Geschwindigkeit reduziert, aber oft wird dann verpasst, beim Mountainbiken im Gelände ist wie erwähnt eine Übergang in die schnellere Fahrt den Helm wieder koordinativ anspruchsvolle Sportart, nicht nur das korrekt aufzusetzen. Downhillbiken, sondern auch das ausdauernde Tourenfahren auf Naturstrassen. Um situativ ange- Das Nichttragen von Vollfingerhandschuhen kann passt auf die fahrtechnischen Anforderungen der die Ursache von ansonsten vermeidbaren Finger- Routenbeschaffenheit reagieren zu können, muss und Handflächenverletzungen sein. Wenn die das Bike optimal an den Menschen angepasst sein. Hand verletzt wird, ist der Betroffene manchmal Damit der Schwerpunkt reaktionsschnell in die über längere Zeit nicht nur im täglichen Leben günstige Position verlagert werden kann, die Er- (z. B. Körperhygiene), sondern auch bei der Er- müdung auf langen Fahrten und schmerzhafte werbstätigkeit eingeschränkt. Druckstellen durch Fehlbelastungen gering sind, muss das Bike mit viel Sachkenntnis ausgewählt Wird die angepasste Korrekturbrille nicht getragen, werden. werden Konturen weniger gut wahrgenommen und das dreidimensionale Sehen ist eingeschränkt Auch bezüglich Bereifung sind die Anforderungen [185,186], was bei schneller Fahrt im Gelände an ein Mountainbike höher als an ein Strassenfahr- risikoerhöhend für Stürze sein kann. Beim Biken im rad. Abgefahrene Reifen haben eine stark reduzierte Wald und Gebüsch fokussiert der Fahrer seine Traktion, was sowohl das Steuern als auch das Fahrspur und nimmt Äste in Augenhöhe oft nur Bremsen beeinträchtigt. Tourenreifen für Kieswege reduziert wahr. Da kann das Tragen der Sonnen- eignen sich nur ungenügend für Fahrten auf Wiesen brille oder bei schlechtem Wetter einer Klarsicht- und unbefestigten nassen Wegen. Fahrten im brille vor Verletzungen schützen. Auch die Blend- Winter, obwohl diese deutlich seltener sind als wirkung und Tränenbildung werden mit dem Bril- Fahrten im Sommerhalbjahr, erfordern ganz spezifi- lentragen reduziert. sche Reifen (eventuell sogar Spikes). Gegenüber dem Biken sind beim Downhillbiken die Bremssysteme von Mountainbikes sind eine sensible Anforderungen der Schutzwirkung an Helme deut- Einrichtung. Der Verschleiss von Bremsbelägen lich höher. Fehlende Kinnbügel oder Nackenkrau- (sowohl von Felgen als auch von Scheibenbremsen) sen reduzieren das Schutzpotenzial in dieser Dis- ist relativ hoch. Zudem führen mechanische Einwir- ziplin. Downhiller haben eine deutlich erhöhte kungen bei Stürzen oder Kollisionen oder als Folge Sturz- und Kollisionsgefahr mit hoher Geschwin- von Transportschäden zu Fehlfunktionen der Brems- digkeit und müssen daher nebst dem Integralhelm anlage. Auch eine unzweckmässige Montage der mit Halskrause auch Rücken-/Brust-, Hüft-/Becken-/ Bremshebel reduziert die Wirksamkeit der gesamten Steissbein-, Ellbogen-, Knie- und Schienbeinschüt- Anlage. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 185 Der überwiegende Anteil aller heute im Gelände geübte Biker. Fahren geübte Biker mit Motorenun- benutzten Mountainbikes ist mit einem Pedalsystem terstützung, so sind sie je nach Elektrobikemodell ausgerüstet (ausser z. B. BMX), das eine direkte aufwärts um ein Vielfaches schneller unterwegs als Verbindung der Schuhsohle mit dem Pedal ermög- ohne Fremdunterstützung, was unweigerlich zu licht. Der Auslösemechanismus dieses Systems muss höherem Unfallrisiko führt. gewährleisten, dass der Fahrer bei Stürzen ungehindert vom Pedal wegkommt. Stürze mit dem Bike, 3.9 Gruppendynamik bei denen sich die Schuhe nicht aus dem Pedal lösen, bergen insbesondere die Gefahr für Knieverlet- Gruppendynamische Prozesse führen zu überstei- zungen. Wegen der Bewegungseinschränkung ist gertem Risikoverhalten. Dies geschieht nicht nur, auch ein Abrollen nicht möglich, was die Gefahr von weil bei fehlender Absprache einzelne Gruppen- Verletzungen der oberen Extremitäten und des mitglieder unter-, meist aber überfordert werden, Kopfes erhöht. sondern auch weil sich beim Biken Imponiergehabe in technisch anspruchsvollen Abschnitten risiko- Mountainbikes nützen sich beim Einsatz im Gelände steigernd auswirkt. Dies ist vor allem bei jungen schnell ab. Unterhaltsarbeiten sind beinahe nach Männern ein bekanntes Phänomen. Auch führt die jeder längeren Ausfahrt im Gelände nötig. Aus Interaktion auf den oft schmalen Pfaden unweiger- Nachlässigkeit und wegen fehlenden handwerkli- lich zu einer erhöhten Kollisionsgefahr. chen Könnens werden diese Servicearbeiten nicht oder nur schlecht ausgeführt. Da kein regelmässiger 3.10 Wirksamkeit der Schutzausrüstung Service vorgeschrieben ist, wie das bei den meisten anderen Fahrzeugen der Fall ist, kommt es auf die Da explizite Normvorgaben für die spezifischen Gewissenhaftigkeit des Fahrzeugführers an, ob das Anforderungen an Schutzartikel für Biker zum Teil Moutainbike in technisch sicherem Zustand benutzt noch fehlen, gibt es heute auf dem Markt Pro- wird. dukte, die nach Einschätzung von Experten nur eine eingeschränkte Schutzwirkung haben. Zudem Wie sich der voraussehbare Boom bei Elektromoun- stagniert die Entwicklung der Fahrradhelme in tainbikes auf das Unfallgeschehen auswirken wird, Bezug auf die Schutzwirkung seit längerem. kann nur vermutet werden, da noch keine konkreten Anhaltspunkte für die Abschätzung des Gesam- 3.11 Erlernen des Radfahrens tunfallgeschehens vorliegen. Mit Elektromountainbikes fahren Personen in topografisch anspruchs- 3.11.1 Mangelnde Betreuung vollem Gelände, die sonst wegen mangelnder konditioneller Voraussetzung dies nicht tun könnten Das Erlernen des Radfahrens ist eine schwierige und daher auch nicht tun würden. Es wird davon Aufgabe für kleine Kinder. Bei den ersten Lauf-/ ausgegangen, dass das Unfallrisiko für solche Leute, Rollversuchen mit dem Laufrad auf ebener Fläche die zudem mit einem schwereren Fahrgerät unter- im Wohnraum ist das Verletzungsrisiko noch relativ wegs sind, in technisch schwierigen Passagen und bescheiden. Sind aber Absturzstellen (u. a. Innen- auf Abfahrten höher ist als für besser trainierte und und Aussentreppen) nicht vollständig gesichert, ist 186 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 das Risiko hoch, herunter zu fallen, da sich Kinder Bei Kindern sind die motorischen Fähigkeiten im beim Fahren oft nur auf ihr Gerät konzentrieren Allgemeinen und die koordinativen Kompetenzen und zudem hie und da die Kontrolle über das Ge- im Speziellen noch wenig ausgeprägt. Gleichge- rät verlieren. wichts-, Orientierungs- und Differenzierungsfähigkeiten sind wesentliche Einflussfaktoren für moto- Kinder auf Laufrädern werden im Strassenraum risch «sicheres» Radfahren. Die motorische Ent- überfordert. Sie sind deutlich schneller unterwegs wicklung der Kinder, die für sicheres Radfahren als ihre Begleitpersonen, beherrschen aber das Voraussetzung ist, verlangt über mehrere Jahre der Fahren noch nicht ausreichend, um bei Hindernis- Kindheit hinweg hohes Engagement und viel Ge- sen, Trottoirübergängen, Fussgängerstreifen oder duld der Aufsichtspersonen. parkierten und querenden Motorfahrzeugen anhalten zu können, insbesondere da die meisten 3.11.2 Fahrradhelm Laufräder über keine Bremseinrichtung verfügen. Trottoirs sind kein Schonraum für ungeübte, unbe- Aufgrund der physiognomischen Voraussetzungen gleitete Kinder auf Laufrädern. ist bei kleinen Kindern die Gefahr für eine Kopfverletzung im Sport deutlich höher als bei Erwach- Auch die Phase unmittelbar nach dem Erlernen des senen. Das Nichttragen des Fahrradhelms beim Rad- freien Radfahrens ist noch kritisch. Kinder haben fahren ist bei Kindern ein bedeutender Risikofaktor noch ein zu wenig gut entwickeltes Gefahrenbe- für Kopfverletzungen. Zwar ist die Helmtragquote wusstsein, um die Risiken ihrer Handlungen selbst der Kinder höher als diejenige der Erwachsenen, einschätzen zu können. Dies führt dazu, dass Kin- dafür muss aber davon ausgegangen werden, dass der Manöver versuchen oder Wege einschlagen, bei Kindern, die einen Helm tragen, der Sitz oft nicht die sie nicht sicher bewältigen können. 5- bis 6- optimal ist. Die falsche Wahl des Helms, das jährige Kinder erkennen Gefahr erst, wenn sie fehlende Anpassen und das Unterlassen der steten bereits gefährdet sind. Vorausschauendes Gefah- Kontrolle des richtigen Sitzes des Helms können die renbewusstsein ist mit ca. 8 Jahren vorhanden, Wirkung des Helms bei einem Unfall reduzieren. präventives Verhalten mit ca. 10 Jahren [235]. 3.11.3 Fahrgerät für Kinder Zusammenfassend kann gesagt werden, dass beim Erlernen des Radfahrens fehlende oder mangel- Das Verletzungsrisiko beim Erlernen des Radfahrens hafte Betreuung durch Aufsichtspersonen ein wird deutlich gesteigert, wenn Laufräder nicht so bedeutender Risikofaktor darstellt. konstruiert sind, dass ein vollständiges Einschlagen des Lenkers verhindert wird. Drehen sich der Lenker Die Lernphase bis zum selbstständigen sicheren Fah- und damit das Vorderrad unvermittelt stark ab, so ren – wenn auch nur in einem Schonraum (wie z. B. sind auch bei niedriger Geschwindigkeit ein Sturz die Wohnstrasse) – verlangt eine hohe Präsenz einer über den Lenker und ein nachfolgender Abprall auf Begleitperson, die fähig ist, dem Kind die nötigen Gesicht und Kopf möglich. Nicht alle Laufräder sind Kenntnisse und sicheres Verhalten beizubringen, so konstruiert, dass das Abdrehen des Lenkers und es beim Erlernen der Fertigkeiten unterstützt. eingeschränkt ist. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 187 Was bei einer Vielzahl der kleinen Laufräder auch schaftspolitische) Umsetzbarkeit bewertet. Basie- fehlt, ist eine genügend grosse Lenkerendkappe. rend auf diesen drei Kriterien Wirksamkeit, Effi- Bei Stürzen von Kindern kann es zum Aufprallen zienz und Umsetzbarkeit wird jeder Präventions- der Bauchgegend auf dem blockierten Lenker möglichkeit ein Prädikat verliehen, das angibt, ob kommen. Haben die Lenker keine genügend gros- eine Umsetzung der Massnahme empfehlenswert sen Abschlüsse, so kann es zu einer Schädigung ist oder nicht (Tabelle 45). Als Resultat dieser Ana- der inneren Organe (mit oder ohne Perforation der lyse werden die Präventionsmassnahmen mit Emp- Hautschichten und Organe) kommen. fehlungscharakter in einer «short list» aufgeführt (Tabelle 46). Bremsanlagen von Kinderfahrrädern sind häufig mit Bremshebeln und Kraftübertragungseinrichtungen ausgerüstet, die für kleine Kinder kaum oder überhaupt nicht bedienbar sind. Zudem sind die Bremsen, wenn überhaupt vorhanden, auf der anderen Lenkerseite montiert als dies bei Fahrrädern für Erwachsene in der Schweiz der Fall ist, was beim Wechsel vom Kinder- zum Erwachsenenfahrrad zu einer Verwechselung der Bremsen mit Sturzfolge führen kann. 4. Interventionsanalyse Nachdem im Kapitel VIII.3, S. 181 ein Überblick über die Risikofaktoren gegeben wurde, die massgeblich bei Bike-Unfällen eine mitverursachende Rolle spielen, wird im Folgenden aufgezeigt, welche mögliche Präventionsmassnahmen sind, um das Risiko für Bike-Unfälle zu reduzieren (Kap. IV.1.3, S. 107). Diese von Fachleuten aus der bfu und der Moutainbikeszene («Fachgruppe sicher Mountainbiken FsMTB») zusammengetragenen Präventionsmöglichkeiten («long list») wurden anschliessend bewertet. Dabei wird abgeschätzt, wie hoch die Wirksamkeit der Präventionsmöglichkeit ist, um Unfälle im Mountainbikesport zu verhindern oder deren Schwere zu reduzieren. Auch werden die Wirtschaftlichkeit (Effizienz) und die (u. a. gesell- 188 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 45 Radfahren abseits der Strasse: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten Risikofaktor 1 Konzentration 2 Ungenügendes Gefahrenbewusstsein und fehlende Selbststeuerungsfähigkeit 3 Mangelndes Wissen, ungenügende Tourenvorbereitung und unangepasstes situatives Handeln 4 Ungünstiger physiologischer Zustand: Übermüdung, Energiemangel, Temperatureinfluss 5 Mangelnde fahrtechnische Kompetenzen: Fahren, Bremsen, Stürzen 6 Mangelnde Gestaltung von MTBRouten, -Trails, -Anlagen (Signalisation, Schwierigkeitseinstufung, Markierung Gefahrenstellen) 7 Fehlendes oder mangelhaftes Tragen von Schutzausrüstung wie Helm, Handschuhe, Sehhilfe, Schutzbrille, Mobiltelefon, GPS und je nach Disziplin noch andere Schützer bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Präventionsmöglichkeiten Informationsanstrengungen unternehmen, um Bedeutung der Konzentration als Sicherheitsmassnahme bewusst zu machen (in den bestehenden Bike-Kursen, in den verfügbaren Broschüren) In allen formellen Fahrtrainings die vorrangige Bedeutung von fähigkeitsangepasstem Agieren im Gelände vermitteln Gefahrenbewusstsein schaffen, konkretes risikoreduzierendes Handeln aufzeigen und auch psychologische Einflüsse bei risikorelevanten Entscheiden bewusst machen (z. B. in Safety Tool oder Publikumsbroschüren) Kampagne «Slow down – take it easy» auf Biken ausweiten Gut konzipierte Kommunikationskampagne/Aktionen (inkl. Modul in existierenden Kursen) zur Steigerung des Gefahrenbewusstseins beim Mountainbiken (Themen: Konzentration, angemessene Geschwindigkeit, Übermüdung, Tourenplanung) (bei grosser Verbreitung teuer, da personalintensiv) In allen formellen Fahrtrainings primär Planung und situationsangepasstes Handeln thematisieren Informationsanstrengungen unternehmen, um Bedeutung des optimalen physiologischen Zustands als Sicherheitsmassnahme bewusst zu machen Sicherheitsrelevante fahrtechnische Elemente (z. B. Bremsen auf nasser, nicht befestigter Unterlage) als didaktisches Mittel im Rahmen einer institutionalisierten Verkehrserziehung zur Förderung des Gefahrenbewusstseins Den Strassenradfahrern, die mit Biken im Gelände beginnen, einen Kurs (Fahrtechniktraining, Gefahrensensibilisierung, Material-/Reparaturkunde, Tourenplanung) empfehlen und Informationsmaterial abgeben Institutionalisiertes fahrspezifisches Mountainbiketraining (z. B. in Sportunterricht) für Kinder/Jugendliche. Themen: Gefahrenbewusstsein, Regelkenntnisse, korrektes Fahren/sichere Manöver (z. B. Bremsen, Stürzen), defensiver Fahrstil (z. B. angemessene Geschwindigkeit) Erarbeitung und Umsetzung von Standards für einheitliche Schwierigkeitsstufen, Gefahrenstellen für MTB-Routen erarbeiten und Routen entsprechend signalisieren. Diese Informationen sollen auch Seilbahnen den Bikern vermitteln, die sie transportieren Unterstützung der nationalen Bestrebung «Safety Scouts» aus dem Gebiet Langsamverkehr einsetzen und diese auch auf Bikewegen ansetzen, um infrastrukturelle Schwachstellen zu detektieren, um bei Handlungsbedarf schwerpunktorientiert Sanierungen veranlassen zu können. Informationsanstrengungen, um Landeigentümer und Landwirte für das korrekte Signalisieren von Weidezäunen und anderen akuten Gefahrenstellen zu sensibilisieren Informationsanstrengungen unternehmen, um Bedeutung des Tragens der Schutzausrüstung als Sicherheitsmassnahme bewusst zu machen, und konkrete Hinweise für korrektes Tragen geben (v. a. Helm, Sehhilfe, rel. unbedeutende Schutzwirkung des Rückenschutzes), für Spezialgruppen auch: Integralhelm, Halskrause, Rücken-/Brustschutz, Hüftschutz, Schienbeinschutz, Ellbogenschutz, Klingel, Schuhe. Prädikat Bewertung Wirksam- Effizienz Umsetzkeit barkeit ± + + 2 ± - + 3* ± + + 2* – ± – ± + + 4 2 ± - + 3* - ± ++ 2* ± ± ± 3 + - ± 3 + ± - 3 + + ++ 1* - ± - 3* ± + + 2* ± ± + 2* Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 189 Tabelle 45 – Fortsetzung Radfahren abseits der Strasse: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten Risikofaktor 8 9 1 0 1 1 Präventionsmöglichkeiten Ungeeignetes Fahrgerät oder technische Mängel (Typ, Grösse/Ergonomie, Sitzposition, Bremsanlage, Bereifung, Pedalsystem) Zielgruppenspezifische Informationsanstrengungen (inkl. Handlungsanweisungen) unternehmen, um Bedeutung der optimalen Ausrüstung zu vermitteln Instandhaltung von Fahrrad und Ausrüstung mittels Kampagne fördern Ungünstige Gruppendynamik Zielgruppenspezifische Informationsanstrengungen (inkl. Handlungsanweisungen) unternehmen, um Bedeutung der Selbststeuerungsfähigkeit auch im Gruppengefüge zu vermitteln Zu geringe Schutzwirkung von Helm, Forschungsanstrengungen unterstützen, die zur Steigerung Rückenschutz der Schutzwirkung von Schutzartikeln beitragen Marktkontrolle: Qualitätsstandard Helme Präventionsmöglichkeiten kinderspezifisch Mangelnde Betreuung von kleinen Informationsanstrengungen (inkl. Handlungsanweisungen) Kindern unternehmen, um Bedeutung der engen Begleitung des Erlernens des Radfahrens als Sicherheitsmassnahme bewusst zu machen und um Eltern die entwicklungsstufengerechten Anforderungen beim Lernen des Radfahrens zu vermitteln (z. B. in bfu-Kinderpost) Mangelnde fahrtechnische Fördern der spezifischen koordinativen Fähigkeiten für das Kompetenzen: Fahren, Bremsen, Radfahren bei Kindern (z. B. mit Kinderlaufrad oder Stürzen Trottinett aber auch beim Spielen im Schonraum) Fehlendes oder mangelhaftes Tragen Beim Verkauf eines Kinderfahrrads, den Verkauf eines von Helm und guten Schuhen Kinderhelms subventionieren Informationsanstrengungen unternehmen, um Eltern für die relevanten Aspekte für das Helmtragen und gute Schuhe zu sensibilisieren (z. B. mittels bfu-Kinderpost) Ungeeignetes Fahrgerät oder Informationsanstrengungen unternehmen, um Eltern über technische Mängel: Typ, Grösse die relevanten Aspekte bei der Wahl des Fahrrads und der (Ergonomie), Sitzposition, Bremsanlage weiteren Ausrüstung zu informieren (z. B. mittels bfuKinderpost) Zum Lernen des Radfahrens den Nutzen eines Laufrades statt eines Fahrrads mit Stützrädern empfehlen (präventiver Charakter muss noch näher untersucht werden) Fahrradhandel sensibilisieren für die Bedeutung von kinderfreundlichen Bremsanlagen Skala Prädikat: 1= Sehr empfehlenswert 2= Empfehlenswert 3= Bedingt empfehlenswert 4= Nicht empfehlenswert Prädikat Bewertung Wirksam- Effizienz Umsetzkeit barkeit + ± + 2* - - + 3* ± - - 3 + ± + 2* +/- + + 2* + + + 1 + - - 3* ± ± ± 3 ± + + 2* + + ± 2 ± ± + 2 + ± - 3 Skala Beurteilung (Wirksamkeit, Effizienz, Umsetzbarkeit) ++ = Sehr hoch + = Hoch +/= Mittel = Tief = Sehr tief – Legende: * = wird z. T. schon umgesetzt 190 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.1 Konzentration bewusstseins und der Selbststeuerungsfähigkeit beim Radfahren für Schüler. Das konzentrierte Befahren von heiklen Passagen gehört zu den primären Elementen des sicheren Die Idee und der Kommunikationsansatz der aktu- Bikens. Biken findet meist auf unebener Unterlage, ellen Unfallpräventionskampagne gegen das Rasen auf schmalen, topografisch anspruchsvollen Strassen im Strassenverkehr «Slow down – take it easy» und Wegen statt. Die relativ hohe fahrtechnische könnte auf das Biken ausgeweitet werden. Im Anforderung ist inhärentes Element dieser Sportart. Sport kann aber keine hohe Wirkung von einem Wie in allen technisch anspruchsvollen Sportarten solchen Ansatz erwartet werden, da schnelles Fah- spielt die Konzentration eine wichtige Rolle für die ren ein eigentliches Leistungsziel ist. Aus diesem präzise Bewegungssteuerung. Es ist «empfehlens- Grund ist ein Transfer dieses Kampagnenansatzes wert», Informationsanstrengungen (z. B. in beste- «nicht empfehlenswert». Alternativ dazu könnten henden Informationsbroschüren und in bestehen- an neuralgischen Stellen gezielte Präventionsbot- den Kursangeboten) zu unternehmen, um Bikern schaften für das Zielpublikum vermittelt werden. die Sicherheitsrelevanz von permanentem konzentriertem Fahren in technisch anspruchsvollen Passa- 4.3 Kenntnisse und Tourenvorbereitung gen bewusster zu machen. Kenntnisse über das Mountainbiken kann man sich 4.2 Gefahrenbewusstsein und Selbst- selbstverständlich steuerungsfähigkeit institutionellen Schulungsangeboten wird aber im autodidaktisch aneignen. In Allgemeinen fokussierter gelernt. Bereits heute In allen formell organisierten Fahrtrainings (J+S- existiert ein breites Angebot an Bike-Kursen für Kurse, Vereinstrainings, Schulsportausflüge) könnte Erwachsene. Es wäre wünschenswert, wenn in die Bedeutung von fähigkeitsangepasstem Agieren dieser von Fachleuten vermittelter Ausbildung ver- im Gelände als wichtige Sicherheitsmassnahme mehrt auch Aspekte wie sicherheitsrelevantes Ver- propagiert werden. Dieser Aspekt ist bereits heute halten, allgemein ein Element der Ausbildung. Weiterrei- rungsfähigkeit thematisiert würden. Auch Touristi- chende Anstrengungen in diese Richtung sind ker, Sportleiter, Lehrer und Fachmedien sollten der wegen des hohen Aufwands, der sich daraus erge- Thematik der sicherheitsorientierten Tourenvorbe- ben würde, nur «bedingt empfehlenswert». reitung in ihren Ausbildungsgängen und Einsatz- Gefahrenbewusstsein und Selbststeue- mitteln den nötigen Nachdruck verschaffen. Der Bikern sollte ein besseres Bewusstsein für die Risi- Aufwand, der sich ergeben würde, um flächende- ken vermittelt werden, die sie in ihrer Sportart ckend konsistente sicherheitsrelevante Lehrinhalte eingehen, und wie sie ihre Sportart sicherheitsge- garantieren zu können, wäre hoch, was zu einer recht ausüben können. Eine «empfehlenswerte» Gesamtbeurteilung von nur «bedingt empfehlens- Möglichkeit wäre das Entwickeln und die Dissemi- wert» führt. nation einer spezifischen Ausgabe der Unterrichtshilfen «Safety Tool» zur Entwicklung des Gefahren- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 191 Es könnten eine gut konzipierte Kommunikations- mittelfristig breite Verbreitung erfahren und ist aus kampagne oder diverse spezifische Aktionen zur diesen Gründen «empfehlenswert». Steigerung des Gefahrenbewusstseins beim Mountainbiken lanciert werden. Die Elemente Konzent- 4.5 Fahrtechnische Fertigkeiten ration, angemessene Geschwindigkeit, Übermüdung und Tourenplanung sollten dabei abgedeckt Die spezifische Fahrtechnik für das Radfahren im sein. Solch eine Kampagne wäre zwar «empfeh- Gelände sollte man sich in Kursen aneignen, die lenswert», aber bei grosser Verbreitung kostenin- von Fachleuten geleitet werden. Bereits heute gibt tensiv, da personalaufwändig. Zu prüfen wäre, ob es ein breites Angebot solcher Kurse in der Biker zeit- und ortsnahe mit gezielten Informatio- gesamten Schweiz. Jungen oder älteren Sportlern, nen angesprochen werden können, damit die Kos- die mit dem Biken beginnen wollen, Ungeübten, ten-Nutzen-Relation besser wäre. die noch unbeholfen unterwegs sind und Strassenradfahrern, die auf eine Geländemaschine um- 4.4 Physiologischer Zustand satteln wollen, sollte aktiv die Teilnahme an einer Ausbildungseinheit empfohlen werden. In der Symptome der Ermüdung kann ein Sportler selbst Ausbildung sollten aber nicht nur technische Fertig- wahrnehmen und sich bewusst werden, dass eine keiten geschult, sondern allgemein das sichere adäquate Reaktion darauf zu einer Reduktion des Fahren gefördert werden, also u. a. auch Elemente Verletzungsrisikos führt (Energieaufnahme, Pause, wie Gefahrenbewusstsein und Selbststeuerungs- Verkürzen der Bike-Tour, angepasste Routenwahl, fähigkeit, defensives Fahren). Besonders Flüssigkeitsmangel nung (vgl. Zweiphasenausbildung der Neulenker im und Unterzuckerung führen temporär zu deutlicher Strassenverkehr [237]). Solche Kurse werden aber Beeinträchtigung der koordinativen Fähigkeiten. nur von einem kleineren Anteil der Biker besucht Bei antizipierender Flüssigkeits- und Energieauf- und zudem vermutlich vorwiegend von Sicher- nahme kann dieser Gefahr weitgehend ausge- heitsbewussten. Auch müssten die Multiplikatoren wichen werden. Auch starke Überhitzung des Kör- entsprechend geschult werden, damit in den pers, bis hin zu Hitzestau und -schlag, können bei Kursen die Präventionsanliegen gebührend berück- unvorsichtiger Tourenplanung und ungünstigen sichtigt würden. Aus diesem Grund sind An- Entscheiden unterwegs auftreten. Kenntnisse über strengungen für das Anpreisen solcher Kurse nur das angemessene Verhalten können auch diesen «bedingt empfehlenswert». Zumindest sollten aber Risikofaktor weitgehend ausschalten. die Anbieter von fahrtechnischen Ausbildungen Material-/Reparaturkunde, Tourenpla- ihre Kursteilnehmenden in die offiziellen SchwieDieses Wissen sollte Bikern in Ausbildungsgängen rigkeitsstufen einführen (diese sind seit 2012 erst klar gemacht werden, sollte aber auch in Einsatz- in mitteln zur Gefahrensensibilisierung im Bikesport welcher Stufe ihr Fahrkönnen entspricht. Entwicklung) und ihnen kommunizieren, (z. B. Publikumsbroschüre Mountainbike [236]) abgedeckt sein. Das Aufnehmen dieser Präventi- Es ist zu erwarten, dass der Vorschlag, für alle Kin- onsbotschaft in bestehenden Informationsgefässen der wäre mit wenig Aufwand zu realisieren, würde Vermitteln von Sicherheitsaspekten einzuführen, 192 im Schulsport Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) Biketrainings inkl. dem bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 auf wenig Akzeptanz stossen würde, was diese Routen auch ein Beitrag für mehr Sicherheit Massnahmen bedeutet. Es sollte ein allgemein anerkanntes und nur «bedingt empfehlenswert» macht. Wo diese bereits heute umgesetzt wird, verbindliches System zur Definition der sollte dies natürlich beibehalten werden. Schwierigkeitsstufen von Mountainbike-Strecken mit den diversen Stakeholdern erarbeitet und umgesetzt 4.6 Mountainbike-Routen und -Anlagen sowie dieses den Bikern bekannt gemacht werden. Das gut ausgearbeitete Routennetz von SchweizMobil Es ist «sehr empfehlenswert», wenn Bergbahnen [www.mountainbikeland.ch] glänzendes unten an der Talstation analog der «Orientierungs- Beispiel dafür, wie bei der Förderung von muskel- tafel» im Winter [239] auch für den Mountainbike- unterstützter Bewegung auch Aspekte der Sicher- betrieb eine Übersichtstafel anbringen. Die ange- heit berücksichtigt werden können. Der Strecken- botenen Touren sind eingetragen, Schwierigkeits- verlauf ist zweckmässig gewählt, die Information grade und Streckenzustand sind ersichtlich, Wet- umfassend und adressatengerecht (Informationen termeldungen, zu Mar- laufend aktualisiert. Ebenfalls ist als «empfehlens- kierung) und die Betreuung der Biker unterwegs wert» zu werten, wenn oben am Berg die Biker (Verpflegungsmöglichkeiten, Servicestationen, Ab- direkt nach dem Ausstieg aus den Transportanla- kürzungsvarianten, Transportmöglichkeiten mit öf- gen durch Hinweisschilder und Richtungsangaben fentlichem Verkehr usw.) vorbildlich. Es ist «sehr auf die geeignete Strecke geleitet werden. ist Planungsmöglichkeiten, ein Signalisation, Verhaltensregeln usw. werden empfehlenswert», dass auch lokale Bike-Routen so konzipiert, eingerichtet und signalisiert werden. Es wird davon ausgegangen, dass der Einsatz von Laien als Safety Scouts zur Gefahrenanalyse auf Es ist «sehr empfehlenswert», wenn die Fachorga- Bike-Routen (was in anderen Bereichen des Lang- nisationen Richtlinien für die Signalisation von Ge- samverkehrs diskutiert wird) keine wirkungsvolle fahrenstellen auf Bike-Routen erarbeiten und diese Präventionsmassnahme pro aktiv Touristikern, Politikern und Planern kom- empfehlenswert» ist. und darum «nicht muniziert werden. Die Informationsanstrengungen der Beratungsstelle Markierungen auf den lokalen touristischen für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) optimiert sind eine sinnvolle und «sehr empfehlenswerte» werden. Dabei sind die Markierungsstandards des Massnahme, die beibehalten werden soll. Land- Bundesamts für Strassen (ASTRA) und der Stiftung eigentümer und Landwirte werden so für die SchweizMobil [238] als Vorgabe zu betrachten. korrekte Signalisierung von Weidezäunen und Ergänzend sollten die Schwierigkeitsstufen der anderen akuten Gefahrenstellen sensibilisiert. Mountainbike-Routen sollten laufend Strecken auf den Markierungen angebracht werden. 4.7 Schutzausrüstung tragen Touristiker, Behörden und Planer sollten dafür sensibilisiert werden, dass eine einheitliche, durch- «Empfehlenswert» sind zusätzliche Informations- gehende Markierung auf offiziellen Mountainbike- anstrengungen, um die Bedeutung des Tragens der bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 193 Schutzausrüstung als Sicherheitsmassnahme be- und Ausrüstung» mittels einer breiteren Kampagne wusst zu machen und konkrete Hinweise für kor- zu informieren, ist aus Ressourcengründen nur rektes Tragen zu geben (v. a. Helm, Sehhilfe, ein- «bedingt empfehlenswert». geschränkte Schutzwirkung des Rückenschutzes). Für Spezialgruppen auch: Integralhelm, Halskrause, 4.9 Gruppendynamik Rücken-/Brustschutz, Hüftschutz, Schienbeinschutz, Ellbogenschutz, Klingel, Spezialschuhe. Viele Biker haben eine am Leistungssport orientierte Haltung. Biken in Gruppen führt erfahrungs- 4.8 Fahrrad gemäss immer wieder zu wettkampfähnlichen Situationen. Dabei wird im Übermut die Grenze der Der Grossteil der auf dem Markt verfügbaren Bikes eigenen Fahrfähigkeit rasch überschritten. Stürze hat einen hohen qualitativen Standard. Zwar kön- als Folge von derartigen Situationen können nen Produktetests im Sinn einer Qualitätssicherung schlimm enden. Besonders in Abfahrten wirkt sich dazu führen, dass Sportausrüstung von schlechter die Kombination von hoher Geschwindigkeit und Qualität vom Markt genommen werden muss, aber nahem Auffahren oder Überholen stark risikostei- die Unfallrelevanz von Materialfehlern oder unge- gernd aus. Dieser Umstand muss den (vor allem nügender Qualität von Neumaterial ist schät- jungen männlichen) Bikern klar gemacht werden. zungsweise tief. Dies kann in Kursen geschehen, sollten die Jungen überhaupt an solchen teilnehmen. Es ist auch Dem Bike-Unterhalt sollte aber vermehrt Beachtung denkbar, gemeinsam mit Sportpsychologen und geschenkt werden. Im Sicherheitsdossier «Fahrrad- «Special interest»-Zeitschriften eine Informations- verkehr» wird davon ausgegangen, dass dem un- und Ausbildungsoffensive zur Bedeutung grup- genügenden Unterhalt des Materials nur eine ge- pendynamischer Prozesse im Mountainbike-Sport ringe Sicherheitsbedeutung zukommt [215]. Beim zu Fahren im Gelände spielt hingegen die volle Funk- könnten aber auch fachlich und didaktisch gut tionstüchtigkeit des Materials in Bezug auf die aufgearbeitet in Onlineportalen zum Thema Biken Sicherheit eine wichtige Rolle. Bikern muss stärker an die spezielle Zielgruppe gerichtet werden. Da bewusst gemacht werden, dass in dieser Sportart sich die Hochrisikogruppe kaum für Präventions- die permanente Wartung des Materials eine un- botschaften interessiert und der Zugang zur Ziel- abdingbare Rolle für die Sicherheit spielt. Dabei gruppe über Medien schwierig ist, wird diese Mass- muss klar gemacht werden, dass die meisten Un- nahme als «bedingt empfehlenswert» beurteilt. lancieren. Die «Präventionsbotschaften» terhaltsarbeiten nicht ohne Spezialwerkzeug und spezifische Ausbildung ausgeführt werden können 4.10 Wirksamkeit der Schutzausrüstung und von Fachleuten mit Erfahrung gemacht werden sollten. «Empfehlenswert» sind zielgruppenspe- Dass der Helm eine wirksame Präventionsmassnahme zifische Informationsanstrengungen (inkl. Hand- ist, um bei einem Sturz oder einer Kollision vor einer lungsanweisungen), um die Bedeutung der opti- Verletzung malen Ausrüstung zu vermitteln. Biker über die unbestritten [240]. Dass ein Helm bei sehr hoher Sicherheitsrelevanz der «Instandhaltung von Bike Krafteinwirkung den Körper nicht mehr genügend 194 zu schützen, Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) ist wissenschaftlich bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 schützen kann, um eine Verletzung zu verhindern, ist Fahrradhelm: Wünschenswert wäre, wenn beim aus physikalischen und biomechanischen Überleg- Verkauf zu jedem Kinderfahrrad automatisch ein ungen auch einleuchtend. Um Kraftstösse abbauen Fahrradhelm dazu verkauft würde. Idealerweise zu können, bedarf es eines ausreichenden Brems- wäre der Helm im Fahrradpreis inbegriffen [215]. In wegs und dieser ist limitiert, denn aus ergonomischen Anbetracht des Aufwands, um diese Massnahme Überlegungen sind den Gestaltungsmöglichkeit eines flächendeckend zu realisieren, muss die Beurteilung Helms Grenzen gesetzt. Doch auch wenn künftige auf «bedingt empfehlenswert» gestuft werden. Helme eine ähnliche Grösse und Körperabdeckung hätten wie die heutigen Modelle, so könnte die Fahrrad: Sowohl Eltern als auch Lehrer, Trainer, Schutzwirkung durch Optimierung von Bauweise, Sportartikelverkäufer und Betreiber von Fahr- verwendetem Material und individueller Passung radbörsen sollten für das Risiko sensibilisiert theoretisch noch deutlich verbessert werden. Die werden, das sich für ein Kind aus der falschen wissenschaftlichen Anstrengungen in Bezug auf eine Wahl des Bikes und/oder der Ausrüstung ergibt. Steigerung der Schutzwirkung von Helmen sind aus Für die erste Lernphase ist der Einsatz eines Sicht der Prävention «empfehlenswert». Laufrades über bestehende Kommunikationskanäle zu «empfehlen». Sehr ähnliche Überlegungen führen zur Einschätzung, dass vor allem auch der «Rückenpanzer», Sinnvoll wäre die aktive Marktbeeinflussung mit dem noch weiterentwickelt werden sollte, um besseren Ziel, kinderfreundliche Bremssysteme zu fördern z. B. Schutz zu gewährleisten – im Fall des Rückenschut- indem besonders gut geeignete Systeme für die zes vor den schwerwiegenden Wirbelsäulen-/Rü- Vergabe des bfu-Sicherheitszeichens (SiZe) aktiv ckenmarkverletzungen. akquiriert werden. Kinderfahrräder werden im Ausland produziert, darum hat der heimische Markt ge- Es ist «empfehlenswert», dass die bfu im Rahmen ringen Einfluss auf die Gestaltung des Angebots, was ihres Auftrags zur Marktkontrolle weiterhin stich- die Umsetzung dieser Idee in Frage stellt und diese probenweise Kontrollen zur Einhaltung der gesetz- Massnahme «bedingt empfehlenswert» macht. lichen Anforderungen an Fahrradhelme durchführt. 4.12 Aktuelle Präventionsanstrengungen 4.11 Betreuung kleiner Kinder Mountainbikespezifische Unfallprävention findet in Begleitetes Lernen: Es ist «empfehlenswert», Infor- der Schweiz aktuell noch relativ wenig Platz. Trotz- mationsanstrengungen (inkl. Handlungsanweisun- dem haben einzelne Organisationen bereits sub- gen) zu unternehmen, um den Eltern oder anderen stanzielle Beiträge geleistet oder sind aktuell in der Begleitpersonen die Bedeutung der engen Beglei- Präventionsarbeit engagiert. tung des Erlernens desRadfahrens als Sicherheitsmassnahme bewusst zu machen und um Eltern Die Helmtragquote auf «Naturstrassen» lag im Jahr und Lehrpersonen die entwicklungsstufengerechte 2007 bei 78 %, in der Deutschschweiz gar bei Anforderungen beim Lernen des Fahrradfahrens zu 88 % [23]. Diese im Vergleich zum Bereich «Rad- vermitteln (z. B. in bfu-Kinderpost, Safety Tool). fahren im Strassenraum» hohe Tragquote ist zum bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 195 Teil auf das Helmobligatorium an Wettkämpfen 5.1 Forschung sowie die langjährige Helmkampagne von Suva und bfu zurückzuführen. Zudem hat die Das international verfügbare wissenschaftliche selbstauferlegte Helmtragpflicht der Ausbildungs- Wissen um erfolgreiche Unfallprävention beim institutionen (Jugend+Sport, Swiss Cycling, private Mountainbiken ist noch relativ bescheiden. Der Kursanbieter) zur allgemeinen Akzeptanz des Mountainbikesport boomt aber in der Schweiz und Helmtragens beigetragen und hat vermutlich über in weiten Teilen Europas. Darum ist zu erwarten, die spezifische Szene hinaus eine grosse Vor- dass auch die Unfallzahlen weiterhin stark zuneh- bildwirkung. men werden. Die Prävention von Bike-Unfällen wird also weiterhin ein Schwerpunkt der bfu im SchweizMobil hat im Rahmen der Erarbeitung und Bereich Sport darstellen. Für eine erfolgreiche Realisierung Schweiz» Themenfestlegung, Planung, Umsetzung und Eva- (www.mountainbikeland.ch) gemeinsam mit den luation von wirksamen Präventionsmassnahmen ist Kantonen die Grundlage für eine einheitliche Mar- die Unfallforschung (v. a. Unfall-Screening) und kierung von Mountainbike-Routen gelegt. Diese das Wissensmanagement (sammeln, aufarbeiten basiert auf der Schweizer Norm für die Signalisation und disseminieren von Präventionswissen) weiter- des Langsamverkehrs (SN 640 829). hin eine dringende Aufgabe. Die bfu hat in Kooperation mit einigen privaten 5.2 des «Mountainbikeland Ausbildung Bauern und Betreibern von Mountainbike-Anlagen die Fachbroschüre «Mountainbike-Anlagen: Pla- Es wurde in diesem Bericht mehrfach dargestellt, nung, Bau und Betrieb» erarbeitet und publiziert dass Biken eine technisch anspruchsvolle Sportart [225]. Diese soll als Arbeitsgrundlage dazu dienen, mit einem relativ hohen Risiko für Verletzungen ist. Mountainbike-Anlagen sicher zu gestalten. Damit Anfänger, Quereinsteiger oder Ungeübte diesen Sport sicherer praktizieren können, ist ein Die bfu führt den Prozess des Schwerpunktpro- Ausbildungskurs empfehlenswert. Solch ein Kurs gramms. Die «Fachgruppe sicher Mountainbiken muss neben Fahr-/Bremstechnik auch das nötige FsMTB» entstand aus diesem Kooperationsprozess Wissen über sicheres Fahren, Tourenplanung und heraus. Elemente beinhalten, um das Gefahrenbewusstsein und die Selbststeuerungsfähigkeit zu ver- 5. Präventionsempfehlungen Die Interventionsanalyse führt zu einer kurzen Liste bessern. 5.3 Beratung von Präventionsempfehlungen, in der nur noch «empfehlenswerte» und «sehr empfehlenswerte» Viele Biker begeben sich ins Gelände oder auf Massnahmen aufgeführt sind (Tabelle 46, S. 197). künstlich gebaute Anlagen, die nicht ihren Fahrfertigkeiten entsprechen. Oft fehlen adäquate Informationen, um die Anforderungen der gewählten Strecke richtig einschätzen zu können. Die Verein- 196 Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 heitlichung Information von und Markierung, Signalisation, Schwierigkeitsangabe ist voranzutreiben und für die Umsetzung zu sorgen. abgedeckt sein. Eltern und Aufsichtspersonen, die Kinder beim Erlernen des Radfahrens betreuen, muss vermittelt werden, wie das kindergerechte Erlernen gestaltet werden sollte und dass die 5.4 Kommunikation ständige Beaufsichtigung ausserhalb eines Schonraums eine wichtige Voraussetzung für die Sicher- Das eigene vorausschauende und sicherheitsorien- heit des Kindes darstellt. tierte Handeln eines jeden einzelnen Bikers ist die Grundvoraussetzung für die sichere Ausübung 5.5 Kooperation seiner Sportart. Nur ein kleiner Anteil der Biker hat den Zugang über einen fremdorganisierten struktu- Das Schwerpunktprogramm «Fahrrad/Biken» rierten Ausbildungsweg gefunden. Zudem sind der bfu soll weiterhin als Gefäss dienen, um den Biker selten in Vereinen organisiert. Dies macht es Austausch in der Prävention von Fahrrad- und im schwierig, die Biker mit Präventionsbotschaften zu Speziellen von Mountainbike-Unfällen zu gewähr- erreichen. Es sollten aber zu ausgewählten Themen leisten. In dieser strukturierten Zusammenarbeit Informationsanstrengungen wer- können basiert auf der besten verfügbaren Evidenz den, um über Sicherheitsaspekte zu informieren erfolgsversprechende Interventionen geplant und und um klare Handlungsanweisungen geben zu Synergien für die Umsetzung genutzt werden. unternommen können. Dies kann über breite zielgruppenorientierte Kommunikationskampagnen geschehen, In einem partizipativen Prozess in der «Fach- aber auch über die bestehenden Kanäle aller Sta- gruppe sicher Mountainbiken (FsMTB)» sollten keholder, einerseits für die Adressaten im Bikesport allgemein anerkannte Richtlinien für die Planung, (Online-Plattformen, Zeitschriften, Broschüren) und den Bau, Betrieb und Unterhalt von Mountainbike- andererseits für Eltern mit Kindern im Risikoalter Anlagen erarbeitet werden. Es ist erforderlich da- (z. B. bfu-Elternpost, Elternzeitschriften, Betreuer rauf hinzuarbeiten, dass in dieser Fachgruppe alle Kindertagesstellen). Für Biker sollten die Themen bedeutenden nationalen Stakeholder vertreten sind Aufmerksamkeit, und und die Existenz der Arbeitsgruppe längerfristig Selbststeuerungsfähigkeit, physiologischer Sta- gewährleitet ist. Die bfu sollte weiterhin der Sitz tus, Schutzausrüstung, Kenntnisse und Touren- dieser Stelle sein. planung, Gefahrenbewusstsein Bike-Anschaffung und -Unterhalt Tabelle 46 Radfahren abseits der Strasse: Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung Wissensmanagement Ausbildung Gefahrenbewusstsein/ Selbststeuerungsfähigkeit Fahrschulung Tourenmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Beratung Produktesicherheit: − Kindergerechte Fahrräder − Schutzausrüstung Gestaltung von Mountainbike-Routen, -Trails, -Anlagen Kommunikation Faktoren: − Aufmerksamkeit − Selbststeuerungsfähigkeit − Physiologischer Status Schutzausrüstung tragen Kenntnisse, Tourenplanung Geeignete Fahrgerätewahl und Unterhalt Kindergerechtes Erlernen des Fahrens Kooperation Schwerpunktprogramm Fahrrad/Bike FsMTB Fachgruppe sicher Mountainbiken Internationaler Austausch Radfahren abseits der Strasse (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller, Fränk Hofer) 197 IX. Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 1. Einleitung Studienberichten zu deskriptiver Epidemiologie (v. a. «Spitalstudien»), die aber keinen wirklichen 1.1 Ausgangslage Ansatz für die Unfallprävention bieten, zumal häufig physiologische Themen (v. a. Höhenkrank- Wandern gehört in den Alpenländern zu den be- heit) im Fokus sind und nicht die eigentliche Unfall- liebtesten Sportarten. In der Schweiz liegt «Wan- analyse. In den letzten Jahren wird vermehrt den dern, Walking, Bergwandern» an 2. Stelle der be- psychologischen Faktoren, die bei Bergsportun- triebenen Radfahren/ fällen eine Relevanz haben, und damit der Frage Mountainbiken [8]. Die Berge und der Bergsport nachgegangen, wie das Verhalten der Bergsportler stellen auch einen bedeutenden Faktor im Schwei- beeinflusst werden kann, um ihr Handeln sicherer zer Tourismus dar. Gleichzeitig zählt der Bergsport zu machen. Eine starke Stellung in der Diskussion sowohl in der Schweiz als auch in den übrigen um Bergsportsicherheit haben deutschsprachige Alpenländern wegen der relativ vielen schweren Fachzeitschriften, und tödlichen Unfälle zu den Schwerpunkten im lösungsorientiert spezifische Themen rund um die Unfallgeschehen [21]. Die bfu führt deshalb ein Sicherheit im Bergsport abhandeln. In anderen Schwerpunktprogramm dem Sportarten gibt es im deutschsprachigen Raum Sommerbergsportarten keine vergleichbare Fachdiskussion. Der inhaltliche auch das Skifahren, Snowboarden und Schnee- Austausch über Sicherheitsthemen wird von der schuhlaufen auf Touren und abseits der gesich- Mehrheit der relevanten Institutionen und den erten Schneesportgebiete behandelt wird. ausgewiesenen Experten aktiv genutzt. Zu den Lawinenunfällen beim Touren- und Varian- 1.2 neben Sportarten den gleich klassischen nach «Bergsport», in die u. a. pragmatisch und Begriffsklärung tenfahren hat die bfu 2012 eine separate Unfall-, Risiko- und Interventionsanalyse «Lawinenunfälle Bergsport: Zum Bergsport zählen die Sommer- beim Touren- und Variantenfahren» veröffent- bergsportarten Bergwandern, Bergsteigen, Klet- licht [241]. Im Folgenden werden nur die wichtig- tern inkl. Klettersteige begehen sowie die Winter- sten Resultate daraus wiederholt, im Übrigen wird sportarten Touren-Skifahren, -Snowboardfahren, auf die erwähnte Analyse verwiesen. Schneeschuhlaufen, Freeriden/Variantenfahren abseits der gesicherten Schneesportabfahrten und Die wissenschaftliche, von Experten gegengelesene Eisklettern. Ausserdem werden auch Canyoning (peer-reviewed) Fachliteratur zum Bergsport in und Höhlenbegehungen zum Bergsport gezählt. englischsprachigen Zeitschriften wird dominiert Nicht in diesem Kapitel abgehandelt werden Un- vom Thema «Lawinen». Auch das Klettern wird fälle beim Höhlentauchen (Kap. X, S. 226), Wan- breit abgedeckt, wobei das Sportklettern ein dern und Winterwandern auf präparierten Wegen Schwerpunkt bildet. Es gibt eine Vielzahl von sowie Schneesport auf gesicherten Abfahrten. 198 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergwandern: Wanderungen auf Bergwegen Ski oder Snowboard, wobei der Ausgangspunkt und Touren in weglosem Gelände (SAC-Berg- mit einem Lift, einer Bergbahn oder mit dem und Alpinwanderskala [242] ab Grad T2, falls Helikopter erreicht wird. markiert: weiss-rot-weiss). Bergwandern grenzt Eisklettern: Klettern mit Steigeisen und Pickel sich an gefrorenen Wasserfällen. vom Bergsteigen dadurch ab, dass üblicherweise keine Sicherungsmittel (Seil) und Canyoning: Begehung von Schluchten mit einer keine alpintechnische Ausrüstung (Steigeisen, Mischung aus Springen, Schwimmen, Rutschen Pickel) erforderlich sind. Bergwandern grenzt sich und Abseilen. Canyoning verbindet Elemente aus vom Wandern/Spazieren dadurch ab, dass der dem Bergsport und dem Wassersport. Die Schwierigkeitsgrad höher ist als T1, Trittsicher- Unfälle werden dem Bergsport zugeordnet. heit, Schwindelfreiheit, gute körperliche Ver- Höhlenbegehung: fassung und Kenntnis der Gefahren im Gebirge abseits touristisch erschlossener Wege. Höhlen- nötig sind und Absturzgefahr besteht. begehung verbindet Elemente aus Klettern, Begehung von Höhlen zu Bergsteigen, Klettersteig begehen und Wasser- Fuss in den Bergen, wo in der Regel Sicher- sport (Tauchen, Schwimmen). Unfälle werden je ungsmittel (Seil) und eine alpintechnische Aus- nach Hergang dem Bergsport oder dem Was- rüstung (Pickel, Steigeisen) notwendig sind. sersport zugeordnet. Bergsteigen/Hochtourengehen: Touren Klettern: Touren im reinen Felsgelände, wo üblicherweise von Standplatz zu Standplatz gesi- In diesem Kapitel werden folgende Sportarten chert wird. Zum Klettern gehört auch das Sport- nicht behandelt: klettern in Klettergärten oder in Kletterhallen. Wandern: Wanderungen auf Wanderwegen Klettersteig begehen: Ein mit Leitern, Eisenstif- und Touren in weglosem Gelände (SAC-Berg- ten oder Stahlseilen gesicherter Weg im Fels wird und Alpinwanderskala [242] bis Grad T1, falls mit Selbstsicherung an einem durchgehenden markiert: gelb) ohne Absturzgefahr und ohne Drahtseil begangen. Von der Technik her ähnlich besondere Anforderungen. sind Seilgärten oder Seilparks, bei denen eben- Winterwandern: Wandern auf schneebedeck- falls mit Selbstsicherung an einem Drahtseil ver- ten und meist präparierten Winterwanderwegen. schiedene Elemente (Seilbrücken, Balken usw.) begangen werden, die als Parcours zwischen Auf die tödlichen Unfälle beim Wandern/Spazieren Bäumen, Masten oder Ähnlichem montiert wird im Kapitel VI, S. 120 eingegangen. werden. Ski-, Snowboard- und Schneeschuhtouren: Touren, bei denen für den Aufstieg Ski oder Schneeschuhe verwendet werden und/oder mit Ski, Snowboard oder Schneeschuhen ausserhalb der gesicherten Schneesportgebiete abgefahren bzw. abgestiegen wird. Variantenfahren/Freeriden: Abfahrten ausserhalb der gesicherten Schneesportgebiete mit bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 199 1.3 Sportausübung wegs. In der Romandie (3,8 %) sind diese Sportarten beliebter als in der Deutschschweiz (2,5 %) 1.3.1 Sportarten und im Tessin (1,1%). Gemäss der Studie «Sport Schweiz 2008» [8] und der Klettern/Bergsteigen wird ebenfalls jährlich wäh- Sekundäranalyse «Wandern in der Schweiz» [11] rend 5,9 Mio. Stunden ausgeübt. Dank der höhe- nennen 32,9 % der Befragten aus der Schweizer ren mittleren Anzahl Stunden pro Jahr (60 Stun- Bevölkerung Wandern oder Bergwandern als von den) ist das Total trotz weniger Aktiven gleich hoch ihnen ausgeübte Sportarten. 10,3 % nennen Berg- wie bei den Schneetouren (39 Stunden). wandern, 23,7 % Wandern, wobei keine Definition der Sportarten vorgegeben wurde und mit Wandern 1.3.2 Geschlecht also auch Bergwandern gemeint sein kann. Die durchschnittliche Häufigkeit der Ausübung beträgt Der Frauenanteil beim Wandern/Bergwandern 20 Tage pro Jahr. Wandern und insbesondere beträgt 52 %, bei den Schneetouren 53 % und Bergwandern hat seit 2000 deutlich zugenommen. beim Bergsteigen/Klettern 32 %, wobei der Frauenanteil beim Sportklettern wahrscheinlich höher liegt Ski-, Snowboard- und Schneeschuhtouren nennen als beim klassischen Bergsteigen [10]. 2,5 % der Befragten und Klettern, Bergsteigen 1,6 %. Outdoor-Sportaktivitäten sind seit Längerem 1.3.3 Alter im Trend. Immer mehr Leute möchten als Kontrast zum hektischen Alltag die Freizeit in der Natur ver- Das Durchschnittsalter beim Wandern/Walking/ bringen. Aber auch beim Hallenklettern zeigt sich ein Bergwandern liegt bei 50 Jahren [8], bei den anhaltender Anstieg der Aktiven, von denen viele Schneetouren bei 49 und beim Klettern/Bergstei- später auch die Outdoor-Felskletterei entdecken. gen bei 37 Jahren. Vor allem in den Altersklassen ab 45 Jahren wird oft gewandert (über 40 %), aber In der Zusatzauswertung «Factsheets Sportarten» auch bei den 30- bis 44-Jährigen wandern 30 %. [10] zur oben genannten Studie «Sport Schweiz Klettern/Bergsteigen wird vor allem von jungen 2008» sind insbesondere folgende Resultate her- Erwachsenen bis 29 Jahre ausgeübt. vorzuheben: 1.3.4 Organisatorischer Rahmen Wandern/Bergwandern führt zu einer Expositionszeit von insgesamt 131 Mio. Stunden pro Jahr Bergsport wird mehrheitlich in freier, ungebunde- (bezogen auf die Bevölkerung im Alter von 15 bis ner Form ausgeübt [10]. Beim Wandern beträgt 74 Jahren). Von den Personen aus der Deutsch- der Anteil 90 %. Nur 10 % wandern im Verein schweiz wandern 39 %, von denjenigen aus der oder in einer festen Gruppe. Bei den Schnee- Romandie nur 17 % und aus dem Tessin 22 %. touren sind 8 % mit einem Verein unterwegs, 23 % in einer festen Gruppe und 69 % Auf Ski-, Snowboard- und Schneeschuhtouren sind ungebunden bzw. selbstorganisiert. Auch beim die Befragten insgesamt 5,9 Mio. Stunden unter- Klettern/Bergsteigen 200 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) sind 73 % ungebunden bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 unterwegs, 14 % in fester Gruppe und 12 % im und ihre kantonalen Fachorganisationen bieten Verein. über 700 geführte Wanderungen pro Jahr mit total 20 000 Teilnehmenden an [244]. 75 % der Schwei- 1.4 Der institutionell organisierte Berg- zer Wohnbevölkerung nutzen das Wanderwegnetz sport zum Wandern und für weitere Aktivitäten [11]. Als Verbände sind insbesondere der Schweizer Die 1905 gegründete Naturfreunde-Bewegung Alpen-Club SAC und die Schweizer Wanderwege der Schweiz zählt heute rund 23 000 Mitglieder zu nennen. Weitere grössere Organisationen und und bietet Veranstaltungen sowie Aus- und Wei- Vereine im Bereich Bergsport sind die Naturfreunde terbildungskurse für die Mitglieder in den rund Schweiz, Swiss-Ski, der Verband der Bergführer 160 Sektionen, (SBV), der Verband der Bergsportschulen (VBS), verbänden an. Skitouren, Berg- und Talwan- Jugend+Sport sowie die Armee. derungen, Schneeschuhtouren, Klettern in Eis und in Regional- und Kantonal- Fels, aber auch Kanufahren, Biken, Langlaufen und Der Schweizer Alpen-Club SAC mit rund Campen gehören zum Angebot. 135 000 Mitgliedern bietet für Breitensportler und Wettkampfsportler (Sport- und Eisklettern, Skialpi- Der Schweizerische Skiverband Swiss-Ski bietet nismus) ein breites Angebot an (Leiter-)Ausbildun- neben den Ski- und Snowboardaktivitäten im Spit- gen, Kursen und Touren, Letztere insbesondere zensport in 820 Klubs auch Breitensportaktivitäten auch in den 111 Sektionen. Fast die Hälfte der an für wenig mehr als 100 000 schneesport- Mitglieder ist über 50 Jahre alt und in vielen Sekti- begeisterte Swiss-Ski-Mitglieder. Rund 70 Klubs onen sind denn auch die Senioren die aktivste sind auf Skitouren oder im Sommer auf Hoch- Gruppe [243]. touren unterwegs und bieten Touren und Ausbildung an. Der Verband Schweizer Wanderwege mit gut 40 000 Mitgliedern vereinigt die kantonalen Die Bergführer in der Schweiz sind im Schweizeri- Wanderweg-Fachorganisationen und bietet in der schen Bergführerverband organisiert. Der Schweiz über 60 000 km signalisierte Wanderwege klassische Sommer- und Winteralpinismus steht im (davon 20 000 km Bergwanderwege) an. Er setzt Zentrum ihrer Tätigkeit. Sie betreiben aber auch sich für ein attraktives, flächendeckendes und si- Trekking, Expeditionen, Höhenbergsteigen, Sport- cheres Wanderwegnetz in der Schweiz ein, das klettern, Canyoning, Schneeschuhlaufen, Eisfall- einheitlich und lückenlos signalisiert ist. Diese klettern und andere Spezialitäten. Aufgabe ist im Bundesgesetz über die Fuss- und Wanderwege3 festgehalten und wird von den Die Bergführer arbeiten teilweise als selbstständige meisten Kantonen an die Wanderweg-Fachorga- Bergführer. Der wichtigste Arbeitgeber sind aber nisationen delegiert. Die Schweizer Wanderwege die Bergsportschulen. Die grössten 34 Bergsport- ⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯ schulen sind im Verband der Bergsportschulen 3 Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über Fuss- und Wanderwege (FWG), SR 704 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 zusammengeschlossen. Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 201 Jugend+Sport ist das Sportförderungswerk des Die wichtigsten Ausbildungen im Bergsportbereich Bundes. Es gestaltet und fördert jugendgerechten sind Bergführer, Schneesportlehrer (mit Lawinen- Sport und ermöglicht Kindern und Jugendlichen, modul), Jugend+Sport-Leiter, Wanderleiter, SAC- Sport ganzheitlich zu erleben und mitzugestalten. oder Naturfreunde-Tourenleiter und Kletterlehrer. Kinder und Jugendliche sollen zu lebenslangem Für Canyoning bietet neben dem Bergführerver- Sporttreiben animiert werden. Jugend+Sport bietet band die Swiss Outdoor Association (SOA) Leiter- Kurse und Lager für Kinder und Jugendliche in Ausbildungen an. 75 Sportarten an. An jährlich über 50 000 Sportkursen und -lagern werden rund 550 000 10- 2. Unfallanalyse 2.1 Allgemeines bis 20-jährige Teilnehmende gezählt, wobei sich einige an mehreren Angeboten beteiligen. Mehr als 60 000 Leiterinnen und Leiter setzen sich für die Kinder und Jugendlichen ein. Die Leiter-Ausbildung Bergsport unterliegt wie die meisten anderen Out- ist somit auch einer der Hauptpfeiler von Ju- door-Sportarten einem starken Einfluss durch das gend+Sport. In den 3 Sportfächern «Bergsteigen», Wetter und die Verhältnisse. Herrschen in den «Skitouren» und «Sportklettern» werden jährlich Hauptsaisons der jeweiligen Sportarten, also im rund 8000 Teilnehmende von rund 2500 Leitern Sommer für Bergwandern und Bergsteigen so- betreut. Im Sportfach «Lagersport/Trekking» sind wie im Winter für Touren- und Variantenfahren, zudem fast 60 000 Teilnehmende ebenfalls teil- insbesondere während der Ferienzeit, den Woche- weise in den Bergen unterwegs. nend- und Feiertagen, günstige meteorologische Bedingungen, so sind bedeutend mehr Sportler Das Kompetenzzentrum Gebirgsdienst der unterwegs als in einem verregneten Sommer oder Armee mit Standort in Andermatt stellt den Ge- schneearmen Winter. Dementsprechend zeigt auch birgsdienst in der Armee für das Heer und die die Unfallstatistik im Bergsport über die Jahre Luftwaffe sicher. Die Gebirgsspezialistenabteilung starke Schwankungen. Aus diesem Grund werden umfasst etwa 420 Soldaten. im Folgenden wo verfügbar meist nur Unfallzahlen aus Mehrjahresschnitten wiedergegeben. Weiter sind in den Unfallstatistiken der nicht-tödlich Tabelle 47 Entwicklung der Anzahl Getöteter im Bergsport nach Sportart, 2000–2011 Sportart 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Total Bergwandern 40 41 37 51 44 37 45 52 44 49 53 64 557 Bergsteigen 28 50 32 39 42 26 32 41 21 24 18 35 388 Touren-Skifahren 9 20 23 14 15 16 10 14 6 13 27 22 189 Varianten-Skifahren 8 9 8 14 4 6 13 12 8 13 2 7 104 Klettern 2 1 5 5 4 8 7 5 3 6 9 7 62 Varianten-Snowboardfahren 1 8 6 4 4 6 9 5 6 3 6 58 Schneeschuhlaufen 1 1 3 1 2 2 1 4 5 2 6 28 Eisklettern 2 1 2 1 2 1 1 10 Canyoning 2 1 1 1 1 6 Touren-Snowboardfahren 1 1 1 1 4 Anderer Bergsport 1 1 2 Total 90 135 113 132 115 103 120 130 96 113 119 142 1 408 Ø 2007–2011 52 28 16 8 6 4 4 1 <1 <1 0 120 Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle 202 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Verletzten nur die Angaben zum Unfallgeschehen Die Unfallzahlen sind im Bergsport in den letzten der Schweizer Bevölkerung enthalten. Über die Jahren tendenziell gestiegen, mit Schwankungen je Unfälle der ausländischen Touristen liegen keine nach Wetter und Verhältnissen. umfassenden Angaben vor. Hingegen sind in der bfu-Statistik der tödlichen Sportunfälle alle Fälle Eine Spezialauswertung zeigt, dass im Bergsport der Jahre 2000–2011 (Tabelle 47) enthalten, also (ohne Ski-, Snowboard- und Schneeschuhtouren) auch die Unfälle der ausländischen Gäste. durchschnittlich (2004–2008) 850 Schwerverletzte (Verletzungen mit einem Spitalaufenthalt von 2.2 Nicht-tödlich verunfallte Bergsportler 7 oder mehr Tagen) und 1300 Mittelschwer- verletzte (Verletzungen mit einem Spitalaufenthalt 2.2.1 Sportarten von 1 bis 6 Tagen) zu verzeichnen sind. In Sportarten mit kleineren Fallzahlen kann über die Vertei- Gemäss Hochrechnung der bfu verunfallten in den lung nach Verletzungsschwere nichts ausgesagt Jahren 2005–2009 jährlich knapp 11 000 Berg- werden. sportler in Winter- oder Sommersportarten so, dass sie sich ärztlich behandeln lassen mussten: 8900 Pro 100 000 Stunden Sportausübung verunfallen (83 %) beim Bergwandern, 1200 (11 %) in den beim Bergwandern 13 Personen, was im Ver- übrigen Sommer-Bergsportarten [16]. Hinzu kom- gleich zu anderen Sportarten (Fussball: 180 men 600 (6 %) verletzte Skitourengeher. Zu den verunfallte Personen, Skifahren: 46 verunfallte nicht-tödlichen Unfällen in den Sportarten Snow- Personen) wenig ist [245]. Für die übrigen Berg- boardtourenfahren, Variantenfahren, Schnee- sportarten können mangels Zahlen zur Exposition schuhlaufen oder anderen Sportarten mit klei- keine Aussagen gemacht werden. ner Anzahl Aktiver, wie z. B. Eisklettern, Höhlenbegehung oder Canyoning, liegen keine Anga- 2.2.2 Geschlecht ben zum gesamten Ausmass vor. Von den Bergsportverletzten, die über die UVGIn der Analyse werden die Fälle derjenigen Aktivität Statistik abgedeckt sind (nur 16- bis 64-jährige (Sportart) zugeordnet, die zum Zeitpunkt des Un- Erwerbstätige), waren zwischen 1985 und 2007 falls ausgeübt wurde (z. B. «Bergwandern», wenn total 65 % männlich. Der Frauenanteil hat aber in ein Kletterer beim Aufstieg zur Felswand dem den letzten 10 Jahren deutlich zugenommen. Von Bergwanderweg entlang wandert) und nicht der den Verletzten (2003–2007) sind beim Berg- beabsichtigten Tätigkeit (in diesem Beispiel «Klet- wandern 55 % männlich, beim Bergsteigen tern»). So hat es beim Bergwandern u. a. Jäger, 68 % und beim Klettern 74 %. Damit liegt der Pilz- und Beerensammler sowie Base-Jumper, die Männeranteil bei den Verletzten in allen Berg- beim Unfallereignis in den Bergen wanderten, mit sportarten über dem Männeranteil bei den Sport- der Absicht, in der Folge eine andere klar treibenden insgesamt [55]. beschriebene Sportart auszuüben. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 203 2.2.3 Alter 2.2.5 Organisatorischer Rahmen Beim Bergwandern sind rund 2400 der Verletzten Fast alle Unfälle beim Bergwandern und 90 % (28 %) über 64 Jahre alt. 3200 sind zwischen der Fälle im übrigen Bergsport ereignen sich bei 46 und 64 Jahre alt (35 %) und 2300 zwischen 26 freier oder individueller Ausübung des Sports. und 45 Jahre (26 %) alt. Im übrigen Bergsport Somit ereignet sich nur ein kleiner Anteil der sind 64 % der Verletzten zwischen 26 und 45 Unfälle bei der Ausübung unter Aufsicht, im Jahre alt. Training oder im Unterricht [55]. Dies entspricht ungefähr dem organisatorischen Rahmen bei der Bei der Altersklasse der 46- bis 64-Jährigen liegt Sportausübung (Kap. IX.1.3.4, S. 200). Bergwandern bezüglich der Unfallhäufigkeit im Sport nach Skifahren an 2. Stelle, bei den über 64- 2.3 Tödlich verunfallte Bergsportler Jährigen sogar an 1. Stelle. Zwischen 2007 und 2011 verunfallten im Bergsport 2.2.4 Verletzungsart und -lokalisation durchschnittlich 120 Personen tödlich, davon 32 in den Schneesportarten abseits des Pistenbetriebs Die UVG-Statistik erlaubt es, detaillierte Aussagen zu (Tabelle 48) [21]. Der Bergsport machte damit in den den nicht-tödlich Verunfallten zu machen, so auch letzten 5 Jahren 66 % der durchschnittlich 180 zur Verletzungsart und -lokalisation. Gemäss UVG- Getöteten im Sport aus. In diesem Gesamttotal sind Statistik verletzen sich von 100 Verletzten beim auch die jährlich 45 beim Bergsport in der Schweiz Bergwandern 20 % an Unterschenkel/Sprung- getöteten gelenk, 13 % am Knie und 20 % an nicht näher (Tabelle 48). ausländischen Gäste berücksichtigt bezeichneten unteren Extremitäten, weitere 11 % an Handgelenk/Hand/Finger [55]. Am häufigsten Die Letalität beträgt im 5-Jahresschnitt beim sind Verstauchungen und Zerrungen (40 %) gefolgt Sommerbergsport 69 und ist damit 12-mal höher von Prellungen (26 %) sowie Frakturen (11 %). als im Sport insgesamt. Die expositionsbezogene Bei den verletzten Bergsteigern sind je 14 % bei Schultergürtel/Oberarm und bei Unterschenkel/ Sprunggelenk sowie je 12 % bei Rumpf, Handgelenk/Hand/Finger und bei nicht näher bezeichneten unteren Extremitäten betroffen. Am Tabelle 48 Getötete im Bergsport nach Herkunft und Sportart, Ø 2007–2011 Sportart Bergwandern Schweiz 41 Ausland 12 Total Bergsteigen 11 17 28 Touren-Skifahren 10 7 16 52 häufigsten kommen Prellungen (31 %) vor, gefolgt Varianten-Skifahren 4 5 8 von Verstauchungen und Zerrungen (29 %) und Klettern 5 1 6 Varianten-Snowboardfahren 2 2 4 Frakturen (11 %). Schneeschuhlaufen 2 2 4 Eisklettern <1 <1 1 Canyoning <1 0 <1 Touren-Snowboardfahren <1 0 <1 Anderer Bergsport Total 0 75 0 45 0 120 Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle 204 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Inzidenz im Bergsport ist zwar relativ tief, dafür März (Winterbergsport), mit jährlichen Abweich- sind die Folgen eines Unfalls oft deutlich gravie- ungen je nach Wetter (Abbildung 25). Der Verlauf render als in anderen Sportarten. der Unfallzahlen widerspiegelt mutmasslich das Ausmass der Exposition im Jahresverlauf. In der vorliegenden Unfallanalyse werden definitionsgemäss keine Todesfälle als direkte Folge einer Der Schweizer Alpen-Club SAC führt eine Krankheit berücksichtigt. Neben den Todesfällen detaillierte Statistik der tödlichen Bergunfälle [247], als Folge von Unfallereignissen muss nämlich beim in der auch Angaben zum Unfall enthalten sind, Bergwandern noch einmal mit einer ähnlich ho- die in anderen Unfallstatistiken nicht verfügbar hen Anzahl Todesfällen infolge von Krankheit sind. Seit dem Jahr 2000 werden die SAC-Statistik (v. a. Herzinfarkt) gerechnet werden [246]. und die bfu-Statistik der tödlichen Sportunfälle gegenseitig abgeglichen. In den nachfolgenden Analysen wird also auch auf die Angaben aus der 2.3.1 Sportarten SAC-Erhebung zurückgegriffen, die mit einer letzten Vielzahl von Partnern zusammengestellt wird. 5 Jahren pro Jahr 52 Personen beim Berg- Ergänzt werden diese Informationen durch eigene wandern, 28 beim Bergsteigen, 32 bei Ski-, Erhebungen und Unfallstatistiken anderer Insti- Snowboard- und Schneeschuhtouren sowie tutionen (Polizei, SSUV, SLF). Durchschnittlich verunfallten in den Variantenabfahrten und 7 beim Klettern (inkl. Die SAC-Statistik zeigt einen langjährigen Durch- Eisklettern) tödlich [14] (Tabelle 49). schnitt (1984–2010) von jährlich 123 Getöteten im Die meisten Bergsportunfälle ereignen sich im Au- Bergsport, davon 44 Getötete beim Bergwandern, gust und im Juli (Sommerbergsport), gefolgt vom 37 beim Bergsteigen, 20 auf Skitouren, 6 beim Tabelle 49 Getötete im Bergsport nach Geschlecht und Sportart, Ø 2007–2011 Männlich Weiblich Total Anz. 40 Ant. 77% Anz. 12 Ant. 23% Anz. 52 Ant. 100% Bergsteigen 24 88% 3 12% 28 100% Touren-Skifahren Bergwandern keiten inkl. Variantenfahren. Mehr als die Hälfte der Bergsportunfälle geschehen am Wochenende (Samstag/Sonntag), 45 % verteilen sich auf die Wochentage von Montag bis Freitag. 14 84% 3 16% 16 100% VariantenSkifahren 7 81% 2 19% 8 100% Abbildung 25 Getötete im Bergsport nach Unfallmonat, Ø 2007–2011 Klettern 5 77% 1 23% 6 100% 25 VariantenSnowboardfahren 4 95% <1 5% 4 100% Schneeschuhlaufen 2 61% 1 39% 4 100% Eisklettern 1 75% <1 25% 1 100% Canyoning <1 100% 0 0% <1 100% TourenSnowboardfahren <1 100% 0 0% <1 100% Anderer Bergsport Total 0 97 0% 81% 0 23 0% 19% 20 10 5 Getötete Ø 2007–2011: 120 (Wohnort Schweiz: 75, Ausland: 45) Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 November Mehrjahresschnitte in den Tabellen sind gerundet. Diese Zahlen umfassen alle Unfälle der Schweizer Wohnbevölkerung und diejenigen der ausländischen Gäste in der Schweiz. Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar 0 Januar 0 0% 120 100% 15 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) Dezember Sportart Klettern und 14 bei anderen Bergsporttätig- 205 2.3.2 Geschlecht 2.3.4 Organisatorischer Rahmen Frauen waren in den letzten 5 Jahren mit 19 % in Aus den Unfallmeldungen respektive der Unfall- der Minderheit bei den Getöteten im Bergsport statistik geht nicht immer hervor, ob das Unfall- (Tabelle 49). Auch unter Berücksichtigung des opfer allein oder in Begleitung unterwegs war. Es Frauenanteils bei den Ausübenden in den Berg- gibt aber genügend Hinweise, um bei 83 % der sportarten (32–52 %) ist der Anteil der Frauen unter Bergsportunfälle etwas über die Gruppengrösse den Todesopfern klein [11]. auszusagen. Bei den Bergwanderunfällen liegt der Anteil der Alleingänger bei 45 %, beim Bergsteigen bei nur 13 % und beim Klettern bei 15 %. Im 2.3.3 Alter Winter waren von den getöteten Variantenfahrern Bei den tödlichen Verunfallten schwankt die Opfer- 17 % Alleingänger und von den Tourenfahrern zahl über die 3. bis 7. Lebensdekade nur wenig 8 % (Abbildung 26). (Tabelle 50). Die Todesopfer treten aber je nach Abbildung 26 Getötete im Bergsport nach Sportart und Gruppengrösse, ∑ 2000–2011 Sportarten in anderen Altersklassen gehäuft auf. Jüngere kommen beim Bergsteigen, Klettern und den Schneesportarten ums Leben, ältere Bergwandern vorwiegend beim Bergwandern. Das Ausmass der 45 Bergsteigen 18 13 45 5 14 8 2 14 1 tödlich verunfallten, jüngeren Bergwanderer ist Klettern immer noch deutlich höher, als in allen anderen 15 Tourenfahren Bergsportarten ausser dem Bergsteigen. Kaum 36 8 29 19 Todesopfer werden in der Altersklasse der 0- bis 9- Variantenfahren 17 20 Jährigen registriert. Dafür gibt es auch im Alter von Anderer Bergsport 17 25 0% 70 Jahren und höher noch eine hohe Fallzahl, beim 20% 0 10 22 17 11 28 1 33 40% Alleingänger 3er-Gruppe 10 oder mehr Personen Bergwandern sogar die höchste. 18 60% 14 80% 100% 2er-Gruppe 4er- bis 9er-Gruppe Tabelle 50 Getötete im Bergsport nach Alter und Sportart, ∑ 2000–2011 Sportart Bergwandern <10 3 Bergsteigen Touren-Skifahren 10–19 22 20–29 40 30–39 52 40–49 64 50–59 100 10 100 81 76 73 3 21 43 62 37 60–69 123 70+ 142 Unbekannt 11 32 4 12 388 14 4 5 189 3 104 Varianten-Skifahren 3 14 19 27 18 14 6 Klettern 1 4 11 13 16 12 4 Varianten-Snowboardfahren 1 15 25 12 3 Schneeschuhlaufen 1 3 7 7 1 5 2 2 2 Eisklettern 2 Canyoning 1 Touren-Snowboardfahren Anderer Bergsport Total 9 71 2 1 222 1 244 1 1 5 4 62 1 1 58 28 10 1 6 1 250 Total 557 243 4 184 152 1 33 2 1 408 Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle 206 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ein kleiner Anteil der tödlichen Bergsportunfälle oder mit Kollegen unterwegs. Bei den restlichen ereignet sich unter institutionell organisierter, pro- 8 % ist die Organisationsform nicht bekannt. Diese fessioneller Leitung (5 %) (Abbildung 27). 4 % der Anteile decken sich ungefähr mit dem orga- Fälle werden zudem der Kategorie «institutionell nisatorischen Rahmen der Sportausübung, denn organisiert, nicht näher bezeichnet» zugeordnet. Bergsport wird ja meist in freier, ungebundener Bei 83 % der tödlichen Unfälle im Bergsport war Form betrieben. der verunfallte Bergsportler selbstorganisiert allein 2.3.5 Unfallhergang Abbildung 27 Getötete im Bergsport nach Sportart und Organisationsform, ∑ 2000–2011 Es ist naheliegend, dass der «Sturz aus der Höhe» der weitaus häufigste Unfallhergangstyp ist (72 %). Bergwandern 88 22 Bergsteigen 86 6 1 8 Klettern 88 14 8 Auch grosse Wichtigkeit haben mit 20 % die «Lawinen» als Unfallhergang. Deutlich seltener 7 werden «Stein-, Eisschlag» (= Getroffen von fliegen- Tourenfahren 66 10 16 8 dem Objekt) (2 %) als Unfallhergang genannt Variantenfahren 85 9 33 (Tabelle 51). 3 % der Fälle verteilen sich auf diverse Anderer Bergsport 61 3 22 14 andere Hergänge (Blitzschlag, Ertrinken, Kollision, 0% 20% 40% 60% 80% 100% Ersticken/Strangulation, Erfrieren/Unterkühlen) und Nicht institutionell organisiert bei 3 % ist der Hergang unbekannt. Institutionell organisiert, professionelle Leitung Institutionell organisiert, n. n. b. Unbekannt Tabelle 51 Getötete im Bergsport nach Sportart und Unfallhergangstyp, ∑ 2000–2011 Unfallhergangstyp Bergsteigen Sturz aus der Höhe Anz. Anteil 325 84% Klettern Bergwandern Tourenfahren Variantenfahren Anderer (inkl. Bergsport Klettersteig) (inkl. Klettersteig) Anz. Anteil Anz. Anteil Anz. Anteil Anz. Anteil Anz. Anteil 63 88% 511 92% 50 26% 57 35% 7 19% 20% 31 2% 5% 4 6% 8 1% 136 71% 20 5% 3 4% 7 1% 1 1% 1 0% 3 1% 1 1% 1 1% 6 17% 12 1% 3 1% 2 1% 6 4% 1 3% 12 1% 1 0% 1 1% 8 1% 4 3% 6 0% 6 2% Kollision mit stationärem Objekt 2 3% 58% 276 20 Erfrieren/Unterkühlen 21 Ant. 72% Getroffen von fliegendem Objekt Sturz auf gleicher Ebene 54% Anz. 1 013 Lawine Ertrinken 87 Total Blitzschlag 6 2% 6 0% Erschöpfung 2 1% 2 0% 1 0% 1 0% 2 0% 38 1 408 3% 100% Penetration Ersticken/Strangulieren 1 1 0% Anderer oder n.n.b. Unbekannt Total 1% 7 2% 388 100% 72 100% 2 0% 22 557 4% 100% 3 193 2% 100% 5 162 3% 100% 1 36 3% 100% Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 207 In der Tabelle 52 werden die Unfallhergangstypen über das Wettergeschehen und über die Lawinen nach der Kodierung des Unfallhergangs gemäss dargestellt. Neben den ausgewählten Beispielen SAC-Klassierung differenziert [21]. Dabei liegt der werden alle Unfälle nach weiteren Kriterien erfasst SAC-Bergsportunfallstatistik eine Kodierung zu und analysiert. Auch informative langjährige Statis- Grunde, die zum Teil seit Jahrzehnten Gültigkeit tiken – z. B. über Hangneigungen, Expositionen, hat. Es werden dabei auch Risikofaktoren als Verschüttungsfolgen usw. – sind in den Unfall- Unfallhergang bezeichnet. Im Sinn einer besseren berichten enthalten. Vergleichbarkeit und um Zeitreihenanalysen zu ermöglichen, wird diese Kodierung hier über- Die Zahl der jährlichen Todesopfer bei Lawinenun- nommen. fällen hat in den letzten 30 Jahren erfreulicherweise etwas abgenommen und liegt im Schnitt (1992– Im Winter werden die schweren und tödlichen 2006) bei rund 20 Opfern pro Jahr, mit grossen Unfälle mehrheitlich durch Lawinenverschüttungen Schwankungen je nach Wetter und Verhältnissen verursacht. Für die Lawinenunfälle seit 1936 liegen [249]. 84 % der Getöteten auf Schneetouren sind detaillierte Analysen des WSL-Instituts für Schnee- Männer, 35 % sind ausländische Touristen. Für und Lawinenforschung SLF vor [248]. In den jährli- Details zu den Risikofaktoren bei Lawinenunfällen chen Berichten zu den Lawinenunfällen sind die wird auf die bfu-Grundlage «Lawinenunfälle beim Unfälle mit Unterstützung von Kartenausschnitten, Touren- und Variantenfahren: Unfall-, Risiko- und Bildern und tabellarischen Zusammenfassungen Interventionsanalyse» verwiesen [241]. 25 1 9 Erfrieren/Unterkühlen 1 1 Kollision mit stationärem Objekt Unbekannt Total Anderer bezeichneter Unfallhergang 276 31 6 2 2 2 3 3 12 1 12 1 2 8 4 Blitzschlag Unbekannt Total 1 013 6 Sturz auf gleicher Ebene Anderer bezeichneter Unfallhergang 27 3 Getroffen von fliegendem Objekt Ertrinken Vom Wasser mitgerissen 6 273 Schlammlawine 2 Kollision mit stationärem Objekt Wechtenabbruch 2 Blitzschlag Sturz ins Wasser 7 Eisschlag Blockierung 6 Verirren 58 Sturz in der Ebene Steinschlag 234 Spaltensturz 671 Lawine Lawine/Schneebrett Absturz aufgrund von ausrutschen, stolpern, Gleichgewicht verlieren Sturz aus der Höhe Absturz n. n. b Tabelle 52 Getötete im Bergsport nach bfu-Unfallhergangstyp und SAC-Unfallhergang, ∑ 2000–2011 6 6 1 671 238 274 1 58 31 13 3 3 12 1 9 6 1 8 7 6 6 6 4 3 2 1 34 65 38 1 408 Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle 208 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 den Weg und verirrt sich. Als Folge steht der Wan- 2.3.6 Art der Unfallstelle derer unvermittelt ganz anderen Anforderungen Bei Bergwanderunfällen geschehen die meisten gegenüber als geplant. Stürze auf Schnee werden Stürze im freien, unbewaldeten, weglosen Gelände oft registriert, wenn die Bergwanderwege im Früh- (39 %). An 2. Stelle stehen Stürze auf einem ling und Frühsommer noch teilweise mit Schnee (Bergwander-)Weg (33 %) und an 3. Stelle solche bedeckt sind. Solche hartgefrorenen Schneefelder im [250] sind heikel zu begehen, benötigen oft Steigeisen (Abbildung 28). Der Weg wird entweder bewusst und Pickel, welche die Wanderer aber meist nicht verlassen (Blumen pflücken, Fotos machen, Abkür- dabei haben. Wald abseits von Wegen (6 %) zung usw.) oder der Wanderer verlässt unbewusst Der überwiegende Anteil der tödlichen BergsteiAbbildung 28 Getötete beim Bergwandern nach Unfallort, ∑ 2000–2011 gerunfälle hat sich auf felsigem Untergrund ereignet (48 %), 18 % auf Schnee/Firn und 9 % auf Eis (Abbildung 29). Bei 23 % der Fälle ist die Art des 17% Untergrunds nicht bekannt. 2% 39% 3. 6% Risikoanalyse In der Risikoanalyse wird auf die tödlichen Unfälle fokussiert. Einerseits sind es die relativ vielen tödlichen Unfälle, die die Bergsportarten zu einem 36% Freies, unbewaldetes Gelände (Wander-)Wege Wald Anderer bezeichneter Unfallort Schwerpunkt in der Prävention machen. Andererseits werden beim Vermeiden von tödlichen Unfällen potenziell auch Unfälle mit Schwerstverletzten Unbekannt verhindert. Abbildung 29 Getötete beim Bergsteigen nach Untergrund, ∑ 2000–2011 Es wurde abgeschätzt, bei wie vielen tödlichen Bergsportunfällen ein bestimmter Risikofaktor eine wahrscheinliche Mitursache darstellt. In der tabel- 24% larischen Übersicht wurden die Risikofaktoren nach Unfallrelevanz geordnet (Tabelle 53). Dabei wurde 48% 2% auf Expertenwissen von Fachleuten aus der bfu, von Mitgliedern der «Fachgruppe Sicherheit im 9% Bergsport» und auf Fachliteratur abgestützt. Ein Risikofaktor kann einen Unfall begünstigen, muss 18% aber nicht die einzige Ursache sein. Oft führt erst Fels Schnee / Firn eine Kombination von Risikofaktoren zu einem Eis Anderer bezeichneter Untergrund Unfall. Der jeweilige Einfluss eines spezifischen Unbekannt Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Risikofaktors kann meist nur abgeschätzt werden. Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 209 Die bedeutsamen Risikofaktoren im Bergsport Für Details zu den Risikofaktoren bei Lawinenun- unterscheiden sich zudem je nach Sportart, was fällen wird auf die bfu-Grundlage «Lawinenunfälle eine allgemeine Einschätzung der Unfallrelevanz beim Touren- und Variantenfahren: Unfall-, Risiko- für den gesamten Bergsport zusätzlich erschwert. und Interventionsanalyse» verwiesen [241]. Die Ursache der meisten Unfälle beim Bergsport ist 3.1 in mangelnder Risikokompetenz Mangelnde Wahrnehmungskompetenz zu finden. Risikokompetenz umfasst einerseits die Fähigkeit, potenzielle Gefahren zu erkennen (Wahrneh- Im Folgenden werden die einzelnen Risikofaktoren mungskompetenz) und richtig einzuschätzen anhand von Beispielen näher beschrieben. (Beurteilungskompetenz) sowie andererseits die Fähigkeit, sicherheitsorientierte Entscheide zu fällen Bergsportler sind sich nicht bewusst, dass ihre Akti- (Entscheidungskompetenz) durch vität mit einem erhöhten Gefahrenpotenzial ver- zielgerichtetes Handeln auch zu verwirklichen bunden ist. Insbesondere beim Bergwandern sind (Handlungskompetenz). Extrinsische Risikofak- sie zu sorglos unterwegs und halten Bergwandern toren wie Naturgefahren oder Infrastruktur spielen für einen harmlosen Spaziergang. Sie planen die im Bergsport eine untergeordnete Rolle, wenn sie Tour gar nicht, holen keine Informationen ein, vom Sportler richtig beurteilt werden. entscheiden sich sogar erst spontan für eine Berg- und diese wanderung oder verlassen die markierten Wege, Tabelle 53 Bergsport: Bewertung von Risikofaktoren x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x Skala Unfallrelevanz 210 Nr. Risikofaktor 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Mangelnde Wahrnehmungskompetenz Mangelhafte Planung Mangelnde Beurteilungskompetenz Mangelnde Entscheidungskompetenz Mangelnde Handlungskompetenz Mangelhafte oder fehlende Sicherungs-/Seiltechnik Fehlende oder mangelhafte/ungeeignete Ausrüstung Ungenügende Kenntnisse, ungenügende Fähigkeiten Alleingänger Spalteneinbruch Objektive Gefahren, Naturgefahren Infrastrukturelle Mängel Mangelhaftes Rettungswesen Alkohol- oder Drogenkonsum, Medikamente Tiereinwirkung Unfallrelevanz Schneetouren Klettern Bergsteigen Bergwandern Setting x x x x x x x x x x x x Anteil der tödlich verletzten Bergsportler (in Prozent) > 21 10–21 6–9 3–5 <3 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 ohne sich die Konsequenzen zu überlegen. Die 3.3 Mangelnde Beurteilungskompetenz Berggänger sind teilweise ungenügend ausgerüstet (kein Seil auf verschneiten Gletschern) oder über- Nach Aussagen von Experten sind einige Berggän- fordert. Es fehlt zudem an Wissen und an der ger auf den gewählten Touren überfordert, merken Erfahrung, um die Risiken und speziellen Gefahren- es aber manchmal selbst nicht oder zu spät. Sie stellen vor Ort erkennen zu können. Damit fehlt schätzen also entweder die eigenen Fähigkeiten auch die grundlegende Voraussetzung, um diese (Kondition, Koordination) oder die Verhältnisse, risikoreichen Situationen richtig einzuschätzen und das Wetter und die Anforderungen falsch ein. Sie dann entsprechend zu handeln. Dies gilt insbeson- sind dann z. B. ungenügend ausgerüstet (Turn- dere auch für den Schneesport abseits der gesi- schuhe auf Schneefeldern, keine warme Kleidung cherten Gebiete, wo die Lawinengefahr nicht im Hochgebirge), völlig erschöpft und dadurch «sichtbar» ist und deshalb oft nicht wahrgenom- blockiert oder viel zu spät noch unterwegs. men wird. Einige Schneesportler sind nicht über die aktuelle Lawinengefahrenstufe gemäss Lawinen- Überforderung und Ermüdung begünstigen Fehler bulletin informiert [251]. und damit potenzielle Unfallsituationen. Eine Überforderung kann zu Stress und dann zu Fehlent- 3.2 Mangelhafte Planung scheiden führen, Ermüdung und Erschöpfung zu Stolpern und Stürzen. Misstritte und Stolpern sind Durch gute Planung lassen sich wichtige Punkte die Hauptursache der Verletzungen der unteren vorbereiten und damit viele Unfälle vermeiden: Die Extremitäten, können aber auch Ursache von Tour kann so gewählt werden, dass die Anforde- Abstürzen rungen an die Fähigkeiten der Teilnehmenden Situationen wie bei einem Unfall, bei einem plötz- angepasst sind. Das Wetter kann weitgehend vo- lichen Schlecht-Wettereinbruch oder bei anderen rausgesehen, die Verhältnisse in Erfahrung ge- unerwarteten bracht, die richtige Ausrüstung, angepasste Beklei- wichtig, insbesondere, wenn nicht schon bei der dung und genügend Verpflegung mitgeführt, die Planung an Alternativen gedacht worden ist. mit Todesfolge sein. Schwierigkeiten In sind kritischen Reserven Schlüsselstellen und die Umkehrpunkte definiert werden. Mangelnde Planung kann zu falschem Wenn Schneesportler im Winter die Verhältnisse Einschätzen der Verhältnisse und damit zu gefährli- falsch einschätzen und in zu gefährlichem Gelände chen Überraschungen führen, auf die nicht adä- (Hangneigungen, Hangexpositionen und Hangfor- quat reagiert werden kann, wenn keine Verhal- men) unterwegs sind, ist das Risiko für eine Lawi- tensalternativen überlegt wurden. Folgen von feh- nenverschüttung hoch. Beim Freeriden und Tou- lender Planung sind dann auf der Tour das Fehlen renfahren kann das Nachfolgen von fremden von notwendigem Material, Überforderung oder Spuren in unbekanntem Gelände zu Abstürzen eine ungenügende Reaktionsmöglichkeit auf ver- führen. änderte Rahmenbedingungen unterwegs. Mangelhafte oder fehlende Planung kann eine Folge von mangelnder Wahrnehmungs- oder Beurteilungskompetenz sein. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 211 3.4 Mangelnde Entscheidungskompe- oder Überforderung ist man manchmal motorisch tenz nicht in der Lage, eine Handlung wie geplant durchzuführen. Der Faktor «Mensch» (inkl. gruppendynamische Prozesse) führt auch bei genügend Wissen und Viele Bergsportler gehen sogar bewusst ein höhe- Erfahrung sowie richtiger Einschätzung der Situ- res Risiko ein, um ihre Ziele zu erreichen. Sie fahren ation manchmal zu Fehlentscheiden. Sinnestäu- in einen steilen Neuschneehang, der lawinenge- schungen, Wahrnehmungsfallen und mangelnde fährdet ist, um die erste Spur ziehen zu können Kommunikation spielen oft eine wichtige Rolle, vor oder steigen bei sich verschlechternden Bedingun- allem auch bei Lawinenunfällen. Die Fixierung auf gen trotzdem bis zum Gipfel auf, der ihnen in ihrer ein (suggeriert Sammlung noch fehlt. Bei hoher Risikobereitschaft Sicherheit) oder spontane Bauchentscheide beein- wird also ein grösseres Unfallrisiko in Kauf flussen die sicherheitsorientierte Entscheidungsfin- genommen, um andere Ziele zu erreichen. Ziel, Wunschdenken, Routine dung negativ. 3.6 So wird z. B. kurz unter dem Gipfel nicht umge- Mangelhafte oder fehlende Sicherungs- und Seiltechnik dreht, obwohl die Verhältnisse auf den letzten Metern eigentlich zu schlecht sind. Oder man ent- (Fehlendes) Anseilen: Anseilen kann oft einen Ab- scheidet sich für die Abfahrt durch einen Nordhang sturz oder Spaltensturz verhindern. Anseilen ist mit Pulverschnee und grösserer Lawinengefahr, deshalb auf eher flachen verschneiten Gletschern sobald man einen Blick in den geplanten Hang mit und bei entsprechender Sicherung im Steilgelände Bruchharst geworfen hat. nützlich. Anseilen kann aber auch zu Mitreissunfällen führen und ist in solchen Situationen ein 3.5 Mangelnde Handlungskompetenz Risikofaktor (Abbildung 30). In jeder Situation – besonders auf Hochtouren – müssen die Risiken Viele Unfälle sind auf ein Fehlverhalten der Berg- des Anseilens oder Nicht-Anseilens gegeneinander sportler zurückzuführen. Teilweise werden Warnungen oder Weisungen nicht beachtet oder gegen grundlegende Vorsichtsregeln Abbildung 30 Getötete beim Bergsteigen nach Mitreissunfall, ∑ 2000–2011 verstossen. Nach zuvor richtig eingeschätzter Situation wird der entsprechende sicherheitsorientierte Entscheid 20% 21% zwar getroffen, bei externen Barrieren oder gegenläufigen Motiven aber doch nicht durch zielgerichtetes Handeln verwirklicht. So geht man z. B. trotzdem weiter, wenn die Kollegen unbedingt noch auf den Gipfel möchten oder man stürzt in einem Hang, den man bei der Abfahrt zur Schonung der Schneedecke eigentlich sturzfrei hätte befahren wollen. Gerade bei Stress, Ermüdung 212 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 59% Ja Nein Unbekannt Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 abgewogen werden. Der eigentliche Risikofaktor wenig steif um ein Rutschen zu verhindern, hohe ist also eine mangelnde Risikokompetenz. und feste Wander- oder Bergschuhe sind dafür besser geeignet. Fehlende Sicherung: Insbesondere bei Hochtouren ist das ungesicherte gemeinsame Gehen mit oder Ausrüstungsmängel sind ausser bei den Schuhen ohne Seil gefährlich, weil ein Sturz nicht gebremst auch beim technischen Material zu finde: Steigei- oder gehalten werden oder bei angeseiltem Gehen sen, die nicht mehr scharf sind oder sich vom zu einem Mitreissunfall führen kann. Vor allem auf Schuh lösen, weil sie nicht richtig dazu passen; langen Touren wird wegen des hohen Zeitbedarfs Steigfelle, die nicht mehr kleben und sich in einer oft auf eine Sicherung verzichtet. Beim Felsklettern heiklen Situation lösen; Stöcke, die unter der kann eine fehlende Zwischensicherung die Sturz- Belastung unerwartet zusammensacken. höhe und damit die Verletzungsgefahr vergrössern. Manchmal ist eine Sicherung aufgrund des Ge- Die Kleidung ist bei allen Bergaktivitäten wichtig. ländes nicht möglich, meist ist aber eigentlich eine Oft wird ein drohender Wetterumschlag unter- mangelnde Risikokompetenz der Risikofaktor. schätzt. Auch im Sommer sollte man warme Kleider, Handschuhe und Mütze und eine wetterfeste Mangelnde Handhabung der Sicherungsgeräte: Jacke dabei haben. Bei Kälte und Nässe wird man Vor allem in Kletterhallen und in Klettergärten sind steif und müde, man wird unvorsichtig oder beeilt einige Unfälle der falschen Handhabung der Siche- sich zu stark, um einen Unterschlupf zu erreichen. rungsgeräte zuzuschreiben. Diese Fehler führen nur Dabei können Fehler gemacht werden, die zu Un- nicht zu mehr Verletzten, weil es eher selten zu fällen führen. Stürzen kommt. Oft fehlt ein korrekter Partnercheck, der den Unfall hätte verhindern können. Auch die falsch eingestellte Skitourenbindung kann bei einem Sturz in der Abfahrt ein Verletzungsrisiko Mangelhafte Benützung einer Tyrolienne oder darstellen, führt aber normalerweise nicht zu tödli- falsches Umhängen der Selbstsicherung ist beim chen Verletzungen. Begehen von Klettersteigen der wichtigste RisikoMaterialversagen ist eine eher seltene Unfallursa- faktor. che. Mögliche Beispiele sind der Bruch von Steigei- 3.7 Fehlende, mangelhafte oder unge- sen oder Pickel, Brüche von Haken, Karabinern und eignete Ausrüstung anderen Sicherungsgeräten oder Seilrisse. Beim Bergwandern können Schuhe mit schlechter Zur ungeeigneten Ausrüstung zählt z. B. ein zu Rutschfestigkeit und Stabilität zu Unfällen führen. kurzes Seil für die vorgesehene Kletterroute oder Turnschuhe mit guter griffiger Sohle sind auf ei- Abseilstelle oder ein Leichtsteigeisen für eine ge- nem guten Weg nicht unbedingt ein Problem, mischte Hochtour in Fels und Eis. Das Problem ist abgesehen von der Gefahr von Misstritten wegen aber nicht die Ausrüstung an sich, sondern die fehlender Stabilisation am Fussgelenk. In weglosem Wahl der falschen Ausrüstung für die gewählte Gelände sind die Sohlen aber normalerweise zu Tour, also eine mangelnde Beurteilungskompetenz. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 213 Fehlende Ausrüstung führt oft zu kritischen Situ- 3.8 gende Fähigkeiten ationen und ist meist eine Folge von mangelnder Wahrnehmungs- oder Ungenügende Kenntnisse, ungenü- Beurteilungskompetenz. Selten wird etwas einfach vergessen. Bei der Que- Ungenügende Trittsicherheit, ungenügendes «Klet- rung eines steilen Schneefeldes im Frühsommer terkönnen», wären Pickel und Steigeisen oder zumindest ein Schnee, fehlende Orientierungskenntnisse usw. Seil nötig. Trotzdem wird die Wanderung nicht können zu Unfällen führen. Meistens könnten die abgebrochen und nicht umgekehrt. Die Harsch- Unfälle vermieden werden, wenn die Fähigkeiten eisen fehlen. Trotzdem steigt man die wenigen richtig eingeschätzt werden und die Tour so steilen Meter auf der Skitour weiter. Zusätzliches ausgewählt und geplant wird, dass die Bergsportler Sicherungsmaterial beim Klettern wie Keile oder mit hoher Wahrscheinlichkeit den Anforderungen Klemmgeräte fehlen. Deshalb kann während meh- gewachsen sind oder sogar noch Reserven haben. reren Metern keine Sicherung gelegt werden. Ein Die ungenügenden Kenntnisse und Fähigkeiten fehlender Sonnenschutz kann zu Schneeblindheit allein sind also keine bedeutenden Risikofaktoren, oder Hitzschlag führen, fehlende Getränke oder wenn die Anforderungen der Tour entsprechend Verpflegung zu Erschöpfung, eine fehlende oder gewählt werden. mangelnde Abfahrtstechnik im veraltete Karte und ein fehlender Kompass oder ein fehlendes GPS zum «Verirren». Das Fehlen einer Notfallausrüstung mit einem 3.9 Alleingänger Erste-Hilfe-Set, Rettungsdecke, Handy oder Funk kann ein Grund Bei den meisten tödlich verunfallten Alleingängern dafür sein, dass die Unfallfolgen unnötig ver- kann die Unfallursache und der Unfallhergang schlimmert werden, besonders in den Bergen, wo nicht geklärt werden. Vermutlich hätte partner- die Hilfe oft erst einige Zeit nach einem Unfall schaftliches Handeln und Entscheiden vor dem eintrifft. Beim Handy kann der Akku leer sein oder Unfall oder Partnerhilfe nach dem Unfall den tödli- es gibt keinen Empfang. chen Ausgang bei einigen Ereignissen verhindern können. Wenn jemand eine Erschöpfung erleidet Fehlt beim Bergsteigen ein geeigneter Helm, so ist oder sich verletzt und keinen Handyempfang hat, der Sportler weder vor einem Steinschlag noch vor um Hilfe anfordern zu können, könnte eine dem Aufprall nach einem Sturz geschützt. Begleitperson schlimmere Insbesondere in den Folgen verhindern. Schneesportarten, wo Zur Schutzausrüstung kann auch die Notfallaus- Kameradenrettung ein entscheidender Punkt ist, rüstung für Touren- und Variantenfahren in lawi- um die Folgen eines Unfalls zu mindern, ist das nengefährdetem Gelände gezählt werden, also in Allein-Unterwegs-Sein erster Linie Lawinenverschütteten-Suchgerät (LVS), Bergsteigen und Klettern und beim Begehen von Schaufel und Sonde. Das Fehlen dieser Ausrüstung Gletschern ist eine Seilsicherung für Alleingänger sowie das Fehlen eines Airbags, Lawinenballons nicht möglich oder sehr aufwändig und deshalb usw. können die Verschüttungstiefe vergrössern das Risiko eines Absturzes erhöht. Allein unterwegs oder die Suchzeit verlängern und damit die Überle- zu sein, kann aber andere Risikofaktoren wie benschance verkleinern. mangelnde 214 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) ein Risikofaktor. Entscheidungs- und Beim Handlungs- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 kompetenz auch reduzieren, weil z. B. der che Unfälle in den letzten Jahren sind auf solche «objektive Gefahren» zurückzuführen, die kaum Gruppendruck fehlt. vorausgesehen werden konnten und zum Rest- 3.10 Spalteneinbruch risiko gehören, wenn man sich in den Bergen bewegt. Gesamthaft beurteilt, hat das Risiko, das von Auf verschneiten Gletschern ist ein Spaltensturz unvorhersehbaren Naturgefahren ausgeht, nur möglich. Werden die Unfallhergangstypen diffe- geringe Unfallrelevanz. renzierter dargestellt, so zeigt sich, dass es sich bei 58 von 1013 Stürzen aus der Höhe um Spalten- 3.12 Infrastrukturelle Mängel stürze gehandelt hat (Tabelle 52). Oft kann die Festigkeit einer Spaltenbrücke nicht beurteilt Infrastrukturelle Mängel sind im Bergsport als Risi- werden oder Spalten sind gar nicht sichtbar. Die kofaktor ebenfalls kaum relevant. Sie können in Folgen eines Einbrechens in eine Spalte können Form von mangelhaften Bergwanderwegen (feh- aber durch Anseilen und richtige Seiltechnik ver- lende Absturzsicherung, ungenügende Markie- mindert werden, sodass eigentlich mangelhafte rung) oder mangelhaften Klettersteigen (man- oder fehlende Sicherungs-/Seiltechnik der relevante gelnde Festigkeit der künstlichen Tritte, Risse des Risikofaktor ist. Sicherungskabels) auftreten. Sie kommen aber sehr selten vor, da die Infrastruktur meist bereits einen 3.11 Objektive Gefahren, Naturgefahren hohen Qualitätsstand erreicht hat. Zudem ist im Bergsport in den meisten Fällen gar keine «Infra- Naturgefahren werden im Bergsport auch als «ob- struktur» im eigentlichen Sinn vorhanden. jektive Gefahren» bezeichnet. Zu diesen zählen insbesondere Steinschlag, Eisschlag, Schlamm- 3.13 Mangelhaftes Rettungswesen lawine, Blitzschlag oder Wechtenabbruch. Diese objektiven Gefahren sind nicht durch Bergsportler Das Rettungswesen ist in den Schweizer Bergen verursacht worden (Tabelle 52, S. 208). Lawinen sehr gut organisiert und auf einem qualitativ hohen hingegen werden meist durch die Bergsportler Niveau. selbst ausgelöst. Das Risiko, das von objektiven Gefahren ausgeht, kann oft gemieden werden, Bei Lawinenunfällen ist die Rettung, insbesondere indem sich die Bergsteiger nicht dort aufhalten, wo die Kameradenrettung, effizienter geworden. Rund diese Gefahren drohen und bei einem Wetter- 60 % der Ganzverschütteten überleben heute eine umschlag rechtzeitig umkehren. Steinschlag, Eis- Lawine, Ende der 70er-Jahre waren es nur 40 %. schlag und Wechtenabbrüche können zwar nicht Bei einer Verschüttung kann die Überlebenschance zeitlich möglichen durch einen Lawinenairbag und durch eine effi- Gefahrenstellen sind aber häufig bekannt oder klar ziente Kameradenrettung erhöht werden. Ineffi- ersichtlich. Durch einen möglichst kurzen Aufent- ziente Kameradenrettung und fehlende Notfallaus- halt an diesen Stellen oder durch Vermeidung von rüstung (z. B. Lawinenairbag) verkleinern also die Touren mit solchen Gefahrenstellen kann das Überlebenschancen. vorausgesagt werden, die Risiko beträchtlich reduziert werden. Einige tödli- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 215 Fehlender Handyempfang kann in wenigen Fällen 3.16.1 Bergwandern eine Mitursache für eine nicht sofortige Anforderung von Hilfe bei einem Unfall sein. Ein mangel- Beim Bergwandern sind die bedeutsamsten Risiko- haftes Rettungswesen ist aber kaum je ein Risiko- faktoren der mangelnden Wahrnehmungs- und faktor für die Entstehung eines Unfalls. Eine Ver- Beurteilungskompetenz zuzuordnen (Tabelle 54). besserung könnte also höchstens die Unfallfolgen Die Bergwanderer sind zu sorglos. Das Bewusst- mindern (tertiäre Prävention). sein für mögliche Gefahren fehlt und Gefahrenstellen werden nicht rechtzeitig wahrge- 3.14 Alkohol- oder Drogenkonsum, Medikamente nommen. Die Bergwanderer planen ihre Bergwanderung deshalb schlecht oder gar nicht und können ihre Fähigkeiten, die Anforderungen und Alkohol- und anderer Drogen- oder Medikamen- die Verhältnisse nicht richtig einschätzen. tenkonsum ist bei Bergsportunfällen kein bedeutender Risikofaktor. Zwar wird in Berghütten Alko- Sie überschätzen z. B. ihre Trittsicherheit und Kon- hol konsumiert, vor einer anspruchsvollen Tour dition, unterschätzen den raschen Wetterwechsel jedoch kaum im Übermass. Weder Experten noch im Gebirge, verlassen die markierten Wege ohne Studien weisen auf ein diesbezügliches Risiko hin. entsprechende Orientierungskenntnisse und Ausrüstung, beachten Wegsperrungen nicht oder kön- 3.15 Tiereinwirkung nen nicht adäquat auf Unvorhergesehenes unterwegs reagieren. Gerade bei älteren Personen (beÄhnliches sonders bei Männern) werden die Touren oft nicht kommen vor, sind aber selten. Auch von Mutter- an die im Alterungsverlauf verminderte Leistungs- kühen auf Alpweiden, wo der Wanderweg durch- fähigkeit angepasst, was dann zu Überforderung geht, kann bei Fehlverhalten der Wanderer eine und vorzeitiger Ermüdung führt. Schlangenbisse, Wespenstiche oder Gefahr ausgehen. In den letzten 12 Jahren wurden jedoch beim Bergwandern keine tödlichen Unfälle Beim Bergwandern waren auffallend viele tödlich durch Tiereinwirkung registriert. Verunfallte allein unterwegs, was beim Bergwandern als ein relativ relevanter Risikofaktor 3.16 Bedeutsamkeit der Risikofaktoren eingeschätzt wurde. nach Sportart Tabelle 54 Bergwandern: Wichtigste Risikofaktoren In den folgenden Tabellen werden für die Hauptbergsportarten die wichtigsten Risikofaktoren nach Verletzungsrelevanz dargestellt. In den übrigen Bergsportarten wie Eisklettern und Canyoning sind tödliche Unfälle seltene Einzelfälle mit unterschiedlichen Ursachen, die kaum nach Setting Risikofaktor Mangelnde Wahrnehmungskompetenz Mangelhafte oder fehlende Planung (mangelnde Anpassung der Tour an Verhältnisse und Fähigkeiten) Mangelnde Beurteilungskompetenz (Überschätzung von Bergwandern Fähigkeiten und Kondition, Unterschätzung der Anforderungen) Mangelnde Entscheidungskompetenz Mangelnde Handlungskompetenz Alleingänger Unfallrelevanz klassiert werden können. 216 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fehlende oder mangelhafte Ausrüstung, infrastruk- Fehlende Ausrüstungsgegenstände (wie Seil, Stei- turelle Mängel an den Bergwanderwegen oder geisen, Pickel), ungenügende Kenntnisse und Fä- Naturgefahren sind weniger unfallrelevant. higkeiten, Spalteneinbruch sowie das Unterwegssein als Alleingänger sind bereits weniger bedeu- 3.16.2 Bergsteigen tende Risikofaktoren. Beim Bergsteigen werden die Touren oft nicht Naturgefahren als Risikofaktor sind kaum unfallre- richtig geplant, d. h. nicht an die eigenen Fähig- levant. keiten oder die Verhältnisse angepasst, sei es wegen mangelnder Wahrnehmungs- oder Beur- 3.16.3 Klettern teilungskompetenz (Tabelle 55). Die Gefahr wird wegen fehlenden Wissens gar nicht wahrgenom- Beim Klettern können das fehlende Gefahren- men oder das Risiko wird falsch beurteilt. Dies bewusstsein (v. a. Fehleinschätzung der eigenen kann zu Überforderung und vorzeitiger Ermüdung Fähigkeiten oder der Verhältnisse) und eine führen. veränderte mangelhafte Planung zu kritischen Situationen Rahmenbedingungen unterwegs reagiert werden führen (Tabelle 56). Ein zu kurzes Seil beim oder es werden Fehlentscheide getroffen. Die Abseilen führt z. B. immer wieder zu schweren Fixierung auf ein Ziel, Wunschdenken oder Routine Unfällen. So kann nicht auf (suggeriert Sicherheit) führen dazu, dass Entscheide nicht sicherheitsorientiert gefällt werden oder nicht Zudem gehört die mangelhafte Sicherungs- und entsprechend gehandelt wird. Für die Erreichung Seiltechnik zu den bedeutenden Risikofaktoren, eines Gipfels wird z. B. oft ein hohes Risiko einge- insbesondere beim Sport- und Hallenklettern. gangen. Manchmal fehlt das Wissen, weil keine Ausbildung besucht worden ist. Ein kontrollierter Sturz ins Seil Auch die technischen Aspekte wie mangelhaf- bleibt oft ohne Folgen. Weite Stürze oder Boden- tes Sichern und falsche Seilhandhabung als stürze wegen falscher Seilhandhabung und Siche- sportartspezifische Fertigkeiten gehören zu den rung hingegen können zu schweren Verletzungen bedeutenden Risikofaktoren. führen. Das Fehlen eines Partnerchecks kann eine Mitursache für solche Unfälle sein. Tabelle 55 Bergsteigen: Wichtigste Risikofaktoren Setting Risikofaktor Tabelle 56 Klettern: Wichtigste Risikofaktoren Setting Mangelnde Wahrnehmungskompetenz Mangelhafte Planung (mangelnde Anpassung der Tour an Verhältnisse und Fähigkeiten) Mangelnde Wahrnehmungskompetenz Mangelnde Beurteilungskompetenz (Überschätzung von Bergsteigen Fähigkeiten und Kondition, Unterschätzung der Anforderungen) Mangelnde Entscheidungskompetenz Risikofaktor Klettern Mangelnde Beurteilungskompetenz (Überschätzung von Fähigkeiten und Kondition, Unterschätzung der Anforderungen) Mangelhafte Sicherungs-/Seiltechnik Mangelnde Handlungskompetenz Mangelhafte Planung (mangelnde Anpassung der Tour an Verhältnisse und Fähigkeiten) Mangelnde Entscheidungskompetenz Mangelhafte Sicherungs-/Seiltechnik Mangelnde Handlungskompetenz bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 217 Ein Helm kann bei Stürzen den Aufprall dämpfen Fehlende Notfallausrüstung kann bei einer Lawi- und Steinschlagfolgen mindern. Dessen Fehlen ist nenverschüttung die Folgen wesentlich verschlim- aber selten ursächlich für schwere Folgen von mern, ebenso eine ineffiziente Kameradenrettung. Kletterunfällen. Deshalb haben diese Risikofaktoren bei Schneetouren eine höhere Unfallrelevanz. Materialversagen wie Hakenbruch oder Seilriss ist Neben Lawinenverschüttung werden Todesfälle nicht sehr bedeutsam. auch durch Absturz oder Spaltensturz verursacht. 3.16.4 Ski-, Snowboard- und Schneeschuh- Dafür kann eine ungenügende Aufstiegs- oder Ab- touren sowie Variantenfahren fahrtstechnik oder fehlendes Anseilen auf Gletschern verantwortlich sein. Die Lawinenverschüttung ist ein bedeutsamer Unfallhergang bei Schneetouren. Eine Lawine ist da- Ungeeignete Ausrüstung, Materialprobleme oder bei aber nicht als objektive (Natur-)Gefahr zu objektive Gefahren spielen eine untergeordnete Rolle. sehen. Sie wird meist von den Sportlern selbst ausgelöst, die sich im risikoreichen Gelände aufhalten Eine detaillierte Risikoanalyse findet sich in der bfu- und die Tour mangelhaft geplant haben (Tabelle Grundlage «Lawinenunfälle beim Touren- und 57). Die Ursache ist damit mangelnde Risiko- Variantenfahren» [241]. kompetenz (mangelhafte Wahrnehmung, Beurteilung, Entscheidung und Handlung). Einer- 4. Interventionsanalyse seits fehlen Ausbildung und Erfahrung für die richtige Wahrnehmung und Beurteilung. Anderer- Das Risiko für Bergsportunfälle kann mit wirksa- seits Risiko- men Präventionsmassnahmen reduziert werden. bereitschaft, bedingt durch Wahrnehmungsfallen Um die Unfallrelevanz der in Kapitel IX.3, S. 209ff und Sinnestäuschungen, häufig. Dabei werden aufgelisteten Hauptrisikofaktoren zu eliminieren auch Warnungen und Weisungen missachtet, oder zu reduzieren, werden in diesem Kapitel ent- wenn der Gipfel oder ein schöner Pulverschnee- sprechende Präventionsmöglichkeiten aufgelistet hang lockt. (Tabelle 58). Dabei wird nur auf die Risikofaktoren sind Fehlentscheide und hohe eingegangen, die gemäss Risikoanalyse eine hohe Tabelle 57 Ski-, Snowboard- und Schneeschuhtouren sowie Variantenfahren: Wichtigste Risikofaktoren Setting Risikofaktor Mangelhafte oder fehlende Planung Mangelnde Wahrnehmungskompetenz Ski-, Snowboard- und Schneeschuhtouren sowie Variantenfahren 218 Unfallrelevanz aufweisen (mindestens 3 «Saddies»: ; Tabelle 53, S. 210). Jede vorgestellte Massnahme wird hinsichtlich ihrer Wirksamkeit (Reduktion des Risikos bei Inkrafttre- Mangelnde Handlungskompetenz (hohe Risikobereitschaft) Mangelnde Beurteilungskompetenz (falsche Einschätzung der Lawinengefahr) Mangelnde Entscheidungskompetenz ten der Massnahme), Effizienz (Kosten-Nutzen- Fehlende Notfallausrüstung (LVS, Schaufel, Sonde) technische Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) Verhältnis) und Umsetzbarkeit (gesellschaftliche oder politische Akzeptanz, rechtliche Grundlagen, Machbarkeit usw.) überprüft und bewertet (Tabelle 58). Diese Bewertung erfolgt, bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 falls vorhanden, auf Basis wissenschaftlicher Evidenz. «short list» und wird zur Umsetzung durch die bfu Ansonsten ist es ein Schätzwert der Expertengruppe oder Partner empfohlen (Kap. IX.5, S. 224). der bfu und externer Experten. Basierend auf den drei Kriterien Wirksamkeit, Effizienz und Umsetz- Technische Massnahmen, mit denen die Infrastruk- barkeit ein tur oder die Ausrüstung sicherer gemacht werden, Prädikat verliehen, das angibt, ob die Massnahme sind im Allgemeinen verhaltensorientierten Mass- empfehlenswert ist oder nicht (Tabelle 58). Eine nahmen überlegen. So kann mit baulichen Mass- Auswahl von Massnahmen, die bei der Bewertung nahmen meist ein überdauernder Schutzeffekt ein Prädikat «empfehlenswert» oder «sehr empfeh- erzielt werden und der Effekt der Präventionsmass- lenswert» erhalten haben, bildet die sogenannte nahmen ist nicht vom Wissen, der Einstellung und wird jeder Präventionsmöglichkeit Tabelle 58 Bergsport: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten Mangelnde Handlungskompetenz Mangelhafte Planung Mangelhafte Sicherungs-/Seiltechnik Mangelnde Risikokompetenz führt zu Lawinenverschüttung Skala Prädikat: 1= Sehr empfehlenswert 2= Empfehlenswert 3= Bedingt empfehlenswert 4= Nicht empfehlenswert bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Prädikat Mangelnde Entscheidungskompetenz Umsetzbarkeit Mangelnde Beurteilungskompetenz Bergsport allgemein Sensibilisierung/Information mit Broschüren, Plakaten, Tafeln, Filmen, Pressetexten, Unterrichtsmaterialien usw. beibehalten/verstärken Unfallzahlen und Unfallberichte mit Kommentar publizieren, Serie am TV zeigen Kritische Situationen erfassen und kommunizieren Selbsteinschätzungstools entwickeln und bei Zielgruppe einführen Informationen zu Wetter (Bergspezifisch) und Verhältnissen (Zielgruppenspezifisch) verbessern und verbreiten, z. B. in den Hütten aufhängen und im Internet veröffentlichen Zum Besuch einer Lawinenausbildung motivieren, Hilfsmittel zur Einschätzung des Lawinenrisikos verbessern, Erfahrungen ermöglichen Aktuelle Warnung von Bergsportlern Austausch über Internet-Plattformen fördern In Ausbildungsmodulen Entscheidungskompetenz vermehrt thematisieren Im lawinengefährdeten Gelände motivieren zum Einbau einer Sicherheitsreserve und zur Meidung von Gelände mit erhöhtem Risiko In Ausbildungsmodulen Handlungskompetenz vermehrt thematisieren Motivieren zur Reduktion der Risikobereitschaft Checklisten und Hilfsmittel zur laufenden Überprüfung von Entscheiden und Verhalten Sensibilisierung und Information mit Broschüren, Checklisten, Planungsformularen, Checkpoints, Partnercheck Bergsteigen/Klettern Niederschwellige Ausbildungsangebote, auch für«Erfahrene» Ausbildungsobligatorium (Kletterschein) für selbständiges Klettern in Kletterhallen einführen Partnercheck konsequent fördern Schneetouren(Lawinen) Schonraum anbieten und propagieren Bewertung Effizienz Mangelnde Wahrnehmungskompetenz Präventionsmöglichkeiten Wirksamkeit Risikofaktor ± ± + 2* ± ± ± - ± ± ± ± + + + ± 2* 2 2 3* ± + ± 2* ± ± ± ± + ± + ± ± 3 3* 3* 2* ± ± + ± ± + ± ± ± 3* 3 2 ± + ++ 1* - - ± - 3 4 ± ± + 2* + ± ± 2* Skala Beurteilung (Wirksamkeit, Effizienz, Umsetzbarkeit): ++ = Sehr hoch + = Hoch +/= Mittel = Tief = Sehr tief – Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 219 dem Verhalten der einzelnen Sportler abhängig, oder Verbände zu erreichen. Vor Ort, also z. B. an sondern wirkt ohne aktives Zutun der Einzelnen den Ausgangspunkten zu Bergwanderungen oder sicherheitserhöhend. Im Bergsport sind aber tech- Schneeschuhtouren, könnte mit Informationstafeln nische Massnahmen kaum möglich oder verhält- oder Warnsignalen auf Gefahren hingewiesen nismässig. Verhaltensorientierte Massnahmen wie werden. Neue Kanäle wie Apps für Smartphones beispielsweise solche zur Verbesserung der Risiko- oder Internetforen sollten vermehrt genutzt wer- kompetenz sind aufwändig, haben teilweise geringe den. Die Kommunikationsgewohnheiten und -ka- Wirksamkeit und haben selten langandauernden näle der verschiedenen Zielgruppen sollten besser Effekt. In der Schwerpunktsetzung der Unfallpräven- bekannt sein. Dabei sollten auch die ausländischen tion muss also bei jeder Präventionsmöglichkeit Touristen erreicht werden können. Die Nutzung immer wieder neu abgeschätzt werden, wie die von Social Media sollte geprüft werden. Ein Beibe- jeweilige Zielsetzung mit den zur Verfügung ste- halten oder eine Verstärkung dieser Sensibilisie- henden Ressourcen am effizientesten erreicht wer- rungs- und Informationsarbeit ist empfehlenswert. den kann. In diesem Prozess ist der intensive Austausch mit den wichtigsten Stakeholdern im Berg- Resultate der Unfallanalysen sollten breit kommu- sport Voraussetzung für erfolgreiche Präventions- niziert und daraus die entsprechenden Empfehlun- arbeit. gen abgeleitet werden. Dafür wäre es wünschenswert, die Unfallanalysen zu vertiefen, um mehr 4.1 Wahrnehmungskompetenz über die Unfallursachen aussagen zu können. Dies könnte durch eine Befragung der verunfallten Um das Bewusstsein für Gefahren zu schaffen Bergsportler über die Unfallversicherer oder durch oder zu erhöhen, sollten die Bergsportler mittels die Einführung eines CIRS (Critical Incident Report Broschüren, Plakaten, Tafeln, Filmen, Pressetexten System) zur Erfassung und Analyse von Unfällen usw. immer wieder über die Risiken informiert und Beinahe-Unfällen erreicht werden. Beides ist werden. Hauptzielgruppe sind die Bergwanderer, aber relativ aufwändig. Die Resultate sollten den die Schneeschuhläufer sowie die Freerider und Bergsportlern im Internet oder mit einer Serie am Skitourengänger. die TV zugänglich gemacht werden. Entsprechende Bergsporthändler, die Bergbahnen oder auch Sendungen erreichen viele Zuschauer. Die Berg- Lehrpersonen (Unterrichtsmodul über Gefahren sportler können aus Fehlern von anderen lernen. im Gebirge) sein. Die Sportler können damit dazu So kann eher das Interesse geweckt und das Ge- motiviert werden, sich zu informieren, Aus- fahrenbewusstsein erhöht werden als nur mit In- bildungskurse zu besuchen oder sich selbst formationsbroschüren. Das verstärkte Verbreiten weiterzubilden und ihre Touren sorgfältig zu der Informationen zu den Unfällen ist deshalb planen. Die Förderung des Gefahrenbewusstseins empfehlenswert. Multiplikatoren können ist empfehlenswert. 4.2 Beurteilungskompetenz Da die Bergsportarten meist selbstorganisiert betrieben werden, ist es schwierig, die Sportler mit Ein Selbsteinschätzungstool für Bergwanderungen Präventionsbotschaften über die Ausbildungen und Hochtouren sollte entwickelt und z. B. im In- 220 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 ternet zur Verfügung gestellt werden. Durch eine Bergsportler könnten bei speziellen Situationen wie noch klarere Beschreibung und Klassierung der besonders grossem Schneefall im Sommer, länge- Touren nach Schwierigkeit mit entsprechenden rer Schneebedeckung auf Wanderwegen im Früh- Vergleichstouren könnten sich die Bergsportler sommer, Steinschlag oder Vereisung wegen Er- besser einschätzen und beurteilen, ob sie den wärmung usw. über verschiedene Kanäle (Internet, technischen und konditionellen Anforderungen Radio/TV, Printmedien) informiert und gewarnt gewachsen sind. Die Wanderwegkategorien mit werden. Apps für Smartphones könnten die Berg- den entsprechenden Anforderungen und weitere sportler unterwegs vor aufziehenden Gewittern, Schwierigkeitsskalen könnten noch besser bekannt Schneefall usw. warnen. Auch hier könnte der Ein- gemacht werden. Eine Verbesserung der Selbstein- satz von Social Media geprüft werden. Solche schätzung ist empfehlenswert. Warnungen sind sehr aufwändig, rechtlich heikel und werden trotzdem kaum wahrgenommen. Sie Der Wetterbericht ist bereits sehr gut, könnte aber sind deshalb nur bedingt empfehlenswert. noch vermehrt auf die Verhältnisse in den Bergen eingehen. Er könnte für Touristen auch englisch Internetforen (z. B. www.gipfelbuch.ch, www.hikr.org, erhältlich sein. Wetter- und Verhältnisangaben www.camptocamp.org) könnten gefördert wer- sollten möglichst einfach und auch vor Ort, z. B. in den. Hier können Bergsportler Angaben zu den den Berghütten, zugänglich sein. Die einzelnen Verhältnissen auf gemachten Touren eintragen und Gruppen (z. B. Schneeschuhläufer) könnten noch sich über die Verhältnisse auf geplanten Touren zielgruppenspezifischer informiert werden. Die informieren. Dabei stellt sich aber die Schwierig- Wirksamkeit ist eher tief, entscheidend ist oft nicht keit, dass die Qualität der Informationen, die von die Qualität der Informationen, sondern die sicher- beliebigen Nutzern eingespeist werden können, heitsorientierte Anpassung der Tourenwahl und nicht garantiert werden kann. Deshalb ist eine ver- des Verhaltens an die Informationen. Deshalb ist mehrte Förderung nur bedingt empfehlenswert. diese Massnahme nur bedingt empfehlenswert. 4.3 Entscheidungskompetenz Zur Vermeidung von Lawinenunfällen sollten die Schneesportler zum Besuch einer Ausbildung moti- In allen Ausbildungskursen und geführten Touren- viert werden. Die Lawinenausbildungskurse müssen angeboten sollte dieses Thema angesprochen wer- niederschwellig sein. Sensibilisierung kann bereits den. Mit Rollenspielen und Fallbeispielen sollen die in der Schule beginnen, wobei die Wirkung im Teilnehmenden lernen, ihre Entscheidungen zu Vergleich zum Aufwand als klein einzuschätzen ist. hinterfragen und nicht in Wahrnehmungsfallen zu Die Hilfsmittel zur Einschätzung des Lawinenrisikos tappen. Besonders ältere Personen sowie Touren- könnten noch vereinfacht und verbessert werden. und Variantenfahrer sollten angesprochen werden. Den Schneesportlern sollte es ermöglicht werden, Nur durch Sensibilisierung für die Risiken und mit Erfahrungen zu sammeln und diese zu reflektieren. richtiger Beurteilung der Situation können die Erfahrung kann die Einschätzung der Lawinenge- Bergsportler sicherheitsorientierte Entscheide fäl- fahr verbessern. Die Verbesserung der Einschät- len. Die Schwierigkeit bei der Umsetzung dieser zung des Lawinenrisikos ist empfehlenswert. Massnahme besteht darin, dass viele Bergsportler bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 221 keine Ausbildung besuchen und die Beeinflussbar- Fehler sind auf Schneetouren im freien ungesicher- keit des Verhaltens durch Ausbildung auch bei ten Gelände besonders häufig. Entscheide, die grossem Aufwand eher beschränkt ist. Diese Mass- mittels Checklisten gefällt werden, können helfen, nahme ist deshalb nur bedingt empfehlenswert. aktuelle subjektive Einflüsse zu reduzieren und dazu führen, relevante Einflussfaktoren bewusster Schneesportler sollten jedoch vermehrt motiviert wahrzunehmen. werden, Gelände mit hohem Risiko zu meiden und immer eine Sicherheitsreserve einzubauen. Im La- 4.5 Planung winenbereich ist diese Massnahme empfehlenswert, weil auch bei der Einschätzung der Lawinen- Viele heikle Situationen im Bergsport können be- gefahr mit hoher Beurteilungskompetenz ein Risiko reits bei der Planung berücksichtigt und entspre- übrig bleibt, das nur durch Verzicht verkleinert chend vermieden werden. Eine sorgfältige Planung werden kann. Deshalb sollten insbesondere auch kann Mängel bei der Wahrnehmung, Beurteilung, Personen angesprochen werden, die Schneesport- Entscheidung oder beim Handeln aufzeigen. Es ist ler abseits des gesicherten Geländes auf Touren deshalb sehr empfehlenswert, die Bergsportler und Abfahrten führen. noch vermehrt auf die Notwendigkeit und den Sinn der Planung aufmerksam zu machen und sie bei 4.4 Handlungskompetenz der Planung zu unterstützen. Die Bergsportler sollten mit Broschüren, Plakaten usw. an die wichtigs- In allen Ausbildungskursen und geführten Touren- ten Etappen im Planungsprozess erinnert werden. angeboten sollte dieses Thema angesprochen wer- Bei den Ausgangspunkten könnten entsprechende den. Die Schwierigkeit bei der Umsetzung dieser Checkpoints platziert werden, bei denen die Pla- Massnahme besteht darin, dass viele Bergsportler nung überprüft werden kann. Planungsformulare keine Ausbildung besuchen und die Beeinflussbar- und Checklisten für alle Zwecke sollten zur Verfü- keit des Verhaltens durch Ausbildung auch bei gung gestellt werden. grossem Aufwand eher beschränkt ist. Auch die Wirkung von Medienartikeln oder Kampagnen auf Checklisten für die Ausrüstung je nach Unterfan- eine Verhaltensänderung ist eher klein. Zudem ist gen bestehen bereits und sollten noch mehr die Handlungskompetenz nur relevant, wenn die genutzt werden. Der Partnercheck zur Kontrolle Wahrnehmungs-, Entschei- der Ausrüstung und als konsequente «Zweit- dungskompetenzen bereits hoch sind. Deshalb sind meinung» bei Beurteilungen und Entscheidungen solche Massnahmen nur bedingt empfehlenswert. könnte einführt werden. Auch das Verhalten Beurteilungs- und könnte mit einer Checkliste auf sicherheitsEmpfehlenswert ist die Einführung von Checklisten orientiertes Handeln hin überprüft werden. oder anderen Hilfsmitteln zur laufenden Überprüfung von Entscheiden und Verhalten. Damit kön- 4.6 Sicherungs-/Seiltechnik nen Fehler, die auf Wahrnehmungsfallen, Sinnestäuschungen Kommunikation Mängel bei der Sicherungs-/Seiltechnik sind oft zurückzuführen sind, vermieden werden. Solche eine Folge von mangelnder Risikokompetenz. Das 222 und mangelnde Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Ausbil- 4.7 Lawinenverschüttung dung oder einfach das Wissen über eine korrekte Seilhandhabung fehlen. Die Ausbildungsangebote Eine Lawinenverschüttung meist auf mangelnde könnten gerade für «erfahrene» Kletterer und Risikokompetenz Bergsteiger noch niederschwelliger sein. Sie sollten sportler halten sich in risikoreichem Gelände auf motiviert werden, ihr Wissen und Können auf den und lösen die Lawine meistens selbst aus. zurückzuführen. Die Schnee- neusten Stand zu bringen und sich weiterzubilden, allenfalls mit einem Zusatznutzen (z. B. bei Kursbe- Um die Folgen der mangelnden Risikokompetenz zu such erhält man eine Verbilligung für eine Tour mindern, sollten die Variantenfahrer und Schnee- oder eine Reduktion des Kaufpreises für das schuhläufer motiviert werden, vermehrt gesicherte Sicherungsgerät). Das in einer Ausbildung Gelernte signalisierte (Abfahrts-)Routen zu benützen und müsste dann aber auch konsequent angewendet damit eine Lawinenverschüttung praktisch aus- werden. Wegen der tiefen Wirksamkeit und des zuschliessen. Auch den Tourenfahrern sollte ein hohen Aufwands ist diese Massnahme nur bedingt «Schonraum» mit geringem Lawinenrisiko ange- empfehlenswert. boten werden, ein Verzeichnis von sogenannten «Plaisir-Touren» (Arbeitstitel). Diese Massnahme Für Hallenkletterer könnte ein Ausbildungsobliga- wäre sehr wirksam und ist deshalb empfehlenswert. torium eingeführt werden, da diese ja Eintritt bezahlen müssen. Sie würden nach Bestehen einer Das Mitführen der Notfall- und Rettungsausrüstung entsprechenden Prüfung einen «Climbing-Pass» und die Effizienz der Kameradenrettung können erhalten. Nur mit einem Climbing-Pass könnte weiter gefördert werden. Viel wichtiger als die ohne Betreuung in der Halle geklettert werden. Ein Rettung ist aber, dass man sich gar nicht erst in solcher Ausweis ist jedoch kaum umsetzbar und Gelände mit hohem Lawinenrisiko aufhält. der Nutzen zweifelhaft. Darum wird diese Massnahme als nicht empfehlenswert beurteilt. 4.8 Weitere Präventionsmassnahmen Alternativ könnte die Kontrolle/Aufsicht in den Kletterhallen noch verbessert werden. Sie sollte auf Die folgenden Präventionsmassnahmen könnten Fehler beim Sichern hinweisen und das richtige Risikofaktoren reduzieren, die als nicht sehr unfall- Verhalten zeigen. Eine Korrektur des eigenen relevant Verhaltens wird aber oft schlecht akzeptiert. beschränkte Wirksamkeit haben. Diese Mass- bewertet wurden oder nur eine nahmen werden trotzdem erwähnt, weil sie gut Die konsequente Anwendung des Partnerchecks umsetzbar sind oder weil sie bereits umgesetzt beim Klettern sollte hingegen gefördert werden. werden und beibehalten werden sollten. Dadurch können Fehler beim Partner entdeckt Bergwanderwege: Markierung und Unterhalt werden. Gleichzeitig wird die Aufmerksamkeit auf laufend prüfen und wo nötig verbessern, Ab- die Sicherheit gelenkt, was zum Prädikat «emp- sturzsicherungen verstärken. fehlenswert» führt. GPS ins Handy integrieren, aktuelle Karten dazu anbieten. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 223 LVS-Geräte oder -Reflektoren kleiner gestalten 5.1 Forschung und in die Kleidung einarbeiten oder in den Skipass integrieren. Leider ist im Bergsport oft wenig über die Signalisation von Schneeschuhrouten verein- Unfallursache bekannt. Die Unfallforschung sollte heitlichen. deshalb weiter verbessert werden. Fachliteratur Helmobligatorium bei geführten Angeboten und Diskussionen – auch international – sollten (z. B. Kurse von Bergsportschulen, Bergführern, aufmerksam verfolgt werden. Die Erfassung von Jugend+Sport und anderen Organisationen) bei Beinaheunfällen und Unfällen mit der Einfüh- Hochtouren und Felsklettern einführen. rung eines CIRS (Critical Incident Report System) Abdeckung durch Handynetze in abgelegenen sollte vorangetrieben werden. Regionen optimieren. Kletterrouten sanieren (v. a. Stände und Abseil- 5.2 Ausbildung stellen). Besonders gefährliche Stellen auf klassischen Im Bergsport sollte insbesondere in Lawinenausbil- vielbegangenen Hochtouren mit Sicherungs- dungskursen ein Schwerpunkt auf die Verbesse- stangen, Fixseilen usw. absichern. rung der Entscheidungs- und Handlungskom- Regelmässigen Gesundheitscheck beim Haus- petenz gelegt werden. Ein Partnercheck bzw. arzt für ältere Bergsportler empfehlen. eine «Zweitmeinung» könnte als Element in allen Ausbildungskursen eingeführt werden. 5. Präventionsempfehlungen Die folgenden Präventionsmassnahmen (Tabelle 59) werden aufgrund der Unfall-, Risiko- und Interventionsanalyse zur Umsetzung durch die bfu und/oder durch Partner empfohlen. Es handelt sich um die «short list», eine Auswahl der Präventionsmöglichkeiten, die beim Bewertungsprozess ein Prädikat «empfehlenswert» oder «sehr empfehlenswert» erhalten haben. Ob und wie die empfohlenen Massnahmen umgesetzt werden, hängt von den Ressourcen und der Bereitschaft der betroffenen Organisationen ab. Tabelle 59 Bergsport: Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung bfu / SAC Wissensmangement Studie (Beinahe-)Unfälle 224 Ausbildung Lawinenkunde (v. a. Entscheidungsund Handlungskompetenz) Partnercheck Beratung Selbsteinschätzung Schonraum Planungshilfen/ Checklisten Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) Kommunikation Kooperation Gefahrenbewusstsein Tourenplanung Risikobereitschaft Schwerpunktprogramm Bergsport Fachgruppe Sicherheit im Bergsport Kernausbildungsteam Lawinenprävention Internationaler Austausch bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 5.3 Beratung Den Bergsportlern sollten vermehrt einfache Hilfsmittel zur Selbsteinschätzung zur Verfügung gestellt werden. Planungshilfen wie Checklisten können auch individuell angewandt werden. Zum Sammeln von Erfahrungen sollte die Nutzung eines Schonraums propagiert werden. Auch Tourenfahrern sollte ein solcher Schonraum angeboten werden (Verzeichnis «Plaisirtouren»). 5.4 Kommunikation Das Bewusstsein für Gefahren sollte geschaffen bzw. erhöht werden. Die Bergsportler sollten so gut wie möglich sensibilisiert und informiert werden, z. B. auch über Unfallanalysen und Empfehlungen zu sicherheitsorientiertem Verhalten. Die Bergsportler sollten damit motiviert werden, ihre Touren nicht allzu sorglos anzugehen, sondern sorgfältig zu planen. Soweit wie möglich sollten die Bergsportler dazu gebracht werden, ihre Risikobereitschaft zu senken und eine Sicherheitsreserve einzubauen. Dies gilt insbesondere für Schneesportler im freien Gelände. 5.5 Kooperation Zur Umsetzung der Massnahmen braucht es das Weiterführen und Ausbauen der bereits bestehenden Zusammenarbeit der involvierten Partner in der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport und im Kernausbildungsteam Lawinenprävention. Der internationale Austausch sollte intensiviert werden, damit auch die ausländischen Touristen – am besten bereits bei sich zu Hause – erreicht werden können. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bergsport (Autoren: Monique Walter, Othmar Brügger) 225 X. Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 1. Einleitung Die Zielsetzung der bfu ist auf die Prävention von schweren und tödlichen Unfällen gerichtet. Mass- 1.1 Ausgangslage nahmen zur Prävention von Ertrinkungsfällen helfen zudem auch bei der Reduktion von Schwerst- Sportliche und andere Aktivitäten im, am und auf verletzten (z. B. nichttödlicher Ertrinkungsunfall, dem Wasser gehören zu den beliebtesten Freizeit- bei dem das Opfer einen Hirnschaden erlitt) im beschäftigungen der Schweizer Bevölkerung. Der Wassersport. Aufenthalt im Wasser birgt aber auch das Risiko, sich eine Verletzung zuzuziehen oder gar zu ertrinken. 1.2 Die SLRG hat zu ihrem 75-jährigen Bestehen eine Zu den Ertrinkungsfällen in der Schweiz werden Studie zu Wasser- und Badeunfällen initiiert, die von nicht nur die Sportunfälle, sondern auch Ertrin- der bfu und der Suva unterstützt wurde. Mit der kungsfälle bei anderen Tätigkeiten wie Baden, Analyse der Unfallstatistiken, der Aufarbeitung der Spielen, Teilnahme am Strassenverkehr, Ausübung wissenschaftlichen Literatur und der Expertenbe- eines Hobbies oder berufliche Tätigkeit gezählt. fragung wurde vom Institut Lamprecht und Stamm Nicht dazugerechnet werden Fälle als Folge von in Zusammenarbeit mit der bfu das verfügbare Gewalteinwirkung Dritter oder Selbsttötung. Auch Wissen zu sicherheitsrelevanten Aspekten zusam- Todesfälle, bei denen jemand aus medizinischen mengetragen und 2011 als bfu-Report «Unfälle im, Gründen verstarb und im Wasser unterging, am und auf dem Wasser: Unfallgeschehen, Risiko- werden nicht zu den Unfällen gezählt, wenn die faktoren und Prävention» veröffentlicht [252]. Das Todesursache nicht «Ertrinken» ist. Andere tödliche vorliegende Ertrinkungsprävention Unfälle in und am Wasser, bei denen das Opfer basiert weitgehend auf dem Teil B «Ertrinkungs- nicht ertrank, sondern an anderen Verletzungen prävention: Situationsanalyse» dieses bfu-Reports, starb, werden in der nachfolgenden Analyse nicht wobei die Unfalldaten aktualisiert wurden. Wie im explizit einbezogen, sind aber zum Teil implizit bfu-Report Teil B wird auch hier auf die durch- auch durch die vorgeschlagenen Massnahmen ab- schnittlich 43 tödlichen Ertrinkungsunfälle fokus- gedeckt (z. B. Sturz vom Sprungturm im Schwimm- siert. Zudem ereignen sich im Wassersport und bad wegen mangelhafter baulicher Sicherheit, De- anderen Aktivitäten im, am und auf dem Wasser kompressionsunfall beim Tauchen). Kapitel zur Inhaltliche Abdeckung noch eine Vielzahl von Unfällen ohne Todesfolge. Über die tödlichen Ertrinkungsunfälle, die sich auch Nachfolgend wird die Exposition im Wassersport bei anderen Aktivitäten als dem Wassersport ereig- näher beleuchtet. Auf die anderen Aktivitäten, bei nen können, ist deutlich mehr bekannt als zu den denen es zu Ertrinkungsunfällen kommt, kann Unfällen mit schweren Verletzungen. wegen fehlender Datengrundlagen (z. B. Umfang 226 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 und Art des Spielens kleiner Kinder an Gewässern 2. Unfallanalyse ist unbekannt) nicht eingegangen werden. In der vorliegenden Studie wird wie eingangs er- 1.3 Wassersport in der Schweiz wähnt der Fokus im Sinn der Schwerpunktsetzung in der Präventionsarbeit nicht auf die mehreren Wassersport wird in der Schweiz oft und auf viel- Tausend Leicht- oder Mittelschwerverletzten, son- fältige Weise betrieben. Gemäss Sport Schweiz dern auf die tödlichen Ertrinkungsfälle und auf die 2008 [8] rangiert Schwimmen an dritter Stelle der Fälle mit Schwerstverletzten gerichtet. Die tödli- beliebtesten Sportarten der 15- bis 74-Jährigen. chen Ertrinkungsfälle der letzten zwölf Jahre sind 32 % der Wohnbevölkerung geben an, zumindest ausführlich dokumentiert. Hingegen liegen wenige ab und zu schwimmen oder baden zu gehen. Im Informationen zu den Ertrinkungsunfällen ohne Verzeichnis der am häufigsten ausgeübten Sport- tödlichen Ausgang vor, aus denen aber unter Um- arten figurieren auch die Wassersportarten Aqua-Fit- ständen lebenslange gravierende Schädigungen ness (2,3 %), Segeln (1,0 %), Tauchen (0,8 %), resultieren. Aufgrund von Abschätzungen aus der Windsurfen, Surfen, Kiten (0,5 %), Kanu und Wild- Literatur wird davon ausgegangen, dass das Ver- wasserfahren (0,2 %). Weitere Wassersportarten hältnis von tödlichen Ertrinkungsunfällen zu nicht- sind unter «sonstige Sportarten» subsummiert. tödlichen Ertrinkungsunfällen, aber lebenslanger invalidisierende Schädigung des Opfers, ca. 1:1 Bei den 10- bis 14-Jährigen folgt «Schwimmen» beträgt. Diese Fallzahl muss bei der folgenden gar an zweiter Stelle in der Rangliste der am häu- Analyse implizit auch mit hinzugerechnet werden. figsten ausgeübten Sportarten [9]. 58 % geben an, Im langjährigen Schnitt (2000–2011) ertranken in zumindest sporadisch zu schwimmen/baden. An- der Schweiz jährlich 43 Personen, davon ca. 7 mit dere Wassersportarten wie Tauchen, Kanu/Wild- Wohnort im Ausland [21]. Die jährliche Anzahl wasser, Segeln, Windsurfen und Rudern erreichen Ertrinkungsfälle schwankt aufgrund wechselnder nur tiefe Werte unter 1 %. meteorologischer Bedingungen von Jahr zu Jahr stark (Abbildung 31). Bei den erwachsenen Schwimmern beträgt der Frauenanteil 60 %, beim Aqua-Fitness 87 %, beim Windsurfen/Kitesurfen 41 %, hingegen nur 30 % beim Tauchen und 29 % beim Segeln [10]. Bei den Kindern ist die Geschlechtsverteilung beim Schwimmen/Baden beinahe ausgeglichen (52 % Mädchen). Abbildung 31 Entwicklung der tödlichen Ertrinkungsunfälle, 2000–2011 70 60 50 Nur ein kleiner Anteil von 5 % der Erwachsenen 40 schwimmt im Verein oder in einer festen Gruppe, 30 alle anderen üben die Sportart ungebunden aus 20 [10]. Der Anteil der Vereinssportler oder Sportler in 10 «fester Gruppe» beträgt in den andern Wasser- 0 sportarten zwischen 30 % und 83 %. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 76 80 52 43 50 47 42 38 41 40 42 30 17 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 227 Pro 1 Mio. Einwohner ertrinken in der Schweiz 2.1 Aktivität jährlich 6 Personen (Tabelle 60). Dieser Wert ist ähnlich hoch wie in Schweden (6 Ertrinkungstote Die meisten Ertrinkungsunfälle ereigneten sich auf 1 Mio. Einwohner) oder Deutschland (8), aber 2000–2011 im Freizeitsport (72 %) (Tabelle 61). deutlich tiefer als in den osteuropäischen Staaten Zudem ereigneten sich in den Jahren 2000–2011 (z. B. Bulgarien: 21, Tschechei: 24). Hochindustri- 9 tödliche Unfälle im Sportunterricht (2 %): 8 Kinder alisierte Länder, die von Meeren umgeben sind, ertranken während dem Unterricht im Schwimm- haben ebenfalls höhere Raten: USA: 13; Australien: bad, 1 Kind beim Kanufahren. Und auch bei 15; Neuseeland: 24 [253]. Sportaktivitäten im Militär ertranken 5 Soldaten. Bei den Haus- und anderen Freizeitunfällen verunfallen vorwiegend Personen, die unbeabsichtigt ins Wasser stürzen. Alle Strassenverkehrsunfälle mit Ertrinkungsfolge geschehen aufgrund von «Verlust der Herrschaft über das Fahrzeug». 2.2 Alter und Geschlecht Hohe Bedeutung haben die Fälle in der Kindheit bis ins 14. Lebensjahr. Kinder haben ein hohes Risiko für einen Ertrinkungsunfall (Tabelle 62). Ihnen fehlt Tabelle 60 Tödliche Ertrinkungsunfälle nach Geschlecht und Alter (pro 1 Mio. Einwohner), Ø 2000–2009 Alter 0–4 Männlich Weiblich meist noch das Können und Wissen, um sich sicher zu verhalten und zudem sind in dieser Phase immer entweder die Eltern oder andere Aufsichtspersonen Total für die Sicherheit verantwortlich. 8 3 6 6 4 5 10–14 3 2 3 15–24 12 2 7 In Bezug auf ihren Anteil an der Gesamtbevölke- 25–64 9 2 5 65+ Total 12 9 2 2 6 6 rung ertrinken aber am meisten Personen im Al- 5–9 terssegment der 15- bis 24-Jährigen (vorwiegend Männer). Ein vergleichbar hohes Ertrinkungsrisiko Tabelle 61 Tödliche Ertrinkungsunfälle nach Alter und Unfallbereich, ∑ 2000–2011 Unfallbereich Freizeitunfall Sport Haus und andere Freizeit 0–4 5 5–9 13 10–14 10 15–24 70 25–64 168 22 6 3 65+ 61 Unbekannt 14 Total 341 4 19 7 2 63 Strassenverkehr 5 18 12 4 39 Berufsunfall 1 13 1 15 1 9 Schifffahrtsunfall 1 Schülerunfall 5 5 2 2 9 Militärunfall 1 4 Unbekannt Total 3 86 20 247 28 24 15 2 5 7 89 7 29 37 518 Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle 228 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 haben nur noch ältere Menschen ab 65 Jahren von einer Konstellation verschiedener Risikofaktoren (Tabelle 60). ausgegangen, die das jeweilige Unfallereignis beeinflussen. Trotzdem wird hier versucht, die Werden Ertrinkungsunfälle nach Geschlecht aufge- Bedeutung einzelner Hauptrisikofaktoren auf das schlüsselt, so zeigt sich, dass der überwiegende Unfallgeschehen zu bestimmen. Anteil der Ertrunkenen männlich ist (82 %) [21]. Eine detaillierte Beschreibung des Ausmasses und 2.3 Unfallort (Gewässer) der Begleitumstände der tödlichen Ertrinkungsunfälle der Jahre 2000–2010 kann der Publikation Menschen ertrinken meist in freien Gewässern bfu-Grundlage «Tödliche Ertrinkungsunfälle in der (Seen, Flüsse) (77 %). Aber auch der Anteil der Schweiz» entnommen werden [254,255]. tödlichen Ertrinkungsunfälle in öffentlichen Bädern (Hallen-, Frei- und Strandbad) ist relativ hoch (7 %) Die bfu-Analyse der Ertrinkungsfälle deckt 23 rele- (Tabelle 62), da grundsätzlich erwartet wird, dass vante Risikofaktoren auf. Die im Folgenden be- der überwachte Badebetrieb ein Schonraum dar- schriebenen Risikofaktoren sind absteigend nach stellt und die Benutzer vor einem tödlichen Ertrin- ihrer Unfallrelevanz geordnet (Tabelle 63). kungsunfall bewahrt werden. 3.1 3. Männliches Geschlecht Risikoanalyse In der Schweiz liegt der Anteil der männlichen Ertrin- Im diesem Kapitel werden die möglichen Gefahren- kungsopfer bei über 80 %. Auch im Standardwerk quellen für Ertrinkungsunfälle diskutiert und in ihrer zur Wasserunfallprävention, Hand-book on Drown- Relevanz für schweizerische Verhältnisse diskutiert. ing, wird das männliche Geschlecht als einer der Die Methodik dieser Risikoanalyse wird eingehend bedeutendsten soziodemografischen Risikofaktoren im Kapitel IV, S. 101ff. erläutert. Die Ursachen von beschrieben und zwar mit einem 3-mal höheren Unfällen sind in der Regel multikausal. Es wird also Ertrinkungsrisiko für Männer weltweit [256]. Tabelle 62 Tödliche Ertrinkungsunfälle nach Alter und Unfallort, ∑ 2000–2011 Unfallort See Fluss Bach Hallenbad, öffentlich Weiher, Teich, Biotop Industriebecken Freibad, öffentlich Strandbad Schwimmbad, privat Höhle Freies, unbewaldetes Gelände Wanderweg Badewanne Total 0–4 5–9 4 4 6 2 5 2 10–14 5 3 2 10 1 1 2 15–24 5 3 3 3 39 37 3 4 1 1 2 4 25–64 110 94 24 3 2 6 1 3 1 2 1 65+ 49 22 5 1 4 2 2 3 Unbekannt 11 14 4 Total 1 1 28 24 15 86 247 89 29 223 177 47 23 12 12 8 6 5 2 1 1 1 518 Quelle: bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 229 3.2 Ungenügendes Gefahrenbewusst- scheinlichkeit im Zusammenhang mit Wasserun- sein und fehlende Selbststeuerungs- fällen werden von der Bevölkerung unterschätzt, fähigkeit Behandlungsmöglichkeiten dagegen eher überschätzt [258]. Experten sehen in mangelhaftem Die Fehleinschätzung (fehlendes Wissen) der situa- Gefahrenbewusstsein, der Unkenntnis adäquater tiven Voraussetzungen (z. B. der lokalen Verhält- Verhaltensweisen und in Regelverletzungen insbe- nisse in Ferienbadeplätzen im Ausland) [257], das sondere bei Männern ein hohes Risikopotenzial ungenügende Bewusstsein der Gefahr (Gefah- [256]. Erheblichen Einfluss auf das Unfallgeschehen renkognition), die von einer Aktivität am und im könnten auch Selbstüberschätzung und affektive Wasser ausgeht, Selbstüberschätzung (Selbstein- Dispositionen haben [259]. Oft wird fehlende schätzung), Leichtsinn (v. a. bei Nachahmungs- Risikokompetenz handlungen und wegen Gruppendynamikeffekten Können (Schwimm- und Selbstrettungsfertigkeiten) bei Kindern und Jugendlichen) und die fehlende mit dem Begriff «Wasserkompetenz» beschrieben. zusammen mit fehlendem Selbststeuerungsfähigkeit können fatale Folgen haben. Gefahren und auch deren EintretenswahrTabelle 63 Wassersport (Ertrinken): Bewertung von Risikofaktoren Setting Wassersport allgemein 1 Männliches Geschlecht Wassersport allgemein 2 Ungenügendes Gefahrenbewusstsein / fehlende Selbstkontrolle Baden und Schwimmen 3 Allein-Schwimmen Wassersport allgemein 4 Ungünstiger physiologischer Status Wassersport allgemein 5 Fehlende Rettungskompetenz Wassersport allgemein 6 Fehlende Kinderaufsicht Wassersport allgemein 7 Jugendliches Alter Wassersport allgemein 8 Alkoholkonsum Wassersport allgemein 9 Beeinträchtigte Gesundheit Bootfahren 10 Fehlende Rettungsweste Wassersport Outdoor 11 Starke Strömung Bootfahren 12 Fehlende Bootführerkompetenz Wassersport Outdoor 13 Kaltes Wasser, Eiseinbruch Strassenverkehr 14 Nichtbeherrschen des Fahrzeugs Baden und Schwimmen 15 Mangelhafte Badeaufsicht Wassersport allgemein 16 Rettungs-, Bergungsmanöver Private Pools 17 Fehlende Poolumzäunung Tauchen 18 Allein-Tauchen Bootfahren 19 Fischen ohne Sicherheitsausrüstung Wassersport Outdoor 20 Flutwelle Baden und Schwimmen 21 Ungeeignete Auftriebshilfen Baden und Schwimmen 22 Mangelhafte Bäder Wassersport Outdoor 23 Ungünstige Witterung Skala Unfallrelevanz Anzahl Ertrinkungsfälle (Ø 2000–2011) ≥ 10 7–9 4–6 1–3 <1 230 Nr. Risikofaktor Unfallrelevanz Anteil Ertrinkungsfälle ≥ 21 % 15–20 % 8–14 % 3–7 % <2% Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.3 Allein-Schwimmen 3.6 Fehlende Kinderaufsicht Menschen, die allein und ohne Auftriebs- oder Kinder, die im und am Wasser gar nicht oder Rettungshilfe in offenen Gewässern baden oder mangelhaft beaufsichtigt werden, haben ein Strecken schwimmen, gefährden sich selber. Gera- erhöhtes Ertrinkungsrisiko [40]. Kleinkinder können ten sie in Not, nimmt dies niemand wahr und Hilfe in wenigen Sekunden (lautlos) untergehen und kommt in der Regel zu spät [254]. ertrinken [256]. Auch das Tragen von Schwimmhilfen kann die permanente Aufsicht von Kindern am 3.4 Ungünstiger physiologischer Status und im Wasser nicht ersetzen [264,265]. Das Thema der Auswirkung von fehlender Kinderauf- Menschen, die unterzuckert, übermüdet oder unfit sicht im und am Wasser wird von der World Health (auch kombiniert) in freien Gewässern baden und Organization WHO in einem ausführlichen Bericht schwimmen oder vor Tauchmanövern absichtlich aufgearbeitet [266]. hyperventilieren, gefährden sich erheblich. Experten stufen plötzlich eintretende körperliche Beein- 3.7 Jugendliches Alter trächtigungen wie Schwächeanfälle oder Unwohlsein, also alles Faktoren, die den physiologischen Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 Status des Menschen betreffen, als Risikofakto- und 24 Jahren sind bei Ertrinkungsfällen im Sport ren mit hoher Unfallrelevanz ein. Jahrzehntelang überrepräsentiert. Ertrinken ist auch in der Europä- herrschte die Meinung vor, dass die Nahrungsauf- ischen Union EU die zweithäufigste, unfallbedingte nahme in zeitlicher Nähe zum Wasseraufenthalt ein Todesursache bei 0- bis 19-Jährigen [256]. Risikofaktor darstellt. Dies lässt sich aus wissenschaftlicher Sicht nicht belegen [260]. 3.8 3.5 Menschen, die alkoholisiert baden, schwimmen Fehlende Rettungskompetenz Alkoholmissbrauch oder Boot fahren und Kinder, die von solchen Wenn bei einem Ertrinkungsereignis anwesende Personen beaufsichtigt werden, haben ein erhöh- Drittpersonen in der Lage sind, Ertrinkende zu ret- tes Ertrinkungsrisiko [252,256,267,268]. Alkohol- ten und/oder zu reanimieren (CPR/Basic Life Sup- konsum führt zu physiologischen (Störungen im port), so kann die Unfallfolge erheblich gemindert Innenohr, schnellere Unterkühlung, höhere Ten- werden. Gute Kenntnis und Erfahrung des Retters denz von Stimmbänderkrampf, Reduktion der sowie sofortige Anwendung von CPR durch Koordination, reduzierte Reaktionszeit) und psychi- Anwesende scheint von entscheidender Bedeutung schen Veränderungen (höhere Risikobereitschaft, für die Überlebenschancen zu sein [261,262]. Oft beeinträchtige fehlt aber diese Rettungskompetenz oder -bereit- Schweiz fehlen verlässliche Daten, weil bei den schaft [263]. meisten Ertrinkungsfällen keine Autopsie/Blutprobe Urteilsfähigkeit) [267]. In der vorgenommen wird oder die entsprechenden Daten nicht weitergeleitet werden zur Erfassung in der Unfallstatistik. Dazu kommt ein in der Unfall- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 231 statistik nicht näher bestimmtes Risiko, das sich bis 96 % der Ertrinkungsopfer beim Bootfahren daraus ergibt, dass alkoholisierte Erwachsene ihre keine Rettungsweste trugen [269]. Besonders im Aufsichtspflicht gegenüber Kindern an oder im kalten Wasser kann die Schwimmfähigkeit von Wasser vernachlässigen. Bezogen auf das Unfallge- Personen rasch versagen und eine Weste ist dann schehen in der Schweiz schätzt das Autorenteam die entscheidende Überlebenshilfe [274,275]. aus der Analyse der Unfallmeldungen, dass mindestens bei einem Anteil von 15 % der Fälle Alko- 3.11 Starke Strömung hol eine mitverursachende Rolle spielt. Menschen, die sich in stark fliessendes Gewässer Studien aus den USA zeigen aber, dass 30 bis begeben, setzen sich oft wegen Unkenntnis einem 70 % der erwachsenen Ertrinkungsopfer einen hohen Risiko aus [40,252]. Die Gefahr, mitgerissen Blutalkoholgehalt von höher als 0 Promille aufwie- und/oder in die Tiefe gezogen zu werden, ist hoch. sen [269], in Australien jedoch nur zwischen 19 % Schwimmen in Fliessgewässer birgt allgemein ein bis 29 % [270,271]. In einem Übersichtsartikel deutlich höheres Unfallrisiko als der Aufenthalt in schätzt Driscoll ab, dass in den weltweit 10 bis Schwimmbecken. 30 % der Ertrinkungsunfälle auf den Risikofaktor Wasser, fehlende Ausstiegshilfen, fehlende Sicht auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind (population Boden, unerwartete Gefahrenstellen unter Wasser attributable risk), wobei das Risiko mit zunehmen- und weitere Faktoren machen das Schwimmen dem Blutalkoholgehalt ansteigt. deutlich anspruchsvoller. Im Schwimmbad erlernte Wellen, Strömungen, kaltes Fertigkeiten können zum Bewältigen von höheren 3.9 Beeinträchtigte Gesundheit Gesundheitliche Einschränkungen wie z. B. Herzer- Anforderungen unzureichend sein. 3.12 Fehlende Bootführerkompetenz krankungen oder Epilepsie können sich beim Schwimmen und Baden als Risikofaktor erweisen – Menschen, die auf Flüssen ohne die notwendige insbesondere wenn der Aufenthalt in unbeaufsich- Kompetenz Boote führen, die Flussregeln und tigten Gewässern erfolgt [256]. Gesundheitliche Flusssignale nicht beachten oder auch untaugliche Probleme im Zusammenhang mit dem Aufenthalt Boot-Modelle verwenden, gefährden sich und an- im Wasser scheinen sich vor allem im Alter zu mani- dere [276]. festieren [272]. 3.13 Kaltes Wasser, Eiseinbruch 3.10 Fehlende Rettungsweste Der Aufenthalt im kalten Wasser (freiwillig oder Menschen, die beim Bootfahren (alle Bootstypen nach Sturz/Kenterung) oder auf ungesichertem Eis ausser Passagierschiffe) keine Rettungsweste (Eiseinbruch u. a. nach Missachtung von Tafeln) tragen, gehen ein erhöhtes Risiko ein [273]. Von birgt hohe Risiken. Mögliche Folgen sind Kälte- den in der Schweiz ertrunken Bootsfahrenden schock, Kontrollverlust, Hyperventilation und Un- trugen mindestens 80 % keine Rettungsweste. terkühlung. Niedrige Wassertemperatur verschlech- Zahlen aus den USA und Kanada zeigen, dass 80 tert die Überlebenschancen bei Wasserunfällen 232 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 deutlich [256]. Insbesondere die erste Phase mit len ein Risiko dar – insbesondere für Kleinkinder Kälteschock und Kontrollverlust (Unfähigkeit zu [252,256,280,281]. Auch stellen Aufstiegshilfen reagieren und regelmässig zu atmen) scheinen für (z. B. Leiter, Filter- oder Pumpenanlage) beim Pool Ertrinkungsfälle im Kaltwasser verantwortlich zu (temporär sein [277]. Flüssigkeitsbehälter (z. B. Regenwasserbecken) ein oder permanent) oder andere Risiko für kleine Kinder dar [282]. Zurzeit ist eine 3.14 Nichtbeherrschen des Fahrzeugs starke Zunahme von kleinen privaten Pools festzustellen. Da ein Zusammenhang zwischen Menschen, die mit nicht angepasster Geschwindig- Verfügbarkeit von privaten Schwimmbecken und keit, unter Alkohol, übermüdet oder mit weiteren der Ertrinkungsrate von Kindern besteht, muss von Defiziten unterwegs sind, riskieren die Beherr- einer Zunahme des Ausmasses der Gefährdung schung über das Fahrzeug zu verlieren, dann ausgegangen werden [283,283]. die Strassenverkehrsfläche zu verlassen und im Wasser zu landen [40]. 3.18 Allein-Tauchen 3.15 Mangelhafte Badeaufsicht Taucher, die allein, ohne Tauchpartner (Buddy) tauchen, gehen ein grösseres Risiko ein. Aber auch Unbeaufsichtigte oder mit zu wenig Personal die (unbemerkte, ungeplante) Entfernung oder überwachte Bäder können für die Badegäste ein Trennung vom Tauchpartner kann zu zusätzlichem Risiko darstellen [254, Tabelle 25, S. 26]. Unterqua- Stress, erhöhter Atemfrequenz und weiter zu Panik lifiziertes Badpersonal birgt ebenfalls Risikopoten- und Kontrollverlust führen [284] . zial. Aufsichtspersonal, welches gleichzeitig auch noch andere Aufgaben wie den Eintrittsbillet- oder 3.19 Fischen ohne Sicherheitsausrüstung Getränkeverkauf übernehmen muss, kann sich nur ungenügend der eigentlichen Sicherheitsaufgabe Fischen ohne Rettungsweste (Personal Floating widmen [278]. Device PFD) – und zwar unabhängig ob vom Boot aus, in und an fliessenden Gewässern oder an ab- 3.16 Rettungs- und Bergungsmanöver schüssigen Seeufern – kann mit einem Sturz ins Wasser und fatalen Folgen enden. Trägt eine Per- Menschen können bei einer Rettungs- oder Ber- son beim ungewollten Eintauchen in ein freies gungsaktion durch Dritte (Menschen, Tieren) oder Gewässer eine Rettungsweste, ist die Überlebungs- Gegenstände (Ball usw.) selber in Not geraten und chance beinahe 100 %. dabei ertrinken [279]. 3.20 Flutwelle 3.17 Fehlende Poolumzäunung Menschen, die in Flussbetten oder anderswo von Private Schwimmbäder oder Biotope im Siedlungs- (plötzlich) ansteigender Flut überrascht werden, bereich, die für Kinder aufgrund fehlender oder u. a. nach Missachtung von Tafeln sind einem ho- mangelhafter Einzäunung zugänglich sind, stel- hen Risiko ausgesetzt. Ursachen für unerwartete bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 233 Flutwellen können die Schleusenöffnung bei Was- Ertrinkungsfälle leisten könnten (Tabelle 64, serkraftwerken oder heftige Gewitter mit viel Nie- S. 236ff). Es wird beschrieben, wie und für welche derschlag sein [285]. Zielgruppe eine bestimmte Massnahme Wirkung entfalten und wie die konkrete Umsetzung erfol- 3.21 Ungeeignete Auftriebshilfen gen könnte. Jede dieser Massnahmen wird hinsichtlich ihrer Wirksamkeit (Reduktion des Risikos Kinder, die sich (allein) im Wasser mit ungeeig- bei Inkrafttreten der Massnahme), neten Auftriebshilfen wie aufblasbaren Spiel- (Kosten-Nutzen-Verhältnis) figuren, Schwimmflügeln und ähnlichem aufhalten, (gesellschaftliche oder politische Akzeptanz, recht- sind einem erheblichen Risiko ausgesetzt. Immer liche Grundlagen, technische Machbarkeit usw.) noch gibt es Schwimmhilfen auf dem Markt, die in überprüft und bewertet. Diese Bewertung erfolgt, Bezug auf die Sicherheit mangelhaft sind [264]. falls vorhanden, auf Basis wissenschaftlicher Evi- und Effizienz Umsetzbarkeit denz, ansonsten ist es ein Schätzwert einer Exper- 3.22 Mangelhafte Bäder tengruppe mit Fachleuten aus den bfu-Abteilungen Forschung und Beratung Sport. Daraus abgeleitet Mangelhafte Positionierung und/oder Kennzeich- erhält jede Präventionsmöglichkeit auf der Bewer- nung der Alarmknöpfe und Rettungsgeräte (inkl. tungsskala von «sehr empfehlenswert» bis «nicht einsturzsichere Abdeckungen), mangelhafte Tren- empfehlenswert» ein Prädikat. Es wurde dabei nung der Funktionsbereiche (Schwimmer zu Nicht- primär auf Massnahmen fokussiert, die das Eintre- schwimmer), aber auch bauliche Mängel (z. B. ten von Unfällen verhindern (primäre Prävention), Wasseransaugöffnungen, Körper- oder Haarfallen und erst in zweiter Priorität auf Vorschläge, die auf unter Wasser) und mangelhafte Information der die Verbesserung der Rettung und Wiederbelebung Badegäste sind mögliche Risikoquellen [282,286] abzielen. 3.23 Ungünstige Witterung Zusammenfassend resultiert eine «long list» von bewerteten Präventionsmöglichkeiten. Die engere Menschen, die sich bei Gewitter oder trotz Liste mit «empfehlenswerten» oder «sehr emp- Sturmwarnung im Wasser aufhalten, setzen sich fehlenswerten» Massnahmen, ist in der Tabelle der Risiken wie hohem Wellengang oder Blitzschlag aus. «Empfehlungen für die Ertrinkungsprävention» (Tabelle 65, S. 251) aufgeführt. 4. Interventionsanalyse 4.1 Risiko für Wasserunfall bei Männern senken Die WHO geht davon aus, dass 80 % aller Ertrinkungsunfälle mit einfachen Präventionsmassnahmen verhindert werden könnten [287]. Bei Männern soll das präventionsrelevante Wissen, das Gefahrenbewusstsein und die Selbststeuer- Ausgehend von der Risikoanalyse werden in die- ungsfähigkeit bezüglich Risiken im Umgang mit sem Kapitel Präventionsmöglichkeiten aufgelistet, Wasseraktivitäten verbessert werden (Tabelle 64). die einen Beitrag zur Reduktion dieser Risiken für 234 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Von Unfällen, bei denen die Risiken «Alkohol», «fehlendes Tragen Rettungsweste», «ungünstiges allein Schwimmen», «allein tauchen» und «starke Strömung» einen Einfluss haben, sind vorwiegend Männer betroffen. Bei Massnahmen, die auf die Reduktion des Einflusses des jeweiligen Risikofaktors abzielen, werden somit vor allem Männer fokussiert. Um das Risiko für einen fatalen Wasserunfall für Männer zu reduzieren, werden die entsprechenden Massnahmen so konzipiert, dass sich insbesondere Männer angesprochen fühlen. Die Thematik könnte mit einem multifaktoriellen Ansatz angegangen werden. Einerseits könnten Männer über eine massenmediale Kampagne für die Risiken sensibilisiert werden. Andererseits müssten die konkreten Themen Alkohol, Rettungsweste tragen, risikosteigerndes Verhalten, Anforderungsprofil diverser besonderer Situationen in und am Wasser (Strömung, Kälte, Stress, Übermut) und die adäquaten Handlungsanweisungen mit flankierenden Massnahmen an das Zielpublikum vermittelt werden. Dieser multifaktorielle Ansatz wäre zwar ressourcenintensiv, aber wegen der zumindest kurzfristig relativ hohen potenziellen Schutzwirkung und der zu erwartenden einfachen Umsetzbarkeit für die Umsetzung zu empfehlen. Um eine möglichst grosse Anzahl der erwachsenen, männlichen Schweizer Wohnbevölkerung zu erreichen, könnte in der Rekrutenschule ein allgemeiner und im Verkehrskundeunterricht ein Strassenverkehr-spezifischer, obligatorischer Input durchgeführt werden. Da die politische Umsetzbarkeit dieser Massnahme als fraglich eingeschätzt wird, erhält sie ein «bedingt empfehlenswert». bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 235 Tabelle 64 Wassersport (Ertrinken): Bewertung von Präventionsmöglichkeiten 1.2 Risiko für Wasserunfall bei Männern senken 2.1 2.2 2.3 Verbesserung von präventionsrelevantem Wissen, Einstellungen und Gefahrenbewusstsein bezüglich Wassersicherheit Obligatorischer Input im Verkehrskundeunterricht und in der Rekrutenschule Multifaktorieller Ansatz zur Sensibilisierung von Männern für Risiken über Multiplikatoren, Medien, Werbung: v. a. auf Themen Alkohol, Risikoverhalten, Nutzung Rettungsgeräte fokussieren (siehe Nr. 2-6, 9, 12-15, 17, 19-20, 24) Erreichen eines Eine Jahreslektion Schwimmen oblig. während 8 Mindeststandards Jahren der obligatorischen Schulzeit (inkl. WSC) «Schwimmen» in stehendem und fliessendem Gewässer Verbesserung von Multifaktorieller Ansatz zum Informieren der präventionsrelevantem Bevölkerung über Medien, Multiplikatoren (z. B. Wissen, Einstellungen und SLRG-Kindergartenprojekt), Werbung Risiken wahrnehmen, Gefahrenbewusstsein beurteilen und bezüglich Wassersicherheit sicherheitsorientiert handeln Erreichen eines WSC an allen Schulen der Primarstufe (Kampagne Mindeststandards H2O), Safety Tool WSC, WSC 2 (freie Gewässer) für «Selbstrettung» für Kinder Schüler der Sekundarstufe Bewertung Prädikat 1.1 Präventionsmassnahmen Umsetzbarkeit Präventionsmöglichkeit Effizienz Präventionsziel Wirksamkeit Nr. - +/- - 3 +/- +/- + 2* + +/- - 3* + +/- +/- 2* + + +/- 2* 2.4 Reduzierung des Risikos durch situationsadäquate Selbsteinschätzung von Jugendlichen Modul in Sportunterricht der Sekundarstufe 2 mit Partizipation Zielgruppe, SLRG, swimsports.ch, J+S; in Kombination mit anderen Themen zum Erlangen von Selbststeuerungsfähigkeit + +/- +/- 2 3.1 Ausrüsten von Alleinschwimmenden mit Auftriebshilfen Ausleihe/Verkauf und Promotion von Baywatch-Boye in Fluss- und Seebädern, über Sportverbände mit H2O-Betrieb, bei Grossveranstaltungen +/- + +/- 2 3.2 Ausrüsten von Alleinschwimmenden mit elektromechanischen Rettungssystemen Unterstützung der entsprechenden Forschung und Produkteentwicklung + + +/- 2 - +/- + 3* +/- +/- + 2 3.3 4.1 236 In offene Gewässer nur mit Auftriebshilfe oder in kompetenter Weiterführende Zusätzliche Kommunikationsanstrengungen: z. B. Begleitung Informationsanstrengungen Medienmitteillungen, Kommunikation der Partner zur Erhöhung des (SLRG, swimsports.ch, J+S, Schulen, Seepolizei) Bekanntheits- und Beachtungsgrades der relevanten Baderegel, lange Strecken nicht allein zu schwimmen Sich nur bei optimalem physiologischem Status im Wasser aufhalten Befähigen zur Selbsteinschätzung der Freiwassertauglichkeit «Bist du H2O-fit?»-Selbstassessment. Zusammen mit Partnern, grossen Badeanstalten, über Medien, Publikumsbroschüren und –Zeitschriften: breite Informationskampagne zur Befähigung der Selbsteinschätzung der aktuellen, eigenen Freiwassertauglichkeit Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 64 – Fortsetzung Wassersport (Ertrinken): Bewertung von Präventionsmöglichkeiten Zum Retten und zur Nothilfe befähigen 5.3 6.1 6.2 Verhindern, dass Kinder wegen fehlender Aufsicht ertrinken 7.1 7.2 Risiko für Wasserunfall bei Jungen senken 7.3 8.1 8.2 9.1 9.2 Trennen von Alkoholkonsum und Aktivitäten im und am Wasser Bewertung Prädikat 5.2 Präventionsmassnahmen Umsetzbarkeit 5.1 Präventionsmöglichkeit Effizienz Präventionsziel Wirksamkeit Nr. +/- +/- + 2* - +/- +/- 3* Erhöhung des Anteils der Eltern Gutschein BLS-AED-Ausbildung für Eltern via von 0- bis 9-Jährigen mit Kinderpost/Kinderärzte in Zusammenarbeit mit Rettungs-, resp. Kantonen und Anbietern Nothilfekompetenz +/- - +/- 3 Verbesserung der Kampagne H2O: siehe Grobkonzept 2010 altersgerechten Aufsicht von bis 9-Jährigen + +/- ++ 1** Verbessern der altersgerechten Input Elternabende ab 4. Klasse (Empfehlung Aufsicht von 10- bis 14EDK, Musterinput bfu), Ausbildung Badmeister Jährigen - +/- +/- 3* Verbesserung von Modul für alle Sportfächer von J+S entwickeln präventionsrelevantem Wissen, Einstellungen und Gefahrenbewusstsein bezüglich Wassersicherheit - +/- +/- 3* Reduzierung des Risikos durch Eine Jahreslektion Schwimmen oblig. während 8 Ausbildungs-obligatorium Jahren der obligatorischen Schulzeit (inkl. WSC) + +/- - 3* Verbesserung von präventionsrelevantem Wissen, Einstellungen und Gefahrenbewusstsein bezüglich Wassersicherheit +/- +/- + 2* Beeinflussung der Kampagne v. a. mit Sucht Info Schweiz, Armee, Trinkgewohnheiten von SLRG. Infos an Bootsverleiher, -verkäufer, an Jugendlichen und Erwachsenen überwachten Bädern +/- +/- + 2* Reduzierung des Risikos durch 0,5-Promille-Grenze für alle Bootsführende: Gesetzgebung und Enforcement Erhöhte und anlassfreie Kontrollmöglichkeit + +/- +/- 2* +/- + +/- 2* - +/- - 3 Erhöhung des Anteils Lehrpersonen, Trainer, Leiter mit Rettungs- resp. Nothilfekompetenz Breite Promotion der SLRG-Module über bfu, J+S und Sportverbände Erhöhung des Anteils der Bevölkerung mit Rettungs-, resp. Nothilfekompetenz Breite Promotion der SLRG-Module Multifaktorieller zielgruppenspezifischer Ansatz zur Sensibilisierung von Männern für Risiken über Medien, Multiplikatoren, Werbung: v. a. auf Themen Alkohol, Risikoverhalten, Nutzung Rettungsgeräte fokussieren (siehe Nr. 2-3, 9, 1112, 14,21) Sicherstellen der Information für Empfehlung via zugelassene Ärzte bei Kontrolle ältere Menschen und bei ärztl. Fahrtauglichkeitsprüfung ab 70 Bei Gesundheitsrisiko Jahre, Ausbildung Badmeister nur in beaufsichtigSicherstellen der Information für Empfehlung via zugelassene Ärzte bei Kontrolle. tem Gewässer Risikogruppen (Epilepsie, Herz- Ausbildung Badmeister schwimmen Kreislaufprobleme, Rekonvaleszenz usw.) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 237 Tabelle 64 – Fortsetzung Wassersport (Ertrinken): Bewertung von Präventionsmöglichkeiten Prädikat 11.2 +/- +/- + 2* Tragobligatorium von Rettungswesten auf allen Booten (Binnenschifffahrtsverordnung), Versicherungsleistungs-kürzung bei Missachtung ++ + - 2 Reduzierung des Risikos Gewässer mit starker durch Information Strömung meiden Reduzierung des Risikos durch Ausbildung Piktogramme vor Ort, SLRG-Flussregeln, PB bfu, , ev. weitere z. B. interaktive Gewässerkarte - +/- + 3* Teilnahme an Flussmodul SLRG durch breite Bevölkerung + - - 3* Reduzierung des Risikos durch Information verpflichtender Beipackzettel bei Bootverkauf mit Flussregeln und -signale, PB bfu, MM im Sommer, höhere Präsenz Wasserschutzpolizei, ev. weitere z. B. interaktive Gewässerkarte mit empfohlenen Gummiboot-Strecken - +/- +/- 3* Reduzierung des Risikos durch Gesetzgebung Obligatorium Fluss- und Seeregelkunde für alle Bootführer + - - 3 - +/- + 3* Reduzierung des Risikos durch Information Alle Bootsfahrer tragen Rettungsweste Reduzierung des Risikos durch Gesetzgebung 12.1 12.2 13.1 Bewertung Umsetzbarkeit 11.1 Präventionsmassnahmen Flussregeln, PB bfu, SD-Infoset, ev. weitere z. B. interaktive Gewässerkarte mit Info 10.1 10.2 Präventionsmöglichkeit Effizienz Präventionsziel Wirksamkeit Nr. Fahrkompetenz zum Führen von Gummiboot auf Fliessgewässer Weiterführende Kommunikationskampagne Eis- und Flussregeln Informationsanstrengungen SLRG und Aufnahme in PB bfu, Kinderpost zur Erhöhung des Kaltes Wasser meiden Bekanntheits- und oder sich daraus Beachtungsgrade des Risikos retten können von Kaltwasserkontakt 13.2 Ausbildung intensivieren Kampagne um breite Bevölkerung zur Teilnahme an Kaltwassermodul SLRG zu bringen + - - 3* 14.1 Reduzierung des Risikos durch spezifische Anstrengungen zur Reduktion von Verkehrsunfällen Ist nicht spezifischer Inhalt der Anstrengungen zur Prävention von Ertrinkungsunfällen, sondern gehört zum Gebiet der Verkehrsunfallprävention ... ... ... ... Verbesserung der Selbstrettungskompetenz Fahrausbildung: Selbstrettung aus PW im Wasser trainieren + – - 4 Sicherstellen einer Zusammenarbeit mit igba, SBV, VHF, APR lückenlosen Badeaufsicht (Badmeisterausbildung mit eidg. Fähigkeitsausweis), und einer effizienten Rettung SLRG + + +/- 2** Reduzierung des Risikos durch elektronische Unterstützung + +/- +/- 2* +/- +/- + 2 Fahrzeuge bleiben auf der Verkehrsfläche 14.2 15.1 15.2 16.1 238 Keine tödlichen Ertrinkungsunfälle im institutionell organisierten Badbetrieb Retter und Berger gefährden sich nicht selber Weiterentwicklung und Etablierung UnterwasserDetektion mit Herstellern, Bädern (ASSA), Schulen, Testserie mit SLRG Reduzierung des Risikos von Artikel in Konsumentenmagazinen, Tiere nicht retten Hundebesitzern durch (Hundeführer-Kurse), Flyer bei Tierarzt, Infos mit Information Inkasso Hundesteuer, Message auf HundehygieneTüten Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 64 – Fortsetzung Wassersport (Ertrinken): Bewertung von Präventionsmöglichkeiten 19.1 19.2 ++ + +/- 1* bfu-Beratung von bestehenden und geplanten Anlagen + +/- + 2* Reduzierung des Risikos durch Information Sensibilisierung über Ausbildung mit FTU, PB bfu, Flyerabgabe bei Luftflaschenbezug +/- +/- + 2* Reduzierung des Risikos durch Information Flyer über Fischereiartikel-Shops und Expos mit SFV, Fachmagazine für Fischer, Fischerei-Patentbeilage (Kantone) - +/- +/- 3 Reduzierung des Risikos durch Design Selbstaufblasende Rettungsweste im Fischer-Design entwickeln und vermarkten +/- - - 3 Reduzierung des Risikos Gewässer im durch Absperrung Siedlungsbereich sind Reduzierung des Risikos für Kinder sicher durch Beratung Vierseitige Einzäunung oder Schwimmbadabdeckung obligatorisch erklären Taucher sind nie allein Fischer tragen auf Boot oder an Fliessgewässer Rettungsweste Bewertung Prädikat 18.1 Präventionsmassnahmen Umsetzbarkeit 17.2 Präventionsmöglichkeit Effizienz 17.1 Präventionsziel Wirksamkeit Nr. 20.1 Menschen meiden Reduzierung des Risikos Aufenthalt in durch Information Gefahrenbereich von Flutwellen Überprüfen und zusätzlich Aufstellen von Warntafeln und/oder zusätzliche Warnsignalen bezüglich Wasserablass Kraftwerke und Hochwasser bei Gewitter, PB bfu, ev. weiterez. B. interaktive Gewässerkarte +/- +/- + 2* 21.1 Nur geeignete Auftriebshilfen kommen auf den Markt Reduzierung des Risikos durch Marktüberwachung und Information Stichproben PrSG, Produkteinformation, Kinderpost, PB bfu +/- +/- + 2** 22.1 Keine baulichen oder organisatorischen Sicherheitsmängel in Bädern Reduzierung des Risikos durch Beratung Mängelbehebung mit Beratung bfu/APR inkl. Promotion Unterwasserdetektion + +/- +/- 2* Reduzierung des Risikos durch Sicherheitsstandards Weiterentwicklung von Alarmierungs- und Rettungsstandards durch die Badbetreiber + +/- +/- 2* Bei ungünstiger Witterung kein Aufenthalt am oder im Wasser Reduzierung des Risikos durch Information Meteo Schweiz, PB bfu ev. weitere z. B. interaktive Gewässerkarte - +/- + 3* 22.2 23.1 Skala Prädikat 1= Sehr empfehlenswert 2= Empfehlenswert 3= Bedingt empfehlenswert 4= Nicht empfehlenswert bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Skala Bewertung ++ = Sehr hoch + = Hoch +/- = Mittel = Tief = Sehr tief – * = wird z. T. schon umgesetzt ** = wird schon umgesetzt Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 239 4.2 Risiken wahrnehmen, beurteilen Der präventive Ansatz zielt insbesondere auf Ju- und sicherheitsorientiert handeln gendliche. Sie sollen zu einer situationsadäquaten Selbsteinschätzung motiviert werden und ihr Han- Es sollte ein Mindeststandard «Schwimmen» und deln im und am Wasser entsprechend gestalten die Verbesserung von präventionsrelevantem Wis- (Tabelle 64). Risiken sollen kompetent wahrge- sen und Gefahrenbewusstsein bezüglich Wasser- nommen und korrekt beurteilt werden. Davon sicherheit erreicht werden (Tabelle 64) [288]. Dies abgeleitet soll sicherheitsorientiert gehandelt wer- nicht nur für Aktivitäten in und an heimischen den (z. B. in seichte oder unbekannte Gewässer Gewässern, sondern auch für Situationen in den nur Fuss voraus eintauchen). Die Umsetzung dieses Ferien oder anderen Auslandsaufenthalten (Bran- pädagogischen Ansatzes sollte mit einem obligato- dung, Gezeiten, Meeresströmungen, Meerestiere rischen Modul an Schulen der Sekundarstufe 2 usw.) [289]. Die Umsetzung könnte über eine obli- (Berufsschulen und Gymnasien) erfolgen. «Good gatorische Jahreslektion «Schwimmen» während Practice»-Beispiele wie «split the risk» [291] kön- 8 Jahren der obligatorischen Schulzeit inkl. Wasser- nen als Modell beigezogen werden. Bei der Ent- Sicherheits-Check WSC (Selbstrettung) [290] erfol- wicklung des Moduls mit Partnern (SLRG, J+S, gen. Weil bei dieser als wirkungsvoll eingestuften swimsports.ch, KKS) könnte die Zielgruppe von Massnahme wiederum die politische Umsetzbarkeit Beginn weg partizipativ mitarbeiten. Eine Kombina- fraglich erscheint, erhält sie ein «bedingt empfeh- tion mit anderen Themen zum Erlangen von Sport- lenswert». In der Literatur wird darauf hingewie- fach übergreifendem Gefahrenbewusstsein und sen, dass es keine klare Evidenz gibt, dass das Er- Selbststeuerungsfähigkeit sollte angestrebt werden. trinkungsrisiko Diese Massnahme wird als «empfehlenswert» bei erwachsenen, schlechten Schwimmern höher ist [259]. eingestuft. Das Erreichen eines Mindeststandards «Selbstret- 4.3 In offene Gewässer nur mit Auf- tung» soll zu erhöhter Wasserkompetenz führen. triebshilfe oder in kompetenter Be- Dazu soll eine Kampagne die Durchführung des gleitung WSC an Schulen der Primarstufe unterstützen und ein WSC 2 für freie Gewässer entwickelt und an Alleinschwimmende sollen sich mit Auftriebshilfen Schulen der Sekundarstufe angeboten werden. wie Neoprenanzug oder einer (formfesten oder Diese Massnahme wird als «empfehlenswert» ein- (selbst-)aufblasbaren) gestuft, da Erfahrungen in den letzten Jahren zei- http://restube.eu) ausrüsten (Tabelle 64). Dazu gen, dass Schulen eine hohe Bereitschaft zeigen, könnte eine sogenannte Baywatch-Boje in Fluss- die Schulung zu diesem Test zu vermitteln. und Seebädern, über Wassersportverbände und bei Selbstrettungs-Boje (z. B. Grossveranstaltungen zum Verleih oder Verkauf Ob sich die Zunahme der Verfügbarkeit von priva- angeboten werden. Bei Wettkämpfen in offenen ten Pools positiv auf die Wasser- oder gar Gewässern ist der Neoprenanzug oft Pflicht (ab- Schwimmkompetenz auswirkt, kann nicht belegt hängig von der Wassertemperatur). Für die breite werden, da entsprechende Vergleichserhebungen Bevölkerung wird die Selbstrettungsboje auf deut- fehlen. lich höhere Akzeptanz stossen, weil sie in der An- 240 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 schaffung wesentlich günstiger als ein Neoprenan- den. Begleitung beim Schwimmen wäre also nur zug ist. Diese Massnahme wird als «empfehlens- sicherheitsfördernd, wenn die Begleitperson über wert» eingestuft. die entsprechende Qualifikation verfügt. Alleinschwimmende sollten sich (in Zukunft) mit 4.4 Sich nur bei optimalem physiologischem Status im Wasser aufhalten einem elektro-mechanischen Rettungssystem, wie beispielsweise einem Rettungskragen, ausrüsten. Das System kann sich bei einem Schwimmer in Not Die Freiwassertauglichkeit der Bevölkerung soll automatisch aktivieren, aufblasen und damit den sichergestellt werden (Tabelle 64). Jeder Einzelne Nutzer auch bei Bewusstlosigkeit über Wasser hal- sollte sich zu Beginn einer Bade- oder Wasser- ten. Diese Systeme sind noch in der Entwicklungs- sportaktivität Rechenschaft über seine physiologi- oder Erprobungsphase. Es gilt, die entsprechende sche Kondition sowie seinem Fertigkeitsniveau in Forschung zu verfolgen und zu unterstützen. Die Relation zu den situativen Anforderungen geben. Unterstützung der Weiterentwicklung dieser Mass- Dazu könnten verschiedene Partner gemeinsam in nahme wird als «empfehlenswert» eingestuft. einer breit angelegten Informationskampagne über die relevanten Aspekte informieren: Risiken durch Der Bekanntheits- und Beachtungsgrad der rele- Substanzkonsum (v. a. Alkohol), physiologische vanten Baderegel der SLRG, lange Strecken nicht Reaktion wegen überhitztem Körper oder kalten allein zu schwimmen, sollte erhöht werden und Wassertemperaturen, optimaler Ernährungs- res- Schwimmer sollen in beaufsichtigtem Gewässer pektive Energiezustand und physiologische Aspekte trainieren. Zur Verbreitung könnten Medienmit- sowie situationsangepasste Fertigkeitsanforderun- teilungen und weitere Kommunikationskanäle der gen. Dazu könnte eine Risikoassessmentkarte «Bist Partner SLRG, swimsports.ch, der Schulen sowie zu H2O-fit?» dienen. Diese Karte könnte über der Seepolizei genutzt werden. Ein die Wirkung Medien, Broschüren, Multiplikatoren (Schwimm- stark einschränkender Faktor ist die Rettungskom- kurse, öffentliche Badeanstalten) breit gestreut und petenz der Begleitung: Eine in Not geratene Person mit den nötigen Hintergrundinformationen beglei- aus einem See oder Fluss zu retten, stellt hohe tet werden. In grossen Frei- und Strandbädern Anforderungen an die Rettungsperson. Kann nicht könnten bei Badewetter gratis Check-Points mit darauf gezählt werden, dass die Rettung von ei- einem nem Boot aus unterstützt wird, verschlechtern sich werden. Diese Massnahme wird als «empfeh- die Erfolgschancen und die Rettungsperson kann lenswert» eingestuft, da mit wenig Aufwand relativ selber in Not geraten. Diese Massnahme wird als viele Leute erreicht werden könnten, um relevante «bedingt empfehlenswert» eingestuft. Dies ausge- und bekannte Präventionsthemen verständlich und hend von der Tatsache, dass diese Baderegel be- attraktiv zu vermitteln. kurzen Self-Assessment eingerichtet reits seit langem kommuniziert wird, aber in Anbetracht der Unfälle kaum Beachtung findet. Zudem kann Rettung im fliessenden Gewässer und in gewisser Distanz zum Ufer nur von sehr gut trainierten und ausgebildeten Rettern gewährleistet wer- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 241 4.5 Zum Retten und zur Nothilfe Zudem würde diese Ausbildung grosse Ressourcen befähigen binden. Eine schwerpunktmässige Förderung solcher Kurse bei der breiten Bevölkerung erhält Sind bei einem Ertrinkungsvorgang ausgebildete darum nur ein «bedingt empfehlenswert». Retter präsent, steigt die Überlebenschance potenzieller Ertrinkungsopfer [292] (Tabelle 64). Wie viele Sinnvoll wäre es, die bereits Ausgebildeten, die ja Menschen jährlich durch das kompetente Ein- nachweislich über ein gewisses Interesse am Enga- greifen von geschulten und auch ungeschulten gement für einen Rettungseinsatz oder gar eine Ver- Rettern vor dem Ertrinkungstod bewahrt werden, pflichtung dazu haben respektive hatten und zudem konnte bisher noch nicht eruiert werden. Ertrin- zumindest früher die nötigen Qualifikationen bereits kungspräventiv positiv auswirken würde sich, wenn erarbeiteten, möglichst und lungskurs zu motivieren. Gemäss SLRG wurden in andere Leiter von Freizeitaktivitäten an, im und den letzten 75 Jahren 430 000 Personen brevetiert auf dem Wasser durch das Absolvieren eines (http://www.club-der-brevetierten.ch/DE/club). SLRG-Brevets über eine hohe Rettungs- respektive wenn die erforderliche Rettungskompetenz gezielt Nothilfekompetenz geübt wird, kann diese nach dem Absolvieren eines alle Lehrpersonen, verfügen Trainer und das nötige Wiederholungstraining absolvieren würden. Die vermehrt zu einem Wiederho- Nur Brevetkurses à jour gehalten werden. Umsetzung könnte durch breite Promotion der Ausbildungsmodule der Schweizerischen Lebens- Gezielt sollte der Anteil der Eltern von 0- bis 9-Jäh- rettungs-Gesellschaft (SLRG) über Jugend+Sport rigen mit Rettungs- respektive Nothilfekompe- (J+S), die Sportverbände und weitere Kanäle tenz erhöht werden. Dazu könnte ein Gutschein erfolgen. Kindern zur BLS-AED-Ausbildung an entsprechende Eltern vorwiegend von Lehrpersonen und Trainern/Leitern via bfu-Kinderpost und Kinderärzte in Zusammen- vermittelt wird, könnte relativ vielen Kindern neben arbeit mit Kantonen und Kursanbietern abgegeben sportartspezifischen Fertigkeiten auch relevantes werden. BLS steht für Basic Life Support (Nothilfe) Präventionswissen Diese und AED für Automated External Defibrillation Massnahme kann als «empfehlenswert» beurteilt (Defibrillator). Wigginton beurteilt die Rettung/ werden. Hilfeleistung durch Laien als erfolgversprechenden Da Wasserkompetenz vermittelt bei werden. Präventionsansatz [261]. Es darf von einem TransAnders sieht es mit der Bewertung von Anstren- fereffekt auf andere Lebensbereiche ausgegangen gungen zum Erhöhen des Anteils von Ret- werden. Zudem sollte überall, wo mit einem regen tungsschwimmern in der breiten Bevölkerung Badebetrieb in nicht überwachten Gewässern zu aus. Mit dieser Präventionsmöglichkeit könnte der rechnen ist, für ausreichend Rettungsmaterial Anteil an ausgebildeten Rettern mutmasslich nur gesorgt werden. Diese Massnahme wird wegen der begrenzt erhöht werden, da der Aufwand zum relativ hohen Ressourcenbindung als «bedingt Erlangen der nötigen Qualifikation sehr hoch ist. empfehlenswert» eingestuft. Somit wäre die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Wasserunfall (im unbewachten Gewässer) eine solche Rettungsperson anwesend wäre, sehr klein. 242 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.6 Verhindern, dass Kinder wegen feh- liegt, wird dieser Massnahme wegen mangelnder lender oder mangelhafter Aufsicht Aussicht auf Erfolg nur ein «bedingt empfehlens- ertrinken wert» abgegeben. Das Risiko soll durch altersgerechte Aufsicht von 4.7 Risiko für Wasserunfall bei Jungen senken 0- bis 9-Jährigen reduziert werden (Tabelle 64). Dazu entwickelte die bfu 2010 eine landesweite Kampagne, die 2011–2013 mit Partnern umgesetzt Bei jungen Menschen im Sport soll das präven- wird. Zentrale Botschaft an Eltern und verant- tionsrelevante Wissen bezüglich Wassersicherheit, wortliche Aufsichtspersonen ist, dass Kleinkinder das Gefahrenbewusstsein und die Selbststeu- bis 5-jährig im und am Wasser immer in Reichweite erungsfähigkeit verbessert werden (Tabelle 64). überwacht und 6- bis 9-Jährige stets im Auge be- Dazu könnte gemeinsam mit J+S ein Ausbildungs- halten werden müssen. Die entsprechende Bade- Grundlagenmodul für alle Sportfächer entwickelt regel steht auch bei der SLRG an erster Stelle. werden. Über die Fachleitung sowie die ent- Details können dem Grobkonzept entnommen sprechenden Experten und Leiter könnte so ein werden. Bei der Umsetzung darf von einer sehr Modul hohen gesellschaftlichen als auch politischen Ak- Wirkung eines reinen theoretischen Inputs als zeptanz ausgegangen werden. Diese Massnahme relativ wird als «sehr empfehlenswert» eingestuft. Massnahme als «bedingt empfehlenswert» ein- grosse gering Verbreitung eingeschätzt erfahren. wird, Da wird die diese gestuft. Das Risiko soll auch bei den 10- bis 14-Jährigen durch altersgerechte Aufsicht reduziert werden. Da Das Risiko könnte durch ein Ausbildungsobligato- sich diese Altersgruppe oft nicht mehr im direkten, rium für Schülerinnen und Schüler der Volksschule physisch realisierbaren Einflussbereich ihrer Erzie- reduziert werden. Die Umsetzung könnte über eine hungsberechtigen im und am Wasser aufhält, sind obligatorische Jahreslektion «Schwimmen» inkl. entsprechende Präventionsmassnahmen eine Her- Wasser-Sicherheits-Check ausforderung. Die Botschaft an Verantwortliche während 8 Jahren der obligatorischen Schulzeit lautet, auch diese Altersgruppe im und am Wasser erfolgen. Weil dieser als wirkungsvoll eingestuften regelmässig zu kontrollieren. Eltern sollen mit Kin- Massnahme wegen fehlender Ressourcen (Verfüg- dern in diesem Alter nur an Stränden baden, die barkeit von Rettungsschwimmern bewacht werden. Um Lehrerschaft, Zeitbudget) eine schlechte Umsetz- diese Information zu übermitteln, könnte an barkeit zugeschrieben wird, erhält sie ein «bedingt Elternabenden für 10-Jährige (ca. 4. Klasse) ein empfehlenswert». Schwimmbad, WSC (Selbstrettung) Ausbildungskompetenz Input durchgeführt und ein entsprechender Flyer abgegeben werden. Die Thematik sollte auch in der Badmeisterausbildung vertieft werden. Da ein 4.8 Trennen von Alkoholkonsum und Aktivitäten im und am Wasser grosser Kreis von Multiplikatoren zur Mitarbeit überzeugt und geschult werden müsste sowie die Die Trinkgewohnheiten von Jugendlichen und Aufgabe einzig im Zuständigkeitsbereich der Eltern Erwachsenen sollen beeinflusst werden (Tabelle bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 243 64). Dazu könnte in Kooperation mit Sucht Info lenswert». Das Führen eines Schiffs in angetrunke- Schweiz über alle Bootsverleiher und -verkäufer nem Zustand ist bereits heute untersagt. Einen sowie die öffentlichen Bäder ein Flyer abgegeben Grenzwert gibt es aber nur für die kommerzielle und mit der SLRG die entsprechende Baderegel Schifffahrt und der beträgt 0,1 Promille. In Basel noch bekannter gemacht werden. Auch könnten gilt die 0,5-Promille-Grenze bereits heute. Bäder auf Alkoholreklame (Sonnenschirme, Plakate usw.) verzichten. Allgemein sollte in der Werbung 4.9 Bei Gesundheitsrisiko nur in beaufsichtigten Gewässern schwimmen auf Bilder, die Alkoholkonsum am oder auf dem Wasser darstellen, verzichtet werden. Quan schlägt vor, von den Erkenntnissen der Strassenverkehrssi- Ältere Menschen, deren Gesundheitszustand für cherheits-Community zu profitieren [269]. Aus das Baden und Schwimmen als Risiko eingestuft wirtschaftlichen Gründen wäre eine freiwillige werden muss, sollten von ihrem Arzt entsprechend Unterstützung dieser Massnahme durch die Ge- informiert werden (Tabelle 64). Ärzte sollten bei tränkeverkaufsstellen in Bädern wahrscheinlich be- der ärztlichen Fahrtauglichkeitsprüfung ab 70 scheiden. Zudem werden nur Badende in beauf- Jahren betroffenen Patienten empfehlen, nur in sichtigten Gewässern erreicht, wo das Ertrinkungs- beaufsichtigten Gewässern zu schwimmen. Die bfu risiko wegen Alkoholkonsum deutlich kleiner ist als könnte gemeinsam mit der Verbindung der in freien Gewässern. Aus diesen Gründen wird Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH und den diese Massnahme als «bedingt empfehlenswert» Kantonen beurteilt. erarbeiten. Die Thematik sollte auch in der eine entsprechende Badmeisterausbildung Das Risiko könnte durch das Verschärfen gesetzli- vertieft Unterlage werden. Diese Massnahme wird als «empfehlenswert» eingestuft. cher Vorschriften reduziert werden. Dazu könnte die 0,5 Promillegrenze für alle Bootsführenden Menschen mit einer medizinischen Risikoindikation über die Binnenschifffahrtsverordnung konsequent (z. B. Epilepsie, Rekonvaleszenz, Herz-Kreislauf- auf alle Bootstypen ausgeweitet und durchgesetzt Problemen) sollen auf ihr erhöhtes Risiko beim werden. Dabei ginge es in erster Linie um den Baden und Schwimmen in unbeaufsichtigten Ge- Selbstschutz der Bootsfahrer, da davon ausge- wässern aufmerksam gemacht werden. Ärzte gangen wird, dass bei vielen Kenterungen oder könnten die Freiwassertauglichkeit als expliziten Stürzen ins Wasser Alkoholkonsum eine risikostei- Aspekt in die vertrauensärztliche Kontrolle ein- gernde Ursache darstellt. Die Polizei müsste auf bauen und ihren Patienten eine entsprechende allen freien Seen und Flüssen der Schweiz auch Empfehlung abgeben. Eine kompetente Abklärung, berechtigt werden, den Atemalkoholgehalt anlass- ob derartige relevante Risikofaktoren vorherrschen, frei zu überprüfen, mit der Möglichkeit bei Zu- die ein Abraten vom Schwimmen in unbeauf- widerhandlung den Ausweis (auch Personenwagen sichtigtem Gewässer rechtfertigen würde, wäre nur und Motorrad) zu entziehen. Bei dieser Mass- mit hohem Diagnostikaufwand zu erbringen. nahme ist die politische Umsetzbarkeit zwar frag- Zudem würde ein hoher Anteil von Risiken lich, aber sie erhält wegen des relativ hohen Ret- dennoch tungspotenzials das Prädikat «bedingt empfeh- Massnahme als «bedingt empfehlenswert» beur- 244 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) nicht entdeckt. Darum wird diese bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 teilt. Nichts desto trotz sollten Ärzte bei offen- nach einer Abklärung die politische Akzeptanz als sichtlich vorliegenden Beschwerden auf ein mögli- positiv bewertet werden kann, gibt es für diese ches Risiko beim Schwimmen hinweisen und für Massnahme ein «empfehlenswert». die Ausübung dieser sportlichen Aktivität den Schonraum eines beaufsichtigten Schwimmbades 4.11 Gewässer mit starker Strömung meiden empfehlen. 4.10 Alle Bootsfahrenden tragen Über Information soll eine Sensibilisierung und Rettungsweste damit ein Anstoss zu sicherheitsorientiertem Handeln geschaffen werden (Tabelle 64). Die Es soll geprüft werden, ob ein Online-Informations- Wassersport treibende Bevölkerung soll durch portal für Bootsfahrende eine zweckmässige Mass- Piktogramme vor Ort, die Flussregeln der SLRG, die nahme für die Risikoreduktion wäre (Tabelle 64). bfu-Unterlagen und evtl. durch weitere Einsatz- Auf diesem Portal könnte einerseits über Wetter- mittel, z. B. eine interaktive Gewässerkarte, infor- und Wasserbedingungen informiert, andererseits miert werden (Promotion via TV-Meteo). Diese Information zu sicherheitsrelevantem Wissen ver- Massnahme wird als «bedingt empfehlenswert» mittelt und für Risikofaktoren sensibilisiert werden. beurteilt, da nicht davon ausgegangen werden Die Verbreitung der entsprechenden Flussregeln kann, dass junge Männer – die Hochrisikogruppe der SLRG könnte in Kombination mit einer inter- für Ertrinkungsunfälle in Fliessgewässern – ihr Ver- aktiven Gewässerkarte das Tragen von Ret- halten wegen einer geschriebenen Präventions- tungswesten (Personal Floating Device PFD) beim botschaft überdauernd verändern würden. Bootfahren in der Bevölkerung verankern. Während der Wassersportsaison könnte im Rahmen der Das Risiko sollte durch Kompetenzgewinn durch TV-Sendung Meteo auf die Karte hingewiesen Ausbildung reduziert werden. Die Umsetzung er- werden. Eine solche Online-Gewässerkarte müsste folgt durch Besuch des Flussmoduls der SLRG. erst noch entwickelt und ihre Ressourcen-Effizienz Einer hohen Wirkung steht eine Ressourcen inten- geklärt werden. Bei positivem Ergebnis gibt es für sive Ausbildung, die vermutlich von einem sehr diese Massnahme ein «empfehlenswert». kleinen Bevölkerungsanteil von bereits hochsensibilisierten Personen absolviert würde, gegenüber. Die tödlichen Ertrinkungsunfälle als Folge von Stür- Diese Massnahme wird darum als «bedingt zen aus Booten oder von Kenterungen könnten empfehlenswert» beurteilt. drastisch reduziert werden, wenn das Tragen einer Rettungsweste obligatorisch wäre. Die Binnenschifffahrts-Verordnung wäre mit einem 4.12 Fahrkompetenz zum Führen von Gummibooten auf Fliessgewässer Tragobligatorium von Rettungswesten für alle Bootsfahrenden zu Bootsfahrende Es sollten Informationsanstrengungen unternom- sollten wissen, wann und wie sie Rettungswesten men werden, um die Kriterien für das kompe- zu tragen haben. Quan schlägt zur Promotion tente Führen von Gummibooten auf Flüssen Discount-Bons für den PFD-Erwerb vor [269]. Falls besser zu vermitteln (Tabelle 64). Zudem sollen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 ergänzen. Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 245 Freizeitkapitäne für das Risiko sensibilisiert, respek- führen, tive zu sicherheitsorientiertem Handeln bewegt empfehlenswert» eingestuft. wird diese Massnahme als «bedingt werden. Beipackzettel beim Kauf von Booten könnten über Verwendungszweck, Ladekapazität, Das Risiko soll durch Kompetenzgewinn mit Aus- SLRG-Flussregeln, persönliche bildung reduziert werden. Selbstrettung in kaltem Sicherheitsausrüstung informieren. Via Medienmit- Wasser, das zeigt auch Ducharme, stellt hohe teilung und bfu-Unterlagen könnten Tipps und auf Anforderungen an Betroffene [293]. Die Befähigung einer empfohlene zur Selbstrettung aus kaltem Wasser könnte durch Gummibootstrecken heruntergeladen werden. Ob den Besuch des Hypothermie-Moduls der SLRG die gefährdeten Personen wirklich erreicht werden erlangt werden. Weil voraussichtlich nur ein sehr könnten (Nutzer und Käufer der Boote sind nicht begrenzter Anteil der Bevölkerung bereit ist, dieses unbedingt identisch) und beim Kauf gelesene spezifische Modul zu besuchen, und die Ausbildung Handlungsanleitungen starken Einfluss auf das sehr Ressourcen intensiv ist, wird die Massnahme als spätere Verhalten haben, wird kritisch beurteilt. «bedingt empfehlenswert» eingestuft. Hingegen Darum erhält diese Massnahme nur ein «bedingt sollte aber an bekannten neuralgischen Stellen empfehlenswert». Rettungsmaterial für die Bergung von Verunfallten interaktiven Flusssignale und Gewässerkarte montiert werden (Rettungsring, -brett, -leiter oder Das Risiko könnte durch Gesetzgebung reduziert stange, Sicherungsleine für Retter). werden. Dazu müsste von allen Bootsführenden ein obligatorischer Kurs zur Fluss- und Seeregel- 4.14 Fahrzeuge bleiben auf der Verkehrsfläche kunde sowie zum Rettungsschwimmen besucht werden. Dieser wirkungsvollen Massnahme stehen hohe Realisierungskosten und geringe Umsetzungs- Um das Risiko zu senken, dass Fahrzeuglenker chancen gegenüber. Deshalb wird diese Massnahme und/oder -insassen, die mit ihrem Fahrzeug von der als «bedingt empfehlenswert» beurteilt. Strasse abkommen und ins Wasser fallen, ertrinken, gibt es eine ganze Palette von angezeigten 4.13 Kaltes Wasser meiden oder sich daraus retten können Massnahmen [294] (Tabelle 64). Diese sind Bestandteil der Präventionsanstrengungen zur Reduktion von Verkehrsunfällen. Deshalb wird Die Bevölkerung soll den Kontakt mit sehr kaltem in diesem Bericht nicht weiter auf diesen Aspekt Wasser meiden (Tabelle 64). Durch breite Kom- eingegangen. munikation über die SLRG (Eis- und Flussregeln), J+S, bfu-Publikumsbroschüren und bfu-Kinderpost Die Selbstrettungskompetenz soll verbessert könnte die Botschaft, kaltes Wasser nicht zu unter- werden. In der Fahrausbildung könnte die Selbst- schätzen und nach Möglichkeit zu meiden, in der befreiung aus einem sinkenden Fahrzeug (Simula- Bevölkerung verankert werden. Da aber nicht davon tor) geübt werden. Diese Massnahme wird wegen ausgegangen wird, dass reine Informationskampag- hohem Aufwand und schlechten Realisierungs- nen zu einer überdauernden Verhaltensänderung chancen als «nicht empfehlenswert» beurteilt. 246 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.15 Keine tödlichen Ertrinkungsunfälle 4.16 Retter und Berger gefährden sich im organisierten Badbetrieb nicht selber In institutionell organisierten Badbetrieben soll eine Über Information soll eine Sensibilisierung und lückenlose Badeaufsicht und eine effiziente damit ein Anstoss zu sicherheitsorientiertem Han- Rettung sichergestellt werden (Tabelle 64). Dazu deln geschaffen werden (Tabelle 64). Die Bevölke- soll das Bestreben der Badbetreiber und Badmeis- rung soll sich nicht durch unüberlegte oder unrea- ter, eine professionelle Badmeisterausbildung mit listische Rettungsaktionen selber gefährden. Ret- eidg. Fähigkeitsausweis zu erlangen, unterstützt tungseinsätze in freien, oft kalten Gewässern mit werden. Genügend Ressourcen zum Erfüllen der Strömung erforderen hohe Rettungskompetenz. anspruchsvollen Aufsichtsaufgaben sind im Be- Die breite Bevölkerung könnte aber durch die SLRG triebsbudget einzuplanen – darin sind sich auch die aufgeklärt werden, welche Möglichkeiten (z. B. Experten in der Studie von Fischer einig [252, Kap. Alarmieren, Einsatz von Rettungsmaterial) eine III.7]. Wachsame, kompetente Badaufseher können Person auch ohne antrainierten Fertigkeiten hat, Ertrinkungsunfälle in ihren Becken weitgehend ver- um Menschen in Notlage zu helfen. Dazu könnten hindern. Dabei muss aber auch die nahtlose in Konsumenten-Magazinen Artikel und Medien- Zusammenarbeit mit den professionellen Fachleu- mitteilungen ten der nächsten Rettungsstufe (Notarzt, Ambu- sollten über Hundeführerkurse und Flyer (Tierarzt, lanz, Rettungshelikopter) optimal konzipiert sein. Inkasso Hundesteuer) dazu angehalten werden, Diese Massnahme wird als «empfehlenswert» ein- ihre Vierbeiner nicht aus dem Wasser zu retten gestuft. (weil diese sich praktisch immer selber retten publiziert werden. Hundehalter können). Eine entsprechende Botschaft könnte Das Risiko soll durch elektronische Unterstüt- auch auf die Hundehygiene-Tüten gedruckt zung der Badeaufsicht reduziert werden. Dazu werden. Diese Massnahme wäre relativ einfach zu müsste die Entwicklung von Unterwasser-Detekti- realisieren, was zu einem «empfehlenswert» führt. onssystemen vorangetrieben und ihre Wirksamkeit überprüft werden. Die Zusammenarbeit mit Herstellern und Badbetreibern soll (weiter) gepflegt 4.17 Gewässer im Siedlungsbereich sind für Kinder sicher werden. Unter Berücksichtigung, dass entsprechende Technologien in Zukunft grössere Verbrei- Das Risiko soll durch Einschränkung des freien tung und höhere Akzeptanz erfahren werden, wird Zugangs und Ausrüstens mit nötigem Sicherheits- der notwendige Forschungsaufwand zum Nach- material reduziert werden (Tabelle 64). Durch eine weis der Wirksamkeit dieser Massnahme als «emp- lückenlose fehlenswert» beurteilt. Öffnungsmechanismus können Pools und Biotope Umzäunung mit entsprechendem im Siedlungsbereich kindersicher gestaltet werden [281]. Aber nicht nur Schwimmbäder, sondern auch Planschbecken, Regenwasserbehälter oder Industriebecken (Güllenbecken, Feuerwehrteiche) müssen so abgedeckt oder eingezäunt sein, dass Kleinkinder bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 247 in tragen. Die Verteilung der Information könnte Australien nachweisen, dass die Umzäunung von über Fischereiartikel-Verkauf, Ausstellungen, Fach- Pools ein effektives Mittel gegen Kinderertrinkungs- magazine und Fischer-Patent-Beilage in Zusam- fälle ist [280]. Die Behörden könnten entsprechende menarbeit mit dem Schweizerischen Fischerei- Vorschriften in ihren Bauordnungen vorsehen und Verband (SFV) realisiert werden. Der Versuch, das das Einhalten kontrollieren. Diese Massnahme wird Verhalten rein über die Übermittlung von Informa- als «sehr empfehlenswert» beurteilt. tionen zu erzielen, wird als «bedingt empfehlens- nicht hineinfallen können. Pearn konnte wert» beurteilt. Das Risiko soll durch Beratung reduziert werden. Die bfu-Beratung durch Sicherheitsdelegierte Das Risiko soll durch Design reduziert werden. Ent- vor Ort auf Basis der Dokumentation «Gewässer» wicklung und Vermarktung einer spezifisch für Fi- [281] soll weitergeführt werden. Diese Massnahme scher designten automatischen Rettungsweste wird als «sehr empfehlenswert» beurteilt. (nach CE-Norm 150N EN396, kombiniert mit Fischergilet mit vielen Taschen), in Zusammenarbeit 4.18 Taucher sind nie allein mit dem SFV, wäre möglich. In Anbetracht der wenigen Fälle und der geringen Bereitschaft der Fischer, Über Information soll eine Sensibilisierung und eine Rettungsweste zu tragen, wird diese Mass- damit ein Anstoss zu sicherheitsorientiertem Han- nahme als «bedingt empfehlenswert» beurteilt. deln geschaffen werden (Tabelle 64). Über die in der Schweiz anerkannten Ausbildungsorganisati- 4.20 Kein Aufenthalt im Gefahrenbereich von Flutwellen onen, Tauchschulen und die Fachstelle für Tauchunfallverhütung (FTU) sollten Brevet-Kandidaten vermehrt über die Gefahr des Alleintauchens Über Information soll eine Sensibilisierung für die sensibilisiert werden. Ebenfalls sollen sie angehal- Gefahr von möglichen Flutwellen und damit ein ten werden, nie ihren Tauch-Buddy aus den Augen Anstoss zu sicherheitsorientiertem Handeln ge- zu verlieren. Flyer oder Kleber bei Luftflaschenbe- schaffen werden (Tabelle 64). Mögliche Informati- zug könnten auch erfahrene Taucher an die Regel onskanäle sind: Beschilderung neuralgischer Stellen erinnern. Weil diese Information mit vertretbarem (unterhalb von Wasserkraftwerken und Schleusen) Aufwand an praktisch alle Taucher gelangt, wird mit Piktogrammen; Infotafeln bei Parkplätzen an diese Massnahme als «empfehlenswert» beurteilt. Flüssen, die eine Bade- und Wassersportfrequenz aufweisen, und bei denen mit möglichem raschem 4.19 Fischer tragen auf Boot oder an Pegelanstieg nach Gewittern und Unwettern im Fliessgewässern Rettungsweste Flusseinzugsgebiet gerechnet werden muss; interaktive Gewässerkarte; bfu-Publikumsbroschüren. Über Information soll eine Sensibilisierung und Diese Massnahme wird als «empfehlenswert» be- damit ein Anstoss zu sicherheitsorientiertem Han- urteilt, wird aber vielerorts auch bereits umgesetzt. deln geschaffen werden (Tabelle 64). Fischer soll- Informationsträger an Gewässern sollten regel- ten via Flyer motiviert werden, auf Booten, in Flüs- mässig kontrolliert und wenn nötig saniert werden. sen und an steilen Seeufern Rettungswesten zu 248 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.21 Nur geeignete Auftriebshilfen ver- oder einen bfu-Berater vor Ort [282] gewährleitstet kaufen und einsetzen, Kinder werden. Zudem sollte die Verwendung von geeig- überwachen neten Systemen der Unterwasserdetektion gefördert werden. Diese Massnahme wird als «empfeh- Das Risiko sollte durch Marktüberwachung und lenswert» beurteilt. Information reduziert werden (Tabelle 64). Dazu führt die bfu im Rahmen des Produktesicherheits- Das Risiko soll durch die Verbesserung der Beach- gesetzes Stichproben bei Auftriebshilfen durch tung von Sicherheitsstandards reduziert wer- und informiert die Bevölkerung gemeinsam mit der den. Ein Konzept zu Alarmierung und Rettung SLRG via Kinderpost, Publikumsbroschüren und sollte vorliegen und in allen Bädern regelmässig Internet (z. B. nur doppelkammerige, grössen- und geübt werden. Die Badbetreiber sollten entspre- gewichtsangepasste chende Standards à jour halten [282]. Diese Mass- Schwimmflügel mit Rück- schlagventil). Grundsätzlich sollten Nichtschwim- nahme wird als «empfehlenswert» beurteilt. mer keine aufblasbaren Schwimmhilfen in überkopftiefem Wasser benutzen sondern Rettungs- 4.23 Bei ungünstiger Witterung kein westen. Diese Massnahme wird als «empfehlens- Aufenthalt im, am oder auf dem wert» beurteilt. Wasser Das Risiko wird durch ständige, altersgerechte Über Information sollte eine Sensibilisierung und Überwachung reduziert. Kleinkinder bis 5 Jahre damit ein Anstoss zu sicherheitsorientiertem Han- sollen in Reichweite (max. 1–3 Schritte entfernt) deln geschaffen werden (Tabelle 64). Die Bevölke- überwacht, Kinder von 6 bis 9 Jahre im Auge be- rung orientiert sich vor der Wasseraktivität über halten werden – auch wenn sie Flügel oder eine das im Tagesverlauf zu erwartende Wetter. Ent- andere Schwimmhilfe tragen. Dieses Thema wird in sprechende Hinweise finden sich in den Medien der landesweiten bfu-Kampagne, die 2011–2013 und könnten zudem über eine noch einzurichtende mit Partnern umgesetzt wird, auch thematisiert. interaktive Gewässerkarte vermittelt werden. Da Diese Massnahme wird als «sehr empfehlenswert» das Wetter oft unerwartet und schnell ändern beurteilt. kann, ist es fraglich, ob relativ aktuelle Informationen die Zielgruppe wirklich erreichen und dann 4.22 Keine baulichen oder organisatori- auch zu sicherheitsorientiertem Handeln führen schen Sicherheitsmängel in Bädern würden. So beurteilt, erhält diese Massnahme ein «bedingt empfehlenswert». Das Risiko, dass sich in öffentlichen Bädern Ertrinkungsunfälle wegen baulichen oder organisato- 4.24 Aktuelle Präventionsanstrengungen rischen Mängeln ereignen, sollte durch Inanspruchnahme von professioneller Beratung redu- Die bfu engagiert sich in der Ertrinkungsprävention ziert werden (Tabelle 64). Die Beratung könnte mit ihrer Tätigkeit in der Forschung (Unfallfor- durch APR-Auditoren (Association des Piscines schung Romandes et Tessinoises), bfu-Sicherheitsdelegierte Empfehlungen «Bäderanlagen» [282], «Gewässer» bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 [21]), Beratung (sicherheitstechnische Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 249 Sicherheitsprodukte), «Be Water Wise» [298]), der World Health Or- [290], Kinderpost), ganization [266] oder der American Academy Kommunikation (Kampagne «Kinder immer im of Pediatrics, Committee on Injury, Violence, and Auge behalten – Kleine in Reichweite, Publikums- Poison Prevention [299]. [281], Marktaufsicht Erziehung (Safety für Tool broschüren [295], Medientätigkeit, Online-Lexikon der Prävention [296]) und Koordination (Wasser- 5. Präventionsempfehlungen programm mit den Ateliers [252, Kap. IV.5]). Ausgehend von der Liste mit allen PräventionsViele der an der Verhütung von Ertrinkungsfällen optionen wurde eine Selektion vorgenommen, bei beteiligten Partner und Institutionen leisten seit der nur noch die Massnahmen berücksichtigt wer- vielen Jahren wertvolle Präventionsarbeit – allen den, die die Bewertung «empfehlenswert» oder voran die Schweizerische Lebensrettungs-Ge- «sehr empfehlenswert» erhalten haben (Tabelle sellschaft SLRG. Explizit oder implizit sind weitere 65). Diese 25 ausgewählten Massnahmen hätten andere nationale Institutionen in der Ertrinkungs- potenziell risikoreduzierende Wirkung bei ca. 35 prävention tätig, namentlich Swimsports.ch (Ver- der jährlich 45 tödlichen Ertrinkungsfälle. Auch einigung der am Schwimmsport interessierten wenn nicht von einer 100%igen Wirksamkeit der Verbände und Institutionen der Schweiz), die Inte- vorgeschlagenen Massnahmen ausgegangen wer- ressengemeinschaft für die Berufsausbildung den kann, so könnte bei einer vollumfänglichen von Badangestellten (igba) (mit Schweizerischer Umsetzung der Präventionsmassnahmen aus der Badmeister-Verband SBV, Verband Hallen- und Tabelle 65 grob geschätzt ca. ein Drittel der tödli- Freibäder VHF, Association des Piscines Romandes chen Ertrinkungsunfälle verhindert werden. et Tessinoises APR, swimsports.ch, Schweizerische Vereinigung für Gesundheits- und Umwelttechnik Die als Ergebnis der Unfallforschung empfehlens- SVG, Schweizerische Vereinigung von Firmen für werten Präventionsmassnahmen lassen sich Wasser- und Schwimmbadtechnik Aqua Suisse), den Gebieten Forschung, Ausbildung, Beratung, Jugend+Sport (J+S), die Fachstelle für Tau- Kommunikation chunfallverhütung (FTU), die Stiftung Safety in (Tabelle 66, S. 255). und Kooperation zuordnen Adventures. Auch die (Wasser-)Polizei und die Rettungsdienste (Sanität, Rettungshelikopterunternehmungen) sind täglich im Dienst der Wasserunfallprävention respektive Rettung von Verunfallten unterwegs. Prävention von Ertrinkungsunfällen hat auch in internationalen Organisationen hohe Priorität. Besonders hervorzuheben gilt es die Anstrengungen und Informationsmaterialien der International Life Saving Federation ILS [297], der European Child Safety Alliance von EuroSafe (Kampagne 250 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 65 Wassersport (Ertrinken): Empfehlenswerte und sehr empfehlenswerte Präventionsmöglichkeiten Nr. 1.2 Präventionsziel Risiko für Wasserunfall bei Männern senken 2.2 2.3 3.1 4.1 4.2 Zum kompetenten Umgang mit Wasser befähigen Risiken wahrnehmen, beurteilen und sicherheitsorientiert handeln In offene Gewässer nur mit Auftriebshilfe oder in kompetenter Begleitung 5.1 Sich nur bei optimalem physiologischem Status im Wasser aufhalten 6.1 7.1 Zum Retten und zur Nothilfe befähigen Verhindern, dass Kinder wegen fehlender Aufsicht ertrinken 8.3 Risiko für Wasserunfall bei Jungen senken 9.1 9.2 Trennen von Alkoholkonsum und Aktivitäten im und am Wasser 10.1 Bei Gesundheitsrisiko nur in beaufsichtigtem Gewässer schwimmen 11.1 11.2 Alle Bootsfahrer tragen Rettungsweste bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Präventionsmöglichkeit Verbesserung von präventionsrelevantem Wissen, Einstellungen und Gefahrenbewusstsein bezüglich Wassersicherheit Präventionsmassnahmen Multifaktorieller Ansatz zur Sensibilisierung von Männern für Risiken über Multiplikatoren, Werbung, Medien: v. a. auf Themen Alkohol, Risikoverhalten, Nutzung Rettungsgeräte fokussieren (siehe Nr. 2-6, 9, 17, 19) Prädikat 2* Verbesserung von präventionsrelevantem Wissen, Einstellungen und Gefahrenbewusstsein bezüglich Wassersicherheit Multifaktorieller Ansatz zum Informieren der Bevölkerung über Multiplikatoren (z. B. SLRG-Kindergartenprojekt), Werbung, über Medien, 2* Erreichen eines Mindeststandards «Selbstrettung» für Kinder WSC an allen Schulen der Primarstufe (Kampagne H2O), Safety Tool WSC, WSC 2 (freie Gewässer) für Schüler der Sekundarstufe 2* Reduzierung des Risikos durch situationsadäquate Selbsteinschätzung von Jugendlichen Modul in Schulen der Sekundarstufe 2 mit Partizipation Zielgruppe, SLRG, swimsports.ch, J+S; in Kombination mit anderen Themen zum Erlangen von Selbstkompetenz 2 Ausrüsten von Alleinschwimmenden mit Auftriebshilfen Ausleihe/Verkauf und Promotion von Baywatch-Boye in Fluss- und Seebädern, über Sportverbände mit H2O-Betrieb, bei Grossveranstaltungen 2 Ausrüsten von Alleinschwimmenden mit elektromechanischen Rettungssystemen Unterstützung der entsprechenden Forschung und Produkteentwicklung 2 Befähigen zur Selbsteinschätzung der Freiwassertauglichkeit «Bist du H2O-fit?»-Selbstassessment. Zusammen mit Partnern über Medien, Publikumsbroschüren und Zeitschriften, grosse Badeanstalten, breite Informationskampagne zur Befähigung der Selbsteinschätzung der aktuellen, eigenen Freiwassertauglichkeit 2 Erhöhung des Anteils Lehrpersonen, Trainer, Leiter mit Rettungs- resp. Nothilfekompetenz Breite Promotion der SLRG-Module über, bfu, J+S und Sportverbände 2* Verbesserung der altersgerechten Aufsicht von 0- bis 9-Jährigen Kampagne H2O: siehe Grobkonzept 2010 1** Verbesserung von präventionsrelevantem Wissen, Einstellungen und Gefahrenbewusstsein bezüglich Wassersicherheit Multifaktorieller zielgruppenspezifischer Ansatz zur Sensibilisierung von Jungen für Risiken über Medien, Multiplikatoren, Werbung: v. a. auf Themen Selbsteinschätzung, Risikoverhalten, Nutzung Rettungsgeräte fokussieren (siehe Nr. 2-3, 11, 21) 2* Beeinflussung der Trinkgewohnheiten von Jugendlichen und Erwachsenen Kampagne v. a. mit Sucht Info Schweiz, Armee, SLRG. Infos an Bootsverleiher, -verkäufer, in überwachten Bädern 2* Reduzierung des Risikos durch Gesetzgebung und Enforcement 0,5 Promille für alle Bootsführende: Anlassfreie Kontrollmöglichkeit. Erhöhte Kontrolltätigkeit 2* Sicherstellen der Information für ältere Menschen Empfehlung via zugelassene Ärzte bei Kontrolle und bei ärztl. Fahrtauglichkeitsprüfung ab 70 Jahre, Ausbildung Badmeister 2* Reduzierung des Risikos durch Information Flussregeln, PB bfu, SD-Infoset und weitere,z. B. interaktive Gewässerkarte mit Info 2* Reduzierung des Risikos durch Gesetzgebung Tragobligatorium von Rettungswesten auf allen Booten (Umsetzbarkeit zu prüfen) (Binnenschifffahrtsverordnung), Regress Versicherung bei Missachtung 2** Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 251 Tabelle 65 – Fortsetzung Wassersport (Ertrinken): Empfehlenswerte und sehr empfehlenswerte Präventionsmöglichkeiten Nr. 16.1 Präventionsziel Präventionsmöglichkeit Keine tödlichen Sicherstellen einer lückenlosen Ertrinkungsunfälle im Badeaufsicht und einer effizienten institutionell Rettung organisierten Badbetrieb Präventionsmassnahmen Zusammenarbeit mit igba, SBV, VHF, APR (Badmeisterausbildung mit eidg. Fähigkeitsausweis), SLRG Prädikat 2* 16.2 Zum kompetenten Umgang mit Wasser befähigen Reduzierung des Risikos durch elektronische Unterstützung Weiterentwicklung und Etablierung Unterwasser-Detektion mit Herstellern, Bädern (ASSA), Schulen 2* Reduzierung des Risikos von Hundebesitzern durch Information Artikel in Konsumentenmagazinen (Migros, Coop, Apotheken), Tiere nicht retten (Hundeführer-Kurse), Flyer bei Tierarzt, Infos mit Inkasso Hundesteuer, Message auf Hundehygiene-Tüten 2 Reduzierung des Risikos durch Absperrung Vierseitige Einzäunung oder Schwimmbadabdeckung obligatorisch erklären 1* Reduzierung des Risikos durch Beratung bfu-Beratung von bestehenden und geplanten Anlagen 2* Reduzierung des Risikos durch Information Sensibilisierung über Ausbildung mit FTU, PB bfu, Flyerabgabe bei Luftflaschenbezug 2* 17.1 18.1 18.2 19.1 Retter und Berger gefährden sich nicht selber Gewässer im Siedlungsbereich sind für Kinder sicher Taucher sind nie allein 21.1 Menschen meiden Aufenthalt in Gefahrenbereich von Flutwellen Reduzierung des Risikos durch Information Info/Piktogramme bezüglich Wasserablass Kraftwerke und Hochwasser bei Gewitter, PB bfu und weitere,z. B. ev. interaktive Gewässerkarte 2* 22.1 Nur geeignete Auftriebshilfen kommen auf den Markt Reduzierung des Risikos durch Marktüberwachung und Information Stichproben PrSG, Produkteinformation, Kinderpost, PB bfu 2** 23.1 Keine baulichen oder organisatorischen Sicherheitsmängel in Bädern Reduzierung des Risikos durch Beratung Mängelbehebung mit Beratung bfu/APR inkl. Promotion Unterwasserdetektion 2* Reduzierung des Risikos durch Sicherheitsstandards Weiterentwicklung von Alarmierungs- und Rettungsstandards durch die Badbetreiber 2* 23.2 Skala Prädiktor 1= Sehr empfehlenswert 2= Empfehlenswert 252 * = wird z. T. schon umgesetzt ** = wird schon umgesetzt Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 5.1 Forschung 5.2 Ausbildung Effektive Präventionsanstrengungen müssen auf Es gibt Schulen, die aus Angst vor Haftpflichtforde- gesichertem Wissen über das Unfallgeschehen, rungen nach Wasserunfällen den Schwimmunter- über die relevanten Risikofaktoren und über die richt und Badeausflüge einstellen. Eine Entwick- Wirksamkeit von Präventionsmassnahmen basie- lung, die aus der Perspektive der öffentlichen Ge- ren. Dieses Wissen wird einerseits in der internatio- sundheit (Public Health) zu bedauern ist, wäre es nalen wissenschaftlichen Literatur, andererseits in doch wünschenswert, wenn die gesamte Schwei- der Analyse der Unfallstatistiken, der Evaluation zer Bevölkerung schwimmen kann. Lernen Kinder von Interventionen und im Austausch mit Experten- nicht mehr schwimmen, wird zudem eine Chance gremien verpasst, ihnen auch Aspekte wie Wasserkompe- zusammengetragen. Dieses Wissens- management ist ein permanenter Prozess. Die ge- tenz sowie Gefahrenbewusstsein und Selbst- sammelten Erkenntnisse sollen allen Stakeholdern steuerungsfähigkeit zu vermitteln. Die Kantone zur Verfügung gestellt werden. Darum ist vorzuse- sollen dabei unterstützt werden, für den Wasser- hen, Präventionsmöglichkeiten in Form eines Dos- sport an ihren Schulen einheitliche Sicher- siers «Sicherheit beim Baden und Wasser- heitsstandards einzuführen und die Lehrper- sport» zu verfassen und im Mehrjahresrhythmus sonen entsprechend aus- und weiterzubilden. Die zu aktualisieren. Der Tiefgang in der Auseinander- von der Konferenz der kantonalen Sportbeauf- setzung mit der Materie würde über das, was in tragten (KKS) und Erziehungsdirektoren Konferenz diesem Kapitel möglich war, hinausgehen. (EDK) angestossene Arbeit ist in Zusammenarbeit mit den Pädagogischen Hochschulen und weiteren Die Datengrundlagen für statistisch gesichertes Partnern aus dem bfu-Wasserprogramm weiter- Wissen über Beinahe-Ertrinkungsfälle, durch- zuführen. geführte Rettungen, Blutsubstanzgehalt der Opfer und weitere physiologische Parameter ist sehr lü- Ein bedeutender Faktor zur sekundären Prävention ckenhaft. Ein Wissensaustausch mit den betref- bleibt weiterhin das Engagement der SLRG in der fenden Organisationen ist anzustreben, respektive Aus- und Weiterbildung von Rettungsschwimmern. zu vertiefen. 5.3 Beratung Um das Ertrinkungsrisiko als Folge mangelnder Badeaufsicht zu reduzieren, gilt es, die Entwick- Die Anstrengungen der bfu in Zusammenarbeit mit lung von Technologien zur Unterwasser-De- den Badbesitzern und -betreibern für die Verbes- tektion und Prototypen mit elektromechanischem serung der baulichen Sicherheit von öffentli- Selbst-Rettungssystem zu unterstützen und später chen und privaten Schwimmbädern sind wei- ausgereifte Produkte zur Anwendung zu empfehlen. terzuführen. Dies auch im Bereich baulicher Sicherheit von Kleingewässern im Siedlungsbereich. Die bfu wird zudem im Rahmen ihres Auftrags des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) für die bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 253 Marktaufsicht weiterhin dafür sorgen, dass nur Rettungsweste», «Baden unter Alkohol- und Dro- Sicherheitsprodukte Rettungswesten, geneinfluss» und «allgemein erhöhte Risikobe- Schwimmflügel) von guter Qualität auf den reitschaft» die Hauptursachen für das Ertrinken Schweizer Markt kommen. sind, sind die Opfer beinahe immer Männer. Der (z. B. Tabelle 65 können bewertete PräventionsmögViele Sportler unterschätzen in freien Gewässern lichkeiten entnommen werden, die auf die Prä- Strömungsgeschwindigkeit, Temperatur, ungün- vention dieser Risiken ausgerichtet sind. Die kon- stige Wetterentwicklung und Wucht des Wassers. krete Umsetzung muss mit den jeweiligen Fach- Eine organisationen abgesprochen werden. interaktive Gewässerkarte mit aktuellen Nutzerinfos für die verschiedenen Sportarten wie Bootfahren, Baden und Schwimmen, Tauchen, Schwimmer sollen nicht allein im freien Gewässer Flusssurfen usw. könnte auch Hinweise zum Tra- schwimmen. Geraten sie nämlich allein in Not, gen der richtigen Schutzausrüstung und weitere kann in nützlicher Frist nicht mit Rettung gerechnet Präventionsbotschaften enthalten. In einer Mach- werden. Schwimmer sollen sich von Schwimmern barkeitsstudie sollte die mögliche präventive Wir- mit Rettungskompetenz begleiten lassen oder im kung einer solchen Karte überprüft werden. Die Minimum eine Auftriebshilfe mitführen. Die ent- SLRG hat unter dem Arbeitstitel «Aqua-Mal» ein sprechende Baderegel der SLRG muss verstärkt entsprechendes Projekt ins Leben gerufen [300]. kommuniziert und konsequent in Ausbildungsmodule eingebaut werden. 5.4 Kommunikation Es ist eine Zunahme der Anzahl älterer Menschen Der Prävention von Ertrinkungsunfällen bei Kindern zu erwarten, die sich beim Baden und Schwimmen wird besondere Bedeutung beigemessen. Einen dem Risiko aussetzen, plötzlich unterzugehen. Dies Beitrag zur Zielerreichung, dass keine kleinen einerseits aus demografischen Gründen, anderer- Kinder mehr ertrinken, können auch Informations- seits wegen der Zunahme von wassersportlichen und Sensibilisierungskampagnen leisten. Die 2011 Aktivitäten in diesem Alterssegment. Mit der Ärzte- gestartete nationale Kampagne mit den wichtigs- schaft sollte die Möglichkeit geprüft werden, wie ten Stakeholdern in der Ertrinkungsprävention bei den periodischen Gesundheitschecks das «Kinder immer im Auge behalten – Kleine in Reich- Thema «Risiko Ertrinken» angesprochen werden weite» soll zur Verbesserung der Aufsicht von könnte. Kindern am und im Wasser führen. Die Kampagne läuft bis Sommer 2013. Taucher ertrinken von allen Wassersportlern anteilsmässig am häufigsten. Die Regel, nie allein Männer im Allgemeinen und junge Männer im zu tauchen und sich nie vom Tauchpartner zu Alter von 15 bis 24 Jahren im Besonderen sind am entfernen, soll mit mehr Nachdruck kommuniziert häufigsten von Ertrinkungsunfällen betroffen. Auf werden. Partner der Umsetzung ist die Fachstelle diese Zielgruppe sollte mit einem vielgliedrigen für Tauchunfallverhütung (FTU) mit den ange- Präventionsansatz fokussiert werden. Bei Unfällen, schlossenen Organisationen und Tauchschulen. bei denen die Risikofaktoren «Wassersport ohne 254 Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Die Umsetzbarkeit eines Tragobligatoriums für Wirtschaftlichkeit, der Verfügbarkeit von Ressour- Rettungswesten und cen oder der Akzeptanz in der Bevölkerung ab. Die Fischer an fliessenden Gewässern wird zwar als Umsetzung einiger Massnahmen konnte bereits schwierig beurteilt. Dies wäre aber schätzungs- initiiert werden, andere sind im Rahmen des bfu- weise die Einzelmassnahme mit dem höchsten Wasserprogramms noch vertieft zu analysieren Rettungspotenzial. Es gilt also, die Anstrengungen und mit potenziellen Partnern für die Umsetzung zu erhöhter Tragbereitschaft von Westen aktiv mit im Detail zu diskutieren. für Bootsfahrende den Partnerorganisationen zu fördern. 5.5 Kooperation Damit das Engagement der diversen Akteure in der Ertrinkungsprävention einen maximalen Effekt erzielt, hat die bfu die Koordinationsanstrengungen, die 2007 mit dem Wasserprogramm starteten, weiterzuführen. Einige der Interventionen, die aktuell umgesetzt werden, haben sich aus dem Kooperationsprozess im Rahmen der Wasserateliers ergeben. Die internationalen Kontakte auf europäischer (EuroSafe, European Child Safety Alliance) und weltweiter (World Conference on Drowning Prevention WCDP) Ebene sind weiterzupflegen, um eine wirkungsvolle, auf aktuellem Wissen basierende Ertrinkungsprävention leisten zu können. Ob und wie die hier vorgeschlagenen Ideen und Absichten realisiert werden können, hängt von mehreren Faktoren wie dem politischen Willen, der Tabelle 66 Wassersport (Ertrinken): Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung Wissensmanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ausbildung Modul «Gefahrenbewusstsein / Selbststeuerungsfähigkeit» Selbst- und Fremdrettungskompetenz Beratung Schwimmbäder: Gestaltung und Betrieb Produktesicherheit Unterwasserdetektion Automatische Auftriebshilfe Gewässergefahrenkarte Kommunikation Kinderaufsicht Alleinschwimmen Alleintauchen H2O-fit Alkoholkonsum Rettungsweste Kooperation Wasserprogramm Internationaler Austausch Wassersport (Ertrinken) (Autoren: Othmar Brügger, Christoph Müller) 255 XI. Fussball (Autor: Frank I. Michel) 1. Einleitung ball – zählt 450 000 Mitglieder, wovon im Jahr 2009 ca. 250 000 lizenzierte Spieler gemeldet Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, basierend auf waren [302]. Seit 1989 ist ein kontinuierlicher Zu- statistischen Zahlen zum Schweizer Unfallgesche- wachs der Anzahl der lizenzierten Spieler von hen im Fussballsport ein Risikofaktorenprofil abzu- 183 000 (1989) auf 250 000 (2009) zu registrieren. leiten und darauf aufbauend geeignete Präventi- 95 % dieser Fussballspieler sind Kinder, Jugendli- onsmöglichkeiten als Entscheidungsfundament für che und Erwachsene beiden Geschlechts, die der zukünftige Präventionsaktivitäten zu erarbeiten. Kategorie Breitensport angehören, nur 5 % macht der Profi- respektive Elitefussball aus [302]. Zum Die folgenden Ausführungen beziehen sich nahezu institutionell organisierten Fussball kommt noch ausschliesslich auf den nicht professionellen Fuss- das Fussballspielen in der Schule und in Trainings ballsport. Ausführungen, bei denen aufgrund von von anderen Sportverbänden dazu, was aber im Informationslücken auf Wissen und Erfahrung aus Umfang nicht klar quantifiziert werden kann. dem Profisport zurückgegriffen werden muss, sind entsprechend gekennzeichnet. Da sich die strategi- Entsprechend der Umfrage von Lamprecht et al. sche Ausrichtung von bfu-Präventionsaktivitäten [10] ist der Anteil der Fussballspielenden in der vorwiegend auf den Kinder- und Jugendfussball Deutschschweiz mit 8 % am grössten und im Tes- konzentriert, wird diese Fokussierung entsprechend sin mit 4 % am kleinsten (Romandie: 6 %). berücksichtigt. Verglichen mit den 7 % Fussball spielenden 1.1 Ausgangslage Schweizern ist der relative Anteil der Fussball spielenden Ausländer in der Schweiz mit 12 % Fussball ist mit geschätzten 265 Mio. aktiven Fuss- grösser [10]. ballspielern (2006) der am häufigsten ausgeübte Sport weltweit [301]. Entsprechend einer Umfrage 1.2 Sportdisziplinen von Lamprecht et al., die 2007 über 10 000 Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren sowie etwa 1500 Fussball wird gewöhnlich auf Natur- oder Kunst- Kinder zwischen 10 und 14 Jahren zu ihrem Sport- rasen sowie auf Hartplätzen gespielt. In letzter Zeit verhalten befragten, ist Fussball mit 7,5 % auch in haben sich im Fussball «Subdisziplinen» herausge- der Schweiz die am häufigsten betriebene Spiel- bildet, die nach den verschiedenen Spielböden sportart, wobei 3,4 % aller Befragten Fussball als kategorisiert werden können: ihre Hauptsportart angegeben haben [10]. Hallenfussball (Futsal) Strandfussball (Beach Soccer) Der Schweizerische Fussballverband (Swiss Football Strassenfussball (Street Soccer) League) – als nationales Verbandsorgan für Fuss- 256 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Diese Unterkategorien des traditionellen Fussballs aller befragten Frauen Fussball. Von der Personen- werden innerhalb der Swiss Football League dem gruppe, die angaben, Fussball zu spielen, liegt der Breitensport zugeordnet [302]. Trotz der zu ver- Frauenanteil bei 9 % [10]. Im September 2009 wur- zeichnenden steigenden Popularität sollen aufgrund den im Schweizerischen Fussballverband 22 427 von Datenmangel und wissenschaftlichem Infor- lizenzierte Spielerinnen registriert [302]. Dies ent- mationsdefizit diese Wettkampfdisziplinen in den sprach 2009 8,9 % aller im Verband registrierten folgenden Ausführungen unberücksichtigt bleiben. Spieler und somit auch dem von Lamprecht und Stamm angegebenen Frauenanteil. Beide Zahlen 1.3 Alter bestätigen die Dominanz des männlichen Geschlechts im Schweizer Fussballgeschehen, jedoch ist Der grösste Anteil an Fussballspielenden in der ein kontinuierlicher und starker Anstieg der lizenzier- Schweiz gehört dem Alterssegment der 15- bis 29- ten Fussballspielerinnen seit der ersten Frauenfuss- Jährigen an [10]. Mit zunehmendem Alter wird der ball-Saison 1970/71 zu beobachten (270 Spielerin- Anteil der Fussballspielenden sukzessive geringer. nen). In den letzten fünf Jahren hat sich der Anteil der lizenzierten Fussballspielerinnen verdoppelt Laut Lamprecht et al. [9,10] spielen 32 % der Kin- [302]. Diese Entwicklung deutet auf Akzeptanz, der im Alter von 10 bis 14 Jahren Fussball. Diese Interesse und Potenzial des Schweizer Frauenfuss- Nennung bzw. Angabe erfolgte ungestützt und balls hin. Ein Mädchenanteil von 31 % bei Kindern betrifft Sport im engeren Sinn. Bei der «Nennung im Alter von 10 bis 14 Jahren unterstreicht diesen als Sport- und Bewegungsaktivität» sind es sogar Trend [10]. 54 %. Damit stellt Fussball die beliebteste Teamund Spielsportart dar und wird von der Hälfte aller 1.5 Organisatorischer Rahmen der Ausübung (Settings) Kinder betrieben. Wird in diesem Zusammenhang die Häufigkeit der lizenzierten Spieler analysiert, so ist eine Schwelle von den Junioren F (7–8 Jahre) zu Etwa zu je 40 % wird Fussball im Verein oder «un- den Junioren E (9–10 Jahre) festzustellen [302]. Bei gebunden» – wobei unter «ungebunden» frei oder den Junioren F waren 2009 ca. 4700 Kinder selbst organisiert verstanden wird – gespielt lizenziert, bei den Junioren E hatte es bereits über (Abbildung 32) [10]. 25 000 Lizenzierte. Dieser Sprung zeigt, dass der organisierte Spielbetrieb im Alter von 9 bis 10 Zu den 19 % der in einer festen Gruppe bzw. Jahren deutlich an Bedeutung gewinnt. Bei den fremd organisierten Fussballer werden auch – so- Junioren C (13–14 Jahre) und D (11–12 Jahre) weit nicht im Verein organisiert – die Teilnehmer werden von «Grümpelturnieren» gezählt. Diese Art von 31 324 respektive 34 256 lizenzierte Spieler verzeichnet. Fussballturnieren ist in der Schweiz sehr populär. Nach 1.4 Geschlecht Angaben der Suva unterstützt der Versicherer mittels Sicherheits- und Präventionsaktivitäten jährlich ca. 150 Grümpelturniere Basierend auf den Daten von Lamprecht et al. [10] schweizweit [303]. Im Veranstaltungskalender von spielen 14 % aller befragten Männer und nur 1 % www.gruempi.ch werden jährlich knapp 100 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 257 Grümpelturniere in der Datenbank aufgelistet (nur 2. Unfallanalyse Deutschschweiz) [304]. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl von nicht «offiziell Masson und Hess [306] beschrieben schon 1987, registrierten» Grümpelturnieren deutlich höher ist. dass Fussball wie die meisten Mannschaftssportarten zu den Kampfsportarten gehört. Diese Aussage Neben dem Schweizerischen Fussballverband en- impliziert, dass Fussball damit von vornherein be- gagiert sich Jugend+Sport (J+S) intensiv im Bereich sonders verletzungsträchtig ist. Dasselbe spiegelt Fussball. Mit über 13 Mio. CHF unterstützt und sich im Schweizer Unfallgeschehen wider, wo fördert J+S auf vielfältige Art und Weise (z. B. Fussball als eigenständige Sportart unabhängig von Sportkurse/-lager) den Fussballsport für 5- bis 20- der Verletzungsschwere mit 53 800 Verletzen den jährige Mädchen und Jungen [305]. Gemäss dem vordersten Rang einnimmt [40]. Werden die in der Kursangebot von J+S im Jahr 2008 verzeichnete Schweiz am häufigsten ausgeübten Sportarten Fussball von allen unterstützten Sportarten die nach dem Verletzungsrisiko rangiert, so nimmt der höchste Teilnehmerzahl (n=141 329) sowie die Fussball mit 1,8 Verletzungen pro 1000 Stunden grösste Anzahl von Leitern (n=13 953) [305]. Ausübung die erste Stelle ein [307]. In dieser Bewertung wird die Verletzungsschwere nicht Bei den 10- bis 14-jährigen Knaben stellt Fussball berücksichtigt. deutlich die beliebteste Vereinssportart dar [9]. Bei den gleichaltrigen Mädchen rangiert Fussball vor 2.1 Alter Die Analyse Pferdesport und Skifahren auf Platz 5 der beliebtesten Vereinssportarten. des gesamten Ausmasses an Verletzungen im Fussball nach Altersklasse zeigt In diesem Kontext darf der Schulsport, in dem einen sukzessiven Anstieg der Verletzungshäufig- Fussball eine feste Komponente im Lehrplan dar- keit bis ins Alterssegment der 26- bis 45-Jährigen. stellt, nicht vergessen werden. Somit ist in diesem Alterssegment mit etwa 22 000 Verletzten die grösste absolute Verletzungshäufig- Abbildung 32 Sportaktivität im Fussball nach organisatorischem Rahmen, Jugendliche und Erwachsene, 2007 Abbildung 33 Verletzte im Fussball nach Alter, Ø 2003–2007 25000 In fester Gruppe 19% 21680 18800 20000 Ungebunden 40% 15000 10390 10000 5000 Im Verein 41% Quelle: Observatorium Sport und Bewegung Schweiz [10] 258 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 2900 50 0 0–16 17–25 26–45 46–64 65+ Quelle: bfu, Hochhrechnung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 keit zu beobachten (Abbildung 33) [40]. Dass in dar. Verletzungen am «Fuss-/Zehenbereich» sind dieser Betrachtung die Altersklassen unterschied- bei Frauen häufiger zu beobachten als bei Män- lich gross sind, hat Gründe aus der Datenstruktur nern. Aus den vorliegenden Daten ist zu folgern, der Unfallstatistiken. dass fussballspezifische Verletzungsmuster mit nahezu 70 % (einschliesslich Hüfte) die unteren In den beiden darauf folgenden Alterssegmenten Extremitäten betreffen (Abbildung 34). wird nur noch eine sehr geringe Anzahl von Verletzten registriert, was mit der stark abnehmenden Eine häufig betroffene Verletzungslokalisation, die Anzahl von Fussballspielenden in Verbindung zu nicht zu den unteren Extremitäten zählt, stellt der bringen ist. Komplex Handgelenk/Hand/Finger dar. 2.2 Weniger aufgrund der Verletzungshäufigkeit, je- Geschlecht doch im Zusammenhang mit der VerletzungsDer durchschnittliche Anteil (Ø 1985–2007) der schwere dürfen Kopfverletzungen, insbesondere verletzten Fussballerinnen im Vergleich zu den Gehirnerschütterungen, nicht unerwähnt bleiben. Männern beträgt nur 3,9 %, was mit der ver- Verletzungen des Kopfs, worunter entsprechend gleichsweise deutlich geringeren Anzahl von Fuss- den vorliegenden Daten nebst Schädel/Hirn, Ge- ballerinnen zu erklären ist. Es ist ein leichter Zu- sicht und Augen auch nicht näher bezeichnete wachs der Verletzungshäufigkeit bei den Frauen Verletzungen des Halses subsumiert werden, spie- seit 1985 zu registrieren. len mit 9 % keine unbedeutende Rolle. Als generelles und primäres Problem betonen Dvorak et al. Im Folgenden werden geschlechtsspezifische Ver- [308], dass Gehirnerschütterungen als solche oft gleiche direkt dem sachlichen Bezug zugeordnet. nicht wahrgenommen werden. Viele Athleten sind 2.3 Tabelle 67 Verletzungslokalisation im Fussball nach Geschlecht (pro 100 Verletzte), Ø 2003–2007 Verletzungslokalisation Für die folgende Analyse der Verletzungen im Verletzungslokalisation Schädel/Hirn Fussball werden die UVG-Daten der SSUV vertieft Gesicht 4 3 4 analysiert. Ähnliche, detaillierte epidemiologische Augen 1 0 1 Angaben zum Unfallgeschehen bei Kindern in der Kopf/Gesicht/Hals (n. n. b.) 3 4 3 Wirbelsäule/Rückenmark 1 2 1 Rumpf 7 4 7 Schultergürtel/Oberarm 5 4 5 Unterarm/Ellbogen 2 3 2 Die am häufigsten betroffene Verletzungslokalisa- Handgelenk/Hand/Finger 9 10 9 tion stellt der Komplex «Unterschenkel/Sprung- Hüfte 6 3 6 gelenk» Oberschenkel 1 0 1 Knie 13 12 13 Unterschenkel/Sprunggelenk 22 26 22 Fuss/Zehen 10 14 10 Untere Extremitäten (n. n. b.) 17 16 17 1 1 1 Schweiz fehlen. dar (Tabelle 67). Dies trifft für Fussballerinnen und Fussballer gleichermassen zu. Das Knie und der Komplex «Fuss/Zehen» stellen die zweit- bzw. dritthäufigste Verletzungslokalisation bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Übrige und mehrere Körperstellen (n. n. b.) Männlich Weiblich 1 2 Total 1 Quelle: SSUV, UVG-Statistik Fussball (Autor: Frank I. Michel) 259 sich nicht über die Ernsthaftigkeit und Tragweite wie im Kinderfussball – die dominante Verlet- einer Gehirnerschütterung bewusst. Daher wird zungslokalisation wider. dieser Verletzungstyp vermutlich unterschätzt. 2.4 Henke et al. [309] betonen, dass sich das Verlet- Verletzungsart und Verletzungsschwere zungsgeschehen – und hier insbesondere die Verletzungslokalisation – in den verschiedenen Alters- Aus Tabelle 68, welche die Beziehung zwischen stufen recht unterschiedlich gestalten kann. Im den wichtigsten Verletzungslokalisationen und den Kinderfussball dominieren Arm- und Schulterverlet- Verletzungsarten wiedergibt, ist zu entnehmen, zungen, während bei den Heranwachsenden (15 bis dass «Distorsionen und Rupturen» (Verrenkungen, 21 Jahre) Verletzungen am Sprunggelenk am Zerrungen, Risse) sowie «Kontusionen» (Prellun- häufigsten zu beobachten sind. Dies gilt auch für gen) die häufigsten Verletzungsarten im Fussball Spieler im Alter zwischen 22 und 35 Jahren, wobei darstellen. Knieverletzungen ein ähnliches Ausmass annehmen. Die Verletzungslokalisation «Unterschenkel/ SprungKnieverletzungen nehmen bei Spielern zwischen 36 gelenk» ist am häufigsten von Distorsionen und und 50 Jahren den ersten Rang ein. Verletzungen Rupturen an Arm und Schulter fallen für diesen Altersbereich Zehenbereich» Kontusionen am häufigsten vor- ähnlich hoch aus. Bei den über 50-Jährigen kommen. Dies ist sowohl bei Männern als auch bei spiegeln Arm- und Schulterverletzungen – ähnlich Frauen zu beobachten. Abbildung 34 Verletzungslokalisation im Fussball, Erwachsene, Ø 2003–2007 betroffen, wohingegen am «Fuss-/ In Bezug auf die Verletzungsschwere verdeutlichen die Daten aus Tabelle 69, dass fussballspezifische Hand 9 % Verletzungen zu etwa 93 % den leichten Verlet- Kopf 9 % Obere Extremitäten 16 % zungen zuzuordnen sind. Für Mittelschwerverletzte bzw. Schwerverletze wird ein Anteil von rund 4 % respektive 2 % registriert. Todesfälle und Invalidität sind im Fussballsport äusserst selten. Torso 8 % Hüfte / Oberschenkel 7 % Knie 13 % Unterschenkel / Sprunggelenk 22 % Untere Extremitäten 17 % (n. n. b.) Fuss 10 % Quelle: bfu, Spezialauswertung; SSUV, UVG-Statistik 260 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 68 Verletzungslokalisation im Fussball nach Verletzungstyp und Geschlecht (pro 100 Verletzte), Ø 2003–2007 Männlich Weiblich Total Männlich Sonstige Weiblich Männlich Kontusion – Prellung Weiblich Männlich Weiblich Weiblich Weiblich Männlich Distorsion/ Offene Wunde Ruptur – Verstauchung, Zerrung Männlich Dislokation/ Luxation – Verrenkung Männlich Fraktur – Bruch Weiblich Verletzungslokali sation Handgelenk/Hand/ Finger 1.3 1.6 0.7 0.4 4.7 4.0 0.0 0.2 2.0 1.9 0.3 0.4 9.0 8.5 Knie 0.0 0.1 3.9 4.9 6.7 6.5 0.0 0.0 4.1 4.6 0.0 0.0 14.7 16.1 Unterschenkel/ Sprunggelenk 2.0 1.5 0.0 0.1 18.8 14.7 0.0 0.0 3.6 4.0 -0.1 0.0 24.3 20.3 Fuss/Zehen 2.0 1.5 0.0 0.1 2.8 2.0 0.2 0.2 8.0 5.1 -0.1 0.0 12.9 8.9 Untere Extremitäten (nnb) 0.0 0.0 0.0 0.0 11.8 12.4 0.3 0.4 0.5 0.4 1.8 2.3 14.4 15.5 Sonstige Total 2.7 8.0 3.1 7.7 0.1 4.7 0.9 6.3 5.5 50.3 8.3 47.9 2.9 3.4 3.9 4.7 9.7 27.9 12.2 28.2 3.8 5.7 2.4 5.1 24.7 30.8 100.0 100.0 Tabelle 69 Verletzte im Fussball nach Verletzungsschwere, Geschlecht und Alter, Ø 2003–2007 1 4 127 10 136 317 29 26 1 27 923 51 975 1 852 88 Senioren Total 0 29 2 0 31 0 1 050 61 0 1 111 1 2 168 117 Total 1 48 1 49 49 2 286 46 580 3 088 49 667 49 829 1 50 3 268 53 097 Total 844 10 374 2 423 4 2673 804 Weiblich 9 530 9 083 1 940 37 449 Weiblich 9 887 2 283 39 731 40 250 346 Männlich Leichtverletzte Männlich 3 Erwachsene Total Weiblich Männlich Total Weiblich Total Weiblich Mittelschwerverletzte Total Kinder Schwerverletzte Männlich Invalide Männlich Altersklasse 1 Verletzungsschwere: – Leichtverletzte: kein Spitalaufenthalt – Mittelschwerverletzte: Spitalaufenthalt von 1 bis 6 Tagen – Schwerverletzte: Spitalaufenthalt von 7 oder mehr Tagen – Invalidität: Dauerhaft teil- oder vollinvalid, Definition gemäss Art. 8 ATSG Quelle: bfu, Spezialauswertung; SSUV, UVG-Statistik bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 261 2.5 Befund/Diagnose kus) diagnostiziert. Vielfach sind auch Kombinationen wie beispielsweise eine Ruptur des VKB und Die Auswertung der Befunderhebung bzw. Diag- des medialen Seitenbands anzutreffen. Im ungüns- nosestellung der unteren Extremitäten ergibt, dass tigen Fall (0,1 %) kann es zur sogenannten «Un- beim Fussball am häufigsten Rupturen oder happy Triad» kommen, einer Kombination aus Dehnungen des Kapsel-Band-Apparats des oberen einem Riss des VKB, des medialen Kollateralbands Sprunggelenks sowie einer medialen Meniskusläsion. Markante (OSG) zu verzeichnen sind geschlechtsspezifische Unterschiede sind nicht zu (Abbildung 35) [55,310, S. 664]. verzeichnen. Auch Verletzungen am Kapsel-Band-Apparat des Kniegelenks stellen einen fussballspezifischen Be- Aufgrund der UVG-Daten müssen auch Kontusi- fund dar. Neben den Kreuzbändern, insbesondere onen zu den häufigsten fussballspezifischen Diag- dem vorderen Kreuzband (VKB), und den Seiten- nosen gezählt werden. Diese manifestieren sich bändern (primär mediales Seitenband) werden sowohl am Knie sowie im Fuss-/Zehenbereich als häufig Meniskusläsionen (primär medialer Menis- auch am Unterschenkel/Knöchel. Abbildung 35 Häufigste Verletzungsdiagnosen im Fussball, Erwachsene, Ø 2003–2007 2.6 Verletzungsursache, Unfallort und Setting Aufgrund des direkten Gegnerkontakts kommt es beim Kreuzbänder – Ruptur / Dehnung 4.1 % Fussball relativ häufig zu Kollisionen (Abbildung 36). Etwa gleich häufig wird der Selbstunfall – also ohne Fremdeinwirkung – registriert. Seitenbänder – Ruptur / Dehnung 3.3 % Als typische Beispiele von Selbstunfällen können die «biomechanisch ungünstige» Landung nach Menisken – Ruptur / Dehung 5.0 % einem Kopfball oder eine zu starke Friktion zwischen Stollensystem des Fussballschuhs und dem Knie – Kontusion Ruptur / Dehnung 5.1 % Spielboden bei dynamischen Drehbewegungen angeführt werden. Abbildung 37 illustriert deutlich, dass sich mit 84 % die Mehrheit der fussballUnterschenkel / Knöchel – Kontusion 4.5 % spezifischen Verletzungen auf dem Sportplatz ereignet. Dennoch ist der Verletzungsanteil von 12 % der in der Turnhalle vorgefallenen Unfälle, OSG Kapsel-BandApparat 15.8 % Quelle: bfu, Spezialauswertung; SSUV, UVG-Statistik 262 Fussball (Autor: Frank I. Michel) Fuss / Zehen – Kontusion 5.8 % nicht zu unterschätzen. Fuss / Zehen – Fraktur 1.7 % Die Analyse des Unfallumstands bzw. des Settings Fuss / Zehen/USG Ruptur / Drehung 2.3 % rend des Wettkampfbetriebs passieren (Abbildung zeigt, dass fast die Hälfte aller Verletzungen wäh38). Somit sollte dieses Setting nachhaltige Berück- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 sichtigung hinsichtlich geeigneter Präventions- 2.7 Verletzungsmechanismus massnahmen finden. Aufgrund der vielfältigen Verletzungsmuster (Lokalität und Art) im Fussball und einer damit Abbildung 36 Verletzte im Fussball nach Unfalltyp, Ø 2003–2007 verbundenen Komplexität der Verletzungsmechanismen sollen sich diese Ausführungen ausschliesslich auf den Verletzungsmechanismus der promi- Unbekannt 26% nentesten Diagnosestellung – Kapsel-Band-Apparats des OSG – beziehen. Hierzu führten Andersen Kollision 38% et al. [311] eine Videoanalyse von über 300 Spielen der norwegischen und isländischen Profiliga durch, wobei sie zwei typische fussballspezifische Verletzungsmechanismen als OSG-Verletzungen identifizieren konnten. Ein typischer Unfallmechanismus Selbstunfall 36% bei Verletzungen der lateralen Bandstrukturen besteht in einem von medial kommendem Kraft- Abbildung 37 Verletzte im Fussball nach Unfallort, Ø 2003–2007 einfluss durch Gegnerkontakt, der den Fuss des verletzten Spielers in eine supinative Stellung bringt (Abbildung 39). Andere / unbekannt 4% Dabei kann das Bein belastet oder unbelastet sein. Turnhalle 12% Giza et al. [312] konnten innerhalb ihrer Studie zu Sportplatz 84% Verletzungsmechanismen im Fussball feststellen, dass das Muster «belastet – verletzt» – im Vergleich zum Muster «unbelastet – verletzt» – zu signifikant längerem Pausieren führt. Im Gegensatz zu Andersen et al. [311] kamen Giza et al. [312] zum Schluss, dass es bei dem oben beschriebenen Abbildung 38 Verletzte im Fussball nach Unfallumstand, Ø 2003–2007 Verletzungsmechanismus häufiger zu einer Pronationsstellung des Fusses nach medialer Krafteinwir- Unbekannt oder n.n.bez. 30% Bei freier oder individueller Ausübung der Tätigkeit 9% Bei Ausübung unter Aufsicht, Training, Unterricht 15% Bei Wettbewerb, Konkurrenz, Wettkampf 46% Quelle: bfu, Spezialauswertung; SSUV, UVG-Statistik bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 kung des Gegners kommt. Deshalb favorisiert diese Forschergruppe den «medialen Aspekt» hinsichtlich Krafteinwirkung und der verletzten Bandstrukturen respektive Kontusionsmuster. Bei einem weiteren typischen Verletzungsmechanismus, der wahrscheinlich für die Entstehung des «Fussballerknöchels» (footballer's ankle) verantwortlich ist, kommt es zu einer ausgeprägten Fussball (Autor: Frank I. Michel) 263 Plantarflexion des Fusses. Dabei versucht der GegAbbildung 39 Typischer Unfallmechanismus für Fussballverletzungen der lateralen Bandstrukturen des OSG ner mit Hilfe seines Fusses, den verletzten Spieler vom Schuss abzuhalten bzw. die Situation zu klären [311]. Demzufolge wird der Fuss des verletzten Spielers aufgrund einer anterior gerichteten «Bremskraft» durch den Fuss des Gegenspielers plötzlich abgestoppt (Abbildung 40). Der Fussballerknöchel wird auch mit arthritischen Folgebeschwerden in Verbindung gebracht. 2.8 Epidemiologie im Kinder- und Jugendfussball Wie bereits erwähnt liegen für das Unfallgeschehen im Kinderfussballbereich für die Schweiz kaum statistische Angaben vor. Im Folgenden wird auf Studien in der wissenschaftlichen Literatur eingegangen. Giza und Micheli [313] kommen aufgrund einer Abbildung 40 Wahrscheinlicher Unfallmechanismus für die Entstehung eines «Fussballerknöchels» umfassenden Literaturanalyse zum Thema Kinderund Jugendfussball zum Schluss, dass Fussball ein relativ sicherer Sport mit einer Verletzungsinzidenz von 2,3 Verletzungen pro 1000 Trainingsstunden und 14,8 Verletzungen pro 1000 Wettkampfstunden ist. Kakavelakis et al. [314] kommen zu einem ähnlichen Schluss, wobei sie eine Verletzungsinzidenz von 4,0 Verletzungen pro 1000 Stunden Fussball spielen ermittelten. Vergleichsweise geben Dvorak et al. in ihren Literaturüberblick für erwachsene männliche Fussballspieler eine Inzidenz von 12 bis 35 Verletzungen pro 1000 Wettkampfstunden und 1,5 bis 7,6 Verletzungen pro 1000 Trainingsstunden an [315]. Ähnlich dem Erwachsenensport ereignet sich die Mehrheit der Verletzungen während des Spielbetriebs [313,316]. Ebenso wie im Erwachsenenfussball sind die unteren Extremitäten Quelle: Andersen et al. [310] 264 Fussball (Autor: Frank I. Michel) am häufigsten betroffen, hauptsächlich Knie und bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Sprunggelenk [313,316,317]. McGrath und [317], die Fussballverletzungen im Schulsport Ozanne-Smith [318] bestätigen dieses Verteilungs- analysierten, stehen Kontusionen (28,5 %) gefolgt muster. Jedoch ist im Vergleich zu den Erwachse- von Frakturen (22,5 %) an erster Stelle. Jedoch nen bei den Kindern und Jugendlichen eine Verän- differenziert derung zu tendenziell weniger Verletzungen der Bänderdehnungen bzw. -rupturen (22,5 %) und unteren Extremitäten (Kinder: 44 %, Erwachsene: Stauchungen (13,9 %). Werden Letztere – ähnlich 53 %) hin zu tendenziell mehr Verletzungen der der UVG-Statistik – zusammengefasst, rangieren die oberen Extremitäten (Kinder: 36 %, Erwachsene: Kontusionen wieder an zweiter Stelle. Unabhängig 15 %) zu beobachten [318]. Kopfverletzungen sind der Kategorisierung der Verletzungsarten kommen im Kinder- und Jugendfussball selten zu finden Henke et al. [309] und Knobloch et al. [317] zum [313], und falls doch, verletzen sich die jungen Schluss, dass Fussballverletzungen für einen wesent- Spieler eher durch einen Spieler-(Kopf-)Ball-Kontakt lichen Anteil der Schulsportverletzungen (in Deutsch- und weniger – wie bei Erwachsenen primär anzu- land) verantwortlich sind. Bei Verletzungen der treffen – durch Spieler-Spieler-Kontakt oder Spie- unteren Extremitäten dominieren die Verletzungs- ler-Boden-Kontakt. muster, die am häufigsten nach Kollisionen mit dem diese Forschungsgruppe zwischen Gegner oder dem Ball entstanden sind [317]. Hinsichtlich der Verletzungsart stellen im Gegensatz zum Erwachsenensport Kontusionen die häufigste Auch Henke und Kollegen [309] kommen bei der Verletzungsart dar [313]. Auch bei Knobloch et al. Auswertung ihrer Daten zum Kinderfussball (ohne Abbildung 41 Verletzte im Fussball nach Unfallhäufigkeit und -schwere, Kindern und Jugendliche, 1994 Schwere-Index Wassersport 42 8 7 6 5 Schlitteln Gymnastik Skifahren Snowboard 4 Reiten Eislaufen 3 Rollschuh-Leichtathletik laufen 2 Eishockey Turnen/Akrobatik Fussball Radfahren Andere Ballspiele 1 0 1000 Unfallhäufigkeit 5000 10 000 Quelle: Hubacher [227] bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 265 Zuordnung zu einem lokalen Setting) zum Schluss, zungsmuster in Bezug auf die unteren Extremitäten dass werden Folgende häufig aufgeführt [321–323]: Verletzungen am häufigsten in Zwei- kampfsituationen auftreten und dies meist als Folge Runner's Knee («Knorpelkrankheit der Knie- eines Zusammenpralls mit einem Gegen- oder scheibe») Mitspieler und eines unkontrollierten Sturzes, den Jumpers Knee (Entzündungsreaktion des Ur- Kinder häufig mit einem nach hinten ausgestreckten sprunges der Kniescheibensehne) Arm abzufangen versuchen. In diesem Zusammen- Chronische Instabilitäten am Kniegelenk hang fügen die Autoren hinzu, dass Kinder Osteochondrale und chondrale Läsionen heutzutage über weniger Bewegungserfahrung Stressfrakturen am Kniegelenk verfügen als früher. Sie sind der Auffassung, dass Stressfrakturen am Sprunggelenk die sich daraus ergebenden Defizite am deutlichsten Bandläsionen am oberen Sprunggelenk in Zweikampfsituationen bemerkbar machen. Achillessehnenläsionen Shin Splint (Schienbeinkantensyndrom) Um Aussagen in Bezug auf die Verletzungsschwere Funktionelles Logensyndrom formulieren zu können, hat Hubacher [227] mit Tibiastressfraktur verschiedenen statistischen Verfahren eine eigene Systematik zur Erfassung der Unfallschwere entwi- Nebst anderen Risikofaktoren nehmen pathologi- ckelt. Abbildung 41 beinhaltet die von Hubacher sche Bein- und Fussfehlstellungen (Achsenabwei- [227] kombinierte Darstellung aus Schwere-Index chungen) bei chronischen Verletzungsmustern eine (Ordinate) und Unfallhäufigkeit (Abszisse). Es ist zu besondere Rolle ein [323]. erkennen, dass Fussballverletzungen im Kindesund Jugendalter einen eher niedrigen Schwere- Da der Fokus des vorliegenden Berichts auf akuten Index zeigen und dieser vielmehr auf eine erhöhte Verletzungen liegt, werden fussballspezifische Sport- Anzahl von Leichtverletzten hinweist – ähnlich dem schäden nicht näher thematisiert. Akute Ver- Erwachsenensport. letzungsmuster können auch zu dauerhaften Folgeschäden wie beispielsweise Arthrose führen 2.9 Sportschäden und dauerhafte [324]. Insbesondere Arthrosen der Hüft- und Knie- Folgeschäden infolge Verletzungen gelenke sind relativ weit verbreitet. So wurde in einer Studie bei fast der Hälfte der ehemaligen Neben (akuten) Verletzungen kommt es im Fuss- Fussballprofis Hüftgelenksarthrosen diagnostiziert ballsport auch zu Sportschäden infolge repetitiver [315]. Hingegen ist die Prävalenz von Kniegelenks- Krafteinwirkung, die zu sogenannten Mikrotraumen arthrosen bei ehemaligen Profispielern mit 15 % führen. Ein Viertel bis ein Drittel aller fussballspezi- deutlich seltener, aber trotzdem nicht zu unter- fischen Verletzungen werden diesen Sportschäden schätzen [325]. In der gleichen Studie wurde aller- bzw. zugeordnet dings auch eine Prävalenz von 4 % für Fussball- [309,318–320]. Diese werden gemäss Versicherungs- spieler, die nicht im professionellen Spielbetrieb aktiv gesetz nicht als Unfallverletzung, sondern als Krank- waren, festgestellt [326]. Auch der in Kap. XI.2.7, heit eingeordnet und sind dementsprechend nicht in S. 263 beschriebene «Fussballerknöchel» nimmt in der Unfallstatistik enthalten. Als chronische Verlet- Bezug 266 chronischen Verletzungen Fussball (Autor: Frank I. Michel) auf permanente Folgeschäden eine bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 prominente Rolle ein [315,327]. Oiestad et al. [3] 2.10 Unfallkosten führten einen systematischen Literaturüberblick zum Thema «Gonarthrose nach Ruptur des vorderen Im bfu-Report 58 [6] sind detaillierte Angaben zu Kreuzbandes (VKB)» durch, wobei 2199 Arbeiten den Unfallkosten auch im Sport enthalten. Ausge- gesichtet worden sind. Die Inzidenz radiologischer hend von neuen Angaben zum Mengengerüst und Arthroseanzeichen lag für die Gruppe isolierter VKB- zu den Kostenfaktoren aktualisiert die bfu jährlich Rupturen bei 0 bis 13 % und für die Pati- diese Berechnungen. Basierend auf dem «Berech- entengruppe mit einhergehender Meniskusverlet- nungsansatz der materiellen Kosten» entstand im zung bei 21 bis 48 %. Die Forschergruppe kommt Jahr 2006 ein durch Fussball verursachter Kosten- zum Schluss, dass die Inzidenz radiologischer block von 240 Mio. CHF. Dies entspricht auf alle Arthroseanzeichen nach VKB-Ruptur bislang häufig Sportverletzungen bezogen, die im Jahr 2006 re- überschätzt wurde und in diesem Zusammenhang gistriert wurden, einem Anteil von 13,2 %. die kombinierte Meniskusverletzung den wichtigsten negativen Prognoseparameter darstellt. Abbildung 42 verdeutlicht, dass hinsichtlich der Verletzungsschwere fast die Hälfte der Kosten den Im Zusammenhang mit Kopfverletzungen und «leichten Verletzungen» zuzuordnen sind. Diese Gehirnerschütterungen wird auch eine permanente Verletzungen kognitive Beeinträchtigung diskutiert [315,328]. versorgt und benötigen keinen stationären Aufent- Eine aktuelle Studie, die den Zusammenhang zwi- halt im Spital. werden ausschliesslich ambulant schen Kopfbällen und neuro-kognitiver Leistungsfähigkeit bei 13- bis 18-Jährigen untersuchte, Im Kinder- und Jugendfussball entstehen (mate- kommt zur Schlussfolgerung, dass die Ergebnisse rielle) Unfallkosten von 23 Mio. CHF. Dies ent- keinen Zusammenhang bestätigen können [329]. spricht einem Anteil von 9,6 % in Bezug auf den «Gesamtkostenblock» Fussball. Werden die Kosten Ekstrand und Mitarbeiter kommen aufgrund der im Kinder- und Jugendfussball nach der Verlet- Ergebnisse ihrer aktuellen Studie (Anteil der Über- zungsschwere analysiert, dann ist ein ähnliches lastungsschäden beträgt 29 %) zu der Schlussfol- Verteilungsmuster wie bei den Kosten ohne Be- gerung, dass der Aspekt der Sportschäden, im rücksichtigung des Alterssegments zu registrieren. Fussball unterschätzt wird. Demzufolge fordert Ca. 12 Mio. CHF entfallen auf Leichtverletzte und diese Arbeitsgruppe künftig grundsätzlich eine je 4 Mio. CHF auf Mittelschwer- und Schwerver- intensivere Auseinandersetzung mit diesem Thema letzte. Die Kostenverteilung nach Geschlecht wird und insbesondere in Bezug auf den Fussball. im Kinder- und Jugendfussball nachhaltig vom männlichen Geschlecht dominiert (20 Mio. CHF). In der vorliegenden Unfallanalyse werden Sport- Dies ist insofern nicht überraschend, da deutlich schäden als Folge von nicht aktueller Überlastung, mehr Männer Fussball spielen und sich dabei ver- sondern wegen Abnützung oder Fehlbelastung letzten. sowie Folgeschäden von Verletzungen im Unfallgeschehen und damit bei den Unfallkosten auftrags- Die durchschnittlichen materiellen Kosten eines gemäss nicht berücksichtigt. verletzten erwachsenen Fussballspielers liegen mit bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 267 ca. 5000 CHF mehr als doppelt so hoch im Ver- letzungen» vorgenommen werden, wird im Fol- gleich zu denjenigen Kosten eines verletzten genden erläutert. jugendlichen Spielers (Abbildung 43). Es wird zwischen Mensch (das Individuum) bezo- 3. Risikoanalyse genen und Umfeld (die Exposition) bezogenen Risikofaktoren unterschieden. Dafür werden meis- Für Erläuterungen zum grundsätzlichen metho- tens die Begriffe intrinsische und extrinsische Risi- dischen Vorgehen in der Risikoanalyse sei auf das kofaktoren verwendet. Methodisch fordern Dvorak Kapitel IV, S. 101ff verwiesen. Welche Abweichun- und Junge [315], dass die Analyse der Risikofakto- gen im Untersuchungsgegenstand «Fussballver- ren für Training und Spiel getrennt erfolgt. Diese Forderung erscheint als sinnvoll, da die Verlet- Abbildung 42 Materielle Kosten von Verletzungen im Fussball nach Verletzungsschwere1, 2006 zungsinzidenz beim Wettkampf (z. B. Punktspiel) meist deutlich höher ist. Aufgrund der Übersichtlichkeit und einer eher fragmentarischen Datenlage insbesondere für den Kinder- und Jugendfussball Invalide 9% soll diese Differenzierung in den folgenden Ausführungen unberücksichtigt bleiben. Die in Tabelle 70, Schwerverletzte 23% Leichtverletzte 48% S. 270 aufgelisteten Risikofaktoren für Verletzungen beim Fussball basiert auf wissenschaftlichen (systematischen) Übersichtsarbeiten, die mindestens den Evidenzklassen I oder II entsprechen Mittelschwerverletzte Verletzungsschwere: 20% – Leichtverletzte: kein Spitalaufenthalt – Mittelschwerverletzte: Spitalaufenthalt von 1 bis 6 Tagen – Schwerverletzte: Spitalaufenthalt von 7 oder mehr Tagen – Invalidität: Dauerhaft teil- oder vollinvalid, Definition gemäss Art. 8 ATSG 1 [301,313,315,318,328,330–335,335,336]. Die unter «Risikofaktoren» aufgelisteten Begriffe sind als übergeordnete Risikoblöcke bzw. -bereiche zu verstehen und werden jeweils durch die unter «Spezifizierung» angeführten Items näher erläutert. Abbildung 43 Durchschnittliche materielle Kosten pro Verletzten im Fussball nach Alter (in CHF), 2006 Eine klare Zuordnung kann nicht immer gewährleistet werden, da auch die Literatur – abhängig vom Untersuchungsziel und -design – eine 6000 variierende Zuordnung vornimmt. Zudem bestehen 5074 5000 4508 Interdependenzen zwischen den einzelnen Risikoblöcken. Muskuläre Faktoren können beispiels- 4000 weise nicht abstrakt von konditionellen Faktoren 3000 getrennt werden. Aufgrund der Spezifizierung 2517 2186 basierend auf der Literatur und einer möglichen 2000 Relevanz für Präventionsmassnahmen sind diese 1000 manchmal dennoch separat angeführt. Wegen der 0 0–16 Jahre 17–64 Jahre 65+ Jahre Quelle: bfu, aktualisierte Berechnung 268 Fussball (Autor: Frank I. Michel) Ø Kosten Komplexität des Risikofaktorenprofils im Fussballbereich und des Übersichtscharakters der vorlie- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 genden Arbeit beschränkt sich Letztere auf eine tabellarische und somit nicht detaillierte Darstellung der Risikofaktoren beim Fussball (Tabelle 70). Die angeführten Risikofaktoren haben sowohl für den Erwachsenen- als auch für den Kinder- und Jugendbereich eine Bedeutung. In Kapitel XI.3.4, S. 277 wird auf die Risikofaktoren eingegangen, denen besondere Bedeutung im Kinder- und Jugendbereich zukommt. Leider verfügte keiner der analysierten Übersichtsartikel über eine Art Rangfolge, die die Wichtigkeit bzw. die Bedeutung der einzelnen Risikofaktoren (beispielsweise im Sinn einer Odds-Ratio-Berechnung) im tatsächlich registrierten Unfallgeschehen darstellt. Möglicherweise ist dieser Umstand auf die teilweise konträren Studienresultate zurückzu- führen. Dvorak et al. [337] kommen zum gleichen Schluss: «Review of the literature shows that information concerning risk factors for football injuries is incomplete and partly contradictory.» [337, S. 69]. Diese Differenzen sind nicht nur aufgrund des unterschiedlichen Untersuchungsdesigns, sondern auch mit der unterschiedlich ausgerichteten Zielstellung der einzelnen Studien zu erklären. Im Folgenden soll dennoch der Versuch unternommen werden, weitgehend abgesicherte Risikofaktoren zu identifizieren und auf konträre Resultate zu bestimmten Risikofaktoren hinzuweisen. Als «gesicherte» Erkenntnisse gelten im Folgenden Sachverhalte und daraus resultierende Schlussfolgerungen, die in den analysierten Übersichtsarbeiten übereinstimmend angeführt werden. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 269 Tabelle 70 Fussball: Beschreibung von Risikofaktoren, Erwachsene Individuumbezogene Risikofaktoren – Teil 1 Risikofaktor Spezifizierung Beschreibung Verletzungsgeschichte Vorverletzung Bereits bestehende bzw. ausgeheilte Verletzung erhöht das Risiko einer erneuten Verletzung Rehabilitation (RTP) Keine oder unangemessene Rehabilitation erhöht das Verletzungsrisiko Gelenksstabilität Kapsel-Band-Apparat Gelenksinstabilität erhöht das Verletzungsrisiko Achsenfehlstellungen/Anatomie Pathologische Achsendeviationen Hormonelle Aspekte (Frau) Phasen des Menstruationszyklus sowie weibliche Reife zeigen Einfluss auf Festigkeit des Kapsel-Band-Apparates und somit ROM (konträre Ergebnisse) Schnittstelle zu Kapsel-Band-Apparat und hormonelle Situation Bewegungsamplitude (Range of Motion ROM) Interkondyläre Weite der Notch Reduzierte Breite der Fossa intercondylaris femoris (Knochenvertiefung zwischen (Kreuzbandhöhle) den beiden Gelenkhöckern des distalen Oberschenkels) erhöht das Risiko für eine VKB-Ruptur (Schnittstelle «Gelenkstabilität») Fussmorphologie Fussdeformationen/Gewölbedeformationen Pathologische Fussmorphologie wie beispielsweise Senkfuss, Spreizfuss usw. erhöht das Verletzungsrisiko Muskuläre Faktoren Muskelkraft Mangelnde Muskelkraft Muskuläre Dysbalance Muskuläre Dysbalancen (muskuläres Ungleichgewicht) Muskelsteifigkeit/-spannung Zu hohe Muskelsteifigkeit/-spannung, zu geringe Flexibilität/Dehnbarkeit Schnittstelle «Koordinative und Konditionelle Faktoren» Koordinative Faktoren Gleichgewichtsfähigkeit Mangelnde Gleichgewichtsfähigkeit Reaktionsfähigkeit Reduzierte Reaktionsfähigkeit Rhythmusfähigkeit Mangelnde Rhythmusfähigkeit Räumliche Orientierungsfähigkeit Mangelnde räumliche Orientierungsfähigkeit Kinästhetische Differenzierungsfähigkeit Mangelnde kinästhetische Differenzierungsfähigkeit Schnittstelle «Konditionelle und Muskuläre Faktoren» Ausdauer Mangelnde Ausdauer Konditionelle Faktoren Kraft Mangelnde Kraft Schnelligkeit Mangelnde Schnelligkeit Beweglichkeit Mangelnde Beweglichkeit Schnittstelle «Koordinative und Muskuläre Faktoren» Psychische (Über-)Belastung Psychologische Z. B. Verlust des Stammplatzes, Vereinswechsel, Umzug, Sexuelle Probleme, Faktoren Kulturwechsel, Veränderung der Essgewohnheiten Negative Lebensereignisse Z. B. Partnerschaft (Trennung), Todesfälle in der Familie, Negatives Selbstbild Negatives Selbstbild Spielweise Spieler selbst Zu aggressive Spielweise Schnittstelle «Regelwerk/Fair Play» und «Wettkampf» (Ermüdung) Ernährung Immunstatus Mangelnder Immunstatus Vitamine, Mineralstoffe, Spuren Zu geringe Aufnahme von Vitamine, Mineralstoffe, Spuren Eisenmangel (Frauen) Zu geringer Eisenwert aufgrund zu geringer Aufnahme/Zufuhr von Eisen Flüssigkeitsaufnahme Mangelnde Flüssigkeitsaufnahme sowie falsche Flüssigkeitsaufnahme (z. B. Zeitpunkt der Aufnahme, Art der Flüssigkeit) Schnittstelle «Alkohol / Drogen» Alter Sowohl junge als auch ältere Fussballspieler werden in der Literatur mit einem höheren Verletzungsrisiko in Verbindung gebracht, jedoch konträre Datenlage Geschlecht Betrifft generell erhöhtes Verletzungsrisiko Schnittstelle «Gelenkstabilität», «Anthropometrische Faktoren», «Muskuläre für weibliche Spieler Faktoren», «Koordinative Faktoren», «Konditionelle Faktoren» Hormonelle Aspekte Hormonschwankungen abhängig vom Menstruationszyklus und Kontrazeption (im Zusammenhang mit Bänderverletzungen - insbesondere VKB zu sehen) Menstruationszyklus Konträre Ergebnisse (z. B. erhöhtes Risiko vor Menstruation oder während der Ovulation) Beindominanz Dominantes Bein Spielbein/Schussbein/Führungsbein 270 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 70 – Fortsetzung Fussball: Beschreibung von Risikofaktoren, Erwachsene Individuumbezogene Risikofaktoren – Teil 2 Spezifizierung Beschreibung Betrifft generell: Defizite/Missverhältnisse bzw. anatomische «Fehlbildungen» Konträre Ergebnisse • Hebelarme Konträre Ergebnisse • Körpergrösse Konträre Ergebnisse • Körpergewicht (z. B. BMI) Konträre Ergebnisse • Muskelmasse Interkondyläre Weite der Notch (Kreuzbandhöhle) Reduzierte Breite der Fossa intercondylaris femoris erhöht das Risiko für eine VKB-Ruptur (Schnittstelle «Gelenkstabilität») Schnittstelle zu «Physiologischer Reife», «Trainingsgestaltung»,« muskuläre, koordinative, konditionelle Faktoren» Physiologische Reife Schnittstelle zu «Anthropometrischen Faktoren», Diskrepanz zwischen biologischen und kalendarischen Alter «Trainingsgestaltung», «Wettkampf», «Muskuläre, koordinative, konditionelle Faktoren» Gesundheitszustand Generell Schnittstellen übergreifend: Unzureichender/schlechter Gesundheitszustand, Krankheit, generelle Defizite, die sich leistungsreduzierend auswirken und keine volle Belastbarkeit erlauben • Physiologischer Status • Internistisch-kardiologischer Status • Orthopädischer/anatomischer Status • Psychologischer Status • Anthropometrischer Status • Zahngesundheit • Ernährung Alkohol und Drogen Rauchen / Alkohol / Drogen / Suchtmittel / Konsumierung von Alkohol / Drogen sowie Rauchen generell Medikamente (z. B. Schmerzmittel) Expositionsbezogene Risikofaktoren – Teil 1 Risikofaktor Spezifizierung Beschreibung Wettkampf Punktspiel, kompetitive Trainings- und Wettkampf sowie Spielformen mit Wettkampfcharakter erhöhen das Übungsformen Verletzungsrisiko Erhöhtes Aggressionspotenzial Schnellere und grössere globale sowie lokale Ermüdungserscheinungen Schnittstelle zu «Aggressive Spielweise» (mensch- und umfeldsbezogene Gliederung der Risikofaktoren) Trainingsspiel Untergrund/Spielboden Spielfeld, Spielböden mit zu hohen oder zu geringen Friktionseigenschaften erhöhen das Verletzungsrisiko Spielboden und Spielfeldumgebung Zu harte Spielböden erhöhen das Verletzungsrisiko Zu trockene oder zu feuchte Spielböden erhöhen das Verletzungsrisiko (Friktionseigenschaften) Untergrund/Spielboden immer mit Interaktion Schuh zu sehen Kunstrasen erhöht gegenüber Naturrasen die Verletzungshäufigkeit von Sprunggelenksverletzungen Stetiger Wechsel zwischen Naturrasen und Kunstrasen erhöht die Verletzungshäufigkeit Spielfeld Zu grosses oder zu kleines Spielfeldmasse im Kinder- und Jugendbereich, Schulsport, Freizeit Torpfosten Verletzungsrisiko aufgrund harter Materialoberfläche (Kollisionsgefahr) Bandenreklame Verletzungsrisiko aufgrund harter und/oder scharfkantiger Materialoberflächen (Kollisionsgefahr) Mobile Tore Mangelnde Arretierung der Tore (Umsturzgefahr) Einfluss auf Spielboden und Spieler Wetter und Kälte, Wärme, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck, Wetterwechsel klimatische Bedingungen In Bezug auf den Spieler Ermüdungserscheinungen aufgrund von Dehydrierung oder Kälteeinfluss In Bezug auf den Spielboden Schnittstelle «Spielfeld/Spielboden/Spielfeldumgebung») Regelwerk/Fairplay Umsetzung des bestehenden Regelwerks Keine stringente Umsetzung des Regelwerks erhöht das Risiko Unangepasstes Regelwerk Unangemessenes Regelwerk hinsichtlich Verletzungsprävention Schnittstelle «Aggressive Spielweise» Spielerposition Unspezifisch, konträre Ergebnisse Risikofaktor Anthropometrische Faktoren bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 271 Tabelle 70 – Fortsetzung Fussball: Beschreibung von Risikofaktoren, Erwachsene Exposition bezogene Risikofaktoren – Teil 2 Spezifizierung Beschreibung Fussballschuh/Schuhwerk Unangepasste Aussensohlen-/Stollenkonstruktion im Zusammenhang mit Friktionseigenschaften (Interaktion Spielboden) erhöhen das Verletzungsrisiko Durch harte und/oder scharfkantige Aussensohlen-/Stollenkonstruktion können Mit-/Gegenspieler verletzt werden Unfunktionelles Schuhwerk/Fussballschuh Nicht dem Setting (bezogen auf Lokalität) entsprechendes Schuhwerk/Fussballschuh (z. B. Halle versus Naturrasen) Falsche Passform (zu gross oder zu klein) insbesondere in Bezug auf Kinder/Jugend Schuh immer mit Interaktion Untergrund/Spielboden zu sehen Sprunggelenkorthese/Tape Fehlende Sprunggelenkorthese/Tape insbesondere nach Verletzung Kopfschutz Fehlender Kopfschutz Bekleidung/Textilien Unangemessene Bekleidung (in Bezug auf Thermoregulation und Ermüdungsaspekte) Schienbeinschützer Fehlender Schienbeinschützer Unfunktioneller Schienbeinschützer Falsche Passform (zu gross oder zu klein) Mundschutz Fehlender Mundschutz Augenschutz Fehlender Augenschutz Trainingsgestaltung Intensität, Umfang, Häufigkeit, Periodisierung, Nicht adäquate Trainingsbelastung bzw. Trainingssteuerung erhöht das Regeneration, Trainingsinhalte, Techniktraining Verletzungsrisiko Ermüdungserscheinungen/Konzentrationsprobleme/Superkompensation Schnittstelle «Muskuläre Faktoren», «Koordinative Faktoren», «Konditionelle Faktoren» Nichteinhaltung der Trainingsprinzipien erhöht das Verletzungsrisiko Kulturelle Faktoren Fastenmonat Ramadan (Ernährung) Ermüdungserscheinungen/Konzentrationsprobleme (Mangelernährung) Trainer Untersuchungsbedarf Fehlerhaftes Verhalten/negativer Einfluss (Untersuchungsbedarf) Schiedsrichter Untersuchungsbedarf Fehlerhaftes Verhalten/negativer Einfluss (Untersuchungsbedarf) Zuschauer Untersuchungsbedarf Fehlerhaftes Verhalten/negativer Einfluss (Untersuchungsbedarf) Spielgerät Ball Defizite von funktionellen Balleigenschaften Zu harte und/oder feuchte Bälle erhöhen das Verletzungsrisiko Ballgrössen, die nicht der jeweiligen Altersklasse entsprechen, erhöhen das Verletzungsrisiko Gegenspieler Zu aggressive Spielweise erhöht das Verletzungsrisiko Aggressive Spielweise Schnittstelle «Wettkampf», «Regelwerk/Fairplay» Spielniveau Spielklasse Niedriger Spielklassen zeigen höheres Verletzungsrisiko Erfahrung Mangelnde Erfahrung erhöht das Verletzungsrisiko Trainingsgestaltung Schnittstelle «Trainingsgestaltung» Spielbedeutung Entscheidende Phasen In spielentscheidenden Phasen erhöhtes Verletzungsrisiko Aggressive Phasen In aggressiven Phasen erhöhtes Verletzungsrisiko Mitspieler Verhalten und somit Spielweise des Mitspielers können das Verletzungsrisiko erhöhen Gegenspieler Verhalten und somit Spielweise des Gegenspielers können das Verletzungsrisiko erhöhen Foulspiel Sowohl Foulspiel an sich als auch darauf basierende Konsequenzen können Verletzungsrisiko erhöhen Schiedsrichter (fragwürdige/unverstandene) Entscheidungen des Schiedsrichters können Einfluss auf die Spielweise haben und können das Verletzungsrisiko erhöhen Schnittstelle «Regelwerk/Fairplay», «Schiedsrichter», «Wettkampf», «Aggressive Spielweise», «Psychologische Faktoren» Risikofaktor Spielerausrüstung 272 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.1 Individuumbezogene Risikofaktoren Ähnlich verhält es sich mit einer speziellen anatomischen Disposition des Kniegelenks, die als Risiko- Da der Risikofaktor «Verletzungsvorgeschichte» faktor für eine VKB-Ruptur analysiert wurde. Eine in verschieden systematischen Übersichtsarbeiten reduzierte Breite der Fossa intercondylaris femoris angeführt ist, kann dieser als gesichert angesehen (Knochenvertiefung, die sich zwischen den beiden werden. Liegt bereits eine Verletzung vor, so ist die Gelenkhöckern des distalen Oberschenkelknochens Wahrscheinlichkeit einer Folgeverletzung (gleiche befindet) führt zu einer höheren Verletzungswahr- Verletzungsart und -lokalität) um ein Vielfaches scheinlichkeit des VKB. Dieser Umstand kann dem höher. Im Zusammenhang mit einer nicht adäqua- Risikofaktor «Gelenkstabilität» zugeordnet wer- ten Rehabilitation steigt das Risiko einer wiederhol- den. Auch hier wird von verschiedenen Seiten For- ten Verletzung noch stärker an. schungsbedarf postuliert. Ferner kann der Risikofaktor «Geschlecht» als Die übrigen intrinsischen Risikofaktoren (das Indivi- gesichert angenommen werden. Frauen zeigen duum betreffende Risikofaktoren) sollen aufgrund gegenüber Männern ein höheres Verletzungsrisiko ihrer konträren Ergebnisse oder ungenügenden im Fussball, wobei die Verletzungslokalität sowie Erkenntnisse an dieser Stelle nicht explizit beschrie- die Verletzungsart zwischen Frau und Mann diver- ben werden. Dazu gehören: gieren. Es ist darauf hinzuweisen, dass sich das Auftreten einer pathologischen Fussmorpho- höhere Verletzungsrisiko der weiblichen Spielerin- logie nen auf die Inzidenz (Verletzungen pro Spiel- Defizite von psychologischen Faktoren stunde) bezieht und nicht auf die absolute Verlet- Aggressive Spielweise zungshäufigkeit. Hier zeigen Männer eine deutlich Unangemessener Energie- und Flüssigkeitshaus- höhere Verletzungshäufigkeit (Kap. XI.2.2, S. 259). halt (Ernährung) Alter (unspezifisch, konträr) Die Literatur deutet darauf hin, dass der Aspekt der Beindominanz (erhöhtes Verletzungsrisiko des Muskelsteifigkeit bzw. -spannung, die dem Risiko- «Spiel-/Schussbeines») faktor «Muskuläre Faktoren» zugeordnet sind, Anthropometrische Faktoren im Zusammenhang mit einem erhöhten Verlet- Defizite/Missverhältnisse hinsichtlich physiologi- zungsrisiko zu sehen ist. Je höher die Muskelstei- scher Reife (z. B. Missverhältnis zwischen kalenda- figkeit/-spannung, desto grösser das Verletzungs- rischem und biologischem Alter) risiko. In diesem Kontext werden auch Defizite bei Schlechter Gesundheitszustand den «koordinativen und konditionellen Fakto- Konsumierung von Alkohol und Drogen ren» als verletzungsfördernd angeführt. Jedoch existieren auch Studien, die nicht zu diesem Schluss Die nicht explizite Darstellung dieser Risikofaktoren kommen. Generell kann in diesem Zusammenhang bedeutet nicht, dass diese nach heutigem Stand nicht von einem abgesicherten Wissen im Sinn des Wissens eine untergeordnete Relevanz hin- eines sichtlich internationalen werden. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Konsensus ausgegangen fussballspezifischer Präventionsmass- nahmen besitzen. Fussball (Autor: Frank I. Michel) 273 3.2 Expositionsbezogene Risikofaktoren den Gegenspieler betreffen kann, ist dieser Risikofaktor sowohl intrinsischer als auch extrinsischer Bei den expositionsbezogenen, also den extrinsi- Natur. Eine «aggressive Spielweise» ist auch mit schen Risikofaktoren herrscht weitgehend Einigkeit der (strengen oder eher lockeren) Umsetzung des darüber, dass während einer «Wettkampfsitua- «Regelwerks» bzw. der «Fairplay»-Richtlinien zu tion» ein deutlich erhöhtes Verletzungsrisiko als im sehen [338]. Im Zusammenhang mit dem Regel- Training auftritt. werk spielt auch das Auswechseln der Spieler im Hinblick auf Ermüdungserscheinungen eine Rolle. Das Fussballspielen auf künstlichem Boden (Kunst- Sowohl lokale als auch globale Ermüdungserschei- rasen) im Vergleich zu Naturboden (z. B. Naturra- nungen besitzen einen direkten Einfluss auf die sen) führt nicht zwangsläufig zu einer generellen Entstehung von Verletzungen - insbesondere bei Erhöhung der Verletzungsinzidenz. Jedoch wird Matches. beim Spielen auf Kunstrasen (der dritten und vierten Generation) eine Zunahme von Sprunggelenks- Analog zu den nicht näher beschriebenen intrinsi- verletzungen festgestellt. Es wird darauf hingewie- schen Risikofaktoren sollen auch hier die übrigen sen, dass die Bodensteifigkeit respektive -härte extrinsischen Risikofaktoren aufgrund konträrer sowie Reibungskräfte (Gleit- und Haftreibung) im Studienresultate oder Wissenslücken nicht explizit Zusammenhang mit der (geeigneten und somit vorgestellt, sondern folgend nur aufgelistet werden: vorgesehenen) Stollen- bzw. Aussensohlenkon- Ungünstiges Wetter und klimatische Bedingun- struktion von Bedeutung sind. Zudem wird beim gen (z. B. Hitze, Kälte, Regen) Wechsel von Naturrasen auf Kunstrasen (und Unangemessener Zustand sowie Grösse des umgekehrt) ein Anstieg der Verletzungen beo- Spielgeräts (Defizite von funktionellen Ballei- bachtet. Daher sind die Risikofaktoren «Spieleraus- genschaften) rüstung» Spielerposition (unspezifisch, konträr) sowie «Spielfeld/Spielboden/Spiel- feldumgebung» für entsprechende Interventionen Negativer Einfluss kultureller Faktoren (z. B. zu berücksichtigen. Ramadan) Spielniveau (unspezifisch, konträr) Die Literatur deutet darauf hin, dass Spieler von Fehlerhaftes Verhalten des Schiedsrichters Mannschaften, die häufiger trainieren, seltener Fehlerhaftes Verhalten des Trainers verletzt sind. Des Weiteren verzeichnen Mann- Fehlerhaftes Verhalten des Publikums schaften, die eine überdurchschnittlich lange Vor- Kaderselektionskriterien bereitungsphase durchführten, während der Saison eine geringere Verletzungshäufigkeit. Dieser Aspekt ist den Risikofaktoren «Spielniveau» und «Trainingsgestaltung» zuzuordnen. Die Literatur belegt, dass eine «aggressive Spielweise» mit einer erhöhten Verletzungshäufigkeit einhergeht. Da dies den Spieler selbst, aber auch 274 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.3 Bedeutung der Risikofaktoren rend des Wettkampfs/Spielbetriebs) Regelwerk/Fairplay (Defizite bei Inhalt und Die Bedeutung der Risikofaktoren ist in Tabelle 71 Durchsetzung) dargestellt. Die Beurteilung basiert primär auf wis- Aggressive Spielweise von Gegenspielern senschaftlichen Übersichtsarbeiten (Kap. IV, S. 101) Spielerausrüstung: fehlendes/unangemessenes [301,313,315,318,328,330–335,335,336,339]. Schuhwerk/Fussballschuhe Spielerausrüstung: fehlende/unangemessene Zudem stehen sie in Bezug zu den Daten, die im Sprunggelenksorthese/Tape Schweizer Unfallgeschehen dargestellt wurden Spielerausrüstung – fehlender/unangemessener (Kap. XI.2, S. 258). Schienbeinschoner Spielfeld/Spielboden/Spielfeldumgebung Die Beurteilung der Bedeutung erfolgte analog zu den anderen vier Unfallschwerpunkten im Sport Die Unfallrelevanz bezüglich des Spielballs wurde (Berg-, der mit «gering» eingeschätzt. Jedoch besteht für die Strasse, Wassersport [Ertrinken]) aufgrund der Realisierung diesbezüglicher Präventionsmöglich- Unfallrelevanz, die im Methodenteil beschrieben keiten hinsichtlich «Effizienz» und «Umsetzbar- ist (Kap. IV, S. 101). keit» viel Potenzial. Aufgrund der guten Realisie- Schneesport, Radfahren abseits rungschancen wird der Risikofaktor «Spielball» Für die Erarbeitung der Präventionsmöglichkeiten (Spielgerät) für die Erarbeitung der Präventions- wurden ausschliesslich Risikofaktoren herangezo- möglichkeiten mit berücksichtigt. gen, deren Unfallrelevanz mit drei oder mehr «Saddies» ( ) eingeschätzt wurde. Dabei bezieht sich die Einschätzung auf die Verhältnisse und Rahmenbedingungen in der Schweiz. Grundsätzlich ist zu betonen, dass Risikofaktoren nicht isoliert voneinander stehen, sondern eine Wechselwirkung und somit eine gegenseitige Einflussnahme besteht. Zu den bedeutendsten fussballspezifischen Risikofaktoren für Erwachsene in Bezug auf das Schweizer Unfallgeschehen werden Folgende gezählt: Individuumbezogene (intrinsische) Risikofaktoren: Verletzungsvorgeschichte Defizite muskulärer Faktoren Defizite koordinativer Faktoren Defizite konditioneller Faktoren Expositionsbezogene (extrinsische) Risikofaktoren: Wettkampf (erhöhtes Verletzungsrisiko wäh- bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 275 Tabelle 71 Fussball: Bewertung von Risikofaktoren, Erwachsene Nr. EW.01 Menschbezogene Risikofaktoren Verletzungsgeschichte (wiederholte Verletzung) EW.02 Defizite von muskulären Faktoren EW.03 Defizite von koordinativen Faktoren EW.04 Defizite von konditionellen Faktoren EW.05 Geschlecht (erhöhtes Verletzungsrisiko bei weiblichen Spielerinnen) EW.06 Auftreten von Gelenkinstabilitäten EW.07 Auftreten einer pathologischen Fussmorphologie (z. B.: Gewölbedeformationen) EW.08 Defizite von psychologischen Faktoren EW.09 Defizite/Missverhältnisse von anthropometrischen Faktoren EW.10 Aggressive Spielweise (eigene) EW.11 Beindominanz (erhöhtes Verletzungsrisiko des «Spiel-/Schussbeines») EW.12 Schlechter Gesundheitszustand EW.13 Konsumierung von Alkohol und Drogen EW.14 Alter (unspezifisch, konträr) EW.15 Unangemessener Energie und Flüssigkeitshaushalt (Ernährung) EW.16 Auftreten von pathologischen Achsendeviationen Nr. EW.20 Umfeld-/ausrüstungsbezogene Risikofaktoren Wettkampf (erhöhtes Verletzungsrisiko während des Wettkampfes/Spielbetrieb) EW.21 Regelwerk/Fairplay (Defizite bei Inhalt und Durchsetzung) EW.22 Aggressive Spielweise (Gegner) EW.23 Spielerausrüstung: Fehlendes/unangemessenes Schuhwerk/Fussballschuh EW.24 Fehlende/unangemessene Sprunggelenksorthese/Tape EW.25 Spielerausrüstung: Fehlender/unangemessener Schienbeinschoner EW.26 Spielerausrüstung: Fehlender/unangemessener Kopf-, Zahn-, Augenschutz EW.27 Spielerausrüstung: Fehlende/unangemessene Bekleidung/Textilien EW.28 Spielfeld/Spielboden/Spielfeldumgebung (verschiedene Einflussfaktoren) EW.29 Ungünstiges Wetter und klimatische Bedingungen (z. B. Hitze, Kälte, Regen) EW.30 Unangemessener Zustand des Spielgerätes (Defizite von funktionellen Balleigenschaften) EW.31 Fehlerhafte Trainingsgestaltung EW.32 Spielniveau (unspezifisch, konträr) EW.33 Spielbedeutung (z. B. erhöhtes Verletzungsrisiko bei spielentscheidenden Phasen) EW.34 Spielerposition (unspezifisch, konträr) EW.35 Fehlerhaftes Verhalten des Schiedsrichter EW.36 Ungeschicktes psychologisches Verhalten des Trainers EW.37 Fehlerhaftes Verhalten des Publikums EW.38 Negativer Einfluss kultureller Faktoren (z. B. Ramadan) Skala Unfallrelevanz 276 Anteil der Verletzten (%) Anzahl Verletzte ≥ 21 > 10 000 10 – 20 ~10 000 6–9 ~5000 3–5 ~3000 ≤2 ~1000 Fussball (Autor: Frank I. Michel) Unfallrelevanz Unfallrelevanz bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 3.4 Risikofaktoren im Kinder- und potenzielle Jugendfussball schichte», «Wettkampf» sowie «Spielklasse» (Spiel- Risikofaktoren «Verletzungsvorge- niveau) fest. Bei der Letzteren war das VerletzGiza und Micheli [313] führen in ihrem Übersichts- ungsrisiko in der Altersgruppe unter 14 Jahren, die artikel zu Fussballverletzungen im Kinder- und in der höchsten Spielklasse spielten, am grössten. Jugendbereich die folgenden Risikofaktoren an: Aggressive (gefährliche) Spielweise Auch Kucera et al. [341] identifizierten die «Verlet- Die Datenbasis für diesen Risikofaktor basiert zungsvorgeschichte» als bedeutsamen Risikofaktor auf dem Erwachsenenbereich und hier insbe- im Kinder- und Jugendfussball. Eine Verletzung sondere auf dem Profisport. führt zu einem 2-fach höheren Risiko, dass das Alter gleiche Verletzungsmuster nochmals auftritt. Nahezu 59 % der jugendlichen Fussballspielerinnen (<16 Jahre), die in einer Seniorenmann- Eine weitere Studie von Emery und Meeuwisse schaft spielen, erleiden eine VKB-Ruptur. [342] beschäftigte sich mit der Eruierung von Geschlecht (weiblich) Risikofaktoren hinsichtlich des Vergleichs von Hier wird eine 3- bis 4-mal häufigere Verlet- Feldfussball versus Hallenfussball bei Jugendlichen. zungsrate des VKB angeführt Die Studienergebnisse zeigen, dass zwischen den Spielniveau/Spielklasse Bereichen Feld- und Hallenfussball kein signifikan- Spieler, die häufiger trainieren, zeigen ein höhe- ter Unterschied des Verletzungsrisikos in Bezug auf res «Fitnessniveau», welches sich verletzungs- die Altersgruppe und das Geschlecht erkennbar ist. protektiv auswirkt Physiologische Reife Rumpf und Cronin führen in ihrer kürzlich publi- Jungen, bei denen eine erhöhte Verletzungsin- zierten systematischen Übersichtsarbeit Faktoren zidenz registriert wurde, waren eher hochge- auf, die für Präventionsprogramme eine zentrale wachsen (>165 cm), jedoch weniger muskulös. Bedeutung haben sollten [343]: Daher scheint es, dass Jungen, die zwar eine Verletzungsinzidenzen steigen mit zunehmenden «skelettale Reife», aber muskuläre Defizite Alter an, insbesondere ab 14 Jahren (unabhängig aufweisen, im Vergleich zu Spielern des gleichen vom Reifestatus und Spielerfahrung) kalendarischen Alters verletzungsanfälliger sind. Untere Extremitäten, hauptsächlich Sprunggelenk und Knie sowie angrenzende Muskeln und In Bezug auf den Risikofaktor «Untergrund/ Bänder, sind die häufigsten Verletzungslo- Spielboden» (Spiel/Spielfeld) konnten Steffen et al. kalisationen (ca. 80 %) [340] für Kunstrasen, im Vergleich zu Naturrasen, Schwere Verletzungen wurden häufiger bei leis- kein erhöhtes Risiko bei jungen Fussballspielerinnen tungsschwächeren Spielern beobachtet (Ø 15,4 Jahre alt) nachweisen. Schlechte Spielfeldbedingungen erhöhen das Verletzungsrisiko Emery et al. [316] stellten innerhalb einer deskripti- Höhere ven epidemiologischen Studie bei jugendlichen Spielerinnen Fussballspielerinnen und -spielern (12–18 Jahre) als Hallenfussball ist risikoreicher als Fussball im Freien bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Verletzungsinzidenz bei weiblichen Fussball (Autor: Frank I. Michel) 277 Die Autoren heben hervor, dass nur wenige Arbei- Teilnehmern als die wichtigsten erachtet: ten zur Beziehung «Reifestatus und Verletzungs- Mangelnde konditionelle Faktoren risiko» existieren [343], was sich besonders ab dem Mangelnde koordinative Fähigkeiten 14. Lebensjahr manifestiert. In diesem Alter fallen Mangelnde muskuläre Faktoren das maximale Längenwachstum (PHV – peak Verletzungsvorgeschichte height velocity) und die Pubertätsphase der Jungen Ungenügende Gelenkstabilität zusammen. Deshalb empfehlen Rumpf und Cronin Ungenügende, falsche oder fehlende Schutz- als optimalen Start für Interventionen bzw. ein ausrüstung Präventionsprogramm den Zeitraum vor Einsetzen Wettkampf/Spiel des maximalen Längenwachstums [343]. Trainingsbetrieb (Belastungsdauer / Trainingsgestaltung) 3.4.1 bfu-Workshop zum Kinder- und Jugendfussball Unangemessene Regeln Ungenügend ausgeprägter Fairplay-Gedanke Aggressive Spielweise Die bfu hat ein Gremium eingeladen, um die zu- Nicht optimal gestaltetes Spielfeld sammengetragenen Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur mit Fachleuten diskutieren zu Die Tabelle 82 mit einer detaillierten Auflistung können. Mit den Experten aus unterschiedlichen aller durch die Teilnehmer bewerteten Risikofakto- Kompetenzbereichen des Schweizer Fussballsports ren (bfu-Workshop, Bedeutung der Risikofaktoren wurde die Bedeutung der Risikofaktoren analysiert für den Kinder- und Jugendfussball; Anzahl der sowie Präventionsmöglichkeiten respektive -mass- Nennungen [K = Kinder, J = Jugendliche]) befindet nahmen im Bereich Kinder- und Jugendfussball sich im Anhang, Kap. XIII, S. 311. formuliert und bewertet. Dieser Workshop fand im Februar 2010 in Bern mit Repräsentanten der folgenden acht Einrichtungen statt: 3.4.2 Bedeutung der Risikofaktoren im Kinder- und Jugendfussball Jugend+Sport, Fachleiter Fussball Jugend+Sport, Kids Fussball Tabelle 72 enthält die Ergebnisse zur Bedeutung Swiss Football League der Risikofaktoren, die sowohl auf den Informatio- Schweizer Fussballverband (SFV) nen aus der Literatur als auch auf den Erkenntnis- Suva, Kampagnenleiter Fussball sen des bfu-Workshops beruhen. Als Arbeitsbasis Praxisklinik Rennbahn AG, Leiter Biomechanik diente die Auflistung der Risikofaktoren, die den bfu, Leiter Beratung Sport Erwachsenenfussball betreffen. Aufgrund der Ge- bfu, Team Forschung Sport gebenheiten im Kinder- und Jugendfussball mussten einige Punkte herausgenommen, andere hin- Das Fachgremium stufte die Bedeutung potenziel- zugefügt ler Risikofaktoren mit einer 3-stufigen Skala (hoch wurde innerhalb des bfu-Workshops hervorgeho- – mittel – tief) ein, wobei nicht zwangsläufig jeder ben, dass es sinnvoll erscheint, bei diversen Fakto- Punkt durch den Experten beurteilt werden musste. ren eine weitere altersspezifische Unterscheidung Die folgenden Risikofaktoren wurden von den hinsichtlich der Bedeutung für Kinder in Abgrenz- 278 Fussball (Autor: Frank I. Michel) werden. In diesem Zusammenhang bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 ung zu Jugendlichen vorzunehmen. Insbesondere Jugendfussball nach der gleichen Methode auf- in Bezug auf eine mögliche Umsetzung von Präven- gelistet: tionsmassnahmen erscheint diese zusätzliche Unterscheidung sinnvoll. Basierend auf den Ergebnis- Intrinsische Risikofaktoren: sen des bfu-Workshops könnte dies für folgende Verletzungsvorgeschichte (wiederholte Verlet- Risikofaktoren (≥ 2 Nennungen) sinnvoll erscheinen zung) (Tabelle 76, S. 293): Defizite von muskulären Faktoren Gelenkstabilität Defizite von koordinativen Faktoren Fussmorphologie Defizite von konditionellen Faktoren Muskuläre Faktoren Defizite/Missverhältnisse Koordinative Faktoren rischen Faktoren Spielerausrüstung (Fussballschuh) Defizite/Missverhältnisse hinsichtlich physiologi- Trainingsgestaltung scher Reife (z. B. Missverhältnis zwischen kalen- von anthropomet- darischem und biologischem Alter) Zudem spielt das Setting – insbesondere hinsichtlich der Lokalität – im Kinder- und Jugendfussball eine Extrinsische Risikofaktoren: wichtige Rolle. Die starke Variabilität der örtlichen Wettkampf (erhöhtes Verletzungsrisiko wäh- Situation wie beispielsweise Sportplatz versus Sport- rend des Wettkampfs/Spielbetriebs) halle versus polysportive Schulsportanlage übt einen Spiel/Spielfeld/Spielfeldumgebung (verschiedene Einfluss auf das Risikofaktorenprofil und somit auch Einflussfaktoren) auf mögliche Präventionsmassnahmen aus. Regelwerk/Fairplay Play (Defizite bei Inhalt und Durchsetzung) Wenn die Risikofaktoren mit der höchsten Bedeu- Spielerausrüstung tung im Erwachsenensport (Tabelle 71, S. 276) mit werk/Fussballschuhe) denjenigen im Kinder- und Jugendsport verglichen Spielerausrüstung: werden, dann ist eine annähernde Deckungs- Schienbeinschoner gleichheit auffällig (Tabelle 72). Der anthropomet- Aggressive Spielweise (Gegner) (unangemessenes Schuh- fehlender/unangemessener rische Aspekt, insbesondere hinsichtlich der physiologischen Reife, spielt im Kinder- und Jugendfuss- Für den Spielball gelten die gleichen Überlegungen, ball eine spezielle Rolle. Wachstumsbedingte Ab- wie sie bereits im Zusammenhang mit dem Risiko- weichungen zwischen kalendarischem und biologi- faktorenprofil für Erwachsene formuliert wurden schem Alter besitzen direkten Einfluss auf die koor- (Kap. XI.3.3, S. 275). Bei Kindern können die dinativen und konditionellen Faktoren und somit Ballparameter wie beispielsweise Ballgrösse, Ball- auch auf muskuläre Voraussetzungen und umge- gewicht oder Luftdruck einen noch grösseren kehrt. Einfluss auf das Entstehen einer Verletzung ausüben. Analog zur Bedeutung der Risikofaktoren im Erwachsenenbereich sind im Folgenden die bedeutendsten Risikofaktoren für den Kinder- und bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 279 Tabelle 72 Fussball: Bewertung von Risikofaktoren, Kinder und Jugendliche Nr. KJ.01 Menschbezogene Risikofaktoren Verletzungsgeschichte (wiederholte Verletzung) KJ.02 Defizite von muskulären Faktoren KJ.03 Defizite von koordinativen Faktoren KJ.04 Defizite von konditionellen Faktoren KJ.05 Geschlecht (erhöhtes Verletzungsrisiko bei weiblichen Spielerinnen) KJ.06 Auftreten von Gelenkinstabilität KJ.07 Auftreten einer pathologischen Fussmorphologie (z. B.: Gewölbedeformationen) KJ.08 Defizite von psychologischen Faktoren KJ.09 Defizite/Missverhältnisse von anthropometrischen Faktoren KJ.10 Aggressive Spielweise (eigene) KJ.11 Beindominanz (erhöhtes Verletzungsrisiko des «Spiel-/Schussbeines») KJ.12 Schlechter Gesundheitszustand KJ.13 Konsumierung von Alkohol und Drogen KJ.14 Alter (z. B. Trainings- und Spieleinsatz in älteren Altersklassen) KJ.15 Unangemessener Energie und Flüssigkeitshaushalt (Ernährung) KJ.16 Defizite/Missverhältnisse hinsichtlich physiologischer Reife (z. B. Missverhältnis zwischen kalendarischem und biologischem Alter) Umfeld-/ausrüstungsbezogene Risikofaktoren Wettkampf/Spiel/Trainingsbetrieb (erhöhtes Verletzungsrisiko während des Wettkampfes/Spielbetrieb sowie kompetitiver Übungs- und Trainingsformen Nr. KJ.20 KJ.21 Regelwerk/Fair Play (Defizite bei Inhalt und Durchsetzung) KJ.22 Aggressive Spielweise (Gegner) KJ.23 Spielerausrüstung: Fehlendes/unangemessenes Schuhwerk/Fussballschuh KJ.24 Fehlende/unangemessene Sprunggelenksorthese/Tape KJ.25 Spielerausrüstung: Fehlender/unangemessener Schienbeinschoner KJ.26 Spielerausrüstung: Fehlender/unangemessener Kopfschutz KJ.27 Spielerausrüstung: Fehlende/unangemessene Bekleidung/Textilien KJ.28 Spiel/Spielfeld/Spielfeldumgebung (verschiedene Einflussfaktoren) KJ.29 Ungünstiges Wetter und klimatische Bedingungen (z. B. Hitze, Kälte, Regen) KJ.30 Unangemessener Zustand sowie Grösse des Spielgerätes (Defizite von funktionellen Balleigenschaften) KJ.31 Fehlerhafte Trainingsgestaltung KJ.32 Spielniveau/Spielklasse (unspezifisch, konträr) KJ.33 Spielbedeutung (z. B. erhöhtes Verletzungsrisiko bei spielentscheidenden Phasen) KJ.34 Spielerposition (unspezifisch, konträr) KJ.35 Fehlerhaftes Verhalten des Schiedsrichter KJ.36 Ungeschicktes psychologisches Verhalten des Trainers KJ.37 Fehlerhaftes Verhalten des Publikums KJ.38 Negativer Einfluss kultureller Faktoren (z. B. Ramadan) KJ.39 Kaderselektionskriterien Skala Unfallrelevanz 280 Unfallrelevanz Unfallrelevanz Anteil der Verletzten (%) ≥ 21 Anzahl Verletzte (0–16 Jahre) > 2000 10 – 20 ~2000 6–9 ~1800 3–5 ~500 ≤2 ~200 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4. Interventionsanalyse Sprunggelenksverletzungen) bzw. einen «Präventionsblock (z. B. Aufwärmen)» fokussiert sein, der Bei der Auflistung von potenziellen Präventions- auch massnahmen in einer «langen Liste» hat man sich tegien bzw. Präventionsmöglichkeiten beinhaltet an der Bedeutung der Risikofaktoren orientiert [301,332,335,336,339,360–367], (Tabelle 71, S. 276). Ausgehend von den bedeu- einen klaren Bezug zu fussballspezifischen Verlet- tendsten zungsmustern besitzen. Risikofaktoren (mindestens drei sportartenübergreifende Präventionsstrawobei diese «Saddies») wird das Präventionsziel formuliert (Tabelle 73). Das Präventionsziel lässt sich wieder- Zudem muss darauf hingewiesen werden, dass um mittels verschiedener Präventionsmöglichkeiten Interdependenzen zwischen den einzelnen Präven- erreichen. tionsmöglichkeiten bestehen. Insbesondere in Bezug auf die Präventionsmöglichkeiten, die im Zu- Die Beurteilung bzw. die Einschätzung der ange- sammenhang mit dem Risikofaktor «Wett- führten Präventionsmöglichkeiten basiert primär kampf/Spiel/Spielbetrieb» stehen, werden solche auf Angaben aus der wissenschaftlichen Literatur. «Überschneidungen» registriert. Um hier eine Ver- Zudem wurden die potenziellen Massnahmen letzungsreduktion zu erzielen, müssen separat durch Präventionsfachleute der bfu hinsichtlich angeführte Präventionsmöglichkeiten, wie bei- Wirksamkeit, Effizienz und Umsetzbarkeit diskutiert spielsweise eine strikte Durchsetzung bzw. Umset- und beurteilt. Hier kam analog zu den anderen zung des Regelwerks oder die Optimierung der Schwerpunktsportarten eine 4-stufige Skala von konditionellen Faktoren, berücksichtigt werden. «nicht empfehlenswert» bis «sehr empfehlenswert» zum Einsatz. Aus diesem Bewertungsprozess Die Legende zu Tabelle 73 befindet sich auf der resultiert schliesslich eine «kurze Liste» mit «sehr Seite 284. empfehlenswerten Präventionsmassnahmen», die mutmasslich einen substanziellen Beitrag zur Reduktion von Verletzungen im Schweizer Fussball leisten könnten. 4.1 Potenzielle Präventionsmöglichkeiten: lange Liste Die im Folgenden aufgelisteten Präventionsmöglichkeiten (Tabelle 73) basieren primär auf systematischen Übersichtsartikeln zu fussballspezifischen Präventionsstrategien. Dabei können diese Arbeiten generell auf Präventionsmassnahmen fussballspezifische ausgerichtet sein [318,319,330,333,344–359] oder aber auch speziell auf ein Verletzungsmuster (z. B. VKB-Ruptur, bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 281 Tabelle 73 Fussball: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten, Erwachsene EW.03 Optimierung der koordinativen Faktoren EW.04 Optimierung der konditionellen Faktoren EW.05 Reduzierung der Verletzungsanfälligkeit von weiblichen Spielerinnen EW.20 Reduzierung von Verletzungen während Wettkämpfen bzw. Situationen mit Wettkampfcharakter 282 Fussball (Autor: Frank I. Michel) Prädikat EW.02 Optimierung der muskulären Faktoren Vollständige Rehabilitation des Athleten Sukzessiver Einstieg in den Trainings- und Spielbetrieb Sensibilisierung/Aufklärung durch Information z. B. Kampagne, Informationsbroschüre für Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst Langfristige Anpassung der Trainingsinhalte u. a. durch Techniktraining bzw. Anpassung der Technik Periodische sportärztlich Untersuchungen Berücksichtigung in der Trainingsgestaltung u. a. durch Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «Die 11+» in das Training Plyometrisches Training Training verschiedener Kraftformen (z. B. Maximalkraft, Reaktionskraft, Schnellkraft, Kraftausdauer) Muskuläre Dysbalancen ausgleichen (Bsp. VKB: Hamstring versus Quadrizps) Optimierung der Rumpfmuskulatur (Torso/Core) sowie der Hals- und Nackenmuskulatur Trainingsprogramme, die auf sensomotorischen Trainingsformen aufgebaut sind (syn. Propriorezeptives oder neuromuskuläres Training) Berücksichtigung in der Trainingsgestaltung u. a. durch Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «Die 11+» in das Training Trainingsprogramme mit Ankle disc Berücksichtigung in der Trainingsgestaltung u. a. durch Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «Die 11+» in das Training Krafttraining Ausdauertraining Integration von speziellen Trainingsprogrammen, die darauf ausgerichtet sind Bänder-, Sehnen- sowie Muskelverletzungen zu minimieren (Training der muskulären, konditionellen und koordinativen Faktoren) Sensibilisierung/Aufklärung durch Information z. B. Kampagne, Informationsbroschüre für Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst Modifikation der Spielerausrüstungen (Funktionelle Gradierung) Tragen von Orthesen/Bandagen/Tape aus Gründen der Verletzungsprävention Fussballspezifische Vorsorgeuntersuchung im Sinn einer KLD Modifikationen des Spielballs (Funktionelle Gradierung) Vergleich EW.21, insbesondere «Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes» Optimierung konditioneller, muskulärer und koordinativer Faktoren hinsichtlich Ermüdung Spielerwechsel im Hinblick auf Ermüdungserscheinungen Adäquate Saisonvorbereitung Bewertung Umsetzbarkeit EW.01 Vermeiden einer wiederholten Verletzung Präventionsmöglichkeit Effizienz Präventionsziel Wirksamkeit Nr. + + ± + + - + + + 1 1 2 - ± - 3 ± + + + 3 1 + + ± ± ± ± 2 2 ± + ± ± ± ± 2 2 + + ± 1 + + + 1 + + + + ± + 2 1 ± ± + ± ± ± ± ± + 3 3 1 ± ± ± 2 ± + + ± + ± ± ± + ± ± + 2 2 3 3 1 ± ± ± 2 ± ± + ± ± - 2 3 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 73 – Fortsetzung Fussball: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten, Erwachsene Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes Modifikation von Regeln im Trainingsbetrieb in Bezug auf pädagogische Aspekte Sensibilisierung/Aufklärung durch Information z. B. Kampagne, Informationsbroschüre für Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst, Aufklärung über die Gefährlichkeit von Foul-Spielen) Anpassung des Regelwerks hinsichtlich verletzungsprotektiver Aspekte Sanktionen der Trainer bzw. Funktionäre gegen Spieler oder gesamte Mannschaft (Einzel- oder Gruppensanktionen) EW.22 Unterbindung einer Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes aggressiven Spielweise, die Modifikation von Regeln im Trainingsprinzip in Bezug auf pädagogische verletzungsgefährdend sein Aspekte kann Sensibilisierung/Aufklärung durch Information z. B. durch Kampagne, Informationsbroschüre für Funktionäre, Betreuer, Trainer, Schiedsrichter sowie Spieler selbst (Aufklärung über die Gefährlichkeit von Foul-Spielen) Anpassung des Regelwerks hinsichtlich verletzungsprotektiver Aspekte Sanktionen der Trainer bzw. Funktionäre gegen Spieler oder gesamte Mannschaft (Einzel- oder Gruppensanktionen) EW.23 Optimierung der Markttransparenz im Sinn einer Kundeninformation u. a. durch funktionellen Eigenschaften Empfehlungen zur Schuhwahl in Abhängigkeit von funktionellen und des Einsatzes von Einflussparametern (z. B. Spielboden, Training vs. Wettkampf, Spielertyp), Kaufempfehlungen im Sinn von «buying guidelines» Fussballschuhen hinsichtlich Markttransparenz im Sinn einer Kundeninformation mittels Verletzungsprotektion Benchmarkstudie/ Produktvergleich Sensibilisierung/Aufklärung durch Information u. a. durch Kampagne, Informationsbroschüre, Einzelhandel, Printmedien - allgemein und fussballspezifisch, Radio/TV für Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst hinsichtlich möglicher verletzungspräventiver Effekte, die ein Fussballschuh bieten kann (aber auch in Bezug auf ein mögliches Verletzungsrisiko) Optimierung der Aussensohlen-/Stollenkonstruktion («Bodenkontaktsysteme») (Länge, Breite ,Geometrie, Material, Anzahl usw.) Optimierung der Schnittstelle Bodenkontaktsystem - Spielboden (optimales Gleichgewicht zwischen Haftreibung und Gleitreibung hinsichtlich variierender Bewegungsmuster und Spielböden) Optimierung der Schaftkonstruktion einschliesslich Passform hinsichtlich Verletzungsprotektion (low vs. mid vs. high cut) Optimierung der Einlagenversorgung hinsichtlich Verletzungsprotektion Individualisierung von Fussballschuhen Generelle Optimierung funktioneller Sportschuhparameter (z. B. Vorfussflexibilität/-steifigkeit, Torsion, dynamische Stabilität, Abrollverhalten) Berücksichtigung der Dämpfungsfunktion in Fussballschuhen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Prädikat Bewertung Umsetzbarkeit EW.21 Realisierung und gegebenenfalls Anpassung des Regelwerk hinsichtlich Verletzungsprotektion Präventionsmöglichkeit Effizienz Präventionsziel Wirksamkeit Nr. + ± + + + ± 1 2 ± ± ± 2 ± ± ± ± - 3 3 + ± + + + + 1 2 ± ± ± 2 ± ± ± ± - 3 3 ± ± + 2 ± ± + 2 ± ± + 2 + ± - 3 + ± - 3 - - ± 3 ± ± + ± ± - ± ± - 3 3 3 ± ± ± 3 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 283 Tabelle 73 – Fortsetzung Fussball: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten, Erwachsene EW.30 Gezielter Einsatz von ankle brace, Sprunggelenksorthesen (semi-rigide), Bandagen oder Tapeverbänden als rehabilitative Massnahme, um das Risiko einer wiederholten Verletzung zu minimieren (Verletzungsrehabilitation) Präventiver Einsatz von ankle brace, Sprunggelenksorthesen (semirigide), Bandagen oder Tapeverbänden auch denkbar Sensibilisierung/Aufklärung durch Information z. B. Kampagne, Informationsbroschüre, Einzelhandel, Printmedien - allgemein und fussballspezifisch, Radio/TV) für Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst hinsichtlich des gezielten Einsatzes von Sprunggelenksorthesen u. ä. nach Verletzungen Optimierung der Funktionalität von Schienbeinschonern (z. B. Höhe und Richtung der Krafteinwirkung, anthropometrische Dimension, Fixierung) Erweiterung des Obligatoriums für das Tragen von (kombinierten) Schienbeinschonern während des offiziellen Spielbetriebs auf Trainingseinheiten und freizeitorientierten Sport Ev. Normenanpassung hinsichtlich Verletzungsindikatoren (Beschleunigungswerte und Kraftwerte), auch hinsichtlich einer funktionellen Gradierung (Geschlecht/Anthropometrie) Sensibilisierung/Aufklärung durch Information z. B. Kampagne, Informationsbroschüre, Einzelhandel, Printmedien - allgemein und fussballspezifisch, Radio/TV) für Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst hinsichtlich möglicher verletzungspräventiver Effekte, die ein (kombinierter) Schienbeinschoner gewährleisten kann mit dem Ziel, dass Schienbeinschoner auch im Training und während des nichtorganisierten Fussballs getragen werden Protektionsfunktion des Schienbeinschoners sollte generell hinsichtlich eines funktionellen (medialen und lateralen) Sprunggelenksschutz erweitert werden Individuell anpassbare Schienbeinschützer/Gradierung der anthropometrischen und funktionellen Eigenschaften Abgestimmte Interaktion von Spielboden und Schuhwerk (Schuh-BodenInteraktion sollte dem jeweiligen Setting entsprechen) Verankerung bzw. Fixierung der Tore hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte Distanzierte Positionierung der Bandenreklame bzw. von Absperrungen und anderen Gerätschaften Abpolsterung der Bandenreklame bzw. von Absperrungen und anderen Gerätschaften Nutzung von geeigneten Spielböden (Einfluss von Alter, Geschlecht, Spielklasse, Spielintension usw.) Abpolsterung der Torpfosten Transportable und demontierbare Torkonstruktionen Gewährleistung der definierten funktionellen Ballparameter (z. B. Ballgrösse, Ballgewicht, Masse, Luftdruck) in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter und klimatischen Bedingungen (z. B. Winterbälle) Gewährleistung der definierten funktionellen Ballparameter (z. B. Ballgrösse, Luftdruck) sowohl im Wettkampf als auch im Training insbesondere bei feuchten/nassen Bedingungen (keine Lederbälle, plastikbeschichtete Bälle, Bälle mit guter Wasserresistenz) Optimierung der funktionellen Balleigenschaften im Hinblick auf verletzungsprotektive Aspekte Optimierung der funktionellen Eigenschaften und des Einsatzes Schienbeinschonern hinsichtlich Verletzungsprotektion Minimierung des Gefahrenpotenzials im Zusammenhang mit der infrastrukturellen Gestaltung des Spiel- und Trainingsplatzes Alters und geschlechtsspezifischer Einsatz des Spielballs sowie Gewährleistung von funktionellen Eigenschaften des Spielballes Skala Prädikat 1= Sehr empfehlenswert 2= Empfehlenswert 3= Bedingt empfehlenswert 4= Nicht empfehlenswert Skala Bewertung ++ + +/- – 284 Fussball (Autor: Frank I. Michel) Prädikat EW.28 Optimierung der funktionellen Eigenschaften und des Einsatzes von Sprunggelenksorthesen/Tape hinsichtlich Verletzungsprotektion Bewertung Umsetzbarkeit EW.25 Präventionsmöglichkeit Effizienz EW.24 Präventionsziel Wirksamkeit Nr. + + + 1 ± + + 2 ± ± + 2 + ± ± 2 ± ± ± 2 + ± - 2 ± ± ± 2 - - ± 3 ± ± - 3 + ± ± 2 ± ± ± 2 ± ± ± 2 ± ± ± 2 ± - - 3 ± ± + ± 3 3 2 ± ± ± 2 ± - - 3 = Sehr hoch = Hoch = Mittel = Tief = Sehr tief bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.2 Empfehlungen zur Prävention von strategien wird auf eine detaillierte separate Be- Fussballverletzungen für Erwach- schreibung verzichtet. Vielmehr wird auf die Aus- sene führungen in Kap. XI.4.3, S. 287 verwiesen, in dem auf nationale und internationale Präventionsstrate- Die als «sehr empfehlenswert» eingeschätzten gien respektive -programme eingegangen wird. Präventionsmöglichkeiten werden in Tabelle 74 Präventionsmöglichkeiten können sich gegenseitig explizit aufgelistet. bedingen bzw. überschneiden. Dies betrifft beispielsweise die «muskulären, koordinativen und Aufgrund der Übereinstimmung mit bereits beste- konditionellen Faktoren» im Zusammenhang mit henden bzw. schon durchgeführten und dokumen- dem Trainingsprogramm «Die 11+». tierten nationalen und internationalen PräventionsTabelle 74 Fussball: Sehr empfehlenswerte Präventionsmöglichkeiten, Erwachsene Nr. Präventionsziel EW.01 Vermeiden einer wiederholten Verletzung EW.02 Optimierung der muskulären Faktoren EW.03 Optimierung der koordinativen Faktoren EW.04 Optimierung der konditionellen Faktoren EW.05 Reduzierung der Verletzungsanfälligkeit von weiblichen Spielerinnen EW.20 Reduzierung von Verletzungen während Wettkämpfen bzw. Situationen mit Wettkampfcharakter EW.21 Realisierung und gegebenenfalls Anpassung des Regelwerks hinsichtlich Verletzungsprotektion EW.22 Unterbindung einer aggressiven Spielweise, die verletzungsgefährdend sein kann EW.23 Optimierung der funktionellen Eigenschaften und des Einsatzes von Sprunggelenksorthesen/Tape hinsichtlich Verletzungsprotektion bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Präventionsmöglichkeit Beispiele von Interventionsinhalten Vollständige Rehabilitation des Athleten Erstellung von Richtlinien für Ärzte, Funktionäre, Trainer. Sicherstellung einer direkten und verbindlichen Kommunikation zwischen Spieler, Trainer und Arzt Sukzessiver Einstieg in den Trainings- und Trainerweiterbildung in Bezug auf rehabilitative Spielbetrieb Trainingsprogramme Berücksichtigung in der Trainingsgestaltung Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «Die 11+» in das Training Trainingsprogramme, die auf sensomotorischen Weiterentwicklung von Trainingsprogrammen Trainingsformen aufgebaut sind (syn. Propriorezep- hinsichtlich Wirksamkeit, tives oder neuromuskuläres Training) Praktikabilität/Umsetzbarkeit sowie Übungsvielfalt und fussballspezifischen Bewegungsmustern Berücksichtigung in der Trainingsgestaltung Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «Die 11+» in das Training Berücksichtigung in der Trainingsgestaltung Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «Die 11+» in das Training Integration von speziellen Trainingsprogrammen, Optimierung von Trainingsprogrammen hinsichtlich die darauf ausgerichtet sind Bänder-, SehnenWirksamkeit, Praktikabilität/Umsetzbarkeit sowie sowie Muskelverletzungen zu minimieren (Training Übungsvielfalt und fussballspezifischen der muskulären, konditionellen und koordinativen Bewegungsmustern unter Berücksichtigung der Faktoren) Geschlechtsspezifität sowohl in Bezug auf das Verletzungsmuster (Diagnose, Lokalität Verletzungsmechanismus) als auch der femininen Anatomie, Physiologie, Anthropometrie sowie Spielverhalten Vergleich EW.21, insbesondere «Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes» Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes Gezielter Einsatz von ankle brace, Sprunggelenksorthesen (semi-rigide), Bandagen oder Tape-Verbänden als rehabilitative Massnahme, um das Risiko einer wiederholten Verletzung zu minimieren (Verletzungsrehabilitation) Evaluierung der Schiedsrichterleistung basierend auf «Anforderungskatalog» und gegebenenfalls «Bestrafung» oder «Anerkennung» Höheres Strafmass für aggressive Spielweise Einführung eines Obligatoriums zum Tragen von Sprunggelenksorthesen nach Sprunggelenksverletzung Fussball (Autor: Frank I. Michel) 285 Ähnlich verhält es sich mit den Präventionsmög- lenksorthese mit «sehr empfehlenswert» beurteilt. lichkeiten in Bezug auf die Risikofaktoren «Nicht- Diese Möglichkeit gewinnt an Bedeutung, wenn einhaltung und unangemessenes Regelwerk/Fair- schon eine Sprunggelenksverletzung diagnosti- play» sowie «Aggressive Spielweise» [318,345]. Die ziert wurde. Die Literatur ist sich in Bezug auf Wirksamkeit dieser beiden Interventionsmöglich- diese Präventionsmöglichkeit weitgehend einig keiten ist mit «Hoch» einzuschätzen, jedoch dürfte [318,319,332,333,348,355,362,363,366,367]. ihre Realisierung schwierig sein. Eine Modifikation des Regelwerks bedarf immer eines juristischen Obwohl Präventionsmöglichkeiten zu den Risikofak- Ansatzes. Da Fussball ein höchst komplexes und toren «Spielerausrüstung» (Fussballschuhe/Schien- dynamisches Spiel ist, kann eine «transparente» und beinschützer) und «Spielball» nicht als «sehr emp- somit für jeden nachvollziehbare Schiedsrichter- fehlenswert» beurteilt wurden und darum in der leistung nicht erwartet werden. Dies bedeutet nicht, Tabelle 72, S. 280 nicht aufgeführt werden, muss dass eine strikte Durchsetzung des bestehenden diesen Themen ein entsprechendes Potenzial für Regelwerks per se nicht anzustreben wäre. Präventionsaktivitäten zugeschrieben werden. Nahezu jeder Spieler nutzt für seine Aktivität Fuss- Präventionsmöglichkeiten, die das Ziel haben, die ballschuhe und Schienbeinschoner sowie einen Wiederholung einer Verletzung zu vermeiden, Spielball. Demzufolge ist ein direkter Zugang zum werden in der Literatur als sehr wichtig und not- Spieler und somit zu Präventionsmöglichkeiten wendig eingeschätzt [318,319,330,357]. Präventi- gegeben. Daher sollten bestehende Produkte hin- onsansätze gehen hier primär in zwei Richtungen. sichtlich Verletzungsprotektion optimiert werden. Sie betreffen zum einen den Spieler selbst und zum Des Weiteren sollte der Spieler bzw. der Trainer anderen den medizinischen Sektor. Der Trainer hinsichtlich verletzungspräventiver Funktionen und stellt die Schnittstelle und somit eine interagie- somit in Bezug auf die «richtige» Auswahl des rende Funktion dar. Produkts sensibilisiert werden. Auch die Optimierung des Fussballschuhs hinsichtlich verletzungs- Spezifische Präventionsmöglichkeiten zur Reduzie- präventiver Aspekte birgt hierbei ein grosses Po- rung der Verletzungsanfälligkeit von Fussballspiele- tenzial, da Schuhhersteller bisher schwerpunkt- rinnen werden aufgrund der (momentan) geringen mässig den Leistungsaspekt berücksichtigt haben. Anzahl von Fussball spielenden Frauen in der Schweiz – also mit Bezug zum Gesamtunfallge- In Zusammenhang mit dem Fussballschuh steht schehen – nur als «bedingt empfehlenswert» ein- immer auch der Untergrund, auf dem Fussball geschätzt. Jedoch beinhaltet der Frauenfussball ein gespielt wird [318,319,339,348]. Die immer noch enormes Wachstumspotenzial (Kap. XI.1.4, S. 257). steigende Anzahl von Publikationen zeigt zum Deshalb sollten geschlechtsspezifische Präventions- einen das hohe Interesse, zum anderen aber auch, aktivitäten durchaus im Präventionsportfolio Be- dass man in diesem komplexen Thema «Spielbo- rücksichtigung finden [344,350,364]. den-Fussballschuh-Verletzungsrisiko» noch zu keinen endgültigen Ergebnissen bzw. HandlungsAls einzige «ausrüstungsspezifische» Präventions- richtungen gekommen ist. Die zum Teil konträre möglichkeit wurde das Tragen einer Sprungge- Literatur und die damit in Verbindung stehende 286 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Forschungsarbeit enthalten ein grosses Potenzial für entsprechend verletzungspräventive Ansätze. Deshalb sollte diese Entwicklung nicht nur auf den Vergleich «Naturrasen versus Kunstrasen» begrenzt sein, sondern auch auf die Analyse zwischen verschiedenen Kunstrasenkonstruktionen/-technolo- gien – und dies immer in Interaktion mit dem Fussballschuh bzw. dem «Bodenkontaktsystem» – 3. Taping am Sprunggelenk falls Vorbelastungen oder Instabilitäten vorhanden 4. Kontrollierte Rehabilitation für Verletzungen der unteren Extremitäten 5. Ausschluss von Spielern mit Instabilität des Kniegelenks 6. Informationen von Spielern und Trainern über diszipliniertes Spiel 7. Korrektur und Supervision der prophylaktischen fokussiert sein. Massnahmen durch Ärzte und Physiotherapeuten 4.3 Internationale und nationale Präventionsprogramme Da alle Massnahmen gleichzeitig eingesetzt wurden, kann nicht erkannt werden, was tatsächlich Im Folgenden sollen internationale und nationale und in welchem Ausmass gewirkt hat. Theoretisch Präventionsprogramme respektive Strategien vor- wäre es möglich, dass nur eine von den sieben gestellt werden, die einen ganzheitlichen Ansatz Interventionen gewirkt hat. Methodisch ist zudem enthalten, also mehrere Präventionsmöglichkeiten kritisch anzumerken, dass der Selektionsprozess einschliessen. Diese Programme decken sich weit- innerhalb der Experimentalgruppe (Intervention gehend mit den dargestellten Präventionsmöglich- Nr. 5) dafür sorgt, dass die Kontroll- und die keiten Experimentalgruppe nicht mehr miteinander ver- der Liste mit den bfu-Empfehlungen (Tabelle 8). Aufgrund dessen wurde auf eine gleichbar sind. nähere Beschreibung bisher verzichtet. Die Programme zeigen mögliche Ansätze und Ausrich- Grundsätzlich zeigt die Studie von Ekstrand und tungen, die für Präventionsaktivitäten in der Gillquist [369], dass deutliche Verbesserungen Schweizer Fussballlandschaft berücksichtigt werden hinsichtlich des Verletzungsrisikos der Fussballer sollten. möglich sind. Dieser multifaktorielle bzw. multimodale Studienansatz besitzt richtungsweisenden 4.3.1 Internationale Übersichtsarbeiten und Charakter für fussballspezifische Präventionsstrategien. Auch Junge [370] kommt in Bezug auf die Studien Wirksamkeit von Präventionsprogrammen zu dem Da Fussball spezifischen Verletzungen ein multifak- Schluss, dass multimodale Interventionsprogramme torielles Risikoprofil zugrunde liegt, sollten verlet- am vielversprechendsten erscheinen. zungspräventive Massnahmen dementsprechend auch einen multifaktoriellen Charakter besitzen. Dies Junge und Dvorak [371] führen als Beispiel für ein wird durch eine Studie von Ekstrand und Gillquist ganzheitliches – generell auf Sport orientiertes – [368] unterstützt, in der eine Kombination von sieben Präventionsprogramm verschiedenen Massnahmen ausprobiert wurde: gramm aus Neuseeland [372] an (Tabelle 75). das «SportSmart» Pro- 1. Warm-up und Cool-down 2. Schienbeinschoner u. spez. Wintertrainingsschuhe bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 287 Dieses Programm entspricht im Wesentlichen den den auch als «Warm-up» bezeichnet. Präventive fussballspezifischen Präventionsmöglichkeiten, die Elemente können in das Aufwärmprogramm inte- Junge und Dvorak in ihrem Übersichtsartikel erar- griert werden [346,349]. Insofern ist die Unter- beitet und angeführt haben: scheidung zwischen Warm-up und speziellen Prä- Warm-up mit Betonung auf Dehnübungen ventionsprogrammen fliessend und nicht immer zu Planmässiges Cool-down trennen. Adäquate Rehabilitation mit suffizienter Erholungszeit Allgemein gilt, dass das Training neben dem fuss- Propriorezeptives Training ballspezifischen Schutzausrüstung schwerpunktmässig auch konditionelle, koordina- Gute Spielfeldbedingungen tive sowie muskuläre Aspekte berücksichtigen Befolgung/Einhaltung der existierenden Regeln sollte. In verschiedenen Publikationen wird aus- Technik- und Taktiktraining drücklich auf die wissenschaftlich abgestützten, Junge et al. [361] sowie Freiwald et al. [330] beto- allgemeinen Trainingsprinzipien hingewiesen, die nen, dass Evidenz besteht, dass multimodale Inter- es zur Verletzungsprävention zu berücksichtigen ventionsprogramme zu einer Verletzungsreduktion gilt [373]. führen. 4.3.2 Begleitmassnahmen Als generelle trainings- und wettkampfbegleitende Massnahme wird in der Literatur häufig ein entsprechendes Aufwärm- und Cool-down-Programm empfohlen [318,330,333,359,371]. In diesem Zusammenhang wird auch häufig das Stretching bzw. das Dehnen hervorgehoben [318,371]. Programme wie beispielsweise «Die 11» bzw. «Die 11+» werTabelle 75 «SportSmart» Programm der New Zealand Accident Compensation Corporation Point 1. Screening Action Assessing health and fitness before playing identifies injury risk 2. Warm-up, cool down and stretch The right preparation for mind and body makes for a better performance. Cooling down helps your body to recover and is a good time to work on flexibility 3. Physical conditioning Staying in condition means playing to your maximum potential 4. Technique Know how to play it safe with good technique 5. Fairplay Good sport is about positive attitude - playing fair and enjoying the game 6. Protective equipment Protect yourself against injury by using the right equipment 7. Hydration and nuration Eating the right food and drinking adequate fluid helps maintain health and sports performance 8. Injury reporting Gathering information about injuries and monitoring how and when they occur help in injury prevention - and improve the game for everyone 9. Environment It is not only the weather that counts - safe surroundings means safer play 10. Injury management Getting the right treatment sooner means less pain and a faster recovery Quelle: ACC [372] 288 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.3.3 Das Präventionsprogramm «Die 11» bzw. «Die 11+» Basierend auf Ergebnissen einer Evaluationsstudie [375–377] wird gegenwärtig versucht, das Programm «Die 11+» zu optimieren [378]. Aufgrund Inhalte des Präventionsprogramms der Relevanz für andere Spielsportarten (z. B. Handball, Volleyball, Basketball) besteht die Über- Aufgrund der Bedeutung des Verletzungsausmas- legung, sportartspezifische Übungsformen zu in- ses im Schweizer Fussball und der damit verbunde- tegrieren. Neben der Reduktion von Übungsformen nen finanziellen Tragweite hat die Suva zusammen und der Entwicklung von Übungsvariationen ist mit Experten des «FIFA Medical and Research auch eine Differenzierung hinsichtlich der Übungs- Centre (F-MARC)» ein Trainingsprogramm entwi- anforderung (Unterteilung in Basic 1 und Basic 2) ckelt, das folgende Komponenten enthält [374]: angedacht. Darüber hinaus sollen Trainingsinhalte Übungen zur Rumpfstabilität (core stability) einer Periodisierung (Saisonvorbereitungsphase 1 Kräftigung der unteren Extremitäten versus Vorbereitungsphase 2 versus Wettkampf- Neuromuskuläre Übungen phase) unterliegen. Beweglichkeit Bewertung des Präventionsprogramms Diese Trainingskomponenten werden in 10 Übungen integriert, wobei das gesamte Programm etwa Das Trainingsprogramm «Die 11» wurde im Auf- 10 bis 15 Minuten dauert. Die «11. Übung» be- trag der FIFA (F-MARC) durch eine norwegische steht aus einem Fairplay-Appell. Das Trainingspro- Forschergruppe mittels einer cluster-randomisierten gramm «Die 11» ist speziell für Amateur- und Kontrollstudie evaluiert [346]. Die Probandenstich- Hobbyfussballspieler aller Altersstufen (ab ca. 14 probe bestand aus 1091 jugendlichen Fussball- Jahren) entwickelt worden. spielerinnen (59 Mannschaften). Es konnte kein verletzungspräventiver Effekt hinsichtlich der Ver- Aufgrund von Forschungsergebnissen, Feedback- letzungsrate beobachtet werden. Als Erklärung runden und Erfahrungen aus Evaluierungsstudien führen die Forscher die mangelnde Einhaltung der [346] wurde «Die 11» zum Programm «Die 11+» Übungen an. weiterentwickelt. Dieses umfasst drei Blöcke [349]: Laufübungen (Teil 1: 8 Minuten) Im Zusammenhang mit dem Schweizer Unfallge- Übungen zu Kraft, Plyometrie und Gleichge- schehen im Fussballsport führten Lamprecht und wicht (Teil 2: 10 Minuten) Stamm (Sozialforschung und Beratung AG) im Laufübungen (Teil 3: 2 Minuten) Auftrag der Suva eine Prozess- und Outcome-Evaluation für das Trainingsprogramm «Die 11» durch Die drei Blöcke umfassen die gleichen Komponenten [375–377]. Hierzu wurden 1000 Trainer, die im wie in «Die 11» und sind um spezifische Laufübun- Schweizer Amateur-Fussball tätig sind, telefonisch gen erweitert worden. Zudem ist der zweite Teil befragt. Die Befragung ergab, dass zwischen 2004 (Übungen zu Kraft, Plyometrie, Gleichgewicht) in drei und 2008 die Unfallzahlen um 12 % bei den Ver- verschiedene «Level» untergliedert, die Übungsvaria- letzungen im Spiel und um 9 % bei den Verletzun- tionen mit ansteigender Komplexität beinhalten. gen im Training gesenkt werden konnten. Es wird bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 289 jedoch darauf hingewiesen, dass insbesondere die leichteren Unfälle, die keinen Arztbesuch benötig- 4.3.4 Spezielle Präventionsmöglichkeiten bei «Grümpelturnieren» ten, reduziert wurden. Die Studienergebnisse zeigen, dass es nicht genügt, «irgendwelche» Kräfti- Aufgrund der schweizweiten Verbreitung dieser gungs-, Koordinations- und Sprungkraftübungen Turnierart und einer damit verbundenen hohen zu absolvieren, um eine Verletzungsreduzierung zu Anzahl von Verletzungen kommt diesem Punkt erreichen. «Nur bei Trainern, die mindestens 50 % eine besondere Bedeutung zu [379]. Müller und der durchgeführten Übungen gezielt aus «Die 11» Stäuble [379] kommen zum Schluss, dass das Ri- nehmen, zeigt sich die gewünschte Wirkung. Dass siko, sich an einem Grümpelturnier zu verletzen, Teams mit «Die 11» weniger Verletzte pro 100 rund 2- bis 3-mal grösser ist verglichen mit dem Spiele aufweisen als Teams ohne «Die 11», zeigt Spielbetrieb der Klubs. Sie empfehlen, dass für sich in allen Ligen.» [375]. Zudem wird festgestellt, jedes Grümpelturnier vorgängig ein Sicherheits- dass der Fairplay-Appell («11. Übung») keine Wir- konzept erstellt werden sollte. Mit der Umsetzung kung zeigte. Verletzungen mit Fremdeinwirkung des Sicherheitskonzepts soll ein Mitglied des Orga- haben im Untersuchungszeitraum genauso wenig nisationskomitees beauftragt werden. Die folgen- abgenommen wie Verletzungen, die durch ein den (selektiven) Empfehlungen basieren auf den Foulspiel verursacht worden sind. «bfu-Tipps», die speziell für Teilnehmende von Grümpelturnieren erarbeitet worden sind: Die norwegische Forschergruppe [349] untersuchte Nur teilnehmen, wenn man fit ist mit einem ähnlichen methodischen Ansatz (cluster- Längerfristige Trainingsvorbereitung unter Be- randomisierten Kontrollstudie) das weiterentwi- rücksichtigung von Aufwärmen, Dehnen, Aus- ckelte Programm «Die 11+». An dieser Studie laufen und Sturztraining nahmen 1892 jugendliche Fussballspielerinnen Für das Spiel gilt: fair spielen, konzentrieren, (125 Fussballklubs) teil. Auch in dieser Studie nicht mit Schmerzen weiter spielen, Schiedsrich- konnte gezeigt werden, dass das Risiko von schwe- terentscheid akzeptieren ren Verletzungen, Überlastungsschäden sowie von Für die Pausen gilt: erholen, evtl. Kleiderwech- Verletzungen generell (overall injuries) durch das sel, Energie- und Flüssigkeitszufuhr (kein Alko- Trainingsprogramm reduziert wurde. Hinsichtlich hol), Aufwärmen der Reduktion von Verletzungen der unteren Ext- Nocken- bzw. Noppenschuh tragen remitäten – was die primäre Fragestellung war – Schienbein- und Knöchelschutz tragen wurde aber kein signifikantes Ergebnis registriert. Torhüter sollte lange Hosen und Handschuhe Die Arbeitsgruppe kommt zum Schluss, dass ein tragen strukturiertes Aufwärmprogramm für junge Fuss- Die nötigen Sehhilfen tragen, wenn möglich ballspielerinnen verletzungspräventiv sein kann. Sportbrillen oder Kontaktlinsen Keinen Schmuck oder Uhr tragen Mobile Tore sicher verankern 290 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.4 Präventionsmöglichkeiten im registrieren ist und somit die Notwendigkeit von Kinder- und Jugendfussball zukünftiger Forschungsarbeit postuliert wird [380,381]. Der Forschungsbedarf bezieht sich in Bei der Konkretisierung von Präventionsmassnah- erster Linie auf die Evaluation von speziellen Kin- men im Kinder- und Jugendbereich sollten immer derpräventionsprogrammen, da nur eine Studie pädagogische und didaktische Aspekte in Betracht gefunden wurde, die tatsächlich auf diese Ziel- gezogen werden. Diese sind wiederum vom Alter gruppe der Kinder und Jugendlichen fokussiert war abhängig. Insbesondere in Bezug auf die Wahl der [382]. Zudem hatte diese Studie lediglich die Präventionsart sollte vorsichtig abgeschätzt wer- Bestimmung des Ermüdungsgrades aufgrund von den, ob ein verhaltens- oder verhältnispräventiver Überhitzung als Outcome-Variable und nicht die Ansatz sinnvoller ist. Im Zusammenhang mit verhal- Verletzungshäufigkeit bzw. -inzidenz zum Ziel. tenspräventiven Ansätzen, und hier vor allem hin- Daher betonen Olsen et al. (2004) [380] die sichtlich der «Optimierung von muskulären, kondi- Notwendigkeit und Dringlichkeit für eine systema- tionellen und koordinativen Faktoren», sollten tische Forschungsarbeit, die sowohl das Monitoring pädagogisch-didaktische Aspekte im Sinn von von Verletzungen, Verletzungsmechanismen als «spielerisch» orientierten Trainings- und Übungs- auch die Evaluation von zielgruppenspezifischen formen mit und ohne Ball und somit der altersge- Interventionsformen (Kinder und Jugendliche) ein- rechten Gestaltung berücksichtigt werden. Dieser schliesst. Aspekt steht im engen Zusammenhang mit der Compliance (Befolgen/Einhalten) der favorisierten Trainingsform. Bei der Planung von verhältnisprä- 4.4.1 Mögliche Präventionsansätze aus Workshops ventiven Aktivitäten sollte sorgfältig überdacht werden, ob eher infrastrukturelle oder eher pro- Aufgrund der oben genannten «Wissenslücke» duktbezogene Aktivitäten (im Zusammenhang mit wurde analog zur Beurteilung der Bedeutung der Artikeln, die die persönliche Schutzausrüstung Risikofaktoren im Kinder- und Jugendfussball wäh- (PSA) betreffen) zu bevorzugen sind. Unabhängig rend des «bfu-Workshops» (Tabelle 82, S. 311) von Infrastruktur oder PSA sollte immer eine alters- versucht, mit Hilfe der Fachleute aus verschiedenen gerechte Gradierung im Hinblick auf die Anlage fussballspezifischen Kompetenzbereichen eine Art (z. B. Spielboden, Tor) bzw. das Produkt (z. B. Fuss- Massnahmenkatalog zu entwickeln. Dieser orien- ballschuh, Schienbeinschützer) gewährleistet sein tiert sich an den aus der Sicht der Fachleute bedeu- (Tabelle 76). tendsten Risikofaktoren (Tabelle 83, S. 313). Die Zusammensetzung des Fachgremiums ist der Olsen et al. [380] betonen in ihrem systematischen Tabelle 84, S. 315 zu entnehmen. Die Zuordnung Literaturüberblick zu Präventionsstrategien hin- der generierten Präventionsmöglichkeiten wurde sichtlich Fussballverletzungen, dass zwar vielver- unter den praxisnahen Gesichtspunkten vorge- sprechende Präventionsstrategien existieren, jedoch nommen, ob Handlungsbedarf besteht oder nicht ein Mangel in Bezug auf deren Evaluierung be- und ob eine Massnahmen schon (zumindest teil- steht. Dies betrifft vor allem den Kinder- und weise) umgesetzt wird oder nicht. Die im Folgenden Jugendbereich, wo eine generelle Wissenslücke zu aufgelisteten Präventionsmöglichkeiten stellen nach bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 291 Ansicht des Fachgremiums dringlichsten Eine tabellarische Auflistung der im bfu-Workshop Handlungsbedarf im Kinder- und Jugendbereich dar: generierten Präventionsmöglichkeiten in Abhän- Optimierung der koordinativen Fähigkeiten: gigkeit von den als relevant erachteten Risikofakto- Koordinative ren kann der Tabelle 76 entnommen werden. Übungen den sollten fester Trai- ningsbestandteil werden (diese sollten sportartspezifisch und zielgerichtet eingesetzt werden) Optimierung der muskulären Faktoren: Sportartspezifisches und gezieltes Krafttraining sowie Stretching zur Vorbeugung von muskulären Dysbalancen Vermeidung einer wiederholten Verletzung: Verletzungen sollen vollständig ausgeheilt werden Optimierung der Gelenkstabilität: bei Kindern können Bewegungsanlässe (spielerische Übungsformen) als Hausaufgaben gegeben werden und bei Durchführung sollen sie belohnt werden Optimierung der funktionellen Eigenschaften und des Einsatzes der Spielerausrüstung: Durch den SFV sollen Normvorgaben bezüglich der Ausrüstung gemacht werden (z. B. Schienbein- und Knöchelschoner, Stollen, Schuhe, Handschuhe) Realisierung und gegebenenfalls Anpassung des Regelwerks hinsichtlich Verletzungsprotektion: − Förderung des Fairplay-Gedankens auf allen Stufen (Trainer, Spieler, Eltern); soll richtiges Verhalten dieser 3 Parteien gewährleisten − Förderung der Spielformen ohne Schiedsrichter oder mit Rollenwechsel Minimierung des Gefahrenpotenzials im Zusammenhang mit der infrastrukturellen Gestaltung des Spiel- und Trainingsplatzes: Bezug zu den Empfehlungen «Sicherheit auf Fussballanlagen» [353] 292 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Präventionsmassnahmen Prädikat KJ.01 Vermeiden einer wiederholten Verletzung Präventionsmöglichkeit Umsetzbarkeit Präventionsziel Effizienz Nr. Wirksamkeit Tabelle 76 Fussball: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten, Kinder und Jugendliche Vollständige Rehabilitation des Athleten Erstellung von Richtlinien für Ärzte, Funktionäre, Trainer (insbesondere für Kaderbereich) Erstellung von Richtlinien für Ärzte, Funktionäre, Trainer (insbesondere für Kaderbereich) + + + 1 + + + 1 ± ± + 2 Langfristige Anpassung der Trainingsinhalte Kampagne, Informationsbroschüre, die an Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst gerichtet sind Techniktraining bzw. Anpassung der Technik (z. B. Schusstechnik durch Technikanalyse) ± + + 2 Periodische sportärztliche (Nach-) Untersuchungen Erstellung von Richtlinien für Ärzte, Funktionäre, Trainer (insbesondere für Kaderbereich) + + - 2 Berücksichtigung in der Trainingsgestaltung Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «F-MARC Bricks & Die 11+» in das Training + + + 1 Optimierung der Rumpfmuskulatur (Torso/Core) sowie der Hals- und Nackenmuskulatur Integration in Trainerausbildung (z. B. J+S) + ± ± 2 Muskuläre Dysbalancen ausgleichen (Bsp.VKB: Hamstring versus Quadrizps) Integration in Trainerausbildung (z. B. J+S) ± ± - 3 Training verschiedener Kraftformen (z. B. Integration in Trainerausbildung (z. B. J+S) Maximalkraft, Reaktionskraft, Schnellkraft, Kraftausdauer) - ± ± 3 Sukzessiver Einstieg in den Trainingsund Spielbetrieb Senisbilisierung/Aufklärung durch Information KJ.02 Optimierung der muskulären Faktoren KJ.03 Optimierung der koordinativen Faktoren KJ.04 Optimierung der konditionellen Faktoren KJ.09 Berücksichtigung von Anthropometrischen Faktoren & physiologischer Reife Plyometrisches Training Integration in Trainerausbildung (z. B. J+S) - ± ± 3 Trainingsprogramme, die auf sensomotorischen Trainingsformen aufgebaut sind (syn. Propriorezeptives oder neuromuskuläres Training) Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «F-MARC Bricks & Die 11+» in das Training Trainingsprogramme mit Ankle disc + + ± 2 + ± ± 2 Entwicklung von alternativen Übungsformen als ergänzung zu den F-MARC Bricks Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «F-MARC Bricks Die 11+» in das Training + ± ± 2 + + + 1 Krafttraining - ± ± 3 Ausdauertraining ± ± - 3 Trainingsprogramme, die auf fussballspezifisches sowie polysportives Kondtionstraining ausgerichtet sind Gewährleistung, dass Spieler nicht in älteren Altersklassen spielen Erstellung von Richtlinien für Funktionäre, Trainer (insbesondere für Kaderbereich) + + ± 2 Berücksichtigung einer Diskrepanz zwischen biologischen und kalendarischen Alter hinischtlich Belastungsparametern und Spielklasse Trainerschulungen + ± - 2 Spezielles Monitoring/Screening dieser Spieler Medizinische Finalgrössenbestimmung ± ± - 3 ± ± - 3 Adäquate Saisonvorbereitung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bewertung Fussball (Autor: Frank I. Michel) 293 Tabelle 76 – Fortsetzung Fussball: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten, Kinder und Jugendliche Optimierung der funktionellen Eigenschaften und des Einsatzes von Fussballschuhen hinsichtlich Verletzungsprotektion Sanktionen der Trainer bzw. Funktionäre gegen Spieler oder gesamte Mannschaft (Einzel- oder Gruppensanktionen) Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes Promotion des Fairpolay-Geistes Anpassung des Regelwerks hinsichtlich verletzungsprotektiver Aspekte Modifikation von Regeln im Trainingsprinzip in Bezug auf pädaggische Aspekte Sensibilisierung/Aufklärung durch Information Sanktionen der Trainer bzw. Funktionäre gegen Spieler oder gesamte Mannschaft (Einzel- oder Gruppensanktionen) 294 Fussball (Autor: Frank I. Michel) Kampagne Kampagne, Informationsbroschüre für Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst (Aufklärung über die Gefährlichkeit von FoulSpielen) Kampagne des SFV «be tolerant» sowie jährliche Auszeichnung von fairen Vereinen durch den SFV Kampagne Kampagne, Informationsbroschüre für Funktionäre, Betreuer, Trainer, Schiedsrichter sowie Spieler selbst (Aufklärung über die Gefährlichkeit von Foul-Spielen) Bewertung Prädikat KJ.22 23 Realisierung und gegebenenfalls Anpassung des Regelwerks hinichtlich Verletzungsprotektion Vergleich KJ.21 und KJ.22, insbesondere «Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung sowie Anpassung des Regelwerkes» Optimierung konditioneller, muskulärer und koordinativer Faktoren hinsichtlich Ermüdung Spielerwechsel im Hinblick auf Ermüdungserscheinungen Adäquate Saisonvorbereitung Vergleich KJ.23, insbesondere in Bezug auf den adäquaten Einsatz von funktionellen Sportschuhkonstruktionen abhängig vom institutionellen und lokalem Setting Vergleich KJ.29 in Bezug auf die Anpassung des Spiels hinsichtlich extremer klimatischer Bedingungen Sensibilisierung der Personen, die im peripheren Umfeld der Spieler agieren, insbesondere hinsichtlich Fairplay und Ermüdungserscheinungen (Vergleich KJ.35, KJ.36, KJ.37) Berücksichtigung des biologischen Alters der Spieler bei der Zusammenstellung der Mannschaft (Vergleich KJ.09, KJ16 Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes Promotion des Fairplay-Geistes Anpassung des Regelwerks hinsichtlich verletzungsprotektiver Aspekte Modifikation von Reglen im Trainingsbetrieb in Bezug auf pädaggische Aspekte Senisbilisierung/Aufklärung durch Information Präventionsmassnahmen Umsetzbarkeit KJ.21 Reduzierung von Verletzungen während Wettkämpfen bzw. Situationen mit Wettkampfcharakter Präventionsmöglichkeit Effizienz KJ.20 Präventionsziel Wirksamkeit Nr. + + + 1 ± + ± 2 ± + ± 2 ± ± ± + + 3 2 – + ± 2 - - ± 3 + - – 4 + + + 1 ± ± ± + + - 2 2 ± + + 2 ± ± + 2 ± ± + 2 + + + 1 ± ± ± ± + - 2 3 ± + + 2 ± + ± 2 ± ± - 3 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 76 – Fortsetzung Fussball: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten, Kinder und Jugendliche Optimierung der funktionellen Eigenschaften und des Einsatzes von Fussballschuhen hinsichtlich Verletzungsprotektion Optimierung der Aussensohlen-/ Stollenkonstruktion («Bodenkontaktsysteme») (Länge, Breite, Geometrie, Material, Anzahl usw.) Optimierung der Schnittstelle Bodenkontaktsystem – Spielboden in Richtung höhere Gleitreibung/weniger Haftreibung Tragen von geeigneten Sportschuhen anstatt von Fussballschuhen Markttransparenz im Sinn einer Kundeninformation Vergleich KJ.23, insbesondere in Bezug auf den adäquaten Einsatz von funktionellen Sportschuhkonstruktionen abhängig vom institutionellen und lokalem Setting Generelle Optimierung im Sinn einer altersabhängigen Gradierung funktioneller Sportschuhparameter (z. B. Vorfussflexibilität/ -steifigkeit, Torsion, dynamische Stabilität, Abrollverhalten) Berücksichtigung der Dämpfungsfunktion in Fussballschuhen Obligatorium von bestimmten Schuhkonstruktionen, insbesondere Bodenkontaktsystemen in Abhängigkeit vom Spielboden und Spielintension (Wettkampfcharakter) Sensibilisierung/Aufklärung durch Information Optimierung der Schaftkonstruktion einschliesslich Passform hinsichtlich Verletzungsprotektion (low vs. mid vs. high cut) Optimierung der Einlagenversorgung hinsichtlich Verletzungsprotektion Individualisierung bzw. Mass Customization von Fussballschuhen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Bewertung Prädikat KJ.23 Präventionsmassnahmen Umsetzbarkeit Präventionsmöglichkeit Effizienz Präventionsziel Wirksamkeit Nr. + + - 2 + + - 2 ± + + 2 Empfehlungen zur Schuhwahl in Abhängigkeit von funktionellen Einflussparametern (z. B. Spielboden, Training vs Wettkampf, Spielertyp), Kaufempfehlungen im Sinn von «buying guidelines» Benchmarkstudie ± ± + 2 ± ± + 2 Erarbeitung eines Anforderungskataloges, der mit der Marktsituation abgeglichen wird + - + 2 Entwicklung von modularen Dämpfungssystemen (z. B. Einlage, Pads), die auf die Bedürfnisse im Kinder- und Jugendfussball orientiert sind Erstellung von Richtlinien für Verbände, Funktionäre, Trainer abhängig vom Setting (Schulsport vs. Verein) ± + ± 2 + + - 2 Kampagne (Radio/TV), Informationsbroschüre, Einzelhandel, Printmedien (allgemein und fussballspezifisch), die an Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst gerichtet sind (hinsichtlich möglicher verletzungspräventiver Effeke, die ein Fussballschuh bieten kann, aber auch in Bezug auf ein mögliches Verletzungsrisiko) Gemeinsame Konzepterstellung mit Sportartikelindustrie ± ± + 2 - - ± 3 Zusammenarbeit mit Orthopädieschuhmachern, gemeinsame Konzepterstellung Zusammenarbeit mit Orthopädieschuhmachern, gemeinsame Konzepterstellung - - ± 3 - - ± 3 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 295 Tabelle 76 – Fortsetzung Fussball: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten, Kinder und Jugendliche Optimierung im Sinn einer altersabhängigen Gradierung der Funktionalität von Schienbeinschonern (z. B. Höhe und Richtung der Krafteinwirkung, anthropometrische Dimension, Fixierung) Erweiterung des Obligatoriums für das Tragen von (kombinierten) Schienbeinschonern während des offiziellen Spielbetriebs auf Trainingseinheiten und freizeitorientierten Sport Eventuell Normenanpassung hinsichtlich Verletzungsindikatoren (Beschleunigungswerte und Kraftwerte), auch hinsichtlich einer funktionellen Gradierung (Geschlecht/Anthropometrie) Sensibilisierung/Aufklärung durch Information Erarbeitung eines Anforderungskataloges, der mit der Marktsituation abgeglichen wird + - ± 2 Erstellung von Richtlinien für Verbände, Funktionäre, Trainer ± + ± 2 + + - 2 ± ± + 2 - - ± 3 ± - - 3 + ± ± 2 Erstellung und Durchsetzung verbindlicher Richtlinien ± ± + 2 Erstellung und Durchsetzung verbindlicher Richtlinien Integration im Schulsport (Lehrplan) ± ± + 2 ± + + 2 Verankerung bzw. Fixierung der Tore hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte (betrifft auch «Torsurrogate» wie beispielsweise Matte, Kastenteile, Langbänke) Erstellung und Durchsetzung verbindlicher Richtlinien oder Aufnehmen in EURegelwerk + + ± 2 ± - ± 3 Nutzung von geeigneten Spielböden (Einfluss von Alter, Geschlecht, Spielklasse, Spielintension usw.) Abpolsterung der Torpfosten Erstellung und Durchsetzung verbindlicher Richtlinien + - - 3 ± - ± 3 Protektionsfunktion des Schienbeinschoners sollte generell hinsichtlich eines funktionellen (medialen und lateralen) Sprunggelenksschutz erweiterte werden KJ.28 296 Minimierung des Gefahrenpotenzials im Zusammenhang mit der infrastrukturellen Gestaltung des Spiel- und Trainingsplatzes Bewertung Prädikat Optimierung der funktionellen Eigenschaften und des Einsatzes von Schienbeinschonern hinsichtlich Verletzungsprotektion Präventionsmassnahmen Umsetzbarkeit Präventionsmöglichkeit Effizienz KJ.25 Präventionsziel Wirksamkeit Nr. Individuell anpassbare Schienbeinschützer/Gradierung der anthropometrischen und funktionellen Eigenschaften Abgestimmte Interaktion von Spielboden und Schuhwerk (Schuh-Boden-Interaktion sollte dem jeweiligen Setting entsprechen) Distanzierte Positionierung der Bandenreklame bzw. von Absperrungen und anderen Gerätschaften Abpolsterung der Bandenreklame bzw. von Absperrungen und anderen Gerätschaften Der Spielintension angepasste/modifizierte Spielfeldgrösse bzw. -beschaffenheit Transportable und demontierbare Torkonstruktionen Fussball (Autor: Frank I. Michel) Kampagne, Informationsbroschüre, Einzelhandel, Printmedien – allgemein und fussballspezifisch, Radio/TV für Funktionäre, Betreuer, Trainer sowie Spieler selbst hinsichtlich möglicher verletzungspräventiver Effekte, die ein (kombinierter) Schienbeinschoner gewährleisten kann mit dem Ziel, dass Schienbeinschoner auch im Training und während des nichtorganisierten Fussballs getragen werden Biomechanische Grundlagenstudie zu Verletzungsmechanismen und der möglichen Schutzwirkung eines Sprunggelenkschutzes hinsichtlich Kontusionen (sowie kombinierten Protektion von Bandverletzungen) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 76 – Fortsetzung Fussball: Bewertung von Präventionsmöglichkeiten, Kinder und Jugendliche Skala Prädikat 1= Sehr empfehlenswert 2= Empfehlenswert 3= Bedingt empfehlenswert 4= Nicht empfehlenswert bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Gewährleistung der definiertern funktionellen Ballparameter (z. B. Ballgrösse, Ballgewicht, Masse, Luftdruck) in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter und klimatischen Bedingungen (z. B. Winterbälle) Gewährleistung der definiertern funktionellen Ballparameter (z. B. Ballgrösse, Luftdruck) sowohl im Wettkampf als auch im Training insbesondere bei feuchten/nassen Bedingungen (keine Lederbälle, plastikbeschichtete Bälle/Coating, Bälle mit guter Wasserresistenz) Verwendung eines modifizierten Spielballes (z. B. Material, Grösse) für spezielle Trainingsinhalte (Technik, Ballgefühl usw.) sowie verschiedenen Spielintensionen (z. B. Schulsport) in Bezug auf Verletzungsprotektion (z. B. Standardsituatione, Kopfball) Anpassung der FIFA-Regeln (Ballvorschriften) für modifizierte Balleigenschaften, die auf Verletzungsprotektion ausgerichtet sind Optimierung der funktionellen Balleigenschaften im Hinblick auf verletzungsprotektive Aspekte Bewertung Prädikat Alters- und geschlechtsspezifischer Einsatz des Spielballs sowie Gewährleistung von funktionellen Eigenschaften des Spielballs Präventionsmassnahmen Umsetzbarkeit KJ.30 Präventionsmöglichkeit Effizienz Präventionsziel Wirksamkeit Nr. ± + ± 2 ± + ± 2 ± ± + 2 ± + - 2 ± - - 3 Skala Bewertung ++ = Sehr hoch + = Hoch +/- = Mittel = Tief = Sehr tief – Fussball (Autor: Frank I. Michel) 297 4.4.2 Bewertung der Präventionsmöglichkeiten im Kinder- und Jugendfussball Sowohl bei der Beurteilung als auch im Hinblick auf eine mögliche Umsetzung müssen die Ausführungen, die im Zusammenhang mit den (fussballspezi- Die in Tabelle 77 enthaltene Bewertung der Präven- fischen) Präventionsmöglichkeiten für Erwachsene tionsmöglichkeiten für den Kinder- und Jugend- formuliert fussball basiert einerseits auf den Angaben aus der (Kap. XI.4.1, S. 281 bis Kap. XI.4.3). Auch hier be- Literatur [331,341,349,360,364,380,381,383–385]. stehen Überschneidungen zwischen einzelnen Prä- Anderseits fliessen die Überlegungen, die während ventionsmöglichkeiten (Kap. XI.4.1, S. 281). Prä- des bfu-Workshops entwickelt worden sind, ein. ventionsmöglichkeiten, die im Zusammenhang mit Zudem erfolgte analog dem «Erwachsenenbe- dem Risikofaktor «Wettkampf/Spiel/Trainings- reich» die Einschätzung der potenziellen Präven- betrieb» abgeleitet wurden, sind eher als ein tionsmöglichkeiten durch Präventionsfachleute der übergeordnetes Thema bzw. «Setting» aufzu- bfu hinsichtlich der Beurteilungskriterien Wirksam- fassen, welches durch separat aufgelistete Präven- keit, Effizienz und Umsetzbarkeit mittels einer tionsmöglichkeiten bearbeitet werden kann. wurden, berücksichtigt werden 4-stufigen Skala (Kap. XI.4.1, S. 281). Tabelle 77 Fussball: Sehr empfehlenswerte Präventionsmöglichkeiten, Kinder und Jugendliche Nr. Präventionsziel KJ.01 Vermeiden einer wiederholten Verletzung Präventionsmöglichkeit Vollständige Rehabilitation des Athleten Sukzessiver Einstieg in den Trainings- und Spielbetrieb KJ.02 Optimierung der muskulären Faktoren Berücksichtigung in der Trainingsgestaltung KJ.03 Optimierung der koordinativen Faktoren Trainingsprogramme, die auf sensomotorischen Trainingsformen aufgebaut sind (syn. propriorezeptives oder neuromuskuläres Training) KJ.04 Optimierung der konditionellen Faktoren Trainingsprogramme, die auf fussballspezifisches sowie polysportives Konditionstraining ausgerichtet sind KJ.20 Reduzierung von Verletzungen während Wettkämpfen bzw. Situationen mit Wettkampfcharakter Vergleich KJ.21 und KJ.22, insbesondere «Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung sowie Anpassung des Regelwerkes» Spielerwechsel im Hinblick auf Ermüdungserscheinungen Adäquaten Einsatz von funktionellen Sportschuhkonstruktionen abhängig vom institutionellen und lokalem Setting KJ.21 Realisierung und gegebenenfalls Anpassung des Regelwerks hinsichtlich Verletzungsprotektion Unterbindung einer aggressiven Spielweise, die verletzungsgefährdend sein kann KJ.22 298 Fussball (Autor: Frank I. Michel) Präventionsmassnahmen Erstellung von Richtlinien für Ärzte, Funktionäre, Trainer (insbesondere für Kaderbereich) Sensibilisierung der Trainer, Übungsleiter, Lehrer sowie der Eltern mit Hilfe von «Wegleitungen» Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «F-MARC Bricks & Die 11+» in das Training unter Berücksichtigung der Altersabhängigkeit und des lokalen sowie institutionellen Settings Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «F-MARC Bricks & Die 11+» in das Training unter Berücksichtigung der Altersabhängigkeit und des lokalen sowie institutionellen Settings Einbindung des präventiven Trainingsprogramms «F-MARC Bricks & Die 11+» in das Training unter Berücksichtigung der Altersabhängigkeit und des lokalen sowie institutionellen Settings Modifiziertes Regelwerk abhängig vom lokalen Setting und Spielintension Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerkes Differenzierte Sanktionen für aggressive Spielweise bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 4.4.3 Empfohlene Massnahmen im Kinderund Jugendfussball – «Kurze Liste» sollte dieser Ansatz bei der Planung von Präventionsmöglichkeiten respektive -massnahmen berücksichtigt werden (Kap. I.4.2, S. 36). Dies trifft auch Die für das Fussballspiel der Kinder und Jugendli- auf die Präventionsmöglichkeiten «Spielerausrüs- chen «sehr empfehlenswerten» Präventionsmög- tung» – sowohl Fussballschuh als auch Schienbein- lichkeiten sind in Tabelle 77 enthalten. Diese Ta- schützer – und «Spielball» zu (Kap. XI.4.2, belle ist analog zur Tabelle 74, S. 285 zu sehen, die S. 285). Die Präventionsmöglichkeiten hinsichtlich für die Erwachsenen gilt. der Spielerausrüstung nehmen im Kinder- und Jugendbereich einen grösseren Stellenwert ein als Werden die in Tabelle 77 extrahierten Präventions- im Erwachsenenbereich. Im Kinder- und Jugendbe- möglichkeiten in einem ersten Schritt mit den Er- reich besteht ein grösseres Entwicklungs-/Rettungs- gebnissen des bfu-Workshops verglichen, so ist potenzial, da meistenteils «Kinder- und Jugend- festzustellen, dass sich die während des bfu-Work- produkte» nur Miniaturausgaben von «Erwach- shops generierten «dringlichsten» Präventions- senenprodukten» darstellen, also keiner funktio- möglichkeiten mit Ausnahme von zwei Punkten nellen Gradierung unterliegen. Somit liegt ein gleichen: höheres Verletzungsrisiko vor. Optimierung der Gelenksstabilität und Minimieren des Gefahrenpotenzials im Zusam- Bei der Entwicklung von fussballspezifischen Prä- menhang mit der infrastrukturellen Gestaltung ventionsmöglichkeiten hin zu konkreten Präventi- der Spiel- und Trainingsplätze. onsmassnahmen im Kinder- und Jugendbereich sollte immer die Altersabhängigkeit berücksich- Dabei unterliegt die im bfu-Workshop aufgeführte tigt werden. Diese Altersabhängigkeit beeinflusst «Optimierung der Gelenkstabilität» nur einer das lokale sowie das institutionelle Setting. So «terminologischen Uneinigkeit». Gelenkstabilität wird Fussball nicht nur im Verein gespielt, sondern im engeren Sinn betrifft anatomische Gegebenhei- ist auch Bestandteil des Schulsports oder der «un- ten, die nur bedingt beeinflussbar sind (Tabelle 70, gebundenen» Freizeitaktivitäten. Dabei wird Fuss- S. 270) – insbesondere im Kindes- und Jugendalter. ball ausserhalb der Vereinstrainings nicht nur auf Vielmehr sind in diesem Zusammenhang Aktivitä- Fussballplätzen, sondern oft auch auf polysportiven ten gemeint, die durch koordinative, konditionelle Trainingsanlagen, in Sporthallen oder auf Bolzplät- und muskuläre Aspekte modifizierbar sind. Diese zen gespielt. Auf diesen Trainingsplätzen können sind wiederum in den Präventionsmöglichkeiten Elemente der Infrastruktur zu Risikofaktoren wer- zur Optimierung der «konditionellen, muskulä- den, die beim normierten Spielfeld nicht auftreten. ren sowie koordinativen Faktoren» enthalten. Zudem kann abhängig vom Alter sowie dem institutionalisierten Setting die Spielintension variie- Der andere Punkt betrifft die «Minimierung des ren (z. B. Spass versus Leistung versus Bewegungs- Gefahrenpotenzials im Zusammenhang mit zwang). der infrastrukturellen Gestaltung der Spielund Trainingsplätze». Ähnlich den Ausführungen Grundsätzlich sollte die Empfehlung von Henke et zu den Präventionsmöglichkeiten für Erwachsene al. [309] berücksichtigt werden: «Experten weisen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 299 insbesondere darauf hin, dass die üblichen Trai- Kniegelenkstabilität ningsmethoden aus dem Erwachsenenbereich, bei Flexibilität/Beweglichkeit denen die jungen Fussballspieler mehr oder weni- Kräftigung der Oberkörper-, Hüft- und Bein- ger als «kleine Erwachsene» angesehen werden muskulatur und Trainingsumfang und -intensität bei Kindern Koordination lediglich reduziert werden, abzulehnen sind. Des- Reaktionszeit halb wurde bei den Empfehlungen zur Verlet- Ausdauer zungsprävention, d. h. bei den Übungen zur Koordination, Aufmerksamkeit und Ausdauer, auf kind- Die Interventionsstrategie bestand in erster Linie gerechte Übungsformen geachtet. Dabei soll der darin, die Motivation sowohl der Trainer als auch Umgang mit Gegner und Ball in spielerischer Form der Spieler zu wecken und das Bewusstsein für trainiert werden.» [309, S. 152]. «Verletzungspräventionsstrategien» zu generieren. Zudem war es notwendig, das Wissen und die Fussballspezifische Massnahmen im Kinder- und Technik dieser Präventionsstrategien zu vermitteln. Jugendbereich bedürfen einer differenzierten Struktur und sollten daher auf eine Zielgruppe bzw. auf Das durchgeführte Präventionsprogramm führte zu ein klar definiertes Präventionsziel abgestimmt sein. einer 21 %-Verletzungsreduzierung in der Interventionsgruppe verglichen mit der Kontrollgruppe. 4.4.4 Fussballspezifische Präventionspro- Die grössten Effekte konnten für «milde» Verlet- gramme/-strategien im Kinder- und Ju- zungen, chronische Verletzungen (Überlastungs- gendbereich schäden) sowie für Verletzungen, die im Training passierten, nachgewiesen werden. Zudem zeigte Junge et al. [383] führten während der Saisons das Programm eine höhere Wirksamkeit bei 1999 und 2000 eine prospektive Interventions- «weniger gut trainierten» als bei «gut trainierten» studie durch, an der 194 Fussballspieler mit einem Spielern. Grundsätzlich konnten Junge et al. [383] Durchschnittsalter von 16,5 Jahren teilnahmen. Das zeigen, dass multimodale Präventionsprogramme analysierte Präventionsprogramm umfasste gene- zu einer Verletzungsreduktion im Jugendfussball relle Interventionen: führen können. Leider kann aufgrund des Stu- Verbessertes Warm-up diendesigns nicht dargestellt werden, welche Inter- Planmässiges Cool-down vention am meisten zum Erfolg beitragen konnte. Taping von instabilen Sprunggelenken Adäquate Rehabilitation Da Inhalte, Methodik sowie Zielstellung des analy- Promotion des Fairplay-Geistes sierten Präventionsprogramms klare Parallelen zu F-MARC Bricks dem heute etablierten Präventionsprogramm «Die 11» bzw. «Die 11+» (Kap. XI.4.3, S. 287) zeigen Die «F-MARC Bricks» wiederum bestanden aus 10 und zudem von der gleichen Forschergruppe ent- Übungsformen, die speziell für die Verbesserung wickelt worden ist, kann dieses Präventionspro- folgender Problempunkte entwickelt worden sind: gramm als Vorläufer gesehen werden. Daher ge- Sprunggelenkstabilität 300 Fussball (Autor: Frank I. Michel) winnt dieses Präventionsprogramm hinsichtlich einer bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 möglichen Präventionsstrategie für den Schweizer [386] konnte nachweisen, dass aufgrund einer Kinder- und Jugendfussball an Bedeutung. Trainerschulung («SoccerSmart course») 69 % der teilgenommenen Trainer ihre Trainingsgestaltung Giza und Micheli betonen in Bezug auf den Punkt dahingehend geändert haben, dass sie nunmehr «Vorsorgediagnostik» (physical capabilities) die relevante verletzungspräventive Themen in das Bestimmung der Körperhöhe, des Körpermassindex Trainingsprogramm integriert haben. Die grössten (body mass index BMI) sowie den Vergleich zwi- Veränderungen bezogen sich auf das Warm- schen biologischem und kalendarischem Alter. Der up/Cool-down, Stretching, Technik, Fitness sowie Wachstums- bzw. Reifeprozess steht im Zusam- Ernährung und Flüssigkeitshaushalt. Es handelt sich menhang mit dem Spielniveau und muss sicherlich hierbei nur um eine deskriptive Studie ohne direkte auch im Kontext von Beanspruchung und Belas- Erfolgsvariable im Sinn einer nachweisbaren Verlet- tung gesehen werden. Periodisch durchgeführte zungsreduktion. Jedoch zeigt die Studie die Wich- sportärztliche Untersuchungen, insbesondere vor tigkeit und die Möglichkeit über eine geeignete der Wettkampfsaison, sind sinnvoll [319]. Beispiel- Sensibilisierung der Trainer auf Spieler einzuwirken. haft soll an dieser Stelle nur das DDR-Sportsystem angeführt werden, wo Kinder und Jugendliche, die Bei der erfolgreichen Realisierung von Präventi- im organisierten Sport aktiv waren, zu Beginn der onsmassnahmen – insbesondere in Bezug auf ver- Saison eine sportärztliche Untersuchung attestieren haltenspräventive Ansätze – spielt der Aspekt der lassen mussten. Neben der Bestimmung der kardio- Compliance (Akzeptieren und Einhalten der Vorga- pulmonalen Funktionen wurden die Sinnesorgane ben) eine nachhaltige Rolle [3,365,387,388]. Die untersucht sowie Bewegungs- und Beweglichkeits- «Vermarktung» von Präventionsprogrammen zur tests durchgeführt. Selektiv wurde darüber hinaus Reduzierung des Verletzungsrisikos scheinen weni- eine «Finalgrössenbestimmung» durchgeführt, die ger Akzeptanz zu finden als das «Promoten» im zwar primär Informationen für die Talentsichtung Sinn einer Leistungsverbesserung. Deutliche und lieferte, jedoch in diesem Zusammenhang auch das richtungsweisende Zahlen im Zusammenhang mit Verhältnis zwischen kalendarischem und biologi- neuromuskulären Trainingsformen zur Reduzierung schem Alter untersuchte. Somit konnte gewährleis- von VKB-Rupturen bei jungen Fussballspielerinnen tet werden, dass ein junger Athlet bzw. Spieler betonen diesen Aspekt in eindrucksvoller Weise hinsichtlich Trainings- und Wettkampfbelastung [365]. Hewett et al. [365] konnten feststellen, dass sowie Spielklasse bzw. -niveau nicht überfordert neuromuskuläres Training das Verletzungsrisiko bei wird. Fussballspielerinnen reduzieren kann. Ohne die Kombination bzw. Berücksichtigung von Trainings- Eine wichtige Bedeutung im Kinder- und Jugend- formen/-elementen, die zur Leistungsverbesserung fussball kommt dem Trainer und Funktionär bzw. beitragen, fehlt den Spielerinnen jedoch die Moti- dem Betreuer zu. Diese nachhaltige Bedeutung vation, an einem solchen neuromuskulären Trai- besteht nicht ausschliesslich aus trainingsmethodi- ningsprogramm teilzunehmen. Ein «Präventions- schen und organisatorischen Aspekten, sondern training», das auf die Reduzierung des Verlet- auch aus dem Komplex Verletzungsprävention und zungsrisikos für eine VKB-Ruptur abzielt, hat eine Sicherheit im Sport. Eine neuseeländische Studie Compliance-Rate von weniger als 28 %. Hingegen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 301 zeigt ein «Leistungstraining» eine deutlich höhere für zielgerichtete und effiziente Präventionsarbeit Compliance zwischen 80 % und 90 %. Aufgrund darstellt. Zukünftige Forschungsstudien sollten be- dessen kommen Hewett et al. [365] zum Schluss, urteilen, wie sensomotorische Trainingsprogramme dass entsprechende Trainingsprogramme und de- funktionieren, um fussballspezifischen Verletzungs- ren Inhalte sowohl für eine Leistungssteigerung als mustern im Kinder- und Jugendbereich beiderlei auch für die Prävention von Verletzungen wichtig Geschlechts präventiv zu begegnen. Zudem ist es sind und eine potenziell höhere Compliance ge- notwendig zu untersuchen, wie Muskel- und währleisten. Daher sollte versucht werden, Präven- Konditionstraining von jüngeren Spielern adaptiert tionsaktivitäten – insbesondere im Kinder- und werden können und wie effektiv diese angepassten Jugendbereich – entsprechend zu «verpacken». Die Programme hinsichtlich einer Verletzungsprotektion Qualität eines Produkts ist eine Sache, jedoch das bei Kindern und Jugendlichen tatsächlich sind. adressatengerechte «Verkaufen» eine andere. Multimodale Präventionsprogramme, die zwei- oder mehrmaliges Warm-up, Cool-down, Stretching und Diese Tatsache wird durch Ergebnisse einer aktuel- Krafttraining pro Woche beinhalten, müssen auf len Studie [388], welche die Compliance (Befolgen/ ihren Einhalten) zum Präventionsprogramm «Die 11+» werden. (Kap. XI.4.3.3, S. 289) analysiert hat, unterstützt. Die Spielerausrüstung (z. B. Schienbeinschützer) hinter- Arbeitsgruppe um Soligart kam zum Schluss, dass fragt werden. Dies trifft auch auf die Verwendung jugendliche Fussballspieler mit einer hohen Com- von pliance ein signifikant geringeres Verletzungsrisiko Darüber hinaus thematisieren Olsen et al. [380] das zeigen als Spieler mit einer moderaten Compliance «Concussion»-Problem [388]. Eine positive Einstellung in Bezug auf die Zusammenhang mit einer entsprechenden Kopf- Verletzungsprävention korreliert mit einer hohen balltechnik. Wissenslücken bestehen weiterhin in Compliance und einem geringen Verletzungsrisiko. Bezug auf den Augen- und Mundschutz. Weiter verletzungspräventiven Zudem sollte die Sprunggelenk-Tapes Nutzen überprüft Funktionalität sowie Orthesen (Hirnerschütterung) der zu. im fordern die Autoren abgesichertes Wissen hinAbschliessend ist nochmals darauf hinzuweisen, sichtlich der Hitzeverträglichkeit von jungen Spielern dass aufgrund teilweise fehlender Evidenz alle hier sowie die Eignung von entsprechenden Spielböden angeführten Informationen und Einschätzungen und dies einhergehend mit der Abpolsterung und nur mit Sorgfalt interpretiert und genutzt werden Arretierung von Toren. Die Thematik «Hitzever- dürfen. Dies steht in direkter Verbindung mit der träglichkeit Forderung, diese Wissenslücken als Schwerpunkte Thermoregulation als Risikofaktor» wurde bereits im für zukünftige Forschungsinhalte zu definieren. Rahmen eines Roundtable Consensus Statements Insbesondere der Evaluation von Präventionspro- aufgearbeitet und unterstreicht somit die Berück- grammen im Kinder- und Jugendfussball kommt sichtigung dieses Aspekts im Hinblick auf eine eine ausdrückliche Bedeutung zu. In diesem Zu- Präventionsarbeit [389]. Darüber hinaus macht man sammenhang betonen Olsen et al. [380], dass ein sich Gedanken über ein modifiziertes Regelwerk, «ganzheitliches Surveillance-System», das sowohl das den frei ausgeübten als auch den fremd organisier- abgestimmt sein sollte. Das folgende Zitat von Olsen ten Fussball einschliesst, eine Grundvoraussetzung et al. [380] illustriert in eindeutiger Weise den Stand 302 Fussball (Autor: Frank I. Michel) speziell von auf jungen eine Fussballspielern aggressive bzw. Spielweise bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 der Forschung in Bezug auf verletzungspräventive 5. Fazit und Präventionsempfehlungen 5.1 Fussball in der Schweiz Massnahmen im Kinder- und Jugendfussball und hat dementsprechend für die Planung und Realisierung verletzungspräventiver Strategien im Schweizer eine Fussball ist eine der in der Schweiz am häufigsten adequate ausgeübten Sportarten. 7,5 % der 15- bis 74-Jäh- research we cannot know which practices are rigen und 54,8 % der 10- bis 14-Jährigen spielen effective at reducing the risk of soccer injuries. Thus, zumindest sporadisch Fussball. Dabei bilden die although we were not able to generate specific Männer im Alter von 15 bis 29 Jahren den grössten practice recommendations aimed at youth soccer Anteil. nachhaltige Kinder- und Bedeutung: Jugendfussball «Without players, the gaps identified and the research reviewed do provide guidance for furthering Zu etwa 40 % wird Fussball im Verein gespielt, research efforts and tailoring studies to injury issues auch einen Anteil von 40 % macht das frei ausge- specific to younger players.» [380, S. 93]. übte – informelle – Fussballspiel aus. Hinzu kommt ein Anteil von knapp 20 % von Sportlern, die Fuss- Um Kinder und Jugendliche tatsächlich zu errei- ball in einer festen Gruppe (z. B. Grümpelturnier- chen, sollten statt direkten, rational adressierten Team) praktizieren. Botschaften, die nicht nur demotivierend, sondern durchaus auch «abschreckend» wirken können, Kinder und Jugendliche spielen Fussball nicht nur eher motivierende Ansprachen gewählt werden. im Verein, sondern vor allem auch im Schulsport Denn Kinder und Jugendliche wollen im Training und in Jugend+Sport-Kursen sowie natürlich mit keine Verletzungsprävention machen, sondern sie Kolleginnen und Kollegen im Quartier. wollen sich verbessern. Es kommt eben auf die richtige Verpackung an – auch im Fussball. 5.2 Insbesondere bei der Implementierung von fuss- Jährlich müssen ca. 54 000 Sportlerinnen und ballspezifischen Präventionsmassnahmen im Kin- Sportler infolge einer Fussballverletzung ärztlich der- und Jugendfussball, aber auch generell, sollte behandelt werden, Männer machen dabei einen die «Take Home Message» von Myklebust und Anteil von 94 % aus. In 1000 Fussballstunden Steffen ihre Berücksichtigung finden: «...stop tal- werden 1,8 Verletzungen registriert. Nach Unfallrate king about «injury prevention programs» or «spe- in Bezug auf die Expositionszeit rangiert der Fussball cial programs», call them «exercises that improve damit zuoberst im Klassement der in der Schweiz performance, and reduce injuries». This will make häufig ausgeübten Sportarten. Zwar haben alle it an easier sell!» [390, S. 858]. Verletzungen in der Präventionsarbeit Relevanz. Um aber Unfallanalyse spezifische Massnahmen zu entwickeln, werden die Unfallschwerpunkte übersichtsmässig tabellarisch zusammengefasst (Tabelle 78). bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 303 Die Analyse der Verletzungshäufigkeit nach Alters- von medizinischer Leistung und Produktivitätsaus- klasse zeigt einen steten Anstieg bis ins Altersseg- fall; 23 Mio. CHF davon fallen auf den Kinder- und ment der 26- bis 45-Jährigen. Neben den Kindern Jugendfussballbereich. und Jugendlichen bilden also noch die Männer bis ins mittlere Alter eine bedeutende Gruppe von 5.3 Risikoanalyse verletzten Fussballspielern. Aus wissenschaftlichen Übersichtsartikeln können Fussballer ziehen sich vor allem Verletzungen an eine Vielzahl von potenziellen Risikofaktoren im Sinn den unteren Extremitäten zu (knapp 70 %). Dazu von Mitursachen aufgelistet werden. Verletzungen gehören insbesondere Verstauchungen oder Zer- im Fussball sind in der Regel multikausal. Es wird rungen. Auch werden häufig Prellungen am Fuss deshalb versucht, einzelne Risikofaktoren explizit zu und an den Zehen registriert. beschreiben und deren Relevanz auf das Unfallgeschehen (attributables Risiko) zu bestimmen. Beinahe die Hälfte aller Verletzungen ereignet sich während dem Wettkampfbetrieb. Als Spielsituatio- Risikofaktoren sind auch im Kontext der effektiven nen, aus denen sich häufig Verletzungen ergeben, Situation auszumachen. Wichtige Faktoren sind sind «Kollisionen mit Gegenspieler», aber auch die neben dem Alter der Sportler auch der Charakter zwei Aktionen ohne Gegnereinwirkung «Landun- des Spiels, saisonale und meteorologische Aspekte, gen nach Sprung» und «abrupter Richtungswech- Ausrüstung und situative Voraussetzungen. sel» zu nennen. Mit etwa 20 % ist der Anteil der Verletzten als Folge von Hallenfussballtraining oder Nach heutigem Wissensstand spielen die im -spiel relativ hoch. Folgenden beschriebenen Risikofaktoren im Trainings- und Spielbetrieb eine entscheidende Verletzungen im Fussball kosten die Gesellschaft Rolle (Tabelle 79). Es wird zwischen intrinsischen – jährlich ca. 240 Mio. CHF, dies vor allem in Form den Mensch respektive das verletzungsgefährdete Tabelle 78 Fussball: Unfallschwerpunkte Wer? Männer (26–45 Jahre) Kinder und Jugendliche Was? Wie? Verletzungslokalität: Unterschenkel, Fuss, Sprunggelenk, Kniegelenk Verletzungsart: Bänderdehnung, Riss (Bänder / Sehnen / Menisken), Muskelzerrung, Prellung Durch Gegnerkontakt Ohne Gegnereinwirkung: Landung nach Sprung oder abrupter Richtungswechsel Tabelle 79 Fussball: Hauptrisikofaktoren für Verletzungen Menschbezogene Verletzungsvorgeschichte (wiederholte Verletzung) Konditionelle und koordinative Defizite Eigene aggressive Spielweise Reifeprozess 304 Fussball (Autor: Frank I. Michel) Umfeld-/ausrüstungbezogene Während Wettkampf/Spielbetrieb Regelwerk / Fairplay wird ungenügend durchgesetzt Defizite in Trainingsgestaltung Spielfeld in mangelhaftem Zustand Fehlende oder mangelhafte Spielerausrüstung Fehlende Sprunggelenkstabilisation nach Verletzung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Individuum betreffende – und extrinsischen – das lenkorthese das Risiko für eine weitere Verletzung Umfeld, die Ausrüstung (also die Exposition) deutlich reduzieren. betreffende – Risikofaktoren unterschieden. 5.4 Präventionsempfehlungen Zu den wichtigsten intrinsischen Risikofaktoren für eine Verletzung beim Fussball gehört die Verlet- Präventionsmöglichkeiten werden aus der Risiko- zungsvorgeschichte. Wer bereits früher einen Kör- analyse abgeleitet, aber auch aus einer Literatur- perteil verletzt hat, hat eine deutlich höheres analyse zusammengetragen und für den Schweizer Risiko, dieselbe Stelle wieder zu verletzen. Auch Kontext formuliert und mit Empfehlungen aus mangelnde Kondition oder koordinative Defizite einer Vernehmlassung bei Fachleuten ergänzt. Ein sind starke Prädiktoren für eine Verletzung. Wird bfu-Expertenteam bewertete die umfassende Liste im Kinderfussballbereich beim Vorgeben von An- von Präventionsmöglichkeiten nach den Kriterien forderungen im Training der körperliche Reifestatus Wirksamkeit, Effizienz und Umsetzbarkeit. Als nicht berücksichtigt, steigt das Risiko für Verlet- Ergebnis aus diesem Prozess resultiert eine Liste zungen. Ebenso wirkt sich eine zu schnelle Steige- von rung der Trainingslast risikosteigernd aus. Defizite Verletzungen im Fussball. Diese lassen sich den in der Trainingsgestaltung sind u. a. auch fehlende sechs ganzheitliche Entwicklung aller relevanter konditio- Beratung, Kommunikation und Kooperation zu- nellen und koordinativen Faktoren, Überforderung ordnen (Tabelle 80, S. 307). Empfehlungen Hauptfeldern für die Prävention Forschung, von Ausbildung, sowie Durchsetzen des Tragens der Schutzausrüstung. 5.4.1 Forschung Bei Wettkampfsituationen verletzen sich deutlich Grundlage einer wirkungsorientierten Präventions- mehr Sportler als im Training. Dabei spielen sowohl arbeit bildet die Kenntnisse des Unfallgeschehens. das Einhalten von Fairplay-Regeln, als auch das Dabei sollte künftig eine bessere Datengrundlage konsequente Durchsetzen dieser Regeln durch die zu wichtigen Indikatoren erarbeitet werden. Unter Spielleitung eine grosse Rolle. Fussballspiel im Liga- anderem sollte das Unfallgeschehen im Kinder- betrieb wird meist auf gut geeigneten Spielfeldern und Jugendalter besser erfasst werden. Auch fehlt ausgeübt. Wird aber Fussball im Training, in der noch fundiertes Wissen zu Risikofaktoren und zu Schule, bei Grümpelturnieren oder sonst in der der Wirkung von Präventionsarbeit für den Fussball Freizeit praktiziert und dies bei sehr unterschiedli- in der Schweiz, weitgehend muss auf Erkenntnisse chen meteorologischen Bedingungen kann auch aus ausländischen Studien abgestützt werden. vom Spieluntergrund und von der Spielfeldumge- Wissensmanagement, also Sammeln, Sichtung, bung fürs Training ein erhöhtes Verletzungsrisiko Bewerten, Aufarbeitung und Dissemination von ausgehen. Auch durch die Wahl der Ausrüstung, Wissen zu Verletzungen im Fussball gehört zu den insbesondere der Schuhe und Schienbeinschützer, Daueraufgaben wirkungsorientierter Präventions- kann der Spieler sein Risiko beeinflussen. Fussball- arbeit. Zudem sollen Themen fundiert aufge- spieler können zudem nach einer Verletzung in der arbeitet und ein Dossier «Unfallforschung im Fussgelenkregion mit dem Tragen einer Sprungge- Fussball» geführt werden, um Stakeholder aktiv bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Fussball (Autor: Frank I. Michel) 305 und reaktiv über potenziell wirksame Präventions- mal ist. Wünschenswert ist, dass die Suva zu- massnahmen im Fussball informieren zu können. sammen mit dem Schweizerischen Fussballverband Ausserdem sollten Präventionsmassnahmen im ihre Präventionskampagne weiterführt. Aber auch Kinder- und Jugendbereich in einer Interven- Fussballspielern und -spielerinnen, die nicht in tionsstudie umfassend evaluiert werden. einem Verein organisiert sind, sollten die Botschaften bzw. die Inhalte des Präventionspro- 5.4.2 Ausbildung gramms «die 11+» oder ähnliche Anstrengungen mit multifaktoriellem Ansatz vermittelt werden. Über die Zuständigen für die Ausbildung der Fuss- Diese Zielgruppe könnte mittels anderer Mult- balltrainer und -leiter soll darauf hingearbeitet wer- iplikatoren (z. B. Schulsportlehrer) zu muskulären den, dass Trainer fähig sind, die biologische Reife und koordinativen Anforderungen sensibilisiert der Kinder ihres Teams beurteilen und das Training werden. Da die Übungen auch einen polysportiven angepasst steuern zu können. Auch sollen in der Charakter besitzen, besteht die Möglichkeit, diese Ausbildung der Trainer vermehrt der Aspekt einge- in den Schulsport zu integrieren. Die Bedeutung bracht werden, dass im Kinder- und Jugendfuss- einer fairen Spielweise für sicheres Spiel – nicht ballbereich alters- und fertigkeits- respektive nur in Bezug auf Verletzungen bei anderen, ans Leistungsniveau angepasste Regeln dazu sondern auch bei sich selber – sollte in der beitragen können, gefährliche Situationen (z. B. Kommunikation ebenfalls vermehrt thematisiert Zweikämpfe bei grossem Kraft-, Grössen- oder werden. Zudem soll Trainern und Lehrern bewusst Leistungsgefälle) zu entschärfen. gemacht werden, wie durch entsprechende Vorbereitung und Leitung dem erhöhten Risiko bei 5.4.3 Beratung Wettkämpfen und Spielformen mit Wettkampfcharakter begegnet werden kann. Im Verkauf müssten Sportler besser über die individuell optimale Ausrüstung (Schuh, Schienbeinschoner, Sprunggelenkorthesen) informiert werden. Zudem sollen Trainer und Lehrpersonen in- 5.4.5 Kooperation struiert werden, welches im Kinder- und Jugendbereich die geeigneten Bälle sind. Die Beratungstätig- Mit einem programmatischen Vorgehen sollte keit der bfu im Bereich «sichere Sportanlagen» im Bereich Kinder- und Jugendfussball eine gilt es weiterzuführen. engere Zusammenarbeit für die Verletzungsprävention initiiert werden. Grundsätzlich ist eine bessere 5.4.4 Kommunikation Vernetzung der diversen Stakeholder im Fussball erstrebenswert. Hier sollte ein enger Austausch Fussballspieler sollen stärker für das Risiko sensibili- erfolgen, um ein gemeinsames Vorgehen zu er- siert werden, das sich aus einer Vorverletzung möglichen. ergibt. Ärzte sollen verletzten Sportlern den Weg zurück zur vollen Leistungsfähigkeit so vorgeben, Um von der intensiven sportwissenschaftlichen und dass das Risiko einer neuerlichen Verletzung mini- medizinischen Forschungstätigkeit in der Prävention 306 Fussball (Autor: Frank I. Michel) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 von Fussballverletzungen profitieren zu können, soll sich die bfu mit nationalen und internationalen Forschungsgruppen besser vernetzen. Einige der hier diskutierten Präventionsmassnahmen werden zumindest teilweise bereits umgesetzt. Andere bedürfen noch einer detaillierteren Auseinandersetzung, um die konkrete Umsetzung planen zu können. Dabei ist ein intensiver Austausch mit Partnern nötig. Die Verletztenzahl könnte sicher noch deutlich reduziert werden, damit das Fussballspiel auch weiterhin die wichtigste Nebensache vieler sportbegeisterten aktiven Sportler bleibt und zwar verletzungsfrei. Tabelle 80 Fussball: Präventionsempfehlungen Forschung Unfallforschung Wissensmanagement Studie «Prävention im Kinderfussball» Analyse Fokusthemen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Ausbildung Situationsgerechte Regeln und Vereinbarungen Strikte Durchsetzung bzw. Umsetzung des Regelwerks Reifeprozess Kindheit Trainingsgestaltung Beratung Spielerausrüstung: - Schuhe - Schienbeinschutz Sprunggelenksorthese Spielfeld Kommunikation Vorverletzung Konditionelle, koordinative Defizite Faire Spielweise Wettkampf/Spielbetrieb Kooperation Fussballprogramm Kinder und Jugendliche Internationaler Austausch Fussball (Autor: Frank I. Michel) 307 XII. Schlussfolgerungen Es liegt für die Schweiz erstmals eine umfassende Zum Unfallausmass können also weitgehend ver- Sicherheitsanalyse vor. Die wissenschaftliche Vor- lässliche Aussagen gemacht werden. Dafür liegen gehensweise soll dem Anspruch gerecht werden, zum Unfallhergang respektive zu den Risikofakto- dass Entscheidungsträgern mit dem Sicherheitsdos- ren für Sportunfälle kaum detaillierte Informatio- sier eine verlässliche Basis für die Planung der nen vor. Einzelne Schweizer Erhebungen können Sportunfallprävention zur Verfügung steht. Denn, als Element der Risikoanalyse dienen (v. a. Ski- und Sportunfälle reduzieren den unbestrittenen ge- Snowboardfahren, tödliche Sportunfälle, Ertrin- sundheitlichen Nutzen und den gesellschaftlichen kungsunfälle), weitgehend muss aber beim Auflis- Wert von Sport. ten von Risikofaktoren und deren Unfallrelevanz auf die ausländische wissenschaftliche Literatur Das Ausmass an Sportverletzungen ist für die oder auf Erwachsenen gut dokumentiert, für das Quantifi- werden. Expertenbeurteilung zurückgegriffen zieren des Unfalltotals sind aber Hochrechnungen nötig. Zum Unfallgeschehen in der Kindheit und Präventionsanstrengungen sind meist sehr spezi- frühen Jugend liegen nur unvollständige und zu- fisch für eine bestimmte Sportart. So haben bei- dem teilweise veraltete Daten vor. Dafür sind die spielsweise Interventionen für die Ertrinkungsprä- tödlichen Sportunfälle der Schweizer Wohnbevöl- vention keine Relevanz für den Schneesport, ausser kerung und die tödlichen Unfälle der Gäste aus wenn übergeordnete Ansätze, wie die grund- dem Ausland beinahe vollständig dokumentiert. sätzliche Verbesserung der Risikokompetenz, avisiert werden. In der Interventionsanalyse (Ski-, wurden dementsprechend für jede Sportarten- Snowboardfahren, Schlitteln / Rodeln), Radfahren gruppe eine breite Palette von Präventionsmöglich- abseits der Strasse (Mountainbiking), Berg- keiten diskutiert und auf ihre Eignung für deren sport (v. a. Bergwandern, Bergsteigen, Touren- Umsetzung hin bewertet. Total wurden in allen und Variantenfahren), Wassersport (Ertrinken) Sportarten zusammen 300 Präventionsmöglichkei- sowie Fussball bilden die Schwerpunkte im Unfall- ten bewertet (Kap. XIII, S. 310), 154 wurden als geschehen und sind damit auch die Haupttätig- «empfehlenswert», 31 als «sehr empfehlenswert» keitsfelder der Sportunfallprävention. Bei Sport- beurteilt. Die Sportarten(-gruppen) Schneesport und Ertrinkungsunfällen sterben in der Schweiz jährlich ca. 180 Personen. Im langjährigen Ver- Die Präventionsempfehlungen werden in allen gleich nähert sich das Ausmass der tödlichen Un- Unfallthemen den fünf Hauptfeldern Forschung, fälle langsam demjenigen im Strassenverkehr an Ausbildung, Beratung, Kommunikation und Ko- (2009: 319 Getötete). operation zugeordnet. Erst in der inhaltlich-konzeptionellen Planung und praxisorientierten Umsetzung einer Intervention, zum Teil im Austausch mit 308 Schlussfolgerungen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 potenziellen Präventionspartnern, muss künftig näher festgelegt werden, wie die Implementierung der Massnahme ausgestaltet werden soll und kann. Die Festlegung des Massnahmenpakets muss sich grundsätzlich auf die Situationsanalyse stützen. Meist sind jedoch zusätzliche, vertiefte Analysen erforderlich, die nicht Gegenstand des Sicherheitsdossiers sind. Zudem sollen in allen Unfallschwerpunkten heute bereits umgesetzte Präventionsmassnahmen mit Wirkungsnachweis unbedingt weiter geführt werden. Die vorliegende Sicherheitsanalyse Sport stellt den aktuellen Stand des Wissens dar und soll künftig basierend auf neuen Erkenntnisse aus der Sportunfallprävention aktualisiert werden. Zudem ist es denkbar, dass in einer nächsten Version weitere Themen hohe Bedeutung erlangen (z. B. Reiten, Eishockey), der Fokus auch auf Aspekte gerichtet wird, die bisher noch nicht aufgearbeitet wurden (u. a. Überlastungsschäden, Langzeitfolgen von Verletzungen) oder die bisherigen Themen vertieft analysiert werden. bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Schlussfolgerungen 309 XIII. Anhang Tabelle 81 Klassierung der Bewertung von Präventionsmöglichkeiten nach Sportart Sehr empfehlenswert Total «1»: 31 Empfehlenswert Total «2» : 154 Total «2» und «3»: 185 Bedingt empfehlenswert Total «3»: 103 Nicht empfehlenswert Total «4»: 11 Total: 300 Skala Prädikat 1 = Sehr empfehlenswert 2 = Empfehlenswert 3 = Bedingt empfehlenswert 4 = Nicht empfehlenswert 310 Anhang 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 ++ ++ ++ ++ ++ + + + +/+/- ++ ++ ++ + + + + +/+ +/- ++ + + +/++ + ++ ++ ++ ++ + + + + + +/+/+/+/- + + + +/+/+ + + +/+ +/- +/+ + +/+ +/+ +/++ 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 + + + +/+/+/+/+/+ +/+ +/– – +/- +/+/+/+/+/+/– – – – +/- +/+/+ +/+ +/+ +/– – – + + +/– Kinder/ Jugend Erwachsene Ertrinken Bergsport Radfahren Schlitteln Ski/ Snowboard Fussball Umsetzbarkeit Wirksamkeit Effizienz Bewertung Prädikat Prädikat 1 1 1 1 1 4 1 1 1 9 7 9 7 3 5 1 2 1 1 3 1 2 7 2 5 10 14 21 23 3 32 41 2 3 2 5 5 2 1 1 3 1 1 1 1 2 1 3 1 2 1 5 4 6 5 1 2 12 2 1 1 2 6 1 3 28 33 1 9 7 1 2 1 2 4 1 1 3 1 2 1 11 14 1 1 1 2 5 9 10 3 1 2 1 1 1 1 1 1 1 2 19 1 1 2 1 1 10 2 7 1 1 4 5 2 20 4 1 5 6 7 4 12 1 44 52 1 1 1 7 2 2 3 1 2 23 5 22 1 1 1 1 1 1 1 6 58 1 16 1 25 1 18 0 43 1 65 1 75 Skala Bewertung ++ = Sehr hoch + = Hoch +/= Mittel = Tief – = Sehr tief bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 82 Fussball: Bewertung der Risikofaktoren aus den bfu-Workshops, Kinder und Jugendliche Intrinsische Risikofaktoren Verletzungsgeschichte Hoch 3 Bedeutung Mittel J: 1 6 K: 1 Tief K: 1 - Vorverletzung, Rehabilitation Gelenkstabilität - Achsenfehlstellungen J: 2 - Hormonelle Aspekte (Frauen) K: 1 - Range of Motion - Kapsel Band Apparat Fussmorphologie Muskuläre Faktoren - Muskelkraft K: 2 3; J: 2 4 K: 2 J: 2 - Verkürzung der Muskeln - Beweglichkeit - Muskuläre Dysbalancen - Muskelsteifigkeit /-spannung Koordinative Fähigkeiten 6 - Gleichgewichtsfähigkeit J: 2 - Reaktionsfähigkeit K: 2 - Differenzierungsfähigkeit - Orientierungsfähigkeit - Rhythmusfähigkeit Konditionelle Faktoren 6 - Kraft - Ausdauer - Beweglichkeit - Schnelligkeit Psychologische Faktoren - Psychische (Über-) Belastung 2 1 J: 1 K:1 3 K: 1 - Negative Lebensereignisse - Negatives Selbstbild Aggressive Spielweise 1 - Spieler selbst J: 1 Spielniveau 2 1 J: 2 K: 1 - Spielklasse - Erfahrung - Trainingsgestaltung Alter 1 Geschlecht - Hormonelle Aspekte - Menstruationszyklus Köpergrösse J: 1 Beindominanz 1 Gesundheitszustand 2 bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 2; K: 1 1 3 Anhang 311 Tabelle 82 – Fortsetzung Fussball: Bewertung der Risikofaktoren aus den bfu-Workshops, Kinder und Jugendliche Extrinsische Risikofaktoren Wettkampf/ Spiel Trainingsbetrieb Spiel / Spielfeld - Ball Hoch 5 Bedeutung Mittel 1 J: 1 6 J: 2 Tief K: 1 K: 1 - Untergrund /Spielboden - Torpfosten - Bandenreklame / Umzäunung - Mobile Tore Wetter und klimatische Bedingungen 1 - In Bezug auf den Spieler 3 2 J: 1 K: 1 - In Bezug auf den Spielboden Regelwerk / Fairplay 6; J: 1 Spielerposition K: 1 J: 1 4; K: 1 Spielerausrüstung J: 1 2 K: 1 - Fussballschuh K: 2 J: 3 7 J: 1 Trainingsgestaltung J: 1 4 - Trainingsbelastung (Intensität, Umfang, Häufigkeit) K: 1 Schutzausrüstung K: 1 - Schienbeinschoner - Knöchelschoner - Kopfschutz Kulturelle Faktoren 1 3 - Ernährung (Fastenmonat) 1 K: 1 - Aggressionen Aggressive Spielweise 7 J: 1 K: 1 2 1 - Gegenspieler Spielniveau 1 - Spielklasse J: 1 - Erfahrung K: 1 - Trainingsgestaltung Spielbedeutung - Entscheidende Phasen 1 3 K: 1 J: 2 K: 1 - Aggressive Phasen - Mitspieler - Gegenspieler - Foulspiel Belastungsdauer 2; K: 2 1; J: 2 Trainerverhalten J: 1 3; K: 1 Elternverhalten K: 1 4, J: 1 Alkohol / Drogen 312 Anhang bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 83 Fussball: Bewertung der Präventionsmöglichkeiten aus den bfu-Workshops, Kinder und Jugendliche Intrinsische Risikofaktoren Massnahmen * Kraft Mangelnde konditionelle Faktoren K: Bewegungsanlässe als Hausaufgabe mit Belohnung * Ausdauer Konditionsfaktoren spielerisch ins Training integrieren * Schnelligkeit Trainerkurse * Reaktionsfähigkeit, Mangelnde koordinative Fähigkeiten Modifiziertes Trainingsprogramm «die 11» * Differenzierungsfähigkeit Koordinative Übungen sind fester Trainingsbestandteil (sportartspezifisch und zielgerichtet eingesetzt) * Orientierungsfähigkeit Koordinative Fähigkeiten mit Ball und mit Gegnerbeurteilung durchführen * Rhythmisierungsfähigkeit Trainerkurse * Muskelkraft Mangelnde muskuläre Faktoren K: Bewegungsanlässe als Hausaufgabe mit Belohnung * Verkürzung der Muskeln Stretching (Muskelverkürzungen) * Beweglichkeit Krafttraining * Muskuläre Dysbalancen Trainerkurse * Muskelsteifigkeit/-spannung Ganzheitliches Ganzkörpertraining von Kondition, Koordination und Stabilisation Verletzungsgeschichte Verletzungs- und Sportartspezifisches «Physio-Training» * Vorverletzung * Rehabliltation sportärztliche Untersuchung einschliesslich verletzungsrelevanter Leistungsdiagnostik Profisport Wird bereits umgesetzt Besteht noch Handlungsbedarf ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ Breitensport Elterkontakt: «Biografie-Blatt» Trainig um Muskulatur/Band-/Sehnenapparat wieder zu stärken ☺ ☺ * Achsenfehlstellungen Ungenügende Gelenkstabilität K: Bewegungsanlässe als Hausaufgabe- mit Belohnung ☺ * Hormonelle Aspekte (Frauen) Regelmässige Checks und Untersuchungen beim Arzt/Spezialisten * Range of Motion Stufengerechtes Übungsprogramm als Pflichtteil mit evtl. Hausaufgaben * Kapsel-Band-Apparat Wachstumsabhängige Fürhdiagnostik in Zusammenhang mit Sportärztlicher Untersuchung Trainingsprogramm/Physio, Selektion Verletzungen vollständig ausheilen lassen Qualitatives Krafttraining, Koordinationstraining bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 ☺ Anhang 313 Tabelle 83 – Fortsetzung Fussball: Bewertung der Präventionsmöglichkeiten aus den bfu-Workshops, Kinder und Jugendliche Extrinsische Risikofaktoren * Schienbeinschoner * Kopfschutz * Schuhe * Ball * Untergrund / Spielboden * Torpfosten * Umzäunungen / Bandenreklame * Mobile Tore ☺ 314 Massnahmen Wird bereits umgesetzt Ungenügende, falsche oder fehlende Schutzausrüstung: Spielerausrüstung Normvorgabe durch SFV (Schienbein-/Knöchelschoner) Gut informierte Eltern Infoanlass durchführen von Saisonbeginn Wettkampf MET (Most Equipment Team) Ausrüstungsgegenstände enstprechend Vorschriften (Ballgrösse usw.) Gradierung und Wirksamkeit/Funktionalität neu Schienbeinstützen Fussballschuh: Stollen / Aussensohlenkonstrultion Vorschriften Empfehlungen Interaktion mit Boden: Schutz vs. Risiko «Die richtige Ausrüstung»: Schoner, Schuhe, Handschuhe usw. Schuhe sind oft zu steif für Kinder Stollenanordung/-verteilung/-länge Anatomische Schuhform Wettkampf/Spiel Trainingsbetrieb (Belastungsdauer/ Trainingsgestaltung) Thema an Trainerkursen wie momentan scho vielerorts (?) praktiziert Trainingsgestaltung: Inhalte, Methoden und Wissen können in Trainerausbildungskursen integriert werden Wichtig, dass dafür gesorgt wird, dass die Trainer Ausbildungskurse und regelmässig Weiterbildungskurse besuchen Propaganda von J+S Kids: Erfassung und Einspurung der Trainer Angepasstes Regelwerk für Kinder Klare Realisierung des Regelewerkes Vorbildsfunktion des Trainers auch hinsichtlich Konsequenzen (z. B. Spielerausschuss, Stellungnahme vor Mannschaft Interaktion zwischen Trainer und Eltern auch diese sollen über die Konsequenzen informiert sein Fehlendes Regelwerk/ungenügend ausgeprägter Fairplay-Gedanke Förderung des Fairplaygedankens auf allen Stufen (Trainer, Spieler , Eltern) richtiges Verhalten dieser 3 Parteien Förderung der Spielformen ohne Schiedsrichter oder mit Rollenwechsel «Charte des Parnets» unterschreiben Tabelle erstellen zu: Die richtige und altersgerechte Belastung im Training und Spiel Traineranweisungen Lernen zu verlieren Durchgreifen des Schiedsrichters Definition Foulspiel Aggressive Spielweise Traineranweisungen Foul = 5 Minuten Strafe Balance zwischen Kampf und Respekt «Das richtige Verhalten» von Trainer, Spieler und Eltern Nicht optimal gestaltetes Spielfeld Kunstrasen /Rasenpflege Sturzräume schaffen «Die richtige Infrastuktur»: Tore, Netze, Boden, Bälle «Die 10 Infrastruktur Regeln» Besteht noch Handlungsbedarf ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ ☺ Vereine und Trainer müssen die Gefahren bezüglich Spielfelder und Materialzustand/ -gebrauch kennen Information Realisierung sicherheitsrelevanter Massnahmen auf/ am /um das Spielfeld Sensibilisierung über die Interaktion zwischen Boden und Schuh Altersgerechter Spielball (bezüglich Grösse und Beschaffenheit) Feuchter Spielball eliminieren oder ersetzen = wird nicht umgesetzt und es besteht kein Handlungsbedarf = wird bereits umgesetzt und es besteht Handlungsbedarf Anhang bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Tabelle 84 Fussball: Teilnehmer des bfu-Workshops, Kinder und Jugendliche Experte Bruno Truffer J+S, Fachleiter Fussball Institution Kontakt [email protected] Ja Zusage Daniela Lange J+S Kids Fussball [email protected] Ja Ruedi Schmid Präsident SVSS (Schweizerischer Verband für Sport in der Schule) [email protected] Absage Luca Balduzzi Football league [email protected] Ja Peter Knäbel SFV (Schweizerischer Fussballverband) Pius Disler ETHZ (Eidgenössisch Technische Hochschule Zürich) /PHZ (Pädagogische Hochschule Zentralschweiz) [email protected] Ja Flavio Serino PHZ [email protected] Absage Heinz Wyss SUVA [email protected] Ja Xaver Kälin Rennbahnklinik, Biomechanik [email protected] Ja Ja Tabelle 85 Fussball: Zusammenfassung der Resultate aus dem bfu-Workshop, Kinder und Jugendliche Folgende Risikofaktoren wurden von den Teilnehmern als die am Wichtigsten erachtet · Mangelnde konditionelle Faktoren · Mangelnde koordinative Fähigkeiten · Mangelnde muskuläre Faktoren · Verletzungsgeschichte · Ungenügende Gelenkstabilität · Ungenügende, falsche oder fehlende Schutzausrüstung · Wettkampf/Spiel · Trainingsbetrieb (Belastungsdauer/Trainingsgestaltung) · Fehlendes Regelwerk/ungenügend ausgeprägter Fairplay-Gedanke · Aggressive Spielweise · Nicht optimal gestaltetes Spielfeld Dazu wurden Massnahmen entwickelt. Die am dringendsten Durchzuführenden sind · Mangelnde koordinative Fähigkeiten: Koordinative Übungen sollten fester Trainingsbestandteil werden (diese sollten sportartspezifisch und zielgerichtet eingesetzt werden) · Mangelnde muskuläre Faktoren: Stretching zur Vorbeugung von Muskelverkürzungen, und sportartspezifisches und gezieltes Krafttraining · Verletzungsgeschichte: Verletzungen sollen vollständig ausgeheilt werden · Ungenügende Gelenkstabilität: bei Kindern können Bewegungsanlässe als Hausaufgaben gegeben werden und bei Durchführung sollen sie belohnt werden · Ungenügende, falsche oder fehlende Schutzausrüstung: Durch den SFV sollen Normvorgaben bezüglich der Ausrüstung gemacht werden (Schienbeinund Knöchelschonerschoner, Stollen, Schuhe, Handschuhe) · Fehlendes Regelwerk/ungenügend ausgeprägter Fairplay-Gedanke: - Förderung des Fairplay-Gedankens auf allen Stufen (Trainer, Spieler, Eltern) à richtiges Verhalten dieser 3 Parteien. - Förderung der Spielformen ohne Schiedsrichter oder mit Rollenwechsel · Nicht optimal gestaltetes Spielfeld: "Die 10 Infrastruktur Regeln" Feedback der Teilnehmer LB: Er ist sehr froh, dass die bfu diese Arbeit in der Unfallprävention in die Hand nimmt, da der SFV dieses Segment und diese Arbeit nicht bewältigen und ausführen kann. Sie schätzen die Zusammenarbeit. HW: Er weist darauf hin, dass die Seite "Lehrer" als Ergänzung auch mit dabei sein sollte, da auch viel Fussball ausserhalb des organisierten Sports vom Verband gespielt wird. (Schule, Grümpelturniere usw.). zudem fügt er an, dass Regeln aufgestellt werden sollten, die für jegliches Fussballspielen gelten sollten, egal in welchem Rahmen gespielt wird. (Bemerkung: Der SVSS wurde auch für das Kick-Off Meeting eingeladen, musste aber leider kurzfristig absagen. Sind jedoch an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert.) bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Anhang 315 XIV. Glossar Die im Folgenden beschrieben Begriffe sollen ein «gleiches Verständnis zur gleichen Sache» gewährleisten. Dies ist insofern notwendig, da in der Literatur teilweise die gleiche Sache unterschiedlich benannt ist bzw. für den gleichen Begriff ein unterschiedliches Verständnis vorliegt. Die folgende Begriffsbestimmung basiert primär auf dem bfu-Glossar, dem ein Konsens der bfu-Mitarbeiter zugrunde liegt. Begriffsbestimmungen bzw. Erläuterungen, die nicht aus dem bfu-Glossar stammen, sind explizit durch eine entsprechende Quellenangabe gekennzeichnet und direkt dort entnommen worden. Die Auflistung der folgenden Begriffe erfolgt alphabetisch. Attributables Risiko: Das attributable Risiko gibt an, zu welchem Anteil das Auftreten eines Ereignisses auf einen speziellen Risikofaktor zurückzuführen ist. Es somit an, um wie viel sich das Auftreten eines Ereignisses bei den Risikoexponierten senken lässt, wenn der Risikofaktor auszuschalten wäre. Das attributable Risiko berechnet sich, indem von der Inzidenz bei den Exponierten die Inzidenz bei den Nicht-Exponierten subtrahiert wird. Beteiligte Objekte: Als «Beteiligte Objekte» werden Objekte und Substanzen, die direkt am Unfallereignis beteiligt sind, verstanden. Beteiligte Objekt können einem Mechanismus zugeordnet werden. bfu, Aktualisierte Berechnung: Basis: Sommer H, Brügger O, Lieb C, Niemann S. Volkswirtschaftliche Kosten der Nichtberufsunfälle in der Schweiz: Strassenverkehr, Sport, Haus und Freizeit. Bern: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2007. bfu-Report 58; jährliche Neuberechnung auf der Basis aktualisierter Angaben [6]. bfu, Hochrechnung: Basis: Schätzung der Zahl der Personenschäden (Schweizer Wohnbevölkerung) aufgrund verschiedener Datenquellen; Vorteile: Umfassend; Nachteile: Keine Angaben zu Verletzungsmuster. bfu, Statistik der tödlichen Sportunfälle: Basis: Umfasst alle Unfälle der Schweizer Wohnbevölkerung und von ausländischen Gästen, die sich beim Ausüben einer sportlichen Tätigkeit (ohne Strassenverkehrsunfälle) in der Schweiz ereignen und bei denen die Opfer an den Folgen der Verletzung an Ort oder innerhalb von 30 Tagen nach dem Unfalltag sterben. Es wurden die Angaben folgender Organisationen verwendet: SSUV (UVG-Statistik der Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung UVG), sda (Schweizerische Depeschenagentur), SAC (Schweizer Alpen-Club), SHV-FSVL (Schweizerischer Hängegleiter-Verband), SLRG (Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft), SLF (Eidgenössisches Institut für Schnee- und Lawinenforschung). 316 Glossar bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 bfu, Statistik der Verletztentransporte im Schneesport: Basis: In Zusammenarbeit mit Seilbahnen Schweiz SBS, Angaben der Rettungsdienste ausgewählter Seilbahnen. Compliance: Als Compliance bzw. Komplianz wird die Bereitschaft des Patienten bezeichnet, Hinweise und Verordnungen des Arztes zu befolgen [391]. Der Begriff kann auch als Therapietreue verstanden werden. Zudem umfasst der Begriff auch die Bereitschaft des behandelnden Arztes, sich individuell auf den Patienten einzustellen [391]. Dieser Aspekt gewinnt zunehmend an Bedeutung, wobei der englischsprachige Begriff «Adherence» (Adhärenz) in diesem Zusammenhang immer häufiger benutzt wird. Eine gute Adherence beinhaltet eine konsequente Einhaltung des mit dem Arzt oder Therapeuten vereinbarten Behandlungsplans bzw. der Präventionsmassnahme. Dabei sollte die Behandlung bzw. die Umsetzung der Präventionsaktivität individuell auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen des Patienten abgestimmt sein. Effektivität (Effectiveness): Effektivität bezeichnet das Verhältnis von erreichtem Ziel zu definiertem Ziel. In Bezug auf eine unfallpräventive Massnahme entspricht die Effektivität dem Anteil aller Unfälle oder Verletzungen, der durch die Anwendung einer Massnahme unter Realbedingungen verhindert werden kann. Sie kann auch als Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen umschrieben werden. Effektivität ist im Unterschied zur Effizienz unabhängig vom nötigen Aufwand. Effizienz (Synonym: Wirtschaftlichkeit): Effizienz ist das Verhältnis zwischen dem erreichten Nutzen und den hierfür eingesetzten Mittel. In Bezug auf eine unfallpräventive Massnahme wird das Verhältnis der durch eine Massnahme bewirkte Schadensreduktion und der hierfür aufgewendeten Kosten verstanden. Epidemiologie: Die Epidemiologie beschäftigt sich als Wissenschaft mit der Darstellung der Verteilung und Ausbreitungsmodalitäten von Krankheiten bzw. Gesundheitsstörungen und Analyse in bestehenden Bevölkerungsgruppen. Ihr Ziel ist es, Einblick in die Entstehung (Pathogenes von Gesundheitsstörungen, Informationen und die dabei beteiligten Faktoren) sowie Hinweise zum zeitlichen Verlauf der Erkrankungen zu gewinnen. Ein Schwerpunkt liegt in der Kennzeichnung von Risikofaktoren [114, Zitat S. 176]. Exposition: Exposition bezeichnet die Einwirkung eines Einflussfaktors, der (mutmasslich) die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses beeinflusst. Evaluation: Evaluation ist die systematische Analyse eines Evaluationsgegenstands zur Beurteilung des Werts. Es werden unterschiedliche Arten von Evaluationen unterschieden (Strukturevaluation, Prozessevaluation, Wirkungsevaluation, Ergebnisevaluation, Formative Evaluation, Summative Evaluation). Fähigkeit (im Zusammenhang mit Motorik/motorischen Hauptbeanspruchungsformen): «Fähigkeiten sind verfestigte, mehr oder weniger generalisierte individuelle Voraussetzung bzw. Disposition zum Vollzug bestimmter Tätigkeiten.» [114, Zitat, S. 188] bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Glossar 317 Fertigkeit (im Zusammenhang mit Motorik/motorischen Hauptbeanspruchungsformen): «Fertigkeiten sind durch Wiederholung und Übung mehr oder weniger stark automatisierte Komponenten einer Tätigkeit oder Handlung. Sie gehört zu den speziell erworbenen und gespeicherten Eigenschaften des Menschen, zu den individuellen Dispositionen, Ressourcen bzw. Leistungsvoraussetzungen.» [114, Zitat S. 196] F-MARC Bricks: Übungsprogramm mit 10 Übungsformen, die speziell für die Verbesserung folgender Problempunkte entwickelt worden sind: Sprunggelenkstabilität, Kniegelenkstabilität, Flexibilität/Beweglichkeit, Kräftigung der Oberkörper-, Hüft- und Beinmuskulatur, Koordination, Reaktionszeit und Ausdauer. Inzidenz: Unter Inzidenz versteht man die Zahl der neu von einem Ereignis (z. B. einer Verletzung oder einem Unfall) betroffenen Personen in einem bestimmten Zeitraum und einer definierten Population. Diese Kennzahl hilft zu beschreiben, welche Unfälle bei welcher Personengruppe häufig vorkommen (z. B. Stürze bei Senioren). Strenggenommen darf die Inzidenz nur auf die exponierte/unter Risiko stehende Personengruppe bezogen werden. Konditionelle Fähigkeiten und Fertigkeiten: Der Begriff «Konditionelle Fähigkeiten und Fertigkeiten» umfasst die überwiegend energetisch determinierten motorischen Eigenschaften bzw. motorischen Hauptbeanspruchungsformen, die Voraussetzung zum Vollzug körperlicher Tätigkeiten und insbesondere sportlicher Bewegungshandlungen sind. Die konditionellen Eigenschaften umfassen die Komponenten Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit sowie Beweglichkeit [114]. Koordinative Fähigkeiten und Fertigkeiten: Koordinative Fähigkeiten und Fertigkeiten stellt eine Sammelbezeichnung für die überwiegend von den informationsaufnehmenden und informationsverarbeitenden Prozessen determinierten Bedingungen zur Realisierung von Bewegungshandlungen dar [114]. Es existiert keine Einheitlichkeit zur Systematisierung der koordinativen Eigenschaften [114]. Beispielsweise unterscheiden Meinel und Schnabel bei den koordinativen Eigenschaften zwischen der Gleichgewichtsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit, Rhythmisierungsfähigkeit, räumlichen Orientierungsfähigkeit, kinästhetischen Differenzierungsfähigkeit, Kopplungsfähigkeit und Umstellungsfähigkeit [392]. Letalität: Letalität ist ein Mass für die Gefährlichkeit von Unfällen und entspricht der Wahrscheinlichkeit, dass eine unfallbedingte Verletzung tödlich endet (Berechnungsvorgabe: Anzahl Todesfälle pro 10 000 Verletzte). Motorische Hauptbeanspruchungsformen: Der Begriff «Motorische Hauptbeanspruchungsformen» stammt ursprünglich aus der Sportwissenschaft (Trainingswissenschaft und Sportbiologie). Die motorischen Hauptbeanspruchungsformen lassen sich nach Weineck [393] in zwei Teilbereiche differenzieren. Es werden die (überwiegend) konditionellen Eigenschaften (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit) von den (überwiegend) koordinativen Eigenschaften (Beweglichkeit, Gewandtheit) unterschieden. Beide Teilbereiche stehen in einer Wechselbeziehung miteinander, weshalb es zu Überschneidungen der einzelnen Eigenschaften kommt. Die 318 Glossar bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 konditionellen Eigenschaften basieren primär auf energetischen Prozessen und die koordinativen primär auf zentralnervösen Steuer- und Reglungsprozessen [393]. In der Praxis treten die konditionellen Eigenschaften in den seltensten Fällen als «Reinformen» vor, vielmehr existieren im Allgemeinen «Mischformen» [393]. Neben der (übergeordneten) Differenzierung nach den motorischen Hauptbeanspruchungsformen existieren noch andere Gliederungen, die je nach Fokus bzw. Zielstellung voneinander abweichen können [114,392–394]. Muskuläre Dysbalancen: Unter «Muskulären Dysbalancen» (Ungleichgewicht) versteht man verstärkte Muskelverkürzungen und/oder Muskelabschwächungen zwischen Agonist (= Spieler) und Antagonist (= Gegenspieler) durch einseitige Kraftentwicklung bei gleichzeitiger Vernachlässigung ihrer Dehnungsfähigkeit. Sie werden hervorgerufen durch mangelnde bzw. fehlende körperliche Beanspruchung, einseitige Belastung beim Sport oder im Alltag, ungenügende Regeneration, falsche Bewegungsausführung, aber auch Verletzungen am Bewegungsapparat (http://de.wikipedia.org/wiki/Muskul%C3%A4re_Dysbalance). Odds Ratio (Chancenverhältnis): Odds Ratio gibt an, um wie viel sich die Chance, dass ein Ereignis eintritt, durch einen Einflussfaktor verändert (Verhältnis der Chance bei den Exponierten zur Chance bei den Nicht-Exponierten). Das Odds Ratio ist ein Mass dafür, um wie viel grösser die Chance sich zu verletzen (im Sinn einer Quote) in der Gruppe mit Risikofaktor ist, verglichen mit der Gruppe ohne Risikofaktor. Plyometrisches Training/Trainingsform: Plyometrie bezeichnet eine Art von Schneelkrafttraining, die auf dem Dehnungsreflex der Muskeln und der Kontrolle über diesen sowie des Muskelspindels beruht. Häufige Anwendung dieses Trainings findet man bei Hochspringern, Sprintern, Basketball-Spielern und Torhütern sowie in anderen Sportarten, die auf Sprintschnelligkeit oder Sprungkraft setzen (http://de.wikipedia.org/wiki/Plyometrie). Prävalenz: Unter Prävalenz wird die Häufigkeit verstanden, in der ein bestimmtes Merkmal in einer bestimmten Bevölkerung vorkommt. Prävention: «Der Begriff «Prävention» leitet sich von dem lateinischen Wort «praevenire» ab, das so viel wie «zuvorkommen» oder «vorbeugen» bedeutet. In der Literatur wird der Begriff «Prävention» unterteilt in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention sowie Verhaltens- und Verhältnisprävention. Diese Unterteilung ist überaus sinnvoll, da das Ziel der Prävention zum einen die Erhaltung der Gesundheit ist und zum anderen das möglichst frühe Erkennen von Krankheiten, um diese wirksam behandeln bzw. einer Verschlechterung entgegenwirken zu können.»[395] Präventionsarten: Bei den Präventionsarten wird grundsätzlich zwischen Verhaltensprävention und Verhältnisprävention differenziert. Verhaltensprävention zielt bzw. ist fokussiert auf das Verhalten der Zielperson, aber beinhaltet auch auf das Verhalten einwirkende Faktoren wie beispielsweise Einstellung, Wissen, Gefahrenbewusstsein oder soziale Normen. Dahingegen zielt Verhältnisprävention auf die Strukturen, die bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Glossar 319 die eigentlichen Zielpersonen umgeben. Die Verhältnisprävention definiert die Rahmenbedingungen und schaltet dadurch die persönlichen Wahlmöglichkeiten im Verhalten weitgehend aus. Präventionsmassnahmen: Durch adäquate Präventionsmassnahmen erfolgt eine von aussen gesteuerte, zielorientierte und systematische Einflussnahme, um unfallbedingte Verletzungen zu verhindern oder weniger wahrscheinlich zu machen. Präventionsmassnahmen beschreiben einzelne Präventionsmöglichkeiten konkret. Sie weisen in ihren Ausführungen bzw. ihrer Beschreibung einen Detailierungsgrad auf, der tief genug ist, die beschriebene Massnahme für Umsetzer als Handlungsanleitung zu dienen. Präventionsmöglichkeiten: Als Präventionsmöglichkeit wird grundsätzlich jede denkbare Präventionsmassnahme verstanden. In Abgrenzung zu Präventionsmassnahmen geben Präventionsmöglichkeiten nur einen globalen Präventionsansatz bzw. -richtung vor. Eine Konkretisierung im Zusammenhang mit einer klar beschriebenen umsetzungsorientierten Handlungsanleitung erfolgt erst auf der Ebene der Präventionsmassnahme. Präventionsphasen: Zur Primärprävention gehören gezielte Massnahmen zur Reduktion von Unfällen. Die Massnahmen zielen auf die Verringerung bzw. Schwächung von Risikofaktoren und auf die Stärkung von Schutzfaktoren. Sekundärprävention beinhaltet gezielte Massnahmen zur Reduzierung von Verletzungen und zur Verminderung der Verletzungsschwere bei verunfallten Personen. Unter Tertiärprävention wird die Prävention von verletzungsbedingen Spätfolgen verstanden. Die Erstversorgung (Erste-HilfeMassnahmen) wird auch der Tertiärprävention zugeordnet. Präventionsprogramm: Ein Präventionsprogramm beinhaltet eine Gruppe koordinierter Präventionsmassnahmen, die auf das Erreichen gemeinsamer Ziele ausgerichtet sind. Präventionsstrategien (Synonym: E-Strategien): Präventionsstrategien beschreiben die Umsetzungsmöglichkeiten zur Zielerreichung mit edukativen, rechtlichen und technischen Präventionsarten. Neben diesen drei Hauptkomponenten werden zudem noch ökonomische Präventionsmöglichkeiten (Economy), Präventionsmöglichkeiten, die das medizinische Vorsorgesystem inkl. dem Rettungswesen (Emergency medical service system) betreffen sowie das Empowerment (Ermächtigung) hinzugezählt. Insbesondere im Zusammenhang mit der Sturzthematik erscheint eine Erweiterung um die Komponente «Training» (Excercise) als sinnvoll. Propriozeption: Der Begriff bezeichnet jene körperlichen Empfindungen und Informationen, die sich auf die Sinnesorgane der Muskeln, Sehen und Gelenke beziehen [114]. Relatives Risiko: Das relative Risiko gibt an, um wie viel sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt, durch einen Einflussfaktor verändert. Das relative Risiko wird als Verhältnis des Risikos bei den Exponierten zum Risiko bei den Nicht-Exponierten berechnet. 320 Glossar bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Risikofaktor: Ein Risikofaktor ist ein Umstand oder ein Merkmal der Person oder Umwelt, dessen Vorhandensein mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit einhergeht, von einem negativen Ereignis betroffen zu sein. Risikofaktoren stellen generell Gegebenheiten dar, die das Unfallgeschehen massgeblich beeinflussen. Diese können sich auf die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Unfalls beziehen oder auf die Wahrscheinlichkeit, dass bei eingetretenem Unfallereignis ein schwerer Personenschaden bzw. eine Verletzung entsteht [396]. Entsprechend werden diese als Unfallrisiko- und Verletzungsrisikofaktoren bezeichnet. Es kann davon ausgegangen werden, dass die beiden Arten von Risikofaktoren weitgehend übereinstimmen. Die beiden Arten von Risikofaktoren stehen auch im Zusammenhang mit den Präventionsbemühungen. Während sich die primäre Prävention auf Risikofaktoren der Unfallwahrscheinlichkeit bezieht, zielen sekundäre und tertiäre Prävention auf Verletzungsrisikofaktoren [396]. Intrinsische Risikofaktoren besitzen eine individuelle biologische (physische), physiologische oder psychologische Charakteristik, die das Risiko einer Verletzung erhöhen oder vermindern (von innen kommend). Extrinsische Risikofaktoren sind Risikofaktoren, die zum Zeitpunkt eines Unfall-(Verletzungs)ereignisses von aussen eine Rolle spielen (von aussen kommend). Risikogruppen: Risikogruppen sind spezifische Personengruppen, die im Vergleich zu ihrer Populationsgrösse überdurchschnittlich häufig von einem negativen Ereignis betroffen sind. SSUV, UVG-Statistik: Basis: Hochrechnung einer 5 % Stichprobe aller registrierten Nichtberufsunfälle (Unfallort Schweiz und Ausland) der obligatorisch nach UVG versicherten ca. 16- bis 65-jährigen Personen (2010: ca. 4 Mio. Versicherte). Fälle mit Anspruch auf IV- oder Hinderlassenenrenten werden vollumfänglich erhoben; Vorteile: Verletzungsmuster im Detail bekannt, Angaben zu Tätigkeit und Umgebung sowie Kategorien zu Hergang; Nachteil: Fehlende Personengruppen (Kinder, Studierende, Senioren, andere Nichterwerbstätige). Umsetzbarkeit (Synonym: Realisierungschance): Wahrscheinlichkeit, dass eine Massnahme in Anbetracht der gegebenen Rahmenbedingungen umgesetzt werden kann. Die Umsetzbarkeit ist eingeschränkt, wenn finanzielle, politische (gesetzliche), gesellschaftliche, technische oder andere Hindernisse vorliegen. In Abgrenzung zum Realisierungsgrad wird davon ausgegangen, dass die Massnahme umsetzbar ist. Unfall: Ein Unfall ist ein unerwünschtes, von aussen auf einen und/oder mehrere Menschen oder Dinge rasch bzw. plötzlich einwirkendes Ereignis, das ohne eine Absicht bewirkt wurde. Aus einem Unfall folgt die Schädigung der Gesundheit und/oder eines Sachwerts. Unfallbereich: Als Unfallbereiche bezeichnet die bfu die Bereiche, nach denen sie aus operativer und strategischer Perspektive Nichtberufsunfälle differenziert. Sie unterscheidet zwischen den Unfallbereichen «Strassenverkehr», «Sport» sowie «Haus und Freizeit». bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Glossar 321 Unfallhergang: Der Unfallhergang entspricht einer Beschreibung der Abfolge der Ereignisse eines Unfalls. Oftmals beinhaltet der Unfallhergang eine ausführliche narrative Beschreibung eines Unfallereignisses. Er kann durch Klassifikationen oftmals nur unvollständig abgebildet werden. UVG, Unfallversicherungsgesetz: Gegen Berufsunfälle sind alle Arbeitnehmer (ca. 16- bis 65-jährig) obligatorisch versichert; Gegen Nichtberufsunfälle sind alle Arbeitnehmer obligatorisch versichert, die mindestens 8 Stunden pro Woche bei einem oder mehreren Arbeitgebern angestellt sind. Gemäss der «Verordnung über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen» sind alle Arbeitslosen (Stellensuchenden) gegen Nichtberufsunfälle versichert. Verletzung: Eine Verletzung ist jeder Schaden am menschlichen Körper, hervorgerufen durch akute Exposition von thermischer, mechanischer, elektrischer oder chemischer Energie oder das Fehlen von lebensnotwendigen Stoffen wie Wärme oder Sauerstoff. Die Spätfolgen von Verletzungen (beispielsweise Arthrosen) werden nicht zu den Verletzungen gezählt. Verletzungsmechanismus: Sowohl im Allgemeinen als auch im weiteren Sinn kann der Verletzungsmechanismus als die Art und Weise bezeichnet werden, wie eine Person verletzt wurde. Die Entstehung einer Verletzung kann oft als Abfolge von verschiedenen Mechanismen beschrieben werden, wobei der direkte/unmittelbare Mechanismus für die Verletzung, der auslösende Mechanismus für den Beginn des Verletzungsereignisses verantwortlich ist. Whiting und Zernicke [397] weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Beschreibung des Verletzungsmechanismus von der Perspektive der involvierten Person mit abhängig ist. Ärzte, Trainer, Epidemiologen, Biomechaniker oder Physiotherapeuten definieren und benutzen diesen Begriff auf unterschiedliche Art und Weise, wobei dies in Abhängigkeit ihrer Perspektive jeweils korrekt ist. Zudem existieren beispielsweise in der Sportmedizin unterschiedliche (anerkannte) Klassifikationssysteme. Verletzungsschwere: Die Verletzungsschwere entspricht dem Schweregrad der erlittenen Verletzung(en) anhand eines Kriteriums. Jede erlittene Verletzung hat ihren eigenen Schweregrad. Mehrere Verletzungen können zu einem Personengesamtwert zusammengefasst werden. dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: Bewertung wie im Unfallprotokoll, Spitaltage, höchster AIS-Wert (MAIS), Berechnung des ISS, NISS usw. Für den vorliegenden Bericht wird für die Einschätzung der Verletzungsschwere das Kriterium des «Spitalaufenthalts» herangezogen: Leichtverletzte: Kein Spitalaufenthalt Mittelschwerverletzte: Spitalaufenthalt von 1 bis 6 Tagen Schwerverletzte: Spitalaufenthalt von 7 oder mehr Tagen Invalidität: Dauerhaft teil- oder vollinvalid, Definition gemäss Art. 8 ATSG Wirksamkeit (Efficacy): Wirksamkeit bezeichnet das Ausmass, in dem ein gewünschtes Ergebnis erreicht wird. In Bezug auf eine unfallpräventive Massnahme entspricht die Wirksamkeit dem Anteil aller Unfälle oder Verletzungen, der durch die Anwendung einer Massnahme unter Idealbedingungen verhindert werden kann. 322 Glossar bfu-Sicherheitsdossier Nr. 10 Quellenverzeichnis [1] Schmitt H. Degenerative Gelenkserkrankungen nach Leistungssport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin. 2006;57(10):248–254. [2] Mayer J, Thiel A. Verletzungen im Leistungssport aus soziologischer Perspektive. Sportwissenschaft. 2011;2:124–136. [3] Oiestad BI, Engebretsen L, Storheim, Risberg MA. Knee osteoarthritis after anetrior cruciate ligament injury: a systematic review. Am J Sports Med. 2009;37:1434–1443. [4] Caine DJ, Golightly YM. Osteoarthritis as an outcome of paediatric sport: an epidemiological persperctive. Br J Sports Med. 2011;45(4):298–303. [5] Maffulli N, Longo UG, Gougoulias N, Loppini M, Denaro V. Long-term health outcomes of youth sports injuries. Br J Sports Med. 2010;44(1):21–25. [6] Sommer H, Brügger O, Lieb C, Niemann S. Volkswirtschaftliche Kosten der Nichtberufsunfälle in der Schweiz: Strassenverkehr, Sport, Haus und Freizeit. Bern: bfu - Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2007. bfu-Report 58. [7] bfu - Beratungsstelle für Unfallverhütung. Mehrjahresprogramm 2011-2015. Bern: bfu; 2010. [8] Lamprecht M, Fischer A, Stamm H. Sport Schweiz 2008: Das Sportverhalten der Schweizer Bevölkerung. Magglingen: Bundesamt für Sport BASPO; 2008. [9] Lamprecht M, Fischer A, Stamm H. 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