„Alesia? Alesia kenne ich nicht.“ – Römische - sebastian

Transcription

„Alesia? Alesia kenne ich nicht.“ – Römische - sebastian
Der Inhalt dieser Arbeit unterliegt dem deutschen
Urheberrecht und ist über die Creative Commons
Lizenz BY-NC-SA zugänglich. Ausdrücklich
ausgenommen davon sind die Abbildungen, deren Rechte beim jeweiligen Verlag bzw.
Autor/Zeichner liegen. Abbildungsnachweise sind im Anhang zu finden.
HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN
Institut für Klassische Philologie
PS Caesar: Bellum Gallicum
SS 2003
„Alesia? Alesia kenne ich nicht.“ –
Römische Wahrheit im französischen Nationalcomic
von Sebastian Fischer
Berlin, 2003
INHALTSÜBERSICHT
1.
Vorbemerkung
3
2.
Zielsetzung
3
3.
Kurzschilderung der beiden Abenteuer:
5
Asterix und der Arvernerschild und Asterix bei den Belgiern
4.
„Ich werde ihnen zeigen, wer hier der Herr ist!“ –
6
Caesars Bellum Gallicum als Asterix’ Grundlage
a.
Geschichtliches
6
b.
Fiktive und reale Namen
8
c.
Gallierdarstellung
9
a) keltische Gallier
9
d.
5.
b) Belgier
11
c) der Stammesführer Majestix
12
d) der Druide Miraculix
13
Sprachspiele
13
Bellum Gallicum in Sprechblasen:
15
Caesaris e commentariis de bello Gallico Bellvm Helveticvm
6.
Schluss
16
7.
Bildnachweis
17
8.
Quellenangabe
18
-2-
1. VORBEMERKUNG
Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt… Ganz Gallien? Nein!
Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.
Und das Leben ist nicht leicht für die römischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern
Babaorum, Aquarium, Laudanum und Kleinbonum liegen…1
So wie diese Sätze dem geneigten Leser in unzähligen Geschichten des kleinen Galliers
Asterix von Kind auf entgegengetreten sind und den Beginn eines jeden Abenteuers
markieren, so wird auch der Anfang in Caesars Commentarii de bello Gallico (im Weiteren:
BG) – „Gallia est omnis divisa in partes tres“2 – wohl zu den ersten lateinischen
Schriftstellerworten jedes Schullateiners gehört haben.
Durch die zeitgleiche Lektüre der beiden unterschiedlichen
Abhandlungen desselben Geschichtszeitraumes wird der
Schüler, wie in späterem Alter auch der Erwachsene,
feststellen müssen, dass es sich bei den Asterixbänden nicht
um eine komische und rein fiktionale Widerspiegelung
heroisch glorifizierten Nationalstolzes zweier Franzosen –
Goscinny und Uderzo – handelt, sondern die Historie, wie sie
Caesar in seinen Commentarii3 aufzeichnete, die Grundlage
für die erzählerische Ausschmückung mit vordergründigem
Anspruch auf Amüsement bildet. Weder erwartet der Leser von den Autoren, noch diese von
sich selbst eine Abhandlung fundierten antiken Geschichtswissens, jedoch scheint
beachtenswert, wie viele Parallelen vom lateinischen Text zum Comicstrip gezogen werden
können.
2. ZIELSETZUNG
Es wird wohl der Anspruch dieser Arbeit bleiben müssen, nur einen Teil der vorhandenen und
die
Komik
unterstreichenden
Bezüge
auf
Caesars
Gallierdarstellung,
seine
Ereignisabhandlungen und aufgezeigten Kriegsgeschehen in allen Asterixabenteuern
aufzuführen. Deshalb scheint es sinnvoll, die Konzentration auf zwei Bände zu legen, die
1
Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix und der Arvernerschild. Berlin 2002, S. 3.
Gaius Iulius Caesar: Bellum Gallicum. Vollst. Ausg. mit e. Einleitung v. Hans Jürgen Tschiedel u.
Sacherklärungen u. ausgewähltem Bildmaterial v. Gerhard Ramming. Paderborn 1978, S. 31. (BG I, 1)
3
Rüpke schreibt, Caesar setze nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich seinen commentarius auf die Ebene
von historia, mache diese sogar (laut Hiritus und Cicero) überflüssig. Die Verwendung der dritten Person
Singluar schaffe es, auf semantischer Ebene Überparteilichkeit zu realisieren und Caesars Werk nicht als
politisches Pamphlet erscheinen zu lassen.
(Jörg Rüpke: Wer las Caesars bella als commentarii?. In: Gymnasium 1992 XCIX: S. 201-226, S. 206-212.)
2
-3-
durch das stereotype Auftreten der Hauptpersonen und Orte repräsentativ für die übrigen
Geschichten stehen.
Der eine greift durch Bezüge zu den Schlachten in Gergovia und
Alesia noch weitere wichtige Elemente in der Beziehung RomGallien auf: Asterix und der Arvernerschild;4 der andere widmet,
ausgehend von einem kleinen Zitat Caesars – „horum omnium
fortissimi sunt Belgae“5 –, eine ganze Geschichte dem gallischbelgischen Kampftemperament: Asterix bei den Belgiern,6 womit ein
Nebenschauplatz eröffnet wird, der einen Blick auf das Leben
anderer Bewohner der gallischen Regionen erlaubt.
In publizierten Abhandlungen7 über historische Grundzüge im französischen „NationalComic“ wird auch auf andere Quellen (wie Livius, Tacitus und Plutarch – um nur einige zu
nennen) zurückgegriffen, die in Anbetracht ihrer Quantität hier kaum einfließen werden, da
sich vordergründig mit Caesars Darstellung des Gallienfeldzuges beschäftigt und diese mit
den Lebensumständen in Asterix’ Gallien verglichen werden soll. Somit stellt die Arbeit sich
die Aufgabe zwischen den beiden Werken – in Hinblick auf die geographischen
Begebenheiten, die Charakteristika und das äußere Auftreten der Gallier sowie die historische
Folie des Comics – Parallelen zu ziehen und Grundmuster zu finden, die zu einer tieferen
Lektüre des oftmals als simpel konstruiert verstandenen Genres Comic8 führen sollen. Auch
die
simplifizierte
Sprache
der
Bildergeschichten
erhält
durch
den
Input
der
Antikendarstellung ein Recht auf Entfaltung, und der Dialog erhebt sich durch Wortspiele und
4
Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix und der Arvernerschild. Berlin 2002.
Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1)
6
Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix bei den Belgiern. Berlin 2001.
7
René van Royen; Sunnyva van der Vegt: Asterix – die ganze Wahrheit. Aus d. Niederländ. v. Nicole Albrecht.
Übers. franz. Bildtexte ins Dt. v. Gudrun Penndorf. München 1999.
Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun
Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001.
8
„Comics […], vor allem unter der Jugend verbreitete Unterhaltungslit., die man der  Trivialliteratur zurechnen muß, Hefte, die bildnerische, meist farbige Darstellungen und Textdarbietung in verschiedener Form
(Sprechblasen, ‚Denkkästchen’, epische Überleitungen) miteinander in Verbindung bringen. […] Die diesen
primitiven Bildgeschichten beigegebene Sprache ist weitgehend vereinfacht, standardisiert, im Satzbau
unvollständig und äußerst kurz gehalten.“ (Otto Bantel; Dieter Schaefer: Grundbegriffe der Literatur. Berlin
15
1993. s.v. ‚Comics’, S. 31.)
„[A]n der Informationsübertragung [sind] gleichzeitig verbale und non-verbale Zeichen (Bilder) beteiligt.
Semiotisch gesehen handelt es sich hierbei um multimediale […] Kommunikation.“ (Hans Grassegger:
Sprachspiel und Übersetzung. Eine Studie anhand der Comic-Serie Asterix. Tübingen 1985, S. 11)
„Die Sprechblase als Gattungscharakteristikum wird begleitet von gelegentlichen Erzähl- und Anmerkungsblöcken, die ebenfalls in den Bilderrahmen integriert sind.“ (Ebd., S. 13)
5
-4-
Kraftausdrücke
in
Verbindung
mit
verdeckten
Anspielungen
oder
lateinischen
Klassikerzitaten9 auf ein „Niveau des […] Latinums“.10
Um Caesars Exkursionsgedanken auch in dieser Arbeit aufzunehmen, wird im letzten Teil auf
ein Comic für den Schulunterricht (Caesaris e commentariis de bello Gallico Bellvm
Helveticvm11) verwiesen werden, der den Krieg gegen die Helvetier mit Hilfe von
Bilderreihen anschaulich macht und durch Lautmalereien sowie teilweise unvollständigen
Satzbau
Eigenschaften
des
Genres
zwar
aufgreift,
aber
trotzdem
eine
andere
Herangehensweise an den antiken Text verfolgt.
3. KURZSCHILDERUNG DER BEIDEN ABENTEUER:
ASTERIX UND DER ARVERNERSCHILD
Majestix muss aufgrund von Miraculix’ diagnostizierten Leberleidens zur Kur nach Aquae
Calidae in der Nähe des Arvernerlandes; und Asterix, Obelix und Idefix
werden ihn dorthin begleiten. Gleichzeitig lässt Caesar nach dem Schild
des Vercingetorix suchen, um einen Triumphzug durch das angeblich
wieder aufsässiger werdende Gergovia zu veranstalten. Wie das
Schicksal es will, beginnt ein Wettlauf zwischen Römern und Galliern
um das so für beide Seiten wichtige Triumphutensil. Die beiden
Protagonisten bereisen die Gegend um Gergovia, werden mit
kämpferischen Römern, unterdrückten, aber dennoch lebenslustigen Arvernern und vor allem
verschiedensten kulinarischen Bewirtungen konfrontiert, um am Ende dieser Geschichte
feststellen zu müssen, dass Majestix den Schlüssel zur Beendigung des Suchens trägt bzw.
vielmehr auf diesem getragen wird.
ASTERIX BEI DEN BELGIERN
Als den Kelten in Aremorica zu Ohren kommt, dass
Caesar die Belgier für die tapfersten aller Gallier hält,
brechen Majestix (der seine Ehre angegriffen sieht),
Idefix, Obelix und Asterix nach Belgien auf, um sich mit
den gallischen Freunden12 in einen Wettkampf um die
9
Kurt Reichenberger: Astérix Le Gaulois. In: Kindlers Neues Literaturlexikon. Hrsg. v. Walter Jens.
Studienausgabe. Bd. 6. München 1998, S. 700f.
10
Ebd.
11
Gaius Iulius Caesar: Caesaris e commentariis de bello Gallico Bellvm Helveticvm. composuit
Rubricastellanus. pinxit Faber. Stuttgart [u.a.] 1998.
12
„Denn wenn die Belgier tapfer sind, dann ist es recht für sie und schlecht für Cäsar. Wir sollten und lieber um
unsre eigenen Angelegenheiten kümmern.“ (Miraculix; in: Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 10.)
-5-
Tapferkeit zu begeben. Die Leidtragenden sind natürlich die römischen Feldlager der
Umgebung, so dass Caesar mit seinen Legionen anrücken muss, die der Kraft der drei vom
Zaubertrank gestärkten Kelten und der Belgier nicht gewachsen sind und aufgeben. Nur bleibt
letztendlich ein Schiedsspruch des römischen Feldherrn aus, vielmehr unterstreicht er mit dem
Satz „Ihr spinnt alle miteinander!“ die Stärke belgisch-gallischer Allianz.
4. „ICH WERDE IHNEN ZEIGEN, WER HIER DER HERR IST!“13 –
CAESARS BELLUM GALLICUM ALS ASTERIX’ GRUNDLAGE
4.1. GESCHICHTLICHES
Am auffälligsten scheint die Beibehaltung der vereinfachten
Gliederung des gallischen Gebietes bei Asterix aus dem ersten
Kapitel des BG. Auf der einführenden Karte14 sind die drei Teile, in
die Caesar Gallien aufteilt, eingetragen (den Vorgaben folgend:
„Gallos ab Aquitanis Garunna flumen, a Belgis Matrona et Sequana
dividit.“15) und bilden einen groben Überblick des besetzten Gebietes.
Hinzu
aber
kommen
noch
die
Bezeichnungen
„Provincia
Narbonensis“ an der Rhônemündung und „Armoricae“ (in der lateinischen Ausgabe:16
„Aremorica“) im Nordwesten Galliens. Majestix bezeichnet dies als seine Heimat („Wir
kommen aus Aremorica. Ich habe bei Gergovia mitgekämpft […]“17) und verweist damit auf
die übergeordnete Bezeichnung seines Stammes, die im BG zweimal genannt wird:
in his ab L. Roscio quaestore, quem legioni tertiae decimae praefecerat, certior factus est magnas
Gallorum copias earum civitatum, quae Aremoricae appellantur, oppugnandi sui causa convenisse neque
longius milibus passuum octo ab hibernis suis afuisse, sed nuntio adlato de victoria Caesaris discessisse,
adeo ut fugae similis discessus videretur.18
imperant […] X milia universis civitatibus, quae Oceanum attingunt quaeque eorum consuetudine
Aremoricae appellantur, quo sunt in numero Coriosolites, Redones, Ambibarii, Caletes, Osismi, Veneti, †
Lemovices †, Unelli.19
Da auch die Stämme der Bretagne und Normandie am allgemeinen Gallieraufstand
teilnahmen, war auch Majestix alter Veteran in Gergovia, „dem Schauplatz unseres großen
13
Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 18.
Ebd., S. 3.
15
Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1)
16
Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix. Clipeus Arvernus. in Latinum convertit Rubricastellanus. Stuttgart
1985.
17
Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 14.
18
Caesar: Bellum Gallicum, S. 120. (BG V, 53)
19
Ebd., S. 176. (BG VII, 75)
14
-6-
und unsterblichen Sieges“20, in dessen Nähe er sich im Arvernerschild mit seinen Begleitern
zur Genesungskur aufhält. Caesar hingegen lässt Gergovia nicht diesen Gallierruhm
zukommen, da der Sieg nur vermeintlich scheint:
ipse maiorem Galliae motum exspectans, ne ab omnibus civitatibus circumsisteretur, consilia inibat,
quemadmodum a Gergovia discederet ac rursus omnem exercitum contraheret, ne profectio nata a timore
defectionis similisque fugae videretur.21
Die französischen Autoren füllen so mit ihren „Kriegshelden“ die Lücke, die der Bericht
Caesars über die Verfassung der siegreichen Gallier nach Gergovia hinterlässt, nicht ohne
auch auf die andere wichtige Schlacht einzugehen.
Es wird der gallische
Triumph sofort in demselben
Bild22 mit
der
größten Niederlage bei
Alesia und der Unterwerfung ganz Galliens in
Verbindung gesetzt.
Asterix wolle Alesia besuchen,23 wird aber erst von Majestix, dann von Alkoholix auf die
Unkenntnis der Lage, ja gar auf die fragliche Existenz des Ortes verwiesen. Erst der Erzähler
muss die ironische Situation prosaisch erklären. Dadurch wird – um den reinen Bezug auf die
Niederlage 50 v. Chr., die mit dem Ende des gallischen Aufstands einherging, etwas im
Hintergrund stehen zu lassen – mit den Befindlichkeiten besiegter Völker in Hinblick auf
bestimmte Schlachten gespielt.24
Auch wird ein Bogen geschlagen an den Anfang des Abenteuers, bei dem das fast letzte Bild
des caesarschen BG das erste der Asterixgeschichte bildet:
Postero die Vercingetorix concilio convocato id bellum suscepisse se non suarum necessitatum, sed communis libertatis causa demonstrat, et quoniam sit fortunae cedendum, ad utramque rem se illis offerre, seu
morte sua Romanis satisfacere seu vivum tradere velint. mittuntur de his rebus ad Caesarem legati. iubet
arma tradi, principes produci. ipse in munitione pro castris consedit; eo duces producuntur. Vercingetorix
deditur, arma proiciuntur.25
20
Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 12.
Caesar: Bellum Gallicum, S. 161f. (BG VII, 43)
22
Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 12, siehe auch: Deckblatt.
23
Im Vordergrund steht hier die Kontrastsetzung der beiden für Gallier so wichtigen Orte, die Realität muss auch
dabei zurückstehen: Asterix, Obelix, Idefix und ihr arvernischer Begleiter Alkoholix bewandern die Gegend
um Gergovia (zwischen dem heutigen Vichy, Clermont-Ferrand und La Bourboule), müssten aber außerstande
sein, einen Abstecher nach Alesia (beim heutigen Dijon) zu unternehmen. Somit hat die Nennung des Ortes
einerseits (vorrangig) den Zweck des Amüsements – die Reaktion der Veteranen ist doch sehr verschleiernd –,
andererseits die Unterstreichung der Objektivität der französischen Autoren.
24
Neuzeitliche Bezüge könnten Waterloo und Stalingrad sein, obwohl bei diesen Schlachten keine unmittelbare
Entscheidung über die Besetzung des staatseigenen Gebietes stattfand.
25
Caesar: Bellum Gallicum, S. 182. (BG VII, 89)
21
-7-
Im BG bietet Vercingetorix
seinen Tod oder seine Auslieferung an die Römer an
– der „summae potentiae
adulescens“26, der mit Terror herrscht,27 wird zur
Geisel Caesars; im Asterix
hingegen wird der Verlierer zum vermeintlichen Gewinner und Caesar zum Leidtragenden. Der Arverner tritt mit
Würde,28 wenn nicht gar Hass auf, der Römer wird zum Witz seiner selbst und die mit ihm
verbundene Unterwerfung Galliens zur Farce, aber immerhin „geht Caesar [danach] neuen
Eroberungen entgegen“.29 Es ist dabei denkbar – auch aufgrund der Staatsangehörigkeit der
Autoren –, dass durch dieses Bild (Abb. 8) zweitausend Jahre nach dem Ereignis dem
historischen Verlierer, der 47 v. Chr. in Rom hingerichtet wurde, Ehre und dem Gewinner
Schmach entgegengebracht werden.
4.2. FIKTIVE UND REALE NAMEN
In den Asterixbänden gehen reale Personen und Orte der Geschichte mit fiktiven
Benennungen der erfundenen Figuren und Schauplätze – die bestimmten Grundmustern
folgen – einher:
Auf der einen Seite sind Vercingetorix, der Hauptführer des Gallieraufstandes 52 v. Chr., und
Caesar, dessen und der Gegner der übrigen Gallier, zu nennen. Der römische Statthalter steht
wie in seinem eigens verfassten Werk auch hier im Mittelpunkt der Streitkräfte des Reiches,
denn er war bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges 49 v. Chr. größtenteils in Gallien
verblieben.
Das Bild des brennenden Ehrgeizes und der alles beherrschenden Bestrebungen, das Plutarch
über Caesar erstellt, stimmt weitestgehend mit dem überambitionierten Mann in den Comics
überein. So wie er schon in jungen Jahren nach großer Macht strebte,30 so erscheint er auch
hier unbelehrbar in der Auseinandersetzung mit den widerspenstigen Galliern (indem er
26
Ebd., S. 143. (BG VII, 4)
Vgl.: Ebd., S. 145 (BG VII, 5)
28
Eingeflossen sind scheinbar auch Beschreibungen Plutarchs und Florus’, in denen Vercingetorix würdevoll
vom Pferd springt und schweigt bzw. sich als „starken Mann“ (Florus) bezeichnet. (Vgl.: Plutarch, Caesar
27,5; Florus I 45,26)
29
Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 5.
30
Vgl.: Plutarch, Caesar 11,3.
27
-8-
immer wieder versucht das Dorf zu erobern, indem er ein für allemal die Belgier und Kelten
schlagen will,31 indem er die Arverner mit dem Schild einschüchtern will).
Da aber Caesar in seinen Commentarii selten über Charakteristika seiner eigenen Person
schreibt, soll auch an dieser Stelle die Darstellung nicht vertieft, und auch die folgenden
Benennungen nur angesprochen werden:
Fiktive Namen in den
Comicbänden bestehen
aus einem definierenden
Teil32 und leitmotivischen Kennzeichen der
Stammes- oder Volkszugehörigkeit ihrer Träger (Suffix).
Römische Lager enden auf –um (z.B. ist „Laudanum“33 ein Schlafmittel34), Römer auf –us
(z.B. ist Gaius Faulus der „schlimmste Drückeberger der Legion“35) und die Bewohner
Galliens auf –ix, angelehnt an die Namen der Gallier im BG (z.B.: Ambiorix, Dumnorix,
Viridovix). Auffallend bleibt, dass dem Asterix als einziger Hauptperson die Endung –rix für
„König“ gewährt wird, und die Stammesführer sich mit dem Suffix –ix, gleichwie der
Großteil ihrer Männer, begnügen müssen.
4.3. DIE GALLIERDARSTELLUNG
a) KELTISCHE GALLIER
Vor allem werden Charaktereigenschaften, mit denen Caesar die Gallier, die sich in des
Feldherrn Augen barbarisch verhalten, und es für sie eine Wohltat sein müsse, die Zivilisation
als Unterwürfige Roms zu genießen,36 beschreibt, für die Dorfbewohner übernommen.
nam ut ad bella suscipienda Gallorum alacer ac promptus est animus, sic mollis ac minime resistens ad
calamitates ferendas mens eorum est.37
31
„Ich komme zu dem Treffen! Mit meinen Legionen! Ich zermalme euch! Ich reibe euch auf! Ich murkse euch
ab! Ich massakriere euch!“ (Caesar; in: Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 37.)
32
Grassegger unterscheidet dabei zwischen näherer Charakterisierung des Namensträgers („sprechende Namen“)
oder ob dieser mit „Anleihen an die heterogensten Bewusstseinsklischees“ etikettiert wird. (Grassegger:
Sprachspiel, S. 47)
33
Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 3.
34
Royen; Vegt: Wahrheit, S. 87.
35
Patrouillenführer; in: Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 24.
36
Demetrios E. Koutroubas: Die Darstellung der Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“. Heidelberg 1972, S.
200.
37
Caesar: Bellum Gallicum, S. 79. (BG III, 19)
-9-
Die Gallier sind leidenschaftlich und
mutig, aber auch großsprecherisch, was
Caesars
Versuch
römischen
Leser
unzuverlässig
präsentieren.
und
entspräche,
die
dem
Gegner
als
barbarisch
zu
38
Inwieweit sich die Kelten im Asterix bei
Niederlagen gegen die Römer verhalten,
ist, jedenfalls in den betrachteten Abenteuern, nicht herauszufinden, nur zeigt sich im
Umgang mit den Belgiern ein Siegesdrang sondergleichen. Jedoch die Schadenfreude,39 die
die Kelten gegen die Römer verlauten lassen, kommt
nicht von ungefähr. Caesar selbst schreibt im BG:
„plerumque
omnibus
Gallis
prae
magnitudine
corporum suorum brevitas nostra contemptui est“40,
wobei das römische Heer im Comic noch übertriebener
als „zu groß oder zu klein […], zu dick oder zu dünn
und zu lang oder zu kurz“41 dargestellt wird. Die
Angriffe auf den Feind geschehen dann auch spontan42
und ohne Ordnung43 und militärische Erfahrung – was bei einer kleinen Gruppe von zwei
oder drei Mann nicht verwunderlich scheint. Auch wird der Widerstand der Gallier gegen die
römische Unterwerfung von „beiden“ Caesaren (im BG und Asterix) als „rebellio“ definiert.44
Eine schon erwähnte Textstelle45 muss noch einmal aufgeführt werden, da die Bewohner des
gallischen Dorfes die dortige Beschreibung Caesars über die Aremoriker nicht erfüllen. In
keiner Szene im Asterix lassen sich die Kelten von einem Sieg des Römers auf solche Weise
einschüchtern, dass sie sich einer Flucht ähnlich zerstreuen.
38
Koutroubas: Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“, S. 185.
Während Obelix einem römischen Soldaten Ohrfeigen en gros verpasst, lässt er verlauten: „Ich fühl mich wie
zu Hause. Es sind die gleichen Typen wie bei uns!“ (Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 18.); oder in Vorfreude
auf den Angriff auf ein Römerlager: „Jetzt ziehn wir eine Schau ab!“ (Ebd., S. 17.)
40
Caesar: Bellum Gallicum, S. 70. (BG II, 30), siehe auch: Ebd., S. 119. (BG V, 51): „ac sic nostros
contempserunt“.
41
Royen; Vegt: Wahrheit, S. 113.
42
Vgl.: Caesar: Bellum Gallicum, S. 74. (BG III, 8): „ut sunt Gallorum subita et repentina consilia“.
43
Vgl.: Ebd., S. 66. (BG II, 19): „incredibili celeritate ad flumen decucurrerunt, ut paene uno tempore et ad
silvas et in flumine et iam in manibus nostris hostes viderentur. eadem autem celeritate adverso colle ad nostra
castra atque eos, qui in opere occupati erant, contenderunt.”
44
Vgl. Abb. 11 mit Caesar: Bellum Gallicum, S. 75. (BG III, 10): „rebellio facta post deditionem”.
45
Siehe: Fußnote 19.
39
- 10 -
b) BELGIER
Zwar
verwenden
Goscinny
und
Uderzo
hier
anscheinend den neuzeitlichen Begriff der Belgier,
um dem Leser eine Identifikation mit dem heutigen
Staat zu ermöglichen, aber es wird eindeutig klar,
dass es sich hierbei um die Belger des BG handelt,
einerseits durch den Satz, der später noch eine
wichtigere Rolle spielen wird,46 andererseits durch die Eigenbezeichnung im Asterix, die mit
den Stammesnamen in den Commentarii übereinstimmen. Auch entspricht das Gebiet genau
der Beschreibung Caesars:
Belgae ab extremis Galliae finibus oriuntur, pertinent ad inferiorem partem fluminis Rheni, spectant in
septentrionem et orientem solem.47
Die Aufzählung der Belgierstämme wird dem Antikentext48
ähnlich
auch
im
Comic vorgenommen
und
somit
die
Vielfältigkeit dieses Stammesbegriffes erklärt. Allerdings werden
die Kelten unter anderen einen Namen nicht vernehmen: den der
Remer, die sich nicht an der belgischen Koalition – oder wie
Caesar schreibt: „omnes Belgas […] contra populum Romanum
coniurare“49 – beteiligten und keine Truppen entsandten. Aber
die Bellovaken führen die Liste an, denen schon der römische
Feldherr den größten Einfluss zusprach,50 jedoch ist von der Zwietracht unter den Belgiern bei
Goscinny/Uderzo nichts zu bemerken.
Die Belgier treten so souverän auf, tapfer und stolz auf ihre Kriegstätigkeit und auf die
Tatsache, dass sie als einzige die Kimbern und Teutonen von ihrem Land fernhalten
konnten.51
secunda vigilia magno cum strepitu ac tumultu castris egressi nullo certo ordine neque imperio52
Auch der undisziplinierte Abmarsch ist den Belgiern im Asterix zu Eigen, da sie den Angriff
auf ein Römerlager mit Getöse und einem „Auf cheht’s!“53 beginnen und die Schlacht auch in
diesem Sinne führen. Nur von dem ungeheuren belgischen Heer, das Caesar in BG II, 4
46
Siehe: Punkt 4.5.
Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1)
48
Vgl.: Caesar: Bellum Gallicum, S. 59f. (BG II, 4)
49
Caesar: Bellum Gallicum, S. 58f. (BG II, 1)
50
Vgl.: Caesar: Bellum Gallicum, S. 60. (BG II, 4): „plurimum inter eos Bellovacos et virtute et auctoritate et
hominum numero valere”.
51
Koutroubas: Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“, S. 147.
52
Caesar: Bellum Gallicum, S. 63. (BG II, 11)
53
Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 15.
47
- 11 -
aufschlüsselt, 54 ist im Comic nicht viel zu erkennen, obwohl ihre Zahl die der Kelten
übertrifft.
c) DER STAMMESFÜHRER MAJESTIX
Man neigt dazu den Häuptling als einen bedeutenden und allseits respektierten Mann zu
betrachten, von dem die Zukunft des Stammes abhängt.
In dieser letzteren Hinsicht wird die Aufgabe Majestix’ in den
betrachteten Bänden ziemlich genau definiert – er gibt immer
der Anstoß der Handlung. Doch wird er auch in dem Moment
respektiert, wenn er vom Schild geworfen wird oder seine
Frau Gutemine ihm die Leviten liest (siehe Abb. 10)? Dadurch
wird aber nur die Uneingeschränktheit einer absoluten
Herrschaft aufgebrochen, denn die Gallier lassen oft den
Stammesführer hochleben bzw. erkennen seine Machtstellung,
wenn auch nicht unkommentiert, an.
in Gallia non solum in omnibus civitatibus atque in omnibus pagis partibusque, sed paene etiam in
singulis domibus factiones sunt, earumque factionum sunt principes, qui summam auctoritatem eorum
iudicio habere existimantur, quorum ad arbitrium iudiciumque summa omnium rerum consiliorumque
redeat.55
Obwohl Majestix Beschlüsse fasst, die nicht von allen „Untertanen“ getragen werden, so gibt
er sich nicht die Blöße einer internen Niederlage, sondern setzt seinen Dickkopf – wenn nötig
auch allein – durch.
Trotzdem muss gesagt werden, dass Entscheidungen im gallischen Dorf immer eine
demokratische Beratung voraussetzen. 56 Vorbild dafür könnte die Beschreibung der Helvetier
im BG sein, die mit den Worten „constituerunt“57 und „lege confirmant“58 eng verbunden ist.
Es wird deutlich, dass eine Volksversammlung souverän war und starke Persönlichkeiten
lediglich als Sprecher mit möglichst starken Argumenten auftreten konnten.59
54
Koutroubas meint, Caesar gebe diese Zahl von 308.000 Kriegern an, um seinen Sieg zu vergrößern.
(Koutroubas: Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“, S. 146)
55
Caesar: Bellum Gallicum, S. 127. (BG VI, 11)
56
„Doch ich berufe eine Versammlung ein! Und zwar stante pede!“ (Majestix; in: Goscinny; Uderzo: Belgiern,
S. 9.)
57
Caesar: Bellum Gallicum, S. 32. (BG I, 3)
58
Ebd.
59
René van Royen; Sunnyva van der Vegt: Asterix und die Belgier – oder : Eine frühe westeuropäische
Demokratie. In: Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt.
Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001, S. 178-195, hier: S. 187.
- 12 -
d) DER DRUIDE MIRACULIX
Vorrangig beschäftigt sich der Druide im gallischen Dorf mit der Magie – er braut den so
wichtigen Zaubertrank60 –, nimmt aber auch eine respektvolle Stellung (vielleicht sogar eine
höhere als Majestix) innerhalb der Gemeinschaft ein. Die Stimme des Druiden ist zusätzlich
wichtig in politischen und anderen Konflikten:
[Druides] rebus divinis intersunt, sacrificia publica ac privata procurant, religiones interpretantur […]
magnoque hi sunt apud eos honore. Nam fere de omnibus controversiis publicis privatisque constituunt, et
si quod est facinus admissum, si caedes facta, si de hereditate, de finibus controversia est, idem decernunt,
praemia poenasque constituunt.61 […] Druides a bello abesse consuerunt.62
In der Versammlung der Gallier zur Entscheidung über den Wettkampf mit den Belgiern ist
Miraculix
Häuptlings
der
und
Gegensprecher
wird
von
des
den
Dorfbewohnern so respektiert, dass diese
sich auf die Seite des Weisen schlagen
(„Unser Druide hat Recht!“63) und selbst
seinen Worte stets uneingeschränkt folgen
(„Ich teile sowieso immer die Meinung
unseres Druiden!“64).
Weiterhin wird sein Rat auch im Krankheitsfalle gesucht und befolgt, denn „multa praeterea
[…] de rerum natura […] disputant“.65
In anderen, hier nicht betrachteten Abenteuern der Gallier werden weitere wichtige
Begebenheiten der Druidenbeschreibung des BG aufgegriffen: die Wichtigkeit seiner
Anwesenheit in Der Seher, das alljährliche Druidentreffen bei den Karnuten in Asterix und
die Goten, sein Wissen um politische Gesetze in Das Geschenk Caesars.66
4.4. SPRACHSPIELE
Allgemein gesprochen werden hier also ganz bewußt Unschärfen der Sprache für Verwirrspiele genutzt,
um eine witzige Wirkung zu erzielen. Gemeinsam ist allen […] Wortspieltypen, daß sie auf den ersten
Blick in einer bestimmten Bedeutung verstanden werden sollen, zu der plötzlich – durch Kontext und
Bild gestützt – eine weitere unterschwellige Bedeutung hinzukommt.67
60
Die Wirkung der Mistel, die die Grundlage des Trankes bildet, wird schon von Plinius beschrieben (Plinius,
Naturalis Historia XVI, 251)
61
Caesar: Bellum Gallicum, S. 128. (BG VI, 13)
62
Ebd., S. 129. (BG VI, 14)
63
Troubadix; in: Goscinny; Uderzo: Belgiern, S. 10.
64
Asterix; in: ebd.
65
Caesar: Bellum Gallicum, S. 129. (BG VI, 14)
66
Royen; Vegt: Wahrheit, S. 32-35.
67
Gudrun Penndorf: Asterix übersetzen – oder das Wechselspiel in Bild und Sprache. In: Kai Brodersen (Hg.):
Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2.,
durchgesehene Aufl. München 2001, S. 212-230, hier: S. 213.
- 13 -
Im Vordergrund sollen hier nicht Wortspiele stehen, die laut Übersetzer der Asterixbände eine
gewisse Schwierigkeit in den verschiedenen Sprachen darstellen (Polysemie, Homonymien,
Homophonien, Paronymien, Antonymien, Synonymien u. ä.), da diese größtenteils
neuzeitliche Bezüge aufweisen.68 Daher werden an dieser Stelle drei Beispiele der direkten
Bezugnahme auf den caesarschen BG gezeigt:
• Als
Tullius
Firlefanzus nicht
den gewünschten
Arvernerschild
aus der Schatzkammer auftreiben kann, antwortet
Caesar
mit dem polysemen Begriff „Kommentar“ – einerseits zur (durch die bildnerische Gestaltung
unterstützten) Veranschaulichung der Ratlosigkeit bzw. des Ärgers, andererseits zum
intertextuellen Bezug auf die Commentarii, die die „Erinnerung an den gallischen Krieg“ 69
bilden. Es wäre anscheinend übertrieben, den Autoren zu unterstellen, dass sie sich mit
diesem Bild (Abb. 16) in die Debatte sowohl um die Geschichtsschreibung in Kommentarien,
als auch um den Zeitraum der Niederschrift des BG70 einmischten.
• „Gallia est omnis divisa in partes tres“:71 Die Wiederholung der Worte „Ganz Gallien […]
Ganz Gallien?“72 an jedem Beginn der deutschen Ausgaben des Asterix zwingt den Leser die
Vorbildstellung des BG zu erkennen. Ein Grund mehr, auch die lateinische Ausgabe des
Comics zu betrachten – um feststellen zu können, dass hier zwar „tota Gallia“73 geschrieben
steht, im Folgenden aber eine weitere Parallele gezogen werden kann: „est divisa in partes
quinque“74 (wie oben schon erwähnt mit Einbeziehung der Gegenden Aremorica und
Provincia Narbonensis).
•
horum omnium fortissimi sunt Belgae, propterea quod a cultu atque humanitate provinciae longissime
absunt minimeque ad eos mercatores saepe commeant atque ea, quae ad effeminandos animos pertinent,
important proximique sunt Germanis, qui trans Rhenum incolunt, quibuscum continenter bellum gerunt.75
68
Nähere Betrachtungen dazu finden sich in den Abhandlungen Grasseggers und Penndorfs.
Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 18.
70
…wenn man bedenkt, dass der Handlungszeitraum der Asterixabenteuer im Jahre 50 v. Chr. liegt, aber
angeblich noch kein Kommentar existiert.
71
Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1)
72
Goscinny; Uderzo: Arvernerschild, S. 3.
73
Goscinny; Uderzo: Clipeus Arvernus, S. 3.
74
Ebd.
75
Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1)
69
- 14 -
Die lobende Bemerkung Caesars nimmt im Belgier-Abenteuer
eine zentrale Rolle ein und führt zum Wettstreit der beiden
Stämme. Direkt oder indirekt – ganz zu schweigen von der
häufigen Verwendung des Couragiertheitsbegriffes – wird sechs
Mal im ganzen Band erwähnt, die Belgier seien von Caesar als die
Tapfersten bezeichnet worden.
Allzu inflationär findet man auch in vielen Bänden den
„von
Caesar
Stimmigkeit
ohne
Rücksicht
geäußerte[n]
auf
historische
Ausspruch
Veni, vidi,
vici“76, entweder in der lateinischen (Abb. 18) oder der
deutschen Fassung, in der „Ursprungs-“77 oder einer
veränderten Form. Da selbst dieses angebliche Wort
des Feldherrn Einzug in den Comic findet, muss man
wohl erkennen, dass – wenn auch der Römer der
vermeintliche Verlierer ist – doch so viele Themen, Stellen und Bezüge immer wieder auf den
römischen Autoren und sein Werk zurückgehen: Er ist der Fadenzieher auf der Ebene der
Handlung.
5.
BELLUM GALLICUM IN SPRECHBLASEN:
CAESARIS E COMMENTARIIS DE BELLO GALLICO BELLVM HELVETICVM
Im Unterschied zum Asterix wird hier keine Handlung mit Grundzügen des BG erfunden,
sondern die Commentarii – genauer der Krieg gegen die Helvetier – geben den Plot vor. An
zwei weitestgehend unkommentierten Beispielen soll belegt werden, dass die indirekte Rede
des Antikenwerkes im Comic zur direkten Rede78 umgeschrieben wurde:
•
Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt
Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae,
nostra Galli appellantur.79
76
Penndorf: Asterix übersetzen, S. 226.
Vgl.: Sueton, Caesar 37, 2.
78
„[D]ie direkte Rede [eignet sich] besonders, weil sie die Gedanken, die Gefühle und die Persönlichkeit des
Sprechers besser ausdrücken kann als die objektivierende indirekte Rede, in der die Persönlichkeit des
Redners zugunsten der Tatsachen beiseite geschoben wird. Die direkte Rede ist die frische Frucht des
Denkens, während die indirekte Rede sozusagen die Konserve dieser Frucht darstellt. Das gilt besonders,
wenn die direkte Rede eine tatsächlich gehaltene Rede genau wiedergibt.“ (Koutroubas: Gegner in Caesars
„Bellum Gallicum“, S. 191f.)
79
Caesar: Bellum Gallicum, S. 31. (BG I, 1)
77
- 15 -
Caesar hac oratione Lisci Dumnorigem, Diviciaci fratrem,
designari sentiebat, sed quod pluribus praesentibus eas res
iactari nolebat, celeriter concilium dimittit, Liscum retinet.
quaerit ex solo ea quae in conventu dixerat. dicit liberius
atque audacius. eadem secreto ab aliis quaerit; reperit esse
vera: ipsum esse Dumnorigem, summa audacia, magna
apud plebem propter liberalitatem gratia, cupidum rerum
novarum.80
•
Durch diese Methode der Dialogisierung ist es möglich,
Lesern die indirekte Rede des Originaltextes durch Zuweisung zu Charakteren auf
anschauliche (und damit auch verständlichere) Weise näher zu bringen. Es ist durch – den
Bilderreihen
typisch
–
Sprech-
und
Denkblasen,
Anmerkungsblöcken,
Ausrufen,
unvollständigen Sätzen, verbalisierten Geräuschen u. ä. der Urtext hin zum Comic
ausgeschmückt. Zusätzliche Textpassagen fördern den Handlungsfluss.
Man kann demnach feststellen, dass in dieser Art der Antikendarstellung Caesars Text die
wichtigste Rolle spielt. Anders als beim französischen Pendant werden Witz, Amüsement,
neuzeitliche Bezüge und Kritik außen vor gelassen, kurz gesagt: Der Comic des 20.
Jahrhunderts hat mit dieser Art der Darstellung Caesar vollständig eingenommen, ohne den
Text außerhalb der Notwendigkeit der Bildergeschichtendefinition zu paraphrasieren.
6.
SCHLUSS
Der Graben zwischen dem Asterix der Alltagswelt und der Fachwissenschaft blieb lange Zeit
groß, aber im Laufe der Beschäftigung mit der Materie um römische Grundlagen im
französischen Comic konnte erkannt werden, dass sich auf verschiedenen Ebenen
(Archäologie, Klassische Philologie, Moderne Sprachwissenschaft) dem gallischen Helden
genähert wurde. Dies erlaubt Lesern über den Tellerrand reiner Unterhaltung hinauszuschauen
und über die antike Welt bzw. antike Autoren zu erfahren. Es ist selbstverständlich, dass noch
viele weitere Parallelen ins Altertum bestehen – die hier keinen Eingang fanden – und dass
andere Abenteuer auch andere Themen bearbeiten.
Es ist daher sehr ratsam, die Asterixreihe mit einem unterhaltendem (lachenden) Auge, aber
gleichzeitig einem forschenden und suchenden Auge zu betrachten; und man wird erkennen
müssen, dass die Fiktion nicht die überragende Rolle in den Geschichte spielt, sondern
Geschichtliches (wie auch Neuzeitbezug und Kritik) immer wieder gefunden werden kann.
Die Bildergeschichten werden durch die Chiffrierung antiker Begebenheiten, Texte und
Überlieferungen auf eine andere, vielschichtigere Ebene gehoben, die viel zu entdecken
erlaubt, ja sogar verlangt.
80
Caesar: Bellum Gallicum, S. 38. (BG I, 18)
- 16 -
7.
BILDNACHWEIS
Deckblatt:
Goscinny; Uderzo: Asterix. Clipeus Arvernus, S. 3.
Abb. 1
Goscinny; Uderzo: Asterix bei den Belgiern, S. 18.
Abb. 2
Ebd., S. 9.
Abb. 3
Goscinny; Uderzo: Asterix und der Arvernerschild, S. 27.
Abb. 4
Goscinny; Uderzo: Asterix bei den Belgiern, S. 22.
Abb. 5
Goscinny; Uderzo: Asterix. Clipeus Arvernus, S. 3
Abb. 6
Goscinny; Uderzo: Asterix und der Arvernerschild, S. 19.
Abb. 7
Ebd.
Abb. 8
Ebd., S. 5.
Abb. 9
Goscinny; Uderzo: Asterix bei den Belgiern, S. 19.
Abb. 10
Ebd., S. 9.
Abb. 11
Ebd., S. 36.
Abb. 12
Ebd., S. 12.
Abb. 13
Ebd., S. 14.
Abb. 14
Ebd., S. 5.
Abb. 15
Goscinny; Uderzo: Asterix und der Arvernerschild, S. 6.
Abb. 16
Ebd., S. 18.
Abb. 17
Goscinny; Uderzo: Asterix bei den Belgiern, S. 30.
Abb. 18
Goscinny; Uderzo: Asterix und der Arvernerschild, S. 18.
Abb. 19
Caesar: Bellvm Helveticvm, S. 3.
Abb. 20
Ebd., S. 31.
- 17 -
8.
QUELLENANGABE
Primärliteratur
1
Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix und der Arvernerschild. Berlin 2002.
(Asterix-Reihe; Band 11)
2
Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix. Clipeus Arvernus. in Latinum convertit
Rubricastellanus. Stuttgart 1985.
3
Rene Goscinny; Albert Uderzo: Asterix bei den Belgiern. Berlin 2001.
(Asterix-Reihe; Band 24)
4
Gaius Iulius Caesar: Caesaris e commentariis de bello Gallico Bellvm Helveticvm.
composuit Rubricastellanus. pinxit Faber. Stuttgart [u.a.] 1998.
5
Gaius Iulius Caesar: Bellum Gallicum. Vollst. Ausg. mit e. Einleitung v. Hans Jürgen
Tschiedel u. Sacherklärungen u. ausgewähltem Bildmaterial v. Gerhard Ramming.
Paderborn 1978.
Sekundärliteratur
6
Jörg Rüpke: Wer las Caesars bella als commentarii?. In: Gymnasium 1992 XCIX: S.
201-226.
7
Kurt Reichenberger: Astérix Le Gaulois. In: Kindlers Neues Literaturlexikon. Hrsg. v.
Walter Jens. Studienausgabe. Bd. 6. München 1998, S. 700f.
8
René van Royen; Sunnyva van der Vegt: Asterix – die ganze Wahrheit. Aus d.
Niederländ. v. Nicole Albrecht. Übers. franz. Bildtexte ins Dt. v. Gudrun Penndorf.
München 1999.
9
Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit
dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001.
10
René van Royen; Sunnyva van der Vegt: Asterix und die Belgier – oder : Eine frühe
westeuropäische Demokratie. In: Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die
große Welt des kleinen Galliers. Mit dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2.,
durchgesehene Aufl. München 2001, S. 178-195.
11
Gudrun Penndorf: Asterix übersetzen – oder das Wechselspiel in Bild und Sprache. In:
Kai Brodersen (Hg.): Asterix und seine Zeit. Die große Welt des kleinen Galliers. Mit
dt. Bildtexten v. Gudrun Penndorf. 2., durchgesehene Aufl. München 2001, S. 212-230.
12
Hans Grassegger: Sprachspiel und Übersetzung. Eine Studie anhand der Comic-Serie
Asterix. Tübingen 1985.
13
Demetrios E. Koutroubas: Die Darstellung der Gegner in Caesars „Bellum Gallicum“.
Heidelberg 1972.
(zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1972)
Hilfsmittel
14
Otto Bantel; Dieter Schaefer: Grundbegriffe der Literatur. Berlin 151993.
15
Plutarch, Caesar (engl. Übers.); in: www.ukans.edu/history/index/europe/ancient_rome/
E/Roman/Texts/Plutarch/Lives/Caesar*.html
16
Florus, Liber I, 45; in: www.thelatinlibrary.com/florus1.html#45
17
Plinius, Naturalis Historia XVI, 251; in: www.ukans.edu/history/index/europe/
ancient_rome/L/Roman/Texts/Pliny_the_Elder/16*.html
- 18 -