DER BESTE PLATZ IST IMMER GANZ VORNE

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DER BESTE PLATZ IST IMMER GANZ VORNE
ERSTER: DER PLATZ MIT DER SCHÖNSTEN AUSSICHT.
Wer einmal ganz oben war, weiß: Die Zielflagge als Erster zu sehen,
bedeutet die Strecke auswendig zu kennen und auch bei 290 km/h nicht
die Nerven zu verlieren. Man handelt instinktiv und verlässt sich ganz
auf Wagen und Reifen. Und wer in der DTM fährt, hat auch allen Grund
dazu. Denn Dunlop rüstet die DTM exklusiv mit Reifen aus. Rennreifen,
seit Jahren im Motorsport getestet und weiter entwickelt. Immer mit
derselben Überzeugung: Jeder Rekord kann gebrochen werden.
DER BESTE PLATZ
IST IMMER GANZ
VORNE
www.dunlop.de
Vorwort des Autors
Helden vergisst
man nicht …
as macht eigentlich der Böhringer, der alte Greger oder der
Linge? Solche Fragen, gestellt
von Fans und Freunden, geisterten immer wieder durch die Gegend. Antworten wusste meist niemand, es sei denn,
man machte sich gezielt ans Recherchieren. Aus dieser Ratlosigkeit heraus entstand vor gut vier Jahren die Idee, eine
Serie über die Befindlichkeit unserer Rennsporthelden, Manager
und Macher der 60er-, 70erund 80er-Jahre dauerhaft zu
platzieren. Mit kurzen, knackigen Texten und Fotos von
damals und heute.
ei den Kollegen von
«MOTORSPORT aktuell»
habe ich für die Idee auf
Anhieb viel Begeisterung
vorgefunden – und schon
war die Serie «Hallo, wie
geht’s?» geboren. Seit
Januar 2000 sind exakt
182 Folgen erschienen,
in den beiden ersten Jahren begleitet
von Bilstein, danach bis heute von Partner und Präsenter Dunlop. Der Hanauer
Reifenhersteller passt mit seiner über
100-jährigen Motorsporttradition sowieso bestens zu unseren Serienhelden,
von denen viele ihre Siege und Meistertitel auf Dunlops schwarzem Gold erzielt
haben. Bereits seit letztem Jahr können
übrigens alle «Hallo, wie geht’s?»-Folgen auch im Internet über die Homepage www.dunlop.de aufgerufen und
heruntergeladen werden.
ie unverändert gute Resonanz hat
dafür gesorgt, dass die Serie bei
den Fans fast schon Kultstatus hat
und dank Dunlop und MSa nun ins fünfte Jahr durchstarten kann. Dunlop und
MSa präsentieren überdies hiermit auch
die vierte Auflage des beliebten Sonderdrucks mit allen bisher erschienenen
182 Einzelbeiträgen.
W
B
D
rotz zeitraubender Kleinarbeit
beim Recherchieren der Wohnorte
und Telefonnummern sowie bei der
Beschaffung alter und neuer Fotos ist
der Spassfaktor für mich als Autor unverändert gross. Wenn man die meisten
Karrieren derer selbst miterlebt hat, die
man jetzt zu ihrer Befindlichkeit ausfragt, ist schon allein das Gespräch ein
Erlebnis. Vergleichbar mit einer kurzen Reise in eine Rennsportzeit,
die sicher nicht die schlechteste
war. Der Motorsport hat mit und
von den Helden von damals gut
gelebt, verdammt gut sogar.
Deshalb haben sie es auch
nicht verdient, in Vergessenheit zu geraten.
o ist diese Serie für
mich im Laufe der
Zeit auch zu einer
Art Verpflichtung geworden, die Erinnerung an
jene wach zu halten, die
uns seinerzeit viel Freude
auf und neben der Rennpiste bereitet
haben. Zusammen mit unseren Partnern
Dunlop und der Messe Essen wurde deshalb auch das jährliche «Klassentreffen» initiiert, zu dem alle vorgestellten
ehemaligen PS-Fürsten am zweiten
Samstag der Motorshow nun schon zum
vierten Mal nach Essen kommen. Der
Zuspruch ist ernorm, die Wiedersehensfreude gross. Vor allem bei denen, die
sich 30 Jahre und länger aus den Augen
verloren hatten. Allgemeiner Tenor:
«Eine wunderbare Gelegenheit, wenigstens einmal im Jahr alte Freunde zu treffen. Und weitaus besser, als sich immer
nur aus traurigem Anlass auf diversen
Friedhöfen über den Weg zu laufen.»
ans, Freaks und Freunden von
«Hallo, wie geht’s?» wünsche ich
auch mit der vorliegenden 4. Auflage des Nostalgie-Booklets viel Spass.
Rainer Braun
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
MSa-Jahrgang 2000
MSa-Jahrgang 2001
Abt, Johann †: Allgäuer Vollgastier
6
Ahrens, Kurt: Der Formel-Fighter
7
Bartels, Willi: Der Berg-König
8
Berger, Jochen: Röhrls Opel-Co
9
Bergmann, Kurt: Der Kaimann
10
Bergmeister, Willi: Schumis Meister
11
Bodmer, Gerhard †: Der Glas-Bläser
12
Böhringer, Eugen: Der grosse Kleine
13
Foitek, Karl: Die Alfa-Bank
14
Fritzinger, Klaus: Der Multisportler
15
Fröhlich, Dieter: Zweites Leben
16
Glemser, Dieter: Der Schwabenpfeil
17
Herrmann, Hans: Der Hans im Glück
18
Heyer, Hans: Der Tausendsassa
19
Huber, Günther: Der Einzelkämpfer
20
Kauhsen, Willi: Der 1000-PS-Mann
22
Kelleners, Helmut: Die Nas aus Moers 23
Knupp, Willy: Der RTL-Pionier
24
Kottulinsky, Freddy: Alter Schwede!
25
Kranefuss, Mike: American Dream
26
Linge, Herbert: Die Allzweckwaffe
27
Löwinger, Willy: Wiener G’schichten
28
Luck, Jochen: Die Renn-Stimme
29
Mander, Dr. Helmut: Der Bergdoktor
30
Meeuvissen, Annette: «Second Lady» 31
Moll, R./Schock, W.: Das Dream-Team 32
Odenthal-Stöhr, Waltraud: Turbo-Maus 33
Perrot, Xavier: Mosleys Kunde
34
Pfuhl, Albert: Der Herrenfahrer
35
Philipp, Dr. Gunther †: Film, Funk, Ferrari 36
Pinske, Lothar: Das Arbeitstier
37
Plankenhorn, Axel: Der 2-Meter-Hüne 38
Rosorius, Klaus-Peter: Der Aussteiger 39
Schetty, Peter: Der Chef-Tester
40
Schickentanz, Clemens: Der Zuverlässige 41
Schmid, Günther: Der ewige Grantler
42
Schommers, Werner: Der Spassvogel
43
Schüler, Gerd: Der Karrieremann
44
Schurti, Manfred: Schneller Beamter
45
Schütz, Udo: Der Stier von Selters
46
Senne, Karl: Der DTM-Fan
47
Spiess, Siegfried: Der PS-Zauberer
48
Strähle, Paul Ernst: Der Allrounder
49
Treser, Walter: Der Technik-Freak
50
Trint, Manfred: Der wilde Flieger
51
Werner-Hennerici, Hannelore: Vorbild für Ellen 52
Ammerschläger, Thomas: Edel-Techniker 53
Basche, Dieter: Bayern-Sportler
54
Bellof, Georg: Der grosse Bruder
55
Bitter, Erich: Der Renn-Konfektionär
56
Bovensiepen, Burkard: Mister Perfect 57
Dechent, Hans-Dieter: Der Elegante
58
Falk, Peter: Porsche-General
59
Gebhardt, Günther: Das Kraftpaket
60
Grähser, Jürgen: Der längste Kampf
61
Greger, Sepp: König der Berge
62
Hahne, Hubert: Der Rekordbrecher
63
Hainbach, Reinhard: Verpasster Hattrick 64
Heidegger, Max: Liechtensteiner Hexer 65
Hezemans, Toine: Der grosse Trickser
66
Jelinski, Frank: Verkanntes Talent
67
Kleint, Jochi: Der Weltenbummler
68
Kling, Karl †: Der Grandseigneur
69
Krebs, Albrecht: Der «Fast-Meister»
70
Liedl, Heinz: Der Berg-Floh
71
Mahle, Eberhard: Der Alleskönner
72
Mariosi, Enrico: Die Seele vom Ring
73
Menzel, Harald: Die Kurz-Karriere
74
Mohr, Manfred: Der Furchtlose
75
Neuhaus, Jürgen: Kernige Frohnatur
76
Nöcker, Peter: Der stille Star
77
Nodes, Beate: Haugs Bezwingerin
78
Obermoser, Jörg: Der Nostalgiker
79
Ostlender-Weiss, Claudia: Power-Lady 80
Pankl, Gerold: Der Unzerstörbare
81
Petit, Peter: Der nett’ Franzos’
82
Scharmann, Peter: Der Renningenieur 83
Schmidt, Rolf: Vive la France!
84
Schütz, Wolfgang: Das Cup-Schlitzohr 86
Schwägerl, Hans: Der Rallye-Papst
87
Seufert, Hans Peter: Der Buschmann
88
Steinemann, Rico †: Der Multi-Mann
89
Surer-Tavoli, Yolanda: Das neue Leben 90
von Wendt, Karl: Sauerland-Baron
91
Warmbold, Achim: Der Quertreiber
92
Weber, Georg: Der Unbeugsame
93
Weber, Gerhard: Herr der Reifen
94
Weber, Michel: Der Gebirgsjäger
95
Wehner, Hans: Der VW-Pionier
96
Weiss, Heiner: Schneller Präsident
97
Abt, Johann † 2003 (MSa 04/2000)
6
Allgäuer Vollgastier
wischen 1954 und 1975 tobte der «wilZMaschinen
de Hund aus Kempten» zuerst mit Crossund dann mit den Tourenwagen
von Sieg zu Sieg. Wo immer der Allgäuer
antrat, resignierte die Konkurrenz alsbald.
Fünf Gelände- und Motocross-Titel für
DKW, an die 200 Siege auf zwei und über
100 auf vier Rädern machten Johann Abt
zu einem der erfolgreichsten bayerischen
Motorsportler überhaupt. Seine Leidenschaft waren Bergrennen. Wenn er mit dem
DKW F 12 und später mit dem Abarth 1000
TC die europäischen Berge hochdonnerte,
war er in seinem Element. Und auch auf
der Rundstrecke stand er seinen Mann. Im
Abarth 1000 schaffte er 1970 den Tourenwagen-EM-Titel in der kleinen Division.
Heute ist er 64 Jahre alt und erfolgreicher
Geschäftsmann. Stolz verfolgen er und
Ehefrau Thea (seit 38 Jahren verheiratet),
wie die Söhne Christian und Hans-Jürgen
die Abt-Erfolgstradition fortsetzen.
Zwei Kemptener DKW-Piloten hatten
vor allem in den 60er-Jahren am Berg das
Sagen beim Siegen: Johann Abt und sein
Kumpel Michael Endress. Ihre Spielplätze
waren die Tourenwagenklassen 850 und
1000 ccm. Ohne Siegerkranz gingen die
Auftritte der beiden Naturburschen nie ab,
einer gewann immer, meistens beide. Später trennten sich die Wege, Abt stieg auf
den 1000er-Abarth um, bekam sogar einen
Werksvertrag von Carlo Abarth und fuhr
fortan auch auf den permanenten Rennstrecken und Fluplätzen auf Siegeskurs.
Schon in seiner DKW-Zeit bereitete der
gelernte Kfz.-Meister seine Renngeräte
übrigens selbst vor, schliesslich arbeitete
er in der PKW-Versuchsabteilung bei
DKW/Auto Union und kam logischerweise
an die besten Teile. «Meine Ausfallquote
war fast Null, soweit es die Technik betrifft.» 1975 beendete er seine Rennfahrerlaufbahn mit einem weiteren Titelgewinn in der Tourenwagen-EM. Danach
kümmerte er sich konsequent um Ausbau
und Führung seines VAG-Autohauses.
Inzwischen haben sich die «Äbte» ein
kleines Imperium in Kempten geschaffen.
Eine prachtvolle VW- und Audi-Niederlassung mit Werkstatt, dazu Abt Sportsline
mit angeschlossenem Tuning- und Rennbetrieb. Trotz einer Herzoperation vor acht
Jahren gibt Johann Abt unverdrossen
weiter Vollgas. Mit Begeisterung verfolgt
er vor allem den sportlichen Weg von
Christian («des isch genauso a wilder Hund
wie i»). Keinerlei Zweifel gibt es für Abt
senior, wenn es um einen Vergleich der
Generationen geht: «Die Buben haben’s
heute viel leichter als wir, ihre Perspektive
als Sportler ist viel besser.»
Abt in den 60ern: Ausfallquote fast null
Abt heute: Im Geschäft weiter Vollgas
DKW im Grenzbereich: Johann Abt 1964 auf dem Flugplatz Mainz-Finthen
Ahrens, Kurt (MSa 25/2000)
Der Formel-Fighter
urt Ahrens galt im Formel-Rennsport
K
der 60er-Jahre als deutscher Qualitätsbegriff. Von der Formel Junior über
7
die Formeln 3 und 2 bis zu vier Formel-1Einsätzen liess er in der Einbaum-Liga
nichts aus. Dreimal (1961, 1963 und 1965)
wurde der Braunschweiger Deutscher
Rennwagen-Meister, 1967 Formel-3-Nationencup-Sieger. Unvergessen die Formel-2-Schlachten, in denen er Gegner vom
Kaliber eines Rindt, Clark, Mitter oder
Siffert bezwang. Jack Brabham vertraute
ihm 1968 einen seiner Wagen für den
Deutschland-Grand-Prix an. Porsche holte
ab 1969 den Eisenfuss für zwei Jahre ins
Werksteam. Dort gelangen ihm im 917 und
908 mit Jo Siffert und Vic Elford als Partner
grandiose Erfolge in der Sportwagen-WM.
Zirka 300 Rennen, an die 150 Siege –
und im Rennbetrieb nie ein Auto verschrottet, nie ein ernster Unfall. Nur einmal hats richtig gekracht, beim Testen auf
dem VW-Testgelände in Ehra-Lessien, wo
wegen Aquaplanings ein Porsche 917 zu
Bruch ging.
Im April wurde Ahrens 60, erfreut sich
bester Gesundheit und lebt mit Frau Resi
(seit 39 Jahren verheiratet) und den vier
Kindern in Sassenburg. Ein traumhaftes
Anwesen, 15 000 qm Gartenlandschaft in
der Heide, mittendrin fünf Bungalows. Ein
Hüttchen fürs Familienoberhaupt, die
anderen für jedes der vier Kinder. Containergeschäft und Schrotthandel hat der
Vorruheständler an seine Nachkommen
übertragen, er selbst hat Spass an den vier
Enkeln und am geruhsamen Leben. Aber
noch immer ist er bestens informiert über
alles im Rennsport, versäumt im Fernsehen
keinen Formel-1-Lauf und fährt traditionell einmal im Jahr zum Monaco-GP.
Warum hört ein so erfolgreicher Pilot
wie er mit 32 Jahren auf? «Weil ich Angst
vor einem schweren Unfall hatte. Ich war
schockiert über den Verlust guter
Freunde.» Tatsächlich fiel die Ahrens-Ära
in die schlimmsten Jahre des Rennsports,
das Sicherheitsdenken steckte noch in den
Kinderschuhen. Fast ein ganzes Startfeld
verunglückte damals tödlich: Bandini,
Mitter, Clark, Siffert, Spence, Schlesser,
Rindt, Hawkins, Scarfiotti, Courage, Pedro
Rodriguez. «Die meisten waren Gegner in
der Formel 2, mit vielen war ich befreundet. Meiner Familie und mir gegenüber
konnte ich das nicht mehr verantworten.
Ich bin dankbar und glücklich, dass ich
überlebt habe.»
Das ist auch der Grund, warum keiner
der zwei Söhne den Weg in den Rennsport
gesucht hat. Dafür spielen sie mit Begeisterung Fussball.
Kurt Ahrens: Eine echte Formel-Grösse
Ahrens heute: Vorruhestand mit 60 Jahren
Eifelrennen 1968: Kurt Ahrens bezwang in der Formel 2 so ziemlich alle Asse seiner Zeit
Bartels, Willi (MSa 08/2000)
8
Der Berg-König
wollte Willi Bartels eine RalEweiligentlich
lyefahrer-Laufbahn anstreben, aber
er sich so oft verfuhr, wechselte er in
den reinen Rennsport. 20 Jahre lang bezwang er ab 1960 die Berge Deutschlands
und Europas. Als Porsche-Privatfahrer gelangen ihm an die 200 Siege und zwei
Titelgewinne in der GT-Wertung der BergEM. Nur die Deutsche Bergmeisterschaft
hat er nicht geschafft, «obwohl ich gerade
die in all den Jahren wenigstens einmal
gewinnen wollte». Der klassische Porsche
911 in allen Variationen, der Carrera 6, der
904 GTS und der 908/3 waren seine Wettbewerbsgeräte. Heute ist Willi Bartels fast
73 Jahre alt, wohnt im sauerländischen
Plettenberg und freut sich über die Rennerfolge seines Sohnes Michael. Auch beruflich hat er noch immer Kontakt zur schnellen Zunft.
Der Bergrennsport der 60er- und 70erJahre hatte einen viel höheren Stellenwert
als heute, bis zu 30 000 Zuschauer verfolgten die Husarenritte der Bergstars Bartels, Greger, Joest & Co. Von April bis Oktober zogen die Akteure wie Nomaden von
Berg zu Berg, fuhren ein Rennen nach dem
anderen. Schauinsland, Rossfeld, Eberbach oder Wallberg, Trento, Ollon-Villars,
Montseny oder Timmelsjoch waren die
berühmtesten Schauplätze grosser Berg-
schlachten. Viele der damaligen Konkurrenten wie Edgar Barth, Rolf Stommelen
oder Gerhard Mitter leben nicht mehr, mit
anderen wie Sepp Greger oder Reinhold
Joest hat Bartels noch heute Kontakt. Bis
auf einen deftigen Überschlag am Schauinsland gab es übrigens keine erwähnenswerte Zwischenfälle oder sogar ernste Verletzungen.
Auch heute sieht man Willi Bartels noch
oft an den Rennstrecken. Da ist einmal sein
berufliches Engagement (er ist Ausrüster
von Fahrerlager-VIP-Zelten und PaddockClubs mit Bodenbelägen seines Unternehmens «Heimtex»), und zum anderen natürlich das rennsportliche Treiben seines
in der DTM aktiven Sohnes Michael. Der
macht dem alten Herrn «immer wieder viel
Freude, weil er so ein irrsinnig grosser
Kämpfer ist».
Trotz des beruflichen Engagements achtet Bartels Senior stets auf genügend Zeit
für privaten Freiraum. Zwei quirlige Enkelkinder (8 und 13 Jahre) von Tochter Manuela fordern Opas Aufmerksamkeit immer
wieder aufs Neue ein. «Das hält dich jung,
fit und gesund», sagt Bartels, der seit 32
Jahren mit seiner Frau Luise verheiratet
ist und fast genauso lang in seinem heissgeliebten alten Bauernhof im Sauerland
wohnt.
Bartels 1965: Legende am Berg
Bartels 1987: Rat für Sohn Michael
Leben wie die Nomaden: Bartels ’66 im Carrera 6 beim EM-Lauf in Trento
Berger, Jochen (MSa 47/2000)
Röhrls Opel-Co
ochen Berger wurde als Co-Pilot erst an
Jberühmt.
der Seite von Walter Röhrl so richtig
Mit einem Irmscher-Ascona A
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holten die beiden 1974 für Opel die erste
Rallye-Europameisterschaft, nachdem sie
ein Jahr zuvor den Titelgewinn nur verpassten, da die Benzinkrise zur Absage
aller noch ausstehenden Läufe führte.
Obwohl Berger auch anderen Stars wie
Jochi Kleint oder dem Schweden Anders
Kulläng die rechten Wege wies, wurde die
Ehe mit Röhrl zum Qualitätsbegriff.
«Neben Walter habe ich mich immer sicher
gefühlt», schwärmt der Hesse, «er war der
perfekteste Pilot seiner Zeit.» Nur ein Mal
musste Berger die Luft anhalten: «Da
ging’s kopfüber in einen Bach, weil uns ein
Traktor in die Quere kam.»
Mit Gesamtrang 4 bei der Monte 1976
endete die Profi-Laufbahn des RallyeBeifahrers Jochen Berger, nicht aber seine
Zugehörigkeit zu Opel. Dort übernahm er
im selben Jahr die Leitung der Rallyeabteilung, schuf in der Folge den OpelJunior-Rallyecup und setzte die Nachwuchsformel Opel Lotus in Marsch.
Mittlerweile ist für den 54-Jährigen das
Kapitel Motorsport beendet – seit einigen
Jahren arbeitet er im Technischen Entwicklungszentrum in der Vorausentwicklung. «Dass Opel 1992 die Rallyeabteilung
zugunsten des Rennsports aufgab, war
eine Riesenenttäuschung. Die Rundstrecke
ist halt nicht mein Ding.» Zu den schönsten Erlebnissen zählt Berger jenen Moment, als er und Walter Röhrl 1974 bei der
Rallye Lugano morgens um 6 Uhr talwärts
in Richtung Ziel rollten. «Die Sonne ging
auf, der Job war getan, wir hatten unseren
sechsten Saisonsieg sicher und genossen
das Gefühl, Europameister zu sein. Einfach
gigantisch!»
Bergers Liebe gehört jetzt der historischen Rallyeszene. Als Co bei Röhrl und
anderen bestreitet er regelmässig Traditionswettbewerbe. Im Wochenend-Domizil
im Eifelort Mannebach hegt er Oldtimer,
streichelt den 74er-EM-Ascona, pflegt den
Volvo PV 444 und tuckert mit einem 11 PS
starken Einzylinder-Lanz-Traktor (Baujahr
1956) durch die Gegend. Weitere Hobbys:
Modelleisenbahnen, ferngesteuerte Trucks
und eine Sammlung von 80 Fahnen aller
Nationen und Automobilmarken.
Zum nahen Nürburgring kommt er vor
allem, um alte Freunde zu treffen. Die
Rennen interessieren nur am Rande. Seine
Wünsche: «Gesund bleiben, viele historische Events bestreiten, mit Freunden die
Welt bereisen, gutes Essen und Weine
geniessen. Und zwischendurch immer wieder zurück in die Eifel.»
Genialer Copilot: Jochen Berger 1974
Quertreiber: Mit Röhrl im Opel Ascona A
Wiedersehen alter Kämpen: Jean-Claude Andruet, Jochen Berger und Jean Ragnotti
Bergmann, Kurt (MSa 46/2000)
10
Der Kaimann
urt Bergmann steht inmitten eines
K
wohlgeordneten Chaos. Sechs FormelV-Rennwagen sind auf einer Wiese, sprich
Fahrerlager, in ihre Einzelteile zerlegt.
Nichts entgeht dem kleinen Mann mit der
hochgeschobenen Brille. Plötzlich wirds
gefährlich: Schlurfenden Schrittes nimmt
er Kurs auf einen Mechaniker – die gerade
gelegte Schweissnaht gefällt dem «Master» nicht. Schludrigkeiten wurden nicht
geduldet, schliesslich sollten Rennen gewonnen werden. Und gewonnen wurde im
Team von «Kurtl» Bergmann oft. 13 Meisterschaften, darunter eine WM und mehrere EM-Titel sowie mehr als 100 Einzelsiege sind der Beleg.
In der Blütezeit der Formel V und Super
V Ende der 60er-, Anfang der 70er-Jahre
hatten die legendären Kaimann-Renner
das Sagen beim Siegen. Erst die Konstruktionen der grossen Chassisbauer wie
Lola, March und Ralt bremsten Bergmanns
Monoposti ab 1973 ein. Bergmanns Stall
begründete nicht nur die weltweite Überlegenheit der Österreicher in der Formel V,
sondern auch den frühen Ruhm vieler späterer Weltklassepiloten.
Ein Niki Lauda oder ein Keke Rosberg
zeigen noch heute Bewunderung für den
Mann mit dem Stoppelschnitt. «Das erste,
was der Niki abgeliefert hat», erinnert sich
der 71-jährige Bergmann grinsend, «war
ein krummes Auto nach einem Looping.»
Seine Lieblingspiloten waren die Österreicher Erich Breinsberg («der war am
längsten bei mir und am pflegeleichtesten»), Helmut Marko («der Schnellste,
aber auch Schwierigste») und Günter
Huber («technisch der Beste»).
Am meisten getroffen hat Bergmann der
Tod von Helmut Koinigg im Surtees-Formel
1 in Watkins Glen 1974 und die Massenkarambolage 1973 am Nürburgring. Wegen
eines lokal begrenzten Regenschauers auf
der Döttinger Höhe krachte das halbe
Super-V-Feld ungebremst ineinander, einige Autos brannten, es gab viele Verletzte.
Nach dem Ende der Formel-V-Ära 1982
wurde Bergmann einige Jahre von VW als
Technischer Kommissar für den Polo-Cup
eingesetzt, ehe er sich aus dem Motorsport
zurückzog.
Seine Opel-Werkstatt in Wien-Essling
wird längst von Sohn Peter (45) geleitet.
Die finanzielle Kontrolle aber obliegt nach
wie vor der Senior-Chefin – Johanna Bergmann und ihr Kurtl sind seit 46 Jahren verheiratet. Der Master selbst pflegt neue
Hobbys: Er baut ferngesteuerte ModellHubschrauber und fährt mit viel Ehrgeiz
Ski. Und er ist kerngesund, «was die Hauptsache ist».
Der Master: Kurt Bergmann 1975
Unverändert: Kurt Bergmann heute
Geordnetes Kaimann-Chaos: So sah im Jahre 1974 ein Formel-V-Fahrerlager aus
Bergmeister, Willi (MSa 22/2000)
Schumis Meister
illi Bergmeister liess es eigentlich nie
W
so richtig krachen. Nicht quer und
nicht mit Qualm, nicht mit wilden Drifts
11
und Drehern. Seine Stärke waren die blitzsaubere Linie, der grundsolide Strich, die
unauffällige Schnelligkeit. Der Langenfelder heisst nicht nur Bergmeister, er
wurde es auch. Mit einem NSU TT entschied
er 1974 den Titelkampf, eine zweite Meisterschaft stand 1976 mit dem gerade frisch
geborenen VW-Scirocco-Cup ins Haus. Er
half mit, für Audi den Markentitel in der
Tourenwagen-Europameisterschaft
zu
gewinnen, und er beendete die
Fahrerwertung des Championats zweimal
als Vizemeister.
Im September wurde Willi Bergmeister
51, gesundheitlich belasten ihn allerdings
unangenehme
Herzrhythmusstörungen
(ausgelöst durch eine verschleppte
Virusinfektion, die er sich beim Skiurlaub
im letzten Jahr eingefangen hat). Zusammen mit Ehefrau Anni – sie sind seit
28 Jahren verheiratet – steht er als Chef
seines Autohauses weiterhin an vorderster
Front des rheinischen Geschäftslebens.
Und an den Wochenenden kümmert er sich
um seine beiden rennfahrenden Söhne Tim
(25) und Jörg (24).
Die haben schon eine erfolgreiche
Laufbahn in den Nachwuchsformelklassen
König, Renault und Opel hinter sich. Jörg
brachte es immerhin schon bis zum KönigMeister, Tim zum F3-Vize der früheren
B-Kategorie. In der laufenden Saison
standen für Jörg Supercup und Carrera-Cup
und für Tim die Formel-3-DM auf dem
Programm.
Mit viel Hingabe und Begeisterung ist
der Ex-Rennfahrer für seine Söhne da,
wenn Rat und Tat gefragt sind. Das war
schon so, als ein Bürschlein namens
Michael Schumacher vor 13 Jahren im
Betrieb des Kfz-Meisters seine Mechanikerlehre absolvierte. «Er war ein guter
Lehrling», erinnert sich Bergmeister,
«aber er wollte wegen der Rennerei die
Ausbildung vorzeitig abbrechen. Wir
haben dann eine vorgezogene Gesellenprüfung für ihn beantragt, und die hat
er auch locker bestanden.»
Was die wenigsten wissen: Willi
Bergmeister hat den talentierten, aber
damals mittellosen Knaben aus Kerpen
1988 in seinem ersten Rennjahr (Formel
König, Formel Ford) auch finanziell unterstützt. «So einem Talent wie ihm musste
man einfach helfen, und ich hab’s wirklich
nicht bereut. In all den Jahren wars schön
mit anzusehen, was aus meinem ehemaligen Lehrbuben geworden ist. Ich bin sehr
stolz auf ihn.»
Bergmeister 1976: Sieg für den jungen Willi
Bergmeister heute: Für Firma und Familie
Willi Bergmeister im Jägermeister-VW: Klassensiege in der Tourenwagen-EM 1977
Bodmer, Gerhard † 2002 (MSa 52/2000)
12
Der Glas-Bläser
erhard Bodmer und die Erfolgsstory
G
einer One-Man-Show. Man stelle sich
vor: Die Rennabteilung eines Automobilherstellers besteht aus zwei Mann, der eine
fährt, der andere kümmert sich um den
Rest. Dabei kommen gut 150 Siege und ein
Meistertitel raus. So geschehen beim Dingolfinger Familien-Unternehmen Glas in
den Jahren 1959– 1968. Hauptdarsteller
Bodmer, gebürtiger Schwabe, erfolgreicher
Motocross- und Geländefahrer für DKW,
steigt von zwei auf vier Räder um und
mischt fortan die Tourenwagenszene in
den kleinen Klassen auf. Mit dem Nachfolger des legendären Goggo, einem 60PS-Glas-Isar 600, wird der Mann zum
Schrecken der siegverwöhnten SteyrPuch- und NSU-Prinz-Armada.
Weiter gehts in den stärkeren GlasModellen 1204 und 1304 TS sowie 1300
GT-Coupé, die immerhin schon rund 120
PS leisten. Bodmer wird 1965 Deutscher
Rundstreckenmeister, ein Jahr später
kreuzen drei Glas 1304 TS auf den Plätzen
1, 2 und 3 die Ziellinie bei den 24 Stunden
in Spa. Bodmer und Kollegen, darunter
Helmut Kelleners, holen den Königspokal.
Das Treiben geht erst mit der Einverleibung
des kleinen Werks durch BMW zu Ende. Die
Zwei-Mann-Rennabteilung fällt der Fusion
zum Opfer.
«Wir haben alles selbst erledigt, es gab
weder Etat noch Gage. Zum normalen Gehalt als Angestellter kamen nur die Erstattung der Reisekosten und eine kleine Siegprämie.» Trotzdem hat der mittlerweile 68Jährige diese Zeit in bester Erinnerung. Bis
auf jenen Tag, an dem die Konkurrenz das
Innenleben seines Motor zu sehen begehrte. Aber Bodmer hatte strikte Anweisung, das Triebwerk nur im Werk öffnen zu
lassen. Darauf liessen sich die Sportkommissare nicht ein, die Weigerung führte zu
Wertungsausschluss und einem Jahr
Sperre. «Das ärgert mich noch heute, ich
schwöre, alles war in Ordnung.»
Unweit des Nürburgrings hat sich Bodmer zusammen mit seiner Ehefrau Hannelore und Sohn Andreas (31) eine neue Existenz aufgebaut. Seit 1969 betreibt er in
Adenau eine Alfa- und Mazda-Niederlassung. Der Mann ist nicht kleinzukriegen:
Nachdem ihn in der Motocross-Zeit ein
Schädelbasisbruch in die Intensivstation
beförderte, brachte ihn eine Magen-Operation vor zwei Jahren erneut in Lebensgefahr. Wenn der Langstreckenpokal oder
das 24-Stunden-Rennen über die Nürburgring-Nordschleife toben, steigt er aufs
Fahrrad und fährt spezielle Mutpunkte an.
«Ein Blick, und du weisst, wer’s kann und
wer’s nie lernt.»
Damals: Schrecken der Grossen
Heute: Mit dem Rad an den Ring
Glas-Kasten: Gerhard Bodmer im 1304 TS beim Schauinsland-Bergrennen
Böhringer, Eugen (MSa 20/2000)
Der grosse Kleine
Böhringer wird bei Mercedes noch
EDerugen
heute liebevoll gehegt und gepflegt.
nur 1,60 m grosse Schwabe hat den
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Stern besonders hell leuchten lassen, als
er die 220- und 300-SE-Limousinen weltweit zu Rallye- und Rennerfolgen trieb. In
seiner aktiven Zeit zwischen 1957 und
1967 hat er wohl mehr von der Welt gesehen und erlebt als andere im ganzen
Leben. Cleverness, Improvisationstalent
und ein von Natur aus fröhliches Wesen
haben ihm einen legendären Ruf eingebracht.
Für Journalisten war Böhringer eine
ständige Fundgrube. Wenn er ein Auto
rausgefeuert hatte, pflegte er in breitestem Schwäbisch zu sagen: «Der wo net
schnell fahrt, fliegt au net raus, gell?» Im
Januar wurde der gelernte Koch 78 Jahre
alt, lebt mit Frau Luise (seit 45 Jahren verheiratet) wie eh und je am Stuttgarter
Rotenberg und fühlt sich trotz zwei
Bypass-Operationen pudelwohl. «Der Wein
schmeckt noch, des isch dHauptsach.»
Rund um das Anwesen Böhringers finden sich die übrigen Mitglieder des Clans
in Gestalt seiner vier Töchter Beate (44),
Isabell (41), Mercedes (39) und Eva (36),
dazu drei Enkelkinder. Das Restaurant mit
Hotel hat er seiner Ältesten übergeben,
während der alte Geniesser hinterm Haus
im eigenen Weinberg grössere Mengen
Riesling und Trollinger erntet.
Regelmässig geht der Rallye-Europameister von 1962 in Stuttgart zum Stammtisch. Die Runde mit Eberhard Mahle,
Walter Schock, Hans Herrmann und Co. hat
sich viel zu erzählen. Etwa, wie das Team
Böhringer/Glemser 1964 beim 6-h-Rennen
am Nürburgring mit dem 300er die hochfavorisierten Jaguar MK 2 und BMW 1800
TI bügelte. Oder wie die zwei mit fünf
Runden Vorsprung beim 24-h-Rennen in
Spa führten, bevor ein paar Minuten vor
Schluss ein Vorderrad abbrach. «Das war
meine grösste Enttäuschung überhaupt,
das geht mir heut’ noch nach.»
Einen der tollsten Husarenritte lieferte
er bei der Rallye Monte Carlo (wo ihm fünf
Jahre in Folge Klassen- und Gruppensiege
gelangen). Das Team Böhringer/Wütherich
wollte 1965 beweisen, dass man mit dem
Porsche 904 GTS die wendigen BMC-Minis
besiegen kann. Ein Schneesturm (den nur
18 von 300 Autos überlebten) gleich zu
Beginn bescherte einen unaufholbaren
Rückstand, doch dann drosch Böhringer
den Sportwagen von Bestzeit zu Bestzeit
und galt als Zweiter hinter Timo Mäkinens
Mini als moralischer Sieger. Es gibt so viele
Anekdoten über ihn, dass sie ein Buch
füllen würden.
1965: Eugen Böhringers grösste Zeit
Böhringer 1999: Noch immer viel Freude
Leuchtender Stern 1964: Böhringer drischt den 300er um die Nürburgring-Nordschleife
Foitek, Karl (MSa 39/2000)
14
Die Alfa-Bank
arl Foitek war für Alfa Romeo immer
K
eine Bank, wenns um wichtige Tourenwagen- und GT-Siege ging. Giulietta TI,
Sprint Veloce und Zagato trieb er vor allem
im Dreiländereck Deutschland/Schweiz/
Österreich zum Erfolg. Eigentlich war der
Mann unschlagbar, wenn er nicht abflog
oder die Technik streikte. Höhepunkt seiner Husarenritte war der Sieg im verregneten Rahmenrennen des deutschen Grand
Prix 1960 auf der Nürburgring-Südschleife: Mit einer Alfa Romeo Giulietta TI
liess er das gesamte GT-Feld mit hochkarätigen Stars hinter sich.
Was immer das Ausnahmetalent zwischen 1955 und 1971 anpackte, endete
meist unterm Lorbeerkranz. Das galt auch
für seine GT- und Sportwagen-Starts mit
dem Lotus-Elan, Ferrari GTO, Lotus 23 und
Lola. An die 200 Siege und vier Schweizer
Meistertitel sind ein Zeugnis dafür.
Den persönlich wertvollsten Tag erlebte
der gebürtige Österreicher und zugewanderte Schweizer am 23. Mai 1971 bei einem
seiner letzten Rennen in Bremgarten: Kurz
nachdem er seinen Lola zum Sieg getrieben
hatte, meldete ihm Gattin Sonja telefonisch die Geburt der Zwillinge Frank und
Markus. Die beiden sind heute mit 29 Jahren die jüngsten der fünf Foitek-Kinder.
Carmen (37), Gregor (35) und Reto (34)
komplettieren die Grossfamilie. «Zum
Glück wollte nur Gregor Rennfahrer werden, sonst wärs richtig teuer geworden.»
Teuer genug geriet bereits Gregors Karriere, die nach erfolgreichen Stationen im
Tourenwagen, der Formel Ford, Formel 3
und Formel 3000 in zwei schlechten Formel-1-Teams ihr Ende fand. Im August
1990 zog der Papa die Notbremse, «weil
es wirtschaftlich nicht zu vertreten war.
Leider haben wir bei dem Abenteuer viele
Millionen für nichts bezahlt.»
Foitek wird im April 70 Jahre alt und ist
immer noch auf Titeljagd – in der Winterdisziplin Curling. Schon zweimal liess er
sich als Landesmeister bei den Senioren
feiern. Mit Golfen und Lachsfischen in Norwegen, Alaska und Kanada rundet Foitek
sein Erholungsprogramm ab. Denn beruflich gibt der Unverwüstliche noch immer
Gas: Über die Ferrari-Challenge ist Foitek
weiterhin mit dem Rennsport verbunden.
Das seit 1962 (dem Hochzeitsjahr der
Foiteks) als Familienunternehmen geführte Autohaus «Garage Foitek» in der Nähe
von Zürich mit Vertretungen für Alfa
Romeo, Ferrari und Maserati hört nach wie
vor auf sein Kommando. «Irgendwann in
nächster Zeit sollte ich anfangen kürzer zu
treten und das Geschäft an die Kinder
übergeben.»
1957: Karl Foitek mit seiner heutigen Gattin
1999: Karl Foitek (rechts) mit Jean Todt
Siege in Serie: Karl Foitek 1962 im Alfa Romeo Sprint GT 1300 auf dem Nürburgring
Fritzinger, Klaus (MSa 13/2000)
Der Multi-Sportler
laus Fritzinger ist ein Alleskönner. Das
K
gilt für seine Profizeit als Fussballer
beim 1. FC Kaiserslautern, für seine Auf-
15
tritte als Rennfahrer am Berg und auf der
Rundstrecke, und erst recht für seine
Darbietungen als Rallye-Pilot. Mit einem
privat eingesetzten Capri RS entpuppte er
sich für Werksfahrerkollege Hans Stuck im
DRM-Premierejahr 1972 als zäher Brocken
und wurde immerhin Vizemeister. Einige
Jahre später schnappte er im selbst vorbereiteten Toyota bei der Bavaria-Rallye
einem Kaliber wie Walter Röhrl im WerksStratos um zwei Sekunden den Gesamtsieg
weg. Ganz zu schweigen davon, dass er die
Mammut-Fernfahrt «Tour d’Europe» gleich
dreimal gewonnen hat. Und zwar jedesmal
mit einem anderen Toyota-Modell (Celica,
Corolla, Starlet). Klaus Fritzinger ist jetzt
63, lebt unverändert in Kaiserslautern, hat
sein Autohaus an den den 38-jährigen
Sohn übergeben und erfreut sich gerade
seiner vierten Karriere als Konstrukteur.
Ein Energiebündel war der Bastler und
Tüftler schon immer – und daran hat sich
bis heute nichts geändert. So meldete er
eine geniale Idee als Patent an: Ein Begrenzungssystem aus Recycling-Kunststoff für Indoor-Kartbahnen. Inzwischen
haben schon über 40 Betreiber in ganz
Europa, darunter auch die Schumi-Bahn in
Kerpen, die Altreifen gegen die FritzingerErfindung ausgetauscht. Und gerade ist er
dabei, auch die Karts mit einer High-TechVariante aus Kohlefaser und Elektroantrieb
zu revolutionieren. Sein Motto: «Suche die
Herausforderung – und du findest sie.»
Die Herausforderung hat er im Motorsport wirklich immer und überall gesucht.
Da waren die Wahnsinns-Ritte mit dem
Shelby-Mustang und der AC Cobra. Oder
seine Exoten-Rallyes in der Wüste von
Arabien, bei den Ölscheichs im Orient oder
im tibetanischen Hochland am Himalaya.
Die «Monte» hat er sogar mal mit der
SWR-3-Moderatorin Stefanie Tücking als
Co-Pilotin in Angriff genommen. Wie kaum
ein anderer hat es der Mann verstanden,
den Sport zu leben, zu geniessen und dabei
erfolgreich zu sein. Und das 27 Jahre lang.
Über seine zehn Toyota-Rallyejahre mit
Co-Pilot Henning Wünsch gerät der Pfälzer
in Verzückung: «Eine wunderbare Zeit, wir
haben viel von der Welt gesehen und Riesenerlebnisse gehabt, einfach traumhaft.»
Kontakt mit der Rennszene hat Fritzinger hauptsächlich noch via TV, hin und
wieder reicht’s auch mal für einen Besuch
an der Strecke. Ganz heiss ist er auf seinen
Lieblingskurs Nordschleife. «Da würde ich
gerne nochmal mit ein paar flotten Jungs
die 24 Stunden mitfahren.»
Allround-Ass: Klaus Fritzinger anno 1971
Genialer Tüftler: Klaus Fritzinger heute
Quertreiber: Klaus Fritzingers Toyota fürchtete auch Walter Röhrl
Fröhlich, Dieter (MSa 40/2000)
16
Zweites Leben
ieter Fröhlichs Auftritte hatten stets
D
hohen Unterhaltungswert: Mal bestellte er einen missliebigen Journalisten zum
Rapport, mal bedrängte er Funktionäre
und Gegner. Vor dem Start schüttete er
gerne noch rasch eine Literflasche Cola in
sich rein und rauchte dazu in bester Winkelhock-Manier ein paar Marlboros im
Schnelldurchgang. Mit seiner Unnahbarkeit hielt er die Konkurrenten («wer mir
dumm kam, hatte ein Problem») auf Distanz. Dazu trug sein Erscheinungsbild
ebenso bei wie der berühmte «BananenDampfer», die 500-PS-Corvette mit Chiquita-Werbung. Aber auch mit anderen Autos
gelangen dem Essener Kaufmann innerhalb seiner zwölfjährigen Laufbahn bis
1974 viele Siege. So gehörten diverse
DKW-Modelle, Alfa Romeo Giulia und GTA,
Opel Commodore und fast alle Porsche911-Varianten zu seinem Fuhrpark.
Im Januar wurde Fröhlich 60 Jahre alt,
aber den wichtigsten Geburtstag feierte er
drei Jahre zuvor: «Da war ich fünfmal tot.»
Nach einem schweren Herzinfarkt mussten
ihn die Ärzte mehrmals reanimieren. Erst
nach dem fünften Versuch war der Kampf
um sein Leben gewonnen. Sein grösster
Wunsch ist daher nur allzu verständlich:
«Ich will einfach nur noch ein paar Tage
leben.» Dies tut er sehr bewusst: Tabak ist
tabu, die Waage zeigt heute nur noch rund
100 Kilogramm.
Über sein Leben referiert er nicht mehr
mit jener bedrohlichen Langsamkeit, die
früher stets Alarmstimmung signalisierte.
«Je langsamer und leiser ‹Porky› sprach»,
weiss sein langjähriger Weggefährte Harald Grohs, «desto brisanter war die Lage.»
Grohs, klein und schmächtig, genoss vor
allem während der wilden Anfangszeit als
Nachwuchsrennfahrer im Renault-R5Pokal die schützende Hand des kräftig gebauten Kumpels. «Wenn mir einer an die
Wäsche wollte», erinnert sich Grohs, «war
Porky immer zur Stelle. Ausserdem hat er
mir alle Tricks für die Rennerei beigebracht, auch die weniger feinen.»
Motorsport und Autos sind für Fröhlich
noch immer Thema Nummer 1. Ein Stammtisch mit alten Kollegen wird ebenso gepflegt wie Besuche am Nürburgring und
der jährliche Gang zur Essener Motorshow.
Die hat er zusammen mit Wolfgang Schöller und dem verstorbenen Bilstein-Chef
Hugo Emde 1967 erstmals «mit 30 Autos
auf 600 Quadratmetern» organisiert. Vor
vier Jahren hat Fröhlich «nach abgeschlossener Testphase» seine Lebensgefährtin Jutta (sie ist Inhaberin eines
Hundesalons) geheiratet. Der Test dauerte
immerhin 32 Jahre …
Fröhlich 1970: Wehe, einer kam ihm dumm
Fröhlich 2000: Im zweiten Leben ruhiger
1969 im 911: Auch im Rennwagen war Dieter Fröhlich ein allseits sehr gefürchteter Gegner
Glemser, Dieter (MSA 12/2000)
Der Schwabenpfeil
ieter Glemser war für jeden Teamchef
D
ein Glücksfall: Souverän, pflegeleicht,
kein Materialfahrer und trotzdem unglaublich schnell. Ob Porsche Super 90, Carrera,
oder 906, ob Mercedes 300 SE, Ford Escort
oder Capri RS – am Ende stand er fast immer
unterm Lorbeerkranz. An die 100 Siege
fuhr er zwischen 1959 und 1974 ein, fühlte
sich bei Rallye-Marathons genauso wohl
wie auf der Rundstrecke. Der Schwabe bescherte der Ford-Rennabteilung 1969 den
ersten Titel im Escort 1600, wurde im Zakspeed-Escort RS zweimal DRM-Titelgewinner und im Capri RS Tourenwagen-Europameister. Glemser ist heute 61, seit 38
Jahren mit Helga verheiratet (drei Töchter,
sechs Enkel), lebt in Warmbronn bei
Leonberg und ist restlos zufrieden. Aus
dem Tagesgeschäft der Grossgärtnerei hat
er sich ausgeklinkt («das macht jetzt mein
Bruder»), um Zeit fürs Skilaufen, Reisen,
Radfahren und die Enkel zu haben.
Das Ende seiner aktiven Zeit ging nahtlos über in Berater-Funktionen. Zuerst als
Pate des R5-Pokals, dann als Ford-Berater,
ab 1986 als Porsche-Cup-Manager und zuletzt fast zehn Jahre als DTM-Koordinator
bei Mercedes. Noch immer fährt er Funktionstest für AMG und ist Instruktor bei
Fahrsicherheitslehrgängen. «Der Kontakt
zum Sport ist eigentlich nie abgerissen.»
Glücksgriff: Dieter Glemser 1973
17
Das gilt auch für seine alten Freunde
aus den Jahren als Mercedes-Werkspilot
zwischen 1962 und ’64. «Das war die
schönste Zeit, mit Karl Kling als Rennleiter, mit Hans Herrmann, Eugen Böhringer
oder Martin Braungart als Teamkollegen.»
Mit Böhringer bildete Glemser ein DreamTeam: Im schweren 300 SE gewannen sie
1963 sensationell den 6-h-TourenwagenGP am Ring, und fast wäre ihnen das auch
bei den 24 Stunden von Spa geglückt.
«Aber 15 Minuten vor dem Ende verlor
Eugen in Führung liegend ein Vorderrad.
Meine grösste Enttäuschung überhaupt.»
Glemsers Lieblingsrennstrecke war die
Nürburgring-Nordschleife, «obwohl mir da
öfter die Muffe ging». Hier ereilte ihn 1973
ein Riesenabflug. Nach Lenkungsbruch im
Bergabstück «Wehrseifen» flog sein Capri
RS meterhoch durch die Luft und überschlug sich mehrfach. Mit schweren Prellungen und Rippenbrüchen lernte er erstmals in seiner Karriere das Adenauer
Krankenhaus von innen kennen. Ein weiterer böser Unfall 1974 in Macau schockte
ihn derart, dass er seine Karriere auf der
Stelle beendete. Wegen eines geplatzten
Reifens hatte sein Escort die Absperrung
durchbrochen und mehrere Zuschauer verletzt. «Das hat mich so bedrückt, dass mir
der Spass schlagartig vergangen ist.»
Glemser 1999: Das Haar wird lichter
Glanzjahre 1973/74: Glemser holt zwei DRM-Titel im Ford Escort von Zakowski
Herrmann, Hans (MSa 19/2000)
18
Der Hans im Glück
ans Herrmann bekam das grösste KomH
pliment ausgerechnet vom schweigsamen Rennstallchef Carlo Abarth: «Ich
kenne keinen Rennfahrer, der mit so wenig
Risiko so schnell Auto fahren kann.» Dafür,
dass der Mann seine Piloten regelmässig
beschimpft und zum Teufel gejagt hat, ist
dieses Zitat eine Sensation. «Ich hab’s
selbst kaum glauben können, als er das
gesagt hat», feixt der gelernte Konditormeister Herrmann noch heute. Seine Rennen und Siege für Mercedes, Porsche und
Abarth, für BRM, Borgward, Cooper und
Maserati sind Legende. Aber noch heute
ist seine Popularität ungebrochen.
Der dreimalige deutsche Sportwagenmeister hat zwischen 1952 und 1970 alle
Fegefeuer des Rennsports erlebt. In der
Formel 1 und im Sportwagen fuhr und
siegte er gegen die Besten seiner Epoche.
Er hat Horrorunfälle auf der Avus und in
Monaco überlebt, sich dabei fast alle
Knochen gebrochen. «Überleben heisst
auch Glück haben», sagt Herrmann, «und
davon hatte ich reichlich.» Das gilt auch
für die spektakuläre Entführung vor zehn
Jahren, wo er bis zu seiner Befreiung 48
Stunden gefesselt und geknebelt in einem
Kofferraum Todesängste ausstand. «Wenn
du das alles überlebt hast, weisst du, was
Glück bedeutet.»
Sogar im letzten Rennen begleitete ihn
das Glück, als er 1970 mit Dick Attwood
im Porsche 917 die 24 Stunden von Le Mans
gewann – den ersten Sieg für Porsche in
diesem Klassiker. «Le Mans zu gewinnen
und dann aufzuhören, ist wie ein schöner
Traum.»
Im Februar feierte Hans Herrmann
seinen 72. Geburtstag und lebt mit Gattin
Magdalena, mit der er seit 38 Jahren verheiratet ist, als erfolgreicher Geschäftsmann in Sindelfingen. Sein Unternehmen
«HH Autotechnik» fertigt AluminiumFahrwerksteile und Räder für die Autoindustrie. Sein jüngster Sohn Kai (30) arbeitet kräftig im väterlichen Betrieb mit,
der ältere (Dino, 34) lebt als Musikproduzent in Los Angeles.
Die Verbindung zum Rennsport ist für
Hans Herrmann nie abgerissen. Dafür
sorgen schon die vielen Mercedes-Einladungen und regelmässigen Treffen mit
der alten Truppe, «der ganzen SchwabenMafia halt». Formel-1-Übertragungen sind
für ihn Pflichtübung, egal zu welcher
Tages- oder Nachtzeit. Die neue DTM will
er sich hin und wieder live vor Ort ansehen.
Für die Zukunft wünscht er sich vor allem
dies: «Gesund bleiben, die Firma auf
Erfolgskurs halten und nicht mehr entführt
werden …»
Hans im Glück: 1955 im Mercedes-Team
Hans Herrmann: Keine Entführung mehr!
GP Frankreich 1954: Hans Herrmann im Mercedes-Silberpfeil mit der Startnummer 22
Heyer, Hans (MSa 09/2000)
Der Tausendsassa
eine Feier ohne Heyer». Dieser FahrerlaK
gerslogan begleitete den Tausendsassa
des deutschen Rennsports, wo immer er
19
antrat. 33 Jahre lang hat er Freund und
Feind mit seinem Ideenreichtum überrumpelt. Erst im Kart, ab 1970 im Tourenwagen, zwischendurch in GT und Sportwagen.
Die Trickkiste des Mannes mit dem berühmten Tirolerhut war unergründlich, mit
diebischer Freude genoss er die Ratlosigkeit der Konkurrenz. Genau 999 Rennen ist
er bis zu seinem Rücktritt Ende 1992 gefahren, rund 500 davon hat er gewonnen.
Mit Ford und Lancia holte er drei DRM- und
einen EM-Titel, dazu liess er sich achtmal
als Kart-Champion krönen. Mitte März
feiert Hans Heyer seinen 57. Geburtstag,
dirigiert vom rheinischen Wegberg aus die
130 Bitumen-LKW seines Strassenbaubetriebs und ist unverändert Fussball-Fan.
Er hat nichts verloren von der Spitzbübigkeit, ist noch immer derselbe durchtriebene Hund, der seine Gesprächspartner
lauernd fixiert. Noch immer gehört seine
Liebe dem Rennsport, dem Fussball und
seit einigen Jahren seiner kleinen Yacht,
die vor Spanien liegt. Via TV verfolgt er
alles, «was über den Bildschirm kommt».
Und er träumt davon, «nochmal die Paris–
Dakar zu gewinnen». Das gelang ihm 1986
mit Yörn Pugmeister in der LKW-Wertung.
Rückblickend stellt der Vater von Matthias (30), Kenneth (20) und Alissa (16)
fest, dass es ihm «verdammt gut gegangen
ist in all den Jahren». Seine schönste Zeit
hat er bei Ford und Erich Zakowski verlebt
(«der war auch mein bester Teamchef»).
Die Lancia-Siege und den DRM-Titel 1980
betrachtet er «als wertvollste Erfahrung,
weil ich da beweisen konnte, dass man
auch mit einem völlig neuen Projekt auf
Anhieb erfolgreich sein kann». Als MinusRekord vermerkt Heyer, dass er zwar 15 Mal
in Le Mans gestartet, aber nicht einmal
angekommen ist. Trotz einem halben Dutzend böser Crashs – der Horror-Überschlag
im Lancia am Norisring 1980 ist wahrscheinlich der berühmteste – gab es nie
ernsthafte Verletzungen. Eine tückische
Hepatitis nach seiner aktiven Zeit machte
ihm da schon weit mehr zu schaffen, fast
zwei Jahre lang laborierte er damit herum.
Wenn es mal einen neuen Rennfahrer
Heyer geben sollte, dann Kenneth. Der allerdings interessiert sich derzeit eher für
Fussball und spielt schon in der Oberliga.
Sehr zur Freude von Mama Marion: «Das ist
nicht so aufregend wie der Rennsport.»
Heyers Erscheinen an den Rennstrecken
hatte zuletzt Seltenheitswert. Jetzt will er
wieder häufiger Gast im Fahrerlager sein:
«Ich freue mich tierisch auf die neue DTM.»
Heyer ’77: Der Mann mit dem Hut
In Ehren ergraut: Heyer anno ’99
«Meine schönste Zeit»: Heyer im Zakspeed-Escort 1976 in Mainz-Finthen
Huber, Günther (MSa 49/2000)
20
Der Einzelkämpfer
ünther Huber gehört zur Gruppe jener
G
wilden und weltweit gefürchteten
Österreicher, die den Erfolg der ersten
Formel-Vau-Jahre entscheidend geprägt
haben. Während die Landsleute in den
Werksteams von Porsche Salzburg (Austro
V) und Bergmann (Kaimann) im Kollektiv
auftraten, entschied sich der stille und introvertierte St. Pöltener für die Rolle des
Einzelkämpfers. «Ich ging auch technisch
eigene Wege», erinnert sich Huber. Dazu
gehörte auch die Entwicklung geeigneter
Stossdämpfer. «Damals waren alle ziemlich
testfaul. Ich habe das mit Hugo Emde von
Bilstein ausgenutzt. Die Zusammenarbeit
mit diesem Mann war toll.» Schon bald war
klar: Wer gewinnen wollte, musste Bilstein
fahren.
Als die Vau-Bewegung ’66 richtig in
Schwung kam, gehörte Huber zu den Frontrunnern, siegte bei den EM-Läufen auf dem
Nürburgring und führte in Monaco mit
Riesenvorsprung bis zum Ausfall wegen
Bremstrommelbruchs. Trotz harter Gegenwehr von Marko, Peter und Co. holte er
sich 1967 den EM-Titel. Davon schwärmt
er noch heute: «Es war eine ungeheure
Genugtuung, als Einzelkämpfer den Rest
der Welt abzuduschen.»
Schon bald wurde Alpina-Chef Burkhard
Bovensiepen aufmerksam und holte den
jungen Mann mit dem Bubengesicht in sein
Team. Fortan driftete Huber mit den gelbschwarzen BMW 2002 und CSL Coupés aus
Buchloe bei den Topstars mit. «Wir FormelVau-Piloten dachten damals, uns gehört
die Welt, und so fuhren wir auch.» Diesen
Übermut musste Huber am Nürburgring im
Streckenabschnitt Wippermann denn auch
mit seinem ersten und einzigen MegaCrash bezahlen: Frontalaufprall ohne Gurte
an einen Baum, drei Tage Adenauer
Krankenhaus. Kaum wieder fit, holte er
sich mit Helmut Kelleners im Alpina-CSL
Coupé den Gesamtsieg bei den 24 Stunden
von Spa.
Noch bevor die 1,6-Liter-Super Vau ab
1971 richtig in Schwung kam, beendete
Huber seine Karriere nach nur sechs
Jahren, um Verantwortung im elterlichen
Automobil-Betrieb zu übernehmen. Heute
ist er 58 Jahre alt und Chef einer grossen
Chrysler-, Subaru- und Hyundai-Niederlassung mit angeschlossenem IvecoLKW-Bereich. Seine Gattin Hannelore hat
eine Praxis für Kinder-Psychologie. Seit 27
Jahren verheiratet, haben sie zwei Söhne
(25 und 22). Jagen und Skifahren füllen
die Freizeit Hubers aus, der sich noch einen
grossen Wunsch erfüllen will: «Ich würde
gerne mal einen historischen Formel 1
fahren. Nur einmal, egal wo.»
1968: Braves Bubengesicht, starker Wille
Huber heute: Auch mit 58 jugendlich
Ein Einzelkämpfer als Ring-König: Huber 1967 im Kaimann-Formel Vau am Karussell
Dieser Slogan war schon für den unvergessenen
Bilstein-Rennsportchef Hugo Emde († 1995)
Plattform und Basis seines engagierten Wirkens
für unser Unternehmen. Was er in mehr als
30 Jahren vor allem im Tourenwagensport
aufgebaut hat, ist für uns heute mehr denn je
Vermächtnis und Verpflichtung zugleich.
Viele der ehemals erfolgreichen Rennfahrer und
Teamchefs, die in diesem Booklet vorgestellt werden, hatten mit Bilstein
einen treuen und verlässlichen Wegbegleiter. Und wir sind auch für die
Zukunft ein starker Partner – mit neuen Ideen und High Tech-Kompetenz.
Bilstein. Ein starker Partner im Motorsport.
www.bilstein.de
0180 -5 60 08 60
Kauhsen, Willi (MSa 26/2000)
22
Der 1000-PS-Mann
illi Kauhsen – dieser Name bürgte
W
zwischen 1963 und 1974 für Unterhaltung auf und neben der Piste. Die rheinische Frohnatur gehörte nicht nur zu den
erfolgreichsten Porsche-Piloten seiner
Zeit, sondern war wegen seiner kernigen
Sprüche für die Presse stets eine Fundgrube. Erste Schlagzeilen machte der bärtige Aachener 1965 im Abarth 1000 TC als
Tourenwagen-Europameister.
Danach
prägten nahezu alle gängigen PorscheModelle vom 911 über Carrera 6 und 908
bis hin zum 917/10-Turbo mit 1000 PS
seine Karriere. Als Werkspilot gewann er
im 914 die 84 Stunden am Nürburgring,
siegte im 911 bei den 24 Stunden von Spa
und fuhr mit Gerard Larousse im Langheck917er in Le Mans auf Platz 2. «Das waren
drei echte Highlights, an die man sich
immer gerne erinnert.»
Weniger gute Erinnerungen hat Kauhsen
an die Jahre als Teamchef. Zwar gewann
seine von Alfa Romeo geleaste und von
Manager Domingos Piedade betreute
Sportwagentruppe mit dem Tipo 33 die
Prototypen-WM 1975, dafür lief sein Engagement in der F2-EM nicht gut. Und das
Formel-1-Projekt «WK 1» endete mit der
«grössten Enttäuschung meines Lebens».
Aufgrund geplatzter Sponsorendeals war
der Traum vom eigenen Formel-1-Team zu
Ende, bevor er richtig losging. Das Abenteuer Formel 1 kostete ihn knapp fünf
Millionen Mark und brachte ihn an den
Rand des Ruins.
Im Mai wurde Kauhsen 61, lebt mit
seiner zweiten Frau Uschi («keine Kinder,
aber ein Hund») wechselweise in Aachen
und im Feriendomizil in Spanien. Er spielt
begeistert Golf (Handicap 19) und pflegt
seine Oldtimer. Das Transportgeschäft hat
er vor Jahren an seine Nichte übergeben.
Über den aktuellen Motorsport informiert
er sich vorm Fernsehgerät: «Da wird alles
geguckt, was im Angebot ist, und einmal
im Jahr geht’s zum Grand Prix nach SpaFrancorchamps.»
Bei aller Freude über die Erfolge der
deutschen GP-Fraktion trauert er noch
immer Ayrton Senna nach, mit dem ihn
eine persönliche Freundschaft verband.
Dabei wird ihm immer wieder bewusst, wie
viel Glück er selbst bei zwei HorrorUnfällen gehabt hat. Bei einem Aquaplaning-Crash auf der VW-Versuchsstrecke
Ehra-Lessien flog er samt Sitz in eine
Böschung, während vom Werks-917er «nur
noch Einzelteile rumlagen». Und am
Nürburgring brannte der eigene 1000-PSPorsche ab, als bei Tempo 270 am Flugplatz
ein Reifen platzte. «Das war der absolute
Super-Gau.»
Bärtige Frohnatur: Willi Kauhsen 1968
Heute: Vor allem Freude an Golf und Autos
Wahre Höllenritte: Willi Kauhsen im 1000-PS starken Porsche 917/10 1972 in Hockenheim
Kelleners, Helmut (MSa 11/2000)
Die Nas aus Moers
eine Karriere begann im Slalomsport mit
Swagenrennen
einem Glas 1304 TS. Die ersten Tourenabsolvierte er in einem Alfa
23
GTA. Ein Engagement im Koepchen-BMWRennstall wurde zum Ausgangspunkt für
eine der erfolgreichsten deutschen Rennfahrerlaufbahnen. Mit Ehrgeiz, Präzision
und Zuverlässigkeit steuerte der Mann aus
dem niederrheinischen Moers-Kapellen
alle im Sport eingesetzten BMW-Modelle,
aber auch bis zu 1000 PS starke Sportwagen auf Erfolgskurs. Mit drei Titelgewinnen
in Folge ist «die Nas», wie ihn Mitbewerber
wegen seines ausgeprägten Riechorgans
nannten, Rekordhalter aus deutscher Sicht
in der Tourenwagen-EM. Kelleners ist mittlerweile 61 Jahre alt und verfolgt mit Stolz
die Rennerfolge seines Sohnes Ralf. Zwei
renommierte und kerngesunde BMWBetriebe sowie ein BMW-Tuning-Unternehmen sichern die Existenz.
An die 150 Siege hat Kelleners zwischen
1961 und 1984 eingefahren. Trotz der
vielschichtigen Anforderungsprofile der
von ihm pilotierten Autos erwies er sich
als Meister der Zuverlässigkeit, baute kaum
Unfälle und zog sich in all den Jahren nie
eine Verletzung zu. Seine Lieblingsstrecken waren der alte Spa-Kurs und natürlich
die Nordschleife. Dort erlebte er auch sein
persönliches Highlight, als er sich im Mc-
Laren-Chevy im 300-km/h-Tempo mit dem
Schweizer Herbert Müller im 1000-PS-Porsche 917/10 duellierte. Rad an Rad donnerten die beiden ab Schwalbenschwanz
bis zur Döttinger Höhe zum finalen Showdown, «jeder fuhr dem anderen mindestens dreimal in die Seite». Kelleners siegte
um eine Wagenlänge und bezeichnet seine
Sportwagenzeit (Ford GT 40, March-Chevy
707, McLaren-Chevy M8, Ferrari 512 M,
Porsche 908 und 917/10) zwischen 1969
und 1974 als die schönste seiner Karriere.
Sohn Ralf sorgt schon seit 1987 dafür,
dass der Name Kelleners auf der Rennpiste
weiterhin für Qualität und Erfolg bürgt. Der
weissgott nicht unkritische Papa bescheinigt dem Sohnemann «eine grössere
Grundschnelligkeit, als ich sie damals
hatte». Und das will nun wirklich was
heissen.
Helmut Kelleners ist inzwischen ausgewiesener Formel-1-Fan vorm TV-Gerät,
reist jedes Jahr traditionell zu den 24
Stunden nach Le Mans und trifft seine
alten Weggefährten Manfred Trint und ExMäzen Hans-Günther Lehmann beim Golfen (Handicap 15) auf Mallorca. Seit 1987
zum zweiten Mal verheiratet mit Ute, fühlt
er sich dank regelmässigem Fitnesstraining «topfit und viel jünger, als in meinem
Ausweis steht».
«Die Nas»: Helmut Kelleners 1972
Formel-1-Fan: Helmut Kelleners
Allrounder: Helmut Kelleners siegte auch in Sportwagen, hier 1970 im March-Chevy 707
Knupp, Willy (MSa 41/2000)
24
Der RTL-Pionier
illy Knupp und sein RTL-Mikrofon
W
waren bereits in den 60er-Jahren stets
in vorderster Front, wenn es bei «Radio
Tele Luxemburg» um Motorsport ging. Mit
Frank Elstner etablierte er MotorsportReportagen als fixes Programmelement im
Radio und platzierte seinen Sender als
Partner von Teams und Veranstaltern. So
prangte das RTL-Logo lange Zeit auf den
Ford-Escort- und Capri-Tourenwagen des
Zakspeed-Rennstalls, und das Eifelrennen
erhielt über Jahre Werbung durch eine RTLPartnerschaft mit dem ADAC Nordrhein.
Das Düsseldorfer RTL-Studio wurde oft zum
Prominenten-Treff, denn wenn Willy rief,
dann kamen sie alle. «Die Zeit mit Frank
Elstner beim Radio war die schönste überhaupt», blickt der Kölner fast ein bisschen
wehmütig zurück.
Die Gründung von RTLplus TV in Köln
brachte für Knupp den Wechsel ins neue
Medium. Er holte nicht nur die Formel 1
ab 1983 ins Haus, sondern begleitete die
GP bis 1992 als Kommentator. «Wir haben
echte Pionierarbeit geleistet», erinnert
sich Knupp. «Die Formel 1 war bei uns anfangs ein Ein-Mann-Betrieb. Da war ich
schon froh, wenn mir Werner Heinz oder
Norbert Haug etwas assistiert haben.» Seit
1992 hat er nach fast 800 Einsätzen das
Mikrofon zur Seite gelegt, um Platz für
1970: Man beachte den Kragen …
Heiko Wasser zu machen. Vom ehemaligen
RTL-Chef Dr. Thoma wurde er zum Gesamtkoordinator für Motorsport-Kommunikation berufen. Seither vertritt er den Sender
bei den meisten GP als Botschafter.
Für Ende 2001 hat Knupp den «langsamen Übergang in ruhigeres Fahrwasser»
anvisiert: «Dann bin ich 65, will mehr Zeit
für die Familie und für meine Tochter
Lisann haben». Mit seiner langjährigen
Lebensgefährtin und TV-Kollegin Birgit
Lechtermann ist er seit 1995 verheiratet
und geniesst jede freie Minute. «Auch in
Zukunft möchte ich dem Motorsport in
beratender Funktion verbunden bleiben.
Und das eine oder andere Buch schreiben»,
sagt der ehemalige Hobby-Renn- und
Rallyepilot (BMW, Abarth Irmscher-Opel,
Ford). Bisher sind 23 Titel unter seiner
Mitwirkung erschienen, zuletzt «50 Jahre
Formel 1».
Mit Hans Heyer, Jochen Mass und vielen
Weggefährten hält Knupp noch immer
engen Kontakt. Und seinem Arbeitgeber
macht er ein dickes Kompliment: «Ich
bekam die Chance, mit der Formel 1 bei
RTL etwas Neues aufzubauen. Dafür bin ich
dankbar. Und stolz auf das Resultat.» Die
ersten Grand-Prix-Übertragungen hatten
um die 100000 Zuseher. Heute sind es
zwischen 9 und 13 Millionen.
Heute: Noch immer voll im Saft
Nicht nur wortgewandt: Knupp/Breiter im Ford Capri 1971 bei der Monte
Kottulinsky, Freddy (MSa 16/2000)
Alter Schwede!
reddy Kottulinsky wurde in England
F(Ellbogen-Freddy)
wegen seiner Fahrweise «Freddy Elbow»
gerufen, auch anderswo
25
wurden die Gegner bleich, wenn sie nur
seinen Namen in der Startliste entdeckten:
Wo Freddy Graf Kottulinsky antrat, flogen
die Fetzen. Wenn’s krachte, war er meist
mittendrin, aber nur einmal hat er sich
nach einem Überschlag in Mallory Park/GB
wehgetan. Was Kampfgeist und Mut betrifft, eilte ihm ein Ruf wie Donnerhall
voraus.
33 Jahre hat der Schwede mit Wohnsitzen in Deutschland und Österreich in
allen möglichen Cockpits zugebracht. Dabei fühlte er sich im Monoposto am wohlsten. So wurde er viermal in Folge mit seinen Landsleuten Ronnie Peterson (1968)
und Torsten Palm (1969–71) Formel-3Team-Europameister. Mit Niki Lauda teilte
er sich in der Sportwagen-WM 1971 einen
Porsche 908. Die Formel Super VW mischte er im ATS-Lola derart wild und überlegen
auf, dass man ihn nach dem EM-Titel ’74
diskret bat, diese Kategorie zu verlassen.
Weder Siege noch Starts hat er gezählt.
«Ich habe immer nur Gas gegeben, alles
andere war Nebensache.»
Formel 3, Formel 2, Formel Super VW,
Sportwagen, DTM, Tourenwagen-EM,
Rallye-DM, Seat-Ibiza-Cup, Paris–Dakar –
eigentlich gibt es nichts ausser der Formel
1, wo er nicht erfolgreich gewesen wäre.
Ein Wunder an Fitness war er immer – noch
als 60-jähriger fuhr er sein letztes Rennen
in der Formel-Opel-EM. Im Juli wurde der
ewig jugendliche Graf 68, hat vor fünf
Jahren wieder geheiratet und lebt seitdem
in Schleiz am Rande der ältesten deutschen Natur-Rennstrecke.
Dass es ihn ans Schleizer Dreieck verschlug, ist das Resultat eines Renn-Flirts.
1969 gewann er dort ein internationales
Formel-3-Meeting, was ihm das obligate
Siegerbussi der Dame am Podium einbrachte. Man kam sich näher, sah sich zwei
Jahre später wieder und dann nie mehr –
bis 1995. Der Zufall führte Freddy und sein
Siegerehrungsmädel erneut zusammen –
und diesmal endete dies mit Hochzeit und
Hausbau.
Mountainbiken, Kochen und Gartenarbeit sind seine Hobbys. Den Kontakt zum
Rennsport hält er über die Fachpresse.
«Ich lese MOTORSPORT aktuell, da weiss
ich alles.»
Fürs Audi-Sicherheitsprogramm ist er
noch 130 Tage im Jahr als Trainer tätig.
So ganz ist Kottulinsky mit dem Motorsport noch nicht fertig. Mit einem Volvo
122 S ist er in der historischen Rallye-EM
auf Titelkurs.
Tausendsassa: Freddy Kottulinsky 1976
Der Graf heute: Ruhe in Schleiz
Gegner fürchteten ihn: «Freddy Elbow» ’70 im Formel 3 auf der Nürburgring-Nordschleife
Kranefuss, Mike (MSa 18/2000)
26
American Dream
as Mike Kranefuss erreicht hat, kann
W
man getrost als Traumkarriere bezeichnen. Vom Hobby-Piloten (Mini
Cooper, Abarth 1000, Ford Escort) der
60er-Jahre und Assistenten des ersten
Kölner Ford-Rennleiters Jochen Neerpasch
brachte es der stets zu derben Scherzen
aufgelegte Münsteraner bis zum Direktor
für den weltweiten Motorsport des FordKonzerns.
In seinen Amtszeiten als DeutschlandSportchef in Köln (1973 bis 1975), als
Europa-Direktor in Köln und England
(1976 bis 1980) und ab 1981 schliesslich
als weltweit verantwortlicher Manager in
Detroit führte er das Unternehmen nach
jeweils dürren Jahren in allen wichtigen
Motorsport-Disziplinen zurück an die
Spitze. Und das alles mit der ihm eigenen
Lockerheit.
Dennoch wurde Kranefuss 1996 zum
Aussteiger, um sich einen Traum zu erfüllen: ein eigenes NASCAR-Team. Erst mit
Carl Haas, später mit Roger Penske als
Kompagnon. Heute zählt die Allianz mit
den Piloten Jeremy Mayfield und Rusty
Wallace zu den Besten. Im Juli wurde der
Mann mit der immer köchelnden Pfeife 62.
Mit Gattin Immy und seinen Söhnen Danny
(27) und Phillip (24) lebt er in der Nähe
von Charlotte.
Vor 30 Jahren: Weniger methodisch
Längst ist er Ami aus Überzeugung,
schwärmt vom Lebensstil, vom «easy
going» und von der Freundlichkeit der
Menschen. «Die Zeit in Deutschland war
toll, aber das hier ist eine andere, faszinierende Welt.» Noch immer bezeichnet
er sich als «Racing-Verrückten», der 35
Wochenenden im Jahr auf Rennstrecken
zubringt. «Wenn du das nicht aus Spass
machst, frisst der Stress dich auf. Für die
Kohle macht das keiner freiwillig.»
Immy, seit 31 Jahren an Mikes Seite, erträgt es mit Fassung, zumal auch die Söhne
schon Rennluft schnuppern. Danny ist
Finanz- und Personalchef in der 60 Mann
starken Firma des Vaters. Und Phillip
brachte es 1999 in der ASA-Serie (eine
NASCAR-Vorstufe) zum «Rookie of the
Year». «Der weiss genau, was er tut und
will. Ich war als Rennfahrer impulsiver und
weniger methodisch», so der stolze Papa.
Die Frage nach Hobbies wird im Keim
erstickt: «Der stramme Rennkalender lässt
keine Spielräume. Mein Hobby ist Racing.
Ich bin wunschlos glücklich.» Zukunftspläne? «Alles soll bleiben, wie es ist.» Und
Immy Kranefuss ergänzt aus dem Hintergrund mit beissender Ironie: «Wenn der
Mike mal die Augen für immer zumacht,
dann wahrscheinlich auch auf einer
Rennstrecke.»
Ein halber Ami: Kranefuss heute
Rennfahren als Hobby: Kranefuss in seiner heissen Abarth-Knutschkugel
Linge, Herbert (MSa 06/2000)
Die Allzweckwaffe
erbert Linges Name ist untrennbar mit
H
Porsche verbunden. Rund 120 Siege,
der Titel des deutschen Rundstreckenmeisters im Carrera, WM-Titel mit der PorscheWerksmannschaft, erfolgreiche Teilnahme
an fast allen Langstrecken-Klassikern stehen auf dem Konto des Porsche-Piloten.
Sogar das Bundesverdienstkreuz hat er bekommen. Sein Lebenswerk freilich ist die
ONS/DMSB-Rettungsstaffel, deren Aufbau
auf seine Initiative zurückgeht. Heute ist
Linge 71 Jahre alt, und genauso lange lebt
er in Weissach, bei Porsche um die Ecke.
«Meine Frau und ich sind gesund, wir sind
glücklich, das ist die Hauptsache.» Lilo ist
seit 42 Jahren an seiner Seite.
Zuverlässig, sauschnell, souverän,
technisch hoch begabt, durch nichts aus
der Ruhe zu bringen: So beschreiben
Gegner von damals ihren Konkurrenten.
Der Urschwabe war in der Tat für Porsche
eine Art Allzweckwaffe und fuhr seine
Rennen nach dem Motto «In der Ruhe liegt
die Kraft». Ob Rallye oder Rundstrecke, ob
GT oder Sportwagen – Linge war mit jedem
Porsche schnell und erfolgreich.
Die Verbindung mit dem Stuttgarter
Sportwagenunternehmen hat nicht nur
seine sportliche Laufbahn, sondern auch
sein ganzes Leben geprägt. So arbeitete
er seit seinem 15. Lebensjahr ausschliess-
Linge damals: Immer auf Porsche
27
lich für Porsche und steuerte im Laufe
seiner Karriere nur Porsche-Rennautos. Bis
zur Pensionierung war Linge Betriebsleiter
im Weissacher Techniktempel. Einen
richtigen Werksfahrer-Vertrag mit Gage hat
er übrigens nie bekommen. Und das ärgert
ihn noch heute. «Der Huschke hat damals
den Standpunkt vertreten, dass der Linge
sowas nicht braucht, weil er als PorscheMitarbeiter sowieso immer da ist.»
Von allen Porsche wurde der 904 GTS zu
Linges Liebling. Damit holte er sich auch
seine wertvollsten Erfolge wie die GTRundstreckenmeisterschaft oder die Tour
de France, die er mit dem Franzosen Robert
Buchet gewann. Auf den Sieg bei der
damals berühmt-berüchtigten FrankreichRundfahrt für Automobile ist er besonders
stolz, «weil das das Härteste überhaupt
war. Da gab es allein zehn Bergprüfungen
und ein Dutzend Rundstreckensprints.»
Genauso wie der 904 GTS ist Linge auch
die Nordschleife ans Herz gewachsen.
Noch hat er zwar Kontakt zur Renn-Clique aus dem Grossraum Stuttgart, aber zu
den Rennstrecken kommt er kaum noch.
Auch die Leitung der Rettungsstaffel ist
längst in andere Hände übergegangen.
Sein Hobby sind jetzt Oldtimer, mit denen
er gerne noch einige Wettbewerbe wie die
«Ennstal Classic» bestreiten würde.
Linge heute: Oldtimer als Hobby
Porsche und sonst nichts: Herbert Linge im Porsche Abarth-Carrera auf GT-Titelkurs 1963
Löwinger, Willy (MSa 34/2000)
28
Wiener G’schichten
illy Löwinger hat als Funktionär und
W
Organisator Motorsport-Geschichte
geschrieben. Als allgewaltiger und diktatorisch amtierender Präsident des Österreichischen Automobil Sport Clubs (ÖASC)
verhalf er dem Rennsport in den 60erJahren zu neuer Akzeptanz. Rindt, Quester, Lauda und Marko absolvierten ihre
Debüts bei Löwingers Veranstaltungen.
Dazu zählten die Flugplatzrennen WienAspern und Innsbruck wie die Berg-EMLäufe am Gaisberg, Dobratsch oder Timmelsjoch. Seine grösste Tat war der Bau
des Salzburgrings Ende der 60er-Jahre.
Lange blieb der einstige Eisschnelläufer
Alleinherrscher in Österreichs Szene. Erst
als dem Salzburgring mit der KnittelfeldZeltweg-Connection um Dr. Tiroch Konkurrenz durch den neuen Österreichring erwuchs, wurde seine Regentschaft beschnitten. Damals musste er sich anhören,
wie sein geliebter Kurs durch einheimische
Stars als «längste Pissrinne der Welt» verhöhnt wurde. Dass der Formel-1-GP am
Österreichring blieb, hat er nie verwunden.
Bühnenreife Auftritte und Anekdoten
des heute 84-Jährigen begleiteten seine
Amtszeit von 1955 bis 1990. Ein typisches
Szenario: Ein Tisch, darauf die eiserne
Handkasse und der Ticket-Koffer, dahinter
der ÖASC-Chef mit dicker Zigarre im Mund.
«Wer sind Sie, was wollen Sie, wo schreiben
Sie?» herrschte er ihm unbekannte Journalisten an. Wer Anmache und Taxierung
überstand, bekam ein Ticket und durfte
passieren. Ein Ausweis für die Begleitung?
«Kaufens dem Hasen a Stehplatz-Karten»,
beschied er und liess den Nächsten vortreten.
Gendarmen, die an Rennwochenenden
nur auf Löwingers Kommando hörten, zogen auf sein Geheiss auch mal den Revolver, um aufsässige Rennfahrer zur Ordnung zu rufen. Mit dem Amerikaner Masten
Gregory wälzte er sich am Boden, weil der
Pole-Sitter am Renntag kein Ticket vorweisen konnte. Einen Deutschen bestellte er
«für 500» als Streckenreporter nach Innsbruck, um hernach zu erklären, dass es sich
bei der Gage natürlich um Schilling und
nicht um D-Mark handle …
«Der Willy war so eine Art Bernie
Ecclestone für Arme», erinnert sich Dieter
Quester. «Ich war immer ein Diktator, und
das war gut so», blickt Pensionär Löwinger
zurück. Die Zigarren schmecken noch
immer, die Gesundheit ist im grünen Bereich. Gelegentlich reist er noch zur BergEuropameisterschaft, deren Mitbegründer
er ebenso ist wie der Tourenwagen-Europameisterschaft. Sonst ist er mit sich und
der Welt zufrieden.
1971: Wer sind Sie, was wollen Sie?
Löwinger 1999: Ich war immer ein Diktator
Dreier-Talk: ADAC-Mann Schaaf, Willy Löwinger und MSa-Autor Rainer Braun im Jahr 1964
Luck, Jochen (MSa 24/2000)
Die Renn-Stimme
ochen Lucks Stimme gehörte 38 Jahre
JAutomobil-Veranstaltungen
lang zu den grossen Motorrad- und
in Deutschland. Zwischen 1949 und 1987 kommentierte der stimmgewaltige Mann aus
Kassel als Streckenreporter mehr als 500
Rennen, darunter 20 Formel-1-GrandsPrix, 19 1000-km-Rennen, 36 Motorrad-GP
und 33 Motocross-WM-Läufe. Inzwischen
ist er 75 Jahre alt, sieht aus wie 60 und
fährt noch immer historische MotorradRennen.
Luck ist ein Paradebeispiel dafür, wie
man mit positiver und gesunder Lebenseinstellung auch jenseits der 70 noch jung,
gesund und vital bleiben kann. «Die Liebe
zum Sport», glaubt er, «hat mich bis heute
fit gehalten.» Bei schönem Wetter
schwingt er sich auf die Enduro-Maschine
oder fährt Mountainbike. Im Winter geht
er zweimal die Woche Schlittschuh-Laufen
und spielt sogar Eishockey. «Das Alter ist
kein Unglück, sondern ein Geschenk. Also
muss man es dankbar annehmen und
nutzen, so gut es geht.»
Mit seiner Reporterzeit verbindet Luck
viele schöne Erinnerungen. So arbeitete er
besonders gerne auf der Avus. «Das war
mein Lieblingsrennen, wegen der ganz
speziellen Stimmung, die das Berliner
Publikum verbreitete.»
Jochen Luck: 38 Jahre am Mikrophon
29
Am meisten ging Jochen Luck der Tod
von Jim Clark im April 1968 beim Formel2-Rennen in Hockenheim unter die Haut.
«Als ich das Bulletin der Rennleitung verlesen habe, erhoben sich 70000 Menschen
im Motodrom schweigend und ohne
Aufforderung von ihren Plätzen. Das hat
mich ungeheuer mitgenommen.»
Die heutigen Kollegen beneidet Luck
insofern, als ihnen alle erdenklichen
elektronischen Hilfsmittel bei der
Reportage zur Verfügung stehen. Dass er
trotzdem zu seiner Zeit nie ins Schleudern
kam und immer auf der Höhe des
Renngeschehens war, verdankt er seiner
Frau Hildegard, mit der er seit 1964 verheiratet ist. «Sie war mein Computer, führte ihre Rundentabelle mit äusserster
Präzision und half mit ihren Aufzeichnungen auch schon mal der Zeitnahme aus
der Bedrängnis. Ohne sie wäre ich am
Mikrofon nur die Hälfte wert gewesen»,
versichert «Jochen, the Voice».
Heute noch macht Jochen Luck rund
zehn Motorrad-Grand-Prix-Besuche pro
Jahr zu seinem Pflichtprogramm. «Wenn
ich einen Wunsch frei hätte», so der langjährige Leiter der MAN-NutzfahrzeugNiederlassung Kassel, «dannn würde ich
gerne mal bei der Dakar-Rallye in einem
Begleitfahrzeug dabei sein.»
Luck: Auf zwei und vier Rädern versiert
Auf rutschigem Parkett: Auch mit 74 Jahren führt nur er selbst Jochen Luck aufs Glatteis
Mander, Dr. Helmut (MSa 31/2000)
30
Der Bergdoktor
r. Helmut Mander beherrschte zwei
D
Disziplinen schon immer besonders
gut: Motorsport und Tennis. Hätte es in
seiner besten Zeit als Rennfahrer so viele
Opel-Fans gegeben wie heute, wäre er vermutlich auf Händen getragen worden. Als
treuer und erfolgreicher Irmscher-Kunde
prügelte er seinen meist grell-bunt lackierten Zweiliter-Kadett so brutal über
die Bergrennstrecken Europas, dass die
Rivalen reihenweise resignierten. So gelangen ihm allein im Kadett 104 Klassenund acht TW-Gesamtsiege, Letztere vorzugsweise im Regen.
Dazu liess er sich mehrfach als VizeEuropameister feiern. Die zweite Paradedisziplin bescherte dem belesenen Volkswirt Dr. rer. pol. Mander jede Menge Erfolg
mit dem Tennis-Racket. Noch vor zehn
Jahren holte er die hessische SeniorenMeisterschaft. Inzwischen ist der mittlerweile 60-Jährige bekennender FerrariFan, lebt in Dietzenbach bei Offenbach
und dirigiert bei Ferrari Deutschland in
Wiesbaden das europaweite Management
der beliebten Challenge. Für das springende Pferd arbeitet Mander seit 20 Jahren, erst als Marketingleiter, jetzt als
Sportmanager. Auch Sohn (15) und Tochter
(12) Mander entwickeln sich zu Sportskanonen, allerdings nicht am Lenkrad. «Sie
spielen sehr gut Tennis», lobt der Papa.
«Das Mädchen wird sogar vom Verband gefördert.» Dass der Nachwuchs mit Motorsport nichts am Hut hat, stört Mander
nicht: «Dann wird’s nicht so teuer.» An die
70er erinnert sich Mander besonders
gerne. «Das erste Jahr mit dem ZweiliterOpel Kadett 1971 war das schönste, da
haben wir im Regen so manchen GT niedergemacht und auch einige TourenwagenGesamtsiege eingefahren.»
Die grösste Enttäuschung seiner Laufbahn erlebte Mander beim EM-Lauf in
Andorra. In der ersten Kurve lag der Kadett
im Acker, und der anvisierte EM-Titel war
futsch. Sein Lieblingskurs war der EM-Parcours Bozen–Mendola. Alles in allem hat
der Bergspezialist in 25 Jahren gut 200
Siege erreicht, die meisten mit Opel Kadett
und Commodore von Irmscher.
Seine Zukunftspläne sind abgesteckt:
«Als Erstes will ich Gewicht abspecken,
dann so viele Erdteile wie möglich mit dem
Wohnmobil bereisen und schliesslich nur
selten Krawatte und Sakko tragen. Spätestens in fünf Jahren will ich beginnen.»
Einen Strich durch die Rechnung könnte
ihm nur der leicht angeschlagene Bewegungsapparat machen: «Die Hüfte zwickt,
und die Bandscheibe ist nach einem Vorfall
auch nicht mehr so stabil.»
1973: Eine der vielen Ehrungen
2000: Erfolgreicher Ferrari-Repräsentant
Früher Strycek: Helmut Mander im Irmscher-Kadett beim Sauerland-Bergpreis 1973
Meeuvissen, Annette (MSa 44/2000)
«Second Lady»
nnette Meeuvissen wird das Szenario
A
jenes Sonntags im September 1982 auf
dem Flughafen Siegerland wohl nie ver-
31
gessen: Endspurt im Premierenjahr des
Ford-Fiesta-Ladies-Cups, ihr Auto droht im
Kampf um die Führung umzukippen, wundersamer Weise bleibt der Überschlag aus,
sie gewinnt sogar noch knapp. Im Ziel der
Eklat: Annette wird von der Besiegten beschimpft, statt Gratulation gibts böse
Worte: «Schau mal in den Spiegel, blöde
Kuh, und schmink’ dich richtig.»
Das Finale am Nürburgring lässt Böses
zwischen den Rivalinnen befürchten, aber
dann geht’s doch versöhnlich aus. Beide
stehen punktgleich unterm Siegerkranz,
der von Ford ausgelobte Preis (ein neues
Auto) wird verdoppelt, beide sind zufrieden. Da ist es auch wurscht, dass Annette
auf Grund schlechterer Einzelplatzierungen trotzdem nur «Second Lady» wird.
Das war die Begleitmusik des Einstiegs
der Sportlehrerin in den Rennsport. «Erst
war ich schockiert, dann habe ich begriffen, wohin die Reise geht.» Zielstrebig
arbeitete sie sich bis zum BMW-Werksvertrag für DTM (Zakspeed) und Tourenwagen-WM (Schnitzer) hoch. «Die WMSaison 1987 bei Schnitzer war die schönste
und professionellste, die ich je erlebt
habe», sagt sie. Trotzdem endete die Profi-
Karriere 1992 «mit Frust und Enttäuschung, weil es keine Perspektiven
mehr gab».
Die Düsseldorferin heuerte bei der LTU
als Flugbegleiterin an, verliebte sich in das
afrikanische Land Namibia und träumte
von einer Farm für heimatlose oder verletzte Tiere. Die Liaison mit einem Einheimischen bestärkte sie in ihrem Plan,
sich in Südafrika niederzulassen. «Leider
ging das daneben, es war ein schöner
Traum.» Der Trennung vom Partner folgte
die Rückkehr nach Deutschland.
Hier ordnet Annette Meeuvissen in
München ihr Leben gerade neu. Als allein
erziehende Mutter des einjährigen Max
stellt sie sich «einer grossen Verantwortung mit neuer Prioritäten-Orientierung».
Über kurz oder lang will sie wieder als
Flugbegleiterin arbeiten. Unter das Kapitel Motorsport hat die 38-Jährige einen
Schlussstrich gezogen, auch die Kontakte
zum Rennsport sind abgerissen. «Gelegentlich schaue ich mir noch ein Formel1-Rennen im TV an, aber die ganz grosse
Faszination ist weg.» Stattdessen
schwingt sie neuerdings den Golfschläger
und findet wieder Spass in ihren früheren
Lehrberufen Aerobic und Fitness. «Ich
habe ein neues Leben begonnen und bin
nicht unzufrieden.»
Damals: Die Ford-Fiesta-Lady anno 1982
Heute: Neues Leben in München
Resultat ihrer Zielstrebigkeit: Annette Meeuvissen im Zakspeed-M3 in der DTM 1988
Moll, Rolf/Schock, Walter (MSa 32/2000)
32
Das Dream-Team
alter Schock und Rolf Moll können in
W
Anspruch nehmen, im Rallyesport
Geschichte geschrieben zu haben. Als
erste Deutsche gewannen sie 1960 auf
Mercedes 220 SE die Rallye Monte Carlo,
wurden zweimal Europameister und siegten bei fast allen Rallye- und MarathonKlassikern wenigstens einmal. Kein Wunder, dass die Schwaben sechs Jahre lang
(1954 bis 1960) als das «Dream Team» des
Rallyesports galten.
Ihrer Hausmarke Mercedes-Benz blieben sie stets treu – die Modelle 220 SE und
300 SL waren Sieggarant und Verpflichtung. Der Renn- und Rallyebaron Huschke
von Hanstein hat über die Mannschaft
Schock/Moll einst gesagt: «Die beiden sind
wie ihr Auto – ein deutsches Markenzeichen für Qualität und Siege.» An Cleverness, Zuverlässigkeit und Präzision übertrafen Fahrer Schock und Co Moll alle, auch
wenn die schneller oder mutiger waren.
«Hirn einschalten, keine Fehler machen
und ankommen», lautete ihre Devise.
Silbernes Lorbeerblatt und Bundesverdienstkreuz krönten die Laufbahn.
Danach machten die Stuttgarter als
Sportfunktionäre Karriere. Schocks Zugehörigkeit als DMSB-Berufungsrichter geht
bereits ins 35. Jahr. Und Moll lenkte den
deutschen Motorsport über viele Jahre als
AvD-Sportpräsident und ONS-Präsident.
Inzwischen hat der Ex-Vorstands-Vorsitzende der DEKRA den Wohnsitz ins
schweizerische Wollerau am Zürichsee verlegt. Der 72-Jährige will mit Frau Edith
(seit 43 Jahren verheiratet) in erster Linie
«die Schweiz erforschen, reisen und Golf
spielen». Die Töchter Vera (43) und Claudia
(40, verheiratet mit DTM-Regelfuchs Michael Bernard) blieben in Stuttgart. A propos DTM: «Die Premiere in Hockenheim»,
so Moll, «habe ich mir als alter DTM-Fan
natürlich nicht entgehen lassen.»
Walter Schock feierte im April in
Stuttgart den 80. Geburtstag. «Ich bin
froh, dass der liebe Gott mir so viele
schöne Jahre geschenkt hat.» Immerhin
überstand er letztes Jahr einen Oberschenkelbruch und erst kürzlich eine
schwierige Nierenoperation. Wann immer
es geht, schaut er sich die wichtigsten
Rennen in Hockenheim live vor Ort an.
«Alles andere findet vorm Fernseher statt,
da wird keine Sendung versäumt.»
Und wenn’s um ihn herum mal nicht
brummt, findet man ihn in seinem Garten.
Unterstützt wird er von seiner Gattin Ruth,
mit der er seit fast biblischen 55 Jahren
verheiratet ist. Sein Fazit: «Ein guter
Schwabe wechselt weder Ehefrau noch den
Co-Piloten…»
Dream-Team: Schock (links) und Moll
Wiedersehen: Moll (links) und Schock
Schwäbische Tugenden: Schock/Moll bei ihrem Rallye-Monte-Carlo-Sieg anno 1960
Odenthal-Stöhr, Waltraud (MSa 36/2000)
Die Turbo-Maus
altraud Odenthal trat fast nahtlos
W
Hannelore Werners Nachfolge als
schnellste deutsche Rennlady der 70er-
33
Jahre an. Die Tochter eines Ford-Händlers
aus Siegburg startete ihre MotorsportLaufbahn 1969 im Escort-Cup, wechselte
danach in einen Gruppe-2-Capri und gehörte ab 1972 im Gruppe-5-Capri RS zur
Elite der Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM). Immer wieder erstand der
Herr Papa für die Tochter einen ausrangierten Werks-Capri aus dem Vorjahr.
Bemerkenswerte Kämpfe gegen die
männliche Konkurrenz vom Schlage eines
Ludwig, Fritzinger oder Stommelen brachten der sommersprossigen, löwenmähnigen Dame den Spitznamen «TurboMaus» ein. Allerdings flossen auch dicke
Tränen, wenn der teure Capri RS neben der
Piste lag. «Ich habe nur deshalb geheult,
weil ich Angst hatte, dass Vater den Geldhahn zudrehen könnte.»
Die Befürchtung wurde besonders akut,
als die schnelle Waltraud am Ring eine
brandgefährliche Luftnummer fabrizierte.
Auf dem Bergabstück in Richtung Wehrseifen absolvierte sie eine beängstigende
Flugreise und überschlug sich bei der
Landung dreimal. Resultat: Totalschaden,
zwei angebrochene Rückenwirbel. «Da
dachte ich, das wars.» Mit dem Nürburg-
ring ist auch ihre grösste Enttäuschung
verbunden. Eine Stunde vor Ende des 24Stunden-Rennens feuerte ihr Co-Pilot auf
Gesamtrang 2 liegend den Capri in die Botanik.
Die Hochzeit mit dem einstigen CastrolRenndienstleiter Jochen Stöhr liess die
Vollgas-Zeit der Turbo-Maus 1974 ausklingen. 1977 war endgültig Schluss. Gemeinsam führt das Ehepaar heute drei FordAutohäuser in Siegburg, Troisdorf und
Altenkirchen. Eine weitere Aufgabe wird
womöglich schon bald hinzukommen,
denn zwei der drei Odenthal-Kids drängen
mit Macht in Richtung Racing: Philipp (19)
und Jessica (21) wollen Tourenwagen fahren. «Nicht auszuschliessen», sagt die
Mama mit gemischten Gefühlen, «dass sich
zumindest der Sohn durchsetzt. Nur die älteste Tochter hat damit zum Glück nichts
am Hut.»
Kontakt mit Konkurrenten und Freunden
von früher hat sie nur noch selten.
«Eigentlich schade, doch der tägliche
Geschäftsbetrieb lässt dir einfach keine
Zeit dafür.» Trotzdem bleibt ein Wunsch,
den sie sich unbedingt erfüllen möchte:
«Ich würde gerne einen meiner ehemaligen
Capri RS von den jetzigen Besitzern zurückkaufen. Da hängen doch verdammt
viele Erinnerungen dran.»
Odenthal 1970: Was waren das für Brillen
2000: Der Nachwuchs drängt nach
Triumph und Tränen: Turbo-Maus Waltraud Odenthal 1972 im Ex-Werks-Capri am Ring
Perrot, Xavier (MSa 43/2000)
34
Mosleys Kunde
avier Perrot gehörte in den Formel-2XKlientel,
Glanzjahren 1969 bis 1972 zu jener
die dem damaligen March-Mitinhaber und heutigen FIA-Boss Max Mosley
immer wieder die Firmenkasse füllte. Als
weltweit erster March-Kunde holte sich der
zweifache Schweizer Meister alljährlich
das neueste Chassis samt Teilevorrat in Bicester ab. Bei den Formel-2-EM-Läufen
und in der Berg-EM gehörte der Zürcher
Autohaus-Besitzer zum Fahrerstamm.
Seinen grössten Auftritt hatte der
Schweizer am 2. August 1970 am Nürburgring. Während die Formel-1-Piloten Rindt,
Stewart & Co. zum Entsetzen des Veranstalters AvD einen Streik wegen fehlender
Sicherheit auf der Nordschleife anzettelten und der deutsche Grand Prix in
Hockenheim stattfand, siegte Perrot im
knallgelben March-Ford beim vom AvD aus
Protest als «Gegenveranstaltung» ausgeschriebenen «Grand Prix von Deutschland
für Formel-2-Rennwagen». AvD-Sportstratege Schmitz polterte damals: «Wir machen auf der Nordschleife einen Grand Prix
für richtige Männer.»
Dass den «Harte-Männer-Grand-Prix»
mit Hannelore Werner beinahe eine Frau
gewonnen hätte, verhinderte nur Perrot:
Er profitierte vom Ausfall des führenden
Derek Bell in der letzten Runde. «Das war
ein echtes Geschenk», erinnert sich der
68-Jährige heute.
Nach fast zehn Jahren in verschiedenen
Sportwagen und Formel-Autos beendete
Xavier Perrot 1972 seine Laufbahn. In dieser Zeit gelangen ihm rund 70 Siege und
neben den zwei nationalen auch der Titel
in der Europa-Bergmeisterschaft 1972. Einer seiner wenigen Unfälle hätte übrigens
fast die Verschiebung des Hochzeitstermins erzwungen: Beim F2-EM-Lauf 1970 in
Hockenheim brach er sich den Fuss. «Ein
Unglück kommt selten allein», alberten
seine Freunde daraufhin lautstark, als er
wenige Tage später mit Gipsbein zur
Trauung antrat. Mit seiner Manuela ist er
inzwischen seit 30 Jahren verheiratet.
Kaum hatte der Zürcher sein Autohaus
vor fünf Jahren verkauft, erlitt der Vorruheständler zwei gesundheitliche Rückschläge: Gerade von einer HerzklappenOperation genesen, zwang ihn eine Gehirn-Embolie erneut ins Spital. Inzwischen
hat er sich so erholt, dass er wieder Sport
treiben kann. Mit Interesse schaut sich
«Xavi» nach wie vor alle Formel-1- und
Motorrad-Grands-Prix im Fernsehen an.
Hochtrabende Pläne und Wünsche hat er
nicht: «Wenn ich halbwegs gesund bleibe
und Tennis spielen kann, wäre dies das
grösste Geschenk.»
Perrot 1970: Feste Grösse in der Formel 2
Perrot heute: Die Rückschläge sind verdaut
1972 im March-Ford 722: Zu Max Mosleys Ärger fabrizierte Xavier Perrot selten Schrott
Pfuhl, Albert (MSa 45/2000)
Der Herrenfahrer
lbert Pfuhl hat Motorsport stets mit
A
jener fast unverschämten Lockerheit
gelebt, die bei jedem Ehrgeizling Kopf-
35
schütteln auslöste. Der Geschäftsmann
(Inhaber mehrerer Patente für die Papier
verarbeitende Industrie) fuhr nie bewusst
um einen Titel und trat stets nur da an,
wo es ihm gefiel. Kein Wunder, dass Pfuhl
in seiner aktiven Zeit zwischen 1953 und
1985 Motorradrennen, Rallyes und Autorennen in mehr als 70 Ländern bestritten
hat. «Das sind Erlebnisse», so der Weltreisende, «die schwerer wiegen als alle
Meisterschaftspunkte und Titeljagden.»
In rund 400 Automobil-Wettbewerben
bewegte Pfuhl edelste PS-Geräte, darunter
alle gängigen Mercedes vom 280 SE bis
zum 450 SLC, einen Ferrari 250 GT, Lotus
30 und die drei leistungsstärksten Porsche
(Carrera 6, 908 und 917). 1965 erwarb er
als erster Kunde der jungen Tuning-Firma
Aufrecht, Melcher Grossaspach (AMG)
einen Mercedes 300 SE Direkteinspritzer.
Seine Villa in Darmstadt hat der 65-Jährige gegen ein riesiges Grundstück in Otzberg/Odenwald mit Bauernhof und Forsthaus, Landwirtschaft, viel Getier und
Fischgewässer eingetauscht. Das Anwesen
liegt nur ein paar Minuten vom Wohnort
seines alten Kumpels Reinhold Joest entfernt. Pfuhl und Gattin Edeltraut («nach
20 Jahren Probezeit haben wir 1975 geheiratet») bewirtschaften das Anwesen
mit viel Hingabe, der Hausherr fährt das
Heu mit dem eigenen Traktor ein. Kinder
haben sie nicht, dafür aber zwölf Tierarten.
Pfuhls Tierliebe sorgte schon früher für
Schrecksekunden. Wer begrüsst seine
Gäste schon mit einem Schimpansen auf
der Schulter und einem zahmen Gepard daneben…?
Noch immer unternimmt Albert Pfuhl
mindestens einmal im Jahr eine Abenteuer-Weltreise. Zuletzt bretterte er mit
zwei Freunden im Jeep 12 000 km quer
durch Australien, demnächst steht ein
ähnlicher Trip durch Südamerika an. Als
schönste Zeit gilt für ihn die Ära der
grossen Bergrennen in den 60er-Jahren.
Als wertvollsten Erfolg sieht Pfuhl den
sechsten Gesamtrang bei der «Vuelta de la
Sud» über 30 000 km durch Südamerika,
die er 1977 zusammen mit Alfred Kling im
Mercedes 280 SE bestritt.
Zur Marke Mercedes hat der Herrenfahrer
seit den Tagen des ersten AMG-Einkaufs
ein besonders herzliches Verhältnis: 1982
verleibte sich Albert Pfuhl den gesamten
Fahrzeugbestand der Rallyeabteilung
«zum Freundschaftspreis» ein, nachdem
Mercedes die Rallyeaktivitäten überraschend beendet hatte.
Albert Pfuhl 1969: Treuer Mercedes-Kunde
Albert Pfuhl heute: Viel Platz fürs Getier
Er war der erste AMG-Kunde: Albert Pfuhl 1967 im getunten Mercedes-Benz 300 SE
Philipp, Dr. Gunther † 2003 (MSa 35/2000)
36
Film, Funk, Ferrari
r. Gunther Philipp – wer kennt den BotD
schafter des Frohsinns nicht aus unzähligen Filmen und Theaterstücken. Was
seinen Fans jedoch meist verborgen blieb:
In den 60ern zählte der Österreicher zu
den besten Sportwagen-Piloten des Landes. Mit den edlen Gerätschaften aus dem
eigenen Rennstall wurde er dreimal Staatsmeister – einmal im Mercedes 300 SL,
zweimal im Ferrari 250 GT.
Der Name Dr. Gunther Philipp steht in
den Resultatlisten dieser Jahre oft vor berühmten Zeitgenossen. Dass der Mann, der
in mehr als 150 Filmen («Wenn Poldi ins
Manöver zieht», «Der Manöver-Zwilling»)
mit Peter Alexander pausenlose Angriffe
auf die Lachmuskeln startete, nebenher
einen Fuhrpark mit zeitweise sechs Ferrari
unterhielt, war schon damals nur Insidern
bekannt. Dies gilt auch für seinen eigentlichen Beruf – Gunther Philipp ist nämlich
Neurologe.
Heute lebt der Theater-Star wahlweise
in Köln und der Toskana. Im Juni wurde er
82 Jahre alt und steht noch immer jeden
Abend auf der Bühne. An der «Kleinen
Komödie» in Wien ist er ebenso zu Hause
wie im Kölner «Theater am Dom» oder auf
den Bühnen in Bonn, Bochum, Essen,
Düsseldorf und Bad-Godesberg. Sieben
Abende die Woche. Ob der grossen Nach-
frage gibt es oft sogar zwei Vorstellungen
am Tag. Seine selbst inszenierte Boulevard-Komödie «Da wird Daddy staunen» ist
der Renner schlechthin. «Seit September
gastiere ich mit dem Stück in Berlin – und
bin dort schon bis 2002 ausgebucht.»
Woher nimmt Philipp die Power? «Ich
habe vor 20 Jahren zum vierten Mal geheiratet, meine junge Frau und der 17-jährige Sohn halten mich auf Touren.» Zwei
weitere Söhne (57 und 33) aus früheren
Ehen sind mit Film, Theater und Rennsport
nicht in Berührung gekommen. Der Ältere
ist Uniprofessor für Medizin, der Jüngere
Ingenieur.
Gerne erinnert sich Ferrari-Fan Philipp,
der noch immer jede mögliche F1-, Sportund Tourenwagen-Übertragung im TV ansieht, an seine aktive Zeit. «Am schönsten
waren die Rennen auf dem Zeltweger
Flugplatz, diesem Rumpelacker.» Mit
Jochen Rindt ist er dort nicht nur angetreten, sondern hat mit ihm auch die Sendung «Motorama» moderiert. Nach Rindts
Tod 1970 lief das Magazin drei Jahre mit
Philipp alleine weiter, «aber der Jochen
hat uns allen sehr gefehlt. Das hat verdammt weh getan.» Zukunftswünsche?
«Gesund bleiben, nie aufhören zu lernen
und solange wie möglich auf der Bühne
stehen.»
Sieg im Lotus: Gunther Philipp anno 1965
Fit und vital: Der Doktor mit 82 Jahren
Flugplatz Zeltweg 1964: Gunther Philipp wird Österreichischer Meister im Ferrari 250 GTO
Pinske, Lothar (MSa 29/2000)
Das Arbeitstier
Pinskes Liebe zum Motorsport hat
Lalsothar
ihn nie auf die Uhr gucken lassen. Mehr
30 Jahre brachte er bei Ford in Köln
zu: erst Einkäufer in der Datenverarbeitung, ab 1973 Assistent von Sportchef
Mike Kranefuss, und ab 1981 Leiter der
Motorsportabteilung. Mit Dienstantritt als
Sportassistent musste er geloben, seine
eigenen Rennambitionen (Rallye und
Langstrecke auf Gruppe-1-Capri 3,0 sowie
2,6-Liter-Capri RS) einzustellen. Wer mit
Pinske arbeitete, war beeindruckt von
seiner Konsequenz. Für Kranefuss war er
der «beste zweite Mann, den ich je hatte».
Der heutige Sportchef Jürgen Klauke beschreibt seinen Vorgänger als «engagierten Sportmanager, der gute Basisarbeit geleistet und dem Ford sehr viel zu
verdanken hat».
1996 endete das Ford-Kapitel für
Pinske: «Es gab keine Perspektive für
grossen Motorsport mehr. Wenn du keinen
Etat und keine Leute hast, kannst du nichts
bewegen.» Vier Jahre zuvor bereits war
seine Motorsport-Abteilung aufgelöst
worden. Dennoch werkelte er als Solist und
Etat-Zauberer im Unterholz des Konzerns
weiter.
Nach drei Jahren als selbstständiger
Berater hat der inzwischen fast 57-Jährige
wieder eine Herausforderung gefunden:
Lothar Pinske 1974: Schnauz ist heute weg
37
Für die neue «V8-STAR-GmbH» in Essen
leitet er seit 1. April das Ressort Organisation. Mit im Boot sitzt sein alter FordWeggefährte Thomas Ammerschläger, der
den Technik-Part übernommen hat. «Wir
wollen», so Pinske, «die V8-STAR bis 2001
auf die Bahn bringen und ihr eine erfolgreiche, langfristige Zukunft sichern.»
Neben dem neuen Job sind Frau Eva (28)
und Sohn Adam (7) sein Lebensmittelpunkt. Vor sieben Jahren hat Pinske den
Junggesellenstatus endlich aufgegeben
und geheiratet. Pferde und Reiten sind
sein Hobby – der Sohnemann hat inzwischen jenes Pony übernommen, das ihm
seine DTM-Junioren Frank Biela, Manuel
Reuter und Bernd Schneider 1987 geschenkt haben. An die 80er-Jahre erinnert
er sich gerne: «Das war die schönste Zeit,
die Titel mit Klaus Ludwig im Turbo-Capri
und im Sierra-Cossie, Ladies-Cup, DTM und
Tourenwagen-WM.» Nicht zu vergessen das
«Race of Champions» in Diepholz, wo der
verstorbene Bilstein-Chef Hugo Emde Stars
aus ganz Europa in 20 identische Escort
XR3i setzte. Dabei gab’s viel Spass und
reichlich Kleinholz.
Enttäuschend findet der Ex-Ford-Sportchef, «wie viele ‹gute Freunde› nix mehr
von sich hören lassen, wenn man nicht
mehr in exponierter Position ist».
Pinske heute: Von Müdigkeit keine Spur
1971: Seine Renn-Ambitionen (hier im 2,3-l-Capri) musste Lothar Pinske bald aufgeben
Plankenhorn, Axel (MSa 14/2000)
38
Der Zwei-Meter-Hüne
xel Plankenhorns Karriere bekam ihren
A
Schub in der Formel-Vau-Zeit der 70erJahre. Zwar war der Zwei-Meter-Mann zuvor schon im NSU TT herumgetobt, aber
das war nichts gegen die Schlachten, die
in den Formeln Vau 1300 und Super Vau
geschlagen werden mussten, wo er mehrere Titel und Vize-Meisterschaften an Land
zog. Danach stand er auch in der Formel
2 seinen Mann. Bis zum Ende seiner Laufbahn ’84 entwickelte er sich zum schnellen
und zuverlässigen Porsche-Piloten. Jetzt
ist Plankenhorn 48, wohnt in Kornwestheim bei Stuttgart und ist Inhaber eines
Konstruktionsbüros für Büroeinrichtung.
Rund 60 Siege hat er in 15 Jahren errungen. Da waren die grossen Jahre in der
Super-Vau-EM gegen Arie Luyendyk, John
Nielsen oder Helmut Henzler. Oder die
ebenso teure wie lehrreiche Zeit der F3und F2-EM. Immerhin gehörte Plankenhorn noch zu jenen Furchtlosen, die die
Nordschleife («meine Lieblingsstrecke»)
im Formel 2 umrundeten. Schliesslich der
Schnitt: Ende der Formelkarriere wegen
fehlender Perspektiven, 1979 Umstieg auf
geschlossene Autos, Vertrag bei PorscheKremer für Starts im 700 PS starken 935
Turbo in der Rennsportmeisterschaft.
Plankenhorn wurde Teamkollege von
Klaus Ludwig, erlebte dessen legendären
79er-Siegeszug und erreichte mit ihm bei
einigen WM-Läufen Erfolge. Aber plötzlich
war bei Kremers Schluss mit Lustig: Ludwig
wechselte vor Saisonbeginn 1980 zu Ford
und wurde mit dem neuen Super Capri in
der grossen DRM-Division direkter Gegner
von Plankenhorn. Der war plötzlich die
Nummer 1 des Teams. Sein Pech war, dass
diese Saison die streitbarste und unfreundlichste der DRM-Historie wurde. Zoff
mit Ford wegen der Heckflügel, gespanntes
Verhältnis zu Ludwig, Proteste, Klagedrohungen, Wertungen unter Vorbehalt etc.
Nur ungern erinnert sich Plankenhorn
an den Eklat beim dritten Rennen in
Hockenheim. «Da hat mich der Klaus mit
einem wüsten Rempler in der letzten Kurve
um den Sieg gebracht.» Turbulente Szenen
danach, die Kremer-Brüder wollten Ludwig
an die Wäsche, und Ford-Rennchef Mike
Kranefuss musste seinen Fahrer in Sicherheit bringen. Trotz vorzeitiger Trennung
von Kremer gab es danach auch noch viele
positive Ereignisse wie etwa die Starts in
Le Mans (etwa mit Rolf Stommelen) oder
die Sportwagen-WM im Porsche 956. «Alles
in allem hatte ich eine tolle Zeit», resümiert Plankenhorn, der sich im PorscheSupercup 2000 zurückmeldete. Mit Bruno
Eichmann leitet er unter dem Namen
«Carsport Racing» ein eigenes Team.
Freunde: Arie Luyendyk, Axel Plankenhorn
Heute mit 48: Debüt als Teamchef
Eklat 1980 in Hockenheim: Plankenhorn führt im Porsche vor Ludwig im Ford
Rosorius, Klaus-Peter (MSa 30/2000)
Der Aussteiger
laus-Peter Rosorius hat in seinem Job
K
als Conti-Sportchef (1962–1971) und
als Leiter von VW Motorsport in Hannover
39
(1972–1995) zwei der vielleicht schönsten
Epochen im deutschen Motorsport miterlebt und mitgeprägt. In seine Conti-Zeit
fielen Einführung, Aufbau und Glanzzeit
der Formel-Vau-Bewegung. Und als VWSportchef gelang ihm die Etablierung der
Wolfsburger Marke im internationalen
Sportgeschehen.
Zu den Highlights zählten die Eroberung
des nationalen und internationalen Formel-3-Marktes mit dem 2-Liter-GTI-Motor
und die Rallye-Präsenz mit dem Golf GTI.
Die erfolgreiche Platzierung mehrerer VWMarkenpokal-Serien mit Scirocco, Golf und
Polo rundeten die Ära Rosorius bei Volkswagen ab.
Seit fünf Jahren ist der heute 60-jährige Hannoveraner im Vorruhestand und
hat ein zweites Mal geheiratet. «Obwohl
ich dem Motorsport viel verdanke, habe ich
einfach einen Schnitt gemacht, ein neues
Leben mit neuen Freunden begonnen. Und
das bekommt mir sehr gut.»
Langeweile hat der Ex-Hobby-Rennfahrer (Borgward, NSU TT, BMW 700 in den
60er-Jahren) keineswegs. Seit er das
Golfspiel «als faszinierenden Sport und
echte Competition» entdeckt und mittler-
weile Handicap 23 hat, bereist er zusammen mit Gattin Susanne die schönsten
Anlagen der Welt. Sein Jaguar-Oldtimer
und klassische Musik beanspruchen die
übrige Freizeit.
Mit Stolz und Begeisterung blickt Rosorius vor allem auf die Zeit mit VW zurück.
Der Durchmarsch des Formel-3-Motors gegen die Alfa- und Toyota-Dominanz mit
Titelgewinnen in nahezu allen Landesmeisterschaften, dazu der EM-Titel und der
erste Sieg beim Grand Prix in Macau waren
seine wertvollsten Renn-Erlebnisse. Gerne
erinnert er sich auch an den Rallye-WMTitel mit dem Gruppe-A-Golf und den Gewinn des deutschen Championats. «Ich
glaube, dass wir alle einen guten Job getan
und das maximal Machbare herausgeholt
haben.»
Natürlich ist der heisse Draht zum Rennsport nicht abgerissen. Mit Formel-3-Papst
Bertram Schäfer (dessen Mannschaft jahrelang als offizielles VW-Werksteam antrat), dem Ex-VW-PR-Mann Anton Konrad
(betreibt heute eine eigene Agentur) und
dem ehemaligen Castrol-Sportchef Dieter
Hardt (im Ruhestand) pflegt er weiterhin
freundschaftliche Kontakte. Die Formel-1Grands-Prix konsumiert er zumeist vor dem
Fernsehgerät, persönliche Besuche an den
Rennstrecken verkneift er sich dagegen.
1974: VW-Sportchef Klaus-Peter Rosorius
2000: Ruheständler Klaus-Peter Rosorius
Klaus-Peter Rosorius 1963 im Borgward: Der VW-Sportchef wusste, von was er redete
Schetty, Dr. Peter (MSa 48/2000)
40
Der Chef-Tester
r. Peter Schetty dürfte der bislang einD
zige Rennleiter bei Ferrari gewesen
sein, dem eine Doppelfunktion zugestanden wurde. «Ich war sowohl offizieller
Rennleiter als auch Testpilot», berichtet
der Schweizer voller Stolz. Bevor seine
Piloten bei den Tests einstiegen, drehte
der Chef erst mal selbst einige Funktionsrunden und legte Zeiten vor. «Das hatte
den Vorteil, dass mir keiner meiner Fahrer
Phantasiegeschichten übers Auto erzählen
konnte.»
Seine Fahrer damals: Ickx, Regazzoni
und Andretti in der Formel 1 und im Sportwagen, zusätzlich Peterson, Redman und
Merzario nur für die Sportwagen-WM. «Es
war eine gigantische Truppe», schwärmt
Schetty. Dennoch dauerte der RennleiterJob bei Ferrari für den stets gut gelaunten
Schweizer nur zwei Jahre (1970/71), weil
ihn sein Vater in die eigene Firma zurückbeorderte. Als Doktor der Wirtschaftswissenschaften war er für die Führung des
väterlichen Unternehmens prädestiniert.
Die Schetty AG in Basel stellt glasfaserverstärkte Polyesterrohre für Frisch- und
Abwasser-Systeme her.
Heute spielt sich das Leben des inzwischen 58-Jährigen hauptsächlich am
Schreibtisch und in der Luft ab. Mit dem
Pilotenschein für Jets und Hubschrauber
ausgestattet, ist das Fliegen seine neue
grosse Leidenschaft. Dennoch ist ihm die
Liebe zum Rennsport nie abhanden gekommen. «Die Formel-1-Rennen sind für mich
Pflichtprogramm, allerdings nur noch vor
dem Fernseher – die Faszination Ferrari ist
noch immer ungebrochen.»
Schliesslich hat er mit den Sportwagen
der Roten die grössten Erfolge seiner nur
fünf Jahre dauernden Karriere (1966 bis
1970) eingefahren. Zuerst in einem Ford
Mustang und einem Abarth SP mit sensationellen Resultaten als Privatier unterwegs, bot ihm Ferrari schon bald ein
Werksauto für die Berg-EM an. Mit dem
212E holte er 1969 auf Anhieb den Titel
nach Maranello. Später wurde er zusammen mit Ickx, Giunti & Co. in der Sportwagen-WM im 312P und 512S eingesetzt.
«Wir waren in ständige Kämpfe mit dem
Porsche-Werksteam und dessen Stars verstrickt.»
Für die Zukunft wünscht sich der
Schweizer mehr Zeit für seine Hobbys
Skilaufen, Fliegen und Reisen. Häufige
Aufenthalte in seinem Wochenendhäuschen zwischen Nizza und Cannes sind ihm
überdies behilflich, ein ganz persönliches
Motto immer wieder umzusetzen: «Lebe
gern, lache gern, esse gern. Dann bist du
ein glücklicher Mensch.»
Peter Schetty 1971: Der Chef testet selbst
Schetty heute: «Lebe gern, lache gern»
Berg-EM im Werks-Ferrari 212 E: Peter Schetty am Start zum Schauinslandrennen 1969
Schickentanz, Clemens (MSa 23/2000)
Der Zuverlässige
er erste richtig grosse Knaller gelang
D
Clemens Schickentanz 1971 an der
Seite von Hans Heyer beim 24-Stunden-
41
Rennen in Spa-Francorchamps: Mit dem
wuchtigen, 500 PS starken AMG-Mercedes
300 SEL 6,3 fuhren die beiden sensationell
auf Platz 2 des Gesamtklassements. Die
Tage von Spa blieben für den langen
Schlacks mit der stets gleich bleibenden
«Prinz Eisenherz»-Haartracht das schönste Erlebnis seiner knapp 20 Rennfahrerjahre.
Obwohl es da noch andere Highlights
gab: Zum Beispiel den Gewinn der GTEuropameisterschaft 1973 mit einem
Porsche Carrera RSR oder die Plätze 3 und
4 bei den 24 Stunden von Le Mans. Der
heute 55-jährige Rheinländer hat seinen
Wohnsitz mittlerweile in die USA verlegt,
wo er zusammen mit Gattin Brigitte (seit
35 Jahren verheiratet, zwei Söhne – beide
sind erfolgreiche Kaufleute – im Alter von
33 und 35) die meiste Zeit lebt.
Obwohl Schickentanz neben dem kurzzeitigen AMG-Engagement auch mit BMWund Alfa-Romeo-Tourenwagen sowie im 2Liter-Chevron-Sportwagen überaus erfolgreich war, wurde er eigentlich immer der
Porsche-Privatfahrergemeinde zugerechnet. Tatsächlich verbrachte der grosse
Blonde die meiste Zeit in Porsche-Cock-
pits. Vom 911 über den 935 Turbo bis hin
zum 956 blieb ihm kaum etwas fremd von
dem, was in Weissach für die Rennpiste so
gebaut wurde. So an die 100 Siege hat der
Willicher zwischen 1967 und 1984 eingefahren, die meisten natürlich mit einem
Porsche.
Als grösste Enttäuschung sieht er noch
heute den verlorenen Gesamtsieg beim
500-km-Rennen Anfang der 70er-Jahre auf
dem Nürburgring. Locker in Front liegend,
wurde sein Alfa Romeo GTA in der letzten
Runde hinter der Breidscheid-Brücke von
einem gerade überrundeten Mini-Cooper
von hinten angerempelt und überschlug
sich dabei mehrfach. Ansonsten blieben
solche «Big Moments» die Ausnahme –
Schickentanz galt stets als zuverlässiger
Siegfahrer und Ankommer.
Kontakt mit den Rennkumpels von
damals hat Clemens Schickentanz heute
nur noch, «wenn ich den einen oder
anderen mal zufällig in Zolder, am
Nürburgring oder bei Historic-Veranstaltungen treffe». Mit seinen beiden Oldtimern, einem alten 911 Turbo und einem
Jaguar D-Type, tritt er hin und wieder bei
einigen Oldie-Klassikern an. «Ansonsten
geniesse ich das Leben in den USA und
pflege meine Hobbies Wintersport und
Wasserski.»
Schickentanz 1973: Typische Haartracht
1999: Geniesst das Leben in den USA
Einer der Karriere-Highlights: GT-Europameister 1973 im Porsche 911 Carrera RSR
Schmid, Günther (MSa 15/2000)
42
Der ewige Grantler
ünther Schmids Karriere als GeschäftsG
und Sportsmann begann in den 60ern
mit einem Formel-VW-1300-Rennauto,
drei Blumenläden und einem Transportunternehmen. Aus dem Ex-Hobby-Piloten
wurde erst ein Super-VW-, dann ein
Formel-1-Teamchef, aus den Blumenläden
ein boomendes Felgen-Unternehmen (ATS,
Rial). «Die ersten Aluräder haben wir im
Keller gebaut, bis 1987 wurden wir zum
Marktführer weltweit.» Die ATS-LolaSuper-Vau wurden von Topleuten wie
Freddy Kottulinsky, Manfred Trint und Gerd
Schüler chauffiert, die ATS- und Rial-F1Renner kamen mit Stars wie Gerhard
Berger, Christian Danner, Jochen Mass,
Hans Stuck, Keke Rosberg oder Manfred
Winkelhock auf 119 GP-Starts.
Längst hat Schmid einen Schnitt gemacht: 1987 Verkauf der ATS-Felgenfabrik,
1989 Ende mit der Formel 1, danach Übergabe von Rial an seinen Sohn. Heute lebt
der 59-Jährige wechselweise in Florida,
auf Malta und Mallorca, frönt dem Golfspiel
– und wettert noch immer über einige
seiner Piloten und die Presse.
Das F1-Engagement beendete Schmid
nicht, weil seine Autos in 15 Jahren nur
15 WM-Punkte holten, sondern aus Ärger
über das negative Presseecho. «Die Artikel
waren eine Frechheit. Das wollte ich mir
nicht länger antun – ich gebe einen Haufen
Geld aus und werde dafür auch noch
niedergemacht.» Noch heute, erklärt der
ewig grantelnde Mannheimer, leide er
wegen des Ärgers und der Hektik unter
Bluthochdruck und anderen Wehwehchen.
«Aber es gab auch viele positive Erlebnisse. Bernie war stets fair zu mir, noch
immer krieg’ ich von ihm jedes Jahr mein
FOCA-Ticket.»
Trotzdem verfolgt Günther Schmid die
meisten Grands Prix nicht vor Ort, sondern
am Fernsehgerät. Einige Freunde von
damals trifft er noch heute, so zum Beispiel Fernsehregisseur Bernd Krämer oder
die alte Mannheimer Clique mit Gerd
Schüler, Jochen Mass und Co. Überhaupt
Schüler. Der erinnert ihn an die Formel
Super VW, wo die ATS-Lola jahrelang von
Sieg zu Sieg eilten. Freddy Kottulinsky
wurde Europa-, Manfred Trint Deutscher
Meister. «Die Jungs waren gut, und Spass
gab’s auch reichlich.»
Seit zwei Jahren ist Schmid geschieden,
lebt mit «einer Dame aus Hawaii» zusammen. Seine Pläne: «Die übrigen Immobilien in Deutschland verkaufen, weil
die Verwaltung zu viel Stress macht. Ansonsten viel reisen und Freunde besuchen.» Dann klappt’s vielleicht auch mit
dem Blutdruck …
Grantler: Schmid als Teamchef
Weltreisender: Schmid heute
Schnell, aber anfällig: Manfred Winkelhock im Turbo-befeuerten ATS-BMW
Schommers, Werner (MSa 50/2000)
Der Spassvogel
erner Schommers hat in den zehn
W
Jahren als Rennfahrer (1969–1978)
nichts ausgelassen. Sportlich wie beruflich
43
auf der Sonnenseite des Lebens, sorgte er
auf und neben der Piste immer für beste
Unterhaltung. Mit dem äusserst bescheidenen Slogan «wer mich nicht kennt, hat
nie gelebt» stellte sich Schommers gerne
jenen Leuten vor, die ihn auf Anhieb nicht
einzuordnen wussten. Derbe Sprüche und
schräge Spässe gehörten zum Repertoire.
Als erfolgreicher Ford-Pilot steuerte er vor
allem den Escort BDA bei renommierten
Teams wie Grab, Zakspeed und Wooding.
Ein Highlight dieser Tage war sein Gesamtsieg beim GP der Tourenwagen auf
dem Nürburgring 1978 zusammen mit Armin Hahne und Jörg Denzel. Auch mit dem
Capri RS gelangen ihm grosse Auftritte in
der Rennsportmeisterschaft. Gastspiele
auf Alfa GTA und BMW CSL Coupé gehörten
ebenso zur Karriere des Rheinländers wie
eine Berufung als Werkspilot für das Formel-3-Projekt von Renault Deutschland.
Die roten Alpine-Monoposti mit Schommers und Dieter Kern räumten 1972 richtig
ab, bevor Renault wegen explodierender
Kosten mitten in der Saison 1973 ausstieg.
«Dieser Beschluss», so Schommers, «war
für mich nie nachvollziehbar und die grösste Enttäuschung meiner Laufbahn.»
Seit 22 Jahren hat er nun kein Rennauto
mehr angerührt, lebt wechselweise im spanischen Alicante und in der WesterwaldGemeinde Bad Marienberg. In Spanien
führt er ein Immobilien-Büro, im Westerwald die Hotels «Wildpark» und «Glockenspitze». Bei der Ausstattung legt
Schommers grossen Wert auf ein umfangreiches Fitness- und Freizeitangebot.
«Ohne Tennisplätze, Fitnessraum und
Schwimmbad geht heute nichts mehr.
Deshalb sind wir auch mit Tagungen,
Seminaren und Events ausgelastet.»
Seit sechs Jahren ist der frühere «Casanova vom Dienst» endlich verheiratet, Kids
gibts noch keine. Gesundheitlich ist alles
weiterhin im grünen Bereich, «nur mit den
Kilos» jammert der einst schlanke Sportler,
«führe ich einen Dauerkrieg, den ich bisher
leider noch nicht gewonnen habe.» Mit der
Motorsportszene steht der heute 53-Jährige unverändert in Kontakt, mit DTC-Pilot
Dirk Adorf und seinem alten Teamchef
Bernhard Grab ist er befreundet. Einmal
jährlich gönnt er sich Besuche am Ring und
in Hockenheim, um alte Kumpels zu treffen. Alles andere schaut er sich im TV an.
«Sag’ allen», beschliesst er feixend, «dass
der Schommers noch immer die besten
Sprüche und Witze draufhat. Und dass im
Rennsport heute zu wenig gelacht wird.»
1975: Immer einen Spruch auf Lager
Heute: Der Kampf mit den Pfunden …
Goldene Ford-Jahre: Schommers im Capri RS beim Flugplatzrennen in Mainz-Finthen
Schüler, Gerd (MSa 28/2000)
44
Der Karrieremann
erd Schüler gehört zu der Mannheimer
G
Clique der 60er-Jahre, die das Eberbacher Bergrennen zu ihrem alljährlichen
Happening erhob. An seinem Alfa Romeo
Giulia schraubte der Kfz-Mechanikerlehrling Jochen Mass, sein Teamchef war
der rennsportbegeisterte Alfa-Händler
Helmut Hähn. Der darf für sich in Anspruch
nehmen, für manche Rennfahrerkarriere
den Grundstein gelegt zu haben. Das gilt
sowohl für Schüler als auch für Jochen
Mass, Harald Ertl und einige andere. «Das
war eine wahnsinnig gute Zeit», schwärmt
Schüler heute: «Keine Kohle, aber Spass
ohne Ende.»
Im Laufe der Zeit wurde aus dem BergSpezialisten einer der vielseitigsten und
erfolgreichsten deutschen Rennfahrer.
Herausragend sind sein Bergtitel 1965 im
Alfa Romeo und seine zehn Siege bei zehn
Starts als Ford-Werkspilot im Bergchampionat 1969. Gerd Schüler ist zwischenzeitlich 58 Jahre alt, lebt mit Gattin
Tamara (seit 34 Jahren verheiratet) in
Frankfurt und führt zusammen mit seinem
Partner Michael Presinger ein Gastronomie-Imperium.
Eigentlich hat Schüler zwei Traumkarrieren hingelegt – als Rennfahrer von
1962 bis 1974 und als Geschäftsmann. Als
ganz grossen Höhepunkt auf der Strecke
bezeichnet er den zweiten Platz im Porsche
908 beim 1000-km-Rennen 1972 in Monza
zusammen mit Reinhold Joest. «Im Regen
haben wir uns ein tolles Duell mit dem
Ferrari von Ickx/Regazzoni geliefert.»
Ausgerechnet Monza, wo er vier Jahre
zuvor beim Tourenwagen-EM-Lauf als AlfaWerkspilot um Haaresbreite einer Katastrophe entging. Nach haarsträubendem
Crash zog man ihn mit einem doppelten
Rückenwirbelbruch aus dem zerstörten
GTA. «Ich hatte Glück, dass ich nicht im
Rollstuhl gelandet bin.»
Ob Abarth TC, Alfa Giulia und GTA, Ford
Escort RS, Opel Kadett oder Commodore,
Porsche Carrera 6 und 908 oder der Lola
Formel Super VW im ATS-Rennstall seines
Kumpels Günther Schmid – rückblickend
hat Schüler jedes seiner Rennautos «irrsinnig Spass gemacht». Schauinsland und
Nordschleife waren seine Lieblingskurse,
mit Jochen Mass, Reinhold Joest und
Schmid pflegt er noch immer regen Kontakt. Ansonsten hat das tägliche Business
den Gross-Gastronom fest im Griff. Gut 40
Edel-Restaurants und Discos in ganz
Deutschland wollen geleitet werden. Dazu
zählt auch der älteste seiner Betriebe, das
«Dorian Gray» im Frankfurter Flughafen.
Ein fester Treffpunkt seit 21 Jahren für JetSet und Sport-Prominenz.
’67: Mannheimer Cliquen-Mitglied
Schüler heute: Gross-Gastronom
Wilde Alfa-Zeit der 60er-Jahre: Gerd Schüler im Hähn-Alfa Romeo GTA
Schurti, Manfred (MSa 33/2000)
Schneller Beamter
anfred Schurti ist Staatsbeamter des
M
TÜV in Liechtenstein, erst zuständig
für die Kfz-Abnahme, seit 1980 Leiter der
Dienststelle. Heute hat er 15 Leute, und
die Kundenabfertigung findet auch tatsächlich statt. Früher lief das anders. Da
gab’s ausser dem Chef nur einen Mitarbeiter. Und wenn der schnellste Bürger
des Fürstentums in den 60er- und 70erJahren zu Rennen ausrückte, war der TÜV
halt geschlossen – denn der zweite Mann
war zugleich Schurtis Mechaniker. Und das
Schönste: Keiner im Fürstentum hat sich
je darüber aufgeregt. Schöne, heile Welt.
In den wildesten Jahren der Formel VW
und Super VW gehörte Schurti zu den
Besten. Europameister im Werks-Royale
1972, Weltpokal-Sieger in Daytona. Unvergessen das Finish beim Europa-Finale 1970
in Salzburg: Mit verkeilten Vorderrädern
sahen er und Kontrahent Erich Breinsberg
die Zielflagge. Schurti landete als Laufsieger hinter der Ziellinie in der Leitplanke,
Breinsberg als Titelgewinner gegenüber in
der Böschung.
Der Aufstieg ging zügig weiter: Als Partner von Rolf Stommelen wurde er ins
Porsche-Werksteam berufen, fuhr zusätzlich für die Teams von Georg Loos und Max
Moritz den 935 Turbo in der DRM. Dreimal
gewann er mit Ickx, Mass und Stommelen
Schurti 1970: Da war der TÜV geschlossen
45
die Marken-WM. Seinen persönlich wertvollsten Sieg holte er 1980 auf der Berliner
Avus im BMW-M1-Procar-Lauf vor allen F1Stars. 1982 beendete der einstige Schweizer Motocross-Meister seine Rennsportkarriere.
Der Competition ist Schurti treu geblieben. Inzwischen ist er 58 Jahre alt,
seit 1998 zum zweiten Mal verheiratet und
bis auf einen Tennisarm kerngesund. Er
spielt Tennis bis zum Abwinken, fährt
Motorrad (BMW 1100 RS, Honda CBR 900)
und geht mit einem Sportflugzeug in die
Luft. Im August startete er zu einer zweiwöchigen Harley-Gruppentour quer durch
die USA – was er fast bereut, weil er so
nicht am Formel-Vau-Treffen beim Oldtimer-GP am Ring teilnehmen konnte.
«Wirklich schade, denn die Formel-VauZeit war neben der im Porsche-Werksteam
die schönste. Ich hätte die Jungs gerne
mal wieder gesehen.»
Mehrmals im Jahr reist Motorrad-Freak
Schurti zu WM-Läufen, und wenn sichs ausgeht, gehört auch ein F1-GP ins Programm.
Auf die neue DTM ist er ganz scharf, «da
möchte ich mir unbedingt ein paar Läufe
vor Ort ansehen». Zukunftswünsche? «Die
Welt bereisen, Tennisturniere spielen, viel
fliegen und Motorrad fahren. Und gesund
und fit bleiben.»
Schurti heute: Mit der Harley in die USA
Norisring 1979: Liechtensteins schnellster Bürger im gewaltigen Loos-Porsche 935
Schütz, Udo (MSa 37/2000)
46
Der Stier von Selters
do Schütz hat mit den Gegnern nie
U
lange gefackelt. Einsteigen, ans Limit
und Siegen – so hiess die Devise des Hünen
aus Selters im Westerwald. Brutal und präzise wuchtete er nahezu alle gängigen
Porsche vom 904 GTS bis zum 917 um die
Strecken. Die Mutkurse Spa und Nürburgring-Nordschleife mochte er besonders.
Bis auf ein kurzes Alfa-Gastspiel blieb er
Porsche treu. Erst als Privat-, dann als
Werkspilot. So konsequent, wie er fuhr, beendete er dieses Kapitel nach acht Jahren.
Anlass war der Tod seines Partners und
Freundes Gerhard Mitter 1969 beim
Formel-2-Lauf auf dem Nürburgring. Selbst
ein Ferrari-Angebot für die SportwagenWM konnte ihn nicht umstimmen. «Mir fiel
das zwar schwer, aber ich hatte auch
Verantwortung gegenüber Familie und
Firma.»
«Stier von Selters» nannte die PSBranche das Kraftpaket ehrfurchtsvoll. Gut
50 Siege, die Sportwagen-DM 1966 und die
Langstrecken-WM 1969 zieren seine kurze
Laufbahn. Zu den wertvollsten Erfolgen
gehören der Gewinn der 1000 km vom
Nürburgring 1967 (zusammen mit Jo Buzetta im 910) und der Targa-Florio-Sieg
1969 mit Mitter im 908. Aber es gab auch
üble Unfälle, die er mit viel Glück überstand. «Nur einmal war ich ein bisschen
angekokelt», erinnert Schütz an Le Mans
1969. Auf der Hunaudières-Geraden kollidierten sein Langheck-908 und der 917
von Gérard Larrousse bei Tempo 380. «Ich
flog beim ersten Überschlag aus dem brennenden Auto, die Trümmer lagen über 800
Meter verstreut. Ich hatte wohl gleich zwei
Schutzengel.»
Im Januar wird Udo Schütz 64. Mit
Ehefrau Else (die zwei sind seit 40 Jahren
verheiratet) lebt er unverändert in Selters,
die Söhne (37 und 34) haben sich längst
eigene Existenzen aufgebaut. Schütz, dessen Betrieb für Container-Bau und Spezialverpackungen inzwischen gut 2000 Mitarbeiter und Niederlassungen in 26 Ländern
hat, ist immer noch topfit. Dafür sorgt
seine zweite grosse Disziplin HochseeSegeln. Hier hat er es ähnlich weit gebracht wie im Rennsport. Seine Yacht
«Container» gewann sowohl mit angeheuerten Topstars als auch mit ihm selbst
als Skipper bis 1993 alle wichtigen Wettfahrten inklusive dem berühmten Admiral’s Cup.
Heute segelt er nur noch zum Vergnügen. Formel 1, Motorrad-WM und DTM
geniesst Schütz vorm TV-Gerät. Zwar haben Rennbesuche Seltenheitswert, «aber
wenn die Formel 1 nach Indy geht, will ich
mir das Spektakel vor Ort ansehen.»
Gestern: Der «Stier von Selters» anno 1969
Heute: Schütz auch als Segler erfolgreich
Ein Mann und sein Porsche: Udo Schütz im 908er auf der Nordschleife des Nürburgrings
Senne, Karl (MSa 42/2000)
Der DTM-Fan
arl Senne ist ein Mann der ersten ZDFK
Sportstunde. Als Renn-Experte hat er
seine Begeisterung auf den Sender über-
47
tragen. Mit engagierten Weggefährten
holte er während 33 ZDF-Jahren (bis 1995)
grosse Events wie die Formel-2-Schlachten
der 70er-Jahre in Hockenheim, die Motorrad-WM und die Formel 1 nach Mainz.
Mit Niki Lauda als Experte kommentierte
er in den 80er-Jahren die F1-WM-Läufe und
zementierte so die Kompetenz der ZDF-Berichterstattung. Wenn der Hobby-Rennfahrer (der auch als Segelflieger erfolgreich war und zwölf Weltrekorde erzielte)
eines seiner insgesamt 130 Sportstudios
moderierte, fehlte selten ein Gast aus der
Rennerei. Den grössten Coup landete
Senne 1989, als er, gerade zum Sportchef
berufen, die DTM für sieben Jahre zum ZDF
und zu 3sat holte und mit einer engagierten Truppe neue Massstäbe in der
Qualität der Übertragung von Automobilrennen setzte.
Gerne erinnert er sich: «Der Verbund
ZDF/3sat mit WIGE-TV-Chef Geishecker
und ITR-Präsident Aufrecht war eine solide
Partnerschaft, in der alle fair miteinander
umgingen. Auch im kritischen Jahr 1993.»
Besonders stolz ist der bekennende DTMFan auf die erste Live-Übertragung vom
24-Stunden-Rennen Nürburgring 1988 in
3sat. «Wir haben rund um die Uhr gesendet, das war damals ein absolutes Novum.»
Überhaupt faszinierte ihn die Atmosphäre der 24 Stunden: Zehnmal startete
er mit BMW, Ford, VW und Opel am Ring.
Einmal legte er einen Capri aufs Dach,
moderierte am selben Abend aber unverdrossen das Sportstudio. Ein anderes Mal
fiel er kurz vor Schluss im BMW M3 GTR an
zweiter Position aus. Mit Norbert Haug
teilte er sich einen Ford Capri 3.0, mit vielen anderen Stars holte er vordere Ränge.
Senne musste allerdings auch die
dunkle Seite erleben: «Anfang August
1985 waren Manfred Winkelhock und
Stefan Bellof meine Gäste im Sportstudio.
Wenige Wochen später waren sie tot. Das
hat mich sehr berührt.»
Seit einigen Jahren lebt Senne, inzwischen 66 Jahre alt, im Ruhestand in St.
Julians auf Malta. Mit seiner zweiten Frau
Astrid, die er 1999 heiratete, verfolgt er
via TV alle wichtigen Rennereignisse, vor
allem seine Lieblingsdisziplinen Formel 1,
Motorrad-WM und DTM. Sonst pflegt er die
Hobbys Golf, Segelfliegen und Radeln.
Gesundheitlich geht’s ihm blendend, auch
der Rücken ist dank Schwimmtherapie
wieder in Schuss. «Es ging mir nie so gut.
Wenn’s so bleibt, bis ich 90 bin, kann ich
nicht klagen.»
Karl Senne 1969: Die frühen ZDF-Jahre
Karl Senne 2000: Reif für die Insel…
Faszination 24 Stunden-Rennen: BMW-Pilot Senne (rechts) und sein Teamkollege Braun
Spiess, Siegfried (MSa 27/2000)
48
Der PS-Zauberer
iegfried Spiess ist mit 65 Jahren umSreichsten
triebig wie eh und je. Einer der erfolgTourenwagen-Piloten der 60erJahre bedient in seinem Tuning-Betrieb in
Ditzingen bei Leonberg erlesene Kundschaft. Grösster Auftraggeber ist Opel. Für
die Rüsselsheimer haucht Spiess seit
vielen Jahren Formel-3- und TourenwagenMotoren Power ein. So auch für die
neuesten DTM-V8-Aggregate. Obwohl die
Söhne Holger (33) und Jürgen (30) voll in
den 30-Mann-Betrieb integriert sind, laufen beim Senior immer noch alle Fäden zusammen. «Ich bin jeden Tag 14 Stunden
im Büro, kümmere mich um technische
Weiterentwicklungen und Qualitätskontrolle.» Dabei bringen ihn speziell die englischen Zulieferer oft zur Verzweiflung,
weil das, was an Teilen ins Haus kommt,
oft nicht seinen Vorstellungen entspricht.
«Solche Schlampereien machen mich
wahnsinnig.»
Ein Perfektionist war der Schwabe Zeit
seines Lebens. So erreichten seine eigenen
Rennautos mit den selbst getunten,
infernalisch gehenden Spiess-Triebwerken
fast immer das Ziel, die Ausfallquote war
gering. Zwischen 1962 und 1973 ist er der
Marke NSU stets treu geblieben. Ob Prinz
I, TT, TTS oder Wankel-Spider – Sigi Spiess
trieb alle NSU-Modelle zu Sieg und Titel.
Vier Deutsche Bergmeisterschaften und an
die 140 Einzelsiege am Berg und auf der
Rundstrecke stehen zu Buche. Am liebsten
fuhr er in Spa (beim 24-Stunden-Rennen
siegte er 1967 mit elf Runden Vorsprung
in seiner Klasse) und am Schauinsland.
«Die Bergrennen in Freiburg und am
Rossfeld bei Berchtesgaden gehören zu
meinen schönsten Erinnerungen», blickt
Spiess zurück, «da konntest du mit dem
kleinen und wendigen 1000er-NSU auch
mal alle GT-Porsche abhängen. Das hat mir
getaugt.»
1997 feierte er mit vielen Freunden 25Jahr-Firmen-Jubiläum, und dieses Jahr
gibts schon wieder ein Fest – Sigi und
Gattin Brigitte haben 40. Hochzeitstag. Zu
den Rennen reist er, so oft er kann, lässt
sich sonst von Sohn Holger vertreten. Mit
den alten Weggefährten hat er kaum noch
Kontakt. «Leider verliert man sich irgendwann aus den Augen, eigentlich müsste
man die ganze Bande mal wieder zusammenholen.»
Wünsche für die Zukunft? «Aber ja»,
platzt es aus Spiess heraus, «einen neuen
Betrieb aufbauen und eine USA-Reise.» Fit
dazu ist er allemal, sein Kampfgewicht
liegt unverändert bei 68 Kilogramm. Wie
zu seinen besten Zeiten als aktiver
Rennfahrer.
1966: Siegfried Spiess als erfolgreicher Pilot
1999: Ein echter Qualitäts-Fanatiker
Spiess im NSU TT: In den 60er-Jahren gab’s Siege und Titel am laufenden Meter
Strähle, Paul Ernst (MSa 07/2000)
Der Allrounder
it seinen zwei Porsche Carrera (KennM
zeichen: WN-V 1 und WN-V 2) fuhr der
Schorndorfer Siege am Fliessband ein.
49
Deutscher GT-Meister, Vize-Rallye-Europameister und Deutscher Rallye-Champion
sind einige der zahlreichen Karriere-Highlights. Dabei wirkte der Schwabe eher
gemütlich, doch gerade dieser Eindruck
täuschte seine Gegner immer wieder. Der
Mann war stets hellwach, sauschnell und
technisch bestens gerüstet. Es gibt fast
keinen internationalen Klassiker im GTund Sportwagenbereich, den er zwischen
1951 und 1963 nicht wenigstens einmal
gewonnen hätte. Strähle ist mittlerweile
72 Jahre alt und «bis auf ein ramponiertes
Kreuz» putzmunter. Er betreibt mehrere
Porsche- und VW/Audi-Autohäuser und
startet immer noch bei Oldtimer-Events.
Solide Vorbereitung der Strähle-Autos
und der Grundspeed des Piloten waren die
Basis für eine der erfolgreichsten deutschen Motorsportkarrieren der 50er- und
60er-Jahre. Die Aufstellung seiner Einzelsiege umfasst sechs DIN-A4-Blätter. In der
Bilanz finden sich fünf GT-Siege im Porsche
Carrera und Abarth-Carrera auf der Nürburgring-Nordschleife. Dazu drei GT-Erfolge bei der Mille Miglia, zwei bei der Targa
Florio und ein Gesamtsieg beim Marathon
Lüttich-Rom-Sofia-Lüttich.
Strähle zählte zu den wenigen Allroundern, die alle drei grossen Disziplinen beherrschten. Rallye, Berg, Rundstrecke – der
Carrera-Pilot fuhr und siegte überall. Und
das ohne viel Aufhebens, ohne Riesentross, aber mit schwäbischer Ruhe und
Präzision. Noch heute hält er Kontakt zu
Kumpels und Gegnern von damals, soweit
sie aus dem Grossraum Stuttgart kommen.
Wie etwa Hans Herrmann, Eberhard Mahle,
Eugen Böhringer, Herbert Linge, Dieter
Glemser und Peter Falk. «Es war eine saugute Clique damals», schwärmt Strähle.
Deshalb startet er immer wieder bei Oldtimer-Veranstaltungen, «denn da triffst du
die meisten Freunde regelmässig wieder».
Zusätzlich engagierte sich der Schwabe
mit einem eigenen Team viele Jahre im
Porsche-944-Turbo- und Carrera-Cup. Und
auch dort wurden Strähles Porsche zum
Alptraum für die Konkurrenz: Fünf Titel
gingen im Laufe der Zeit nach Schorndorf:
1986 siegte Jockel Winkelhock im CupPremierejahr, danach wurde Roland Asch
viermal Titelträger und Weltcup-Gewinner.
Die Zukunftspläne von Strähle, der begeisterter Luftbild-Fotograf ist und ein
historisches Archiv besitzt, nehmen sich
bescheiden aus: «Ich will endlich meine
vielen Kisten mit den Fotos und Filmen von
den Rallyes und Rennen sortieren.»
Zeitreise: Strähle im Jahre 1959 …
… bis heute: Mit 72 Jahren topfit
Heimspiel: Der gefürchtete Strähle-Porsche 1962 auf der Stuttgarter Solitude
Treser, Walter (MSa 17/2000)
50
Der Technik-Freak
alter Treser und seine Berg- und
W
Talfahrten. Die aktive Laufbahn als
Tourenwagenpilot schnörkellos und erfolgreich, die Zeit als Techniker mit
Highlights und Abstürzen. Er hat alles
erlebt, was man in der PS-Branche erleben
kann. Da war die erfolgreiche Zeit als
Rennfahrer in den 60ern. Im Tourenwagen
(DKW, BMW Alpina) ein echter Frontrunner,
in der Formel 3 (mit einem Lotus-DKW)
wegen ständig geplatzter Motoren nur
Mittelmass.
Auf der anderen Seite: Der Konstrukteur
und Industriemann Treser. Stationen bei
Pirelli (Versuchsfahrer), Audi und Opel
(jeweils Sportchef). Und eigene Unternehmen: Der florierende Audi-Tuningbetrieb und das Abenteuer Treser Automobilbau GmbH in Berlin. Dort wurde der TR1Roadster gebaut. Aber leider nicht lange,
der Betrieb ging in Konkurs. «Daran hab’
ich heute noch zu beissen. So etwas geht
dir ans Gemüt.»
Im April wurde Treser 60, lebt jetzt in
Wiesbaden und hat trotz aller Nackenschläge nichts von seinem Kampfgeist verloren. «Zwei Dinge will ich noch erledigen
– die Schmach von Berlin ausmerzen und
erfolgreich Autos bauen.» Zumindest beim
Auto bauen bietet ihm Opel eine solide
und gesicherte Plattform. Nach der
Ablösung als Sportchef Ende 1995
wechselte er als Konstrukteur innerhalb
des Unternehmens in die Vorausentwicklung zu Professor Fritz Indra. Als der
Österreicher vor drei Jahren als Leiter der
gesamten General-Motors-Vorausentwicklung nach Detroit berufen wurde, übernahm Walter Treser dessen Position in
Rüsselsheim. Dass der schon fast fanatische Technik-Freak bis heute nicht untätig war, zeigt Opels jüngste SportwagenKreation «Speedster» mit einem 2,2-LiterMittelmotor und einem AluminiumChassis.
Zum aktuellen Motorsportgeschehen
hat der gebürtige Odenwälder ein klar definiertes Verhältnis. «In erster Linie bin
ich Formel-1-Fan und guck’ mir jede Fernsehübertragung an.» Zur Rennstrecke
kommt er so gut wie nicht mehr, zu bitter
sind die Erinnerungen an das abrupte Ende
als Opel-DTM-Feldherr. Die STW-Übertragungen verweigerte er bewusst, weil ihn
das nie vom Hocker gerissen hat. Die neue
DTM will er sich «mit Begeisterung
ansehen, weil da endlich wieder richtige
Autos fahren und ich immer gesagt habe,
dass die DTM das einzig Wahre ist».
Die Antwort auf die Frage nach seinen
Hobbys kommt ohne Zögern: «Autos,
Autos, Autos.»
1963: Walter Treser in seiner aktiven Zeit
Der Sportchef: Nicht nur Freude bei Opel
Walter Treser als Rennfahrer: Im DKW von 1963 feierte er am Berg zahlreiche Erfolge
Trint, Manfred (MSa 05/2000)
Der wilde Flieger
enn Manfred Trint zu erzählen beW
ginnt, landet er immer wieder bei der
Formel Super-VW. Dort fuhr er seine besten
51
Rennen, seine Gegner hiessen Keke Rosberg, Kenneth Persson oder Bertram Schäfer. Er war einer der Wildesten, liess keine
Rauferei aus und holte sich 1973 im ATSLola die Super-VW-DM. «Der blanke Wahnsinn. Wir waren ein verrückter Haufen,
fuhren die irrwitzigsten Rennen und hatten trotzdem viel Spass miteinander.» Als
denkwürdigstes Ereignis sieht er seinen
Herzschlag-Sieg im ATS-Lola beim EMSaisonfinale 1975 in Hockenheim. «Gleich
in der ersten Ecke fuhr mir einer über die
Schnauze, ich kam nur als 18. aus der
ersten Runde zurück. Danach habe ich mir
jede Runde einen oder zwei geschnappt.
Die beiden Leader waren in der letzten
Runde dran.»
Danach gehörte er im Ford Mustang zu
den Besten der frühen DTM und schaffte
vier Laufsiege. Als grösste Enttäuschung
bezeichnet Trint das DTM-Premierejahr
1984 im 300-PS-Ringshausen-Mustang.
«Ich hab‘ mir den Allerwertesten aufgerissen, aber die vielen technischen Ausfälle
haben alles verdorben. Mit der Power und
vier Laufsiegen hätte ich Meister werden
müssen, stattdessen hat es nur zu Platz 6
gereicht, und Strycek wurde im BMW-
Coupé ohne Sieg Titelträger.» Vier Jahre
zuvor lief’s besser, als er im Audi 80 mithalf, für die Ingolstädter den Markentitel
in der Tourenwagen-EM einzufahren. Dabei
war es nicht einfach, seinen Job als Lufthansa-Pilot und die Rennerei unter einen
Hut zu bringen. Geschickt nutzte er die
Pausen zwischen den Flügen für das Hobby
am Boden. «Von Ruhepause konnte da eigentlich keine Rede sein, aber das war
eben meine Art der Entspannung.»
Seit 1987 fährt er keine Rennautos
mehr, ist heute 58 und Flugkapitän. Sein
Arbeitsplatz ist das Cockpit einer CondorBoeing 757/767, seine Flugstrecken sind
meist reizvolle Überseeziele. 20 Jahre
Rennsport, seit 35 Jahren in der Luft, erst
Flugingenieur, dann Pilot, seit Anfang
1999 Kapitän – das schnelle Leben des
Manfred Trint ist kaum steigerungsfähig.
Noch immer hat er sein altes Kampfgewicht, fühlt sich topfit und will «Fliegen
bis zum Abwinken». Mit Karin ist er in
zweiter Ehe seit zehn Jahren verheiratet,
lebt in Moers und fühlt sich «restlos
happy». Hobbies: Golf und Kunst. Nun will
er an der Uni einen Gasthörerplatz für
Kunstgeschichte und Astronomie belegen.
«Wenn man den Sternenhimmel so oft in
12 000 Meter Höhe erlebt, will man einfach mehr darüber wissen.»
1973: Meister in der Formel Super-VW
1999: Kapitän auf dem Condor-Jumbo
Hockenheim 1975: Trint stürmt im ATS-Lola von Position 18 an die Spitze
Werner-Hennerici, Hannelore (MSa 10/2000)
52
Vorbild für Ellen
it Hannelore Werner verhielt es sich
M
zwischen 1960 und 1972 etwa so wie
heute mit Ellen Lohr: Kein Mann konnte
sich sicher fühlen – rennsportlich gesehen
natürlich. Was die blonde Zahntechnikerin
damals so alles aufführte, war in der Tat
bemerkenswert. Ob im Formelauto oder
Tourenwagen als BMW- und Ford-Werkspilotin, überall fuhr sie ganz vorne mit und
trieb ihre männlichen Konkurrenten oft
genug an den Rand der Verzweiflung. Zu
den Highlights ihrer Laufbahn gehörten
die Starts im DKW F 11, in der Formel Vau
1300, in der Formel 3 und der Formel 2.
Hannelore Werner (58) lebt heute im
Wallfahrtsörtchen St. Jost bei Langenfeld
in der Eifel, ist seit 1979 mit Günther Hennerici verheiratet, und hat zwei Söhne (27,
20) und eine Tochter (25).
«Das Weib fährt jenseits von Gut und
Böse», empörte sich Formel-Vau-Pilot
Helmut Bross 1967 in Zolder, als ihm die
Dame im Olympic kurz vor der Zielflagge
mit einem haarsträubenden Überholmanöver über den begrünten Seitenstreifen den
schon sicher geglaubten Sieg entrissen
hatte. Solche Situationen gab es mehr als
einmal im schnellen Leben der Hannelore
W. Und so mancher auf diese Art Blamierte
stand hinterher wie ein begossener Pudel
neben der frech grinsenden Blondine auf
dem Podest. Dieter Quester empfahl den
düpierten Formel Vau-Kollegen einst, «das
Weib doch mal mit einem richtigen Kerl zu
verkuppeln, damit sie endlich schlapp
macht im Rennbetrieb».
Ein Mann erschien tatsächlich bald an
ihrer Seite, aber anders als sich Quester &
Co. das so vorgestellt hatten. WohnwagenFabrikant und Formel-3-Mäzen Günther
Hennerici (heute 75) zeigte sich höchst
angetan von den Leistungen der Rheinländerin und holte sie in sein «Eifelland»F3-Team. Dort kamen sich beide auch
menschlich näher, was bei Hannelore
direkt noch einen zusätzlichen Leistungsschub bewirkte.
Hennerici ermöglichte ihr fortan eine
professionelle Formel-Karriere, die sie bis
in die Formel-2-Europameisterschaft führte. Ihr absolutes Husarenstück lieferte sie
beim F-2-GP 1970 auf der NürburgringNordschleife. Hinter dem Schweizer Xavier
Perrot kam sie mit einem March-Ford des
Eifelland-Teams als Sensationszweite ins
Ziel. Dies war das beste Resultat einer Frau
in der Geschichte der Formel-2-EM.
Seit vier Jahren arbeitet Hannelore
Werner wieder in ihrem erlernten Beruf als
Zahntechnikerin, betreibt zudem mit ihrem Mann eine kleine Gaststätte und widmet sich ansonsten ihren vier Pferden.
Schnelle Blondine: Werner 1969
30 Jahre später: Hannelore Werner
Einer ihrer Formel-2-Husarenritte: Werner 1971 im Eifelland-March-Ford
Ammerschläger, Thomas (MSa 18/2001)
Der Edel-Techniker
Ammerschläger kann gleich auf
Tcken.homas
zwei erfolgreiche Karrieren zurückbliErst flotter Renn- und Rallyefahrer
53
mit allem, was NSU hiess. Und dann der
fast nahtlose Übergang zum Techniker und
Entwickler. Vier markante Stationen ragen
aus dem Berufsleben des Diplom-Ingenieurs heraus. Bei NSU (1965–1971) baute
er mit kleiner Mannschaft den RO 80 und
den K 70, bei Ford (1972–1981) leitete er
die Entwicklung Motorsport und galt als
Vater des legendären Renn-Capri in den
letzten RS-Varianten und der Turbo-Ausführung. Bei Audi (1981–1985) trieb er
als Chef des Serien-Fahrversuchs die
Quattro-Entwicklung voran, und bei BMW
(1985–1997) schob er als Technischer
Geschäftsführer der Motorsport GmbH zusammen mit Paul Rosche den legendären
M3 als Strassen- und Rennauto an.
«Der Capri und der M3», so Ammerschläger, «waren wunderbare Tourenwagen, die
mich als Techniker stark geprägt und fasziniert haben. Beim Turbo-Capri haben wir
’80 durch die Adaption des Groundeffects
die gleichen Abtriebswerte wie die Formel
1 erzielt. Und der M3 wurde zum erfolgreichsten Renntourenwagen der Welt.»
Seine Jahre als Rennfahrer hat Ammerschläger 1958–1970 am Steuer vergleichsweise schmalbrüstiger NSU Prinz 4, Sport-
Prinz, TT und TTS verbracht. Gegner waren
neben den Markenkollegen wie Spiess &
Co. die Abarth-1000-Treter wie Bitter, Hezemans oder Kauhsen. Kurzzeitig führte
Ammerschläger mit dem NSU TT sogar mal
die Tabelle der Rundstrecken-Meisterschaft an. Und die aufgestellte TT-Heckhaube zur besseren Luftzirkulation im Motorraum ist auch eine Erfindung von ihm.
Nach dem altersbedingten Ausscheiden
bei BMW lebt der 63-Jährige mit seiner
Frau Sigrid als rastloser Pensionär in
München. Da es weder Enkelkinder noch
andere Hobbys gibt, ist der Techniker aus
Leidenschaft schon längst wieder bei
seinem Lieblingsthema gelandet. Für die
Organisatoren der V8STAR-Serie bastelte
er nicht nur ein modernes, wasserdichtes
Technik-Reglement, sondern auch die gesamte Fahrzeug-Konzeption. Überdies
zählt er zu den Gründervätern des Projekts.
«Wenn auch noch die V8STAR ein Hit wird»,
reibt er sich schon freudig die Hände,
«wäre sie nach Capri und M3 mein drittes
persönliches Highlight als Techniker. Mehr
kann man von seinem Berufsleben nicht
erwarten.» Und fügt lächelnd hinzu: «Eigentlich habe ich mein Leben lang nichts
anderes gemacht, als meinem Hobby zu
frönen. Schön, dass das auch noch so gut
bezahlt wurde …»
1969: Ammerschlägers NSU-Zeit
2000: Mitbegründer der V8STAR
Seine wilden Jahre: Ammerschläger 1970 im legendären NSU TT 1100
Basche, Dieter (MSa 17/2001)
54
Bayern-Sportler
ieter Basche pflegte zeitlebens eine
D
ebenso enge wie herzliche Verbindung zu
den Autos bayerischer Rennwagenbauer.
Audi und BMW bestimmten über weite Strecken seine Laufbahn als Rennfahrer, Ingenieur und Sportchef. Bei den Weiss-Blauen
in München verlebte er «eine wunderbare
Zeit» als Rennfahrer und Leiter der Sportabteilung. Erfolgreiche Einsätze als BMWTourenwagenpilot brachten ihn bis ins Formel-2-Werksteam, das er 1970 sogar selbst
leitete. Im selben Jahr musste er allerdings
auch die «grösste Enttäuschung überhaupt»
erleben, als BMW «überraschend und ohne
Not» den F2-Rückzug beschloss.
Noch einmal setzte Basche mit BMW persönliche Highlights, als er in der DRM
1972/73 mit einem 2002 des GS-Teams
jeweils Dritter wurde und 1973 sogar um den
Titel mitkämpfte. Erst im Finallauf verlor er
unglücklich gegen die Ford-Kollegen Glemser und Heyer. Starts in diversen anderen
Autos schlossen sich in der Folge an, bevor
der rennende Diplom-Ingenieur 1979 bei
den vier Ringen in Ingolstadt erst als Ingenieur, dann als Technik-Chef und schliesslich als Rennleiter andockte. «Im Laufe der
Jahre bin ich Audianer mit Haut und Haaren
geworden, und das gilt noch heute.»
Als herausragende Ereignisse seiner
Ingolstädter Zeit nennt Basche den US-
Durchmarsch mit Stuck im 600-PS-IMSATurbo-Audi sowie die zwei DTM-Titel 1990
und 1991 mit Stuck und Biela im bärenstarken Audi V8 quattro.
Seit seiner Pensionierung lebt der heute
64-jährige Racing-Freak im bayerischen
Eichstätt. Da auch seine Frau Margret ihre
Praxis als Allgemeinärztin aufgegeben und
den Ruhestand vorgezogen hat, können
beide jetzt ein Leben ohne Stress und Hektik
geniessen. Die Kinder sind aus dem Haus,
beide Söhne (32 und 30) haben solide
Berufe als Dipl. Ing. und Dipl. Volkswirt.
«Wir haben jetzt viel Zeit für uns», so
Basche, «und wir nutzen sie auch.»
Zwar holte Audi Sport seinen ExFrontmann ’99 noch mal für knapp zwei
Jahre als Berater für das Sportwagenprojekt
zurück, weil der Tod von Cheftechniker
Norbert Weber eine gewaltige Lücke gerissen
hatte. Aber das war nur ein Intermezzo, das
Engagement ruht schon seit einiger Zeit.
Dafür wurde das eigene Segelschiff mehr
zum Lebensmittelpunkt. «Wir unternehmen
viele Segeltörns und sind überhaupt sehr oft
auf dem Wasser.» Skilaufen, Tennis, Fitness
und Computer («in Sachen PC bin ich
Neueinsteiger») füllen die Tagesabläufe aus.
Auch gesundheitlich ist fast alles im Lot,
«nur ein bisschen Tinnitus im Ohr, aber
damit kann man leben.»
Motorsportler: Basche anno 1970
Wassersportler: Basche heute
Nostalgie: Dieter Basche ’68 im Werks-BMW 2002 auf dem Norisring
Bellof, Georg (MSa 41/2001)
Der grosse Bruder
eorg Bellof befällt jedes Mal Traurigkeit,
G
wenn er im Fernsehen die faszinierenden
Formel-1-Duelle zwischen Michael und Ralf
55
Schumacher verfolgt. «So einen Bruderkampf hatten Stefan und ich schon jahrelang im Kartsport», erinnert sich der
Deutsche Kart-Meister von 1978 und kurzzeitige Formel-3-Pilot mit Wehmut. «Auch
im Formelauto hätten der Stefan und ich
sicher viel Spass gekriegt.»
Die Fortsetzung kam nie zu Stande, weil
Georgs F3-Gastspiel 1979 trotz ordentlicher
Resultate nach einer Saison wegen Geldmangels endete. Um diese Zeit startete sein
ein Jahr jüngerer Bruder Stefan ins erste
Formel-Ford-Jahr. Was folgte, war eine der
aussergewöhnlichsten Karrieren in der
Historie des deutschen Motorsports.
Obwohl beide Bellof-Buben nach Auffassung vieler Experten ein gleich hohes
Niveau hatten, entschied der Familienrat,
die knappen Eigenmittel ab 1980 auf Stefan
zu konzentrieren. «Für beide hat’s einfach
nicht gereicht», sagt Georg ohne Bitterkeit,
«unsere Eltern waren ja schliesslich keine
Millionäre.»
Der Ältere konzentrierte sich fortan auf
seinen erlernten Beruf als Zahntechniker,
begleitete Stefan aber so oft es ging zu
dessen Rennen. «Obwohl es sehr weh getan
hat, selbst nicht mehr fahren zu können,
war sein rasanter Aufstieg für uns alle ein
Traum.»
Dieser endete am 1. September 1985 jäh:
Stefan verunglückte beim Sportwagen-WMLauf in Spa tödlich. Elf Jahre später traf den
älteren Bruder der nächste Schicksalsschlag
– seine Frau Uta, mit der er 14 Jahre verheiratet war, verlor den Kampf gegen den
Krebs. «Das musst du alles erst wegstecken», so Georg, der trotz aller Tiefschläge
sein Leben gemeistert hat. Inzwischen ist
er 45 Jahre alt und hat als Geschäftsmann
Karriere gemacht.
In Giessen besitzt der ZahntechnikerMeister ein Dental-Labor, dazu einen Getränke-Grossmarkt und einen Supermarkt,
deren Gebäude er auf dem Gelände des
früheren Lackierbetriebs der Familie bauen
liess. Er spielt leidenschaftlich Golf (Handicap 16) und Senioren-Fussball. Und er
pflegt das Familienleben mit Lebensgefährtin Michaela und den Kindern (zwei Mädchen, 14 und 12, ein Sohn, 4).
Gelegentlich hat er noch Kontakt zu
früheren Rennsport-Gefährten seines Bruders wie Franz Tost, Manfred Jantke oder
Masseur Axel Nahmmacher. «Meine Grundeinstellung zum Leben hat sich geändert,
ich freue mich über jeden Tag, an dem ich
gesund bin, ich geniesse mehr und lebe viel
bewusster als früher.»
Kartsport-Grösse: Bellof 1978
Tiefschläge gemeistert: Bellof 2001
Galt als deutsches Top-Talent: Bellof bei der Kart-WM ’78 in Le Mans
Bitter, Erich (MSa 49/2001)
56
Der Renn-Konfektionär
rich Bitter gehörte zehn Jahre lang (1959
ESportwagen
bis 1969) am Steuer von Touren-, GT- und
zur absoluten Rennfahrerelite
Deutschlands. Vor allem der italienische
Abarth-Rennstall setzte immer wieder auf
den Mann aus Ennepetal, dessen Erfolgsbilanz rund 120 Siege und zwei Meistertitel
umfasst. NSU-Prinz, alle Abarth-Versionen,
Porsche 906, Ferrari 250 GT und Saab waren
seine Cockpit-Stationen. Überdies war der
Rheinländer in den 60er-Jahren mit seiner
Firma «Rallye Bitter» auch deutscher Monopolist für Rennbekleidung und -Zubehör.
Sein Sortiment war ausgesprochen preiswert. Für 110 Mark gab es einen schlichten
Overall («zweiteilig, feuerabweisend, hellblau»), 99 Mark kostete ein offener Helm
(«robust, silbergrau, mit Blendschirm»),
ein Paar Handschuhe («strapazierfähig,
griffig») waren für ganze 25 Mark zu haben.
Seine damalige Ehefrau Ulla organisierte
seinerzeit den Verkauf.
Seine Rennfahrerlaufbahn beendete
Bitter schlagartig nach dem dritten
schweren Unfall. So flog er mitsamt seinem
Abarth GT auf der Nordschleife des Nürburgrings ausgangs des Streckenabschnitts «ExMühle» durch die Büsche fast bis in die
ersten Vorgärten von Breidscheid. «Ich war
eingeklemmt, erst nach einer Ewigkeit kam
gemütlich ein Posten und rief ‹Hallo, ist da
wer?›.» Ebenfalls am Ring hob sein offener
Abarth-Sportwagen vor dem «Brünnchen»
auf einer Bodenwelle ab und krachte
brennend in den Wald. «Wenn ich mich da
nicht selbst befreit hätte, wäre ich
unweigerlich verbrannt.» Die Narben der
Brandwunden erinnern ihn noch heute an
den fatalen Crash.
Nach geschäftlicher Berg- und Talfahrt
als Autobauer (unter anderem Bitter CD und
SC auf Basis des Opel-Diplomat) hat der ExRennfahrer längst wieder festen Boden
unter den Füssen. Der Mitarbeiterstab seiner Braunschweiger Montage- und Entwicklungsfirma «Bitter GmbH» erledigt Forschungsaufträge für VW, Seat und Audi. Der
68-Jährige, in den 50er-Jahren Rad-Profi
und bis vor kurzem noch Marathon-Läufer,
ist nach wie vor jeden Tag im Büro und fit
wie in seinen besten Tagen. «Nachts hab’
ich einen Ruhepuls von 30, das ist schon
fast beängstigend.»
Seine dritte Ehe mit Tanja bescherte ihm
mit den Kids Lara (6) und Billy (8) nochmals spätes Vaterglück, die erwachsenen
Töchter aus erster und zweiter Ehe haben
ihn bereits zum achtfachen Opa gemacht.
Jetzt träumt der einstmals schnelle Mann
davon, sein Leben «irgendwann mal auf
einem Bauernhof mit Landwirtschaft und
vielen Tieren zu verbringen».
1969: Abarth-Werkspilot Bitter
Ruhepuls 30: Erich Bitter heute
Rennflöhe: Abarth-Werksfahrer Bitter und Hezemans 1966 im Nahkampf
Bovensiepen, Burkard (MSa 20/2001)
Mister Perfect
urkard Bovensiepen ist nicht nur Chef
B
der BMW-Edelschmiede Alpina in
Buchloe im Allgäu, sondern ein Mann mit
57
bewegter Rennsport-Vergangenheit. Zwar
ist der Name Alpina heute untrennbar verbunden mit exklusiven HochleistungsSerienautos, aber in den 60ern, Mitte der
70er- und gegen Ende der 80er-Jahre hatte «BuBo» einen schlagkräftigen Rennstall.
Bovensiepens Renntourenwagen siegten in
der EM, in der DRM und in der DTM. In den
legendären BMW-CSL-Leichtbau-Coupés
sassen Superstars wie Hunt, Lauda, Ickx,
Stuck, Bell und Hezemans. Auch Marko, Ertl,
Quester, Kelleners und Pankl standen auf
der Alpina-Gehaltsliste.
Als 1973 die Benzinkrise durchschlug,
pausierte das Alpina-Team für einige Jahre,
um sich 1977 mit Quester als EM-Titelgewinner glanzvoll zurückzumelden. Danach
zog sich Bovensiepen für zehn Jahre aus
dem Rennsport zurück, um sich dem weiteren Ausbau des Unternehmens und der
Gründung seines Weinimports zu widmen.
Mit Beginn der DTM-Blütezeit kehrte Alpina
1987/88 mit dem M3 und dem Fahrerquartett Danner/Oberndorfer/Giroix/Lohr
für zwei weitere Jahre auf die Rennpiste zurück. Das neue DTM-Reglement hatte
Bovensiepen als ITR-Vizepräsident massgeblich mitgestaltet. Danach war endgültig
Schluss mit der Rennerei, der Chef konzentrierte alle Kräfte und Geldmittel auf die
Alpina-Modellpalette und den exklusiven
Weinhandel.
«Wir hatten eine wunderbare Zeit im
Rennsport», rekapituliert Bovensiepen
(64), «und konnten BMW mit unseren Autos
und Fahrern zu manchem Titelgewinn verhelfen.» Seine Liebe zum Detail, die perfekte Fahrzeugvorbereitung und pedantische Teamführung übertrafen damals oft
genug sogar den Standard der Werksteams.
Heute ist der Name Bovensiepen im Rennsport nur noch durch gelegentliche Starts
seines Sohnes Andy (38) vertreten. Dessen
Bruder Florian (34) unterstützt den Vater
in der Alpina-Geschäftsführung, seine
Tochter Angela (36) lebt auf Mallorca.
«BuBo», seit 40 Jahren verheiratet mit
Hildegard, hat noch immer alle Fäden in der
Hand, das Unternehmen steht prächtig da.
«Wir sind kerngesund, haben 150 Mitarbeiter, stellen pro Jahr rund 850 Autos her
und sind mit unseren Edelmarken aus
Italien, Frankreich und Kalifornien der erfolgreichste Weinhandel Deutschlands.»
Bleiben noch Wünsche offen? «Aber ja.
Ich träume von einem Alpina-Luxus-Mini
für höchstens 70 000 Mark. Und ich will
unsere Politiker mit bösen Briefen ein wenig
wachrütteln.»
1970: Der junge Alpina-Chef
Weine und Wagen: «BuBo» heute
Tolle EM-Jahre: Toine Hezemans ’73 im Alpina-BMW gegen zwei Capri
Dechent, Hans-Dieter (MSa 37/2001)
58
Der Elegante
ans-Dieter Dechent hatte das Glück, als
H
Privatfahrer den Rennsport völlig frei
von Geldsorgen zu betreiben. Der frühere
Chef des damals grössten Opel- und GMAutohauses in Saarbrücken leistete sich
sogar den Luxus einer kleinen Rennabteilung innerhalb seines Betriebs. Dort liess
er die Sportgeräte warten und für jene
Starts vorbereiten, die er von 1962 bis
1971 mit Brabham-F3-Rennwagen, AlfaRomeo-Tourenwagen, Abarth-GT-Autos
und Porsche-Sportwagen absolvierte.
Überdies verpasste er als deutscher
Brabham-Exklusiv-Händler dem biederen
Opel Kadett eine kräftige PS-Kur mit
Bauteilen des gleichnamigen Weltmeisters. Der «Brabham-Kadett» ging bestialisch und erschreckte neben Polizei und
TÜV manch stolzen Porsche-Fahrer der
60er-Jahre. Als Rennfahrer trat der
Saarländer stets elegant auf und nur mit
erstklassigem Material an.
Trotz vieler Siege blieben dem Alfa-Fan
Meisterehren mit seiner Lieblingsmarke
versagt, dafür reichte es aber mit dem
Abarth-Simca GT Coupé gleich zu zwei
deutschen GT-Titelgewinnen auf der Rundstrecke (1964/1965). Die damals von seinen Konkurrenten kolportierte Vermutung,
er könne oder wolle im Regen nicht schnell
sein, führt Dechent übrigens auf ein Miss-
verständnis zurück. «Meine Frau hat mir
vor dem Start zu einem Regenrennen lediglich mal gesagt, dass sie keine Lust habe,
früh Witwe zu werden. Da bin ich ihr zuliebe dann halt ein bisschen langsamer
gefahren …»
Nach seiner aktiven Zeit fand Dechent
zunehmend Spass an Management-Aufgaben in den Porsche-Rennställen «Scuderia Lufthansa» und «Martini Racing Team».
Später stiess er zur Joest-Truppe und war
dort 18 Jahre lang «Reinholds linke Hand».
Noch immer ist der 61-Jährige mit dem
Rennsport verwurzelt: Nach 20 Jahren als
Präsident der Interserie-Organisation
übernahm er nach dem Tod von Paul Goppert dessen Amt als Promoter der Sportwagen-Serie. Zudem betreut er ein Privatteam in der Langstreckenmeisterschaft.
Mit dem Autohaus hat er schon lange
nichts mehr zu tun, stattdessen betreibt
er einen Exoten- und Oldtimer-Handel.
Nachdem seine erste Ehe geschieden
wurde und seine zweite Frau leider verstarb, möchte er «ein drittes Mal nicht
mehr heiraten». Sein Sohn (36) arbeitet
als Gastronom. «Jetzt möchte ich gesund
alt werden», wünscht sich Dechent, «und
wenigstens einmal mit der Concorde in die
USA fliegen und auf einem Kreuzfahrtschiff zurückreisen.»
Rank und schlank: Dechent 1965
Treuer Dackelblick: Dechent 2001
Zwei Mal Champion im Abarth 1300: Dechent 1966 in Mainz-Finthen
Falk, Peter (MSa 09/2001)
Porsche-General
eter Falk war nie ein Mann grosser Worte
Perledigte
und Gesten. Mit Ruhe und Gründlichkeit
er den Job bei Porsche: Ab 1959
59
im Fahrversuch, dann als Renningenieur,
später als Leiter des Fahrwerksversuchs
und von 1982 bis 1988 als Chef der
Rennabteilung fand er seine berufliche
Erfüllung im Motorsport. Er assistierte dem
grossen Huschke von Hanstein, arbeitete
mit dem genialen Rennstrategen Professor
Helmut Bott, erlebte 30 Mal Le Mans mit
allen Höhen und Tiefen. In seine Amtszeit
als Rennleiter fielen vier Gesamtsiege bei
den 24 Stunden von Le Mans, vier Teamund fünf Fahrer-WM-Titel plus unzählige
Einzelsiege mit dem fast unschlagbaren
Porsche 956/962.
Als wertvollsten Erfolg betrachtet Falk
den Dreifach-Sieg ’82 in Le Mans. «Mit dem
nagelneuen 956er auf Anhieb den 1-2-3Sieg zu schaffen, war für mich und das
Team grandios.» Zwei weitere Ereignisse
stuft er als «besonders wertvoll» ein: Der
Sieg im ersten Antritt bei der Rallye
Paris–Dakar ’84 («unerprobtes Auto auf
unbekanntem Terrain») und sein fünfter
Gesamtrang bei der Rallye Monte Carlo ’65
als Co von Herbert Linge im Werks-911 –
auch das ein Premierenerfolg, denn
Porsche trat damals mit dem Elfer erstmals
in der Rallye-WM an.
Negativerlebnisse? «Leider zu viele. Wir
haben so manchen guten Fahrer verloren,
vor allem Stefan Bellofs Unfalltod 1985
beim Sportwagen-WM-Lauf in Spa-Francorchamps hat mich arg mitgenommen.»
Seit acht Jahren führt Technik-Freak und
Naturfreund Falk (68) im Städtchen Tamm
bei Ludwigsburg ein nur bedingt beschauliches Leben. Abenteuerreisen, Exkursionen im Mitsubishi Pajero, Bergwanderungen und Alpenüberquerungen
beherrschen die Tage des Mannes, der
damals wie heute von Gattin Ruth begleitet
wird. Beide sind seit beinahe 40 Jahren
verheiratet. «Wir sind ständig unterwegs;
die Natur in ihrer Urform zu erforschen, ist
einfach faszinierend.»
Aber auch den aktuellen Rennsport verfolgt er mit Interesse, lässt sich gelegentlich am Nürburgring oder in Hockenheim
sehen. Einmal im Monat trifft er die alten
Weggefährten beim berühmten Stuttgarter
PS-Stammtisch. Nebenbei berät er die
Veranstalter der Oldtimer-Events Silvrettaund Ennstal-Classic und entert gelegentlich
selber das eine oder andere PorscheSchmuckstück. Ein weiteres grosses Hobby
sind Computer und Internet geworden, die
den Späteinsteiger seit 1992 begeistern.
Falk ist ein rundum glücklicher Mensch,
gesund, aktiv, zufrieden.
Alles im Lot: Falk ’68 in Le Mans
Unruhestand: Peter Falk heute
Porsche-Generäle: Peter Falk und Huschke von Hanstein ’65 in Le Mans
Gebhardt, Günther (MSa 25/2001)
60
Das Kraftpaket
ünther Gebhardt erlebte seine besten
G
Rennfahrerjahre im Kreis der wilden
Formel-V- und Super-VW-Clique. Schon der
blosse Auftritt des Sinsheimers verschaffte
ihm Respekt, denn wer wollte sich schon mit
einem 90-Kilo-Mann anlegen. Mit seinem eigenen Rennstall, in den auch Günthers zwei
Jahre jüngerer Bruder Fritz als Manager
eingebunden wurde, holte er sich 1979 mit
einem blitzsauber vorbereiteten March die
Vizetitel in EM und DM.
Ein Jahr später gelang ihm der deutsche
Super-VW-Titel, parallel gönnte er sich
Erfolgserlebnisse in der Formel 3. Eine Einladung zum F3-GP nach Monaco beantworteten er und sein March-VW mit einem
sensationellen fünften Platz im Qualifying.
«Da haben einige Stars ganz schön blöd
geguckt», feixt Gebhardt noch heute. «Das
war eines meiner schönsten Erlebnisse überhaupt.»
Bald öffnete sich auch eine Tür zur
Formel-2-EM, die er 1983 mit dem ExBoutsen-March bestritt. Dann begeisterte er
sich für die Sportwagen, fuhr mit seinem italienischen Geschäftspartner Giampiero
Moretti («Momo») zusammen im Porsche
962 und präsentierte mit dem «Gebhardt C2»
eine eigene Sportwagen-Konstruktion. Während der Chef Ende 1984 den Helm an den
berühmten Nagel hängte, setzte sein Team
weiterhin Autos in Eigenregie ein. Letzte
Station war Anfang der 90er-Jahre die
damals neue Formel ADAC Junior, in der bis
zu fünf Youngster unter Gebhardts Regie antraten.
Inzwischen darf sich Günther Gebhardt
(47) verstärkt um seinen eigenen Junior
Peter kümmern. Der ist mittlerweile 16,
rennt schon sehr erfolgreich in der JvO-KartChallenge und hat laut dem stolzem Papa
«viel technisches Verständnis, gute Anlagen
und genauso viel Talent wie der Alte».
Der «Alte» selbst, nach wie vor Inhaber
des Sinsheimer Unternehmens «Gebhardt
Fördertechnik», ist gesund, fit und seit 1996
zum zweiten Mal verheiratet. Gewichtsmässig hat sich insofern was geändert, als
er nun mit der 100-Kilo-Marke kämpft.
Während sein Bruder Fritz den «Momo Racing
Shop» in Sinsheim leitet, möchte Günther
«in absehbarer Zeit beruflich etwas anderes
machen, auf jeden Fall wieder was mit
Technik». Und dann gibt es noch ein grosses
Hobby in Gestalt einer 130-PS-Yamaha
1300, die regelmässig bewegt werden will.
Obwohl er noch immer Renn-Freak ist und
nur ein paar Kilometer von Hockenheim entfernt wohnt, lässt er sich dort nur selten
sehen. «Warum auch – das Fernsehen liefert
ja alles frei Haus, und den Rest lese ich dienstags in MSa.»
Kampf mit dem Gegner: GG 1978
Kampf mit den Kilos: GG heute
F3-Erinnerungen: Gebhardt im Ralt vor Stefan Bellof am Salzburgring
Grähser, Jürgen (MSa 13/2001)
Der längste Kampf
Grähser liess nie etwas anbrennen,
Jderürgen
wenn es bei den Tourenwagenschlachten
60er-Jahre um Siege am Berg und auf
der Rundstrecke ging. Der saarländische
BMW-Privatfahrer legte sich mit Freund und
Feind an, prügelte vor allem sein 700erBMW-Coupé im Stil eines Kamikazefliegers
von Sieg zu Sieg. Seiner Münchener Hausmarke blieb der BMW-Händler aus Dudweiler
bis zum Karriereende 1972 treu – vom 1602
über den 1800 TISA bis hin zu 2002 und CSCoupé rollte er nahezu alle gängigen Modelle zum Start. Die wildesten Ritte absolvierte
er freilich im legendären 700er-Kampfgeschwader mit Klaus Miersch, Manfred
Behnke, Kurt Pfnier oder Toni Fischhaber.
Dass man damals im Kampf um Plätze
und Punkte ziemlich rüde und trickreich
miteinander umging, belegt die lächerliche
Affäre um einen Aschenbecher: Weil das
Zubehör im Grähser-BMW 700 fehlte, wurde
ihm «wegen Entfernens eines serienmässigen Teils» ein Sieg aberkannt, was ihn letztlich auch den Gewinn der Bergmeisterschaft
1964 kostete. «Das war meine grösste
Enttäuschung», erinnert sich Grähser, «und
der zweite Tiefpunkt war am Rande der
Bergpiste von Eberbach ein stämmiger
Baum.»
Um denselben wickelte er 1965 einen
1800 TISA, musste schwer verletzt aus dem
Grähser: Kämpfer par excellence
61
Wrack geschnitten werden und lag vier
Wochen auf der Intensivstation. Erst nach
einem Jahr Zwangspause kehrte er auf die
Rennstrecke zurück.
Seine zweite Karriere machte Grähser als
erfolgreicher Unternehmer und Kaufmann.
Zusammen mit BMW-Rennfahrerkollege
Albrecht Krebs realisierte er grosse Immobilien- und Bauprojekte. Den grössten
und längsten Kampf gewann der jetzt
61-Jährige kürzlich – nach einem Rechtsstreit über fast 30 Jahre mit der Stadt
Saarbrücken. Die Saar-Metropole muss dem
Ex-Rennfahrer wegen eines unrechtmässig
verfügten und mit kommunalpolitischem
Hintergrund durchgesetzten Baustopps
seines Einkaufszentrums 142 Millionen
Mark Schadenersatz zahlen.
Mit diesem letztinstanzlichen Urteil
endete einer der längsten Zivilprozesse in
der deutschen Justizgeschichte. «Endlich
bin ich zu meinem Recht gekommen», gibt
sich Grähser erleichtert, «aber ich habe
dabei mehr persönliche Substanz verloren
als in 13 Jahren Rennsport. Jetzt brauch’
ich erst mal Ruhe, Frieden und frische Luft.»
Diesen Wunsch erfüllt sich der begeisterte
Jäger auf seinem Landsitz im Nordsaarland,
wo ein 500-Hektar-Revier stets gute Dienste bei der täglichen Frust- und Stressbewältigung leistet.
Heute: Saarbrücken muss bluten
Wilde BMW-Jahre: Grähser ’66 im 2002 Ti beim Flugplatzrennen Trier
Greger, Sepp (MSa 10/2001)
62
König der Berge
Greger war zu besten Sportlerzeiten
S1990epp
ein Phänomen, und er ist es noch heute.
fuhr er mit 75 Jahren im Porsche RSR
sein letztes Rennen am Berg von Les
Rangiers, jetzt ist er 86, spielt Golf wie ein
Profi und sieht aus wie ein Jungbrunnen.
«Die Rennerei», sagt der Ur-Bayer, «hat
mich jung gehalten.»
40 Jahre lang bezwang der VW- und
Porsche-Händler aus München deutsche
und andere Berge im Rekordtempo, fuhr
an die 600 Siege und 900 Pokale ein, war
dreimal Berg-Europameister, dreimal Vizeund dreimal Deutscher Sportwagen-Meister. Der legendäre Franz-Josef Strauss,
Rennfan durch und durch, überreichte ihm
den bayerischen Verdienstorden, vom ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss
bekam er das Silberne Lorbeerblatt.
Gregers Karriere begann 1950 in einem
VW Käfer, danach enterte er in schneller
Folge alle möglichen Porsche-Modelle vom
356 über den RSK, die Carrera-GT- und
Sportwagen-Palette bis hin zum 910. 70
Prozent seiner rund 1200 Starts absolvierte er am Berg, den Rest auf der Rundstrecke
und bei Rallyes.
«In ganz Deutschland», erinnert sich
der einstige ONS-Geschäftsführer Sigismund von Kahlen, «gab es fast keine
Bergpiste, auf der er nicht wenigstens
vorübergehend den Rekord hielt. Sepp
dürfte der erfolgreichste deutsche
Bergpilot aller Zeiten sein.» Als persönlich wertvollsten Erfolg nennt Greger den
Sieg im Porsche RS 60 über Ferrari-Star
Ludovico Scarfiotti in Ollon-Villars. Als
schönste Zeit empfand er die 60er-Jahre
mit den Bergrennen Eberbach, Rossfeld,
Wallberg, Ratisbona oder Sudelfeld. Sein
Lieblingsparcours war der Mont Ventoux in
Frankreich.
Den Winter verbringt Greger stets in
Florida, im Sommer lebt er in München.
Seit 1962 ist er mit der 20 Jahre jüngeren
Traudl verheiratet, die sich mit den Söhnen
Sepp jun. (37) und Andreas (35) um die
geschäftlichen Dinge in der Bayernmetropole kümmert. Beide Autohäuser sind verpachtet, aber die Greger-Racing-Show ist
alljährlich ein überaus arbeitsintensiver
Event.
Vor zehn Jahren hätt’s fast keinen
Greger Sepp mehr gegeben: Tüchtige Ärzte
retteten ihn vor dem Krebstod. Seither lebt
er ohne Magen, «aber es geht mir bestens,
der Krebs ist besiegt.» Nach wie vor guckt
er alles, was an Racing über die Bildschirme flimmert. So ganz kann er’s ohnehin
nicht lassen – mit dem ebenfalls unverwüstlichen Paul Ernst Strähle startet er
gerne bei Oldtimer-Veranstaltungen.
Greger 1975: Mit Hut geht’s gut
Rüstiger Rentner: Greger heute
Der Berg ruft: Porsche-Pilot Greger 1971 auf Rekordfahrt am Wallberg
Hahne, Hubert (MSa 1–3/2001)
Der Rekordbrecher
ubert Hahne hat sich mit einer RennH
runde ein Denkmal gesetzt. Tatort:
Nürburgring. Noch heute erinnern sich
63
Nordschleifen-Fans des denkwürdigen August-Wochenendes 1965, als die 10-minSchallmauer für Tourenwagen fiel. Weit
über 100 000 Zuschauer waren beim
deutschen Grand Prix Zeugen, als der BMWWerkspilot im Tourenwagenlauf am Steuer
eines 2000 Ti seine 9:58,6 min auf die
Piste knallte. Dutzende Weltklassepiloten
waren zuvor an dieser Hürde gescheitert.
Hahne und BMW hatten danach im
deutschen Blätterwald fettere Headlines
als F1-Sieger Jim Clark. Mit dieser
Glanzleistung untermauerte Hahne seine
Position als einer der weltbesten Tourenwagenpiloten der 60er-Jahre.
Der «schöne Hubert» aus Moers begann
seine Karriere 1960 zunächst im NSU Prinz,
stieg später in einen BMW 700 um und
rückte sodann zügig ins BMW-Werksteam
vor. Danach gab’s kein Halten mehr – mit
den silbergrauen 1800 TI, 1800 TISA und
2000 TI startete er zur Eroberung der
Tourenwagenwelt. Einziger Knick in dieser
grandiosen Zeit war ein übler Testunfall
auf der Südschleife, bei dem er schwere
Wirbelsäulenverletzungen erlitt und gar
um die Fortsetzung seiner Karriere bangen
musste. Parallel setzte ihn BMW ab 1967
auch in der Formel 2 ein. Mit deren
Monoposto wurde Hahne Vize-Europameister – für einen ausgewiesenen Tourenwagenpiloten ein echtes Kunststück. Zumal
die Gegner vom Kaliber Ickx, Stewart,
Beltoise, Bell, Ahrens und Mitter waren.
Zahlreiche Ausfälle durch technische
Probleme raubten Hahne jedoch immer
mehr den Spass, wozu auch ein völlig missglückter Formel-1-Deal mit March beitrug.
Nachdem ihm beim F2-EM-Lauf in Enna
1970 mal wieder der Motor hochging, stieg
Hahne frustriert aus und beendete seine
Karriere auf der Stelle.
Im März 2001 wurde der einstige BMWVorzeigerennfahrer 66 Jahre alt. Als
Experte für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit lebt Hahne seit längerem in
Genua/I, berät von dort aus AuslandsKonzerne und schreibt für deutsche
Tageszeitungen. Seit 20 Jahren ist er in
zweiter Ehe mit Eva verheiratet und hat
zwei Söhne (Patrick, 25, und David, 12).
«Der Grosse wird sicher kein Rennfahrer,
aber bei David ist es nicht auszuschliessen.
Der ist ein echter Racer.»
So wie die übrigen Mitglieder der
Hahne-Grossfamilie: Seine Brüder Wilhelm, Bernd, Armin und Tim sind ebenfalls
mehr oder weniger heftig mit dem Virus
Auto und Rennsport infiziert.
Mädchenschwarm: Hahne 1968
Italien-Fan: Hubert Hahne heute
Multitalent: Auch im F2 düpierte der Tourenwagenpilot die Formelasse
Hainbach, Reinhard (MSa 33/2001)
64
Verpasster Hattrick
einhard Hainbach aus dem oberhessiR
schen Schotten war immer ein stiller und
verhaltener Zeitgenosse. Mit Akribie und
Routine ging er seine Rallyes an, die Beifahrer auf dem heissen Sitz des Opel-, BMWund Ford-Escort-Piloten zeigten sich stets
voll des Lobes über die unaufgeregte Lenkradarbeit ihres Chauffeurs. So gelangen
Hainbach zwischen 1970 und 1980 rund 40
Gesamt- und jede Menge Klassensiege. Mit
zwei deutschen Meistertiteln im Ford Escort
1800 BDA erlebte er 1978 (mit Peter Linzen)
und 1979 (mit Klaus Fabisch) einen wahren
Höhenflug.
Als Krönung sollte im Jahr darauf eigentlich der dritte Titel her, aber der
glanzvolle Hattrick scheiterte letztlich an
einer läppischen Sekunde. Die fehlte Hainbach im Opel Ascona 400 gegenüber der
Toyota-Equipe Warmbold/Inhester, als
nach dem Finale bei der Baltic-Rallye zusammengezählt wurde. «Darüber», gibt er
unumwunden zu, «ärgere ich mich noch
immer.»
Ansonsten gab es kaum Verdruss in
Hainbachs Rallyezeit. So konnte er sich zusammen mit Co Wulf Biebinger 1971
darüber freuen, dass man samt Opel Kadett
zu jenen neun von 273 Besatzungen gehörte, die beim brutalen WM-Lauf in Portugal ins Ziel kamen. «Wir wurden Fünfte,
und darauf waren wir mächtig stolz.» Seine
Lieblingsrallye jedoch blieb immer die
«Hunsrück» mit dem Truppenübungsplatz
Baumholder als Dreh- und Angelpunkt. «Die
spannende Frage lautete dort immer, wer
wann und wo seinen Plattfuss kriegt. Und
das war dann ja auch meist die Entscheidung zu Gunsten des einen oder des
anderen.»
Nach dem Ende seiner eigenen Karriere
übernahm Hainbach die motorsportliche
Betreuung seines Sohnes Jens. Der machte
seinen Weg zunächst im Motocross und
wechselte danach auf vier Räder in die
Formel-Opel-Lotus-Challenge. Heute beschränkt sich der Filius rein sportlich nur
noch auf die Zweirad-Disziplin Supermoto,
während er als Junior-Chef des väterlichen
Opel-Autohauses nebst Tankstelle in der
Pflicht ist.
Der Papa, mittlerweile 52 und seit 25
Jahren mit Annegret verheiratet, restauriert derweil mit Begeisterung alte Autos
und startet gelegentlich bei historischen
Rallyes. Gerne düst er mit schweren Maschinen (Suzuki ST 1100, Honda 750) durch
die Gegend. Über Fachlektüre und Fernsehen bleibt er auf der Höhe des Geschehens
und würde «wahnsinnig gern mal bei einer
Marathon-Rallye die Betreuung eines Teams
übernehmen».
Rallye-Star: Hainbach anno 1979
Motorrad-Freak: Hainbach heute
Kontrolliertes Spektakel: Hainbach/Fabisch 1979 bei der «Hunsrück»
Heidegger, Max (MSa 47/2001)
Liechtensteiner Hexer
ax Heidegger aus Triesen im Fürstentum
M
Liechtenstein gehörte bis 1982 zur kleinen Elite international gefragter Motoren-
65
Tuner. Der eigenwillige Techniker, von 1968
bis 1972 selbst mit einem BMW 2002 vor allem am Berg erfolgreich, galt mit seinem
Einfallsreichtum als Genie der Zunft. Schon
sein Auftritt war beeindruckend: Ein Mann
wie ein Baum, fester Blick, ehrliches Wesen.
Sein Händedruck signalisierte die pure Kraft
– schraubstockähnlich pflegte er die Hand
des Gegenübers zusammenzuquetschen.
Richtig bekannt wurde er Anfang der 70erJahre durch unzählige Rennsiege seiner
Formel-V- und Super-Vau-Triebwerke. «Manfred Schurti war einer unserer ersten Kunden,
ihm habe ich fast alles zu verdanken. Seine
Erfolgsserie hat uns erst richtig ins Gespräch
gebracht.»
Nach der Formel-V-Ära mit vielen Titelgewinnen widmete sich Heidegger der Marke
BMW, die er auch als Alpina-Importeur in
seinem Liechtensteiner Autohaus vertrat.
Kraftvolle BMW-Motoren von Heidegger im
Tourenwagen, in der Formel 2 oder in der
M1-Procar-Serie wurden zum Qualitätsbegriff. Marc Surer verblies im Gruppe-5-BMW
320 und im M1 die Stars, Stefan Bellof fuhr
seine beiden ersten Formel-2-Sensationssiege 1982 mit dem Wundermotor aus
Liechtenstein ein.
Dennoch erinnert sich Heidegger an sein
Engagement im grossen Formelsport nur mit
Bitternis: «Das Maurer-Team hat F2-Motorenrechnungen für eine Viertelmillion nicht
bezahlt, und McLaren hat mich trotz eines
leider nur mündlich deponierten Entwicklungsauftrags für einen Formel-1-Turbomotor hängen lassen. Das hat uns 1,8 Millionen
Schweizer Franken und beinahe die Existenz
gekostet.» Frustriert beendete der Firmenchef daher Ende 1982 alle Engagements im
Rennsport.
Heute lebt Max Heidegger (64) als
Ruheständler für mindestens sechs Monate
im Jahr in seiner zweiten Heimat Irland. Die
Autohaus-Geschäfte hat er vor Jahren an
Jacob (37) und Yasmin (35), die ältesten
seiner fünf Kinder, übergeben. Jeweils in den
Wintermonaten schaut er in Liechtenstein
nach der Familie. Zur rennsportlichen
Vergangenheit hat er alle Verbindungen
gekappt – zu tief sitzt die Enttäuschung über
«das Geschäftsgebaren einiger Herrschaften». Lediglich im Fernsehen verfolgt er
Formel 1 («sehr faszinierend») und V8STARSerie («tolle Idee»).
In Irland baut der einstige PS-Zauberer
aus Liechtenstein gerade ein Haus und bewirtschaftet ein Stückchen Land. «Hier bin
ich glücklich und zufrieden und geniesse das
Leben.»
BMW-Fan: Max Heidegger 1962
Irland-Fan: Max Heidegger heute
Hier wirkte das Genie: Heideggers Tuningwerkstatt in den 70er-Jahren
Hezemans, Toine (MSa 16/2001)
66
Der grosse Trickser
oine Hezemans als Nebenmann in den
TGegner
vorderen Startreihen – das war für jeden
die Höchststrafe. Und zwar wegen
der fast unerschöpflichen Trickkiste des
Holländers, dessen Überrumplungstaktik
täglich neue Facetten hatte. Das Resultat
blieb immer das gleiche: Startduelle, Ausbremsmanöver und Nahkämpfe gewann
«Toine, der Trickser» nach Belieben. Für
manchen der auf der Piste Vorgeführten
folgte die zweite Niederlage gleich hinterher: Bei der abendlichen Backgammonoder Pokerrunde zog Hezemans den Mitspielern in der Regel das letzte Hemd aus.
Erreichte schon der Glücksspielerlös
stattliche Dimensionen, so fiel die Bilanz
der 16 Hezemans-Jahre im Rennsport
(1964–1980) sensationell aus: Dreimal
Europameister mit drei verschiedenen
Herstellern (Alfa, BMW, Porsche), Siege mit
jedem der etwa 15 Auto-Typen, die man ihm
anvertraute. Als Highlight ragt aus den rund
140 Einzelsiegen der Targa-Florio-Erfolg mit
Nino Vaccarella im Alfa heraus. Die deutschen Fans erfreute er vor allem durch seine
Auftritte in der Rennsport-Meisterschaft
der 70er-Jahre als Ford-Werkspilot im Capri
und Escort RS sowie im Porsche-Rennstall
des Kölners Georg Loos. «Die schönste
Zeit», blickt Hezemans zurück, «habe ich
allerdings 1971 bei Alfa zusammen mit Rolf
Stommelen verlebt. Das war einfach gigantisch.» Genauso erfolgreich wie die Rennfahrerkarriere gestaltete Hezemans auch
seine Laufbahn als Unternehmer. Aus dem
Hobby-Diamantenhändler von damals ist
ein Immobilien-Grossunternehmer geworden, dessen Hotel-Resorts, Büro- und Appartement-Häuser über die ganze Welt verteilt sind. Im eigenen Jet pendelt der 58Jährige zwischen den beiden Wohnsitzen
Laren/NL und der Antillen-Insel Bonaire in
der Karibik, wo er ebenfalls eine
Hotelanlage betreibt.
Seit 1997 ist er zum zweiten Mal verheiratet, seine junge Frau Christiane hat
ihm mit Sohn Loris (3) noch mal spätes
Vaterglück geschenkt. Aus erster Ehe mit
Marlene stammen Mike (31) und Tochter
Davy (27). Nach Mikes knapp verpasstem
FIA-GT-Titel im Vorjahr droht der Teamchef
heuer die grosse Attacke an: «Wir sind
fahrerisch und technisch stark wie nie. Alle
dürfen sich schon mal warm anziehen.»
Mit solch vorsaisonalen Kriegserklärungen hat der clevere Toine die Konkurrenz
schon in den 70ern oft genug erfolgreich
eingeschüchtert. Einziger Unterschied zu
damals: Die Zockerei ist vorbei, kein Poker,
kein Backgammon mehr. Toine: «Sogar als
ich kürzlich in Las Vegas war, habe ich nicht
mal ans Spielen gedacht.»
Gefürchteter Trickser: Hezemans
Toine heute: Kein Zocken mehr
Hezemans’ grösster Erfolg: Targa-Florio-Sieg 1971 im Alfa Romeo 33
Jelinski, Frank (MSa 19/2001)
Verkanntes Talent
rank Jelinski stand als 19-Jähriger vor
FTitelgewinner
einer grossen Karriere: Shooting-Star und
in der Formel Super VW 1979,
im direkten Anschluss nahtlos zweimal
Deutscher Formel-3-Meister 1980/81 im
Ralt-Toyota bei Bertram Schäfer. Danach
Formel-2-EM, beim ersten Rennen in
Silverstone nach turbulentem Kampf um die
Führung in Front – bis ihm kurz vor Schluss
der Motor hochging. Stefan Bellof, ebenfalls
F2-Debütant, siegte sensationell. «Das war’s
bereits für mich», kramt Jelinski in bitterer
Erinnerung. «Dieser Bellof-Sieg und der
nachfolgende in Hockenheim waren mein
Verhängnis.»
Ab da konnte sich der Aufsteiger noch so
abrackern, neben der Lichtgestalt Bellof
gingen selbst heroische Leistungen unbeachtet unter. «Der Frust war gross», gesteht
Jelinski, «denn auch danach beim Kampf um
einen Platz im Porsche-Werksteam zog ich
gegen Stefan den Kürzeren. Er war ein
Riesentyp, aber karrieremässig mein ganz
persönliches Pech.»
Bald resignierte der Norddeutsche und
fuhr querbeet alles, was ihm in die Hände
kam. Um dann doch noch in einer Art HappyEnd im Porsche-956/962-Cockpit zu landen.
Zuerst bei Walter Brun, dann bei Reinhold
Joest. Spät, aber nicht zu spät konnte er
zeigen, was er wirklich konnte, reifte zu
1982: Viel Frust durch Bellof
67
einem der zuverlässigsten und schnellsten
Sportwagenpiloten. Als Höhepunkte gelten
der Gewinn der Team-Weltmeisterschaft
1986 mit Brun und der Sieg beim 24Stunden-Rennen von Daytona 1991 (mit
Bob Wollek und Louis Krages). Im gleichen
Jahr beendete er seine Profi-Laufbahn als
Audi-Werksfahrer in der DTM.
Längst ist Frank Jelinski, inzwischen 42
Jahre alt, auch als Geschäftsmann erfolgreich. Zusammen mit seiner Frau Kerstin
(mit der er seit 15 Jahren verheiratet ist und
zwei Söhne hat) führt er eine Event-Agentur
im norddeutschen Springe, organisiert KartRennen, hat die Indoor-Bahn in Sinsheim
aufgebaut und ist dort noch immer
Organisationsleiter der renommierten «24
Stunden von Le Sinsheim». Jan, mit 11
Jahren der jüngere der zwei Jelinski-Buben,
sitzt schon im Kart, während dieses Thema
den drei Jahre älteren Arnd noch kalt lässt.
Hin und wieder schlendert Jelinski noch
durch das eine oder andere Fahrerlager, stattet mal der DTM, mal den Sportwagen, mal
dem Langstreckenpokal einen Besuch ab.
«Den grossen Rest guck’ ich mir im Fernsehen an, und dienstags verschlingt man
MSa auch noch wie früher.» Visionen für die
Zukunft? «Klar, einmal mit einem NASCARAuto über das Oval des EuroSpeedway
Lausitz donnern.»
Heute: Indoor-Kart-Ecclestone
Formel-3-Überflieger: 1981/82 holte Jelinski im Ralt-Toyota den Titel
Kleint, Jochi (MSa 31/2001)
68
Der Weltenbummler
ochi Kleint gehörte zu den erfolgreichsJDeutschland.
ten und dienstältesten Rallye-Profis in
Immerhin kann der Hamburger auf eine 27-jährige Rallyekarriere
(1966 bis 1993) zurückblicken. Dabei begleiteten ihn viele Werksteams und die
besten Copiloten des Landes. So sassen
Willi Pitz, Jochen Berger, Gunther Wanger,
Andy Hänsch, Manfred Hiemer oder Werner
Hohenadel neben ihm auf dem heissen
Sitz. Was Ende der 60er-Jahre mit bescheidenen Privat-Engagements im Saab
96 und im Ford Capri RS begann, gipfelte
bald in einem Prestigeduell mit Walter
Röhrl um die Führungsrolle in
Deutschland. Beide pilotierten um diese
Zeit wechselweise Capri RS aus dem Rennstall von Jochis Bruder und Manager Ernie,
der 1989 bei einem Flugzeugabsturz starb.
Mit Röhrls rasantem Aufstieg in die Weltspitze konnten in der Folge weder Kleint
noch andere Schritt halten. «Wenn es mich
nicht gäbe», tröstete der Superstar seinen
Weggefährten gelegentlich bei Journalistengesprächen, «wäre Jochi in Deutschland klar die Nummer 1.»
Für den grossen Schweiger aus dem
Norden blieben dennoch reichlich Erfolgserlebnisse. Mit Opel wurde er 1979 Europameister und erreichte 1981 bei der
Rallye Monte Carlo Platz 3. Ein Jahr später
kämpfte er im Ascona 400 sogar mit Dauerrivale Röhrl um den Gesamtsieg, bis er kurz
vor Schluss am Turini ausrutschte und auf
Rang 7 abstürzte. Erfolgreiche Jahre mit
Datsun in Südafrika, mit VW Motorsport
und mit Lancia im deutschen Championat
rundeten die lange und wechselvolle Karriere ab. «Meine schönste Zeit hatte ich
bei Opel und VW, da stimmte alles», sagt
der heute 53-Jährige, der sich seit 1983
ein zweites berufliches Standbein als Instruktor bei der «Audi Driving Experience»
geschaffen hat.
Noch immer ist er mit Begeisterung und
Engagement Mitglied der InstruktorenElite, reist als Audi-Botschafter für sicheres Fahren um die Welt und schult sogar
Audi-Kunden in China, Chile, Argentinien
oder Neuseeland. Etwa 260 Tage im Jahr
ist er unterwegs, um rund um den Globus
mehr Sicherheit im Umgang mit dem Auto
zu vermitteln. Und wenn er zufällig mal zu
Hause in Halstenbek bei Ehefrau Birgit und
Tochter Lena (15) ist, wird er zumindest
vorübergehend zum Familienmensch und
pflegt mit Vorliebe seinen Garten.
Schlusswort eines Weltenbummlers in
Sachen Sicherheit: «Ich fühle mich topfit,
mag meinen Job und bin restlos überzeugt
von der Philosophie des Sicherheitstrainings – es gibt dafür dringenden Bedarf.»
Schnelles Fahren: Kleint 1979
Sicheres Fahren: Kleint heute
«Meine schönste Zeit»: Jochi Kleint 1987 im VW Golf auf DM-Titeljagd
Kling, Karl † 2003 (MSa 12/2001)
Der Grandseigneur
arl Kling und Mercedes-Benz sind genauK
so untrennbar miteinander verbunden
wie der Name des einstigen Stern-Piloten
mit dem legendären «Geier-Unfall» bei der
Carrera Panamericana 1952 in Mexico. Die
Fotos des 300 SL mit der durchschlagenen
Frontscheibe und dem eilends als Schutz vor
weiteren Geierattacken angebrachten
Schutzgitter haben weltweite Berühmtheit
erlangt. Der in Giessen geborene dreimalige
deutsche Sportwagen-Meister begründete
seine ungeheure Popularität aber keineswegs nur mit dem oft zitierten Geier-Zwischenfall, sondern in erster Linie mit seiner
Mitgliedschaft in der offiziellen SilberpfeilMannschaft an der Seite von Fangio, Moss,
Herrmann und Lang.
Kling beherrschte jedes Auto in jeder
Disziplin perfekt, wobei unter all den Formel
1, Sport- und Tourenwagen eigentlich der
300 SL «sein» Auto war. Mit dem Urvater
aller Flügeltürer hatte er in den 50er-Jahren
seine grössten und spektakulärsten Erfolge.
Die Fahrerei liess ihn selbst dann noch nicht
los, als er 1958 die Leitung der MercedesRennsportabteilung übernahm. So gewann
er 1959 mit ZDF-Reporter Rainer Günzler als
Co in einem 190er Diesel die beinharte
Abenteuer-Rallye Algier–Kapstadt durch
Zentralafrika. Diesen Sieg wiederholten
beide zwei Jahre später nochmals mit einem
Legende: Karl Kling vor 40 Jahren
69
220 SE. Das Treiben hatte erst ein Ende, als
1968 die Pensionierung anstand.
Im gesegneten Alter von mittlerweile 91
Jahren verbringt Karl Kling seinen
Lebensabend in Gaienhofen am Bodensee.
Noch immer sieht er sich im Fernsehen jede
Formel-1- und DTM-Übertragung an, studiert Fachlektüre und chauffiert sogar
seinen Mercedes CLK nach wie vor persönlich. Die Liebe zum Auto und speziell zu
«seinem Daimler» hat ihn bis heute nicht
losgelassen.
Seine grösste Liebe hat er allerdings
schon vor zehn Jahren verloren, als seine
Frau Wilma nach einem halben Jahrhundert
gemeinsamer Wegstrecke starb. Eine
Haushälterin kümmert sich seitdem um die
wichtigsten Dinge und wacht vor allem über
die gesundheitliche Entwicklung, die nach
einem Schlaganfall seit einiger Zeit zur
Sorge Anlass gibt.
Deshalb lässt er heute nur noch ganz
wenige enge Vertraute an sich heran. Dieter
Glemser, der als 22-Jähriger von Kling
seinen ersten Vertrag als Werksfahrer bekam, ist von seinem ehemaligen Chef noch
immer begeistert: «Er war und ist ein echter
Gentleman, mit Stil, Kompetenz, Charme
und Menschlichkeit. Seine Amtsführung hat
mich in meinen Mercedes-Jahren tief beeindruckt.»
Kling heute: Immer noch Autofan
Schwer gezeichnet: Klings Beifahrer Hans Klenk nach dem Geierangriff
Krebs, Albrecht (MSa 27/2001)
70
Der «Fast-Meister»
lbrecht Krebs macht noch heute keinen
A
Hehl daraus, dass die Enttäuschung damals verdammt tief sass. Mit zwei Punkten
Vorsprung auf Ford-Escort-Pilot Hans Heyer
kam er mit seinem BMW CSL Coupé als
Tabellenführer zum DRM-Finale 1975 nach
Hockenheim. Doch nachdem der BMW zur
Halbzeit mit geplatztem Motor in Führung
liegend ausfiel, blieb statt des Titels nur
grenzenloser Frust. Heyer wurde Meister,
und auch Klaus Ludwig im Capri RS zog noch
nach Punkten vorbei. «Bei Ford hat man ja
schliesslich auch alles getan, um mir ein
Bein zu stellen. Bei den drei letzten Läufen
haben sie den Ludwig auf mich angesetzt,
damit der Heyer voll punkten konnte. Vor
allem in Kassel-Calden gab es sehr unschöne Szenen.»
Dennoch bezeichnet Krebs die Saison
1975 mit dem Schnitzer-Coupé als die erlebnisreichste und schönste seiner 17-jährigen Rennfahrer-Laufbahn: «Es gab tolle
Kämpfe, das war einfach Rennsport pur.»
Als Trost blieben immerhin drei Saisonsiege
und die Genugtuung, das brutale Hitzerennen auf der Nürburgring-Nordschleife gewonnen zu haben.
An gleicher Stelle durchbrach er ein Jahr
später im BMW 2002 Turbo als erster Fahrer
der Nürburgring-Geschichte mit 7:58,2 min
die Schallmauer für 2-Liter-Tourenwagen.
Gegen Ende seiner PS-Karriere holte sich der
Hanauer Architekt zu seinen gut 150
Einzelsiegen am Berg und auf der Rundstrecke noch einen Titel – 1981 wurde er mit
einem Osella-BMW Sieger des Deutschen
Sportwagen-Pokals.
Heute lebt der ehemalige DSK-Präsident
und ONS-Fahrervertreter wechselweise in
Hanau und in seiner Finca auf Mallorca. Sein
Immobilien-Managementbüro betätigt sich
bundesweit als Bauträger für Geschäftsund Wohnhäuser sowie Supermärkte. «Ich
bin kerngesund, treibe viel Sport und mache
gute Geschäfte», vermeldet der 57-jährige
Ex-BMW-Pilot.
1998 hat er zum dritten Mal geheiratet
und freut sich über Tochter Ciara (1). Die
erwachsenen Kinder (37, 34) aus erster Ehe
haben ihm bereits drei Enkel beschert. Golf
(Handicap 12) und Tennis sind seine grossen Hobbys, den aktuellen Rennsport verfolgt er noch immer mit Begeisterung via
Fernseher und Fachlektüre. An die Rennstrecke kommt er aber nur noch selten,
«weil ich keine Lust habe, ständig den
Tickets nachzurennen».
Wann immer es seine Geschäfte zulassen,
nimmt sich Krebs eine Auszeit. «Denn etwas
Zeit für sich selbst zu haben ist heutzutage
ein sehr wertvolles Gut.» Wohl wahr. Und
wohl dem, der sich’s leisten kann …
Krebs: Ring-Rekordhalter 1976
2001: Erfolgreicher Unternehmer
Titel knapp verpasst: Krebs im BMW CSL Coupé 1975 in Hockenheim
Liedl, Heinz (MSa 40/2001)
Der Berg-Floh
einz Liedl brachte mit seinem SteyrH
Puch 650 TR die BMW-700-Fraktion
jahrelang an den Rand der Verzweiflung.
71
Wenn er mit seinem «Alpen-Carrera» bei
den Läufen zur Deutschen Berg-Meisterschaft antrat, blieb sogar für die werksunterstützten BMW-Piloten oft nur Frust. So
entschied er 1964, 1965 und 1966 hintereinander den Titelkampf zu seinen Gunsten, und 1967 reichte es noch mal zur Vizemeisterschaft. Gelegentlich brannte der
Kfz-Meister aus Grasslfing bei Regensburg
mit dem 60-PS-Bergfloh sogar die Bestzeit
aller Tourenwagen auf die Piste.
Über derart gelungene Glanzstückchen
konnte sich Liedl genauso diebisch freuen
wie über die vier Motorrad-Gelände-Meisterschaften, die er parallel zu den Automobil-Aktivitäten ebenfalls für Steyr-Puch
einfuhr. Insgesamt brachte es der bayerische Tausendsassa in einem Zeitraum von
zehn Jahren zu der eindrucksvollen Bilanz
von sieben Titelgewinnen, 54 Siegen auf
zwei und 89 Erfolgen auf vier Rädern. Stolz
merkt er an, «dass ich sowohl meine Motorräder als auch meine Autos immer selbst
präpariert habe».
Sein Lieblingsberg übrigens war der
Trento-Bondone, wo er zwischendurch
immer mal gerne die europäische Elite aufgemischt hat. Und wer glaubte, dass Liedl
nur am Berg ordentlich Gas geben konnte,
sah sich auf der Rundstrecke schnell eines
Besseren belehrt.
Noch heute hält Liedl seiner Hausmarke
die Treue, in dem er die Ersatzteil-Versorgung für die Steyr-Puch-Restbestände an
Mofas, Mopeds, Motorräder und Autos aufrecht erhält. Überdies restauriert er mit
Begeisterung Oldtimer. Unverändert
wohnt er in Grasslfing, ist inzwischen 61
Jahre alt und kerngesund. Mit seiner Frau
Angelika ist er seit 31 Jahren verheiratet,
(ein Sohn, 30, und eine Tochter, 22).
Mit Mountain-Biking und Rennrad im
Sommer und Ski-Langlauf im Winter hält
sich Liedl zu jeder Jahreszeit fit. Und
wenn’s ihn mal juckt, richtig Gas zu geben,
ruft er seine alten Spezis an und düst mit
dem Eichhammer Franz oder dem Hering
Walter zum Nürburgring. «Auf der Nordschleife toben wir uns ein paar Stunden
lang aus, das reicht dann wieder für eine
Weile.»
Zum Pflichtprogramm des sonntäglichen TV-Nachmittags gehören alle
Formel-1- und Tourenwagen-Übertragungen. Als einzigen Luxus leistet er sich ein
Wochenendhäuschen in Tirol, ansonsten
ist Heinz Liedl das geblieben, was er schon
immer war: Ein echter Bayer aus altem
Schrot und Korn.
Liedl 1966: So brav, so schnell …
2001: Noch immer echter Bayer
Gefürchteter Bergfloh: Heinz Liedl ’67 im Steyr-Puch 650 TR in Aktion
Mahle, Eberhard (MSa 22/2001)
72
Der Alleskönner
Mahle war in jeder Disziplin
Eundberhard
perfekt: Rennen und Rallyes, Sprints
Marathon, Rundstrecke und Berg. Ob
am Steuer von Touren-, GT- oder Sportwagen – gegen den Spross des Stuttgarter
Kolbenproduzenten gab es nur eine
Siegchance, wenn er ausfiel. So kam das
58-Kilo-Fliegengewicht zwischen 1954
und 1968 mit 150 Siegen in 210 Starts zu
einer Traumquote. Dazu war er Deutscher
GT-Meister 1957 auf Alfa Romeo,
Deutscher Bergmeister 1959 im BuckelVolvo und GT-Europa-Bergmeister 1966
auf Porsche 911. Mahle gehörte zu den
wenigen Piloten der 50er- und 60er-Jahre,
die immer einen Werksvertrag hatten. Die
Hersteller vertrauten ihm ihre besten
Autos an: DKW, Alfa, Borgward, Volvo,
Mercedes, Fiat, Abarth, Porsche.
Ein Horrorunfall abseits der Rennpiste
erzwang im besten Alter von 35 Jahren das
Ende der Bilderbuch-Laufbahn: Bei einem
Presse-Fototermin auf einem Stuttgarter
Kasernengelände bestieg er ein Kart, donnerte in die erste Kurve und geradewegs
in
einen
am
Rand
geparkten
Schützenpanzer – das Gaspedal war auf
Vollgas stecken geblieben. Schwerste
Verletzungen und Brüche erzwangen zwei
Jahre Krankenhaus-Aufenthalt mit insgesamt fünf Operationen. «Zwischendurch
bin ich immer wieder mal ins Rennauto gestiegen, aber das war alles sehr mühsam
und machte nicht mehr so viel Spass.»
Die Spätfolgen begleiten Mahle als
«körperliches Fahrwerksproblem» noch
heute. Vor drei Jahren musste er sich einer
Knie-OP unterziehen, kürzlich erhielt er
ein künstliches Hüftgelenk. Mit seiner
zweiten Frau Karin lebt der 68-Jährige
wechselweise in Leonberg und Lech, spielt
gelegentlich Golf (Handicap 36), versucht
sich im Ski-Langlauf und geniesst ein sorgenfreies Leben. Bis zur Pensionierung war
Mahle, der eine Schwester und zwei Brüder
hat, Exportleiter im eigenen Unternehmen, das als grösster Kolbenhersteller
der Welt 26 000 Mitarbeiter beschäftigt.
Mit Interesse verfolgt der ehemalige
Alleskönner des deutschen Rennsports via
TV auch heute noch die wichtigsten
Ereignisse: «Formel 1, Rallye-WM und DTM
sind Pflichtprogramm.» Mit den schwäbischen Renn-Kumpanen von damals trifft
er sich regelmässig am ersten Montag
jedes Monats beim «Oldtimer-Stammtisch» in Stuttgart. «Da wird immer viel
gelacht, viel Benzin geredet und das eine
oder andere Viertele getrunken.» Sofern
der Altmeister fit bleibt, will er in naher
Zukunft einige grosse Reisen antreten.
Wunschziele: Australien und Neuseeland.
Siege am Fliessband: Mahle 1963
Klemmendes Fahrwerk: Mahle 2001
Kult-Buckel: Mahle im Volvo PV544 beim Flugplatzrennen Trier 1960
Mariosi, Enrico (MSa 36/2001)
Die Seele vom Ring
nrico Mariosi ist ein Stück NürburgringEgrossen
Inventar. Als Oberkellner hat er alle
und kleinen Rennfahrer der letz-
73
ten 40 Jahre an der Eifelrennstrecke bedient. Der bekennende Ferrari-Fan aus
Modena kam mit 20 nach Deutschland, um
Erfahrungen zu sammeln. Vom Kölner Nobelhotel «Excelsior» zog es ihn 1961 in die
Eifel, wo man ihn als Oberkellner einstellte. Im altehrwürdigen Sporthotel Tribüne,
das der legendäre ADAC-Rennleiter Kurt
Bosch gerne als «Frikadellen-Bruchbude»
titulierte, brachte der liebenswürdige Italiener den Stars der PS-Zunft fortan Salat,
Suppe, Pommes, Dessert – und jedem Gast
die Rechnung. «In dieser Zeit war alles
sehr locker», erinnert sich Enrico. «Die F1Fahrer hatten Zeit für ein persönliches
Gespräch und zechten auch mal bis weit
in die Nacht. Heute ist alles so steril,
hektisch und unpersönlich.»
Kein Wunder, dass sich der nette Herr
im schwarzen Frack stets freut wie ein
Kind, wenn die Altstars Jacky Ickx, Jackie
Stewart, Clay Regazzoni, Hans Herrmann
oder Phil Hill in die Eifel kommen und dabei nie vergessen, im Hotel nach Enrico zu
fragen. So war das Management des neuen «Dorint am Ring» gut beraten, die treue
Seele zum Start des Restaurantbetriebs ’89
von seinem Verlegenheitsjob abzuwerben.
Immerhin mussten 14 Monate überbrückt
und die Familie ernährt werden.
Jetzt geht Enrico in Pension und damit
ein sehr menschliches Stück NürburgringGeschichte zu Ende. Unter dem spassigen
Motto «Der erste Mafioso in der Eifel» bereitet ihm sein Arbeitgeber am 2. September ab 10 Uhr im Dorint am Ring eine
grosse Abschiedsparty. Viele Freunde und
Gäste aus fünf Jahrzehnten sind eingeladen. «Ich freue mich auf das Fest, auf die
alten Weggefährten und auf meinen Ruhestand», sagt der 64-jährige Enrico, dessen
Heimat seit 1967 das kleine Örtchen Müllenbach am Fusse der ehemaligen Nürburgring-Südschleife ist.
Dort lernte er auch Renate kennen, mit
der er seit 38 Jahren verheiratet ist. Die
drei Töchter (36, 34, 28) sind aus dem
Haus. «Ich werde sicher keine Langeweile
haben», weiss der quirlige Mann mit dem
herzlichen Wesen. «Die Pflanzen im Garten
müssen gepflegt und die Pilze im Wald
gesucht werden.»
Vor allem kann er nun endlich in Ruhe
seiner Lieblingsmarke Ferrari beim Siegen
zuschauen. Schlusswort eines glücklichen
Mannes: «Ich danke allen, die ich am Ring
bedienen und kennen lernen durfte. Es war
eine wundervolle Zeit.» Wer kann das nach
40 Kellner-Jahren schon sagen …
Die Pflicht ruft: Mariosi 1961
Der Ruhestand ruft: Mariosi 2001
Ferraristi unter sich: Enrico Mariosi im Plausch mit Clay Regazzoni
Menzel, Harald (MSa 21/2001)
74
Die Kurz-Karriere
arald Menzel brachte als Privatier im
H
kleinen Abarth 1000 die grosse FordWerksmannschaft gehörig ins Schwitzen,
als er sich beim Finale um die RundstreckenMeisterschaft 1969 anschickte, den Kölnern
den Titel vor der Nase wegzuschnappen.
Erst die damals berühmt-berüchtigte «Gutpunkte-Regelung» verhalf Dieter Glemser
im Escort TwinCam mit der Winzigkeit von
0,6 Zählern zur Meisterschaft. Menzel trug’s
mit Fassung und freute sich über die
Vizemeisterschaft. Zumal er sich so gut verkauft hatte, dass ihn Ford-Statthalter Erich
Zakowski sogleich als neuen Werksfahrer
engagierte.
Mit dem grün-gelben Zakspeed-Escort
1300 mischte der Norddeutsche fortan die
Alfa-, NSU- und Mini-Cooper-Szene kräftig
auf. Mit dem stärkeren BDA gelangen ihm
in der DRM 1972 sogar fünf Divisionssiege,
was den von Ford zu BMW gewechselten
Rennchef Jochen Neerpasch ermutigte, den
vielversprechenden Nachwuchsmann von
Köln nach München mitzunehmen.
Aber so richtig glücklich wurde Menzel
nicht, zu gross war der Erfolgsdruck mit dem
CSL-Coupé im gnadenlosen Schlagabtausch
der Tourenwagengiganten Ford und BMW.
Mit drei Saisonsiegen in der grossen DRMDivision verabschiedete sich der 25-Jährige
zum Saisonende 1973 aus dem Rennsport.
«Die Motivation war weg, das BMW-Werksteam wurde sowieso reduziert, und ich habe
keine Perspektive mehr gesehen.» Stattdessen heiratete er 1974 seine Freundin Anke
und bereitete sich auf die Übernahme des
elterlichen Fiat-Autohauses in seiner
Heimatstadt Dannenberg vor.
Längst ist aus dem heute 53-jährigen
Menzel ein erfolgreicher Geschäftsmann
und aus der Fiat-Vertretung eine straff
geführte Renault-Niederlassung geworden.
Die 24-jährige Tochter und der 21-jährige
Sohn unterstützen die Eltern nach Kräften,
«denn man muss sich mächtig reinhängen,
um im täglichen Kampf auf dem Markt zu
bestehen».
Mit Mountainbiking und Schwimmen
hält sich der Chef fit, eine Rennstrecke sieht
er heute, wenn überhaupt, höchstens mal
zufällig. Auch alle Kontakte zu ehemaligen
Renn-Kollegen sind abgerissen. «Allerdings
schau’ ich mir im Fernsehen alle Formel-1und DTM-Läufe an, denn so ganz löst man
sich ja doch nie von dem Sport, den man
selbst betrieben und geliebt hat.»
So blickt Harald Menzel denn auch gerne
zurück auf seine fünf Jahre als Rennfahrer:
«Die zweifellos schönste Zeit hatte ich
1968/69 als Privatfahrer im Abarth. Da sind
wir noch mit 600 bis 800 Mark pro
Wochenende ausgekommen …»
Bitte lächeln 1: Menzel anno ’72
Bitte lächeln 2: Menzel heute
Hoch das Bein: 1970 im Zakspeed-Escort beim Flugplatzrennen in Ulm
Mohr, Manfred (MSa 43/2001)
Der Furchtlose
anfred Mohr stand vor einer glanzvollen
M
Formel-Karriere, als ein «Big Shunt»
1968 in Brands Hatch alle Träume zerstörte.
Sein Brabham-Formel 3 stieg in der Startrunde nach Berührung mit einem Konkurrenten auf, überschlug sich mehrfach und
krachte brutal in einen Erdwall. Mit offenen
Brüchen, einem zerfetzten Oberschenkel
und Lähmungserscheinungen bargen Helfer
den besten deutschen Formel-3-Piloten
seiner Zeit.
Während der Zwangspause wurde dem
Schwarzwälder klar, dass dieser Unfall nicht
nur seine Gesundheit, sondern auch seine
Profi-Laufbahn im Formel-Sport ruiniert
hatte. So war der unterschriftsreife Werksvertrag mit Tecno für die Formel-2-EM an
der Seite von Clay Regazzoni ebenso hinfällig wie andere ehrgeizige Pläne.
Bis dahin hatte Mohr bis zu 25 F3Rennen pro Saison bestritten. Er raufte mit
Stars wie Piers Courage, Ronnie Peterson,
den Brüdern Brambilla oder Derek Bell auch
im grössten Gemetzel furchtlos um Siege.
So stand er in Monza auf der Pole und bezwang in Enna auf Sizilien die komplette
Weltelite.
Ein Unfall dieses Kalibers bringt selbst
einen harten Hund wie Mohr ins Grübeln:
Zweifel, Zukunftsängste und Schmerzen
prägten die monatelange Rekonvaleszenz.
Mohr 1969: Neuer Start mit Ford
75
Neuen Mut gab ihm 1969 eine Offerte aus
Köln. Als Werkspilot wurde er als Rückendeckung für den auf den Titel angesetzten
Dieter Glemser in Jochen Neerpaschs
Escort-Offensive im 1,6-Liter-Twin Cam
eingebunden. Zwar war das rechte Bein
noch immer halb gelähmt, aber um «die
Rolle des Mohrs, der seine Schuldigkeit tut»
zu spielen, reichte es allemal. Wichtig war
für ihn nur, wieder im Geschäft zu sein –
wenn auch nur im Tourenwagen.
Zwar fand er nochmal zu seiner alten
Liebe Formel 3 zurück und gewann zweimal
hintereinander den ADAC-Cup (Vorläufer
der heutigen F3-DM), aber mit der grossen
Karriere war’s vorbei.
Nach weiteren rastlosen Jahren in allen
möglichen Tourenwagenteams beendete er
1980 seine Laufbahn und kümmerte sich
nur noch um seine Vertriebsfirma «Mohr
Racing Parts» für Rennbekleidung, Helme,
Zubehör. Erst vor zwei Jahren wurde der
heute 63-Jährige mit neuen Schicksalsschlägen konfrontiert. Erst erlitt seine
zweite Frau Olena einen Schlaganfall, danach musste er sich einer BandscheibenOperation unterziehen.
«Mein Sohn wird mit Sicherheit kein
Rennfahrer», stellt Mohr klar, «denn heute
weiss ich mehr denn je, dass die Gesundheit
das Wichtigste im Leben ist.»
Mohr 2001: Weitere Tiefschläge
Hockenheim 1968: Mohr (2) gegen die internationale Formel-3-Elite
Neuhaus, Jürgen (MSa 44/2001)
76
Kernige Frohnatur
Neuhaus zählte wie Willi Kauhsen
Jdenürgen
oder Leo Kinnunen in den 70er-Jahren zu
verwegenen Bändigern des SuperSportwagens Porsche 917. Als Höhepunkt
seiner Karriere holte sich der Wuppertaler
Diskotheken-Besitzer mit dem PS-Ungetüm
den Meistertitel in der damals sehr populären Interserie. Schon in den Jahren zuvor
hatte der grossgewachsene, stets gut aufgelegte und nie um kernige Sprüche verlegene Rheinländer in seiner Carrera-6- und
911-Zeit ordentlich abgesahnt. «Es gab
kaum ein Wochenende ohne Sieg oder
Podiumsplatz», erinnert sich Neuhaus an
seine Erfolgsserie am Berg und auf der
Rundstrecke.
Seine persönlich wertvollsten Resultate
erzielte er ’70 mit dem Sieg im 917 Coupé
bei den 200 Meilen von Nürnberg, dem
Vizetitel in der GT-Europameisterschaft
(Porsche 911) und mit dem dreifachen
Gewinn der GT-Klasse beim 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring (u. a. mit den rheinischen Weggefährten Helmut Kelleners und
Dieter Fröhlich als Partner).
Am selben Ort und beim gleichen Rennen
erlebte er jedoch auch die grösste Enttäuschung: Zum Karriereende den Gesamtsieg
vor Augen, blieb sein Porsche 935 Turbo
stehen. «Das wäre das Sahnehäubchen zum
Abschluss gewesen. Man kann nicht alles
haben. Wenn man 17 tolle Rennsport-Jahre
gesund und erfolgreich überstanden hat,
gibt’s wirklich nichts zu meckern.»
Der heute 60-jährige Neuhaus lebt unverändert in Wuppertal und geht seinen
Hobbys Wintersport, Tennis und Wasserski
nach. Seine Disco «Dudelsack», speziell in
den 70ern beliebter Treffpunkt für VollgasFreaks, hat er nach «25 Jahren anstrengenden Nachtlebens» längst verkauft. Verbindungen zum Rennsport gibt es allerdings
noch immer reichlich: Für die Scuderia
Hanseat begleitet er seit 20 Jahren die
Sportfahrerlehrgänge am Nürburgring als
Instruktor, gleiches gilt für das Renntraining
des BMW-Clubs. Zum Langstreckenpokal
fährt er so oft es geht, auf Schleichwegen
pirscht er sich per Motorroller zum Schwedenkreuz und anderen selektiven RingAbschnitten. Favoriten punkto TV-Konsum
sind Formel-1-, V8STAR- und Motorrad-WMÜbertragungen.
Zum Thema Ehe hat Jürgen Neuhaus seine
eigene, ganz spezielle Meinung: «Ich war
Gott sei Dank nur für ein paar Jahre verheiratet, seit 1973 führe ich ein wunderbares Single-Dasein. Ich habe auch niemals
bereut, wieder ein freier Mann zu sein.
Einmal Ehemann hat mir völlig gereicht –
das muss ich wirklich nicht noch mal
haben …» Ein echter Neuhaus eben …
Siege am Laufmeter: Neuhaus 1969
Single aus Überzeugung: Neuhaus 2001
Erfolge im 917: Neuhaus beim Interserie-Rennen 1970 in Hockenheim
Nöcker, Peter (MSa 46/2001)
Der stille Star
eter Nöcker war genau genommen so
P60er-Jahre:
eine Art Dieter Glemser der 50er- und
Sauschnell, ruhig, gelassen und
unspektakulär, ein erklärter Feind der Show
und des Rummels um die eigene Person.
Und damit genau das Gegenteil seines langjährigen Partners Peter Lindner, mit dem er
sich bei den Tourenwagenschlachten über
sechs und zwölf Stunden am Nürburgring
und anderswo das Cockpit des Jaguar MK II
mit dem berühmten Kennzeichen WI-PL 1
teilte. Lindner, Jaguar-Importeur und James-Dean-Typ, liebte jede Art von Showeffekten, zelebrierte seine Auftritte wie ein
Filmstar, fuhr wild und oft überm Limit.
Das Dream-Team Lindner/Nöcker gewann nach Belieben, je zwei Mal die 6 und
die 12 Stunden sowie jede Menge EM-Läufe.
Die Siegesserie brachte Nöcker 1963 mit der
Deutschen Rundstrecken-Meisterschaft und
der Tourenwagen-Europameisterschaft zwei
wichtige Titelgewinne, die er um eine GTMeisterschaft im Ferrari 250 GT ergänzte.
Ingesamt gelangen dem asketischen Rheinländer von 1956 bis 1966 gut 80 Einzelerfolge. Neben dem Jaguar MK II und dem
Jaguar E Coupé in Leichtmetallbauweise
galt Nöcker auch im Mercedes 300 SL und
in Porsche-Sportwagen als sichere Bank.
Daher holte ihn Porsche für die zwei letzten
Jahre seiner Karriere ins Werksteam, wo er
Dream-Team: Lindner/Nöcker 1962
77
mit dem Gewinn der Index-Wertung bei den
24 Stunden von Le Mans zusammen mit
Herbert Linge seinen persönlich wertvollsten Triumph feierte.
Der heute 73-jährige Inhaber einer
Baustoff-Grosshandlung lebt mit seiner
dritten Frau Marlene in Meerbusch bei Düsseldorf und erfreut sich bester Gesundheit.
Sohn Peter jr. (37) kümmert sich verstärkt
um die Führung des Betriebs, zwei weitere
Nöcker-Söhne sind im Alter von 20 und 26
Jahren bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. Zwei Töchter (40 und 41) komplettieren die Familie. Neben und nach dem
Rennsport war Nöcker leidenschaftlicher
Sportflieger. Erst vor kurzem hat er seine
Fluglizenz verfallen lassen («Das ist etwa
so, als wenn du deinen Führerschein freiwillig abgibst»). Dafür steht nun Golf hoch im
Kurs, allerdings ist er auf Handicap 12 abgesackt. «Zu meiner besten Zeit hatte ich
Handicap 7.»
Eine Rennstrecke hat er seit dem Ende
seiner aktiven Zeit nie mehr besucht, auch
der Kontakt zu alten Weggefährten ist abgerissen. Selbst im Fernsehen ist der
Motorsportkonsum auf die Formel 1 begrenzt. «Was die Jungs da so aufführen»,
urteilt er, «ist allerbeste Unterhaltung –
aber Fliegen und Golfen ist trotzdem noch
schöner.»
Stiller Rheinländer: Nöcker heute
Kennzeichen WI-PL 1: Der berühmteste Jaguar-Tourenwagen der 60er
Nodes, Beate (MSa 15/2001)
78
Haugs Bezwingerin
eate Nodes hat zu ihrer besten Zeit als
B
Rennfahrerin so manchen männlichen
Konkurrenten ins Grübeln gebracht. Zu
denen, die aus dem Staunen schier gar nicht
mehr rauskamen, zählte auch der heutige
Mercedes-Rennchef Norbert Haug, der Mitte
der 80er-Jahre mit der tierisch schnellen
Ford-Lady das 24-Stunden-Rennen auf dem
Nürburgring bestritt. Die beiden teilten sich
einen 90-PS-Fiesta XR2 und gewannen ihre
Hubraumklasse souverän. «Der Norbert war
völlig fertig», erinnert sich Beate feixend,
«weil ich pro Runde drei Sekunden schneller
fuhr als er. Das war mein schönster und
wertvollster Erfolg überhaupt.»
Zehn Jahre hat das hübsche FrankenMädel mit Ford im Rennsport zugebracht,
fuhr in der Formel Ford, gewann den LadiesCup, stieg als Werkspilotin sogar in die DTM
auf und siegte gegen Ende ihrer Laufbahn
zusammen mit Thomas Beyer erneut im
Fiesta-Mixed-Cup. Ihre DTM-Karriere im
Sierra Turbo begann gleich bei der ersten
Testfahrt in Hockenheim mit einem sechsfachen Überschlag. «Eigentlich habe ich
den Sierra nie geliebt, das war nicht mein
Auto. Hingegen waren Fiesta und Escort für
mich massgeschneidert.» Dennoch steuerte
sie den ungeliebten DTM-Sierra 1986 in
Berlin auf einen vielbeachteten dritten
Rang. «Alles, was ich im Rennsport erreicht
habe, verdanke ich Ford und vor allem
meinem Team um Bernhard Grab. Ich hatte
dort die schönste Zeit meines Lebens.»
1994 beendete sie ihre Laufbahn als eine
der erfolgreichsten Frauen im Rennsport
überhaupt.
Heute ist Beate Nodes (37) erfolgreiche
Geschäftsfrau, leitet als Geschäftsführerin
im fränkischen Bürgstadt ein grosses
Schuhhaus mit 2000 qm Verkaufsfläche und
60 Angestellten. Besonders stolz ist sie auf
ihre Fitness, «die noch genauso gut ist wie
zu meinen besten Zeiten im Rennsport». Sie
fährt regelmässig Mountainbike und
Rennrad, schwimmt, joggt und trainiert
jetzt sogar für ihren ersten Halb-Marathon.
«Von der körperlichen Verfassung her könnte ich mich sofort wieder in ein Rennauto
setzten, die DTC wäre gerade die richtige
Kragenweite für mich. Aber mir fehlt wegen des Jobs leider die Zeit.»
Wenigstens pflegt sie intensiven Kontakt
zur Rennszene und den Grab-Mechanikern,
saugt via TV jede Übertragung gierig auf
und ist einfach nur stolz darauf, «mal dazugehört zu haben». Familie, Kinder? «Da
tut sich noch nichts, ich bin noch ledig und
habe keine Eile.» Stattdessen träumt Beate
von neuen Zielen – irgendwann will sie die
höchsten Berge besteigen. «Muss ja nicht
gleich ein Achttausender sein …»
Nodes 1986: Was für ein Blick …
Mit Hund und Haus: Beate heute
Im Fiesta fast unbezwingbar: Nodes 1990 im Mixed-Cup-Lauf am Ring
Obermoser, Jörg (MSa 28/2001)
Der Nostalgiker
örg Obermoser denkt oft und gerne an
JRennsport
seine Auftritte in der Deutschen
Meisterschaft (DRM) zurück.
Zwischen 1972 und 1977 war er in der 2Liter-Division eine feste Grösse. Zuerst im
Escort BDA, dann im BMW 2002. Wenn’s um
die Podiumsplätze ging, war mit dem
leidenschaftlichen Fighter aus Bruchsal
immer zu rechnen. «Die Rennen gegen
Glemser, Heyer, Ludwig oder Basche waren
gigantisch, da stimmte einfach alles»,
schwärmt Obermoser noch heute. Erst die
Turbo-Ära verdarb ihm zusehends den Spass
am Tourenwagen, deshalb widmete er sich
mit seiner TOJ-Eigenkonstruktion verstärkt
der Sportwagen-Szene, wo er schon parallel
zu den DRM-Starts schöne Erfolge einfuhr.
Als die Sportwagen in eine Krise gerieten,
beendete er 1979 seine zehnjährige Rennfahrer-Laufbahn. Vor seiner Tourenwagenzeit hatte er bereits als Mitglied der deutschen Kart-Nationalmannschaft zusammen
mit Hans Heyer & Co. oft genug die Kohlen
aus dem Feuer geholt.
Die positiven Erinnerungen des DRMVizemeisters von 1974 («das war definitiv
mein schönstes Jahr») haben ihn dazu ermuntert, die Glanzzeit der DRM mit den
Gruppe-5-Autos nochmals aufleben zu
lassen. Deshalb baut er heute nahezu alle
zwischen 1972 und 1980 eingesetzten 2-
Obermoser ’74: «Das beste Jahr!»
79
Liter-Autos als Kunststoff-Modelle im Massstab 1:24 nach. Und zwar in Original-Lackierung und mit Original-Sponsor-Beschriftung. «Erst war’s nur ein ganz persönliches Hobby», so Obermoser, «aber es gab
so viele Anfragen, dass inzwischen ein richtiges Geschäft daraus geworden ist.» Den
schwunghaften Handel mit den begehrten
Nachbauten will er weiterhin pflegen,
zumal der 57-jährige Technik-Freak wegen
schwerer Diabetes noch dieses Jahr vorzeitig in Rente geht. Fans wie Nostalgiker können ihr Wunschauto bei Obermoser als
Bausatz oder fertig montiert ordern – zu
Preisen zwischen 190 und 400 DM.
Nach beruflicher Berg- und Talfahrt,
unter anderem in Frankreich, lebt Jörg
Obermoser jetzt wieder in Pforzheim. Vor
zwei Jahren hat er zum dritten Mal geheiratet. Zwei erwachsene Töchter (34, 32) aus
erster Ehe machten ihn bereits zum
dreifachen Opa, dazu gibt es noch einen 16jährigen Sohn («der wird aber bestimmt
kein Rennfahrer») aus zweiter Ehe. Der
Rennsport fasziniert den einstigen BMWStar noch immer, aber persönlich sehen
lässt er sich kaum noch. «Ich schau’ mir
alles genüsslich im Fernsehen an, von der
Formel 1 über die DTM bis zur MotorradWM.» Dazu studiert er die einschlägige
Lektüre – natürlich auch MSa.
Obermoser 2001: Bald Rentner
Goldene DRM-Jahre: 1974 im GS-BMW 2002 in Mainz-Finthen
Ostlender-Weiss, Claudia (MSa 07/2001)
80
Die Power-Lady
laudia Ostlender hat im Verlauf ihrer
CKopfzerbrechen
kurzen Rennkarriere einigen Leuten
bereitet. Erst fuhr sie im
Fiesta-Ladies-Cup den Konkurrentinnen
und anschliessend auch der rennenden
Männerwelt um die Ohren. Die sportive und
hübsche Aachenerin, von Beruf Werkstoffprüferin, kam ohne jede Vorkenntnis
1983 in den Ladies-Cup und holte auf
Anhieb den Titel. Nach zwei weiteren FordJahren lockte der VW-Polo-Cup. Dort trieb
sie bis zum Ende ihrer Laufbahn ihr Unwesen und brachte gestandene Mannsbilder
zur Verzweiflung.
Schliesslich gewann sie als einzige Frau
in der Historie des Polo-Cups 1988 den
Lauf auf ihrer Lieblings- und Hausstrecke
in Zolder. Zwischendrin liess es die flotte
Lady beim Langstreckenpokal Nürburgring
im Golf GTI und Escort RS krachen und
stellte auf der VW-Versuchsstrecke EhraLessien im Corrado mit 217 km/h einen
Geschwindigkeits-Weltrekord auf, bevor
sie Ende der Saison 1989 den Renn-Overall
endgültig auszog.
«Es gab zwar ein konkretes BMW-Angebot, aber für den Verbleib im Rennsport
hätte ich meinen Beruf aufgeben müssen.
Und das war’s mir nicht wert.» Dafür arbeitete sie weiter als Assistentin der
Geschäftsleitung beim VW- und Audi-
Betrieb Zabka in Alsdorf. Dem Unternehmen fühlte sie sich schon deshalb verbunden, weil man ihr dort den Einstieg in
den Polo-Cup technisch wie finanziell geebnet hatte.
Heute allerdings gibt es im Leben der
42-Jährigen andere Prioritäten. Seit vier
Jahren ist sie verheiratet, heisst jetzt
Weiss und ist stolze Mutter des fast
dreijährigen Leonard. Ihr Mann Georg ist
Druckereibesitzer in Monschau. In seinem
Betrieb wird unter anderem auch die
MOTORSPORT aktuell gedruckt, die Sie,
liebe Leser, jeden Dienstag in Händen
halten. Logisch, dass sie über alles bestens informiert ist, was im Rennsport
gerade so läuft.
Dazu gönnen sich Claudia und ihr Mann
drei bis vier Formel-1-Rennbesuche pro
Jahr, der Rest wird via TV konsumiert. Der
Kontakt zu ehemaligen Rennfahrerkolleginnen und -kollegen ist dagegen «leider
abgerissen». Aber auch so gibt’s keine
Langeweile: Kind und Mann versorgen,
etwas Golf (Handicap 23) und immer
wieder prüfende Blicke auf das im Bau
befindliche Häuschen. Der Einzug ist für
Sommer geplant. Wenn der ganze Wirbel
überstanden ist, möchte sie sich einen
Wunsch erfüllen: «Einmal zum Golfen nach
Hawaii, das wär’s.»
1983: Ostlender als Fiesta-Lady
Heute: Mama Weiss mit Leonard
Da staunten die Buben: Claudia ’88 beim Polo-Cup-Laufsieg in Zolder
Pankl, Gerold (MSa 39/2001)
Der Unzerstörbare
erold Pankls Rennkarriere war kurz, aber
G
heftig. Vor allem heftig, was die haarsträubenden Unfälle des Österreichers in
81
den wilden Tagen der Formel-VW-Frühzeit
zwischen 1966 und 1968 betraf. Jedes
Rennauto, das Pankl in die Finger bekam,
bewegte er am und überm Limit. Ob AustroVW- oder McNamara-F3-Rennwagen, ob
BMW Alpina 2002 oder Porsche Carrera 6 –
wo der stämmige Naturbursche drin sass,
wurde gesiegt, oder es flogen die Fetzen.
So krachte es während seiner sechs Jahre
währenden Pistenpräsenz derart oft, dass
auch die hartgesottenen Kumpels und
Teamgefährten Niki Lauda und Helmut
Marko ins Grübeln gerieten.
Binnen kurzer Zeit flog Pankl in Spa und
am Nürburgring «jeweils in Baumhöhe wie
eine Granate» aus dem Cockpit seines VWRenners. Gurte gab’s zu jener Zeit nicht.
Beide Crashs überlebte er mit Wirbelsäulenbruch, durchtrennten Muskeln, komplizierten Beinbrüchen und Prellungen am
ganzen Körper. Als er schliesslich mit
einem Alpina-BMW 2002 beim EM-Lauf in
Brands Hatch gegen einen Erdwall krachte
und «es mir dabei das halbe Gesicht
weggefetzt hat», verging dem FahrschulInhaber aus Bruck in der Steiermark der
Spass an der Rennerei. So zog er sich 1972
zurück, ohne einen Meistertitel erreicht zu
haben. «Wie sollte ich auch? Wenns um die
Wurst ging, lag ich ja immer im Krankenhaus.»
Es blieben aber auch gute Erinnerungen.
Etwa der Formel-VW-1300-EM-Laufsieg in
Thruxton oder zwei Gesamtsiege im AlpinaBMW bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring. Mit Pankls Rücktritt ging dem Motorsport eine schillernde Figur verloren. 62
Jahre ist der Mann jetzt alt, über den man
sich einst respektvoll zuraunte, dass er
weder Tod noch Teufel fürchte und unzerstörbar sei.
Ruhiger ist er geworden, spielt leidenschaftlich Tennis und hat das Rauchen («80
am Tag im 15-Minuten-Takt») aufgegeben.
Heute ist er Besitzer einer Schweinezuchtfarm in Ungarn (80 000 Jungferkel pro
Jahr) und Herr über 1200 Mitarbeiter. Der
Betrieb läuft prächtig. Das gilt auch für die
«Pankl Racing Systems AG» mit Sitz in
Bruck, ein Börsen-Highflyer, der Formel-1Rennställe, die DTM-Truppe von Opel und
mehrere Flugzeugfirmen mit hochwertigen
Präzisionsteilen beliefert. Firmenchef ist
der älteste Pankl-Sohn Gerold jr. (40).
Derweil droht der Senior mit sarkastischem Unterton seinen Rückzug aufs
Altenteil an, «um mich endlich mal richtig
auszuruhen». Verdient hätte er’s ja – nur
glaubt’s ihm keiner …
Triumph oder Crash: Pankl 1968
Ferkel statt Formel: Pankl heute
Immer am Limit oder drüber: Gerold Pankl 1968 im Formel Super Vau
Petit, Peter (MSa 48/2001)
82
Der nett’ Franzos’
eter Petit gehörte ein Vierteljahrhundert
PRoadbook
lang vor allem zur Rallyeszene wie das
zum Copiloten. Aus dem Nichts
baute der liebenswürdige Franzose den
Pirelli-Renndienst auf und profilierte sich
schon bald als unentbehrlicher Experte.
Dabei kam der Sportchef des hessischen
Reifenherstellers eher unfreiwillig zu seinem Job im Odenwald-Städtchen Höchst:
Denn eigentlich wollte sich der kleine Mann
aus Paris mit dem Gardemass von 165
Zentimetern nach seiner GastronomieLehrzeit als Koch oder Hotelier niederlassen.
Dann durchkreuzte die deutsche
Wehrmacht seine Berufspläne und verschleppte ihn 1943 als Zwangsarbeiter in
die Reifenfabrik Veith. Dort machte Petit
aus der Not eine Tugend: Über verschiedene
Stationen hangelte er sich bis zu einer
leitenden Position im Kundendienst nach
oben, heiratete seine Odenwälder Freundin
Selma, und begann Anfang der 60er-Jahre,
sich um den Aufbau einer hauseigenen
Sportabteilung zu kümmern. Seitdem spurtete der Pirelli-Sportler von einer Rallye zur
anderen sowie zu Berg- und Rundstreckenrennen und kam dabei locker auf 40 bis 50
Veranstaltungen pro Saison.
Mit seinen Vertragsteams feierte er jede
Menge Titel, darunter mehrmals die Rallye-
Le grand chef: Peter Petit 1964
WM, -EM und –DM. Seine schönste Zeit hat
Petit «mit Walter Röhrl in der Rallye-WM»
erlebt, seine Lieblingsrallye war «eindeutig
die Monte». Noch heute schwärmen einstige Top-Piloten von der Kompetenz,
Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft des hessischen Franzosen. Dessen Sprachmix aus
Odenwälder Slang und französischer Betonung, der oft Silben zum Opfer fallen («mein
schön’ Beruf»), machten ihn noch sympathischer. Seit ’83 lebt er in Höchst «gleich
neb’ dem Pirelli» im Ruhestand.
«Aber auch als Rentner», sagt der inzwischen 77-jährige Petit, «hast du nie
Zeit.» Sein Tagespensum ist beängstigend:
Jugendarbeit, Vereinsleben, Tischtennis,
Radfahren, Musikgruppe, Haus- und Gartenpflege, fünf Enkel und ein Peugeot-Oldtimer
halten ihn auf Trab. Dazu seine Reisen: Mal
drei Monate Australien, mal sechs Wochen
Frankreich.
Mit vielen Fahrern hat er noch regelmässig Kontakt, «obwohl ja leider auch so
viel gestorb’ sind». Mit seiner Selma ist er
jetzt 55 Jahre verheiratet, von den beiden
Söhnen verstarb der ältere 1993 an Krebs.
Den alten Wegbegleitern verspricht der
noch immer kerngesunde Petit: «Zu mein’
80. Geburtstag in drei Jahr’ werd’ ich alle
für ein gross’ Fest einlad’.» Wir freuen uns
schon drauf.
Heute: Peter Petit als Pensionär
Bravo: Die ONS ehrte Petit ’78 für seine Verdienste um den Rennsport
Scharmann, Peter (MSa 30/2001)
Der Renningenieur
eter Scharmann gehörte in den 70erPgnadenlos
Jahren zu jener berüchtigten Clique
schneller Österreicher, die vor
83
allem in der Formel V1300, der Formel Super
Vau und später auch in der Formel 3 von
Erfolg zu Erfolg eilten. Im Gegensatz zu
seinen Landsleuten war der gelernte Maschinenbau-Ingenieur eher ein ruhiger Vertreter, der sich zumeist geschickt aus den
üblichen Raufereien heraushielt.
Bevor er in der Saison 1973 das erste
Formel-V1300-Eigenbau-Cockpit enterte
und auf Anhieb die Europameisterschaft
gewann, arbeitete er bei Porsche als Jungingenieur für die Bereiche Fahrwerk und
Motor. Seine einschlägigen Kenntnisse aus
dem lehrreichen Job in der Weissacher
Denkfabrik übertrug der Österreicher mit
deutscher Lizenz auf die Abstimmung seiner
eigenen Rennautos.
Der Siegeszug setzte sich in der Formel
Super Vau fort und gipfelte 1977 im Gewinn
des Deutschen Formel-3-Championats. Diesen wichtigen Titel sicherte er sich gleich
in seinem ersten F3-Jahr und dazu noch mit
einer Neukonstruktion (TOJ-Toyota). Die
anschliessend ins Visier genommene Formel-2-Karriere geriet durch Geldmangel
schon bald ins Stocken. «Nachdem es keine
Perspektive mehr gab, hab’ ich kurzerhand
beschlossen, mit der Rennerei aufzuhören
und mich wieder meinem Beruf zuzuwenden.»
Seitdem ist Peter Scharmann Sales Manager und Geschäftsführender Direktor der
schweizerisch-österreichischen
HOBASWerke in Klagenfurt, an denen der ehemalige Berg-Europameister und Ex-FerrariRennleiter Peter Schetty eine 50-ProzentBeteiligung hält. Das Unternehmen produziert glasfaserverstärkte Polyesterrohre
für die Wasserwirtschaft. Beruflich hat der
51-Jährige noch ehrgeizige Pläne, ohne
dabei Privatleben und Hobbys zu kurz kommen zu lassen. «Ich spiele seit fünf Jahren
Golf, halte mich fit mit Mountainbiking,
Skifahren und Joggen und steige auch gerne
mal ins Indoor-Kart.»
Mit seiner Frau Sigrid ist er seit 26 Jahren
verheiratet, die erwachsenen Kinder (24,
21) studieren Handelswissenschaft in Wien.
Gelegentlich gönnt sich Peter Scharmann
Besuche bei seinen Lieblings-GP Monza,
Monaco und A1-Ring, den Rest des Formel1-Programms konsumiert er vor dem
Fernsehgerät im häuslichen Wohnzimmer.
Schade findet es der ehemalige Rennfahrer,
dass alle Kontakte zu den alten Weggefährten aus Formel V und Formel 3 abgerissen
sind. «Vielleicht meldet sich der eine oder
andere ja jetzt mal – ich würde mich riesig
darüber freuen.»
Der Rennfahrer: Scharmann 1977
Der Manager: Scharmann heute
Grosse Sprünge: Scharmann im TOJ-Toyota-F3 auf der Nordschleife
Schmidt, Rolf (MSa 11/2001)
84
Vive la France!
olf Schmidt erwies sich für Renault und
R
den Sport in Deutschland als Glücksgriff.
Als der Mann mit der bewegten Vergangenheit und der ausgeprägten Vorliebe für
Frankreich Ende der 60er-Jahre in der
deutschen Niederlassung in Brühl bei Köln
anheuerte, konnte noch niemand ahnen,
was er alles in Gang setzen würde. Zumal
ihn seine Vorgeschichte nicht gerade als
Experten fürs Sportive auswies: Nach dem
Krieg schlug er sich in Frankreich durch –
als Hauptfeldwebel der Fremdenlegion in
Indochina, als Bergwerksarbeiter, Spediteur und Direktor einer tunesischen Obstplantage. Bei einem Autounfall verlor er
fast sein Leben, brach sich den 11. und 12.
Brustwirbel und sass beinahe drei Jahre im
Rollstuhl.
Doch er war und blieb ein Fighter: Bei
Renault baute er eine funktionsfähige
Sportabteilung auf, schickte hauseigene
Alpine 1600 GT und Formel-3-Renner auf
Siegestour und bugsierte Renault-Deutschland zu einer festen Grösse im nationalen
Sportgeschehen. 1974 setzte er sich mit der
grandiosen Idee des Renault-5-Pokals
selbst ein Denkmal.
Seit acht Jahren lebt Rolf Schmidt (73)
im Ruhestand, aber die Verbindung zu
Renault ist nie abgerissen. Noch immer arbeitet er Reglements und technische
Handbücher aus, übersetzt komplizierte
Texte und liefert Ideen. Überdies ist auch
sein Sohn Kai (34) als EDV- und PC-Experte
bei Renault in der Händlerbetreuung gelandet. Schmidt selbst hat sich einen Tag
nach der Pensionierung einen PC gekauft
und gilt seitdem als Freak.
Zusammen mit seiner Frau Lou bewohnt
Schmidt im Kölner Vorort Rodenkirchen ein
schmuckes Häuschen, macht zwei bis drei
Mal pro Jahr Urlaub in Frankreich und lässt
sich auch durch allerlei gesundheitliche
Rückschläge wie eine komplizierten Herzoperation nicht aus der Ruhe bringen.
Allerdings hat ihn Ende letzten Jahres
die Krankheit seiner Frau, mit der er seit
fast 30 Jahren verheiratet ist, mehr getroffen als alle eigenen Gesundheitsprobleme
zusammen. «Lou hat mein Leben geprägt,
ich verdanke ihr so viel und hoffe inständig,
dass sie den Kampf gewinnt. Wir wollen gemeinsam alt werden.» So gibt es für den
Ex-Sportchef in diesen Tagen nur eine
Aufgabe: «Ich will in dieser schweren Zeit
für meine Frau da sein und ihr täglich Mut
machen. Alles andere ist unwichtig.»
Wenn alles gut geht, werden die
Schmidts hoffentlich bald zum nächsten
Urlaub aufbrechen und ihrem Lebensmotto
frönen: «Geniesse den Tag bei gutem Essen
und gutem Wein.» Natürlich in Frankreich.
1974: Neue Impulse für Renault
Heute: Nur Lous Gesundheit zählt
Schmidts beste Idee: Der Renault-5-Pokal entwickelte sich zum Renner
Mit vollem Einsatz: Renault 5-Legende Jo Weber 1975.
Drei Jahrzehnte Markenpokale
in Deutschland
Viel ist passiert seit dem ersten Lauf zum Renault 5 elfPokal 1974 in Hockenheim. Eines hat sich jedoch nicht
geändert: Die Markenpokal-Rennserien des „Créateur
d’Automobiles“ bieten ebenso spektakulären wie professionellen Motorsport für Ein- und Aufsteiger.
Sorgt stets für Aufsehen: Renault Clio Speed Trophy 2003.
Bleiben Sie uns treu – die Erfolgsstory geht weiter.
Renault Nissan Deutschland AG Abteilung MotorSport
Renault Nissan Straße 6 – 10 50 321 Brühl
30 Jahre und kein bisschen leise…
Renault MotorSport
Schütz, Wolfgang (MSa 24/2001)
86
Das Cup-Schlitzohr
olfgang Schütz gilt noch heute als erW
folgreichster deutscher Renault CupPilot. Mehr als 100 Siege, zwei EM- und ein
DM-Titel bescherten ihm einen Ruf wie
Donnerhall und dazu eine rekordverdächtige Preisgeldsumme. Ob im Renault 5, R5
Turbo, Alpine V6 oder R21 Turbo – der
ebenso listige wie schlitzohrige Schwabe
aus Hildrizhausen bei Böblingen mischte
zwischen 1974 und ’90 jedes Renault-CupStartfeld gnadenlos auf.
Sein ganz spezieller Platz zum Siegen
hiess Monaco. Hier gewann er als einziger
Renault-Pilot mit jedem im Eurocup eingesetzten Modell mindestens einmal. Ein
typischer Schütz-Monaco-Auftritt der 70erJahre: «Nachts mit Hänger und Rennauto
durchgefahren, um 5 Uhr Abnahme, um 6
Training, um 7 Bestzeit, um 8 Zelt aufgebaut, geschlafen, Rennen gewonnen.»
Mindestens zwei EM-Titel seien ihm
entgangen, jammert Schütz noch heute,
«weil sich regelrechte Seilschaften gegen
mich gebildet hatten. Die sind dann immer
gemeinsam über mich hergefallen.» Vor
allem die berüchtigte «Viererbande» mit
Sigala, Lammers, Gouhier und Bleekemolen
machten dem Schwaben schwer zu schaffen. So wie etwa 1984 in Brands Hatch, als
sich Schütz nach einem brutalen GouhierFoul bei 200 mehrfach überschlug und erst
im Krankenwagen wieder zu sich kam. Auf
dem Weg zur Klinik nutzte er einen Stau zur
Flucht aus dem Krankenwagen, enterte eine
Taxe zurück ins Fahrerlager, sammelte
seinen Schrott ein und fuhr noch nachts mit
Wohnmobil und Hänger nach Hause.
Als er 1990 beim EM-Lauf in Le Mans
schuldlos in eine Startkollision verwickelt
und in lebensbedrohlichem Zustand aus
dem R21-Turbo-Wrack geborgen wurde, war
allerdings Schluss mit Lustig. Erst nach
einer Woche erwachte er aus dem Koma,
trat danach eine mehrjährige Rehabilitations-Phase an und musste seine Rennfahrerkarriere beenden.
Die Unfallfolgen hat der heute 51Jährige nahezu völlig überwunden, Sprachzentrum und Gedächtnis arbeiten wieder
zufriedenstellend. Unverdrossen betreibt
der Kfz-Meister bereits im 30. Jahr seinen
Gebrauchtwagenhandel, legt für dringende
Reparaturarbeiten auch mal selbst Hand an,
wenn gute Kunden darum bitten. Seine Ehe
allerdings ging vor fünf Jahren in die
Brüche, die beiden Kinder (Sohn 19, Tochter
17) leben bei seiner Ex-Frau Marion.
Seine Zukunft hat Wolfgang Schütz
schon klar vor Augen: «Ich will viel Urlaub
machen, so oft wie möglich in die USA
reisen, und mein zweites Leben bewusster
geniessen.»
Früher: Schütz als wilder Hund
Heute: Schütz als feiner Herr
Ende mit Schrecken: Das R21-Wrack nach dem Crash 1990 in Le Mans
Schwägerl, Hans (MSa 34/2001)
Der Rallye-Papst
ans Schwägerl war schon immer ein
H
Mann weniger Worte und grosser Taten.
Der Weinhändler und Hotelier gehörte
87
1951 zu den Gründern des MSC Marktredwitz, fuhr erfolgreich Motorrad- und Autorennen sowie Rallyes und wechselte nach
seiner aktiven Zeit 1960 in den Organisationsbereich des ADAC. Seither widmete er
sich Aufbau und Wachstum des deutschen
Rallyesports, war 25 Mal Fahrtleiter der
Winterrallye Marktredwitz und Projektmanager für die Fahrtleiter-Ausbildung im
Rallye-Sport.
Sein Meisterstück machte Schwägerl als
Chef-Organisator und Fahrtleiter der legendären Olympia Rallye ’72, dem grössten
ONS/ADAC/AvD-Gemeinschaftsprojekt aller Zeiten: Sieben Bundesländer, 17 Regierungsbezirke, 87 Landkreise und 900 Ortschaften wurden berührt, 45 000 km zur
Streckenplanung abgefahren, dazu 5000
Helfer rekrutiert. 407 Nennungen gingen
ein, 347 davon wurden akzeptiert.
Fast eine Million Zuschauer säumten die
Rallyestrecke zwischen Kiel und München.
«Eine Veranstaltung dieser Dimension hatte es bis dahin in Deutschland nie gegeben
– und wird’s auch nie mehr geben», blickt
er fast wehmütig zurück. «Das war die
grösste Herausforderung in meiner Funktionärs-Laufbahn.»
Auch die erste ADAC-Rallye Deutschland
lief 1982 natürlich unter Oberaufsicht von
Schwägerl. Jahrzehntelang war er ADACWagenreferent, Mitglied der ONS-Sportsowie FIA-Rallyekommission und Sportkommissar bei allen wichtigen Events.
Obwohl der heute 76-Jährige offiziell
längst als Pensionär gilt, wird er immer
noch als Sportkommissar berufen. Selbstverständlich ist er zusammen mit Walter
Röhrl nun auch ADAC-Repräsentant für das
WM-Lauf-Projekt Deutschland-Rallye.
Ansonsten kümmert sich der Unruheständler in seiner Heimatstadt Marktredwitz um seinen Weinhandel. Jeder neue
Wein wird von ihm persönlich verkostet,
bevor er in den Verkauf geht. Sein 65Betten-Hotel hat er schon vor 20 Jahren
verkauft, «weil die Knochenarbeit irgendwann ein Ende haben musste». Mit Ehefrau
Lilo ist er seit 50 Jahren verheiratet, Sohn
Michael (48) ist Anwalt und Justitiar des
unterfränkischen Hotel- und Gaststättenverbands.
Überdies hat sich der junge Schwägerl
als Sportkommissar bei der DTM und
Rennleiter des Nürburgring-GP einen Namen gemacht. Und der nächste Schwägerl
kommt bestimmt – Michael (9) interessiert
sich auch bereits brennend für die Abteilung «Brumm-Brumm».
Rallye-Pionier: Schwägerl 1976
Botschafter: Schwägerl heute
Mann der Praxis: Schwägerl (r.) mit Co Grafenhorst 1968 im Rallyeziel
Seufert, Hans Peter (MSa 05/2001)
88
Der Buschmann
ans Peter Seufert und seine Liebe zur
H
Rennsport-Fotografie – eine Story, die
1957 begann und 20 Jahre später allmählich zu Ende ging. An die 600 Rennen hat
der quirlige Schwabe besucht, von der Formel 1 über die Sport- und Tourenwagenschlachten bis zum Bergrennen war die
ganze Palette dabei. Wo immer ein langes,
schwarzes Rohr aus dem Strauchwerk am
Streckenrand ragte, war jedem vorbeidriftenden Piloten klar: «Da sitzt der Seufert
im Busch.» Mit schwerem Equipment,
Fotokoffer und mehreren Teleobjektiven
als Handgepäck, umrundete er während eines 1000-km-Rennens oft die halbe Nordschleife zu Fuss. Pro Rennen schoss Seufert, der als bester Action-Fotograf der
60er-Jahre galt, bis zu 800 Bilder, die dann
im eigenen Kellerlabor entwickelt und an
Presse und Fahrer verschickt wurden.
Der Verkauf an die Akteure war gängige
Praxis, aber Reichtümer konnte man nicht
anhäufen, «zumal die Zahlungsmoral der
schnellen Kundschaft nicht immer die beste war». Aussenstände von mehreren 1000
Mark erinnern Seufert noch heute an den
nervenaufreibenden Bildversand.
Nach dem Tod seines Kollegen Julius
Weitmann trat Seufert dessen Nachfolge
bei «auto motor und sport» als Cheffotograf für die Ressorts Test und Specials an.
Einsätze bei den Rennen rückten immer
mehr in den Hintergrund. Und seit sein
Schwiegersohn Manfred Winkelhock 1985
tödlich verunglückte, hat Seufert keine
Rennstrecke mehr besucht. Dennoch ist er
dem Sport noch immer verbunden, schaut
sich im Fernsehen alle F1-, Tourenwagenund Champ-Car-Übertragungen an. «Ausserdem bin ich regelmässiger MSa-Leser,
denn ich muss ja wissen, was die übrigen
Winkelhocks so anstellen – Jockel, Tommi
und vor allem mein Enkel Markus.»
Seufert, 67, lebt mit Ehefrau Gerlinde
in Korb bei Waiblingen. Die beiden sind
seit 43 Jahren verheiratet. Zwei Söhne
(Rudi, 43, und Hans-Dieter, 33) und zwei
Töchter (Martina, 41, und Christiane, 39)
erfreuen die Eltern mit zahlreichen
Enkelkindern. Rudi und Hans-Dieter sind
auch bei ams gelandet, der eine verwaltet
die Testwagen, der andere trat als Fotograf
die Nachfolge seines Vaters an. Während
Tochter Martina mit ihren Kindern gleich
um die Ecke in Berglen-Steinach wohnt,
lebt Christiane mit ihrem Mann in Kapstadt. Obwohl längst im Ruhestand, hilft
Familienoberhaupt Seufert immer wieder
bei ams aus, wenns dort eng wird. Ansonsten sitzt er am Klavier, werkelt im Garten
oder baut Modellautos. «Mir gehts richtig
gut, ich bin gesund und bester Dinge.»
1968: Fast jeder Schuss war ein Treffer
Seufert 2000: Nicht ohne meine Kamera
Seufert mit langem Rohr: Der beste Action-Fotograf 1965 in typischer Arbeitspose
Steinemann, Rico † 2003 (MSa 32/2001)
Der Multi-Mann
ico Steinemann hat in seiner bewegten
R
Berufslaufbahn rund ums Thema Motor
und Racing fast alles gemacht, was in dieser
89
Branche reizvoll ist: Journalist und Rennfahrer, Rennleiter und Sportchef, Verlagsgründer und Chefredakteur, Autotester, TVKommentator und als letzte Berufsstation 25
Jahre lang PR-Direktor für Mercedes-Benz
Schweiz. Überdies war der polyglotte MultiMann, der sechs Sprachen fliessend spricht,
auch Gründer, Mitverleger und erster Chefredakteur der «Powerslide», aus der 1975
MOTORSPORT aktuell hervorging.
In seiner Rennfahrerzeit liess er sich 14
Geschwindigkeits-Weltrekorde gutschreiben
– neun mit dem C111-Prototyp von Mercedes, fünf mit dem Porsche 911 R. Als PorscheRennleiter holte er fünf WM-Titel nach Stuttgart (drei Mal Sportwagen-WM, je ein Mal
Rallye- und GT-WM). Seine gut 30 persönlichen Siege errang der Schweizer zwischen
1962 und 1968 mit Mini Cooper, Lotus-Elite,
Ferrari 275 GTB und den Porsche-Typen 906,
907, 908, 910 und 917. In der SportwagenWM teilte er sich das Porsche-Cockpit
vorzugsweise mit seinen Landsleuten Jo
Siffert und Dieter Spoerry.
Als schönsten Erfolg nennt er den LeMans-GT-Sieg im Ferrari 275 GTB. «Das war
ein Traum – der Sieg mit der total veralteten
Kiste, das Wetter, die Zuschauermassen, die
ganze Atmosphäre.» Aber es gab leider auch
oft genug Anlass zu Trauer, etwa als seine
Freunde Jo Siffert, Ludovico Scarfiotti und
Pedro Rodriguez nacheinander tödlich verunglückten. Steinemann nachdenklich: «Es
sind Momente, wo du diesen wunderbaren
Sport nur noch verfluchst.»
Als Vorruheständler lebt Rico Steinemann
(62) mit Gattin Marianne in Russikon bei
Zürich. Die zwei sind seit 37 Jahren verheiratet. Sohn Dieter (28) war zunächst
Eishockey-Profi, heute ist er Bankier in
Zürich. Zwei Herzinfarkte und ein Lungendefekt bescheren Steinemann seit einiger
Zeit leider massive gesundheitliche Probleme. Dennoch gönnt er sich noch immer die
Formel-1-GP in Kanada und Monaco vor Ort.
Seine Eindrücke: «In Kanada wirst du wie ein
Fürst empfangen, in Monaco wie der letzte
Depp.»
Den grossen Rest des weltweiten PSSpektakels (neben der Formel 1 auch alle
DTM- und ChampCar-Läufe) geniesst er via
Fernsehgerät – und da hört er sehr genau zu.
Schliesslich hat er in den 80er-Jahren an die
100 Formel-1-GP für das Schweizer Fernsehen als Kommentator begleitet. Für die
Zukunft wünscht er sich, «noch viele gute
Rennen zu sehen, ein paar Reisen zu machen
und Hochseesegeln zu gehen, so oft es die
Gesundheit erlaubt.»
Porsche-Dirigent: Steinemann 1969
Frühpensionär: Steinemann heute
Rico Steinemann: Viele Erfolge im Langheck-Carrera der 60er-Jahre
Surer-Tavoli, Yolanda (MSa 42/2001)
90
Das neue Leben
Tavoli legt viel Wert darauf, unter
Yoderolanda
dem Namen Surer nirgends mehr in Wort
Schrift zu erscheinen. Ihre Ehe mit ExF1-Pilot und TV-Kommentator Marc Surer
wurde 1993 nach achtjähriger Dauer geschieden, seit 1997 ist sie mit dem Schweizer Geschäftsmann Patrick Tavoli verheiratet. Die einstige Finalistin der «MissSchweiz»-Wahl hat sowohl unter ihre erste
Ehe als auch unter die zehn RennsportJahre einen Schlussstrich gezogen. «Ich bin
ein rundum glücklicher Mensch, habe einen
wunderbaren Ehemann und zwei ganz süsse
Kinder.»
Die Ex-BMW-Werkspilotin hat in ihrer
Glanzzeit auf der Piste gewiss keine
schlechte Figur gemacht. Nach Gastspielen
im Kart, in der Formel Ford und der Formel
3 stiess sie 1992 zur BMW-Tourenwagenmannschaft und konnte nach kurzer Eingewöhnung im 325i Coupé schon bald mit
einem M3 in der DTT um Podestplätze
kämpfen. So gewann sie 1993 auf der Avus
ihre Klasse über 2500 ccm, fuhr insgesamt
drei Mal auf Pole und holte sich weitere
Plätze im Vorderfeld. Parallel zu ihrem
Renn-Engagement war sie als Instruktorin
in das BMW-Fahrertraining eingebunden.
1996 steuerte diese Verbindung langsam,
aber sicher ihrem absehbaren Ende entgegen. Ihren persönlich wertvollsten Erfolg
und zugleich glanzvollen Schlusspunkt
erreichte sie mit Gesamtrang 4 bei den 24
Stunden in Spa. Partnerinnen im BMW M3
waren Florence Duez und Kathy Raffanelli.
Danach absolvierte sie unter ihrem
neuen Namen Tavoli noch einige Starts im
Renault-Spider-Eurocup, bevor sie mitten
in der Saison 1997 feststellte, dass
Nachwuchs unterwegs war. «Ab diesem
Zeitpunkt habe ich kein Rennauto mehr
angerührt, weil es für mich jetzt andere
Prioritäten gab.»
Heute bestimmen ihre Kinder Gregory (3)
und Morgan (2) sowie die Rückkehr in den
Beruf als Journalistin ihren Tagesablauf.
Während Gatte Patrick als Direktor die
«Multiplex-Kino GmbH» in Luzern leitet, arbeitet Yolanda als Gesellschafts-Reporterin
für ein Schweizer Blatt. «Aber ich möchte
auch anspruchsvolle Themen behandeln»,
verweist sie auf ihre Zukunftsplanung,
«deshalb würde ich sehr gerne ein Kinderbuch oder auch mal einen Roman
schreiben.»
Für ihre Hobbys Theater, Film und Fitness
findet sie auch noch Zeit. Dagegen ist alles
rund um den Rennsport Vergangenheit. «Er
hat mir viele schöne Jahre gegeben, aber
auch manche Enttäuschung beschert.
Jedenfalls bin ich ganz weit weg davon und
weiss gar nichts über die aktuelle Lage.»
Tavoli 1990: Stolze Werkspilotin
Tavoli heute: Stolze Mutter
Tavolis Highlight: Der Damen-M3 fuhr 1996 in Spa auf Gesamtrang 4
von Wendt, Karl (MSa 23/2001)
Sauerland-Baron
arl von Wendt lagen zwei Themen stets
K
ganz besonders am Herzen – der Motorsport und das Sauerland als seine Hei-
91
matregion. Von Schloss Gevelinghausen
aus plante und dirigierte der renn- und heimatverrückte Baron eine Fülle von
Aktivitäten: Der Rennstall mit Formel 3,
Sport- und Tourenwagen, das Rennstreckenprojekt Sauerlandring, die Sport- und
Freizeitanlage Fort Fun, das Schlosshotel
mit Skigebiet, Kutsch- und Planwagen,
Vorsitz und Führung des Fremdenverkehrsverbandes Sauerland, die Verpflichtungen
als Stadt- und Gemeinderat von Olsberg.
Trotz des Mammutprogramms nahm sich
der Gutsherr Zeit für die Rennerei. Er fuhr
von 1959 bis 1971 erfolgreich Kart, Rallye,
Tourenwagen, Formel 3, GT- und Sportwagen. Und er liess fahren – Stars der PSZunft kletterten in seine Autos: Jochen
Neerpasch pilotierte seinen F3-Lotus, Helmut Marko den 2-Liter-Lola in der Sportwagen-EM, Gerhard Mitter und Willi Kauhsen
die Porsche-Sportwagen. Der Freiherr persönlich chauffierte ’67 einen Porsche 911
zum Europa-Titel.
Doch dann wurden die Zeiten schlechter
für Karl Freiherr von Wendt und seine Unternehmungen. Das Projekt Sauerlandring
blieb im Gestrüpp der kommunalen Genehmigungsverfahren stecken, Fort Fun geriet
in finanzielle Schieflage, der Rennstall
musste aufgelöst werden. Dann wurden die
Banken nervös und erzwangen Zug um Zug
den Verkauf fast aller Besitztümer. Von
Wendt stand vor dem Nichts, verlassen von
allen, die sich zu besseren Zeiten um ihn
scharten. «Karl», ist aus seinem Umfeld zu
hören, «war viel zu gutmütig. Die meisten
haben ihn nur ausgenutzt.»
Frustriert verliess der Baron sein geliebtes Sauerland, wanderte vor 20 Jahren
nach Kanada aus und baute in der Provinz
Quebec eine neue Existenz auf. Heute arbeitet der knapp 64-Jährige als SoftwareSpezialist und gestaltet für seine Auftraggeber mehrsprachige Webseiten im Internet. Das Thema Motorsport ist für ihn beendet. Als einziger der alten Weggefährten hält Ex-Porsche-Pilot Willi Kauhsen
(mit dem er mit einem dritten Platz bei
der Targa Florio auch einen seiner grössten Erfolge feierte) noch Kontakt. «Willi
kommt mich öfter mal besuchen und erzählt, was sich so tut. Ansonsten habe ich
den Überblick in Sachen Racing verloren.»
Dafür ist der vom Leben arg gebeutelte
Adelsmann nach wie vor topfit, wiegt wie
zu besten Zeiten 70 kg und hat den Segelsport für sich entdeckt. «Ich träume
von einem 41-Fuss-Katamaran, mit dem
ich in die Karibik abdüsen würde.»
Ohne Sorgen: Von Wendt 1968
Heute: Neues Leben in Kanada
Goldene Zeiten: Von Wendt 1966 im Formel-3-Lotus in Mainz-Finthen
Warmbold, Achim (MSa 14/2001)
92
Der Quertreiber
chim Warmbold und seine traumhafte
A
Rallye-Karriere: Er hatte die besten Autos, die besten Teams, die besten Copiloten.
BMW, Renault, Opel, Toyota und Mazda
statteten ihn mit Top-Material aus. Beifahrer-Stars wie Jean Todt, John Davenport,
Christian Geistdörfer oder Henry Liddon
wiesen ihm den rechten Weg. So sammelte
der hagere Mann zwischen 1970 und 1985
auf nationalem und internationalem Parkett
gut 80 Gesamterfolge sowie unzählige
Klassen- und Gruppensiege. 1971 (mit Christoph Mehmel im BMW 2002) und ’80 (mit
dem heutigen DaimlerChrysler-Pressechef
Wolfgang Inhester im Toyota Celica) holte
er zweimal die Rallye-DM. Dreimal war er
Europameister.
Oft war er nur mit üblen Tricks zu stoppen.
Wie bei der österreichischen Alpenfahrt
1973, als der damalige Alpine-Rallyechef
Jacques Cheinisse auf einer Sonderprüfung
einen verschlossenen Pkw querstellte, um
die flotte Fahrt des Deutschen zu blockieren.
Der Sieg war dahin, Cheinisse wurde als
Übeltäter entlarvt, die FIA musste dem
BMW-Team Warmbold/Todt nachträglich
den Gewinn des WM-Laufs zusprechen.
Warmbold: «Die Zeit mit BMW und Jean Todt
war ein Traum, wir hatten ein wunderbares
Auto.» Dass Jochen Neerpasch den
Rallyebetrieb bei BMW Ende 1973 «ohne Not
einstellte, gehört allerdings zu meinen
grössten Enttäuschungen».
Für das schlimmste Erlebnis sorgte 1970
ein Betrunkener, der ihm in Ungarn frontal
ins Auto krachte. Es gab drei Tote, darunter
auch sein erster Copilot Rainer Strunz.
Warmbold kam mit einem Beckenbruch
davon und hat seither eine dauerhafte
Gehbehinderung. Mit Gattin Nicole und
Sohn Antony (22) lebt der 59-Jährige seit
vielen Jahren wechselweise in Spanien und
Monaco.
Der Rallyesport hat ihn bis heute nicht
losgelassen – dafür sorgt schon der Filius,
den er mit viel Engagement und Begeisterung zum Rallye-Profi ausbildet. «Antony
hat mehr Talent als ich, durfte schon mit 15
in den USA den Führerschein machen und
hat bereits fünf Rallyejahre als Beifahrer
hinter sich. Jetzt bereite ich ihn konsequent
auf die Profi-Laufbahn vor.»
Schon bei der RAC-Rallye 2000 startete
das Vater/Sohn-Team im Toyota Corolla
WRC, schied aber aus. Mit diesem Auto soll
Warmbold Junior 2001 Gas geben und bei
ausgesuchten Rallyes in ganz Europa den
Feinschliff bekommen. Das Fernziel ist die
komplette Rallye-WM in einem Werksteam.
«Ich bin ziemlich sicher», so der Papa, «dass
der Name Warmbold dem Rallyesport erhalten bleibt. Der Junge wird mal richtig gut.»
1971: Traumkarriere mit BMW
Noch immer fit: Warmbold 2000
Immer schön quer bleiben: Warmbold/Mehmel 1972 im BMW 2002
Weber, Georg (MSa 08/2001)
Der Unbeugsame
eorg «Joe» Weber galt in den gut 30
G
Jahren seiner Karriere als wilder Hund.
Freund und Feind begegneten ihm mit Res-
93
pekt, denn im Nahkampf war mit dem
Allgäuer nicht zu spassen. Seine etwa 300
Siege hat er von 1968 bis 1997 mit allem
geholt, was vier Räder hat – ausser Formelautos. Nachdem er im Abarth 850 TC und
NSU TTS die Gegner auf Flugplätzen und
am Berg in Angst und Schrecken versetzt
hatte, ging’s in den Markenpokalen der
70er-Jahre rund.
Weber verschaffte sich den Ruf des
gnadenlosen, trickreichen Fighters, der
mit den Rivalen bisweilen recht ruppig umsprang. 1976 gewann er mit einer
Rekordsiegesserie den Renault-5-Pokal,
anschliessend den deutschen Alfasud-Cup.
Beachtlich die Zahl der verschrotteten Autos, aber ernsthaft wehgetan hat er sich
nie. Überdies war er 16 Jahre lang Leiter
der ADAC-Rennfahrerschule, betreute die
Junioren bei Renault und trainierte
Testfahrer und Ingenieure der Auto- und
Reifenindustrie auf der Nürburgring-Nordschleife.
Seit dem 10. März 1998 jedoch ist im
Leben von Joe Weber (58) nichts mehr, wie
es mal war. Morgens um 6 kippte er beim
Joggen ohne Vorwarnung um, wurde erst
spät gefunden und entging nur knapp dem
Tod. Nach wochenlangem Kampf der Ärzte
begann der langsame Weg der Genesung
in kleinsten Schritten. Ein Schlaganfall,
ausgelöst durch einen Herz-Tumor, hat aus
dem Fitness-Fanatiker einen Pflegefall
gemacht. Sein Motto «Wer aufgibt, hat
verloren» lässt ihn mit bewundernswerter
Einstellung seinem Schicksal trotzen.
Gattin Liz pflegt den teilweise gelähmten
Joe mit liebevoller Hingabe, animiert und
begleitet ihn zu den täglichen RehaÜbungen.
Sein Zustand ist inzwischen stabil, die
wichtigsten Hirnfunktionen und das
Erinnerungsvermögen sind zurück, er kann
fast normal sprechen und freut sich über
jeden Besuch oder Anruf in seinem Haus
in Börwang bei Kempten. «Anfangs», so
seine Frau, «haben sich viele erkundigt,
jetzt ist es sehr ruhig geworden.» Liz, seit
23 Jahren mit ihrem Joe verheiratet, ist
in dieser harten Zeit mehr als nur die Frau
an seiner Seite: Als einfühlsame Motivationskünstlerin geht sie mit ihm den
langen, beschwerlichen Weg zurück in ein
neues Leben.
Was sie seit jenem unheilvollen Tag psychisch und physisch leistet, sprengt jede
Vorstellungskraft, wie Joe am besten
weiss: «Ohne sie könnt’ ich mir gleich die
Kugel geben.»
Weber: Schon ’74 ein Kämpfer …
… und nun im Rollstuhl erst recht
Joe Weber 1970: Im Fiat Abarth gelangen ihm so manche Berg-Siege
Weber, Gerhard (MSa 04/2001)
94
Herr der Reifen
erhard Weber galt 30 Jahre lang als der
G
grosse Guru der Renn- und Rallye-Reifenkunde. Als Chef des deutschen DunlopRenndienstes in Hanau war er von 1965
bis 1994 für die Topstars Anlaufstelle und
Ratgeber. Kaum ein Werksteam, kaum ein
Spitzenpilot, der nicht irgendwann in Webers Amtszeit Partner des Unternehmens
gewesen wäre. Selbst Formel-1-Grössen
wie Jackie Stewart, das Matra- und TyrrellTeam, die Porsche-Werksmannschaft, die
Tourenwagen-Rennställe von Ford, BMW
oder Mercedes sowie unzählige Privatiers
gehörten zu seiner Kundschaft. Vor allem
am wetterlaunischen Nürburgring war der
Rat des erfahrenen Dunlop-Strategen oft
die halbe Miete zum Sieg.
Zu Webers persönlichen Highlights zählen die vielen Le-Mans-Siege mit Porsche,
der erste DRM-Titel 1972 mit Hans Stuck
im Capri RS, und natürlich die Erfolge bei
der Rallye Monte Carlo. Dort war Dunlop
in den 60er- und 70er-Jahren auf Gesamtsiege abonniert. Noch heute schwärmen
Fotografen und Journalisten von der einmaligen Atmosphäre am Dunlop-Servicepunkt «Saint Sauvers» in den Seealpen.
Seit 1994 ist Gerhard Weber, heute 67,
in Pension und pflegt sein Hobby, die Jagd.
Im Revier seines Heimatstädtchens Bruchköbel bei Hanau hat der leidenschaftliche
Waidmann Rehe, Füchse und Wildsauen im
Visier. Oft begleitet von alten Weggefährten wie dem Ex-Rennfahrer Günther Besier,
sind Jagdvergnügen und Streifzüge durch
die Natur für Weber jetzt die wahre
Erfüllung. Hin und wieder ist er auch Gast
bei Klaus Ludwig in dessen Jagdrevier in
der Nähe des Nürburgrings. Gesundheitlich
gehts ihm «alles in allem ganz gut, wenngleich eine Runderneuerung auch nicht
übel wäre». Zusammen mit Ehefrau Helga,
mit der er seit 1973 verheiratet ist, unternimmt er gerne ausgedehnte Radtouren
oder Reisen nach England und Schottland.
«Ich habe keine Sekunde Langeweile, aber
die Kisten mit Fotos aus den letzten 30
Jahren sind immer noch nicht sortiert.»
Regelmässig pflegt Weber Kontakte zum
Rennsport. Mit dem ehemaligen CarreraPiloten und Bergspezialisten Michel Weber
aus dem benachbarten Offenbach und mit
Ex-ONS-Geschäftsführer Siggi von Kahlen
verbinden ihn langjährige Freundschaften.
Bei seiner alten Dunlop-Truppe in Hanau
schaut er ab und an mal auf einen Kaffee
rein. Besondere Freude empfindet Weber
darüber, «dass Dunlop nun auch wieder im
Spitzensport als Alleinausrüster der neuen
DTM präsent ist». Überhaupt die DTM 2000:
«Endlich wieder richtige Renntourenwagen, da lohnt sich das Zusehen wieder.»
Weber 1968: Ein Mann für Rat und Tat
Weber heute: Jagden mit Klaus Ludwig
Weber, Michel (MSa 06/2001)
Der Gebirgsjäger
ichel Weber und die wilden 60er-Jahre
M
am Berg. Todesmutig erklomm der
Offenbacher mit seinen stets rot lackierten
95
Porsche die berühmtesten Bergkurse
Europas. Ohne Netz und doppelten Boden,
null Sicherheit, und schon gar keine
Leitplanken. Ob Schauinsland, Eberbach,
Ratisbona, Sudelfeld oder Wallberg, ob
Trento, Sestrieres oder Mont Ventoux – der
Porsche-Pilot hat jeden dieser Riesen
mindestens einmal mit einem Siegerkranz
verlassen. Allerdings ging’s dabei auch oft
genug ausserplanmässig abwärts: entweder die Böschung runter, oder eben im
freien Flug durchs Unterholz mit Endstation Baum.
Bis auf einen Alfa-Abstecher blieb der
Hesse seiner Hausmarke Porsche während
seiner ganzen Karriere treu. Super 90,
Carrera 1600 und 904 GTS waren seine bevorzugten Berg-Autos. Das Resultat konnte sich wahrlich sehen lassen: Deutscher
Bergmeister 1963, dazu je zweimal
Vizemeister in Berg-EM und -DM. Energisch
trat Weber der Vermutung entgegen, er sei
nur am Berg schnell. Mit einem Porsche
917 gewann er vor dem Schweden Joakim
Bonnier am Norisring, in Le Mans fuhr er
zusammen mit seinem alten Berg-Spezi
Reinhold Joest im Langheck-908 auf den
dritten Rang.
Nach zehn Jahren endete 1971 Webers
Rennfahrerkarriere auch deshalb, weil die
Bandscheibe nicht mehr mitspielte. Die
folgende Operation war ebenso erfolgreich
wie der Aufbau eines Autohauses. Heute
ist der fast 63-Jährige etablierter FerrariHändler in Offenbach und seit 1997 zum
dritten Mal verheiratet. Sohn «Wolli» (38,
benannt nach Webers früherem Wollladen)
hat das Textilgeschäft übernommen, die
32-jährige Tochter ist AutomobilKauffrau. Vor fünf Jahren hat Weber das
Rauchen aufgegeben – mit dem Resultat,
«dass ich jetzt 105 Kilo wiege, vorher
waren’s nur 80». Per TV informiert er sich
von der DTM aufwärts über alles, was über
den Äther geht. Auch persönlich lässt sich
Weber noch gelegentlich an der Rennstrecke sehen, vorzugsweise in Hockenheim. Überdies ist er Veranstalter von
Sportfahrer-Lehrgängen für die geschätzte
Ferrari-Kundschaft.
Mit ehemaligen Kumpels wie Pfuhl,
Schütz, von Kahlen oder Ex-Dunlop-Rennchef Weber hält er regelmässig Kontakt –
soweit dem mittlerweile dreifachen Opa
zwischen Geschäft, Reisen, Skilaufen und
Angeln Zeit bleibt. Wünsche für die
Zukunft? «Abnehmen, gesund bleiben und
so oft wie möglich mein Lieblingsland
Italien besuchen.»
1971: Strahlender Sportsmann
2000: Strahlender Geschäftsmann
Nicht nur am Berg schnell: Weber/Joest im Langheck-908 in Le Mans
Wehner, Hans (MSa 29/2001)
96
Der VW-Pionier
ans Wehner kann für sich in Anspruch
H
nehmen, dass sein Gesamtsieg bei der
Tour d’Europe 1960 das Volkswagen-Werk in
Wolfsburg inspirierte, erstmals einen Motorsport-Erfolg werblich zu nutzen. Das war
damals, gelinde gesagt, eine kleine Sensation. So erschienen in den auflagenstärksten Illustrierten ganzseitige Anzeigen über
das gelungene Husarenstück, welches der
Wiesbadener VW-Pilot und sein Co Horst
Wilhelm mit einem 34-PS-«Export» zuwege
gebracht hatten. Nicht nur die 12 000 Tourd’Europe-Kilometer hielt der nahezu serienmässige Käfer klaglos durch, auch andere
Klassiker wie Spa–Sofia–Lüttich oder LyonCharbonnières bewältigte der blaue VW mit
den amtlichen Kennzeichen WI-HW 65 klaglos in vorderster Front.
Dass Finanz-Inspektor Wehner mit dem
erprobten Rallye-Gefährt wochentags im
strammen Drift quer durch die Landeshauptstadt seine Dienststelle ansteuerte, sei nur
am Rande erwähnt. Neben und nach der VWKäfer-Ära prügelte er während seiner aktiven Zeit (1958–73) NSU-Prinzen, Simca und
Alfa über Rallyes, Berge und Rundstrecken.
Nahtlos auch der Übergang ins MotorsportManagement: Sportleiter des ADAC Hessen,
Rennleiter in Kassel-Calden, Hockenheim
und bei Motorboot-Events sowie Fahrtleiter
bei der Hessen-Rallye.
Der schnelle Steueramtsrat lebt zusammen mit seiner zweiten Frau Barbara nach
wie vor in Wiesbaden und betätigt sich seit
seiner Pensionierung vor 16 Jahren als
gewiefter Steuerberater für heikle Problemfälle aus dem Automobilsportbereich. So erstritt der 76-jährige Experte für Finanzrecht
im Jahre 1998 ein bedeutsames Grundsatzurteil
beim
Bundesfinanzhof
zur
Anerkennung der Gemeinnützigkeit des
Motorsports.
In einem weiteren Verfahren kämpft er
gerade um die steuerliche Abzugsfähigkeit
der sportbedingten Kosten von Veranstaltern und Rennfahrern. Die erste Runde hat
er bereits gewonnen, auch hier wird es wohl
auf ein letztinstanzliches Urteil des BFH
hinauslaufen. Seine beiden Söhne (54 und
46 Jahre alt) sind ebenfalls Steuerberater
mit jeweils eigener Kanzlei.
Dem Motorsport ist Wehner nach wie vor
als Sportkommissar verbunden, gerne pflegt
er nach wie vor die Kontakte zu alten Weggefährten aus dem Rennsport, und sein Fahrstil, so verlautet aus seinem näheren Umfeld, ist noch immer «furchterregend». Als
einzigen Luxus gönnt er sich zweimal Urlaub
pro Jahr, «im Winter auf den Kanaren und
im Sommer in den Vereinigten Staaten von
Amerika». Ansonsten ist VW-Pionier Wehner
«gesund, munter und guter Dinge».
Harter Gegner: Wehner 1966
Harter Gegner: Anwalt Wehner 2001
Dann halt ohne Frontscheibe: Wehner 1963 bei Lüttich–Sofia–Lüttich
Weiss, Heiner (MSa 45/2001)
Schneller Präsident
einer Weiss dürfte wirtschaftspolitisch
H
gesehen der wohl ranghöchste deutsche Hobby-Rennfahrer gewesen sein, der
97
sich hinters Lenkrad schneller GT- und
Tourenwagen geklemmt und dabei auch
reichlich Erfolg eingefahren hat.
Der Vorstands-Vorsitzende des Düsseldorfer Maschinenbau-Konzern SMS AG (ca.
10 000 Mitarbeiter) startete seine Motorsportlaufbahn im Jahr 1984 im fortgeschrittenen Alter von 42 Jahren mit
einem Porsche 924 T. Damals war er bereits Vorsitzender des Wirtschaftsrats der
CDU und Präsident im Arbeitskreis China
des Asien-Pazifik-Wirtschaftsausschusses.
Zwei Jahre nach seinem Rennsporteinstieg gelang Weiss mit zehn Siegen aus
zwölf Läufen in einem privat eingesetzten
Mercedes 190E 2.3 16V der Gewinn der
ONS-Rundstrecken-Trophäe. Der erste
Rundstrecken-Titel eines Mercedes-Piloten in Deutschland seit Mitte der 60erJahre erfreute vor allem den damaligen
Mercedes-Chef Werner Niefer. Der nahm
den Erfolg zum Anlass, das 1987 noch
halboffizielle Mercedes-DTM-Engagement
zu forcieren und Weiss für ein drittes Auto
im Team von Dr. Marko zu empfehlen.
Im Jahr darauf sass Weiss bei AMG sogar
in einem reinrassigen Werksauto. Danach
wechselte der Industrie-Manager, inzwi-
schen auch BDI-Präsident und Aufsichtsrat
in diversen Grossunternehmen, in den
Langstrecken-Pokal zum Ford-Team von
Walter Wolf, bevor er «schweren Herzens»
wegen beruflicher Inanspruchnahme nach
der Saison 1995 den rennsportlichen
Schlussstrich zog.
Auf flotte Fortbewegung musste der
Wirtschaftskapitän trotzdem nicht verzichten – eine Citation-Düse und ein BellLongranger-Helikopter sorgen täglich für
neue Herausforderungen. Denn beide
Fluggeräte steuert der mit den wichtigsten
Pilotenlizenzen ausgestattete Vielflieger
auf seinen Europa-Reisen nach wie vor persönlich. Überhaupt ist das Fliegen für ihn
zu einem ebenso dauerhaften Hobby
geworden wie der Rennsport oder seine
heissgeliebten Havanna-Zigarren, deren
Rauchschwaden ihn seit dem 19. Lebensjahr begleiten.
Privat lebt Heiner Weiss (59) mit seiner
zweiten Frau Susan und Sohn Georg (10)
am Rande von Düsseldorf und verfolgt die
grossen Rennsport-Ereignisse am TV. «Und
als MSa-Leser bleibt man sowieso auf der
Höhe des Geschehens.» Eines Tages, wenn
der Terminkalender es zulässt, möchte er
sich einen lang gehegten Wunsch erfüllen:
«Die Mille Miglia in einem historischen
Sportwagen mitfahren.»
1987: DTM-Pilot Heiner Weiss
2001: Nur Fliegen ist schöner
Im Serien-Mercedes 190E zum Titelgewinn: Weiss ’86 in Mainz-Finthen