Dezember 2010 als pdf herunterladen

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Kislew/Tewet 5771
Erscheinungsort Wien
Verlagspostamt 1010 P.b.b
GZ 03Z034854 W
DVR 0112305
€ 2.-
GEMEINDE
Die
Nr. 683 Dezember 2010
OFFIZIELLES ORGAN DER ISRAELITISCHEN KULTUSGEMEINDE WIEN
magazin
INHALT
AUS DEM BÜRO
DES PRÄSIDENTEN
WISSENSCHAFT
Fortschritte
32
Jahresbilanz
3
Veranstaltungen Präsidium
6
JÜDISCHE WELT
IKG-Budget
7
Alpen-donau.info: Man muss
es zum Thema machen!
14
ALEXIA WEISS
Da geht es um ein Tabu
EHRI
Touro College Berlin
Dieter Graumann - neuer
Präsident des Zentralrats
Panorama
Kissingers problematische
Aussage
ULRICH W. SAHM
Beschnittene Leibgarde
Globale Demonstration
für Gilad Shalit
KULTUR
Diskussionsthema
„Jüdisches Filmfestival“
8
POLITIK
INLAND
Vor 25 Jahren: Blutiger Anschlag
am Wiener Flughafen
13
15
Werbung für Iran-Handel auf
Wirtschaftskammer-Seminar 16
MARTA S. HALPERT
Paul Lendvai: „Sie wollen mich
mundtot machen“
18
ANTISEMITISMUS
Internet-LettlandMalediven-Polen
ISRAEL
Flüchtlinge Recht auf Rückkehr
&
20
ANITA POLLAK
Es hätte so sein können
ANITA POLLAK
„Mein Herz ist eine große
blutende Wunde“
PETER WEINBERGER
Überall & Nirgendwo
34
36
37
37
38
41
NEUE
NEUE M
MODE
ODE E
EINBLICKE
INBLICKE
41
42
44
45
Kohlmarkt 11, 1010 Wien
Wallnerstraße 3, 1010 Wien
Schmiedgasse 12, 8010 Graz
Hauptplatz 3, 8010 Graz
JUDENTUM
RABB. SCHLOMO HOFMEISTER
Bräuche & Traditionen
46
21
SHAI FRANKLIN
Ein Jude am Tisch der Araber 24
A.B. YEHOSHUA
Zionismus ist keine Ideologie 25
Titelbild:
Start der Schisaison
am Berg Hermon
(15. Dezember 2010)
© Doron Horowitz/FLASH90
Die Diffamierungskampagne
gegen Israel
26
HTTP://VIENNA.MFA.GOV.IL
WIRTSCHAFT
REINHARD ENGEL
Rentnergang in der Abwehr
28
Einwanderung
30
Täglich aktualisiert!
Tourismus-Rekord
30
www. ikg-wien.at
Zusammenarbeit
israelischer Unternehmen
mit Palästinensern
news & events & kalender
Das Jüdische Echo
Europäisches Forum
für Kultur und Politik
Vol. 59, 2010/2011
184 Seiten, Broschur
ISBN 978-3-85439-451-8
Euro 14,50
Erhältlich im
Buchhandel oder unter
www.faltershop.at
31
PLENARSITZUNGEN 2011
Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Y-net, israelnetz
(inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.; © Wikimedia Commons
Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: Israelitische Kultusgemeinde Wien.
Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, politischen
und organisatorischen Belangen. Stärkung des demokratischen
Bewusstseins in der österreichischen Bevölkerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.
Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail [email protected]
Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 Wien
Alle signierten Artikel geben die persönliche Meinung des Autors wieder, die sich nicht immer mit der
Meinung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte übernehmen
Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in der Redaktion
einlangen, müssen zur Veröffentlichung gelangen.
GEMEINDE
2
Mittwoch, 12. Januar
• Donnerstag, 17. Februar
Dienstag, 08. März
• Dienstag, 05. April
Donnerstag, 05. Mai
• Montag, 06. Juni
Donnerstag, 30. Juni
• Dienstag, 02. August
Dienstag, 20. September
• Donnerstag,06. Oktober
Donnerstag, 03. November • Donnerstag, 01. Dezember
Donnerstag, 12. Januar 2012
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN
Sehr geehrte Gemeindemitglieder,
Berichte aus der Kultusgemeinde sprechen oft von Problemen, Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen. Ich möchte Sie heute darüber informiere wie viel positives in den letzten
Monaten und Jahren erledigt werden konnte, wobei es mir ein persönliches Anliegen ist,
von den Projekten zu berichten, die mich in letzter Zeit arbeitsmäßig aber auch verantwortungsmäßig besonders belastet haben.
IKG CAMPUS
Seit Jahrzehnten habe ich mich bemüht eine Restitution für die Hakoah durchzusetzen
und nach 25 Jahren Kampf ist es im Januar 2001 in den Washingtoner Verhandlungen
gelungen, diesen einen Punkt zu erledigen. Es hat dann immerhin bis Februar 2008 gedauert bis die Hakoah auf Teilen des ehemaligen Hakoah Platzes ihr neues Sport- und
Freizeitzentrum eröffnen konnte. Es würde zu weit führen alle Probleme, die in diesen
acht Jahren seit dem Washingtoner Abkommen, aufzuzählen. Heute erkennen mehr
und mehr Gemeindemitglieder, dass wir über ein wunderschönes Freizeitzentrum verfügen und ich hoffe, dass in den nächsten Jahren die Zahl der jüdischen Hakoah-Mitglieder weiter wächst, das Zentrum wirklich zu einem Platz der Begegnung der jüdischen Gemeinde wird.
Die Zwi Perez Chajes Schule und das Maimonides Zentrum neben der Hakoah anzusiedeln war nicht meine Idee. Ossi Deutsch in Sachen Schule, Patrizia Kahane und Dr.
David Vyssoki in Sachen Pflegeheim haben mich sehr schnell überzeugt. Hätte ich damals
gewusst wie sehr man mich mit der Umsetzung dieser Idee nachher allein lassen würde,
hätte ich wohl anders entschieden. So kam es aber, dass ich nicht nur für die Projektentwicklung (Ausschreibung, Vergabe und laufende Kontrolle des Projektmanagement)
zuständig war, musste ich auch noch das notwendige Geld aufbringen und zwischen den
sehr verschiedenen Interessen (Schule, Hakoah, Pflegeheim, Wohnheim, Sicherheit,
Kashrut und IKG) koordinieren – letztlich gab es nicht einen Bauherrn, sondern mindestens vier und es galt all diese Interessen unter einen Hut zu bringen.
Dann kam die Wirtschaftskriese, die Spenden blieben aus, die Baukosten explodierten
und ich hatte große Sorge das Bauprojekt nicht ausfinanzieren zu können. Heute kann
ich Ihnen berichten, es ist geschafft! Sämtliche Teile des Campus sind zeitgerecht fertig
gestellt worden. Sämtliche Kosten sind abgerechnet, es wird keinerlei Kostenüberschreitungen geben. Im Gegenteil, es bleiben € 400.000,- (Spenden) übrig, die für weitere Einrichtungen der Schule verwendet werden können (siehe Kasten).
SCHLUSSABRECHNUNG IKG CAMPUS
1. Geldaufbringung für Schule und Hakoah
10.000.000,00
Subventionen des Bundes und der Stadt Wien
8.200.000,00
Bund und Stadt Wien für Hakoah (Restitution)
1.200.000,00
Entfernung des Bauschutt im Untergrund durch die Stadt Wien
5.000.000,00
IKG, hauptsächlich aus dem Verkauf der Castellezg.
2.600.000,00
Spenden
27.000.000,00
gesamt
2. Gesamtkosten
26.600.000,00
400.000,00
Schlussabrechnung
Überschuss, der für die Einrichtung der Schule verwendet wird!
3. Geldaufbringung für Maimonides Zentrum, Seniorenresidenz und Wohnheim Wehlisstraße
9.275.000,00
Subventionen des Bundes und der Stadt Wien
16.000.000,00
Zinzenloses Darlehen der Stadt Wien
13.000.000,00
gefördertes Darlehen der Stadt Wien
3.025.000,00
Spenden (Witwen u. Waisenverein und Private), Erbschaft
14.400.000,00
Hypothekardarlehen
900.000,00
IKG (Überschuss aus dem Verkauf Bauernfeldgasse)
56.600.000,00
gesamt
4. Kosten
Schlussabrechnung € 56.600.000,00, somit volle Kostendeckung
5. Grundstücke
Die Grundstücke wurden um € 710.000,00 (Hakoah und Schule) und Euro 8.500.00,00 (Maimonides Zentrum) gekauft. Die Geldaufbringung erfolgte durch den Verkauf der Bauernfeldgasse.
6. Gesamtkosten
€ 92.488.000,00
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
3
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN
Eine weitere Schwierigkeit war nun die Übersiedlung und Besiedelung des Objektes,
vor allem das Pflege- und Wohnheim und die Seniorenresidenz. Hatten wir noch in den
ersten Monaten Leerstände, ist jetzt das Pflegeheim voll ausgelastet, es gibt sogar eine
längere Warteliste. Auch die 111 Wohnheim-Wohnungen sind zur Gänze vermietet, lediglich drei von 37 Seniorenresidenzwohnungen sind noch frei. Durch diesen Erfolg der
MZ Führung (Mag. Mißbichler und seinem Team) und Dank der Unterstützung des Fonds
Soziales Wien wird das Maimonides Zentrum bereits 2010 ohne Defizit bilanzieren!
Nunmehr verhandeln wir für 2011, unternehmen alles damit auch im 1. vollen Betriebsjahr
diese Erfolge weitergeführt werden können: Ein voller IKG Campus der keine finanziellen Defizite macht. Es erfüllt mich mit großer Freude (und ein bisschen Stolz) diese Zeilen schreiben zu können und es ist mir eine große Erleichterung, dass das ganze Projekt
jetzt positiv abgeschlossen werden konnte.
JÜDISCHE FRIEDHÖFE IN ÖSTERREICH
Ich werde immer wieder gefragt warum ich, der keine Wiener Vergangenheit über Generationen hat, mich derart für die Sanierung und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe
einsetze. Ich denke, dass neben der religiösen Verpflichtung, diese Friedhöfe der letzte
Rest unserer österreichischen jüdischen Geschichte sind. Es waren diese Menschen, die
die IKG gegründet und ihr das heutiges Vermögen zurück gelassen haben. Ihre Nachkommen wurden verjagt, vertrieben und ermordet.
Ich sehe es als moralische Verpflichtung der IKG heute dieses kulturhistorische Erbe der
Nachwelt zu erhalten, die Gräber jener zu restaurieren, deren Nachkommen es heute
nicht mehr können, weil sie in Ausschwitz umgekommen sind. Die jüdischen Friedhöfe
und die Hakoah waren die einzigen zwei Punkte die ich in den Restitutionsabkommen
in Washingston durchsetzen konnte. Es dauerte dann noch 10 Jahre, aber jetzt haben
wir es geschafft!
Die Republik Österreich trägt € 20 Mio in 20 Jahren bei. Die österreichischen Gemeinden unterschreiben langsam aber stetig die Pflegevereinbarungen und nächstes Jahr beginnen die ersten Arbeiten am Währinger Friedhof, in Kobersdorf, Klosterneuburg,
Eisenstadt, Lackenbach, Stockerau, Waidhofen/Thaya und Graz (sofern die Geldaufbringung und die restlichen Pflegevereinbarungen zustande kommen).
Jedenfalls ist es ein wunderbares Gefühl nach 20 Jahren Kampf und Streit auch dieses
Projekt zu realisieren und im kommenden Jahr mit dem Wiener Bürgermeister und der
Vizebürgermeisterin den Grundstein für die Sanierung des Währinger Friedhofes setzen
zu können. Es wird 20 Jahre dauern bis alle 61 Friedhöfe saniert sind, aber der Anfang
ist gemacht, die Verträge sind ausgehandelt und die Arbeiten haben begonnen.
ZWI PEREZ CHAJES SCHULE
Wenn ich mich ganz besonders heftig in der IKG ärgere, setze ich mich ins Auto und fahre
in den Kindergarten der Zwi Perez Chajes Schule. Für mich ist es die größte Befriedigung
und Auszeichnung unseren Kindern zuzuschauen, denen wir die Möglichkeit geben in
einem jüdischen Umfeld, in einem wunderschönen Gebäude mit prachtvollen Garten und
Außenanlagen aufzuwachsen und hier vom Kleinkindesalter an jenes jüdische Wissen
vermittelt zu bekommen, das wir (die Großeltern) uns mühsam selbst aneignen mussten.
Es freut mich ganz besonders, dass seit der Übersiedelung in die Simon Wiesental Gasse
sich in der ZPC so viel zum Besseren gewandelt hat, sich die Disziplin stark gebessert
hat und die Qualität und Breite des jüdischen Unterrichts massiv zugenommen haben.
IKG BUDGET
Die Verhandlungen waren wie jedes Jahr schwierig, aber wieder einmal ist es uns gelungen auch für 2011 ein ausgeglichenes IKG-Budget zu beschließen. Dies ist das 9. IKGBudget in Folge, dass kein Defizit aufweist und mit Ausnahme von 2009 konnten alle
Budgets der IKG eingehalten werden. Viele Wünsche konnten leider nicht berücksichtigt werden. Geld ist immer knapp, aber unsere Beschlüsse im Vorstand sind entweder
4
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN
einstimmig und von einer sehr großen Mehrheit getragen. Niemand ist 100% zufrieden,
aber niemand wird ausgeschlossen. 2010 war aber auch das Jahr indem die IKG Hoheit
und alle ausgegliederten Institutionen (MZ, ESRA, JBBZ, ZPC-Schule, WVG us.) Schuldenfreiheit erklären konnten. Gleichzeitig wurde das Investitionsbudegt der IKG bestätigt (€ 88 Mio. investiert in Immobilien der Kultusgemeinde, bestehend aus dem
Maimonides Zentrum, den Wohnheimen, dem Mercure Hotel, dem Palais am Schottenring usw.). Diese Investitionen werden sich durch die verbundenen Einnahmen innerhalb der nächsten 35 Jahre selbst zurückzahlen und stellen somit eine wichtige
Erweiterung des Vermögens der Kultusgemeinde dar (siehe Tabelle Seite 7).
ÖFFENTLICHKEITS- UND KULTURARBEIT DES PRÄSIDIUMS
Neben der wichtigen und bewährten Kulturarbeit der Kulturkommission wird es im
nächsten Jahr ein zusätzliches Programm geben, dass vom Präsidium und dem Generalsekretariat der Kultusgemeinde organisiert wird. Wir hoffen damit zusätzliche Menschen
in der Kultusgemeinde anzusprechen und das Angebot zu erweitern (siehe Seite 6).
Jedenfalls feue ich mich das Jahr 2010 mit der durchaus positiven Nachricht beeenden
zu können.
Herzlichst
Ihr Dr. Ariel Muzicant
Spendena
u
fruf
Liebe Gemeindemitglieder,
die furchtbare Feuerkatastrophe in Haifa
vor einigen Wochen hat 44 Menschen
das Leben gekostet.
Häuser, Wohnung und tausende Bäume
sind verbrannt.
Bis jetzt haben unserem Spendenaufruf
nur wenige Gemeindemitglieder Folge geleistet.
©Abir Sultan/FLASH90
Gebt Euch bitte einen Ruck und spendet.
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IKG-Spendenkonto - "Großbrand Israel"
Bank Austria: 51607 051 607, BLZ: 12000
IBAN: AT75 1200 0516 0705 1607 BIC: BKAUATWW
Israelitische Kultusgemeinde - Großbrand Israel
5
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN
VERANSTALTUNGEN DES PRÄSIDIUMS DER IKG 2011
Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen hat die Kultusgemeinde-Führung (Präsidium) die Initiative ergriffen,
das traditionelle und besonders beliebte Kulturprogramm der IKG in den Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit zu erweitern und zu ergänzen. Ich freue mich Ihnen im Nachfolgenden die Programmpunkte für 2011 mitteilen zu können, ohne das jetzt schon jeder Termin
und jede Veranstaltung fixiert ist. Im Wesentlichen handelt es sich um die Veranstaltungsreihen „Kulturpanel“ und „Challenges“:
DAS KULTURPANEL DER ISRAELITISCHEN
KULTUSGEMEINDE WIEN 2011
BUCHPRÄSENTATION
Termin: Februar (evtl. März) 2011
Hannah Arendt und Gershom Sholem: „Der Briefwechsel“.
Hrsg. von Marie Luise Knott unter Mitarbeit von David Heredia. Jüdischer Verlag
im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2010.
In Kooperation mit dem Suhrkamp Verlag und dem Wiener Wiesenthal Institut
für Holocaust-Studien (VWI).
Unter Mitwirkung von: Marie Luise Knott, Herausgeberin, Univ. Prof.
Dr. Georg Graf, Universität Salzburg, Vorstandvorsitzender des Wiener
Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien (VWI)
Lesung: Kirsten Dene, Schauspielerin Burgtheater
Hermann Beil, Chefdramaturg Berliner Ensemble
Termin: März/April 2011
„Der Fortschritt des Erinnerns“
KULTUR
Schnitzler-Zyklus anlässlich des 80. Todestages von Arthur Schnitzler,
in Kooperation mit dem Theatermuseum:
Termin: Ende Februar 2011
Buchpräsentation „Schnitzler’s hidden manuscripts“ von Dr. Lorenzo
Bellettini mit anschließender Diskussion.
“Handeln Sie bitte unverzüglich!“ Der an den Bibliothekar der Universität Cambridge adressierte Brief, der diese dringende Aufforderung enthält, kam aus
einem fernen Land, hatte einen bis dahin dem Bibliothekar unbekannten Verfasser und brachte eine eigenartige Bitte vor. Es hieß ferner: „Cambridge wird
stolz sein können, ihn vor dem Vergessen gerettet zu haben.“ Das war der Anfang
der abenteuerlichen Rettung eines der wichtigsten literarischen Nachlässe
Europas – durch einen Studenten, eine Witwe auf der Flucht nach Amerika,
einen Bibliothekar und einen Diplomaten.
Die Rede ist vom Privatarchiv Arthur Schnitzlers, zu dessen intensiven und
nicht immer einfachen Bekanntschaften Sigmund Freud (der ihn in einem Brief
seinen „Doppelgänger“ nannte), Theodor Herzl, Hugo von Hofmannsthal,
Felix Salten, Stefan Zweig oder Thomas und Heinrich Mann zählten. Dass
Schnitzlers umfassender Nachlass – 40.000 Seiten an Tagebüchern, Werkmanuskripten und Briefen, die einen Querschnitt bieten durch eine der faszinierendsten und dramatischsten Epochen unserer Geschichte – heute noch
existiert, ist fast ein Wunder.
Ihnen, die „unverzüglich“ zu handeln wussten, verdanken wir, dass uns der
imposante Nachlass Arthur Schnitzlers in seinem ganzen Reichtum erhalten
geblieben ist: als ein außerordentlicher Schatz, als das Denkmal eines Schriftstellers, einer Epoche und der Literatur – sowie des Muts seiner Retter.
Ort: Theatermuseum, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien
Termin: Mitte März 2011
Lesung: „Arthur Schnitzler und das Judentum“
Burgtheaterschauspieler lesen aus den Tagebüchern von Arthur
Schnitzler, sowie aus Briefen von und an Arthur Schnitzler. Auswahl:
Dr. Lorenzo Belletini
Ort: Theatermuseum, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien
Termin: April 2011
Filmvorführung: „Professor Bernhardi“, Literaturverfilmung nach Arthur
Schnitzler, mit anschließendem Gespräch.
Ort: Metrokino
Termin: April/Mai 2011
Kulturtalk anlässlich der Neuinszenierung von Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ im Burgtheater.
Premiere: April 2011
Mitwirkende: Diverse Anfragen. Evtl. auch in Kooperation mit dem
Burgtheater.
6
Uraufführung: 18. November 1912 in Berlin, Ort und Zeit: Wien um
1900. Themen: Antisemitismus, individuelle Ethik, modernes Gesundheitswesen.Besonderheiten dieses Stücks: Bis 1920 in Österreich
„wegen der tendenziösen und entstellenden Schilderung hierzuländischer
öffentlicher Verhältnisse“ verboten
Ort: noch festzulegen
Angefragter Termin: 11. April 2011
„Und Birken gibt es hier auch nicht“
Szenisch-musikalische Collage
Barbara Schnitzler, Michael Abramovich, Klavier
Barbara Schnitzler, Schauspielerin des Deutschen Theaters Berlin hat in Zusammenarbeit mit dem israelischen Pianisten Michael Abramovich eine Auswahl
von Texten aus dem Essayband „Im Schnellzug nach Haifa“ von Gabriele Tergit
zu einer szenisch-musikalischen Collage mit dem Titel „Und Birken gibt es
hier auch nicht“ zusammengestellt. Ihre mitreißende Interpretation verbunden
mit einer Auswahl von selten gehörter Klaviermusik des zwanzigsten Jahrhunderts verleiht den brillant formulierten Beobachtungen der einstigen Berliner
Gerichtsreporterin im Palästina der 30er Jahre eine zusätzliche Dimension.
DISKUSSION
Zu folgenden Themen sind Diskussionen geplant:
„Treueschwur - der israelische Entwurf“,
„Integration, Abschiebung“,
„Religion und moderne Gesellschaft“
„Wie rechts ist Österreich“
„Karikaturenstreit und Meinungsfreiheit“
Termin: Februar 2011
„Meinungsfreiheit zwischen demokratischen Grundsätzen und Tyrannei der Bedrohung“. Diskussionsrunde zum Thema „Meinungsfreiheit, Medienfreiheit, …“ – siehe Karikaturenstreit.
Mitwirkende: Diverse Anfragen
Ort: Gemeindezentrum der IKG Wien
Zurzeit werden Terminabstimmungen koordiniert. Weitere Programme
sind im Entstehen.
VERANSTALTUNGSREIHE “CHALLENGES”
Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist es über jene Herausforderungen, denen
sich heute die jüdische Welt und Israel stellen müssen, zu informieren und
diskutieren. Im Rahmen von Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Buchpräsentationen und Filmvorführungen sollen vor allem Themen angesprochen und
Sichtweisen erörtert werden, die in der öffentlichen Diskussion meistens zu
kurz zu kommen.
Derzeit ist für 2011 folgendes geplant (viele Termine stehen noch nicht fest):
Januar 2010 - Buchpräsentation mit Arye Sharuz Shalicar „Ein nasser
Hund ist besser als ein trockener Jude. Die Geschichte eines Deutsch-Iraners,
der Israeli wurde” (dtv, 2010)
2. Februar 2011- Prof. Paul Lendvai: “Die Rechte Gefahr in Ungarn”
Februar 2011 - Widening the gap? Europe’s relationship with Israel
17. Februar 2011 - The Islamist threat. Vortrag mit Daniel Pipes (Middle
East Forum)
22. März 2011 - „Islamophobie” als politischer Kampfbegriff. Vorträge
und Diskussion mit Heribert Schiedel (DÖW), Prof. Dr. Samuel Salzborn
(Institut für Politikwissenschaft der Universität Giessen, Autor von “Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne”) und Efgani Dönmesz
(Grüner Bundesrat)
Anfang April 2011 - Podiumsdiskussion: Ein neuer Krieg im Nahen Osten?
Mai 2011 - Filmvorführung und anschließend Diskussion: Delegitimierungskampagnen gegen Israel und der neue Antisemitismus
Juni 2011 - Israel’s struggle in the international community
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN
IKG-Budget 2011
„Das Aufstellen eines Budgets ist die Kunst,
Enttäuschungen gleichmäßig zu verteilen.“
Maurice Stans (1908-1998), amerik. Handelsminister
Budgets bergen immer Enttäuschungen in sich: Das „eigene“ Budget ist immer zu gering und Sparpotentiale gibt
es immer bei den „Anderen“.
Warum sollte das in der Kultusgemeinde anders sein?
Gerade deshalb ist es notwendig das Budget im Dialog mit
den Budgetverantwortlichen zu erstellen und möglichst
viele einzubinden. So entsteht das Budget in intensiver Zusammenarbeit mit den budgetverantwortlichen Abteilungsleitern, dem Controlling, den Generalsekretären, der Finanzkommission und dem Präsidium. Erst wenn es diesen Weg
mehrfach durchlaufen hat und auch die statutarisch festgelegten Bedingungen eines ausgeglichenen Budgets erfüllt
sind, wird es dem Kultusrat zur Debatte und zum Beschluss
vorgelegt.
Fakt ist, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird ein Budget
zu erstellen. Eine prosperierende und wachsende Kultusgemeinde hat stets mehr Aufgaben zu erfüllen, mehr Projekte
abzuwickeln und mehr Service für die Gemeindemitglieder
zu leisten. All das kostet Geld und auch wenn die Inflationsrate der letzten Jahre eher nieder war, steigen zusätzlich
auch noch die Fixkosten. Leider steigen die Einnahmen
nicht in gleichem Ausmaß, das noch zusätzlich verstärkt
durch die Wirtschaftskrise, die wir, trotz zuletzt wieder positiverer Prognosen, noch nicht gänzlich hinter uns haben.
Wenn 60 Prozent der Einnahmen der IKG aus dem Immobiliensektor kommen, muss der Fokus der Ertragssteigerung
natürlich dort liegen. Eine Steigerung der Einnahmen in diesem Sektor ist aber ohne entsprechende Investitionen nicht
möglich. Dieser Weg und diese Politik müssen 2011 und auch
in den Folgejahren fortgesetzt werden, um die Verpflichtungen der IKG in den Bereichen Kultus, Bildung und Erziehung und - gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten für soziale Zwecke, ausreichend nachkommen zu können.
Das Budget spiegelt letztendlich die Vielfalt der IKG wieder
und es liegt zuletzt an jedem einzelnen Mitglied mittels
Spende Schwerpunkte zu verlagern und z.B. im sozialen
Bereich mehr zu tun.
Eine Kurzfassung des IKG-Budgets 2011 ist in nebenstehender Tabelle dargestellt.
Dazu kommen noch die ausgelagerten Institutionen ESRA
(psychosozialer Dienst der IKG – Budgetvolumen etwa
3,5Mio€), Maimonideszentrum (Eltern- und Pflegeheim –
Budgetvolumen etwa 13 Mio €), ZPC-Schule (Budgetvolumen etwa 2,5 Mio €), sowie die ausgelagerten Bereiche der
Immobilienverwaltung WVG und REV (Budgetvolumen
etwa 6 Mio €). Insgesamt hat die IKG mit all ihren ausgelagerten Institutionen etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein Jahresbudget von fast 37 Mio €.
KV Judith Adler (Vorsitzende der Finanzkommission)
Mag. Friedrich Herzog (Generalsekretär)
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
i.Tsd. Euro
Ergebnis
2009
Budget
2010
KULTUS
Summe Einnahmen
226,7
256,8
Summe Aufwand
-879,6
-730,7
Subventionen an rel. Vereine
-750,5
-778,7
Bereichserfolg
-1.403,4
-1.252,6
BESTATTUNG + FRIEDHOF
Summe Einnahmen
735,7
749,1
Summe Aufwand
-865,1
-705,3
Bereichserfolg
-129,4
43,8
SOZIALES
Summe Einnahmen
131,2
114,7
Summe Aufwand
-241,9
-289,4
Stipendiem
-430,4
-496,6
Zuschuss ESRA
-90,0
-90,0
Bereichserfolg
-631,1
-761,3
SCHULEN + JUGEND + SPORT
Summe Einnahmen
0,0
6,0
Summe Aufwand
-73,6
-91,0
Subventionen an Vereine
-1.072,5 -1.074,0
Bereichserfolg
-1.146,1
-1.159,0
KULTUR
Summe Einnahmen
64,0
70,0
Summe Aufwand
-271,9
-150,8
Subventionen an Vereine
-3,0
-3,0
Bereichserfolg
-210,9
-83,8
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
2009
Summe Einnahmen
im
0,0
Summe Aufwand
Kultur
-56,5
Bereichserfolg
Budget
-56,5
„DIE GEMEINDE“ + HOMEPAGE
Summe Einnahmen
173,1
200,8
Summe Aufwand
-464,1
-477,2
Bereichserfolg
-291,0
-276,4
MITGLIEDERSERVICE
Summe Einnahmen
259,2
323,0
Summe Aufwand
-200,8
-216,1
Bereichserfolg
58,4
106,9
IMMOBILIENVERW. + IMMOBILIENENTWICKLUNG
Summe Einnahmen
6.400,0
6.749,8
Summe Aufwand
-4.114,1
-4.293,8
Bereichserfolg
2.285,9
2.456,0
GENERALSEKRETARIAT
Summe Einnahmen
689,8
714,2
Summe Aufwand
-976,9
-801,9
Zinsenaufwand
-63,8
-85,0
Bereichserfolg
-350,9
-172,7
GRUPPENVERWALTUNG
Summe Einnahmen
261,3
280,0
Summe Aufwand
-708,1
-747,6
Bereichserfolg
-446,8
-467,6
RESTITUTION
2009
Summe Einnahmen
Budget
729,6
Summe Aufwand
noch
-445,2
Bereichserfolg
ausgegliedert
284,4
ARCHIV
2009
Summe Einnahmen
Budget
20,0
Summe Aufwand
noch
-183,5
Bereichserfolg
ausgegliedert
-163,5
ORGANISATIONSABTEILUNG
Summe Einnahmen
704,
2 723,
Summe Aufwand
-2.023,4
-2.132,3
Bereichserfolg
-1.319,2 -1.409,2
FUNDRAISING
Summe Einnahmen
219,3
350,0
Summe Aufwand
-137,0
-140,8
Bereichserfolg
82,3
209,2
ZUSAMMENFASSUNG:
Summe Einnahmen
9.864,5
Summe Ausgaben
-11.386,9
hievon Abschreibungen
-2.730,4
Summe Zinsen
-63,8
Summe Einnahmen - Ausgaben
-1.586,2
Summe Subventionen an Vereine -1.916,0
CASH - FLOW
-771,8
11.287,1
-11.958,7
-2.703,9
-85,0
-756,6
-1.945,7
1,6
Vorschau
2010
Budget
2011
246,9
-707,9
-821,9
-1.283,0
286,8
-776,6
-784,9
-1.274,7
717,7
-670,1
47,6
754,8
-685,6
69,2
114,4
-272,9
-473,2
-90,0
-721,7
114,7
-289,3
-496,6
-90,0
-761,2
1,7
-74,0
-1.072,0
-1.144,3
2,0
-123,3
-1.074,0
-1.195,3
62,1
-97,5
-3,0
-38,3
63,0
-108,5
-3,0
-48,5
0,0
-44,5
-44,5
0,0
-88,5
-88,5
108,9
-458,4
-349,5
215,5
-475,7
-260,2
306,0
-209,6
96,3
326,4
-210,3
116,1
6.729,9
-4.353,6
2.376,3
7.083,1
-4.656,3
2.426,8
782,3
-850,3
-72,6
-140,6
724,4
-785,2
-85,0
-145,8
342,8
-746,7
-403,8
306,9
-760,8
-453,9
653,8
-390,0
263,8
690,0
-414,2
275,8
0,0
-166,8
-166,8
100,0
-279,2
-179,2
1 854,7
-2.050,1
-1.195,4
876,5
-2.185,7
-1.309,2
195,4
-156,4
39,0
275,0
-128,8
146,2
11.116,6
-11.722,0
-2.705,9
-72,6
-678,0
-1.987,0
40,9
11.819,1
-12.464,4
-2.689,6
-85,0
-730,3
-1.951,9
7,4
7
DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL
Sehr geehrte Gemeindemitglieder,
Jedes Gemeindemitglied hat Anspruch auf Toleranz und Respekt (auch) gegenüber seinen
(religiösen) Gefühlen!
Die Israelitische Kultusgemeinde hat vor Jahren entschieden, nicht als Mitveranstalter des
„Jüdischen Filmfestivals“ aufzutreten und dieses nicht zu bewerben. Der Hintergrund
hierfür ist, dass der Veranstalter Frédéric-Gérard Kaczek, die Kultusgemeinde in den vergangenen Jahren mehrmals „hineingelegt“ hat (uns wurde z.B. eine Filmliste übergeben
und dann wurden zusätzliche andere, für uns inakzeptable, Filme gezeigt) und dieses Jahr
sind wieder Filme angesetzt, die eine jüdische Religionsgesellschaft, einfach nicht mit veranstalten oder mit bewerben will. Herr Kaczek versucht nun aus diesem Umstand durch
mediale Angriffe vermehrt Publikum zu gewinnen. Dazu die Stellungnahme des IKG Generalsekretärs Mag. Raimund Fastenbauer im „Profil“: „Ebenso wie es den Festivalmachern
frei steht, jene Filme zu zeigen, die sie für richtig halten, steht es der Kultusgemeinde frei, diese in
ihren Medien nicht zu bewerben. Man sollte diese Veranstaltung übrigens nicht Jüdisches Filmfest,
sondern Israelisches Filmfestival nennen; wir als Religionsgemeinschaft müssen Rücksicht nehmen
auf die religiösen Empfindungen unserer Mitglieder. Und Filme, die schon im Titel den Begriff
,Fuck’ tragen oder sich über die Beschneidung lustig machen, wollten und konnten wir nicht bewerben. Dagegen sprachen sich unsere Rabbiner aus. Mir persönlich fiel das schwer, denn ich lasse
mich ungern in die Rolle eines Zensors drängen. Zumal es heuer, anders als in den Vorjahren, kaum
politisch problematische Filme im Programm gibt.“ „Es gibt für das Filmfestival, was die Kultusgemeinde betrifft, nur zwei Wege: Entweder Herr Kaczek spricht die Filme vorher mit uns ab, dann
sind wir bereit, ihn dementsprechend zu unterstützen – oder er tut das eben nicht. Wir sind kein
jüdischer Kegelverein, sondern eine Religionsgemeinschaft. Im Wiener Pfarrblatt werden Sie auch
keinen Beitrag finden, der sich über die Taufe lustig macht.“
Dies nehmen Doron Rabinovici und Ruth Beckermann zum Anlass eine Unterschriftenund Protestaktion zu initiieren (siehe Seite 9). Die IKG weist diesen Protest zurück weil:
- Mag. Fastenbauer im „Profil“ keine Aussagen betreffend „Arbeiten schwuler und lesbischer israelischer Filmemacher“ getätigt hat. Es ist falsch, dies in seine Aussagen hineinzuinterpretieren.
- Die IKG einen Film mit dem Titel „F.... different Tel Aviv” und einen Film, der sich kritisch mit der Brit Mila auseinandersetzt, weder bewerben noch mit veranstalten kann.
(Seit Jahren gibt es in einigen europäischen Ländern, z.B. Schweden, Bestrebungen Beschneidungen zu verbieten.)
Eine jüdische Einheitsgemeinde besteht nur dann, wenn jeder die Gefühle des anderen respektiert; dazu gehören auch die religiösen Gefühle. Handlungen, mit welchen diese Gefühle
verletzt werden, dürfen von einer verantwortlichen Führung der IKG nicht gesetzt werden.
(Ich verweigere auch z.B. Interviews und offizielle Einladungen am Schabbat).
Diese Position hat nichts mit Fundamentalismus zu tun, sondern ist genau jene Toleranz
und jener Respekt, den die Unterschreiber dieser Protestnote vermissen lassen. (Ihre Position ist bei vielen genau jener antireligiöse Fundamentalismus, der jene auf den Plan
ruft, die verlangen, die IKG sollte gegen solche Filme protestieren…)
Es steht der Organisation des Filmfestivals frei, diesen und andere Filme zu zeigen und die
Kultusgemeinde will weder zensierend einzuschreiten noch sich mit den einzelnen Filmen
auseinandersetzen. Die IKG will schlicht und einfach mit dem Jüdischen Filmfestival nichts
zu tun haben (wobei es irrelevant ist, wie sich dieses Festival nennt) aber niemand hat das
Recht von der Kultusgemeinde zu verlangen, diese Filme zu bewerben.
Judentum ist mehr als eine Religion, aber ohne Religion gäbe es kein Judentum. Daher ist
der Respekt der Religion (und der religiösen Gefühle) ein wesentlicher Bestandteil einer
verantwortungsvollen IKG-Politik.
Die IKG bedauert diesen (unnötigen) Streit und lädt alle Beteiligten am
Montag, 17. Januar, um 19.30 Uhr
zu einer Diskussion ins Gemeindezentrum ein.
P.S.: In den letzten 12 Jahren wurde die Kultur-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit der
IKG neu gestaltet (siehe Ankündigung für 2011 auf Seite 6). Die Zielgruppe dieser Veranstaltungen sind genau jene, die in der Kultusgemeinde mehr sehen als eine reine Religionsgesellschaft.
8
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL
DER PROFIL-ARTIKEL
profil“ Nr. 47/10 vom 22.11.2010/Seite: 110 - Ressort: Kultur
Von: Stefan Grissemann
„Entmündigung der Gemeinde“
Debatte. Verletzt Wiens Jüdisches Filmfestival religiöse
Gefühle? Die Kultusgemeinde verweigert den Organisatoren der Schau erneut ihre Mithilfe, Israels Botschaft
legte sich nur irrtümlich quer.
Die Querelen haben inzwischen fast schon Tradition.
Rund um das Jüdische Filmfestival in Wien entflammt
alle paar Jahre ein Streit, der für Außenstehende nicht
ganz leicht nachzuvollziehen ist. Es geht darin nämlich
in der Regel um nichts anderes als ein paar Filme - und
um die Frage, ob diese der jüdischen Gemeinschaft
dieser Stadt zuzumuten sind. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hat die Antwort für dieses Jahr bereits
gefunden: In einem E-Mail an die Organisatoren der
Filmschau schrieb IKG-Generalsekretär Raimund Fastenbauer vor ein paar Wochen, dass er „leider darauf
hinweisen“ müsse, dass mehrere der für 2010 geplanten
Filme „geeignet“ seien, „die religiösen Gefühle von Gemeindemitgliedern zu verletzen“. Daher sei es der Kultusgemeinde unmöglich, „hinsichtlich der Aussendung
des Katalogs hilfreich zu sein“, im Übrigen wolle die IKG
auch offiziell nicht zu den „Unterstützern“ des Festivals gehören.
Erst auf Nachfrage gab Fastenbauer wenige Tage später bekannt, welche Werke er für derart inakzeptabel
halte: Die Dokumentarfilme „Fucking Different Tel
Aviv“ und „Brit“, beide im Programm des diesjährigen
Filmfests, seien „beispielhaft genannt“ - Ersterer „hinsichtlich Titel und gezeigter Szenen“. Zum besseren Verständnis: „Fucking Different Tel Aviv“ befasst sich in
einer Serie von kurzenArbeiten schwuler und lesbischer FilmemacherInnen mit der Homosexuellenszene
in Tel Aviv - die Programmmacher der Berlinale nannten die Arbeit 2009 „geistreich, schlau und ausgesprochen sexy“.
Die israelische Regisseurin Nurit Jacobs Yinon dagegen setzt sich in „Brit“ mit der Brit Mila, dem Brauch
der Beschneidung, auseinander.
Monika und Frédéric Kaczek, die langjährigen Leiter
des Jüdischen Filmfestivals, verstehen die Erregung
nicht. Die Filme, die sie zeigten, seien alles andere als
aufrührerische Werke und gingen im internationalen
Festivalbetrieb überall sonst völlig problemlos über die
Bühne. Ein „Mindestmaß an Kooperation“ seitens der
Kultusgemeinde zu erwarten sei doch für ein Jüdisches Filmfestival nicht zu viel verlangt. Aber die IKG
habe „sogar verboten, dass wir auf unsere Filmschau mit
einem bezahlten Inserat in der Gemeindezeitung hinweisen“, erklärt Frédéric
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Kaczek. Das komme
einer „Entmündigung
der Gemeindemitglieder“ gleich.
Zensor. „Ebenso wie es
den Festivalmachern
freisteht, jene Filme zu
zeigen, die sie für richtig halten, steht es der
Kultusgemeinde frei,
diese in ihren Medien nicht zu bewerben“, kontert Fastenbauer gegenüber profil. „Man sollte diese Veranstaltung
übrigens nicht Jüdisches, sondern Israelisches Filmfestival
nennen; wir als Religionsgemeinschaft müssen Rücksicht
nehmen auf die religiösen Empfindungen unserer Mitglieder. Und Filme, die schon im Titel den Begriff, Fuck‘ tragen
oder sich über die Beschneidung lustig machen, wollten und
konnten wir nicht bewerben. Dagegen sprachen sich unsere
Rabbiner aus. Mir persönlich fiel das schwer, denn ich lasse
mich ungern in die Rolle eines Zensors drängen.“
Ob er die von ihm inkriminierten Filme gesehen habe,
beantwortet Fastenbauer ausweichend: „Diese Filme
sind doch bekannt, sie wurden in Israel ja schon gezeigt.“
Es gebe für das Filmfestival, was die Kultusgemeinde
betrifft, „nur zwei Wege: Entweder Herr Kaczek spricht die
Filme vorher mit uns ab, dann sind wir bereit, ihn zu unterstützen – oder er tut das eben nicht. Wir sind kein jüdischer
Kegelverein, sondern eine Religionsgemeinschaft. Im Wiener
Pfarrblatt werden Sie auch keinen Beitrag finden, der sich
über die Taufe lustig macht.
Auch die israelische Botschaft in Wien schien mit dem
Filmfest heuer nicht zu sympathisieren: Eine Reihe
von Filmen, die ein Verleih in Jerusalem zur Festivalpräsentation über das israelische Außenamt unlängst
an die Botschaft in Wien senden wollte, wurde ohne
Absprache mit Monika und Frédéric Kaczek vom Außenamt auf Geheiß der hiesigen Botschaft abgewiesen.
Offizielle Begründung aus Wien: Man habe eine frühere Anweisung, das Filmfest nicht zu unterstützen.
„Das war ein Fehler“, räumt Israels Botschafter Aviv
Shir-On auf profil-Nachfrage ein, denn es habe „in der
Vergangenheit Probleme mit dem Programm des Festivals
gegeben“. Aber mittlerweile sei „alles wieder in Ordnung“, man arbeite gern mit dem Festival zusammen,
die früheren Differenzen zwischen Veranstaltern und
Botschaften seien ausgeräumt. Dass gerade heuer aber
die IKG wieder auf Distanz zum Jüdischen Filmfest
geht, tangiert den Botschafter nicht: „Wir vertreten den
Staat Israel, und dieser Staat hat mit dem diesjährigen Programm kein Problem. Wir entscheiden nicht über religiöse
Angelegenheiten.“
9
DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL
LIBERALITÄT ist NICHT PROVOKATIVE
ZWANGSBEGLÜCKUNG
bleiben einer positiven Antwort entstand „Aufregung“
und „Kulturkampf“.
LIBERALITÄT ist die BEREITSCHAFT ANDERE
ÜBERZEUGUNGEN zu respektieren
Die Stellungnahme im „Profil“ bezog sich auf den Umstand,
dass ich Bedenken wiedergab hinsichtlich eines Filmes,
dessen Tendenz bereits aus der „Four letter“-Wortwahl im
Titel hervorging und in anderen Fällen religiöse Überzeugungen eines nicht unbeträchtlichen Teiles der Gemeinde
verletzt wurden. Es ging nicht um Zensur, sondern um Unterstützung bzw. Werbung seitens der IKG.
Es geht bei der Diskussion über Filme des Jüdischen Filmfestivals nicht um die erwünschte Nicht/Darstellung oder
Qualifizierung sexueller Minderheiten, aus meinem im „Profil“ verkürzt wiedergegebenen, aber grundsätzlich richtig
zitierten Worten, ist dies nicht zu entnehmen.
Zu dieser Thematik habe ich mich übrigens auf einer Veranstaltung am „Tel-Aviv Beach“ vor längerer Zeit klar geäußert.
Es geht aber in der Tat um Intoleranz und Einseitigkeit. Wir
alle sind in einer oder der anderen Art Minderheit bzw.
Minderheit in einer Minderheit. Daher sollte uns die Notwendigkeit von wechselseitigem Respekt besonders bewusst
sein.
Seit Jahren gibt es Auseinandersetzungen zwischen den
Veranstaltern und der IKG. Jahrelang wurden neben künstlerisch hervorragende Filmen von Shoah- oder Widerstandshintergrund politische Filme antizionistischer bzw.
postzionistischer Tendenz aus Israel oder überhaupt gleich
Filme arabischer Filmemacher gezeigt. Das Problem war
dabei für die IKG nicht, dass politisch kritische israelische
Filme gezeigt wurden, sie sind Teil der israelischen Realität,
sondern, dass zum Nahostkonflikt NUR solche Filme des
palästinensischen Narratives gezeigt wurden.
Mehrmals wurde zugesagt und nicht gehalten, die IKG in
die Filmauswahl einzubeziehen, bzw. die IKG blauäugig
aufgefordert, eben andere Filme zu nennen und zugesagt,
sich um solche zu bemühen. In der Praxis waren solche
„nicht aufzutreiben“ oder nicht „in der nötigen Qualität
verfügbar“.
Ich stehe daher zu meiner Aussage „Ebenso wie es den Festivalmachern frei steht jene Filme zu zeigen, steht es der Kultusgemeinde frei, sie in ihren Medien nicht zu bewerben“. Das
gebietet die Achtung vor religiösen Überzeugungen einer
nicht unbeträchtlichen Anzahl von Mitgliedern, die andere
Wertvorstellungen haben als die Betreiber des Filmfestivals.
Der Hinweis auf die unsolidarische Einstellung zur israelischen Gesellschaft erfüllt mich ob der Aktionen der IKG
zur Solidarität mit Israel in Zeiten der Selbstmordanschläge, des Kassambeschusses, des entführten Soldaten
Shalit und der atomaren Bedrohung durch des Holocaustleugnerregime in Teheran mit Verwunderung. Allerdings
hätten wir uns dabei über die Teilnahme aller Schichten der
Gemeinde gefreut.
Trotzdem, wenn die Aufregung dazu führt, die Diskussionskultur in der Gemeinde zu fördern, kann daraus auch
Positives entstehen. Die Agitation auf persönlicher Ebene
und den Versuch mich als Sachwalter der Interessen nur
eines bestimmten Spektrums der Gemeinde darzustellen,
ist verletzend und muss zurückgewiesen werden. Respekt
muss wechselseitig sein.
Mit freundlichen Grüßen und Gratulation zur gelungenen
Provokation!
Offenbar aber war es nötig, heuer wieder in die Märtyrerrolle zu schlüpfen.
Zwei Filme wurden an das Rabbinat gesandt mit der provokativen Frage „ob sie koscher seien“. Nach dem Aus-
Mag.Raimund
Fastenbauer
Generalsekretär d. Bundesverbandes der Isr. Kultusgemeinden
Als Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde bin ich betrübt darüber, dass der Streit um die „Jüdische
Filmwoche“ ein übertriebenes Ausmaß angenommen hat und viel zu scharf, vielleicht sogar gehässig, geführt
wird.
Ich ersuche daher alle Seiten, sich zu mäßigen und möglicherweise im kleinen Rahmen einen Kompromiss zustande zu bringen, bevor eine geplante öffentliche Diskussion noch mehr Staub aufwirbelt.
Wir haben ausreichend Feinde von außen, sodass wir innerhalb der Gemeinde bei Meinungsverschiedenheiten,
die natürlich legitim sind, friedlicher agieren sollten.
Zur Sache selbst möchte ich folgenden Vorschlag machen, der für die nächste Filmwoche und andere künstlerische Veranstaltungen gelten könnte: Kunst und Künstler dürfen und sollen sogar provozieren (z.B. Nitsch, Jelinek, ....). Die Aufgabe der Israelitischen Kultusgemeinde als Einheitsgemeinde ist es hingegen, einen ausgewogenen Standpunkt zu vertreten, um eine gemeinsame Plattform für ihre Gemeindemitglieder zu sein.
Wie immer das Problem für dieses Jahr gelöst wird, sollte man für die Zukunft friedlich beschließen, dass die
IKG keine Filme der Filmwoche beurteilt oder verurteilt. Sie soll auch nicht bemängeln, dass manche der Filme
am Schabbat gezeigt werden. Diese Haltung ist dann möglich, wenn die IKG nicht Mitveranstalter ist.
Oberabbiner Prof. Paul Chaim Eisenberg
10
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde
An den Generalsekretär der jüdischen Gemeinde, als religiöser Jude,
als orthodoxer Jude tritt man oft heran die jüdische Seite bei interreligiösen Dialogen, Trialogen und ähnlichen Dingen zu vertreten,
das gewünschte Endergebnis ist dabei von den Veranstaltern meistens schon vorweg vorbereitet.
„Wenn religiösen Menschen ihre jeweilige Religion wirklich ernst
nehmen, dann würden sie auch den anderen und Minderheiten respektieren, alles wäre in Ordnung und alle würden sich vertragen“
Stimmt das so?
Jede Form von Religionskritik ist natürlich bei solchen Veranstaltungen nicht geplant. Ich habe es von jüdischer Seite leicht, an theologischen Gesprächen sind wir grundsätzlich nicht interessiert haben
aber ein reines Gewissen. Wieso kann ich es mir leicht machen zwischen Judentum und den anderen beiden Offenbarungsreligionen
Christentum und Islam gibt es in der Tat einen wesentlichen Unterschied der uns erst vor Monaten vom gegenwärtigen Papst mit
der Wiedereinführung des Karfreitaggebetes um die Bekehrung der
Juden bewusst gemacht wurde. Trotz aller freundlichen Worte, in
letzter Konsequenz nimmt man für die eigene Religion in Anspruch
in Besitz der absoluten Wahrheit und zwingt diese Wahrheit angeblich im Interesse der Betroffenen Nichtgläu- bigen auf, daher die
Notwendigkeit der Missionierung und des Zwanges, gemildert
durch Aufklärung, Liberalismus und Profanisierung westlicher Gesellschaften. Im Islam ist der Wunsch nach Herrschaft der muslemischen Umma, einer weltumfassenden Gesellschaft basierend auf
islamischen Werten noch klarer. Es wird nach Djihhad gerufen und
täglich sterben auch Dutzende Muslime im Bruderkrieg.
Im Judentum gibt es das Prinzip der noachidischen Gebote. Da alle
Menschen auf einen Ursprung zurückgeführt werden, haben alle
jene Nichtjuden die gewisse zwischenmenschliche natürliche Regeln
einhalten wie Verbot von Mord, Diebstahl etc. den selben Anspruch
auf Heil und göttliche Belohnung wie die Juden, die aber zusätzlich
die ihnen in der Torah gegebenen Gebote einhalten sollen. Daher
wird jede Missionierung, schon erst recht die zwangsweise abgelehnt, weil eben widersinnig. Also da haben wir einen guten Trackrekord. Aber mit Recht? Bei uns scheint das Problem eher nicht in
den Außenbeziehungen sondern in den Innenbeziehungen zu liegen,
möchte ich selbstkritisch sagen, wo es vielleicht noch ein Manko
gibt.
Ein gescheiter Freund, ein Psychoanalytiker, sagte mir einmal, infolge des manifesten AS, der Juden oft zur Zurückhaltung und Anpassung nach außen zwingt, lenken sie Aggressivität nach Innen
im Umgang mit jüdischen Minderheiten. Gehen wir einmal von der
naheliegenden Hypothese aus, dass das terroristische Verbrechen in
Tel Aviv einen homophoben Hintergrund hat.
Ich hoffe nicht, dass es von einer Person aus strengreligiösen Milieu
begangen wurde. Dann ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es israelischer Konsens ist, diese Tat wie das Oberrabbinat des Staates
Israel als unverzeihliches Verbrechen zu bezeichnen und auf das
Schärfste zu verurteilten. Ohne zu relativieren aber um die Dimensionen zurechtzurücken sei darauf hingewiesen, dass während wir
an der Tel Aviv Beach wie auch vielen Orten Israels eine Gedächtniskundgebung abhalten, in unmittelbarer Nähe Israels Homosexuelle
hingerichtet werden und an der Beach Gazas und in Beiruth die Religionspolizei regiert.
Was sagen unsere heiligen Schriften, schon sie setzen sich mit Intoleranz kritisch auseinander. Bereits im babylonischen Talmud, Shabbat Traktat 31a findet sich eine interessante Stelle die diese
Auseinandersetzung zwischen Fundamentalisten und Humanisten
zeigt: Ein Nichtjude trat vor den Rabbiner Shammai und sprach,
lass mich Jude werden und erkläre mir kurz während ich auf einem
Bein stehe, die wichtigsten Inhalte. Er stieß ihn weg. Er kam zum Rabbiner Hillel, dieser machte ihm zum Juden und sagte: Das Wesentliche ist, was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht.
Das ist die ganze Tora und alles andere ist nur weitere Erklärung.
Und im Mid-rasch wird hinzugefügt: Weil die zehn Gebote hier enthalten sind…unter Hinweis auf Lev 19,17-18 „Du sollst deinen
Bruder nicht hassen in deinem Herzen, dass du nicht seinetwegen
Sünde trägst…
Oder wie es heißt in Bereschit: Gott schuf den Menschen in der
Ähnlichkeit Gottes schuf er ihn. Im Talmud Sanhedrin wird gefolgert: Jeder der eine Seele tötet, wie die unserer Schwester Liz Trubeschi und und unseres Bruders Nir Katz möchte ich ergänzen, tötet
eine ganze Welt, wer eine Seele rettet, der gelte als einer der die ganze
Welt gerettet hat. Dies sollte das Gemeinsame auch bei unterschiedlichen Moralvorstellungen sein, die jeweils vom Andersdenkenden zu
akzeptieren sind. Dies hindert niemand daran, dem anderen als Bruder und Schwester mit offenen Armen und Herzen zu begegnen.
Die Israelitische Kultusgemeinde Wien schließt sich der Verurteilung des israelischen Oberrabbinats an, jede Form des Angriffes,
der Verletzung und gar der Ermordung eines Menschen widerspricht allen Prinzipien und Werten aller Teile der jüdischen Gemeinde und erste recht der jüdischen Orthodoxie.
Rede von GS Fastembauer
bei einer Veranstaltung am „Tel-Aviv Beach“
LESERBRIEF
Um einige Fehlinformationen, die in den letzten Tagen kursieren, richtigzustellen: In der Protestnote von 200 Mitgliedern
geht es um das Recht, in der „Gemeinde“ über die Vielfalt jüdischer Kultur informiert zu werden. Nicht wahr ist, der
Protest fordere, die IKG möge die Jüdische Filmwoche mitveranstalten. Und es sind nicht nur laizistische, sondern auch
viele religiöse Mitglieder, die nicht verstehen, weshalb eine bezahlte Ankündigung der Jüdischen Filmwoche, in der die
Filme nicht einmal genannt worden wären, abgelehnt wurde. Ein Streifen, dessen Name ins Deutsche übersetzt lediglich
„Verdammt anderes Tel Aviv“ heißt, sei laut ‘profil’ keineswegs allein seines Titels wegen abgelehnt worden, sondern soll,
wie Generalsekretär Fastenbauer gegenüber den Veranstaltern der Filmwoche erklärt habe, auch hinsichtlich „gezeigter
Szenen“ inakzeptabel gewesen sein. Unbegreifbar ist ebenso manchen Gläubigen, warum „Brit“, die Dokumentation einer
religiösen Filmemacherin, unannehmbar schien. Betreten macht uns, wenn die Unterzeichnenden, die eine sachliche Kritik vorzubringen versuchen, pauschal verdächtigt werden, fundamentalistisch antireligiös oder Feinde Israels zu sein.
Die Protestnote unterstellt indes Generalsekretär Raimund Fastenbauer persönlich nicht eine homophobe Gesinnung,
sondern beklagt ein intolerantes Vorgehen gegenüber Kunst und ein Ausblenden homosexueller Artikulation. Letztlich
ist die Protestnote ein Appell gegen Zensur und ein Zeichen für eine lebendige, demokratische und moderne jüdische Gemeinde.
Doron Rabinovici
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
11
DISKUSSIONSTHEMA JÜDISCHES FILMFESTIVAL
Als Mitglieder der IKG protestieren wir aufs Schärfste gegen die Aussagen des Generalsekretärs Raimund Fastenbauer, der im „profil“ (47, 22.11.’10) und namens der Kultusgemeinde erklärte, einzelne
Filme des jüdischen Filmfestivals – wie etwa Arbeiten schwuler und lesbischer israelischer FilmemacherInnen – seien für die jüdische Gemeinde in Wien inakzeptabel.
Wir distanzieren uns von der intoleranten Haltung gegenüber homosexuellen Frauen und Männern
sowie gegenüber Filmschaffenden und KünstlerInnen, welche sich sozialen Themen der israelischen
Gesellschaft widmen.
Grundsätzlich ist es nicht Sache der Gemeindevertretung, sich zum fundamentalistischen Hüter „religiöser Gefühle“ aufzuschwingen. Sie hat ganz im Gegenteil die in ihrer religiösen Verankerung ganz
unterschiedlichen Mitglieder zu vertreten und über Veranstaltungen zu informieren.
In diesem Zusammenhang erinnern wir den Vorstand der IKG daran, dass Judentum nicht allein eine
Religion ist. Wir sind entsetzt über ein Vorgehen, das die jüdische Gemeinde spaltet, und über den
Vorschlag, das jüdische Festival in „israelisches Festival“ umzubenennen. Erstaunt sind wir weiters
über die unsolidarische Einstellung zur israelischen Gesellschaft, zu ihrer Kultur und zu ihrer Vielfalt.
Ruth Beckermann • Evelyn Klein • Doron Rabinovici • Helene Maimann • Gretchen Simms • Elisabeth
Jupiter • Anna Weber • Dorith Salvarani-Drill • Catherine Schmidt • Clarissa Naomi Lassar • Samy
Teicher • Anette Feyer • Elisabeth Brainin • Ruth Maier • Michaela Maier, • Alexander Maier • John
Bunzl • Jacob Lassar • Herbert Tillinger • Sonja Tillinger-Deutsch • Vera Korab • Anna WexbergKubesch • Bettina Jordan • Amos Schueller • Sarita Schueller • Tania Schueller • Liane Segall • Robert
Schindel • Deborah Gzesh • Eva Rotter • Liora Eger • Peter Stastny • Nora Sternfeld • Verena Krausneker • Julie Klein • Nancy Amendt-Lyon • Walter Klein • Dalia Frey • Raphael Sternfeld • Anna Blau •
Isolde Charim • Charlotte Sternberg • Daniel Seller • Erika Wantoch • Susanne Scholl • Daniela Bankier
• Ernesto Gelles • Erwin N. Schneider • Mirjam Del Monte • Sophie Lillie • Sharon Nuni • Katinka
Nowotny • Eric Frey • Marta S. Halpert • Livia Getreider • Caroline Shklarek • Alon Shklarek • Mirjam
Frommer • Patricia Kahane • Barbara Jehudit Michel • Eleonore Lappin-Eppel • Denise Lassar • Herbert
Feldner-Busztin • Konstanze Thau • Nurit Schaller • Daniel Gallner • Hanna Lessing • Rolanda Obermair-Cherbes • Romina Walloch-Zohar • Ruth Wodak • Gerda Frey • Evelyn Böhmer-Laufer • Simon
Panzer • Dina Margules • Daniela Urschitz • Peter Landesmann • Gabriele Braunsberg • Susi Bergmann • Harry Bergmann • Kenneth Thau • Piroska Mandel • Susan Zloczower • Jerry Zloczower •
Gioia Zloczower • Janis Tillinger • Eva Kulcsar • Peter Kulcsar • Dagmar Schwarz • Jacqueline I. Lillie
• Aliosha Biz • Judith Widecky • Heinrich Schmidt • Doris Fastenbauer • Danielle Spera • Lilian Kolisch
• Ruth Bachmayer • Natalie Grünwald • Davies Grünwald • Lenny Leemann • Joey Badian • Vera Badian • Sasha Badian • Fiona Badian • Gina Badian • Timna Brauer • Gaby Goldberger-Kasdon • Ronen
Seller • George Frey • Kaija Polak-Auerbach • Leo Auerbach • Maschi Mermelstein-Stoessel • Ronald
J. Pohoryles • Anna Haber • Ruth Contreras • Tehilla Gitterle • Marie-Therese Reisenauer • Georg
Stern • Judith Weinmann • Joana Radzyner • Elvira Salomonowitz • Friederike Stern-Heller • Ernst
Meir Stern, • Matti Bunzl • Giora Seeliger • Tamara Seeliger-Fischmann • Ruth Orli Moser • Petra
Eibl-Mörzinger • Jael Mörzinger • Ruth Schwarz • Norbert Mayr • Milli Segal • Dan Berger • Miryam
Charim • Cathy Fiscus • Judith Eisenberg-Mirecki • Kurt Fleischner • Raphael Shklarek • Lena Rothstein-Schol • Daniel Seidler • Heinrich Ehlers • Wilhelm Mörzinger • Amira Mörzinger • Brigitte
Schächter • Hanni Haber • Dr. Paul Haber • Lia Böhmer • Romana Halpern • Dr. Bretislav Halpern •
Thomas Stern • Dirk P. Adler • Roman Grinberg • Julia Bogner-Rauchmann • Pnina Schreiber • Orna
Baumgartner • Gabi Adler • Michael Friedmann • Ada Rawicz • Kitty Schrott • Herbert Schrott • Ilana
Ventura • Yael Salomonowitz • Elisabeth Zoumboulakis-Rottenberg • Georg Teichmann • Michael
Landesmann • Elfi Sternberg • Marcel Landesmann • Susanna Kleindienst • Valerie Subik • Vivian
Duxler • Amanda Rotter • Heinz Epler • Heinrich Ehlers • Walther Weihrauch • Evelyn Holloway •
Zwi Bar-David • Ofir Bar-David • Ilana Bar-David • Vera Broser • Sabine Schwitz • Eva Ribarits • Gitta
Stagl • Michaela Tulipan • Helene Gründorfer • Elisabeth Markstein • Marika Lichter • Julia Andras •
Robert Stein • Sylvia Stein-Krumholz • Oliver Stein • Vanessa Stein • Andrea Atlas • Anja Salomonowitz • Eva Schmidt • Ala Smolen • Alice Klein • Kitty Weinberger • Peter Weinberger • Shelley Buchinger
• Reinhardt Lobe • Daniel Schreiber • Fanny Schreiber
12
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
m 27. Dezember 1985 feuerten drei
junge Palästinenser am Wiener
Flughafen Schwechat vor dem CheckIn-Schalter der israelischen Fluglinie
„El Al“ mit Handgranaten und Kalaschnikows wild um sich. Der Drahtzieher des blutigen Anschlags vor 25
Jahren war der palästinensische TopTerrorist Sabri al-Banna - alias Abu Nidal.
In den 1970er und 80er Jahren zog er
eine blutige Spur durch Europa und
machte Österreich dreimal zum Schauplatz seiner Aktionen.
Zeitgleich mit der ursprünglich als
Geiselnahme geplanten Schießerei in
Wien-Schwechat verübte die Gruppierung des palästinensischen GuerillaFührer einen offenbar koordinierten
Anschlag auf dem römischen Flughafen Fiumicino, ebenfalls auf einen
Schalter der „El Al“-Fluggesellschaft.
Die traurige Bilanz dieses Tages: drei
Tote und 40 Verletzte in Wien, 16 Tote
und mehr als 80 Verletzte in Italien.
Die Verantwortung für die beiden Anschläge übernahm die Terrorgruppe
„Fatah-Revolutionärer Rat“ um Abu
Nidal. Die Abspaltung der PLO verübte zwischen 1970 und 1985 zahlreiche Anschläge in mehr als 20 Ländern,
bei denen nach US-Angaben insgesamt rund 900 Menschen getötet oder
verletzt wurden.
Auch Österreich diente mehrmals als
Ort für blutigen Aktionen der Gruppierung, die vom US-Außenministerium als „gefährlichste Terrororganisation mit dem weitesten Aktionsradius“
charakterisiert wurde. Als erstes österreichisches Opfer der palästinensischen
Terroristen wurde am 1. Mai 1981 der
Wiener Stadtrat und Präsident der österreichisch-israelischen Gesellschaft
Heinz Nittel erschossen. Am 29. August 1982 stürmten dann zwei Schwerbewaffnete die Synagoge in der Wiener
Seitenstettengasse und töteten zwei
Menschen, 20 weitere wurden verletzt.
Die beiden Täter sowie der mutmaßliche Anführer des palästinensischen
Terrornetzes wurden daraufhin verhaftet und verurteilt.
Der Auftrag für den Anschlag am Wiener Flughafen erging angeblich deswegen, weil es der Abu-Nidal-Organisation nicht gelungen war, die drei Gefangenen gegen einen „Nicht-AngriffsPakt“ mit Österreich freizukaufen. Geplant war 1985 in Wien eigentlich eine
Geiselnahme: Mit den überlebenden
Passagieren hätten die Terroristen urDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
ABU NIDAL
auch gegen kompromissbereite arabische Politiker und die USA.
Einer der spektakulärsten Anschläge
der Gruppierung war 1982 die versuchte Ermordung des israelischen Botschafters in London, Shlomo Argov, der
nach einem Kopfschuss lebenslang ein
Pflegefall blieb. Das Attentat war letzter Auslöser für die von Ariel Sharon
befehligte israelische Libanon-Invasion. Die Abu-Nidal-Gruppe bekannte
sich außerdem zum Lockerbie-Anschlag von 1988, bei dem alle 259 Insassen eines in der Luft gesprengten Flugzeugs und elf Menschen am Boden
ums Leben kamen.
Vor 25 Jahren:
Blutiger Anschlag am
Wiener Flughafen
sprünglich ein Flugzeug entführen und
über Israel in die Luft sprengen wollen. Beim Schusswechsel mit der Polizei wurde jedochz ein Attentäter,
Abdel Aziz Merzoughi, getötet.
Die beiden anderen, Tawfik Ben Ahmed
Chaovali und Mongi Ben Saadaoui, wurden bei einer anschließenden Verfolgung auf der Autobahn gefasst. Kopf
der international agierenden Terrororganisation war jedoch der weltweit gesuchte Terrorist Abu Nidal („Vater des
Kampfes“). Der palästinensische TopTerrorist war 1973 aus der von Yasser
Arafat geführten PLO-Teilorganisation
Fatah ausgeschlossen worden, nachdem er Arafat zu große Kompromissbereitschaft vorgeworfen und mit Ermordung gedroht hatte. Ein PLO-Gericht verurteilte den Abtrünnigen daraufhin in Abwesenheit zum Tode.
Geboren 1937 in Jaffa, floh Abu Nidal
nach der Gründung des Staates Israel
mit seiner Familie nach Gaza, wo er in
den 1960er Jahren seine erste Terrorgruppe gründete. In den folgenden
Jahren stieg er zu einem der brutalsten
und kompromisslosesten Terroristenführer der arabischen Welt auf. Zahlreiche Anschläge in über zwanzig
Ländern weltweit gehen auf das Konto der straff geführten Terrororganisation Abu Nidals. Sein Hass richtete sich
von Anfang an hauptsächlich gegen
den Staat Israel, dessen Vernichtung
erklärtes Ziel der Gruppe war, aber
Nach unbestätigten Berichten soll Abu
Nidals Organisation mehrere PLOVertreter in Europa umgebracht haben
und auch Auftragsmorde für die libysche und irakische Führung begangen
haben. Dem französischen Geheimdienst zufolge erpresste Abu Nidal zudem mehrere arabische Golf-Monarchien, die ihm hohe Geldsummen zahlten, um von Anschlägen verschont zu
bleiben. In Lauf der 1990er Jahre wurde
es ruhig um den angeblich schwer erkrankten Terroristenführer. Nach Jahren in Syrien und Libyen tauchte Abu
Nidal im Irak unter. Dort starb der 65jährige Terrorist schließlich im Jahr
2002 unter mysteriösen Umständen.
Die Aktivitäten der palästinensischen
Terrororganisation hatten jedoch auch
in Österreich ein Nachspiel, das bis in
die Gegenwart reicht. Im Januar 2000
verhaftete die österreichische Polizei
eine Frau, weil sie ein vermutlich der
Terrorgruppe gehörendes Bankkonto
räumen wollte. Die acht Millionen USDollar (6,09 Mio. Euro), die nach wie
vor auf dem Wiener Konto liegen, gehörten mit großer Wahrscheinlichkeit
Abu Nidal. Die Ehefrau des mutmaßlichen Finanzchefs der palästinensischen
Terrorgruppe reiste - nachdem sie auf
Kaution freigelassen wurde - nach Libyen und damit außer Reichweite der
österreichischen Justiz.
Die gesperrten Millionen waren seither
Gegenstand mehrerer Gerichtsprozesse.
Ein Urteil, demnach das Geld an die
ehemaligen Mitglieder der Terrorgruppe überwiesen werden sollte, wurde
2009 vom Wiener Oberlandesgericht
aufgehoben. Ein neuer Prozess soll
klären, was mit dem Geld geschehen
soll, einen Termin dafür gibt es jedoch
noch nicht.
APA
13
POLITIK
A
©Archiv
POLITIK • INLAND
POLITIK • INLAND
„Man muss es zum Thema machen“
Verlassenschaften-Ankauf,
Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan,
Die SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Hakel
musste im November erstmals ihren
Namen auf der rechtsextremen Homepage alpen-donau.info lesen. Sie hatte in
ihrem Bezirk Liezen ein Anti-RassismusProjekt an Schulen initiiert und war damit
ins Visier der Neonazis geraten. Fünf
Tage später richtete sie parlamentarische
Anfragen an Innenministerin Maria Fekter und Justizministerin Claudia BandionOrtner. „Die Gemeinde“ sprach mit
Hakel über ihre Beweggründe.
Als Politikerin, noch dazu wenn man
sich gegen Rassismus engagiere, müsse
man damit rechnen, dass der Name
durch den Schmutz gezogen werde,
sagt Hakel. „Was mich so geärgert hat,
war, dass Schüler hier namentlich genannt
wurden. Und es waren Schüler, bei denen
auf Grund des Namens erkennbar war,
dass sie Migrationshintergrund haben.“
In einer ersten Reaktion habe sie sowohl
an die Innen- als auch die Justizministerin einen Brief geschrieben. Die Antwort Bandion-Ortners stand zu Redaktionsschluss aus, Fekter ließ über ihren
Büroleiter ausrichten, die Informationen seien an die zuständige Stelle weitergegeben worden.
Eine Antwort auf ihre beiden parlamentarischen Anfragen erwartet Hakel
nicht vor Ende der dafür möglichen
Frist von zwei Monaten, also Anfang
Februar. Von der Innenministerin will
die SPÖ-Parlamentarierin dabei wissen,
wann mit einem Abschluss der Ermittlungen zu rechnen sei, ob es konkrete
Pläne zur Einstellung der Homepage
gebe, warum gegen Benjamin Fertschai
nicht ermittelt werde und ob Medienberichte stimmten, wonach sich dieser
– ein Sohn eines Beamten des Innenministeriums – nicht nur in rechts-extremen Kreisen bewege, sondern auch an
alpen-donau.info beteiligt sei.
Hakel fragt aber auch an, warum Burschenschaften nicht mehr vom Verfassungsschutz überwacht werden, welche Verbindungen es zwischen österreichischen Politikern und der rechtsextremen Szene gebe, ob gegen Franz
Radl, der in Zeitungsartikeln ebenfalls
alpen-donau.info zugerechnet wird, in
Zusammenhang mit dieser Homepage
ermittelt werde.
Bandion-Ortner wiederum soll beantworten, ob es juristische Möglichkeiten
gibt, den Zugriff auf eine Internet- seite
im österreichischen Bundesgebiet sperren zu lassen, ob es von der Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Betreiber der Homepage (die ja offiziell nicht
bekannt sind, Anmerkung der Redaktion) gibt und ob gegen einen Martin
Michael Sellner seitens der Staatsan-
IKG äußert Befremden über Treffen
zwischen israelischem Politiker und FPÖ
Mit äußerstem Befremden nimmt die IKG Kenntnis von einem angeblichen gemeinsamen Pressegespräch eines israelischen Vizeministers mit Vertretern der
FPÖ.
Erst kürzlich bei einem Besuch einer europäischen Politikergruppe in Israel
haben bestimmte Randfiguren der politischen Szene Israels politische Hygiene
missen lassen. Dies ist unentschuldbar und sollte im aktuellen Fall die sofortige
Entlassung des Ministers zur Folge haben.
Die ungerechtfertigte politische Isolation Israels in Europa kann keine Entschuldigung dafür sein, in einen geschichtslosen Opportunismus zu verfallen, die
Gefühle von Shoahopfern und ihren Nachkommen mit den Füßen zu treten und
durch politische Kurzsichtigkeit Israel in ein politisches Eck zu manövrieren, in
das es nicht gehört.
IKG, Presseaussendung 21.12.
14
Spiegelgasse 19, 1010 Wien, Österreich
Tel. 01/512 72 67
www.kulcsar.at
waltschaft in der Causa Anklage erhoben wurde.
Die Grünen hatten in ihrer parlamentarischen Anfrage im Sommer eine
Reihe von Namen von Verdächtigen
veröffentlicht, doch der Name Sellner
ist neu: er tauchte im Herbst in einem
Bericht des Magazins „News“ auf, allerdings als „Martin S.“. Der Badener
soll demnach nicht nur ein Freund von
Benjamin Fertschai, sondern auch der
Systemadministrator der Seite sein.
Ob sie eine andere Antwort erwarte,
als dass die Fragen auf Grund der laufenden Ermittlungen nicht beantwortet
werden könnten, wollte „Die Gemeinde“ von Hakel wissen. „Nein, wahrscheinlich werde ich keine wirklichen Antworten bekommen“, zeigt sich die Abgeordnete realitätsnah. Aber: sie sehe es als
eine ihrer Aufgaben bei Themen, die ihr
wichtig sind, „Druck zu machen“ – über
parlamentarische Anfragen, über Medien, in direktem Kontakt mit den Zuständigen. „Man muss es zum Thema machen.“
Innenministerin Fekter ist Mitglied einer SPÖ-ÖVP-Regierung: wie sieht es
also innerhalb dieser Regierung in Sachen alpen-donau aus? Sie wolle nun
einmal abwarten, was an Antworten
komme, so Hakel, seien diese nicht befriedigend dann aber das Gespräch mit
Parteikollegen Bundeskanzler Werner
Faymann suchen. Und ja, räumt Hakel
ein, die bisherige Performance der Polizei in dieser Causa sei „katastrophal“.
Und wenn, wie gebetsmühlenartig seitens der Behörden betont wird, der
Server in den USA stehe, „dann muss
man eben nach anderen Möglichkeiten suchen“. Sie sei allerdings auch mit der
„Fremdenpolitik Fekters nicht glücklich“,
sagt Hakel. Und am Thema alpen-donau will sie dranbleiben. Spätestens
nach dem Ende der Debatte um das
Budget müsse die Causa ganz oben auf
red
der politischen Agenda stehen.
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Globale Demonstrationen für Gilad Shalit
vor den Zentralen des Internationalen Roten Kreuz
Am 25. Juni 2006 konnte eine palästinensische Terroristengruppe - durch
einen selbst gegrabenen Tunnel - über
die Grenze, südlich vom Gazastreifen
nach Israel eindringen. In der Nähe
von Kerem Schalom überfiel sie einen
dort stationierten Militärposten auf
souveränem unbestrittenem Territorium Israels. Zwei israelische Soldaten
wurden getötet. Der junge Feldwebel
Gilad Shalit, damals 19 Jahre alt, wurde
an Schulter und Handgelenk verletzt
und in den Gazastreifen entführt.
Am 1. Juni 2010 hat der Israelische
Dachverband, die „International Association of Jewish Lawyers and Jurists
(IAJU)“, das Rote Kreuz formell gebeten, erneut zu versuchen, mit Gilad
Shalit in Verbindung zu treten. Am 4.
Juni 2010 erklärte das Rote Kreuz, dass
all seine Bemühungen vergebens gewesen sind.
Aufgrund dieser unerträglichen Situation, hat sich der Verband entschieden,
öffentlich tätig zu werden und zu weltweiten Demonstrationen vor den nationalen Niederlassungen des Roten
Kreuzes am Tag der Internationalen
Menschenrechtes aufzurufen.
© Chanan Babacsayv
Diese Kundgebung war international
abgestimmt und es fanden zeitgleich
Demonstrationen in New York, TelAviv, Genf, Mailand, Brüssel, Berlin,
Paris und vielen anderen Städten statt.
übergabe der Petition, in der konkrete Schritte vom
Internationalen Roten Kreuz zur Durchsetzung der
Rechte Shalits gefordert werden.
Seit mehr als 1.625 Tagen hält die Hamas Gilad Shalit in Geiselhaft. Dem
Internationalen Komitee vom Roten
Kreuz wurde von der Hamas der Zugang verwehrt und so konnte auch
seine medizinische Versorgung nicht
sichergestellt werden. Durch diese
Weigerung werden Gilad Shalits Menschenrechte mit Füßen getreten und
stellen eine Verletzung der Internationalen Menschenrechtserklärung und
der Genfer Konventionen dar. Das
letzte Lebenszeichen von Gilad Shalit
ist ein im Oktober 2009 veröffentlichtes Video vom 14. September 2009.
Hintergrund: Die IAJU wurde 1969 in
Israel gegründet. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählen Persönlichkeiten wie Haim
Cohn, Richter am Israelischen Supreme
Court, Arthur Goldberg, Richter am United
States Supreme Court und der französische
Nobelpreisträger Rene Cassin. Die IAJU besteht aus Juristen aus allen Gebieten und Betätigungsfeldern des Rechts. Die deutsche
Dependance wurde im Mai 2007 in Berlin
gegründet.
©Alle Fotos Yuri Yevsihin
POLITIK • INLAND
Die IAJU setzt sich weltweit für die Förderung von Menschenrechten, die Verfolgung und Verhinderung von Kriegsverbrechen, das Verbot von Massenvernichtungswaffen sowie die Einhaltung und Umsetzung internationaler Übereinkommen
ein. Insbesondere tritt die IAJU für die
Rechte von Juden weltweit ein und bekämpft Rassismus, Ausländerfeindlichkeit,
Antisemitismus, die Holocaustleug- nung,
sowie Kräfte, die dem Staat Israel sein Existenzrecht absprechen. Die IAJU ist eine
Non-Governmental-Organization der Kategorie 11 bei den Vereinten Nationen.
Dies ermöglicht es der IAJU, an den Beratungen verschiedener UN-Organe teilzunehmen. Hierdurch war die Vertretung der
IAJU unter anderem aktiv in die Arbeit
der Menschenrechtskommission in Genf
einbezogen.
Weiterführende Informationen finden Sie
auf: www.intjewishlawyers. org
Das Rote Kreuz, deren Hauptaufgabe
der Schutz von Menschenrechten ist,
hat bisher nicht die Hamas öffentlich
mit klaren Worten verurteilt. Diese
Schwäche des Roten Kreuzes in dieser
Angelegenheit ist unverständlich, zumal es eine Delegation im Gazastreifen
unterhält, welche hinsichtlich anderer
menschenrechtsrelevanter Themen
durchaus mit der Hamas in Verbindung
steht.
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
15
POLITIK • INLAND
WKO & österreichisches Wirtschaftsministerium
fördern Iran-Handel
Auf Grund der Informationen, die STOP
THE BOMB aus dem Iran-Seminar der
österreichischen Wirtschaftskammer erhalten hat, konnten wir in nachstehender
Presseaussendung nachweisen, dass auf
dieser Veranstaltung massiv Werbung für
den Iran-Handel betrieben wurde - nicht
nur von der Wirtschaftskammer, sondern
auch vom Vertreter des Wirtschaftsministeriums.
Werbung für Iran-Handel auf
Wirtschaftskammer-Seminar
Skandalöse Beihilfe zur Fortsetzung des IranBusiness durch das Wirtschaftsministerium
Entgegen anders lautender Aussagen
von Vertretern der Wirtschaftskammer
Österreich (WKO) wurde auf dem
gestrigen Iran-Seminar der WKO offen
Werbung für die Fortsetzung und den
Ausbau des Handels mit dem Iran betrieben und den Teilnehmern erklärt,
wie sie trotz Sanktionen weiterhin gute
Geschäfte mit dem iranischen Regime
machen können. Nach Aussagen von
Seminarteilnehmern empfahlen beispielsweise Gerta Mlejnek von der Wirtschaftskammer und Helmut Krehlik vom
Bundesministerium für Wirtschaft, sich
mit Anfragen hinsichtlich zukünftiger
Geschäftspartner im Iran nicht direkt
an das Wirtschaftsministerium zu wenden. Es reiche aus, seiner so genannten
Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Einholung von Informationen über potentielle Partner nachzukommen. Anfragen
bei Helmut Krehlik im Wirtschaftsministerium könnten hingegen auf Grund
der zusätzlichen Informationen, die
dem Ministerium vorliegen, zu abschlägigen Entscheiden führen und
seien daher nicht empfehlenswert.
Eine derart skandalöse Beihilfe zur
Fortsetzung des Iran-Business verwundert nicht, nachdem Krehlik zuvor
nach Aussagen von Teilnehmern am
Seminar seine „Privatmeinung“ zu den
Iran-Sanktionen kundgetan hatte: Er
hält sie demnach rundweg für falsch.
Michael Tockuss von der Deutsch-Iranischen Handelskammer machte genau
das, was er seit Jahren betreibt: Werbung für das Iran-Business. Für alle,
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denen es noch nicht klar war, wie Geldtransfers vom Iran nach Europa weiterhin abgewickelt werden können
verwies er auf jene wenigen Wege, auf
denen dies legal weiterhin möglich sei.
Tockuss betonte, dass trotz Sanktionen
im Iran-Geschäft weiterhin große Gewinne zu erzielen seien und verwies
begeistert darauf, dass die Iran-Exporte in Deutschland noch im September um 27% gestiegen sind.
Simone Dinah Hartmann, die Sprecherin
von STOP THE BOMB, kritisiert vor
diesem Hintergrund die Rechtfertigungen der WKO: „Die ganze Veranstaltung
verfolgte das Gegenteil von einer ohnehin
unzureichenden Entmutigungsstrategie,
die im Sinne der Sanktionsbeschlüsse wäre.
Stattdessen verfolgte das Seminar eine offensive Ermutigungsstrategie für den Ausbau
des Handels mit dem iranischen Regime.
Die Wirtschaftskammer und die österreichische Politik konzentrieren sich offensichtlich darauf, das Minimum der Vorschriften zu erfüllen um weiterhin das
Maximum an Gewinn aus dem Handel mit
dem Iran zu schlagen, der das Regime in
Teheran weiter am Leben erhält. Würde die
Regierung es ernst meinen mit einem konsequenten Vorgehen gegen das Regime,
würde es die Außenhandelsstelle Teheran
unverzüglich schließen anstatt derartige
Seminare zu unterstützen."
Offenbar will die WKO auch in der
Zukunft an dieser schon in den letzten
Jahren von Wirtschaftskammerpräsident Leitl betriebenen Politik der Forcierung des Iran-Geschäfts festhalten:
Für Februar 2011 ist bereits das nächste
derartige Seminar angekündigt. STOP
THE BOMB betont, derartige Werbeveranstaltungen für das Iran-Business
auch in der Zukunft auf internationaler
Ebene skandalisieren zu wollen. Gestern hatte das Bündnis sowohl vor dem
Hauptsitz der Wirtschaftskammer als
auch vor dem Tagungsort des Seminars
in der Wiener Wirtschaftskammer, an
den die Veranstaltung auf Grund des
unerwartet großen Interesses der österreichischen Unternehmen verlegt werden musste, gegen das Iran-Seminar
protestiert.
STOP THE BOMB
Presseaussendung 3. 12.2010
Handelskammer berät österreichische
Unternehmen bei Umgehung der
Sanktionen gegen den Iran
Heute findet in Wien ein Seminar der Wirtschaftskammer statt, bei dem österreichische Firmen beraten werden wie sie mit dem
Iran trotz Sanktionen - alles im Rahmen der
Gesetze - Geschäfte machen können. Michael Tockuss von der Deutsch-Iranischen
Handelskammer ist der wichtigste vortragende Lobbyist des Holocaustleugnerregimes in Teheran. Als weitere Vortragsredner
treten Mag. Michael Friedl, Österreichischer
Handelsdelegierter in Teheran, Dr. Gerta
Mlejnek, WKÖ, MR Dr. Helmut Krehlik, Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und
Jugend (BMWFJ), Dr. Robert Granditsch,
Bundesministerium für Finanzen (BMF),
Ferdinand Schipfer, Österreichische Kontrollbank, Dr. Julia Pfeil, Baker & McKenzie in
Frankfurt a.M. und Hans-Anton Sapper, Geschäftsführer, Sapper Global ECS, auf.
Präsident Ahmadinejad hat wiederholt zur
Vernichtung des Staates Israel aufgerufen
und entwickelt hierfür die Atombombe. Er
organisierte eine Holocaustleugnungskonferenz und schreckt nicht davor zurück, seine
eigenen Landsleute ermorden und foltern
zu lassen, wenn es seiner Politik erforderlich scheint. In Österreich werden seit der
Schoah fleißig Gedenktafeln und Mahnmale
errichtet, aber wenn es ums Geschäft geht,
schreckt die Wirtschaftskammer scheinbar
vor nichts zurück. Geld stinkt eben nicht.
Sollte, G’tt behüte, etwas passieren, „hat
man sich an die Gesetze gehalten“ bzw. „von
nichts gewusst“.
Die Israelitische Kultusgemeinde betrachtet
diese Einstellung, welche uns daran erinnert,
dass unter den Nazis die deutsch-österreichische Industrie an der Vernichtung der
Juden mitverdient hat,als schändlich und
moralisch verwerflich.
IKG, Presseaussendung 2.12.
Geld stinkt nicht. Nicht fragen,
Geschäfte machen!
Entgegen Ausreden der Verantwortlichen,
wurde bei dem gestrigen Seminar der Wirtschaftskammer Seminarteilnehmern Unterricht in der Sanktionsumgehung bei Irangeschäften erteilt.
Gerta Mlejnek von der Wirtschaftskammer
und Helmut Krehlik vom Wirtschaftsministerium rieten Teilnehmern, nicht nach dem
Hintergrund von Handelspartnern zu fragen,
da dies aufgrund der Informationen, die
dem Ministerium vorlägen, zu negativen
Auskünften führen könnte. Für den Februar
2011 ist ein Folgeseminar angekündigt...
Holocaustleugnerregime hin, Vernichtungsdrohungen her. Für die Vertreter der österreichischen Wirtschaft hat Profit den Vorrang.
IKG, Presseaussendung 3.12.
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
POLITIK • INLAND
Wirtschaftskammer Österreich
Wiedner Hauptstraße 63
1040 Wien
Wien, am 15.12.2010
Die Wirtschaftskammer berät über die
Umgehung der Sanktionen gegen den Iran
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir vertreten die Zwi Perez Chajes Loge der B’nai
B’rith, die Wiener Niederlassung der weltweit
größten jüdischen Organisation für Humanität
und Men- schenrechte rechtsfreundlich.
Unserer Mandantin wurde zur Kenntnis gebracht,
dass am 2. Dezember 2010 in der Wirtschaftskammer Wien eine Veranstaltung zu den EU
Sanktionen gegen den Iran stattfand, insbesondere unter Teilnahme eines Führungsmitglieds
der iranisch-deutschen Handelskammer, in der
österreichische Wirtschaftstreibende dahingehend beraten wurden, wie die Sanktionen gegen
den Iran umgangen werden können.
Ein konkretes Beispiel ist, dass den Teilnehmern
geraten wurde, hinsichtlich von in Frage stehender Exporte in den Iran keine offiziellen Anfragen
an österreichische Behörden zu richten, da diese
negativ antworten müssten. Dies stellt eine Anstiftung bzw Förderung rechtswidrigen Verhaltens dar, da über die Umgehung der Ziele der
Verordnung EU Nr. 961/2010 des Rates vom 25.
10.2010 beraten wird und dazu angestiftet wird.
Auch widerspricht dies schon den Grundwerten
der Wirtschaftskammer Österreich, wie sie auf
der Website publiziert sind:
Dort heißt es nämlich unter dem Grundwert „Europäisch denken“, dass die Wirtschaftskammern
Österreichs sich Europa deshalb verpflichtet
fühlt, weil die Europäische Union auch den Frieden in Europa sichert. Unter „International agieren“
heißt es weiter, dass freier und internationaler
Handel auch das Verständnis zwischen den
Völkern fördert. Dafür müssten, so die WKO, bestimmte Standards erfüllt werden, ua hinsichtlich
der Menschenrechte.
Der Iran wird durch ein repressives Regime geführt, das gerade in den letzten Jahren durch fortgesetzte schwere Menschenrechtsverletzungen
internationaler, insbesondere auch europäischer
Kritik ausgesetzt war. Grund für die Sanktionen
gegen den Iran ist das Streben des Iran nach
Atomwaffen, wobei die politische Führung des
Iran seit Jahren die Vernichtung Israels fordert
und keinen Hehl daraus macht, dass sie solche
Atomwaffen auch gegen den Staat Israel sowie
das jüdische Volk einsetzen würde. Es ist anzunehmen, dass sich auch Europa einem diesbezüglichen Krieg gegen den Iran nicht entziehen
würde bzw könnte, wodurch die Beratung zur
Sabotage von wirtschaftlich-diplomatischen Bemühungen zur Vermeidung eines Krieges im Widerspruch zum Bekenntnis der WirtschaftskamDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
mern Österreichs zum Frieden in Europa steht.
Das Verständnis zwischen den Völkern wird
durch eine Umgehung der EU-Sanktionen auch
wohl keinesfalls gefördert. Vielmehr drängt sich
der Gedanke auf, warum gerade die österreichischen Wirtschaftskammern die Erreichung
einer wirtschaftlich-diplomatischen Lösung unterwandern.
Die nächste derartige Veranstaltung ist für den
20. 1.2011 in der Wirtschaftskammer Tirol angesetzt.
Eine Umgehung der Sanktionen gegen den Iran
und damit eine Entschärfung des wirtschaftlichen Drucks gegen das Regime in Teheran erhöht
die Gefahr, dass der Iran sein Atomprogramm
trotz des Drucks der internationalen Staatengemeinschaft aufrecht erhält, bzw auch die Gefahr,
dass eine militärische Lösung durch einen Krieg
gegen den Iran eine nicht funktionierende wirtschaftlich-diplomatische Lösung ablöst.
Seitens unserer Mandantin kann ein solches Vorgehen der Wirtschaftskammern Österreichs nicht
wertfrei betrachtet werden. Es ist insbesondere
gerade den jüdischen Mitgliedern der Wirtschaftskammern Österreichs nicht zumutbar, dieses gefährliche, grob rechtswidrige und auch schon den
Grundsätzen der Wirtschaftskammern zutiefst
widersprechende Vorgehen mit zu finanzieren
und zu fördern und sich an einem Scheitern der
wirtschaftlich-diplomatischen Lösung des Konflikts mit dem Iran und einem wahrscheinlichen
Krieg, sowie einem möglichen Einsatz von Atomwaffen - selbst auch nur geringfügig - mitschuldig zu machen.
Für den Fall, dass es nötig wäre, erwägt die ZPCLoge der B’nai B’rith daher, ihren Mitgliedern
und darüber hinaus in Kooperation mit dem Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden
allen Mitgliedern jüdischer Gemeinden in Österreich eine Aussetzung der Beitragszahlungen an
die Wirtschaftskammern Österreichs zu raten,
die gegebenenfalls durch eine Ausschöpfung aller rechtlicher Mittel verteidigt würde. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass nationale Behörden und Gerichte eine Verordnung des Rates
unmittelbar anzuwenden haben und sich auch
die Europäische Kommission für das Vorgehen
der österreichischen Wirtschaftskammern zur
Umgehung von zwingendem Gemeinschaftsrecht
interessieren wird. Eine solche Klagsführung würde auch entsprechend medial begleitet werden.
Selbstverständlich hoffen wir, dass es dazu nicht
kommen wird und erwarten uns eine klare Stellungnahme der Wirtschaftskammern Österreichs
in dieser Sache und reale Maßnahmen, im Einklang mit den rechtlichen Verpflichtungen und
den Grundwerten der Wirtschaftkammern Österreichs.
Mit freundlichen Grüßen
Gerald Ganzger/Hans Gideon Jabloner
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POLITIK • AUSLAND
©ecowin
Im Gespräch mit der „Gemeinde“ berichtet der Publizist von den antisemitischen,
medialen Angriffen auf ihn in Ungarn, die
bis zur Gewaltandrohung im Ausland reichen
GEMEINDE: Sie haben die aktuellen politischen Entwicklungen in Ihrer Geburtsstadt Budapest in Ihrem jüngsten Buch
„Mein verspieltes Land –Ungarn im Umbruch“ kommentiert und kritisiert. Und
scheinen damit offensichtlich den neuen
Machthabern um Regierungschef Viktor
Orbán kräftig auf die Zehen gestiegen zu
sein?
Lendvai: Die Medien in Ungarn, die
jetzt schon mehrheitlich von der rechtskonservativen Fidesz und den Regierungschef Viktor Orbán umgebenden
Oligarchen gesteuert werden, scheuen
auch vor Rufmord nicht zurück. Ihre
Absicht ist es, mich zu diskreditieren
und mundtot zu machen.
Gleich nach Erscheinen des Buches, das
die letzten 20 Jahre ungarischer Politik
analysiert und aufzeigt, welche Chancen
das Land verspielt hat, wurden Sie prompt
der Kollaboration mit den Kommunisten
bezichtigt. Wer sind die Drahtzieher dieser
Kampagne?
Das war eine Auftragsarbeit an die
Orbán-hörigen und von ihm abhängigen Medien. Allen voran der Wochenzeitung Heti Válasz, die mit einem
Riesenbild von mir und der Überschrift „Exklusive Dokumente über
das Doppelleben von Paul Lendvai“
aufmachte. Aber auch Magyar Nemzet
titelte „Der Wiener Spion“, und diese
Slogans wurden vom Magyar Hírlap,
Echo Tévé, Hír TV und dem Lánchíd
Radio ungeprüft übernommen.
Das sind lächerliche Beschuldigungen, um mich und meine Arbeit zunichte zu machen. Es geht dabei um
Berichte der ungarischen Botschaft in
Wien an das Außenamt in Budapest
während der achtziger Jahre. Damals
habe ich als Leiter des Osteuropastudios des ORF, Fernsehen wie auch
Radio, Drehgenehmigungen für etliche kommunistische Länder gebraucht
und besorgt. Daher war ich klarerweise wiederholt in Gesprächen und
Kontakt mit diesen Diplomaten.
Inwieweit ist diese Medienkampagne auch
antisemitisch motiviert?
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Paul Lendvai: „Sie wollen
mich mundtot machen“
Wir dürfen uns da nichts vormachen,
der antisemitische Bezug ist permanent vorhanden. Aber da bin ich in
bester Gesellschaft: Gegen den Nobelpreisträger Imre Kertész und die Autoren Péter Nadás und György Konrad
sowie anderen jüdischen Persönlichkeiten wurde schon längst mit Lügengeschichten agitiert.
Auch Gergely Pröhle, Staatssekretär im
Außenministerium, macht aus seinem
Unmut über die ungarnkritische Berichterstattung im Ausland überhaupt keinen
Hehl. Österreichische Journalisten zitierten ihn jüngst mit folgendem Ausspruch:
„Es ist absurd und idiotisch, Budapest als
Zentrum des Antisemitismus darzustellen. Ein Rabbiner kann sichtbar jüdisch
durch die Stadt gehen, und es passiert ihm
nichts.“ Ist das nicht eine furchtbare
Denkweise?
In Wirklichkeit handelt es sich um eine
Zäsur in der politischen Geschichte
Ungarns, allerdings keineswegs im
Sinne der Schaffung eines Systems der
nationalen Einheit nach einer „erfolgreichen Revolution an den Urnen“,
wie es Orbán bezeichnet. Die hochmütigen Phrasen in dem von der parlamentarischen Mehrheit angenommenen „Manifest der Nationalen Zusammenarbeit“ dienen nur als Dekoration
für das Übergewicht der rechten und
extrem rechten Kräfte im neuen Parlament. Es wäre allerdings unklug, die
politische Brisanz der Jobbik, der neuen
Kraft am extrem rechten Rand, zu unterschätzen. Denn auch für Orbán kann
die rechtsradikale Partei im Falle der
Verschlechterung der Wirtschaftslage
gefährlich werden. Man muss auch
betonen, dass die Gefahr für die absehbare Zukunft nur von rechts droht.
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
POLITIK • AUSLAND
Sie haben auch harten Tobak serviert,
indem Sie das letzte und aktuellste Kapitel
in Ihrem Buch mit der Überschrift „Sieger
im Endkampf – Orbán über alles“ versehen haben.
Nicht nur ich, auch andere Beobachter
sprechen von dem unaufhaltsamen
Gang in Richtung einer autoritären
Ordnung, einer Politik der starken
Hand, die die 1989-1990 eingebauten
demokratischen Sicherungen und verfassungsmäßigen Grenzen der Macht
im Blitztempo aus dem Weg räumt.
Orbán rühmte sich in seiner Schlussrede nach der ersten Sitzungsperiode
des neuen Parlaments, sein „nationales Zentrum“ hätte in 56 Tagen mehr
getan als die sozial-liberalen Regierungen in acht Jahren. Niemand kann
nach dem forschen Anfang des neuen
Regimes daran zweifeln, dass der siegreiche Fidesz-Führer seine vor einem
Jahr bei einer geschlossenen Veranstaltung zum ersten Mal geäußerten Gedanken über die Schaffung eines nationalen Zentrums im Gewand einer einzigen großen Partei tatsächlich verwirklichen will.
Einer Ihrer berühmtesten Fürsprecher in
Budapest ist heute der Publizist József Debreczeni, der ehemalige konservative Abgeordnete, der in den letzten Jahren sowohl
in aufsehenerregenden Artikeln und auch
in seiner groß angelegten Orbán-Biografie
vor den Folgen des bedenkenlosen Opportunismus und der unersättlichen Gier nach
Macht warnte. Er zerpflückt auch jetzt im
Népszabadság die durchsichtigen Anschuldigungen gegen Sie.
Ja, damals fanden selbst manche liberale oder linke Fidesz-Gegner seine
Analysen und Warnungen vor einer
Zweidrittelmehrheit als übertrieben
pessimistisch. Aber in der Zwischenzeit hat er leider recht behalten: Orbán
als willensstarker Stratege der Macht
und gewiefter Taktiker ist ungebremst
dabei, schnell und unwiderruflich die
Rahmenbedingungen schaffen, um
den Fidesz zum alleinherrschenden
Machtfaktor in jenem zentralen politischen Kraftfeld zu machen, wo er für
die kommenden 15 bis 20 Jahre von
der Opposition unbehindert schalten
und walten kann.
Wie erklären Sie sich den mangelnden
Widerstand in der Bevölkerung gegen dieses „autokratische Herrschaftssystem“, wie
Sie es im Buch bezeichnen?
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Die letzten Umfragen zeigen, dass
über 70 Prozent der Befragten eine
starke Regierung ohne Parteienhader
und 50 Prozent sogar eine einzige dominante Partei wünschen. Das erklärt
doch, warum der offensiv-nationale
und rechtskonservativ-klerikale Kurs
der Orbán-Regierung auf keinen Widerstand in der Bevölkerung stößt.
Was sind die Folgen dieser politischen
Weichenstellung für Ungarn und Europa?
Insbesondere da Ungarn mit Anfang 2011
die EU-Präsidentschaft übernimmt?
Orbáns Taktik für den EU-Vorsitz besteht vor allem darin, bella figura zu
machen, und dafür bringt er seinen
Außenminister János Mártonyi in Stellung: Dieser reiche und sprachgewandte Mann soll für das Image Ungarns werben: Er ist sozusagen „das
europäische Gesicht der Regierung“.
Inhaltlich wird Ungarn irgendetwas
Plakatives für die Roma tun und sonst
die Donaustrategie forcieren.
Wie wird die Regierung die Fragen der
Europäer nach der Jobbik und der Ungarischen Garde beantworten?
Die ideell-politische Nähe zwischen
vielen Abgeordneten der 262 Mann
starken Fidesz-Fraktion und den 47
Jobbik-Leuten im Parlament dürfte
eine doppelbödige Strategie der Regierungspartei ermöglichen: Einerseits
wird man versuchen, die Gruppe der
unverbesserlichen Extremisten geschickt zu isolieren, und andererseits
durch Inhalieren der paktfähigen Aufsteiger aus dem Jobbik-Lager die Lufthoheit in Sachen „Sammelpartei der
Rechten“ zu gewinnen.
Am 9. November gab es in Zürich eine Demonstration gegen Sie, als Ihre Buchpräsentation vor 300 Besuchern stattfand.
Auf den Transparenten waren Slogans wie
„Stopp der ungarfeindlichen Hetze“ zu
lesen. Die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung
in Frankfurt hat eine Veranstaltung mit
Ihnen aus Angst vor Gewalttätigkeiten abgesagt. Wie kam es dazu?
Es gab aggressive, Gewaltandrohende
Hinweise auf rechtsextremen ungarischen Internetseiten, die mich mehr
als irritierten. Daher ersuchte ich die
Stiftung um Polizeischutz. Dieser
wurde aber abgelehnt, weil wegen der
Terrorgefahr in Deutschland zu wenige Beamte verfügbar waren. Die Ver-
anstalter an der Frankfurter JohannWolfgang-Goethe-Universität konnten
nach den Drohungen nicht für meine
Sicherheit garantieren und haben deshalb die Buchpräsentation abgesagt.
Werden Sie angesichts dieser Angriffe in
Zukunft politisch leiser treten?
Ich werde meine journalistische und
schriftstellerische Arbeit genau so
konsequent und mit Augenmaß fortsetzen, wie bisher. Denn diese Methoden, die jetzt gegen mich angewandt
werden, erinnern mich weniger an die
Zeit Kádárs als an jene Stalins.
Das Gespräch führte MARTA S. HALPERT
Paul Lendvai
Mein verspieltes Land
Ungarn im Umbruch
ecowin • 978-3-902404-94-7
Paul Lendvai (* 24. August 1929 in Budapest) ist ein aus
Ungarn stammender österreichischer Publizist.
Als politisch Unzuverlässiger wurde er 1953 für 8 Monate
verhaftet und interniert, anschließend erhielt er wegen Berufsverbots drei Jahre keine Anstellung. Seit 1957 lebt er in
Österreich und ist seit 1959 österreichischer Staatsbürger.
Seit 1973 Chefredakteur und Mitherausgeber der internationalen Vierteljahreszeitschrift „Europäische Rundschau“,
politischer Kommentator der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ sowie in ungarischen und englischsprachigen Medien. Seit 1982 ist Lendvai Leiter der Osteuropa-Redaktion des ORF und moderiert die Diskussionssendung Europastudio. Er gilt als einer der profundesten
Kenner Ost- und Südosteuropas.
Einer seiner ersten Freunde in Österreich wurde Hugo
Portisch.
Auszeichnungen (Auszug)
1974 Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis
1974 Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste
um die Republik Österreich
1980 Ernennung zum Professor
1984 Karl-Renner-Preis der Stadt Wien
1986 Großes Ehrenzeichen für Verdienste
um die Republik Österreich
1989 Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste
um das Land Wien
1994 Österreichisches Ehrenkreuz für
Wissenschaft und Kunst I. Klasse
1994 Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch
1998 Axel Corti-Preis
2001 Corvinus-Preis des Budapester Europainstitutes
2001 Großes Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste
um die Republik Österreich
2003 Verdienstkreuz mit Stern der Republik Ungarn
2005 Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik
2008 Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels
für Toleranz
19
POLITIK • ANTISEMITISMUS
INTERNET
Hasspropaganda in sozialen
Netzwerken nimmt zu
Die Hasspropaganda im Internet nimmt
immer mehr zu. Besonders beliebt bei
rechtsradikalen und extremistischen
Gruppen sind mittlerweile soziale
Netzwerke wie Facebook. Zu diesem
Schluss kam der stellvertretende Leiter von Jugendschutz.net, Stefan Glaser, bei der internationalen Konferenz
zum Thema „Jugend, Hass und Web
2.0“ in Wien (Ende November).
„Hasspropaganda im Internet erlebt derzeit
ein Allzeithoch und ist in allen sozialen
Netzwerken omnipräsent“, erklärte Glaser. So stünden derzeit 1.870 deutschsprachige rechtsextremistischer Webseiten über 7.000 extremistischen Postings auf sozialen Netzwerken gegenüber, so Glaser. Auch die österreichische Anti-Rassismus-Organisation ZARA registrierte im Vergleich zum Vorjahr heuer mehr Meldungen über rassistische Äußerungen, die auf facebookSeiten gefunden wurden. Die Maßnahmen dagegen seien aber begrenzt,
so Wolfgang Zimmer von der Rechtsabteilung von ZARA. Wenn der Inhalt in
Österreich nicht strafrechtlich relevant
sei, bleibe nur eine Meldung bei facebook. Manchmal werde der Inhalt dann
aus dem Netz genommen, manchmal
auch nicht. Organisationen des Dachverbands International Network against
Cyber Hate (INACH) diskutierten in
der Konferenz (Wiener Hofburg) mit
Vertretern von zivilgesellschaftlichen
Organisationen, Politik und Wirtschaft,
wie Vertretern von facebook und Microsoft, über Hassreden in sozialen
Netzwerken und mögliche Gegenmaßnahmen. „Der Hass im Online-Space ist
immer ein Spiegel der tatsächlichen Jugendszene, aber doch anders als am Schulhof
oder Fußballplatz“, erklärte Axel Mayreder, der sich an der Universität Wien
mit dem Internetverhalten österreichischer Jugendlicher beschäftigt. Spezifika des Internets seien die breitere
Öffentlichkeit, das größere Selbstbewusstsein vieler Jugendlicher hinter dem
Computer- Bildschirm und dass man
viel mehr Zeit zu überlegen habe, wie
man jemanden gezielt verletzen könne,
so Mayreder. Auch in Serbien sei facebook die populärste Inter- netplattform und werde von nationalistischen
Gruppen immer stärker verwen- det,
so Vejnovic vom Regional Centre for Minorities in Belgrad. Über das soziale
20
Netzwerk könnte viel besser und schneller mobilisiert werden, wie Vejnovic am
Beispiel der Homosexuellenparade in
Belgrad im Oktober erklärte. Nach massiven Drohungen und Einschüchterungen gegen Teilnehmer der Veranstaltung auf facebook-Seiten sei auch die
Mobilisierung für die gewaltsamen
Proteste über das Internet abgelaufen,
so Vejnovic. Dabei seien die Aktivisten
sogar unter ihrem echten Namen aufgetreten, da sie keinerlei Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung hatten.
LETTLAND
Jüdischer Friedhof geschändet
Rund 100 Grabsteine auf dem sogenannten Neuen Jüdischen Friedhof in
Riga sind von Unbekannten mit Hakenkreuzen beschmiert worden. Sowohl Bürgermeister Nils Usakovs als
auch Premierminister Valdis Dombrovskis und Staatspräsident Valdis
Zatlers verurteilten die Schändung
scharf. Die Staatspolizei ermittelt.
Die Überwachung des Friedhofs wurde
ebenfalls vorübergehend verstärkt. Der
selbe Friedhof war bereits 2003 verwüstet worden. Zwei Jahre später wurden
mehrere Jugendliche zu bedingten Haftstrafen verurteilt.
MALEDIVEN
Islamisten protestieren gegen
israelische Augenärzte
Im Auftrag des israelischen Außenministeriums ist eine Delegation von Augenärzten auf die Malediven gereist.
Sie gehört der Organisation „Auge
von Zion“ an, die weltweit kostenlose
medizinische Versorgung für Bedürftige organisiert. Islamistische Organisationen des Inselstaates protestierten
lautstark gegen den Besuch der Augenärzte, weil sie eine „israelisch-zionistische Verschwörung“ befürchten.
Die Islamisten nehmen an, die israelischen Ärzte wollten Organschmuggel
betreiben. Sie forderten daher, die Israelis aus dem Land auszuweisen und
ihnen die Behandlung von Patienten
zu verbieten. Vor dem Hotel, in dem
die Mediziner untergebracht waren,
entlud sich eine hitzige Demonstration. Israelische Fahnen wurden verbrannt.
Bevölkerung und Regierung empfingen die israelische Delegation hingegen
freundlich. Der Präsident der Malediven Mohamed Nasheed sagte, dass die
Mehrheit der Bevölkerung die humanitäre Arbeit der israelischen Augen-
ärzte anerkenne. Ein Vertreter des isra- elischen Außenministeriums, der
die Reise der Augenärzte begleitet,
sagte der „Jerusalem Post“: „Es ist erstaunlich, dass es trotz der massiven Propaganda und der großen Verleumdung
eine so große Nachfrage nach unseren Untersuchungen und Behandlungen gibt.“
Der Staat der Malediven verteilt sich
auf mehr als tausend Inseln. Er ist bei
europäischen Urlaubern beliebt. Zugleich sind die Malediven einer der
striktesten islamischen Staaten der Welt.
Ausschließlich Muslime können Staatsbürger werden. Für Nichtmuslime ist
die Einreise erlaubt, doch sie dürfen
ihre Religion nicht öffentlich ausüben.
POLEN
Lob für „Radio Maryja“
Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, hat den auch kirchenintern umstrittenen Sender „Radio Maryja“ und
den um den Sender gruppierten Medienkonzern „Lux Veritatis“ gewürdigt. Das landesweite Hörfunkprogramm habe eine „wichtige religiöse
und gesellschaftliche Funktion“ sagte Michalik in einem Interview mit der „Lux
Veritatis“-Tageszeitung „Nasz Dziennik“, wie Kathpress meldet. Der Kirchensender vertiefe den Glauben, lehre
Gebete und bringe Menschen dazu,
soziale Verantwortung zu übernehmen,
so der Erzbischof von Przemysl.
Der frühere Primas von Polen, Kardinal Jozef Glemp, und weitere Bischöfe
hatten „Radio Maryja“ in der Vergangenheit dagegen als Problem bezeichnet. Zuletzt kritisierte der bekannte
Dominikaner Ludwik Wisniewski das
Programm in einem Brief an den neuen Apostolischen Nuntius in Warschau,
Erzbischof Celestino Migliore, scharf.
Die Hörer lernten von dem Sender
nicht nur Gebete, sondern auch „Fanatismus, Abneigung und sogar Hass gegenüber Andersdenkenden“.
Mit mehr als einer Million Stammhörern liegt „Radio Maryja“ in Polen auf
Platz fünf in der Hörergunst. Die Sendelizenz für das Programm gehört der
Warschauer Provinz des Redemptoristenordens, Direktor des Senders ist der
Redemptoristenpater Tadeusz Rydzyk.
Die Station wurde mehrfach antisemitischer und rassistischer Aussagen beschuldigt. Die Staatsanwaltschaft fand
jedoch nie hinreichende Anhaltspunkte
für ein Verfahren.
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
POLITIK • ISRAEL
FLÜCHTLINGE
©David Eldan/GPO
Zur Frage des
palästinensischen
‚Rechtes auf Rückkehr‘
Das Jerusalem Center for Public Affairs hat eine ausführliche Analyse von
Oberstleutnant i.R. Jonathan D. Halevi
zur Rolle des ‚Rechtes auf Rückkehr‘
der palästinensischen Flüchtlinge in
den Staat Israel veröffentlicht. Die Forderung ist ein wesentlicher Hemmschuh für das Erreichen eines Endstatusabkommens zwischen Israel und
der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA).
Der Beitrag geht im Einzelnen den Positionen der wesentlichen Faktoren innerhalb der PA nach, die durchweg an
der Vorstellung festhalten, dass alle
palästinensischen Flüchtlinge nach
einem Friedensschluss in israelisches
Hoheitsgebiet zurückkehren können
sollten.
„Das Recht auf Rückkehr wird im palästinensischen Volk als sakrosankt betrachtet,
und es gibt dort niemanden, der es bestreitet.
Die Vertreter des palästinensischen Volkes,
einschließlich der PLO und der Palästinensischen Autonomiebehörde, gründen ihre
Position zur Frage der Lösung des Konflikts
auf ‚Gerechtigkeit‘ statt auf ‚Kompromiss‘.
‚Gerechtigkeit‘ bedeutet aus palästinensischer Perspektive die Realisierung der
Rechte der palästinensischen Flüchtlinge
in Übereinstimmung mit all den Beschlüssen der internationalen Einrichtungen, allen
voran der UN-Resolution 194, die sie als
Sanktionierung des Rechts der Flüchtlinge
auf Rückkehr und Entschädigung verstehen. Die Formel von einer ‚gerechten und
vereinbarten Lösung in Übereinstimmung
mit der Resolution 194‘ übermittelt keine
implizite Bereitschaft für irgendeinen hy-
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Jemenitische Juden warten in Aden im Rahmen der Aktion “Magic carpet” auf ihren Flug
nach Israel. “Magic carpet” (1949-1950) war der Deckname für den Transport von etwa
49.000 jemenitischen Juden (Teimanim) nach Israel.
pothetischen Kompromiss hinsichtlich des
Rechtes auf Rückkehr. ‚Vereinbart‘ meint,
man solle Israel dazu zwingen, in die Erfüllung der palästinensischen Forderungen nach ‚Gerechtigkeit‘ einzuwilligen.
Die PLO und die Palästinensische Autonomiebehörde nähren in der palästinensischen Gesellschaft weiter die Idee der Rückkehr der Flüchtlinge. Sie verhindern damit
jede Option einer Ansiedlung der Flüchtlinge außerhalb der Lager und bewahren
die Rolle der UNRWA als symbolischer
und praktischer Ausdruck der Forderung
nach Rückkehr.“
„Letztendlich liegt das Flüchtlingsproblem
im Herzen des israelisch-palästinensischen
Streites, und es wird von den Palästinensern als Trumpfkarte betrachtet, mittels
derer sie den Staat Israel schwächen können. Nach der Gründung eines palästinensischen Staates werden die Palästinenser
in der Lage sein, Israel auf dem Wege der
Demographie zu überwinden, wobei sie das
Land langfristig in ein Gebilde verwandeln, das in einem palästinensischen Staat
aufgeht, der sich vom Mittelmeer bis zum
Jordan erstreckt. Da der israelische Konsensus dahin geht, dass eine Massenrückkehr palästinensischer Flüchtlinge nach
Israel nationalen Selbstmord bedeutet, wird
Israel robuste internationale Unterstützung
bei den Verhandlungen um ein Endstatusabkommen benötigen, um eine Übereinkunft
auf der Basis verteidigungsfähiger Grenzen
zu erzielen und eine permanente Lösung
für das Flüchtlingsproblem zu finden, die
in erster Linie darauf basiert, dass die palästinensischen Flüchtlingen in ihren Gastländern die Staatsbürgerschaft erhalten
oder in einem palästinensischen Staat absorbiert werden.“
Gerechtigkeit für Juden
aus arabischen Ländern
VON ZVI GABAY
Mit einer Mehrheit der Stimmen hat
die Knesset ein Gesetz verabschiedet,
das als Teil des Friedensprozesses eine
Entschädigung für die Juden aus arabischen Ländern anstrebt. Das 2010 erlassene Gesetz soll die Rechte jener
Juden sichern, die gezwungen wurden,
ihr Eigentum und Vermögen in arabischen Ländern zurückzulassen; die
meisten von ihnen kamen ohne einen
Cent nach Israel. Das von der israelischen Regierung unterstützte Gesetz
folgt auf einen Beschluss des US-Re21
POLITIK • ISRAEL
gerieten, nachdem sie sich in Israel eingerichtet hatten.
Im Gegensatz dazu sorgten die arabischen Länder dafür, das Elend der
Flüchtlinge zu erhalten und ihnen nicht
zu gestatten, in die Gesellschaft eingegliedert zu werden und die Staatsbürgerschaft zu bekommen, aufgrund der
Ideologie, dass eine Wiedereingliederung der Flüchtlinge Israel helfen
würde.
präsentantenhauses vom 1. April 2008
und stellt eine vernünftige Entwicklung
dar, die breiter Unterstützung wert ist.
Erstmals seit der Gründung des Staates wird den Rechten der Juden aus
arabischen Ländern juristische Anerkennung in Israel zuteil. Bislang haben
israelische Regierungen die Angelegenheit ignoriert, obwohl die Frage
der arabischen Flüchtlinge und ihrer
Rechte im Zentrum der öffentlichen
Debatte in Israel und auf der Welt stehen, unter dem Schlüsselbegriff „Recht
auf Rückkehr“. Es ist Zeit, diese Situation zu korrigieren.
Als der Staat Israel gegründet wurde,
fanden zwei menschliche Tragödien
statt: Die eine war die Entwurzelung
der jüdischen Gemeinden, die seit Jahrtausenden in arabischen Ländern existierten; und die andere war die von
den arabischen Palästinensern wegen
Israels Unabhängigkeitskrieg 1948 erlittene „Nakba“, die Tausende zu
Flüchtlingen in arabischen Ländern
werden ließ.
Wenngleich die menschlichen und physischen Dimensionen der Katastrophe,
die den Juden widerfuhr, größer waren
als die der „Nakba“ (die Zahl der aus
ihrer Häusern vertriebenen und mittellos zurückgelassenen Juden belief
sich auf 856.000, verglichen mit der Zahl
der palästinensischen Araber, die sich,
selbst der UNRWA zufolge, auf 650.000
belief), hat sie keinen Namen und erhält keine signifikante öffentliche oder
mediale Aufmerksamkeit. Der Grund
dafür ist, dass die Juden aus arabischen
Ländern und ihre anfängliche Not in
Durchgangslagerzelten aus dem Blick
Jüdische Flüchtlinge aus dem Irak, 1955
Gemälde von Eugène Delacroix: Jüdische Hochzeit in
Marokko 1837–41, Louvre/Paris
22
So gab es grausame Pogrome gegen Juden. Während eines solchen Pogroms
(bekannt unter dem Namen „Farhud“),
das sich an den Shavuot-Feiertagen
des Jahres 1941 ereignete, wurden 135
©Babylonian Heritage Center
Jemeniten im Flugzeug
Das Desaster der Juden aus arabischen
Ländern fand sinnlos statt, im Gegensatz zur „Nakba“. Die Juden, die in
diesen Ländern lebten, bekämpften sie
nicht, während die Palästinenser Israel
bekämpften. Die Juden waren ein Sündenbock im Kampf zwischen den und
innerhalb der arabischen Staaten. Entgegen der Behauptung, dass es die
Gründung des Staates war, die den Juden Schaden zufügte, hat die Verfolgung von Juden in arabischen Ländern
in Wahrheit schon stattgefunden, bevor
der Staat Israel gegründet wurde. Das
manifestierte sich in Form von Diskriminierungen in Wirtschaft, Erziehung
und im öffentlichen Leben.
getötet und Hunderte verletzt. In Libyen wurden im November 1947 133 Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet
und 400 verwundet. Im jemenitischen
Aden wurden im selben Monat 100 getötet und Unmengen mehr verletzt.
Nach der Gründung des Staates Israel
wurden über Nacht Massen von Juden
aus Ägypten vertrieben. Diese und andere Pogrome, die tatsächlich in jedem
arabischen Staat stattfanden, führten
letztlich zu illegalen Massenhinrichtungen von Juden. Die Juden ließen ihr
Land und ihren Besitz zurück sowie
das Eigentum ihrer uralten jüdischen
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Gemeinden: Schulen, Synagogen, Krankenhäuser, Prophetengräber und mehr.
Die arabischen Regierungen übernahmen all das Eigentum und benutzten es
für ihre Bedürfnisse.
Aus unklaren Gründen setzte Israel die
Katastrophe der arabischen Juden nicht
auf seine nationale Agenda und die
seiner internationalen Öffentlichkeitsarbeit, weswegen die Bahn frei war für
arabische und anti-zionistische Propagandisten, die die Palästinenser als die
Einzigen darstellten, die im arabischisraelischen Konflikt gelitten hätten.
Die Welt hat eine Menge über das Fehlverhalten und das Unrecht gehört, das
den Palästinensern angetan wurde,
aber beinahe nichts über das Unrecht,
das den Juden widerfuhr, die in den
arabischen Ländern lebten. Tatsächlich
war das, was in den arabischen Ländern geschah, eine ethnische Säuberung gegenüber den Juden. Da die Idee
von „zwei Staaten für zwei Völker“,
die die palästinensische Forderung
nach dem „Recht auf Rückkehr“ beinhaltet, nun akzeptiert ist, muss Israel
mit dem Thema seiner eigenen Flüchtlinge aus arabischen Ländern dagegenhalten. Jede politische Einigung sollte
all die Vorkommnisse im Nahen Osten
der vergangenen 60 Jahre in Rechnung
stellen. Daher ist die Verabschiedung
des Gesetzes, das die Rechte der Juden
aus arabischen Ländern anerkennt,
durch die Knesset ein erster Schritt in
die richtige Richtung im Namen der
Gerechtigkeit.
Je größer die Anerkennung in der Welt
und unter den Arabern, dass sie nicht
die Einzigen waren, die unter dem Nahostkonflikt gelitten haben, desto wahrer wird die Basis der Gespräche für
regionale Koexistenz sein. Ansätze dieser Anerkennung finden sich bereits in
dem Vorschlag des früheren US-Präsidenten Bill Clinton aus dem Jahr 2000,
der die Einrichtung eines internationalen Fonds zur Entschädigung jüdischer
und palästinensischer Flüchtlinge beinhaltete. Der Vorschlag genießt die Unterstützung des Repräsentantenhauses
und wird sie wohl auch von anderer
internationaler Seite finden. In den
letzten Jahren hat sich ein Umkehrprozess innerhalb der arabischen Welt
vollzogen, vor allem bei Intellektuellen, die fühlen, dass im Nahen Osten
den Juden in den arabischen Ländern
eine Katastrophe widerfahren ist und
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Quelle: WOJAC
POLITIK • ISRAEL
Jüdische Bevölkerung in arabischen Ländern
1948 und 2005
Ort
Algerien
Bahrain
Ägypten
Iraq
Libanon
Libyen
Marokko
Sudan
Syrien
Tunesien
Jemen&Aden
Total
1948
140,0000
550-600
100,000
150,000
6,000
35,000
300,000
350
40,000
100,000
80,000
951,000
Schätzung 2005
100
40
100
100
100
0
5,236
0
100
1,813
370
max. 8,000
es nicht nur die „Nakba“ der palästinensischen Araber gegeben hat. Dieser
Prozess ist entscheidend dafür, einen
wahren und gerechten Dialog im Nahen Osten voran- zubringen.
Israel Hayom*
Zvi Gabai ist Orientalist und früherer Botschafter.
Einwanderer
Jahr
110,000
1960
90,000
125,000
1,000
33.000
250,000
1948-56
1947-51
1948
1950
1949
35,000
75,000
75,000
794,000
1948
1950
1948
*"Israel Hayom", 2007 vom amerikaner Sheldon
Adelson gegründet, wird kostenlos an den Straßen
verteilt. Zuerst noch als Billigmache verschrien,
aber mittlerweile schreiben viele anerkannte und
bekannte israelische Journalisten für Israel Hayom.
Trotz dem linken Kommentarschreiber Yossi Beilin
gilt Israel Hayom vorweglich als "Bibiton-Zeitung
des Bibi Netanyahu", denn es ist ein NetanyahuFreund, der die Zeitung finanziert. Adelson und Premierminister Netanjahu sind beste Freunde und
politisch Gleichgesinnte.
Eliyahu Hanavi Synagogue in Alexandria
23
POLITIK • ISRAEL
Brief aus Bahrain:
Ein Jude am Tisch
der Araber
noch nicht – und machte mich auf den
Weg zur Konferenz, um bei deren Eröffnung US-Außenministerin Hillary
Clinton sprechen zu hören. Scheich
Khalid, der Außenminister von Bahrain,
begrüßte mich mit einem freundlichen
„Happy Chanukkah!“.
Ich war als Repräsentant des Amerikanischen Rats für das Weltjudentum
hierher gekommen, um arabische Abgeordnete über ihre Ansichten sprechen zu hören. Dabei habe ich einiges
gelernt und so manch interessante
Szene beobachtet.
Shai Franklin
VON SHAI FRANKLIN, JTA;
ÜBERSETZUNG: KARIN FASCHING-KUALES
Es kommt nicht oft vor, dass ein gläubiger Jude aus New York wie ich Chanukka mit einer Gruppe arabischer
Diplomaten im Persischen Golf feiert.
Doch tatsächlich bereitete man mir
einen wirklich herzlichen Empfang,
als ich beim so genannten ManamaDialog eintraf, eine vom Internationalen Institut für Strategische Studien
unterstützte Konferenz im Königreich
Bahrein.
Mit Rücksicht auf Shabbat hatten meine
Gastgeber für mich ein Hotel ausgewählt, von dem aus ich auch zu Fuß
rasch die Konferenzräume erreichen
konnte. Außerdem waren die Angestellten angewiesen worden, mir mit
dem Elektronischen Türöffner zu helfen, den ich ja nicht selbst bedienen
durfte.
Also genoss ich am Freitag Abend den
Sonnenuntergang in dem Bewusstsein,
dass Israel in diesem Moment hunderte
Kilometer weit weg war, jenseits der
arabischen Wüstengebiete. Ich betete,
rezitierte Kiddush und verspeiste mein
koscheres Abendessen von LaBriute.
Dann leerte ich meine Taschen – in Bahrain gab es ja keinen Eruv, zumindest
24
Den Freitag Abend verbrachten der
iranische Außenminister und sein amerikanisches Pendent zwar im selben
Saal, hatten jedoch keiner Blickkontakt. Der VIP-Tisch, an dem Manoucher
Mottaki, Irans Außenminister, saß, war
im rechten Winkel zum Podium aufgestellt, wodurch es für ihn ein leichtes
war, Clinton nicht ansehen zu müssen.
Diese wiederum suchte sehr wohl während und nach ihrer Rede die Augen
des Iraners. Mottaki aber drehte dabei
weder seinen Kopf in ihre Richtung
noch zeigte er irgendeine Regung. Nur
seine Begleiter machten sich gewissenhaft Notizen.
Als am nächsten Morgen Mottakis
Rede an der Reihe war, bat ich einen der
Techniker mir „zu zeigen“, wie das
elektronische Übersetzungssystem
funktionierte. So konnte ich getrost
zuhören und verstehen, ohne gegen
die Shabbatgesetze zu verstoßen.
iranische Atomprogramm lediglich
friedlichen Zwecken dienen soll, hielten
wiederum die meisten Araber für einen
schlechten Scherz.
Aber man unterhielt sich auf der Konferenz nicht nur über den Iran – abseits der offiziellen Gesprächsrunden
sprachen Generäle und Minister sehr
offen über ihre Meinung zu Irak und
Jemen. Auch König Abdullah forderte
sein arabischen Brüder in einer Grundsatzrede auf, den Israelis zu zeigen,
wie ein möglicher Frieden aussehen
könnte, bevor es zu spät ist.
Am Flughafen von Abu Dhabi las ich
vor meiner Abreise in der arabischen
Zeitung „The National“ einen Bericht
der Associated Press über die internationalen Bemühungen, die Brandkatastrophe von Carmel in Israel einzudämmen. In einem Land, wo Pragmatismus und Ökonomie oftmals Ideologie
und Religion übertrumpfen sind zum
Glück auch unpolitische Artikel wie
dieser kein Problem.
Und das gilt auch für uns selbst. Wenn
der iranische Außenminister einer
Rede von Hillary Clinton beiwohnen
kann, können auch wir Juden es uns
leisten, im selben Raum zu sein und
ihnen vielleicht sogar die Tür aufhalten. Auch am Shabbat. Und vielleicht
gerade zu Chanukka.
Israel ist Gründungsmitglied der
Anti-Korruptions-Akademie
Tatsächlich war ich weit entfernt davon,
der einzige Jude in Bahrain zu sein.
Dort lebt seit über einem Jahrhundert
eine kleine, aber sehr aktive jüdische
Gemeinde, deren Synagoge ich bei meinem nächsten Besuch unbedingt sehen
möchte. Auch eine erst kürzlich angelobte Parlamentsabgeordnete und die
Botschafterin in den USA sind Jüdinnen.
Israel ist Mitglied der Anti-KorruptionsAkademie (IACA) im österreichischen
Laxenburg. Der israelische Botschafter
in Wien, Aviv Schir-On, unterzeichnete
im Dezember die Rahmenkonvention
der Organisation - der jüdische Staat
zählt nun mit 47 anderen Ländern und
Einrichtungen zu den Gründungsmitgliedern.
Aufgrund seiner geographischen Nähe
ist Bahrain, wie auch vielen anderen
Staaten des Persischen Golfs, nicht
wohl beim Nuklearprogramm des Iran.
So vermied König Abdullah von Jordanien jeglichen Kontakt mit den iranischen Delegierten. Im Privaten zeigten sich diese höchst erfreut mit den
USA – einem überdehnten und geschwächten Reich, das sich mit seinen
Übersee-Abenteuern etwas übernommen zu haben scheint. „Danke, dass ihr
in den Irak einmarschiert seid!“, meinte
einer von ihnen sarkastisch. Dass das
Die IACA wurde im September dieses
Jahres auf Initiative der österreichischen
Regierung, des Europäischen Amtes für
Betrugsbekämpfung (Olaf) und des
UN-Büros für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung (UNODC) gegründet.
Die Organisation will ein weltweit agierendes Netzwerk für Korruptionsfahnder schaffen. Sie ist die erste internationale Ausbildungsstätte zur Bekämpfung von Bestechung. In Seminaren
sollen an der Akademie Polizisten,
Richter, Staatsanwälte und andere Personen aus aller Welt geschult werden.
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
POLITIK • ISRAEL
In letzter Zeit ist inflationärer, irreführender und womöglich auch schädlicher Gebrauch von dem Begriff Zionismus gemacht worden. Das Problem
ist sowohl in Israel selbst als auch im
Ausland verbreitet; im nationalen Lager, im religiösen Lager und auch im
Lager der Arbeiterbewegung; unter
Liberalen und unter Nationalen; unter
Juden in der Diaspora und unter Nichtjuden, und vor allem unter Arabern.
Um den öffentlichen Diskurs über unsere wirklichen Probleme so weit es
geht zu verbessern und die Dämonisierung Israels, die gerade im Zusammenhang mit diesem Begriff immer
mehr um sich greift auf der Welt, so
weit es geht zu verringern, werde ich
den Begriff des Zionismus auf möglichst objektive und logische Weise zu
formulieren und seine Verwendung
zu spezifizieren versuchen. Wir dürfen
den Begriff nicht zu einer Art Sauce
machen, die man über jedes Gericht
schüttet, um dessen Geschmack zu verbessern oder es völlig zu verderben.
Vor allem anderen: Der Zionismus ist
keine Ideologie. Die Definition von Ideologie lautet gemäß der hebräischen
Enzyklopädie: eine systematische und
kompakte Kombination von Ideen,
Sichtweisen, Prinzipien und Imperativen, in denen die spezielle Weltsicht
einer Sekte, Partei oder sozialen Schicht
zum Ausdruck kommt.
Gemäß dieser klaren Definition kann
und darf der Zionismus nicht als Ideologie betrachtet werden. Der Zionismus ist die gemeinsame Plattform für
verschiedene, ja einander sogar widersprechende soziale und politische Ideologien und kann daher nicht als selbständige Ideologie gelten.
Der Zionismus hoffte auf eine Sache
und versprach eine Sache – die Errichtung eines Staates für die Juden. Dieses
Versprechen hielt er – zu unserem Unglück - vor allem mithilfe des Antisemitismus. Der Zionismus strebte lediglich nach der Bildung eines politischen
Rahmens. Was in dem Staat geschehen
und was sein Charakter, seine Regierungsform sein würde, wo man seine
Grenzen ziehen, was seine gesellschaftlichen Werte, wie sein Verhältnis
zu nationalen Minderheiten sein würde
– all diese und andere Fragen waren
von Anfang an Dutzenden von Auslegungen und politischen und gesellschaftlichen Haltungen im Kreis jener
Juden unterworfen, die ins Land Israel
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Zionismus ist keine Ideologie
VON A. B. YEHOSHUA
kamen, und selbstverständlich auch
den Entwicklungen und Veränderungen, die in jeder menschlichen Gesellschaft vonstatten gehen. Nachdem der
Judenstaat, d.i. der Staat Israel, praktisch
gegründet wurde, ist das einzige Verständnis von Zionismus, das in Kraft
geblieben ist, das Prinzip des Rückkehrgesetzes.
Das bedeutet, abgesehen davon, dass
der Staat Israel mittels seines Parlaments von all seinen Bürger mit israelischem Personalausweis regiert und
verwaltet wird, ist er weiterhin offen
für jeden Juden, der sich einbürgern
lassen will. Ein solches Rückkehrgesetz gibt es noch in einigen anderen
Staaten auf der Welt, wie Ungarn,
Deutschland und anderen. Es ist zu
hoffen, dass alsbald ein ähnliches Gesetz auch in dem an unserer Seite zu
gründenden palästinensischen Staat
eingeführt werden wird. Und so wenig
dies in dem palästinensischen Staat ein
rassistisches Gesetz sein wird, so wenig
ist es in Israel ein rassistisches Gesetz.
Denn als die Vereinten Nationen 1947
die Gründung eines jüdischen Staates
beschlossen, nahmen sie einen Teil von
Palästina nicht nur für die damals dort
lebenden 600 000 Juden, sondern taten
dies auch in der moralischen Annahme, dass dieser Staat allen Juden, die
dies wünschen würden, eine Zuflucht
bieten müsste. Ein Israeli, Jude, Palästinenser oder jeder andere, der sich als
a-zionistisch bezeichnet, ist ein Bürger,
der gegen das Rückkehrgesetz ist. Diese
Opposition ist legitim wie jede andere
politische Position. Ein Antizionist hingegen ist ein Mensch, der den Staat Israel im Nachhinein annullieren möchte,
und außer einigen extremen ultraorthodoxen Sekten oder radikalen jüdischen Kreisen in der Diaspora, gibt es
nicht viele Juden, die diese Position einnehmen. Alle die wichtigen und grundsätzlichen Diskussionen, die in Israel
geführt werden - Annexion der Gebiete
oder keine Annexion; das Verhältnis
zwischen der jüdischen Mehrheit und
der palästinensischen Minderheit im
Staate; das Verhältnis von Staat und
Religion; der Charakter und die Werte
der Wirtschafts- und Wohlfahrtspolitik
oder sogar historische Ereignisse der
Vergangenheit – sind Diskussionen und
Auseinandersetzungen, wie sie in vielen Staaten geführt wurden und werden. Es sind dies Debatten, die ständig
mit der dynamischen und sich verändernden Identität eines jeden Volkes
und Staates befasst sind. Ebenso wenig
wie diese Diskussionen andere Völker
verpflichten, zusätzliche Begriffe in sie
hineinzumischen, müssen auch diese
Debatten zwischen uns nicht den Begriff
des Zionismus beinhalten, der zu Unrecht und nicht zu seinem Vorteil zu einer weiteren Waffe im Kampf zwischen
den verschiedenen Seiten geworden ist
und dadurch die Klärung der Kontroversen und ihrer Bedeutung erschwert.
Der Zionismus ist kein Begriff, der die
des Patriotismus oder des Pioniergeistes ersetzen sollte. Patriotismus ist Patriotismus, und Pioniergeist ist Pioniergeist. Der Offizier, der seinen Militärdienst verlängert, oder jemand, der
sich im Negev ansiedelt, sind nicht zionistischer als ein Ladenbesitzer in Tel
Aviv, sondern patriotischer oder pionierhafter als dieser, entsprechend des
diesen Begriffen zugeschriebenen Verständnisses.
Der Zionismus ist unser teuerster Begriff, und daher ist es wichtig, dass er
nur am richtigen Ort seinen Ausdruck
findet: im Unterscheid zwischen uns
und den Juden der Diaspora oder des
Exils. Der inflationäre und überflüssige Gebrauch des Begriffs verwischt
somit die moralische Debatte zwischen
den Juden, die beschlossen haben, im
Guten wie im Schlechten für jeden Aspekt ihres Lebens in einem begrenzten
Gebiet unter Selbstherrschaft verantwortlich zu sein, und jenen, die im Gewebe andere Völker leben und ihre
jüdische Identität partiell durch das
Studium, religiöse Texte und limitierte
Gemeindeaktivitäten praktizieren. Haaretz
A. B. Yehoshua ist einer der erfolgreichsten Romanautoren und Essayisten Israels.
25
POLITIK • ISRAEL
Die Diffamierungska
Israelisches Außenministerium erstellt Katalog von Fragen und Antwo
1. Ist Delegitimierung gefährlich?
Israel ist mit mehreren konkreten Bedrohungen konfrontiert, nicht zuletzt
mit der nuklearen Bedrohung durch
den Iran und die Raketengefahr durch
die Hamas und die Hisbollah. Eine
nicht weniger besorgniserregende Gefahr für Israel ist die der Delegitimierung, die versucht, die Legitimität des
israelischen Staates, seine Politik und
sein Recht auf Selbstverteidigung zu
negieren. Bei der Delegitimierung handelt es sich um eine politische, wirtschaftliche und weltanschauliche Kampagne mit der Absicht, das Existenzrecht des Staates Israel aufzuheben
und dem jüdischen Volk das Recht auf
Selbstbestimmung in seiner Heimat
abzuerkennen.
Das ultimative Ziel der Delegitimierung ist die Liquidierung von Israel
als jüdischem Staat. Laut den Verfechtern der Delegitimierung hat Israel
nicht nur kein Recht auf Selbstverteidigung, sondern erst gar kein Recht
auf Überleben. Sie streben Israels Zusammenbruch an, indem sie seine moralische Legitimität zu untergraben,
seine militärischen Aktivitäten zu beschränken, das Image Israels zu zerstören und es als Schurkenstaat international zu isolieren versuchen.
Es gibt einen Unterschied zwischen
herkömmlicher Kritik an der Politik
Israels und delegitimierender Kritik
an der Existenz und Legitimität des
Staates. Delegitimierung geht über den
zulässigen Diskurs über bestimmte
Aspekte der Politik Israels hinaus und
stellt stattdessen sein Existenzrecht in
Frage. Israel ist weiterhin bereit, sich
ehrlicher Kritik zu stellen, solange sie
nicht die drei Ds des neuen Antisemitismus beinhalten: die Delegitimierung,
die Dämonisierung und doppelter Standard.
Wenngleich das eigentliche Ziel die
Auslöschung des jüdischen Staates ist,
sprechen die Anhänger der Delegitimierung nicht offen aus, dass Israel
26
beseitigt werden müsse. Stattdessen
verwendet man Euphemismen wie
„Ein-Staaten-Lösung“ oder vergleicht
Israel mit einem Apartheidstaat oder
dem Nationalsozialismus, so dass die
offensichtliche Schlussfolgerung dem
Adressaten überlassen bleibt. Der Vergleich mit der Apartheid und den Nazis
wurde nicht zufällig, sondern sehr
sorgfältig gewählt; stellen sie doch die
zwei größten Übel des 20. Jahrhunderts dar. Beide stehen für Verbrechen
gegen die Menschlichkeit schlechthin,
deren Beseitigung legitim ist.
Zusätzlich zum Vergleich mit der
Apartheid und der Verdrehung des
Holocausts setzt die Delegitimierung
noch eine Vielzahl weiterer antiisraelischer Thematiken ein. Israel wird die
Anerkennung seines ureigenen Rechts
auf Selbstverteidigung und Sicherheit
verweigert, es wird als internationaler
Verbrecher dargestellt, der Zionismus
wird als rassistische Ideologie bezeichnet und die historische Verbindung
zwischen dem jüdischen Volk und seiner alten Heimat, insbesondere Jerusalem, wird bestritten. Die Delegitimierung unterstützt die Ein-Staaten-Lösung und das vermeintliche „Rückkehrrecht“ der palästinensischen Flüchtlinge;
beides würde das Ende von Israels
Identität als jüdischer Staat bedeuten.
Die Delegitimierung richtet ihr Augenmerk auf Aktivitäten von NGOs,
Graswurzelbewegungen, Universitäten und der breiteren Öffentlichkeit.
Die Kampagne missbraucht internationale Institutionen, um Israel zu attackieren, und versucht neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die gegen Israel eingesetzt werden können.
Es wurden bereits Versuche unternommen, israelische Regierungs- und
Militärbeamte in westlichen Staaten
fälschlicherweise der Kriegsverbrechen
anzuklagen. Um ihre Ziele zu erreichen, tarnt die Delegitimierungskampagne ihre Aktivitäten als legitime
Kritik, wobei Moral, Menschenrechte
und Gesetze verdreht werden.
Die Delegitimierung ist ein politischer,
wirtschaftlicher, kultureller und ideologischer Krieg gegen Israel. Sie zeichnet sich durch eine unverhältnismäßige und obsessive Konzentration auf Israel aus. Die Kampagne ist gegen die
Meinungsfreiheit und den offenen
Diskurs und versucht, den akademischen Austausch und die Wirtschaftsbeziehungen zu zerstören.
Israel ist der einzige Staat, dessen Legitimität in Frage gestellt und angegriffen wird; der sich mit einer Debatte
nicht nur über seine Grenzen, sondern
über seine Existenz als solche konfrontiert sieht. Die nationalstaatliche Legitimität anderer Staaten, wie etwa solcher in Afrika und Asien, die entlang
von Kolonialmächten willkürlich gezogenen Grenzen gegründet wurden,
wird nicht angezweifelt – und dies, obwohl Israel der einzige Staat ist, dessen
Existenzrecht sowohl von den Vereinten
Nationen als auch ihrem Vorgänger,
dem Völkerbund, anerkannt wurde.
Es ist reine Heuchelei, wenn diejenigen, die das Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung im Staat
Israel in Frage stellen, gleichzeitig oftmals das Selbstbestimmungsrecht der
Palästinenser in Form eines palästinensischen Staates unterstützen.
Die Unterstützer der Delegitimierung
erheben für sich den Anspruch, die palästinensische Sache zu fördern. Doch
in Wirklichkeit arbeiten sie gegen den
Frieden. Einige akzeptieren die Hamas,
die friedliche Verhandlungen ablehnt
und auf die Vernichtung Israels abzielt.
In der Regel werden Begriffe und Konzepte wie Koexistenz nicht verwendet.
Sie stellen sich gegen die einzig realistische Lösung des Konflikts, die ZweiStaaten-Lösung. Diese würde nämlich
bedeuten, die Existenz des Staates Israel
zu akzeptieren. Auch wird der Lage der
Palästinenser außerhalb Israels keine
Beachtung geschenkt und ihr Status
als Bürger zweiter Klasse und ihr
Elend in der arabischen Welt ignoriert.
Die Delegitimierung schadet den FrieDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
POLITIK • ISRAEL
mpagne gegen Israel
orten zur internationalen Diffamierungskampagne gegen Israel - Teil I
densbemühungen ganz direkt, da sie
die Palästinenser glauben lässt, dass
genügend internationaler Druck Israel
dazu zwingen könnte, sich - ohne die
Notwendigkeit echter Verhandlungen
- jeder palästinensischen Forderung zu
unterwerfen. Ferner untergräbt sie in
gravierender Weise das Vertrauen der
Israelis in die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bei Akten
der Selbstverteidigung in dem Fall,
dass Israel nach einem Abzug aus Gebieten im Rahmen eines Friedensabkommens angegriffen werden sollte.
die Juden realisiert, dass ihr Schicksal
als Volk in der Gründung ihres eigenen Staates bestand. Denn nur in einem
jüdischen Staat kann die Sicherheit des
jüdischen Volkes garantiert werden.
Nur in einem jüdischen Staat können
die Juden ihr Leben in voller Übereinstimmung mit ihren Bräuchen, ihrer
Kultur, ihrer Religion und ihrem nationalen Zugehörigkeitsgefühl führen.
Nur in einem jüdischen Staat kann auf
der ganzen Welt vor Verfolgung flüchtenden Juden Zuflucht gewährt werden.
Die Delegitimierung trägt nichts zu
einer friedlichen Lösung des Konflikts
bei. Ihre ruchlosen Ziele und ihr Missbrauch von Grundsätzen wie der
Menschenrechte und des Völkerrechts
sollten angeprangert werden. Es ist an
der Zeit, die Delegitimierung Israel zu
delegitimieren.
In vieler Hinsicht kann der Zionismus
als nationale Befreiungsbewegung eines Volkes betrachtet werden, das aus
seinem historischen Heimatland exiliert wurde. Doch der Zionismus unterscheidet sich in einem Punkt von
anderen nationalen Befreiungsbewegungen: Statt nach Freiheit in einem
neuen Gemeinwesen trachteten die Juden nach der Wiederherstellung ihres
antiken unabhängigen Staates. Obwohl der Zionismus erst im 19. Jahrhundert zu einer modernen politischen
Bewegung wurde – der Begriff wurde
in der Tat erst nach 1890 geprägt –,
reicht das Verlangen nach einem erneuerten Israel doch bis ins Altertum
zurück.
2. Was ist Zionismus?
Der Zionismus ist die Bewegung für
die Wiederherstellung der Selbstbestimmung des jüdischen Volkes in seinem historischen Heimatland und der
jüdischen Souveränität im Land Israel.
Das Ziel des Zionismus ist ein politisches: die Gründung eines unabhängigen Staates für das jüdische Volk. Der
natürlichste Ort für diesen Staat ist
Zion, das Land Israel, das Heimatland
des jüdischen Volkes. Wenngleich das
Judentum eine Religion ist, sind die
Juden ein Volk mit eigener Sprache,
Kultur, Literatur und einer gemeinsamen Geschichte. Der Zionismus hat
für sie den Weg dargestellt, auch eine
gemeinsame Zukunft zu schaffen.
Juden aller Überzeugungen – säkular
und religiös, links und rechts – haben
die Ideale des Zionismus und ihr Recht
auf eine nationale Heimstätte unterstützt, wie sie andere Nationen auf der
Welt besitzen. Jahrhunderte lang schweren Verfolgungen ausgesetzt, hatten
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Die Sehnsucht der Juden, in ihr Heimatland zurückzukehren, setzte bereits vor
beinahe 2000 Jahren ein. Im Jahre 70 n.
Chr. zerstörten die Römer den heiligen
Tempel und schleiften die Stadt Jerusalem, die religiöse und administrative
Hauptstadt des Staates des jüdischen
Volkes. Dieser fürchterliche Akt der
Zerstörung beendete die jüdische Unabhängigkeit, und in den darauffolgenden Jahrzehnten wurden die meisten
Juden aus Israel verbannt. Eine kleine
Anzahl blieb jedoch zurück, so dass es
die gesamte Geschichte hindurch stets
eine jüdische Präsenz im Land Israel
gegeben hat. Trotz ihres Exils gab die
große Mehrheit der Juden niemals die
Hoffnung nach Rückkehr in die Heimat
auf, und dieses Sehnen spielte eine
entscheidende Rolle in ihren Gebeten
und ihrer Literatur. Beispielsweise wiederholen Juden auf der ganzen Welt
am Ende des jährlichen Pessach-Mahls
den Schwur ‚Nächstes Jahr in Jerusalem‘; und alle Juden beten nach Jerusalem gewandt.
Viele spirituelle Aspekte des Judentums stehen in enger Verbindung mit
den physischen Manifestationen des
Landes Israel, mit Gebeten und Mitzvot (Geboten), die sich auf das Land
beziehen. Die jüdische Verbindung
mit dem Land Israel kam nicht nur im
Gebet zum Ausdruck.
Im späten 19. Jahrhundert, da Nationalbewegungen in Europa sich formierten und der Antisemitismus auf dem
Kontinent wuchs, begann ein österreichisch-jüdischer Journalist, Theodor
Herzl, die Nationalbewegung des jüdischen Volkes zu organisieren – die zionistische Bewegung. Zur gleichen Zeit
– und unabhängig von den zionistischen Aktivitäten in Europa – begannen
Juden aus dem Jemen, dem Irak, der
Türkei und Marokko mit ihrer Rückkehr.
Der Völkerbund verlieh als Vorläufer
der Vereinten Nationen den Zielen des
Zionismus internationale Anerkennung, als er 1922 das Mandat einrichtete und sich „zugunsten der Gründung
einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ aussprach. Mehr
und mehr Juden kehrten zurück, anfangs begrenzt durch die harten Bedingungen und danach durch die britischen Einwanderungsbeschränkungen.
Am Ende wurden die Pforten Israels
1948 mit der Gründung des Staates Israel ganz und gar geöffnet. Heute
strebt der Zionismus danach, den Staat
Israel als nationale Heimat für das jüdische Volk zu bewahren.
Die Zukunft des Zionismus liegt in Israels fortdauernder Existenz als sicherer Staat, der sowohl ein Heimatland
für das jüdische Volk ist als auch ein demokratischer Staat für alle seine Bürger, Araber und Juden gleichermaßen.
27
WIRTSCHAFT • ISRAEL
Henry Majngarten ist Fußball-Spielervermittler in Israel. Er versucht, verstärkt
junge Spieler in europäischen Vereinen
zum Einsatz zu bringen.
SPORT UND WIRTSCHAFT
Die Gemeinde: Herr Majngarten, sind Sie
als Spielervermittler in Israel ein Einzelkämpfer, oder ist das eine richtige Branche?
Majngarten: Wir reden hier nur von
den seriösen Vermittlern. Das sind jene,
die eine Lizenz vom israelischen Fußballverband halten und im Rahmen
der FIFA eine Prüfung absolviert haben.
Das sind in Israel etwa 45 Vermittler.
Aber ein Gutteil von denen hat nur die
Lizenz und nutzt sie nicht. Andere,
etwa Anwälte, haben drei Spieler unter
Vertrag und treten sonst nicht auf. Ich
würde sagen, 20 sind wirklich aktiv,
von denen arbeiten etwa zehn auch international.
Und wie sieht diese Arbeit aus? Geht es
dabei nur um die Abwicklung von Transfers, oder sind Sie konkreter mit dem Sport
befasst?
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“Di r
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WIRTSCHAFT
Ich bin mit zahlreichen Clubs laufend
in Kontakt. Es geht darum, zu wissen,
was sie brauchen, wen sie suchen. Das
heißt also, so viele Spiele wie möglich
sehen, entweder live oder zumindest
im Fernsehen, analysieren und Stärken
und Schwächen erkennen.
Sie meinen, Sie sagen denen auch, wo Sie
Schwächen erkennen, und wen Sie ihnen
dafür als Lösung anbieten?
ben bei fünf Agenten jeweils einen Exklusivvertrag, dabei muss man nicht
mitmachen.
Genau. Das kann auch etwas pointierter ausfallen: „Ihr habt da hinten in der
Abwehr eine Rentnergang, die sich kaum
mehr bewegt. Da fehlt ein Innenverteidiger mit Speed.“ Und umgekehrt muss
man natürlich genau die Stärken und
Schwächen der Spieler kennen, die zu
vermitteln sind. Was sie können, und
wo sie hineinpassen könnten, in welches System welcher Mannschaft. Ein
quirliger Stürmer, der selbst im Mittelfeld die Bälle holt und dann aufs Tor
zieht? Ein schneller Flügel, der Flanken
herein gibt? Auch sehr gute Spieler
kommen oft mit fremden Systemen
nicht zu Recht. Und das ändert sich
dauernd. Ein neuer Trainer bringt wieder ein anderes System in einen Club.
Wie funktioniert das Transfer-Geschäft
dann?
Haben Sie eigene Spieler unter Vertrag?
Nein, das habe ich nicht. Damit habe
ich aufgehört. Es gibt Spieler, die ha28
Ich beobachte mehrere Märkte selbst,
neben Israel etwa Deutschland, Österreich, die Schweiz. In England, Spanien und Portugal arbeite ich mit
Kollegen zusammen. Und wenn ich
oder einer von meinen Partnern Chancen erkennt, wo man einen bestimmten Spieler brauchen könnte, sprechen
wir ihn an.
Und die Provision teilt man dann?
Die teilt man. Aber nicht nur die Vermittler bekommen etwas. Es gibt auch
einen bestimmten Schlüssel, nach dem
jene Vereine etwas erhalten, die den
Spieler ausgebildet haben. Die haben
schließlich etwas zu seinem Wert beigetragen, und oft handelt es sich dabei
um kleinere Vereine, die dieses Geld
dringend brauchen. Das alles schreibt
man in die Verträge hinein.
Wie gut sind eigentlich die israelischen
Spieler im Vergleich mit europäischen?
Vergleichen wir etwa mit Österreich.
Ich bin mit den drei, vier wichtigsten
Vereinen hier laufend in Kontakt und
kenne hier auch die Kampfmannschaften und die Jugend. Im direkten Vergleich sind die israelischen jungen
Spieler technisch und spielerisch besser, athletisch oft schwächer.
Warum das? Trainieren sie weniger?
Sie sind eher kleiner und sie trainieren
weniger hart. Wobei der Unterschied
bei den Jugendlichen noch nicht so groß
ist wie bei den Ligaspielern. Von denen
sind viele recht bequem geworden.
Und haben es viele israelische Spieler in
die europäischen Top-Vereine geschafft?
Viele nicht, aber es gibt vereinzelt gute
Beispiele. Ich denke etwa an Eyal BerDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
©Reinhard Engel
WIRTSCHAFT • ISRAEL
mehr nur fertige Profis, es werden schon
junge Spieler zwischen 16 und 20 gehandelt.
Ja, das tue ich auch. Gerade habe ich
einen Jungen – einen Israeli mit englischem Pass – zu BSC Young Boys in
Bern gebracht. In Österreich bin ich in
etwas konkreteren Gesprächen mit
einem Bundesliga-Verein über einen
Spieler, aber das kann ich noch nicht
sagen.
Und der junge Fußballer in der Schweiz,
wird der Profi, macht der noch etwas anderes außer spielen?
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Abw
kovic, der bei Manchester City und West
Ham United gespielt hat, an Haim Revivo, der war in Spanien bei Celta Vigo
und dann bei den türkischen Klubs
Fenerbahce und Galatasaray, oder an
Yossi Benayoun, der schon in der Jugend kurz bei Ajax Amsterdam spielte
und dann von Racing Santander über
West Ham United und den FC Liverpool zu Chelsea gekommen ist. Aber
insgesamt sind es nicht sehr viele.
Warum ist das so, bei dem Talent, das Sie
sehen?
Es hängt auch mit der Konstitution zusammen. In der Deutschen Bundesliga
34 anstrengende Spiele durchzuhalten,
das verlangt den Fußballern doch einiges ab. Und ein Trainer hat oft am Saisonbeginn nicht die Zeit, einen neu
eingekauften Jungen erst einmal fit zu
machen. Wer aber sehr ehrgeizig ist
und sich anstrengt, kann den Anschluss
durchaus schaffen.
Der Transfermarkt betrifft längst nicht
Der besucht dort die internationale
Schule. Fußball kann man nicht das
ganze Leben lange betreiben, bis 30,
vielleicht 35. Und dann hat man sich
entweder ein paar Immobilien erarbeitet, von denen man leben kann, oder
man muss einen Beruf ausüben. Daher
ist es auch für gute junge Fußballer
ganz wichtig, dass sie etwas lernen.
Das war bei Ihnen doch ähnlich? Sie waren
selbst Fußballer, sind es aber nicht geblieben.
Ich bin mit meinem Vater schon als
kleiner Junge auf den Fußballplatz gegangen, das war damals in Erlangen.
Dort habe ich alle guten süddeutschen
Vereine gesehen, jedes zweite Wochenende, beim Heimspiel: Bayern München, 1860, Eintracht Frankfurt, Nürnberg, die Kickers Offenbach. Ich habe
dann selbst gespielt, in der 4. Liga. Als
ich in die 3. Liga hätte wechseln können, habe ich zu studieren begonnen,
Textilmaschinenbau.
Das war, um später die Firma des Vaters
zu übernehmen?
Wir hatten mehrere Betriebe in der Textilbranche in Franken, in Fürth und in
Dörfern der Umgebung. Stofferzeugung, Druck, Färben und Konfektion.
Zu den wichtigsten Kunden gehörten
C & A, Adidas oder Peek & Cloppenburg. Wir haben für Adidas etwa Tennis- und Fußballtrikots bedruckt.
Und dann sind Sie nach Israel gegangen?
Nicht gleich. Etwa zwei Jahre habe ich
überlegt, und mir Verschiedenes angeschaut. Dann ist die ganze Familie nach
Israel übersiedelt und ich habe die Vermittler-Lizenz erworben. Ich war ja
auch in Deutschland einmal MaccabiPräsident. Diese Arbeit macht mir wirklich Freude, man kann so viel Fußball
schauen, wie man will, die Stadien
überall besuchen und wird auch meist
in den VIP-Logen empfangen. Dort lernt
man wieder interessante Leute kennen, auch geschäftlich interessante. Im
Übrigen ist die Arbeitsbelastung nicht
mehr so groß wie früher, ich habe im
Textilbetrieb regelmäßig 16 bis 18 Stunden gearbeitet und meine Kinder kaum
gesehen. Jetzt habe ich das Büro zuhause in Raanana und gehe es etwas
ruhiger an.
Aber die Leidenschaft bleibt in der Familie
auch in der nächsten Generation am Lodern?
Mein Sohn Doron ist jetzt 23. Er war in
Israel schon als Jugendlicher ein guter
Mittelfeldspieler, und als er noch in der
Armee gedient hat, durfte er bereits in
der Schweiz probe spielen. Nach dem
Militär wurde ihm dann ein FußballStipendium in Amerika angeboten. Er
hat gesagt, mit dem Herz möchte ich in
die Schweiz, mit dem Kopf in die USA.
Er studiert jetzt Business an der West
Texas A & M University in Canyon,
trainiert sehr hart und spielt in der dortigen Uni-Mannschaft. Er wird übrigens im kommenden Sommer in Wien
bei der Maccabiade im deutschen Team
antreten. So wie ich das vor Jahren viele
Male getan habe.
Das Gespräch führte REINHARD ENGEL
Aber das Unternehmen gibt es nicht mehr?
Nein, das haben wir ordnungsgemäß
geschlossen, mit Sozialplan mit den
Gewerkschaften und allem. Der Preisdruck aus Asien und Osteuropa ist zu
groß geworden, da konnten wir nicht
mithalten. Auf einem Teil der Grundstücke stehen heute Supermärkte.
Henry Majngarten bei Intersport
im Stadion Center, (rote Dressen von Bayern München, grüne
von Rapid; im Hintergrund die
Spieler-Kabine)
29
WIRTSCHAFT • ISRAEL
Einwanderung
Kaum Einwanderung aus
islamischen Staaten
Trotz des zunehmenden Antisemitismus in der islamischen Welt kommen
relativ wenige jüdische Einwanderer
aus diesen Staaten nach Israel. Dies
wurde in einer Sitzung des KnessetKomitees für Einwanderung deutlich.
Wie die Tageszeitung “Jediot Aharonot” berichtet, befasste sich der Ausschuss mit der Lage der jüdischen
Bewohner in islamischen Staaten. Insgesamt leben dort etwa 47.500 Juden.
In den vergangenen fünf Jahren sind
1.656 nach Israel eingewandert. Die
Mehrheit bleibt im Ursprungsland
oder emigriert in die USA.
Rafael Sadi von der Vereinigung der
türkischstämmigen Israelis sagte, dass
sich die Juden in seinem Herkunftsland nicht wohlfühlten. Er lebt seit 20
Jahren in Israel. “Unsere Brüder in der
Türkei sind Geiseln”, merkte Sadi an.
“Die Lage hat sich in den vergangenen
beiden Jahren verschlimmert, auch wenn
es keine direkte Schädigung durch das Regime gibt.” Der Israeli hat zusammen
mit dem türkischen Premier Recep
Tayyip Erdogan studiert und stuft diesen als gefährlich ein. Der Regierungschef rufe Antisemitismus in seinem
Land hervor. “Er hat die Absicht, in einen
Kriegszustand mit Israel zu geraten.”
Iranische Juden meist wohlhabend
Im Iran leben etwa 20.000 Juden, von
denen es 90 Prozent wirtschaftlich gut
geht. Im Vergleich dazu sind 90 Prozent der Gesamtbevölkerung von Armut betroffen, heißt es in dem Zeitungsbericht. Mosche Pour Rostamian,
Vorsitzender der Vereinigung der iranischstämmigen Israelis, sagte in der
Sitzung: “Diejenigen, deren wirtschaftliche Lage nicht gut war, sind von dort weggegangen - sie sind entweder nach Israel
oder in die USA eingewandert. Diejenigen,
die blieben, haben ein gutes Auskommen
und sind gute und unauffällige Bewohner.”
Die iranischen Juden müssten ihre Lebensweise dem Regime der Ajatollahs
anpassen, fügte Rostamian hinzu. In
den Schulen würden israelische Flaggen auf dem Boden ausgebreitet. Dann
müssten die jüdischen Kinder darauf
treten und Parolen wie “Tod Israel und
Tod Amerika” rufen. Iranische Juden
kämen durchaus als Touristen nach Israel oder in die USA, wo sie ein anderes Leben kennenlernten. Doch sie
bleiben lieber im Iran. “Sie haben sehr
große Häuser mit viel Platz, nicht die 50Quadratmeter-Wohnungen, die sie in Israel erwerben können.”
Der Vorsitzende des Komitees, Danny
Danon (Likud), rief die Jewish Agency,
das Einwanderungsministerium und
andere zuständige Körperschaften
auf, Juden aus den islamischen Staaten
nach Israel zu bringen.
Zahl der Einwanderer aus etablierten
jüdischen Gemeinden steigt an
In den letzten zwölf Monaten sind 17
880 Neueinwanderer nach Israel gekommen. Das sind 2.700 oder 18%
mehr als im vorigen Jahr, wie die Einwanderungsbehörde bekannt gab. Die
größte Anzahl kam mit 7.340 Menschen
aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion (2009: 6.340).
Die Anzahl von Neueinwanderern aus
englischsprachigen Ländern wie Nordamerika, Großbritannien, Südafrika
und Australien blieb mit 5.130 nahezu
gleich (2009: 5.030). Die Immigration
aus Frankreich stieg um 400 auf 2.420.
Die meisten Neueinwanderer kamen
aus Ländern mit etablierten jüdischen
Gemeinden, doch einige auch aus Ländern wie Japan, Angola und Uganda.
Die Gesamtbevölkerung Israels stieg
auf 7,6 Mio. Davon sind fast 5,8 Mio.
Juden (75,5%), gut 1,5 Mio. Araber
(20,3%) und 4,2% Sonstige.
inn
Rekordjahr für
Tourismus
Das Heilige Land ist als Reiseziel so
beliebt wie nie zuvor: Mit mehr als drei
Mio. Besuchern ist 2010 ein Rekordjahr für den Tourismus, wie Israels Tourismusministerium mitteilte. Bis zum
Jahresende erwarte man sogar einen
Anstieg auf 3,5 Mio. Touristen, sagte
Tourismusminister Stas Miseschnikow
vor Journalisten. Dies wären etwa
700.000 mehr als im Vorjahr.
“Die christliche Bevölkerung in aller Welt
ist unser wichtigstes Publikum”, sagte
der Minister. Man rechne zum Jahresende mit 2,4 Mio. christlichen Touristen, die Hälfte davon fromme Pilger.
Die Religion, Geschichte und Kultur
des Landes Israel seien die wichtigsten Anziehungspunkte für Touristen.
Seit Januar arbeite man auch stärker
mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammen, um den Tourismus im Heiligen Land gemeinsam zu
fördern, sagte Miseschnikow. Fremdenführer sollten mehr Bewegungsfreiheit erhalten. “Tourismus ist eine
Brücke für Frieden und Dialog zwischen
verschiedenen Kulturen”, sagte er. Beide
Seiten hätten großes Interesse am Besucherstrom aus dem Ausland.
50 israelische Fremdenführer hätten
bereits die Erlaubnis, nach Bethlehem
zu reisen, sagte Miseschnikow. Man
hoffe, dies auf 200 zu erhöhen. Die Palästinenserbehörde beklagt allerdings,
Israel gewähre palästinensischen Fremdenführern bisher nicht ausreichend
Bewegungsfreiheit auch im israelischen
Kernland.
2010 sei auch für die Autonomiebehörde ein erfolgreiches Tourismusjahr,
sagte der israelische Minister. Gut 1,5
Mio. Menschen hätten in diesem Jahr
Bethlehem im Westjordanland besucht.
Nach palästinensischen Angaben erwartet man bis zum Jahresende sogar
bis zu zwei Mio. Besucher.
APA/dpa
Rabin und Begin zieren neue israelische Geldscheine
Israelis werden in Zukunft neue Köpfe von ihren Geldscheinen entgegenblicken. Die israelische Zentralbank gab im
Dezember das Design der neuen 20-, 50-, 100- und 200-Schekel-Scheine bekannt, die ab 2012 eingeführt werden sollen.
Auf den Banknoten werden die Gesichter der früheren Ministerpräsidenten Jizchak Rabin und Menachem Begin sowie
die Bilder des Literaturnobelpreisträgers Shai Agnon und der Dichterin Rachel zu sehen sein. Bei der Auswahl habe man
sich auf zwei Aspekte der israelischen Geschichte konzentriert - Politik und Kultur - hieß es. Die beiden Politiker seien
ausgewählt worden, weil sie zwei bahnbrechende Friedensverträge mit den Nachbarn Israels unterzeichnet haben.
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Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
WIRTSCHAFT • ISRAEL
ZUSAMMENARBEIT UND VÖLKERVERSTÄNDIGUNG
Israelische Unternehmen arbeiten erfolgreich
mit Palästinensern zusammen
Im Unterschied zu ihren Regierungen
haben israelische High-Tech-Unternehmen längst das geschafft, wovon in Israel alle träumen – eine erfolgreiche
und friedliche Partnerschaft mit den
Palästinensern. Hier bedarf es keiner
mühsamen und komplizierten Friedensverhandlungen mehr, denn hier
ist der Frieden bereits Realität: Immer
mehr israelische Technologie-Firmen
lagern Arbeitsschritte an ihre Kollegen
auf der anderen Seite aus und arbeiten
mit Palästinensern aus dem Westjordanland zusammen.
Unwesentliche Kulturunterschiede
Israel ist das Land mit den meisten
Startups pro Einwohner und die HighTech-Industrie zählt zu seinen erfolgreichsten Branchen. So bahnbrechende
Innovationen wie Instant Messaging
und Internettelefonie wurden in Israel
mitentwickelt und oftmals wird Arbeit
auch nach Europa, Indien oder China
ausgelagert.
Doch in den vergangenen drei Jahren
haben die israelischen Unternehmen
noch ein weiteres, fruchtbares Gebiet
zur Zusammenarbeit erschlossen: die
Palästinensergebiete. Dort gibt es gut
ausgebildete Ingenieure und Programmierer, die nicht nur ehrgeizig und fähig sind, sondern auch noch in derselben Zeitzone arbeiten – und sie sind
billiger als so manch andere. Gerade
hier wird deutlich, dass die Unterschiede zwischen den beiden Völkern
gar nicht so groß sind. „Der Kulturunterschied ist viel kleiner, als wir dachten“,
bestätigt auch Gai Anbar, Chef von
Comply, einem israelischen Startup,
das Software für internationale Pharmaunternehmen wie Merck und Teva
entwickelt.
Früher, bei einem anderen Unternehmen, arbeitete Anbar mit Ingenieuren
aus Indien und Osteuropa zusammen,
doch die Kommunikation gestaltete
sich oft schwierig. Also suchte er 2007,
nach seiner Firmenneugründung, neue
Wege der Zusammenarbeit und wandte
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
sich an palästinensische Experten.
Diese hätten eine ähnliche Mentalität
und dieselbe Art, miteinander zu sprechen – direkt und ungehemmt. Inzwischen beschäftigt Comply vier Palästinenser.
Auch palästinensische Ingenieure haben sich mit der Idee, für Israelis zu arbeiten, inzwischen angefreundet. Und
auch der Weg in den Arabischen Markt
kann den israelischen Firmen auf diese
Weise offen stehen, teilweise unter einem palästinensischen Namen. So können Partnerschaften entstehen, von denen beide Seiten profitieren. „Wir haben
nun die Möglichkeit, unsere Fähigkeiten
unter Beweis zu stellen“, erklärt Murad
Tahboub, CEO von Asal Technologies, die
sowohl mit Comply als auch mit anderen israelischen Unternehmen zusammenarbeiten. „Je mehr Menschen von
uns wissen, umso weniger Hemmungen
werden sie haben, mit uns Geschäfte zu machen.“
So nahe – und doch Welten entfernt
Allerdings klingt dies einfacher, als es
ist. Zwar ist das Büro von Comply in
Israel lediglich 30 km von Asal Technologies in Ramallah entfernt, doch
tatsächlich liegen Welten dazwischen.
Nur mit speziellen Genehmigungen
kann man von der israelischen auf die
palästinensische Seite und umgekehrt
gelangen, Zäune und Mauern trennen
Israel vom Westjordanland, seit ein
Übermaß palästinensischer Angriffe
israelische Zivilisten gefährdete. So
werden Treffen zwischen israelischen
und palästinensischen Geschäftspartnern stark erschwert – und psychologische Barri- eren machen das Ganze
nicht einfacher.
Doch gerade seine Firma sei der perfekte Gegenbeweis für jegliche Skepsis,
so Anbar. Erst kürzlich hätte die israelische Projektmanagerin Gali Kahane
online auf Englisch mit dem palästinensischen Programmierer Mohammad
Radad gechattet und ihm Smileys und
andere Emoticons geschickt, während
sie über Updates der Software sprachen,
die sie entwickeln. „Zuerst war es irgendwie seltsam“ mit Palästinensern
zusammen zu arbeiten, doch jetzt sei es
genauso wie die Arbeit mit jedem israelischen Entwickler, meint Kahane.
„Wir sind sehr neugierig, was sie über uns
denken“, doch es würde nie über Politik
gesprochen, nur über die Arbeit.
Gut für die Welt – und die Finanzen
Die Zusammenarbeit mit Palästinensern sei „gut für die Welt in der wir leben“,
so Anbar. Doch der wichtigste Faktor
dabei sei immer noch der finanzielle
Aspekt. Für einen palästinensischen
Ingenieur zahlt Anbar etwa US$ 4.000,pro Monat – die Hälfte dessen, was ein
Israeli ihn kosten würde. Zwar seien
indische oder chinesische Ingenieure
noch günstiger, doch die Loyalität der
Palästinenser zu seiner Firma sei wesentlich höher als jene von Kollegen,
die tausende Kilometer weit weg lebten. Und die Palästinenser wollen sich
und ihre Fähigkeiten beweisen, denn
der Kampf um die wenigen Arbeitsplätze sei hart, so Tahboub
In den vergangenen drei Jahren haben
etwa 10 israelische Startups und internationale Unternehmen mit Zentren in
Israel Arbeit ins Westjordanland ausgelagert, erklärt Tova Scherr von Mercy
Corps, einer internationalen Hilfsorganisation, die Ventures dieser Art fördert.
Auch Besuche israelischer Geschäftsleute in Ramallah – mit Genehmigung
des Militärs – würden langsam häufiger.
Internationale Giganten wie Cisco, Hewlett-Packard, Intel oder Microsoft haben
ebenfalls begonnen, Arbeit in die Palästinensergebiete auszulagern und die
Liste wird immer länger. Im vergangenen Jahr hätte Tahboub allein 20 Anfragen von israelischen Unternehmen
erhalten. „Wir leisten großartige Arbeit für
unser Land“, erklärt er. „Ich denke, dass
gerade der Technologie-Sektor so einer der
Stützpfeiler für die palästinensische Wirtschaft werden kann.“
Quelle:AP
Übersetzung: Karing Fasching-Kuales
31
WISSENSCHAFT • ISRAEL
Neue Methode zur MalariaBekämpfung entwickelt
An der Hebräischen Universität Jerusalem ist eine neue Methode zur unkomplizierten Insektenkontrolle entwickelt
worden, die zu einem signifikanten
Rückgang an Malaria-übertragenden
Moskitos führen kann. Sie wurde bereits
im westafrikanischen Mali erfolgreich
getestet.
Die Feldstudie in Afrika basierte auf
früheren Vorarbeiten am Zentrum für
Tropenkrankheiten der Hebräischen
Universität. Die Methode besteht darin,
pflanzliche Lockstoffe mit einem toxischen Zuckerköder (Attractive Toxic
Sugar Bait/ATSB) auszustatten, der die
Populationen von Malaria- übertragenden Moskitos stark reduzieren kann.
Das Forschungsprojekt wurde von
Prof. Yosef Schlein und Dr. Gunter C.
Müller von der Hebräischen Universität
gemeinsam mit Kollegen aus den USA
und Mali durchgeführt. Ihre Ergebnisse sind vor wenigen Wochen in der
Fachzeitschrift Malaria Journal veröffentlicht worden. Die Forscher fanden
heraus, dass die ATSB-Methode die
Dichte und Lebensdauer von MoskitoPopulationen selbst bei nur einmaliger
Anwendung erheblich zu vermindern
vermag. Zudem ist sie technologisch
simpel, kostengünstig und umweltfreundlich.
Hebräische Universität Jerusalem
Der Talmud auf
Hebräisch –
ein Lebenswerk
ist vollendet
WISSENSCHAFT
©Aleph Society
Nach 45 Jahren
unermüdlicher
Arbeit hat der israelische Gelehrte Adin Steinsalz
nun seine Übersetzung des Talmuds ins Hebräische zum Abschluss
gebracht. Letzlich erschien der 46. Band
seines Lebenswerks. Die wichtigste
Textsammlung des nachbiblischen Judentums ist größtenteils in aramäischer
Sprache verfasst. Durch die Übersetzung von Steinsalz ist sie nun jedem
Hebräisch-Sprechenden zugänglich.
Zudem hat Steinsalz noch einen Kommentar zu einzelnen Sätzen, Begriffen
und Konzepten sowie eine Auflistung
der aus dem Text abgeleiteten jüdischen Gesetze erarbeitet. Der 72jährige
Steinsalz wurde in ein säkulares Elternhaus hineingeboren und begann seine
32
Gelehrtenlaufbahn mit dem Studium
der Physik und Chemie an der Hebräischen Universität Jerusalem. Er hat
mehr als 60 Bücher zu verschiedenen
Themen von Theologie bis Zoologie
verfasst, u.a. ein Buch über die Kabbala, das in acht Sprachen übersetzt
wurde. Sein Talmud-Übersetzungsprojekt ist immer wieder von ultraorthodoxen Juden kritisiert worden, die meinten, das Studium des heiligen Textes
müsse rabbinischen Gelehrten vorbehalten bleiben. Neben seiner hebräischen Fassung hat Steinsalz Teile des
Talmuds auch ins Englische, Spanische,
Französische und Russische übersetzt.
Fortschritt in der Krebsforschung
Wissenschaftler der Hebräischen Universität Jerusalem haben herausgefunden, dass das vor wenigen Jahren
entdeckte Onkogen Vav1 bei mehreren
Krebsarten eine wichtige Rolle spielt als
bislang angenommen. Diese Erkenntnis
hat Implikationen für die Bedeutung
des Gens in der Krebsforschung. Die
Jerusalemer Forschungsgruppe unter
Leitung von Dr. Shulamit Katzav-Shapira hat ihre Ergebnisse vor kurzem im
Journal of Biological Chemistry veröffentlicht.
Katzav-Shapira entdeckte das Gen vor
einigen Jahren im Labor von Dr. Mariano Barbacid in den USA. Da es das
sechste Krebsgen war, das in diesem
Labor neu identifiziert wurde, nannte
sie es Vav (so lautet der sechste Buchstabe des hebräischen Alphabets) 1.
Nun konnte die Jerusalemer Medizinerin zeigen, dass das Gen auch beim
Neuroblastom, beim Bauchspeicheldrüsenkrebs und beim Lungenkrebs
involviert ist. So kam es in ganzen 44%
aller menschlichen Lungenkrebsgewebeproben zum Vorschein. Da das Vav 1
eine Rolle beim Prozess des anormalen Gewebewachstums bei mehreren
menschlichen Krebsformen darstellt,
ist es zu einem noch wichtigeren potentiellen Ziel der Krebstherapie geHebräische Universität Jerusalem
worden.
Hightech-Möglichkeiten für die Drusen
Die drusische Bevölkerungsgruppe in
Israel soll in Zukunft mehr von der
florierenden Hightech-Branche des
Landes profitieren. So will es die unabhängige Wohlfahrtsorganisation IT
Works, die zu diesem Zweck eine spezielle Konferenz anberaumt hat. Die
Konferenz wird Wege der Zusammenarbeit zwischen dem privaten und dem
öffentlichen Sektor sowie das Potential
der Einbindung von Minderheiten in
die Hightech-Industrie aufzeigen. Finanziell unterstützt wird die Veranstaltung u.a. vom Amt des Ministerpräsidenten. „Obwohl die arabische Bevölkerung in Israel 20% der Gesamtbevölkerung
ausmacht, beläuft sich ihr gegenwärtiger
Anteil an der Hightech-Industrie auf weniger als 0.5%“, berichtet Ifat Baron, die
Gründerin und Geschäftsführerin von
IT Works. „Die Drusenprogramme von
IT Works haben eine Stellenvermittlungsrate von 90%, was präzedenzlos ist. Unsere
drusischen Teilnehmer absolvieren das Programm mit einer Reihe von Fertigkeiten, die
sie für die Technologieindustrie relevant
machen; sie bringen den Unternehmen, in
die sie eintreten, Effizienz und Hingabe mit.
Sie sind Pioniere, indem sie den Weg für die
Integration von Minderheiten in die israelische Hightech-Industrie bahnen.“
An der Konferenz werden Vertreter
großer Unternehmen wie Intel, IBM,
Google und Microsoft sowie der Generaldirektor des Amt des Ministerpräsidenten, Eyal Gabay, teilnehmen.
Festkolloquium für
Cannabis-Forscher
Raphael Mechoulam
In Jerusalem fand eine
große internationale Konferenz anlässlich des 80.
Ge- burtstags des Chemikers Raphael Mechoulam
statt. Prof. Mechoulam gilt als Vater
der Erforschung von Cannabinoiden.
Die Konferenz „Cannabinoids in Biology
and Medicine“ fand an der Hebräischen
Universität statt und wurde von Prof.
Itai Bab geleitet. Führende Wissenschaftler aus den USA, Großbritannien, Kanada, Spanien, Italien, Frankreich,
Deutschland, Polen und der Schweiz
waren dafür nach Israel gereist.
Prof. Mechoulam, der im Jahr 2000
den Israel-Preis für Chemie erhielt, ist
international bekannt als er der erste,
der in den 60er Jahren die Cannabinoiden identifizierte, ihre chemische Struktur bestimmte und eines von ihnen,
das THC, synthetisierte. Gleichzeitig
machte er bahnbrechende Entdeckungen zum medizinischen Nutzen des
Cannabis in einer Vielzahl von Anwendungsbereichen. Hebräische Universität Jerusalem
Israel ist einen Schritt näher an
CERN-Mitgliedschaft
Israel soll Mitglied der Europäischen
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
WISSENSCHAFT • ISRAEL
Organisation für Kernforschung
(CERN) werden. Das gab die weltgrößte Forschungseinrichtung mit Sitz
in der Schweiz bekannt.
Die 20 Mitgliedsstaaten der CERN haben Israels Antrag auf Vollmitgliedschaft nachgegeben. Innerhalb der
nächsten drei Jahre soll Israel ordentliches Mitglied der europaweiten Forschungseinrichtung werden, berichtet
die israelische Tageszeitung “Ha aretz”.
Die Statuserhöhung überträgt dem jüdischen Staat Stimmrecht innerhalb
der Organisation. Zudem soll Israel
Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.
„Das ist ein großer Erfolg für Israel“, sagte
Staatspräsident Schimon Peres. „Es ermöglicht unseren Forschern die Teilnahme
an internationalen Projekten.“ Bereits vor
zwei Jahren hatte sich Israel um eine
Statuserhöhung innerhalb der CERN
bemüht. Neben dem jüdischen Staat
haben auch Slowenien, Serbien, Zypern und die Türkei die Vollmitgliedschaft erhalten. Bis diese wirksam wird,
hat Israel einen Beobachterstatus inne,
der aber eine Teilnahme an der Forschungsarbeit ermöglicht.
Die CERN gilt als eine der renommiertesten Kernforschungsorganisationen.
Es ist das weltweit größte Forschungszentrum in der Teilchenphysik.
inn
Wissenschaftler entwickeln
“tropffreie” Tomate
Israelische Wissenschaftler haben eine Tomate entwickelt, die nicht tropft. Die
neue Sorte mit dem Namen „Admonija“ wurde Mitte Oktober auf dem
„Tomatenfestival“ im Tel Aviver Hilton-Hotel präsentiert.
Entwickelt wurde die Tomate von dem
Familienunternehmen „RT Fresh“, das
im westlichen Negev ansässig ist. „Sie
können sie anschneiden, wo Sie wollen, und
die Flüssigkeit wird im Inneren der Frucht
bleiben“, sagt RT-Marketingdirektor Avischai Trabelsi. Er erklärte weiter: „Sie
können diese Tomaten in ein Sandwich
legen und es einige Tage später essen, und
sie werden frisch schmecken, und das Brot
wird nicht durchweicht sein. Sie eignen
sich auch sehr gut für Salate.“
In einer Pressemitteilung des israelischen Außenministeriums heißt es zudem, die Tomate sei sehr gut zum
Garnieren geeignet, man könne in sie
hineinbeißen, wie in einen Apfel. In
Europa ist die neue Sorte unter dem
Namen „Intense“ erhältlich. Im kommenden Frühjahr sollen 500 Tonnen
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
dieser Tomaten über die Niederlande
in verschiedene europäische Staaten
exportiert werden.
Die israelische Tomaten-Expertise ist
weltweit berühmt: 1973 entwickelten
Wissenschaftler die Cherry-Tomate. Später entdeckten Forscher Gene, die Tomaten gegen Welke resistent machen,
sie entwickelten zudem Züchtungen,
die selbst nach einer Woche Lagerung
bei Zimmertemperatur Form, Geinn
schmack und Aroma behalten.
drei liegt die Türkei. Das ergab eine
Studie des Internetmarktforschungsunternehmens „ComScore“. Wie die
Tageszeitung „Jerusalem Post“ unter
Berufung auf den Bericht meldet, verbringen Israelis im Durchschnitt 9,2
Stunden pro Monat auf Seiten sozialer
Netzwerke. In Russland verbrachten
die Nutzer im Schnitt monatlich 9,8
Stunden auf solchen Internetseiten
und in der Türkei 7,6 Stunden. Der internationale Durchschnitt lag bei 4,5
Stunden.
"Den Fortschritt verdanken die Menschen
den Unzufriedenen."
Aldous Huxley
Erweiterte Entsalzungsanlage
Palmachim eingeweiht
Das Konsortium Via Maris hat die Erweiterung der Entsalzungsanlage Palmachim südlich von Rishon Lezion
eingeweiht. Die ursprüngliche Anlage
war bereits vor drei Jahren mit einer
jährlichen Produktionskapazität von
30 Millionen Kubikmeter Wasser in Betrieb genommen worden. Durch den
Ausbau, der vor sechs Monaten abgeschlossen wurde, kann die Anlage
heute 50% mehr Salzwasser in Trinkwasser umwandeln, also insgesamt 45
Mio. Kubikmeter produzieren. Israels
Infrastrukturminister Uzi Landau sagte
bei der Einweihungszeremonie: „Der
kommende Winter wird trocken werden,
und das wird dann das siebte Dürrejahr
in Folge sein. Wir verlassen uns auf unseren Gott im Himmel, aber wir können uns
nicht nur auf den Himmel verlassen. Gott
hilft denen, die sich selbst helfen.“ Er fügte
hinzu: „Wir leiden hier nicht an Wassermangel. Der Staat Israel grenzt an das Mittelmeer, und wir müssen es weise zu nutzen wissen.“ Der Vorstandsvorsitzende
der Azriel-Gruppe, die zu 72% an Via
Maris beteiligt ist, erklärte: „Wir können
die Wasserentsalzung hier noch verdoppeln,
und wir können die Anlage noch größer
machen, um 130 Millionen Kubikmeter
Wasser pro Jahr zu pro- duzieren, und dies
ist jetzt eine wichtige Herausforderung.“
Nutzung sozialer Netzwerke:
Israel international an zweiter Stelle
Wenn es um die Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook geht, steht Israel
weltweit an zweiter Stelle. Die meiste
Zeit verbringen Nutzer aus Russland
auf solchen Internetseiten. Auf Rang
Erste Anzeichen von
Gasvorkommenim
Leviathan-Bohrfeld
Sechs Wochen, nachdem
vor der israelischen Küste nahe Haifa die Bohrungen am Bohrfeld Leviathan 1 begonnen haben,
hat das Explorationskonsortium mit ersten, wenn auch vorläufigen positiven Ergebnissen aufwarten
können. Es gibt dort Gas – nur wie
viel, bleibt noch abzuwarten. Die Partner bei der Exploration – die Delek
Group, der texanische Konzern Noble
Energy und Ratio Oil & Gas Exploration
– gaben bekannt, genau- ere Informationen würden, wenn alles nach Plan
läuft, in zwei Wochen vorliegen.
Die Bohrinsel Sedco Express erreichte
die erste Zielschicht und fand in einer
Tiefe von 1634 Metern Spuren von Gasenthaltendem Sand (die Meerestiefe
beträgt an dieser Stelle 5.100 Meter).
Die Charakteristika des Gas-enthaltenden Sandes sind identisch mit denen
des Tamar-Bohr-felds. Vor zwei Monaten teilte Noble Energy mit, mit 50prozentiger Wahrscheinlichkeit werden
man an der Stelle Gasvorkommen im
Umfang von 453 Mrd. Kubikmetern
finden. Die Leviathan-Partner unterstrichen freilich, dass es sich bei den
derzeitigen Ergebnissen um vorläufige
handle und das die Qualität und Ausbeute des Gasfeldes – ganz zu schweigen von dem finanziellen Gewinn –
noch unbekannt sei-en. Israels Infrastrukturminister Uzi Landau begrüßte
die Nachrichten gleichwohl: „Dies ist
ein weiterer wichtiger Schritt auf dem
Weg zu Israels Energiesicherheit.“
33
JÜDISCHE WELT • INLAND
„Dann
geht es
um ein
Tabu“
Im Kopf der Betroffenen wiederholen sich
unangenehme, Sorgen bereitende Gedanken. Kurzfristige Erleichterung bringen nur immer wiederkehrende Handlungen. Zwangsstörung nennt man diese
Erkrankung, an der weltweit ein bis zwei
Prozent der Bevölkerung leiden. Die britische Wissenschafterin Naomi Fineberg
erforscht diese Krankheit und ihre Therapiemöglichkeiten seit vielen Jahren. Im
November besuchte sie anlässlich des
„10th International Forum on Mood and
Anxiety Disorders“, einer Konferenz zu
Depressionen und Angststörungen, Wien.
JÜDISCHE WELT
VON ALEXIA WEISS
Als Naomi Fineberg vor dem Schaudepot im letzten Stock des Jüdischen
Museums in der Dorotheergasse stand,
war ein lautes Seufzen zu vernehmen.
„Es wiederholt sich, immer und immer
wieder, die Vertreibung kommt in Wellenbewegungen immer wieder“, fasste sich
nach Verlassen des Museums mit Bedauern zusammen und meinte damit
die Vertreibungen von Juden aus
Wien. Selbst hat sie keine Vorfahren,
die aus Österreich stammen
Immer wiederkehrende Zwangsgedanken und -Handlungen: die Beschäftigung damit, das ist das Spezialgebiet
der britischen Medizinerin, die an der
University of Hertfordshire lehrt und
am Queen Elizabeth II Hospital in
34
Welwyn Garden City forscht. In ihrem
Fokus: die Zwangsstörung aus neurobiologischer Sicht und die Behandlung der Krankheit. Heute wisse man,
dass der Erkrankung nur mit einer
Kombination aus Psychopharmaka
und Psychotherapie beizukommen ist,
sagt sie im Gespräch mit der „Gemeinde“. Bewährt haben sich demnach
Antidepressiva, die den SerotoninSpiegel beeinflussen, und eine begleitende Verhaltenstherapie.
Klassische Psychoanalyse hält Fineberg
für nicht optimal. „Die Patienten sind
ohnehin dauernd mit Nachdenken beschäftigt.“ Es geht vielmehr darum, die Betroffenen dazu zu bringen, den Zwangsgedanken keine Zwangshandlungen
folgen zu lassen. Und das könne Verhaltenstherapie erreichen. Was man
heute auch weiß: eine Heilung gibt es
nicht – nur eine deutliche Linderung
der Beschwerden und eine verbesserte
Reintegration in die Gesellschaft. Daher
sind auch regelmäßige therapeutische
Sitzungen wesentlich. Auf therapieintensive Phasen folgen Zeiten, in denen
der Patient gut alleine zurecht kommt.
Doch dann kommt wieder der Punkt,
an dem eine intensivere Behandlung
notwendig wird.
Untersuchungen haben zudem gezeigt,
dass es Familien gibt, in denen gewisse
Erkrankungen gehäuft auftreten: neben
Zwangsstörungen zählen dazu bei-
spielsweise das Tourette-Syndrom (die
Bandbreite reicht hier von Tics wie Augenblinzeln, Naserümpfen oder Grimmassieren bis hin zu zwanghaftem
Hinausschleudern von Schimpfwörtern) oder die Asperger-Krankheit (eine
Form des Autismus).
Zum Ausbrechen bringen die Krankheit bestimmte Momente. „Etwa wenn
ein Kind mit 13, 14 das erste Mal alleine
im Haus bleibt, die Eltern fahren weg, prägen dem Kind ein, vor dem Schlafengehen
die Fenster gut zu schließen, die Türe zu
versperren.“ Die Tür wird abgesperrt,
nach kurzer Zeit machen sich Gedanken breit, die zweifeln, ob die Türe
wirklich abgesperrt ist, man geht zurück, kontrolliert nach, alles ist gut, bis
nach einiger Zeit erneut Zweifel aufkommen. Die Kontrolle bringt einen
Moment der Erleichterung. Das, was
bei einer Sucht am Ende stehe, das
Immer-wieder-tun-Müssen, stehe bei
einer Zwangsstörung am Anfang. Der
Angst wird durch eine Zwangshandlung begegnet und so kurz Entspannung erreicht. Bei der Drogensucht
beispielsweise stehe die Entspannung,
das gute Gefühl am Anfang.
In London behandelt Fineberg Menschen aus verschiedensten Gesellschaftsgruppen. Darunter sind auch
einige orthodoxe Patienten. Erkranken
religiöse jüdische Frauen an einer
Zwangsstörung, drehen sich ihre GeDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
JÜDISCHE WELT • INLAND
danken meist um moralische Fragen.
Sie haben etwa einen Mann gesehen
und dachten daran, wie es wäre, mit
diesem Sex zu haben, und überlegen
nun, ob sie das ihrem Mann sagen müssen oder nicht – obwohl ja in Wirklichkeit überhaupt nichts passiert ist. Bei
frommen jüdischen Männern kann es
dann beispielsweise um die Frage gehen, ob sich ihre Frau nach ihrer Periode auch wirklich ausreichend in der
Mikwe gereinigt hat.
Orthodox lebende Juden erkranken
nicht seltener oder häufiger als nicht
gläubige Juden oder Nichtjuden an
einer Zwangserkrankung, betont Fineberg. Wenn sie allerdings erkranken,
„dann geht es um ein Tabu“. Die Muster
sind übrigens ähnlich jenen, die Menschen mit Zwangserkrankungen plagen, die streng gläubige Muslime oder
auch streng gläubige Christen sind.
Dieses Muster kennt auch der Psychiater, Neurologe und Psychoanalytiker
Siegfried Kasper, Kongress-Präsident
des „10th International Forum on Mood
and Anxiety Disorders“. Paradoxerweise könne sich bei diesen Patienten
die Zwangssymptomatik ins Gegenteil verkehren. Dann müssten sie zum
Beispiel denken „Schweinegott, Schweinegott“ und dies dann ritualisiert zehn
Mal sagen, „was sie gar nicht wollen“.
Doch nur so baue sich die Angst wieder ab. „Diese Patienten leiden dann besonders stark, da es gegen ihre innere
Einstellung ist.“ Grundsätzlich hält jedenfalls auch Kasper fest: „Religiöse
Menschen haben nicht mehr Zwangssymptome als nicht-religiöse und außerdem ist es nicht Schicht-abhängig.“
Auch bei ESRA, dem psychosozialen
Zentrum der Kultusgemeinde, sind
Zwangsstörungen ein Thema, sagt der
ärztliche Leiter David Vyssoki. 2009 wurden 48 Patientinnen und Patienten mit
dieser Erkrankung behandelt, was
einem Anteil von drei Prozent an den
insgesamt betreuten Patienten entsprach.
Das angewandte Therapiekonzept besteht – entsprechend dem Stand der
Forschung – bei ESRA aus einer Kombination aus Psychotherapie und der
Gabe von Psychopharmaka. Die bevorzugte Therapieform ist die systemische Familientherapie, „weil ja bekannterweise in Folge der Zwangsstörungen
das Familienleben deutlich gestört ist“, so
Vyssoki. Als Medikamente werden
meist Antidepressiva eingesetzt, bei
sehr massiven Verläufen auch moderne
atypische Neuroleptika.
Die Zwangsstörung
Zwangsstörungen (früher als Zwangsneurose bezeichnet) sind die vierthäufigste psychische Erkrankung. Männer
und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen. Die Krankheit macht sich meist
im Jugendlichen- oder im jungen Erwachsenenalter bemerkbar. In über 80
Prozent ist die Krankheit chronisch –
aber weniger als die Hälfte der Betroffenen wird behandelt. Meist suchen die Patienten erst nach fünf Jahren nach dem
Auftreten der ersten Symptome oder
sogar noch später einen Arzt auf. Es wird
versucht, die Krankheit so lange als
möglich nach außen zu verbergen. Bei
fachgerechter Behandlung kann den Patienten aber sehr gut geholfen werden.
Die Krankheit kann verschiedenste
Zwangsgedanken hervorrufen, die dann
jeweils eine andere Art der Zwangshandlung nach sich ziehen. Waschzwänge beispielsweise sind eine Reaktion
auf die Angst, sich mit Krankheitserregern zu infizieren oder sich durch vermeintlich gefährliche chemische Stoffe
zu vergiften. Kontrollzwänge wirken als
Antwort auf die Angst nach einer Katastrophe („Jemandem/Mir könnte etwas
Schlimmes widerfahren“), Ordnungszwänge folgen auf das Bedürfnis nach
Symmetrie. Religiösen Zwangsgedanken
wird meist mit Zählzwängen begegnet.
DIE JERUSALEM-STIEGE verbindet den Desider Friedmann-Platz (Erweiterung der Judengasse bei der Einmündung der
Sterngasse) mit dem einige Meter tiefer gelegenen Fleischmarkt beim Kornhäusel-Turm. Sie wurde anlässlich des 3000.
Geburtstages der Stadt Jerusalem (1996) so umgenannt .... viel ist von der Erinnerungstafel heute nicht mehr zu sehen.
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
35
JÜDISCHE WELT • AUSLAND
DER HOLOCAUST: Diese Zeit des
Schreckens wird wohl für immer in
unseren Köpfen und Geschichtsbüchern
als eines der fürchterlichsten Dinge in
Erinnerung bleiben, die jemals auf unserem Planeten geschehen sind. Der
während des Zweiten Weltkriegs tobende Völker- mord kostete etwa elf
Millionen Europäern, darunter Juden,
Sinti und Roma sowie Homosexuelle,
auf grausame Weise das Leben.
Zentrales Ziel der europäischen Forscher ist, die überall in und außerhalb
Europas verstreuten Daten zu einer zusammenhängenden Quelle für die Holocaust-Forschung zusammenzufassen.
Kürzlich wurde die europäische Holocaust-Forschungsinfrastruktur (European
Holocaust Research Infrastructure, EHRI)
gestartet, deren Partner die bestehenden Holocaust-Archive zu einer einzigen Online-Datenbank vereinen
wollen. Man erwartet von diesem neuesten EU-Projekt historiografische Fortschritte und die Aktivierung gemeinsamer Forschung auf einem der wichtigsten Gebiete der Geschichte.
EHRI wird mit Mitteln in Höhe mit 7
Mio. EUR von der EU und 20 Partnereinrichtungen aus 11 EU-Mitgliedstaaten sowie Israel und Norwegen eine
Datenbank für Forscher, Lehrende und
Studenten aufbauen, die dem Verständnis der Geschichte des neuzeitlichen
Europas dienen soll. Das EU-Rahmenprogramm für Forschung bietet hier
erstmals finanzielle Unterstützung für
eine groß angelegte europäische Forschungsinfrastrukturinitiative zu Holocaust-Archiven.
Die verschiedensten Materialien zum
Thema Holocaust in der Form von Dokumenten, Objekten, Fotos, Filmen und
Kunstwerken sollen der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden. „Bei dieser gemeinsamen Unternehmung weltweit
hoch angesehener Institute geht es darum,
Zugang zu Archiven zu gewähren und
Sammlungen miteinander zu verknüpfen“,
erläutert EHRI-Direktorin Dr. Conny
Kristel. „Davon werden zahlreiche Forscher, aber auch die breite Öffentlichkeit
profitieren und dann selbst zu einem höheren Niveau an Holocaust-Wissen und
Wahrnehmung beisteuern."
Eines der wichtigsten Ziele des Projekts
ist die Stimulierung und Erleichterung
von Forschung zu bisher noch wenig
bekannten Aspekten des Holocaust,
wobei ein besonderer Schwerpunkt
auf den osteuropäischen Ländern liegt.
Das Projekt wird auch die Bemühungen der Angehörigen von HolocaustOpfern unterstützen, die immer noch
nach Spuren suchen.
Máire Geoghegan-Quinn, Kommissarin
für Forschung, Innovation und Wissenschaft sagte in ihrer Rede in Brüssel,
Belgien, am 16. November anlässlich
der Gründung der europäischen Holocaust-Forschungsinfrastruktur: „Der
Start der EHRI-Initiative im Jahr 2010
fällt auf einen passenden Zeitpunkt, denn
es ist das Jahr, in dem sich die Welt an den
65. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert, das zu einem starken Symbol für den Holocaust geworden ist. Es ist jetzt etwas länger als 20
Jahre her, dass wir Zeugen der Wiedervereinigung Europas sein und somit die Öffnung
der Archive in den vielen Ländern Mittelund Osteuropas miterleben durften."
EHRI solle sicherstellen, dass der Beweis des Holocaust in den Köpfen aller
- jung und alt -, sowohl in Europa als
auch im Ausland verankert sei. „Es gibt
leider immer noch einige Leute, die unter
dem Deckmantel der Unterstützung der
Forschung und der Auseinandersetzung
mit dem Thema, den Umfang, wenn nicht
sogar die Tatsache des Holocaust überhaupt,
in Frage stellen“, wie die Kommissarin
betonte. „Es gibt kaum etwas, was der EU
so sehr am Herzen liegt, wie unsere Entschlossenheit, nie wieder Zeuge von Gräueltaten wie denen des Holocaust sein zu
wollen.“
Kommissarin Geoghegan-Quinn erinnerte außerdem daran, dass die Europäische Kommission und 46 Nationen
2009 in Prag, Tschechische Republik,
die „Erklärung von Theresienstadt“
unterzeichnet hätten. Diese Erklärung
ist eine nicht rechtsverbindliche Sammlung von Feststellungen und Empfehlungen, die eine schnellere und transparentere Rückgabe von Kunstschätzen, privatem und kommunalem Eigentum zum Ziel hat, die bzw. das während des Holocaust gewaltsam oder
zwangsweise übernommen wurde.
Schwerpunkt der „Erklärung von Theresienstadt“ ist außerdem das Potenzial
der Holocaust-Archive für die Förderung von Forschung und Aufklärung
über den Holocaust und andere Verbrechen des Nationalsozialismus.
EHRI wird von NIOD, dem Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation in Amsterdam, Niederlande,
koordiniert.
Weitere Informationen unter:
EHRI: http://www.ehri-project.eu/
Die EU-Kommissarin für Forschung,
Innovation und Wissenschaft:
http://ec.europa.eu/commission_20102014/geoghegan-quinn/index_en.htm
Das Siebte Forschungsrahmenprogramm (RP7) der EU:
http://cordis.europa.eu/fp7/home_de.html
36
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
JÜDISCHE WELT • AUSLAND
TOURO COLLEGE BERLIN Master of Arts in Holocaust
Communication and Tolerance
Master oder Zertifikat: Studium nach
Maß - Das Institut bietet einen EinFach-Master-Studiengang mit interdisziplinärem Ansatz an. Im Rahmen eines
Zertifikatsstudiums können aber auch
gerne nur einzelne Module oder Lehrveranstaltungen gegen entsprechende
Gebühr besucht werden. Diese Möglichkeit bietet sich für Personen an, die
ihre Kompetenzen in einem bestimmten Bereich vertiefen, aktualisieren oder
wissenschaftlich fundieren wollen. Plätze sind hier aber vorrangig eingeschriebenen Studenten vorbehalten.
Berufliche Möglichkeiten - Die zunehmende Bedeutung historischer Fragestellungen und das verstärkte Interesse einer breiten Öffentlichkeit an der
Geschichte des Holocaust haben in
den letzten fünfzehn Jahren zu einer
gestiegenen Nachfrage nach Absolventen, die disziplinäres Fachwissen
mit einer interdisziplinären Vermittlungskompetenz verbinden, geführt,
wobei in vielen Berufsfeldern auch eine
internationale Ausrichtung des Studiums die Berufschancen erhöht.
Absolventen können in neuen Berufsfeldern wie Medienprojekten zur Holocaustvermittlung oder in traditionellen
Berufsfeldern Einsatzmöglichkeiten finden. Beispielhaft seien genannt: Gedenkstätten, Museen, Ausstellungswesen, Archive, Printmedien oder Fernsehen/Rundfunk, Verlage, Bildungseinrichtungen, Forschungsprojekte, Universitäten, Forschungs- und Kulturverwaltungen, Stiftungen und Verbände.
http://www.touroberlin.de
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Dieter Graumann
neuer Präsident
des Zentralrats der
deutschen Juden
©EPA/Arne Dedert
Leitidee und Ziel - Ziel des Studiums
ist die Vertiefung von geschichtswissenschaftlichen Kenntnissen (besonders
des Holocaust) und von Vermittlungskompetenzen, insbesondere für Dokumentationsausstellungen, -publikationen, Film/Video/Audio, sowie durch
thematische Schwerpunktsetzung.
Die Ausbildung soll zum Einstieg in
neue und traditionelle Berufsfelder
qualifizieren. Das Studium soll eine intensivierte Vorbereitung auf berufliche
Tätigkeiten ermöglichen, in denen – auf
der Basis herausgehobener fachwissenschaftlicher Kenntnisse – methodische
Fähigkeiten sowie Kreativität und Urteilskompetenz erforderlich sind.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat einen neuen Präsidenten. Das
Präsidium der Organisation wählte
Ende November in Frankfurt am Main
den bisherigen Vizepräsidenten Dieter
Graumann an die Spitze der Vertretung
von rund 106.000 Menschen jüdischen
Glaubens in der Bundesrepublik. Der
60-Jährige folgt Charlotte Knobloch
nach, die nach vierjähriger Amtszeit
nicht mehr kandidierte.
Graumann, der in Frankfurt am Main
eine Liegenschaftsverwaltung betreibt,
ist der erste Vertreter der Nachkriegsgeneration als Präsident des Zentralrats. Er wurde 1950 in Israel geboren,
ging aber in Frankfurt in die Schule.
Graumann hat Volkswirtschaft studiert
und arbeitete vorübergehend bei der
Deutschen Bundesbank. Er gehört seit
1995 dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt an und wurde
2006 neben Salomon Korn zum Vizepräsidenten des Zentralrats und damit
zu einem der beiden Stellvertreter
Charlotte Knoblochs gewählt, die sich
jetzt im Alter von 78 Jahren zurückzieht.
Graumann ist der siebente Präsident
des Zentralrats, der offiziellen Vertretung der in Deutschland lebenden Juden. Seine Vorgänger waren Heinz Galinski, Herbert Lewin, Werner Nachmann,
Ignatz Bubis, Paul Spiegel und als erste
Frau die in München lebende Charlotte
Knobloch, der nachgesagt worden war,
im engeren Führungskreis des Verbandes keinen Rückhalt mehr zu haben.
Bereits vor seiner Wahl hatte Graumann
angekündigt, sich für eine andere Darstellung des Judentums in der Öffent-
lichkeit einzusetzen. „Judentum bedeutet eben nicht nur immer Verfolgung und
Elend und Katastrophen“, sagte er in der
Frankfurter Paulskirche bei seiner Rede
zum Jahrestag der Pogromnacht vom
9. November 1938. Statt überkommener
Klischees sollten künftig mehr Herzlichkeit, Temperament, Lebenslust und
modern ausgelebte Tradition herausgestellt werden.
Entschieden setzt sich Graumann für
ein Verbot der rechtsextremistischen
NPD (Nationaldemokratische Partei
Deutschlands) ein. Der deutschen Wirtschaft hat er wegen „übereifriger Geschäfte“ mit dem Mullah-Regime im
Iran schwere Vorwürfe gemacht. Zu
den wichtigsten Aufgaben des neuen
Zentralrats-Präsidenten wird die weitere Integration der Zuwanderer aus
Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion in die jüdischen Gemeinden gehören, wo sie bereits bis zu 90 Prozent
der Mitglieder ausmachen.
APA
Der 1950 in Frankfurt am Main gegründete
Zentralrat der Juden in Deutschland versteht
sich als politische Vertretung der jüdischen
Gemeinschaft. An der Spitze der Dachorganisation steht der Präsident.
Der Zentralrat hat seinen Sitz seit 1999 in Berlin. Die jüdische Gemeinschaft in Deutschland
hat rund 105.000 Mitglieder in 108 Jüdischen
Gemeinden. In den vergangenen Jahren hat sich
die Zahl vor allem durch Zuwanderung von
Juden aus der ehemaligen Sowjetunion verdreifacht. Die größte jüdische Gemeinde in
Deutschland hat Berlin mit mehr als 10.000
Mitgliedern. Vor dem Zweiten Weltkrieg und
dem Holocaust lebten etwa 600.000 Juden in
Deutschland.
37
JÜDISCHE WELT • AUSLAND
Panorama
Kurznachrichten aus der jüdischen Welt
Quelle: JTA/inn u.a.; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales/Foto:©JTA u.a.
EU wird keinen einseitig
ausgerufenen palästinensischen
Staat anerkennen
Bei einem Treffen der 27 EU-Außenminister in Brüssel antworteten diese auf
einen Brief des palästinensischen Verhandlers Saeb Erekat an EU Außenkommisarin Catherine Ashton, in dem
er die Gemeinschaft bat, wie auch bereits andere Staaten, einen unilateral
ausgerufenen palästinensischen Staat
anzuerkennen, mit folgendem Statement: „Die EU erkennt die Arbeit der Palästinensischen Autonomiebehörde zum
Aufbau der Institutionen für einen zukünftigen Staat Palästina an und bekräftigt ihre vollste Unterstützung bei diesen
Bemühungen und der Durchführung der
Pläne des palästinensischen Premierministers Salam Fayyad.“ Überdies bestätigte der Rat „seine Bereitschaft, zu einem
angemessenen Zeitpunkt den palästinensischen Staat anzuerkennen“. Es bedürfe
eines „dringenden Prozesses in Richtung
einer Zwei-Staaten-Lösung im israelischpalästinensischen Konflikt“. Man sei aber
auch enttäuscht darüber, dass Israel
seinen Siedlungsbau immer noch weiterführe, denn „unsere Meinung über die
Siedlungen, inklusive jene in Ostjerusalem,
ist eindeutig: Sie sind nach internationalem
Recht illegal und ein Hindernis für den
Frieden“.
Russischsprachiger Oligarch
unterstützt Wiederaufbau von Carmel
Alexander Mashkevich, Vorsitzender des
Euro-Asiatischen Jüdischen Kongresses,
rief während eines Chanukka-Empfangs in Moskau einige der bekanntesten Juden Russlands zu einer dringenden Spendenaktion für den Wiederaufbau des nach einer Brandkatastrophe
verwüsteten israelischen Carmel-Gebiets auf. Mit dieser Kampagne sollen
„mehrere Millionen Dollar“ aufgebracht
werden, so Mashkevich. Außerdem
wolle er hunderte europäische Parlamentsmitglieder im kommenden Februar nach Israel bringen, berichtet die
Jerusalem Post. Mashkevich war einer
der ersten prominenten Diaspora-Juden, die nach Israel kamen, um die
Auswirkungen des verheerenden Brandes am Carmel zu begutachten und
den Wiederaufbau zu organisieren.
38
Turin gibt Torah-Schrein zurück
In einem ungewöhnlichen und sehr
symbolischen Akt gab die italienische
Stadt Turin ihrer jüdischen Gemeinde
offiziell einen antiken Torah-Schrein
zurück, den die Stadtverwaltung mehr
als ein Jahrhundert zuvor selbst von der
jüdischen Gemeinde erhalten hatte.
Tullio Levi, der Präsident der jüdischen
Gemeinschaft von Turin, bezeichnete
dies als wertvolle „Anerkennung jener
Rolle, die die Juden für die Gesellschaft
spielen“. Der aufwändig verzierte
Schrein wurde etwa Anfang des 18.
Jahrhunderts angefertigt und stellt das
älteste Möbelstück aus einer Synagoge
aus Turins ehemaligem jüdischen Ghetto dar. Das Ghetto war 1679 errichtet
worden. Nach ihrer Emanzipation im
Jahr 1848, bauten die Juden der Stadt
eine große neue Synagoge, die auch
heute noch in Verwendung ist. Bei
deren Einweihung 1884 übergab die
jüdische Gemeinde den Schrein an die
Stadt, als Dankeschön und Vertrauensbeweis für die Stadtverwaltung und
den vereinigten italischen Staat.
Israel schickt Helfer nach Kolumbien
Die israelischen Streitkräfte und das
Verteidigungsministerium entsandten
eine Hilfsdelegation nach Kolumbien,
um die Opfer der dortigen Flut- und
Murenkatatrophe medizinisch zu versorgen. Etwa 50 Häuser und ca. 100
Menschen wurden nach verheerenden
Regenfällen von den Schlammmassen
verschüttet. Das israelische Team brachte etwa 50 Tonnen an Equipment mit,
darunter 20 Tonnen Trockennahrung,
Verbandskästen, Decken, Ponchos,
Matratzen und Zelte.
Yad Vashem ehrt
Aborigine-Aktivist
William Cooper
Mit einer Gedenktafel
in Yad Vashem und
einem Lehrstuhl für
Widerstand wurde
der australische Aborigine-Aktivist William Cooper in Jerusalem geehrt. Der Vorsitzende der Australischen Aborigine Liga und Älteste
der Yorta Yorta Stammes besaß selbst
keinerlei Recht in seiner Heimat, als er
im Dezember 1938 zum Deutschen Konsulat marschierte und eine Petition
überbrachte, in der er gegen die „grausame Verfolgung“ der Juden protestierte. Ihm wurde jedoch der Einlass
verwehrt. Cooper war der erste australische Ureinwohner, der von Yad Vashem geehrt wurde. Er starb 1941 im
Alter von 81 Jahren. Auch der australische Außenminister, Kevin Rudd, war
bei der Zeremonie anwesend. „Australien hat, wie so viele andere Staaten, sein
Herz verschlossen“, sagte er in seiner
Rede. „Was wir als Nation getan haben
war falsch, vollkommen falsch.“
Petition verlangt Absetzung von
Holocaust-Zentrum-Schirmherren
In einer Petition verlangen drei prominente Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft Südafrikas die Absetzung
von Richard Goldstone, Desmond Tutu
und Kader Asmal als Schirmherren der
beiden Holocaust-Zentren des Landes.
Der unangemessen antiisraelische
Goldstone-Bericht über den Gaza-Krieg
sowie Tutus und Asmals „antiisraelische
und antisemitische Aussagen“ hätten sie
zu diesem Schritt bewogen, so die Organisatoren David Hersch, stellvertretender Vorsitzender der SüdafrikanischZionistischen Föderation, Joselle Reuben,
Vater des derzeitigen israelischen Botschafters bei den Vereinten Nationen,
und der pensionierte Geschäftsmann
Howard Joffe.
Tutu ist Menschenrechtsaktivist und
emeritierter Erzbischof der Anglikanischen Kirche Südafrikas. Er wies jegliche Rücktrittsgerüchte zurück. Kader
Asmal war früher als Unterrichtsminister tätig. Die Südafrikanische Holocaust-Vereinigung, welche die beiden
Zentren verwaltet, versprach, die Vorwürfe eingehend zu prüfen und an die
Sache mit Respekt, Sensibilität und
hohem Verantwortungsbewusstsein
heranzugehen.
USA rekrutierten mehr Ex-Nazis
als bisher bekannt
Dass die USA Ex-Nazis und Kollaborateure rekrutierten und diese vor der
Verfolgung bewahrten ist schon länger
bekannt, doch scheint dies auf eine
größere Anzahl von Personen zuzuDezember 2010 - Kislew/Tewet 57714
JÜDISCHE WELT • AUSLAND
treffen, als bisher angenommen. Ein
110-seitiger Bericht des US-Staatsarchivs, der am 10. Dezember veröffentlicht wurde behandelt u. a. die enge
Zusammenarbeit zwischen den Nazis
und Haj Amin al-Husseini, dem Großmufti von Jerusalem. Dieser hätte hohe
monatliche Beträge vom Dritten Reich
für die Rekrutierung von Moslems für
die SS erhalten. Falls es gelungen wäre,
Briten und Juden aus dem damaligen
Mandatsgebiet zu vertreiben, wäre
Husseini als Herrscher über den Staat
Palästina vorgesehen gewesen. Nach
dem Krieg ermöglichten ihm die Franzosen, die gute Beziehungen zu den
Arabern aufrecht erhalten wollten, die
Flucht nach Syrien. Außerdem arbeiteten hochrangige Nazis, die Deutschland verlassen hatten, später aus Berater arabischer Staatschefs.
Der Report zeigt überdies, dass es dem
US-Militär wichtiger war, verdächtige
Gruppierungen, wie politisch aktive
jüdische Flüchtlinge in Auffanglagern,
zu bespitzeln, als Nazis aufzugreifen
und zu bestrafen.
Großbritannien fördert die
Sicherheit an jüdischen Schulen
Bisher mussten die Eltern von Schülern jüdisch-konfessioneller Schulen
sich selbst um die Finanzierung der Sicherheit ihrer Kinder kümmern. Nun
unterstützt sie der britische Staat dabei.
Etwa US$ 1 Mio. erhalten die Schulen
vorab, weitere US$ 3 Mio. pro Jahr werden je nach Bedarf zur Verfügung gestellt. „Konfessionelle Schulen leisten einen
fantastischen Beitrag zu unserem Bildungssystem, gerade auch jüdische Schulen“, erklärt Unterrichtsminister Michael Gove.
„Schüler und Lehrer an diesen Schulen sollen sich dort sicher fühlen und es sollte ihnen
möglich sein in einer Umgebung ohne antisemitische oder rassistische Bedrohungen
lernen zu können.“
Oberrabbiner für Albanien
Rabbi Joel Kaplan, Chabad-Emissär in
Thessaloniki, Griechenland, übernahm
den neu eingerichteten Posten des albanischen Oberrabbiners. An der Angelobungszeremonie in Tirana nahmen
Israels sephardischer Oberrabbiner
Shlomo Amar, der stellvertretende Direktor des Rabbinischen Zentrums von
Europa, Rabbi Aryeh Goldberg, und dessen Mitbegründer Rabbi Gershon Mendel Garelik aus Mailand teil.
Ein Großteil der 200-300 albanischen
Juden war nach dem Fall des KommuDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
nismus vor 20 Jahren nach Israel ausgewandert. Heute leben nur noch geschätzte 40-150 Juden in Albanien.
von Venezuela waren in den vergangenen Wochen Regen und Überschwemmungen zum Opfer gefallen.
Europäischer Rat lehnt
Anti-Schächt Antrag ab
Im Zuge der Ausarbeitung eines neuen
europäischen Reglements zur Lebensmittel-Information hat der Rat der Europäischen Union nun einen kontroversiellen Vorschlag zur Auszeichnung
von koscherem Fleisch abgelehnt. Laut
diesem sollten alle Fleischprodukte aus
koscherer Schlachtung mit dem Vermerk „ohne Betäubung geschlachtet“ versehen werden. Über Monate hinweg
hatten sich der Verein Shechita UK und
der Europäische Jüdische Kongress gegen
diese Auszeichnung eingesetzt, denn
sie könnte einen massiven Einbruch
beim Absatz koscheren Fleisches verursachen. Etwa 70% davon werden von
nicht-koscheren Konsumenten erworben – diese wären durch den Vermerk
womöglich abgeschreckt worden.
Israelischer Kriegsfilm erhält
europäischen Filmpreis
„Libanon“, die Verfilmung der Kriegserinnerungen von Regisseur Samuel
Maoz, wurde im estnischen Tallin mit
zwei Filmpreisen ausgezeichnet. Auch
der polnische Regisseur Roman Polanski
durfte sich freuen: Sein Film „The
Ghost Writer“ über einen Journalisten,
der die Memoiren eines britischen Premierministers verfasst, erhielt fünf Auszeichnungen.
Nur Sabra Hummus in Princeton
Ein von pro-palästinensischen Studenten initiiertes Referendum an der Universität von Princeton, bei dem abgestimmt wurde, ob in der Mensa zusätzlich zu Hummus der Marke Sabra auch
eine Alternativmarke angeboten werden solle, fiel negativ aus. 1.014 Studenten stimmten dagegen, nur 699 dafür.
Das Princeton Komitee für Palästina
wollte damit die Möglichkeit schaffen,
eine nicht-israelische Marke konsumieren zu können, rufen sie doch zum
Boykott gegen Firmen auf, die Israels
Streitkräfte unterstützen. Sabra gehört
zur Hälfte der „Strauss Group“, die
offen für die IDF eintritt und Carepakete sowie Sportausrüstung für israelische Soldaten zur Verfügung stellt.
Schwere Regenfälle zerstören
Venezuelas jüdisches Erbe
Durch anhaltende, flutartige Regenfälle wurde das Dach des aus dem 19.
Jahrhundert stammenden Bethauses
im venezuelanischen Coro zerstört.
Die ersten jüdischen Siedler des Landes hatten das Gebäude als Ort des Gebetes und des Rückzugs verwendet.
Der lateinamerikanische Historiker
Rabbi Isidoro Aizenberg hatte das lange
vergessene Gebäude nach dem Studium alter Pläne wiederentdeckt und
dort auch einen Torah-Schrein und andere traditionelle Objekte gefunden.
Dutzende Menschen im Küstengebiet
Konvertiert Leo DiCaprio
zum Judentum?
Gerüchten zufolge könnte der USSchauspieler Leonardo DiCaprio für seine Langzeit-Liebe, das Topmodel Bar
Refaeli, zum Judentum konvertieren,
wenn die beiden heiraten, berichtet
die Londoner „Daily Mail“. Sein Interesse an Israel und dem Judentum hätte
sich in letzter Zeit deutlich verstärkt
und er hätte Refaeli bereits einige Male
in Israel besucht, so das Blatt.
Raul Castro: Kerzenzünden
mit Havannas Juden
Kubas Präsident Raul Castro entzündete anlässlich des diesjährigen Chanukka-Festes gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde Havannas Kerzen in
deren Hauptsynagoge. Dies war das
erste Mal seit zehn Jahren, dass ein kubanisches Staatsoberhaupt die Gemeinde besuchte. Etwa 1.500 Juden leben
derzeit in Kuba.
Dreidel-Rekord
618 Studenten, Mitarbeiter und Freunde der US-Yeshiva-Universität brachen
mit vereinten Kräften den bisherigen
Rekord im gleichzeitigen Dreidel-Drehen (541 im Jahr 2005). Organisiert
wurde der Event vom Verein „Studenten helfen Studenten“.
Wenn Eltern die Dates
ihrer Kinder aussuchen…
Eine neue jüdische Online-Dating-Seite
– TheJMom.com - lässt Eltern die möglichen neuen Partner für ihre Kinder
aussuchen. Haben sie einen passenden
Kandidaten oder Kandidatin gefunden,
können sie sich mit deren Eltern in Verbindung setzen und aufgetretene Fragen klären. Danielle Weisberg und ihr
Bruder Brad gründeten das außerge39
JÜDISCHE WELT • AUSLAND
Bon Jovi Konzert 2011 in Israel
Im Jahr 2011 dürfen israelische Fans
sich über ein Konzert der beliebten
US-Band Bon Jovi, anlässlich ihrer „The
Circle“-Welttournee, freuen. In den vergangenen Jahren haben einige sehr bekannte Musiker ihre Konzerte in Israel
abgesagt, nachdem pro-palästinensische Gruppierungen Druck auf sie ausgeübt hatten. Dafür kam Rod Steward
(Juni2010) ins Ramat Gan Stadium und
Deep Purple wird im kommenden Mai
zwei Konzerte in Israel geben.
Mehr als 50% der jüdischen Israelis
wollen keine Araber
Eine Umfrage des Israelischen Instituts
für Demokratie ergab, dass 53% von
Israels jüdischer Bevölkerung es begrüßen würden, wenn die Araber das
Land verließen. Weitere 86% sind der
Meinung, dass kritische Entscheidungen für den Staat von der jüdischen
Mehrheit getroffen werden sollten.
Gleichzeitig glauben 43% aller Israelis,
dass es für Israel genauso wichtig ist,
ein jüdischer Staat zu sein, wie ein demokratischer, während 31% denken, die
40
Bushs Enkelin heiratet
Sohn von Ralph Lauren
Das Model Lauren Pierce Bush, die
Tochter von Neil und Sharon Bush und
Nichte des früheren US-Präsidenten
George W. Bush, ist mit dem Sohn des
berühmten jüdischen Modedesigners
Ralph Lauren, David, verlobt und wird
diesen bald heiraten. (Der richtige Name des Designers lautet übrigens Ralph
Reuben Lifshitz.)
Jüdischer Friedhof von Brooklyn
geschändet
Auf einem jüdischen Friedhof im New
Yorker Stadtteil Brooklyn, dem Washington Cemetery, haben Vandalen
etwa 200 Grabsteine umgeworfen.
Nach den Tätern wird noch geforscht.
700 Sitzplätze und 30 Torahrollen aus
verschiedenen, längst geschlossenen
Synagogen befinden sich in dem antiken G tteshaus. Von der einst blühenden jüdischen Gemeinde Alexandrias
mit 50.000 Mitgliedern sind heute nur
noch weniger als 50 Personen übrig.
© Doron Horowitz/FLASH90
Erster Shabbat G ttesdienst
seit 50 Jahren
Der erste Shabbat G’ttesdienst in 50 Jahren wurde Ende November in der australischen Broken Hill Synagoge, nahe
der Grenze zu Süd-Australien, abgehalten. Mehr als 200 Juden aus Melbourne, Sydney und Adelaide waren
angereist, um das 100-jährige Jubiläum
der Synagoge zu begehen und am dem
G’ttesdienst teilzunehmen. Als das
G’tteshaus erbaut worden war, hatten
150 Juden in dem von Silberminen geprägten Ort gelebt, in den 1920ern und
30ern waren es bis zu 250. Nach dem
Zweiten Weltkrieg wanderten die meisten von ihnen in die Großstädte ab,
was dazu führte, dass die Synagoge
1962 geschlossen werden musste. Der
letzte Jude von Broken Hill starb im
Jahr 2005.
jüdische Komponente sei wichtiger. Nur
für 20% ist die demokratische Seite
wichtiger. 51% aller israelischen Bürger
sind für gleiche Rechte von Juden und
Arabern – hier zeigte sich allerdings,
dass die Bereitschaft zur Gleichberechtigung abnimmt, je orthodoxer die Befragten sind. Weiters ergab die Umfrage, dass 46% der jüdischen Bevölkerung
sich von den Arabern gestört fühlt, 39%
von Gastarbeitern, 23% von haredischen
Juden und 10% von Leuten, die den
Shabbat nicht einhalten.
Frühe Eröffnung
der israelischen Schisaison
Nach einem ungewöhnlich heftigen
Schneesturm, der fast eineinhalb Meter
Niederschlag brachte, konnte die Schisaison am Berg Hermon in Israel in diesem Jahr einen Monat früher als üblich, also bereits am 15. Dezember eröffnet werden. Das letzte Mal war dies
vor vier Jahren der Fall gewesen.
Erst im vergangenen Jahr war in Israel
so wenig Schnee gefallen, dass man
dort lediglich sechs Tage lang Schi fahren konnte.
©Mohammed Othman/Flash90
wöhnliche Dating-Portal, nachdem ihre
eigene Mutter darum gebeten hatte,
Brads Online-Dating-Profil sehen zu
dürfen und danach Stunden im Internet verbracht hatte, um eine adäquate
Partnerin für ihn zu finden.
Ägypten restauriert historische
Synagoge von Alexandria
Die 150 Jahre alte Eliyahu Hanavi Synagoge in Alexandria gehört zu den
wichtigsten Schauplätzen jüdischen Erbes in Ägypten und soll nun, gemeinsam mit zehn anderen jüdischen Stätten in ganz Ägypten, restauriert werden. Das Zentrum für Antiquitäten
und Umweltstudien der Universität
von Kairo wird das Projekt leiten.
Al-Kassam Pressekonferenz
„Israel kann zwischen Tod oder einer Evakuierung aus diesem Land wählen“, sagte
der Sprecher der fanatischen Hamas
Brigade Ezzedin Al-Kassam, Abu
Obeida. „Die Versuche des Feindes, eine
Eskalation der Lage herbeizuführen, werden wir nicht mit Schweigen beantwortet.
Wir haben inzwischen ein Arsenal von Raketen und anderen Geschoßen“, drohte
Obeida vor zahlreichen Journalisten aus
der ganzen Welt. „Wir haben begonnen,
unsere eigenen Waffen zu schmieden und
unsere Fähigkeiten unter extrem schwierigen Bedingungen weiterentwickelt.“
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
JÜDISCHE WELT • AUSLAND
Kissinger: Das Vergasen von Juden ist kein US-Problem
©National Archive
Bänder während der Untersuchungen
gegen Nixon entdeckte wurden diese
beschlagnahmt und in den vergangenen Jahren immer wieder Teile davon
veröffentlicht.
Sechs Monate später, während des Yom
Kippur Kriegs, weist Nixon Kissingers
Rat zurück, eine Waffenlieferung an Israel zu verschieben, um Ägypten zu
einem Friedensschluss bewegen zu
können. Unter anderem nennt Nixon
Israels dringenden Bedarf an diesen
Waffen als Grund dafür.
Die Amerikanische Versammlung von
Holocaust Überlebenden und ihren
Nachkommen verlangte nun in einem
offiziellen Statement eine Entschuldigung von Kissinger. Dieser arbeitet
auch heute noch als Berater sowohl
von demokratischen als auch republikanischen Regierungsmitgliedern als
auch für den Kongress. Nixon hatte die
Aufnahme der Gespräche im Weißen
Haus selbst angeordnet. Als man die
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Beschnittene
Leibgarde
VON
ULRICH W. SAHM
Der König der Zulus in Südafrika,
Goodwill Zwelithini,
62, hat mit einem offiziellen Ukas befohlen, dass sich die
Tausenden Mitglieder seiner königlichen Leibwache beschneiden lassen
müssen. Gekleidet in die traditionelle
Tracht, übergab der König den Befehl
feierlich an den israelischen Arzt Dr.
Inon Schenkar. Der König ersuchte bei
der Gelegenheit die Israelis, 80 Beschneidungs- kliniken in seinem Königreich einzurichten.
©eyethu
Auf erst kürzlich veröffentlichten Aufnahmen, die dokumentieren, wie tief
die Verachtung von Ex-US-Präsident
Richard Nixon gegenüber Juden und anderen Minderheiten ging, ist auch eine
sehr bedenkliche Aussage von Henry
Kissinger zu hören, dem damaligen Aussenminister. Nach einem Treffen mit
Israels Premierministerin Golda Meir
am 1. März 1973, bei dem Meir die USA
um Unterstützung bei der Befreiung
von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion bat, sagte Kissinger folgendes:
„Die Emigration von Juden aus der Sowjetunion gehört nicht zu den Zielen der amerikanischen Außenpolitik. Und wenn sie in
der Sowjetunion Juden in Gaskammern
schicken, ist das auch nicht die Angelegenheit der Amerikaner. Vielleicht eher ein humanitäres Anliegen.“ Darauf antwortet
Nixon: „Ich weiß. Wir können deswegen
nicht die Welt in die Luft jagen.“
Schon seit Monaten sind israelische
Ärzte und Krankenschwestern im
Rah- men der „Operation Abraham“
in Afrika unterwegs, Kliniken einzurichten, selber Männer zu beschneiden
und Ortskräfte in diese Operation einzuweisen.
Während Juden seit dreitausend Jahren, seit dem biblischen Abraham, Beschneidungen an Neugeborenen vornehmen, erwarben die israelischen
Ärzte infolge der Masseneinwanderung
von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion große Erfahrung auch in der Beschneidung von Erwachsenen. Viele der
eingewanderten Juden waren nicht beschnitten, wollten sich aber nach ihrer
Ankunft in Israel dem jüdischen Brauch
anschließen. Nachdem der König der
Zulus erfahren hatte, dass Beschneidung dazu beiträgt, die Ansteckungs-
Andere rassistische Aussagen des ehemaligen US-Präsidenten betreffen zum
Beispiel Afroamerikaner, die „500 Jahre“ brauchen würden, um den Entwicklungsstand der Weißen zu erreichen
oder die „aggressiven, grobschlächtigen
JTA
und widerlichen“ Juden.
Foto: Golda Meir, Richard Nixon und Henry
Kissinger im Oval Office, 1973
gefahr von HIV (Aids) zu mindern,
wandte er sich an die israelische Organisation „Jerusalem Aids Project“ mit
der Bitte, die Männer seines Stammes
zu beschneiden.
Das Projekt lief zunächst nur langsam
an, weshalb der König eine neue Aufnahmebedingung für Bewerber an der
königlichen Leibgarde aufgestellt hat:
sie müssen beschnitten sein. „Es handelt
sich um kräftige junge Männer im Alter
zwischen 17 und 24“, zitiert die israelische Zeitung Jedijot Achronot den Arzt
Schenkar. Da es in Afrika jedoch kaum
Expertise in diesem medizinischen Bereich gibt, wurde Israel um Entwicklungshilfe gebeten.
Im September geriet der traditionsbewusste, seit 1971 über das Volk der Zulus herrschende Monarch, selber mit
fünf Frauen verheiratet, in der internationalen Presse in die Kritik. Er hatte ein
Verbot erlassen, einen Jungfräulichkeitstest an 25.000 (fünfundzwanzigtausend) jungen Mädchen zu fotografieren. Der Test ist Teil des jährlichen
uMkhosi WoMhlanga Festes in Nongoma,
der KwaZulu-Natal Provinz, bei dem
die Jungfrauen barbrüstig vor dem König tanzen. Menschenrechtsgruppen
hatten gegen diese Jahrhunderte alte
Sitte protestiert, während der König
meinte, dass der Jungfrauentest auch
dazu diene, gegen die Ansteckung
durch HIV und frühzeitigen Sex anzukämpfen. Wie südafrikanische Zeitungen und der britische Guardian berichteten, habe sich der König darüber beklagt, dass Fotos der Zeremonien ins
Internet gelangt seien. Das untergrabe
die uralte Kultur der Zulus.
•
41
KULTUR • LITERATUR
ES HÄTTE SO
SEIN KÖNNEN
Was darf ein Mensch, was muss ein
Mensch, um Leben zu retten und sei es
nur ein einziges? Eine letztlich unlösbare
moralische Frage, so sieht es Robert Schindel in seinem neuen Buch, dem Lesedrama „Dunkelstein“. Im Zentrum steht
das Dilemma eines Wiener Rabbiners in
der NS-Zeit, seine Entscheidung zwischen
„Nichtsein und Nichtsein“. Als „Realfarce“ bezeichnet es Schindel, weil er mit
Dunkelstein an die noch immer umstrittene historische Figur Benjamin Murmelstein erinnert, der mit den Nazis kooperierte. Über Facts & Fiction in seinem
Stück, dessen Bezüge zu seiner eigenen
Überlebensgeschichte und warum es bis
jetzt nicht zur Aufführung gelangte, ein
Gespräch mit dem Autor. VON
ANITA POLLAK
KULTUR
Gemeinde: Warum gerade jetzt dieses
Stück? Murmelstein ist ja seit vielen Jahrzehnten ein Thema und scheint zumindest
wissenschaftlich aufgearbeitet.
Robert Schindel: Es ist vielleicht ein
bisschen absurd, aber ich bestehe darauf, dass es sich bei Saul Dunkelstein
nicht um Benjamin Murmelstein handelt, wenn er auch seinem Vorbild in
manchen Dingen nachgebildet ist. Er
hat auch ganz unterschiedliche Züge.
Was mich interessiert hat ist etwas Archaisches, dieser Zwang, sich zwischen
zwei unmöglichen Dingen entscheiden zu müssen. Das ist natürlich auch
ein dramatischer Stoff erster Klasse
und da ich außerdem von der Familiengeschichte her vertraut bin mit dem
Problem, das z.B. so genannte „Funktionshäftlinge“ in den Lagern hatten soll man die eigenen Leute schützen
und damit andere preisgeben - ist mir
dieses Problem sich zwischen Pest und
Cholera entscheiden zu müssen, von
früh auf durch Erzählungen und Diskussionen bekannt. Das wollte ich einmal auf einen literarischen Begriff
bringen.
Zu diesem historischen Hintergrund gibt
es im Stück auch noch viele autobiografi42
©Konrad Holzer
Robert Schindel über sein Drama
„Dunkelstein“
sche Bezüge. Da geht es z.B. um einen
Säugling, der letztlich sogar von Dunkelstein gerettet wird, offenbar Anklänge an
Deine eigene Überlebensgeschichte.
Ich habe einige Sachverhalte über mein
eigenes Schicksal erfahren, so die Namen meiner beiden Lebensretterinnen
und wo ich zum Schluss untergebracht
war, dass ich fast noch nach Theresienstadt gekommen wäre. All das ist 40
Jahre im Dunkeln gelegen, denn meine
Biografie war lange durch die Kommunistische Partei verfälscht. Die haben gemeint, ich wäre als asoziales
Kind unbekannter Eltern bei der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt
abgegeben worden. Das wurde auch
meiner Mutter gesagt, die das nicht
nachgeprüft hat, sondern froh war,
mich nach dem Krieg gefunden zu
haben. Tatsächlich war ich aber im jüdischen Spital. Das hat sich erst aus
dem Tagebuch der jüdischen Krankenschwester Mignon Langnas, die
1938 bis 1945 im jüdischen Kinderspital gearbeitet hat, ergeben. Da gibt es
eine Notiz über mich unter meinem
falschen Namen Robert Soel, die dokumentiert, dass ich dort war. Die Vermutung war schon nahe, weil Franzi
Löw-Danneberg mich im Auftrag der
Gestapo aus Linz geholt hat, als meine
Eltern verhaftet worden sind und als
man mich nicht mehr gebraucht hat
als Druckmittel gegen meine Eltern,
hat mich Franzi Löw bei der jüdischen
Gemeinde abgegeben, wo ich auf den
Abtransport hätte warten sollen. Sie
hat mich aber, weil ich krank war, ins
jüdische Kinderspital gebracht, wo ich
auch den Krieg überlebt habe. Das
wurde dokumentiert und seither weiß
ich das und das war auch ein Anlass,
diesen Stoff zu verwenden.
Konntest Du Dich noch bei Deinen Retterinnen bedanken?
Nein, ich hab leider beide nicht mehr
kennen gelernt. Bei Franzi Löw, sie ist
die Esther in meinem Stück, bin ich erst
nach ihrem Tod 1999 darauf gekommen,
was sie für mich gemacht hat, und Mignon Langnas, die mich geschützt hat,
ist schon 1949 in Amerika gestorben.
Jetzt ist gerade der Band mit ihren Tagebüchern und Briefen erschienen.
Warum ist dieser Stoff gerade ein Theaterstück geworden?
Ein Anlass war, dass mir Schottenberg
(Direktor des Volkstheaters) einen Stückauftrag gegeben hat. Mich hat das
Überleben der Juden in Wien interessiert und so bin ich auf den Judenrat
gekommen. Doron Rabinovicis Buch
darüber „Instanzen der Ohnmacht“ hat
mich sehr fasziniert und so bin ich bald
bei der Figur von Murmelstein gelandet, weil der so umstritten war. Ich
hab dann einige Leute befragt, darunter Arik Brauer und Georg Stefan Troller, dessen Religionslehrer Murmelstein
war, und hab mit Willy Stern geredet,
als er noch gelebt hat. Er ist der Willy
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
KULTUR • LITERATUR
Klang in meinem Stück. Das hat sich
dann sukzessive entwickelt und ist
letztlich mein finsterstes Kind geworden. Ich lege aber trotzdem darauf wert,
dass es ein Stück Literatur ist und keine
Dokumentation.
Viele Figuren sind aber auch zeitgeschichtlich identifizierbar. Linde erinnert an Eichmann, Leonhardt an Löwenherz, den tatsächlichen Direktor der Kultusgemeinde
zu dieser Zeit. Man könnte es also als ein
Schlüsseldrama lesen. Diese faktische Grundierung war Dir offenbar doch wichtig.
Der Grundsatz war, dass es so hätte sein
können. Gewisse Szenen haben sich
wirklich so abgespielt, die sind zum
Teil schon von Doron recherchiert worden. Viele Dinge der Familie Winter,
das ist die Familie meiner Großeltern,
sind so überliefert, meine Mutter spielt
als Gisela eine gewisse Rolle. Im Stück
kommt sie um, in Wirklichkeit hat sie
aber überlebt. Manche Figuren haben
also Vorbilder, aber mit einer gewissen
literarischen Freiheit.
Diese literarische Freiheit gibt Dir ja auch
die Freiheit, Dich eines Urteils zu enthalten.
In einem historischen Stück müsstest Du
ja Position beziehen. Hier kann oder muss
sich der Leser oder Zuschauer sein eigenes
Urteil bilden.
Genau, aber diese Freiheit dient auch
dazu, die Figuren anschaulich und
sinnlich werden zu lassen, damit man
nicht in den Fakten „ersäuft“, wie Döblin das einmal genannt hat. Meine
Aufgabe war es, dieses verzweifelte
Drama darzustellen, das Juden in Wien
erlitten haben. Deswegen hab ich mir
ja auch Texte aus der „Tante Jolesch“
ausgeborgt, um an den jüdischen Witz
vor dem Krieg zu erinnern und dadurch
den Kontrast drastischer zu machen.
Seit dem Roman „Gebürtig“ bis jetzt zu
„Dunkelstein“ arbeitest Du Dich an der
Vergangenheit ab. Lässt Dich dieses Thema
denn nicht los?
Es lässt mich los, um mich woanders
hin zu bringen, was aber mit dem, was
mich losgelassen hat, verwandt ist. Ich
schreibe schon seit langem an dem
Roman „Der Kalte“, der im Wien der
Jahre 1985 - 1989 spielt. Also die drei
großen Kämpfe um einen Präsidenten,
um ein Theater und um ein Denkmal.
Und gleichzeitig die Geschichte eines
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
Mannes, der im Lager seine Gefühle
verloren hat und daher kalt geworden
ist, als Zeitzeuge mit diesen erloschenen
Gefühlen herumläuft und versucht, sich
in die moderne Zeit zu integrieren. Es
ist also ein Panorama-Roman, der wiederum zeigt, wie die Vergangenheit in
die Gegenwart eingreift. Das ist offenbar mein Thema.
Glaubst Du, dass es noch ein Publikumsinteresse an der Holocaust-Thematik gibt?
An der Holocaust-Problematik nicht,
aber daran, was im Hintergrund dieser Problematik steht, nämlich wie
überhaupt jede Art von Vergangenheit
Gegenwart und Zukunft bestimmt.
Dieses Thema interessiert mich und
das hat bei mir aus biografischen Gründen mit der Shoa zu tun. Es gibt aber
auch andere Vergangenheiten, die sich
Bahn brechen in der Gegenwart.
Hast Du auch so etwas wie eine Überlebensschuld mit diesem Stück abgetragen?
Nein, für eine solche Überlebensschuld
war ich zu klein. Im Gegenteil, ich
halte mich für einen Glückspilz. Ich
hab überlebt, bin nicht auf die schiefe
Bahn geraten, konnte Schriftsteller werden, mein Leben bewältigen. Das war
alles in meinen Zwanziger- und Dreißiger-Jahren sehr prekär, ich war doch
gefährdet und bin mir im Nachhinein
oft vorgekommen wie der Reiter überm
Bodensee.
Wie bist Du bei diesem Weg mit Deiner
jüdischen Identität umgegangen?
Ich wusste, dass ich Jude bin, auch die
Leute haben mich für einen Juden gehalten, aber ich wusste nicht, was es
bedeutet. Ich hatte mit 17 meine ersten
großen jüdischen Einflüsse gleichzeitig mit der Ablösung von zu Hause.
Meine Mutter hat das Judentum ja für
eine Religionsgemeinschaft gehalten
und wollte nichts damit zu tun haben.
Aber sie hat meinen Weg akzeptiert.
Sie ist vom halborthodoxen Elternhaus zum Kommunismus gekommen
und ich bin den umgekehrten Weg gegangen. Zwar nicht zum orthodoxen,
aber doch zum bewussten Judentum
zurück.
„Dunkelstein“ wurde als Theaterstück vom
Volkstheater für 2009 angekündigt. Warum
ist es nicht zur Aufführung gelangt?
Da müsste man Direktor Schottenberg
fragen. Er hat gesagt, es ist ihm zu
groß und zu schwer und bei diesem
Stoff zu riskant für den großen Zuschauerraum und er will daher eine
Koproduktion mit wem auch immer.
Laut Vertrag sollte daher einen Ko-Partner gesucht werden. Wenn bis 2011
nichts passiert, fallen die Rechte an den
Suhrkamp-Verlag zurück, dann ist das
Stück wieder frei.
Robert Schindel
„Dunkelstein“.
Eine Realfarce.
Mit einem Nachwort von
Doron Rabinovici
Haymon-Verlag, € 17.90
ZUM AUTOR
Robert Schindel wurde als Kind jüdischer Kommunisten 1944 in Oberösterreich geboren. Er überlebte in Wien,
sein Vater kam im KZ Dachau um,
seine Mutter überlebte Auschwitz und
kehrte 1945 nach Wien zurück, wo sie
ihren Sohn fand.
Als Student engagierte sich Schindel
in maoistischen Kreisen und war Mitbegründer der „Kommune Wien“.
Nach zahlreichen Jobs gelang ihm mit
seinem Roman „Gebürtig“ 1992 der
Durchbruch als Schriftsteller. 2001 verfilmte er ihn gemeinsam mit Lukas Stepanik. Es folgten der Roman „Kassandra“ und vor allem Lyrikbände Thematisch ist sein vielfach ausgezeichnetes
Werk von der Shoah und Österreichs
unbewältigter Vergangenheit dominiert.
Schindel fördert seit Jahren literarische
Nachwuchstalente und lehrt seit 2009
an der Universität für Angewandte
Kunst in Wien.
Die internationale jüdische
EHE-PARTNER-VERMITTLUNG
Weber José
PF 180182
D-60082 Frankfurt a.M.
Telefon +49/69-597 34 57
+49/17/267 14940
Fax +49/69-55 75 95
eMail: [email protected]
www.simantov.de
43
KULTUR • LITERATUR
„Mein Herz
ist eine große
blutende Wunde“
„Mignon“ – Eine jüdische
Krankenschwester im Nazi-Wien
VON
ANITA POLLAK
Nur selten noch erreicht uns eine Flaschenpost. Jahrzehnte unterwegs,
Ewigkeiten verborgen. Die Tagebücher
und Briefe einer jungen Frau sind nach
über 60 Jahren nach Wien „zurückgekehrt“. In Wien ist sie durch die Hölle
gegangen und hier gebliebent, um anderen beizustehen, während ihre Familie in Amerika auf sie gewartet hat.
„Mignon“, eines der erstaunlichsten
und menschlichsten Dokumente aus
der unmenschlichsten Zeit, wurde im
Beisein ihrer Kinder und Kindeskinder,
von Nachfahren der wenigen Überlebenden, Mitte Dezember im Wiener
Jüdischen Museum präsentiert. Über
700 Seiten an Tagebüchern und Korrespondenz hat die Herausgeberin Elisabeth Fraller aufgearbeitet, kommentiert, detektivisch nachrecherchiert und
historisch eingeordnet.
Übermüdet vom Dienst im Spital, wo
sie mit wenigen Mitteln vielen geholfen
hat, von der Pflege ihrer alten kranken
Eltern, hat die jüdische Krankenschwester Mignon Langnas in kurzen, dunklen
Nächten geschrieben. Lange Briefe voller Sehnsucht und Sorgen an ihre
Schwestern, ihre Cousine, ihren Mann
und ihre beiden Kinder, die sie in Sicherheit wusste, und an Menschen,
deren Schicksal ebenso ungewiss war
wie das ihre. Ihren Tagebüchern vertraute sie ihre Schmerzen, ihre Ängste,
ihr Leid, ihre Hoffnungen und ihre
Träume an. Zwei Hefte mit schwarzem Umschlag hat ihr Sohn George
Jahrzehnte nach dem Tod seiner Mutter von seiner Tante ausgehändigt bekommen. Tagebücher aus den Jahren
1939-1940 und 1945-1946. Die dazwischen liegenden Aufzeichnungen sind
verloren gegangen, als Mignons Wiener
Wohnung ausgebombt wurde. Briefkonvolute tauchten auf, in den Wohnungen verstorbener Adressaten.
Mein Herz ist eine grosse blutende Wunde
+ meine Augen sind schon halbblind vom
Heulen. (… ) ich verstehe gar nicht, dass
44
so viel Leid die Welt nicht ein kleines, kleines Weilchen zum Stehen bringen kann;
schreibt Mignon 1942 ihrer Cousine in
die Schweiz.
Davor lagen Jahre mit nervenaufreibenden Kämpfen um Auswanderung,
nachdem ihrem Mann Leo die Flucht
letztlich geglückt war. Er war an Bord
der St. Louis gewesen, jenes Schiffes
mit jüdischen Emigranten, dem 1939
in Kuba die Landung verwehrt wurde
und das wieder nach Europa zurückkehren musste. Von England aus gelangt er schließlich nach New York, die
beiden kleinen Kinder des Paares, Manuela und Georg, sind bereits dort, in
der Obhut von Verwandten.
Mignon bleibt in Wien. Ihr Entschluss,
die Eltern nicht zu verlassen, ist auch für
die Ehe ein Härtetest. Mit Unverständnis und Eifersucht reagiert Leo auf Mignons Zögern, der Familie nachzufolgen, bis es schließlich zu spät ist. So
wird Mignon Krankenschwester im
Dienst der Kultusgemeinde unter deren Amtsdirektor Josef Löwenherz und
ist als solche zumindest vor dem Abtransport ins KZ geschützt. Diese
schwere Aufgabe wird ihr Lebensinhalt, ihre Daseinsberechtigung. Robert
Schindel, damals unter dem Decknamen Robert Soel, war einer ihrer
Schützlinge. („A Dank“ hat er jetzt als
Vorwort abgeliefert).
Eine starke, todesmutige, tapfere Frau,
die ihren Weg ging, aber dennoch von
Zweifeln geplagt war, dieses Bild Mignons entsteht aus ihren Aufzeichnungen. Aufgewachsen in einem jüdischorthodoxen Elternhaus, die Familie war
1914 aus Galizien nach Wien eingewandert, verlässt sie der Glaube an Gott nie,
ja auch in größter Not fühlt sie sich als
„Auserwählte“, die helfen darf. ich
muss Gott fragen, wieso ich diese Gnade
verdiene.
Wie lebensgefährlich diese Gnade war,
spiegeln zahlreiche verschlüsselte Briefe an die Verwandtschaft. Für das NSRegime erfindet sie darin den Codenamen „Robert“ - ein Scheusal, sie kenne
sein brutales Wesen und wisse, wozu er
fähig sei.
Mit Kriegsende ist Mignons Kampf
noch nicht vorüber. Nach der ersten
Euphorie bebt sie in den Bombenruinen
vor den Befreiern und auf der russischen Kommandantur kommt ihr 1945
die schreckliche Erkenntnis: der Antisemitismus ist eine eingefleischte Sache – den
Juden mögen sie alle nicht + die Bevölkerung hat keine Spur einer Schuld – wie
soll also Läuterung kommen?
Im Displaced Persons Lager in Deggendorf stirbt sie wenige Monate später beinah an Typhus und verfasst ihr
Testament. Ich bitte sehr, dass an meinem
Grabe Kaddisch gesagt wird.
Nur vier Jahre und die nicht spannungsarme Wiedervereinigung mit
ihrer Familie sind ihr noch vergönnt.
46 jährig stirbt sie 1949 in New York.
Und erst jetzt ist ihre Flaschenpost angekommen. Sie wird niemanden unberührt lassen.
Elisabeth Fraller/
George Langnas (HG.)
„Mignon“ .
Tagebücher und Briefe
einer jüdischen
Krankenschwester
in Wien 1938-1949
Studienverlag. € 29.90
Oberösterreich und Israel unterzeichneten Kulturabkommen
Das Land Oberösterreich und der Staat Israel haben ein Kulturabkommen
unterzeichnet. Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer
(V) und der stellvertretende Generaldirektor für Kultur und Wissenschaft
Alon Bar besiegelten das Abkommen im israelischen Außenministerium.
Es soll bis 2015 einen Austausch der Kontakte zwischen öffentlichen und
privaten Institutionen in den Bereichen Festival, Musik und Tanz, Museen
und Ausstellungen sowie den Austausch von Kultur- und Kunstexperten
ermöglichen. Damit wurde eine 2004 abgeschlossene und heuer endende
Vereinbarung verlängert.
Für die kommenden Jahre sind neben der Fortsetzung der bisherigen Aktivitäten unter anderem einen Schüleraustausch im Bereich der Hochbegabtenförderung, eine Kooperation der Gedenkstätten Hartheim und Yad
Vashem im Bereich Pädagogik sowie eine Zusammenarbeit oberösterreichischer Fachhochschulen mit israelischen Einrichtungen bei den Themen
Umwelttechnik und erneuerbare Energien vorgesehen.
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
KULTUR • KOLUMNE
Überall & Nirgendwo
P. Weinberger
Am 18. November 2010 fand in den Räumlichkeiten der
Albertina der erste Cercle der Forschungsgesellschaft Kunst
und Recht statt. Zum Thema „Kunstrückgabe in Österreich“. Eingefunden zu dieser Veranstaltung, in der das
Hauptreferat der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs,
Clemens Jabloner, hielt, hatte sich - außer in der Öffentlichkeit wohlbekannte mit Kunstrestitution beschäftigte
Juristen - ein überraschenderweise überwiegend jugendliches Publikum.
Natürlich ging es im Hauptreferat zunächst einmal
darum, eine Art Entstehungsgeschichte der Kommission
für Provenienzforschung1, des Bundesgesetzes über die Rückgabe
von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen
und Samm- lungen2 aus dem Jahre 1998, sowie dessen Novellierung3 2009 anzudeuten und den Unterschied zu den
davor geltenden Gesetzen4 wie zum Bespiel das Ausfuhrverbotsgesetz hervorzuheben und vor allem, um auf den
Paradigmenwechsel von „Holschuld“ zur „Bringschuld“
hinzuweisen. „Bringschuld“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Bestände der Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen durch die Kommission für
Provenienzforschung systematisch und lückenlos in Hinblick auf Kunstgegenstände, „die im Zuge oder als Folge der
NS-Gewaltherrschaft in das Eigentum des Bundes gelangt
sind“, zu überprüfen sind.
Die Ergebnisse der Forschungen werden, wie Jabloner
ausführte, in Dossiers zusammengefasst und dann dem
Kunstrückgabebeirat vorgelegt, dessen Vorsitzender er ist
und in dem u.a. jene Bundesministerien vertreten sind, in
deren Ressortbereich die entsprechenden Sammlungen
eingerichtet sind. Dieser Beirat verfasst dann Empfehlungen5 an den Bundesminister für Unterricht, Kunst und
Kultur, dem die endgültige Entscheidung über die Rückgabe eines bestimmten Kunstgegenstandes obliegt. Auf
diese Weise sind bisher über 350 Dossiers zu bedenklichen Erwerbungen erstellt worden und haben zur Rückgabe von etwa 10 000 Objekten geführt.
Soweit die Fakten und die Rechtslage. Allerdings, wie Jabloner besonders betonte, kommt es auf dem Weg von
der Kommission zum Beirat zu einem Wechsel von Kategorien, nämlich von der Kategorie der Tatsachen (Kommisson) zur Kategorie der normativen Bewertung, da im
Beirat eine juristische Entscheidung über einen Sachverhalt getroffen werden muss. Eigentlich keine Entscheidung,
sondern bloß eine Empfehlung zum Aussprechen einer
Entscheidung. Der Weg über den Beirat bis zum Minister
ist demnach „soft law“, wie er meinte, unter Hinzufügung
der Warnung, dass es „in der normativen Welt keine reinen
Tatsachen“ gibt.
Zusätzlich zur Problematik von „soft law“ gesellt sich überdies die „Amtswegigkeit und relative Formlosigkeit des Verfahrens“. Gerade diese Formlosigkeit war Gegenstand der
Kritik in der anschließenden Diskussion durch anwesende
Rechts- anwälte, nicht jedoch von ebenfalls anwesenden
Verfassungsjuristen, wie z.B. Prof. Öhlinger. Der praktische Grund für die Formlosigkeit, wie an Ort und Stelle
Dezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
zugeben wurde, liegt in der Vermeidung eines förmliches
Verfahrens, die bekanntlich den Ablauf eines Verfahrens
ganz wesentlich verzögern würde, da dann auch ein Instanzenweg einzurichten ist. Als Verwaltungsjurist gesprochen, meinte er, nicht ganz empfehlenswert.
Bemerkenswert war auch seine persönliche Einstellung zur
Sammlung Leopold-Stiftung, selbstverständlich sorgfältig
mit einem Konjunktiv versehen: „Die Leopold-Stiftung fällt
nicht unter das Kunstrückgabegesetz, weil es sich hier nicht um
Vermögen der Republik Österreichs handelt. In der Leopold-Stiftung steckt allerdings sehr viel öffentliches Geld, sodass die Überlegung nahe liegt, dass der restitutionspolitische Maßstab, den die
Republik Österreich bei sich anwendet – und auch auf alle Länder
und viele Gemeinden – für die Stiftung Geltung haben sollte“.
Zum Schluss seiner Ausführungen wählte Jabloner noch
einige Beispiele aus bereits erledigten Verfahren, um bestimmte Aspekte der entsprechenden Empfehlungen –
positive, sowohl als auch negative - durch den Beirat zu
belegen.
Eine längere Kontroverse entzündete sich natürlich an der
personellen Besetzung des Beirats, da u.a. die Neutralität
der Ministeriumsvertreter in Zweifel gezogen wurde. Die
Feststellung, dass diese „sine ira er studio“ zu handeln hätten, schien die Zweifler jedenfalls kaum zu besänftigen. Die
schon während seines Referats durch Zwischenbemerkungen einsetzende Diskussion, endete letztlich recht friedlich, mit dem Versprechen der auf beiden Seiten Betroffenen „juridisch“ aufeinander zugehen zu wollen.
Ein besonders interessanter Teil dieses ersten Cercles der
Forschungsgesellschaft Kunst und Recht stellten die Beiträge eines deutschen Referenten und eines solchen aus
der Schweiz dar. Dabei wurde ziemlich rasch klar, dass es
in der Schweiz offensichtlich nicht einmal rudimentäre Ansätze zu „soft law“ gibt und dass in Folge Ländergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland die Verhältnisse bestensfalls als sehr verwirrend zu bezeichnen sind.
Als Zuhörer habe ich das Referat und die anschließende Diskussion mit großem Interesse verfolgt. Ich muss gestehen,
ich habe nicht gewusst, dass es außer Österreich kein weiteres Land mit einem eigenen Kunstrückgabegesetz gibt.
In manchen Ländern, wie in den USA, unterliegt selbst
Provenienzforschung keinen gesetzlichen Auflagen. Ich
habe daher – mit etwas mehr Wissen ausgestattet – den
allerletzten Sitzungsbericht6 der Rückgabekommission unlängst besser verstanden, in dem es u.a. um „Beständen
aus dem im Eigentum von Salomon Kohn gestandenen Postkartenverlags Brüder Salomon Kohn“ ging und die Rückgabe
von 69 Fotografien aus den Sammlungen des Österreichischen Theatermuseums empfohlen wurde. Auch, weil
ich Teile der Familie Kohn kenne und es sich nicht immer
um von Rechtsanwälten umritterte Gegenstände in der
„Mehreren-Millionen-Euro-Klasse“ mit Printmedienbegleitung handeln muss.
1
http://www.provenienzforschung.gv.at/
http://www.provenienzforschung.gv.at/index.aspx?ID=27&LID=1
3
http://www.provenienzforschung.gv.at/index.aspx?ID=63&LID=1
4
http://www.provenienzforschung.gv.at/index.aspx?ID=29&LID=1
5
diese Empfehlungen sind unter http://www.provenienzforschung.gv.at/
index.aspx?ID=25&LID=1 jeweils nachlesbar.
6
APA, OTS0204 5Kl 0292 MUK0002 Cl, 26. November 2010
2
45
JUDENTUM
Bräuche und Traditionen im jüdischen Lebenszyklus
von Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister
AM ANFANG (2)
Während Buben in allen jüdischen
Traditionen ihren Schem Kodesch, d. h.
ihren hebräischen Namen - mit dem
sie ab ihrer Bar Mitzwa (religiöse Volljährigkeit) zur Torah aufgerufen werden und auch in allen anderen halachisch (religionsgesetzlich) relevanten
Bereichen genannt werden - bei ihrer
Bris Mila (Beschneidung) erhalten, bekommen Mädchen ihren Schem Kodesch wenn der Vater anlässlich ihrer
Geburt in der Synagoge zur Tora aufgerufen wird. In vielen sephardischen
und manchen osteuropäischen Gemeinden findet dies am ersten Schabbat nach der Geburt des Mädchens
statt, gemäss der aschkenasischen Tradition jedoch erst am Schabbos Joledes,
dem ersten Schabbat, an dem die Mutter, nachdem sie sich von den Strapazen der Geburt erholt hat, selbst auch
wieder in die Synagoge kommen kann
– gemäss dem ursprünglichen Brauch
erst nach vier Wochen, d. h. traditionellerweise am vierten Schabbat nach
der Geburt des Kindes, sowohl bei
einem Mädchen, als auch bei einem
Buben.
Die Notwendigkeit der Anwesenheit
der Mutter wird von den aschkenasischen Autoritäten damit begründet,
dass diese Allija (Aufrufung zur Toravorlesung) des Vaters den Ersatz der
beiden Opfer symbolisiert, welche zur
Zeit des Tempels in Jerusalem jede
Frau nach einer Entbindung darbringen musste: das Korban Toda (Dankopfer) und das Korban Joledes (Opfer der
Wöchnerin). Wenn der Vater die Segenssprüche vor und nach der Toravorlesung spricht, sollte er genau
daran denken und dem Lieben G-tt, in
Vertretung seiner Frau, die sich ebenfalls darauf konzentriert, seine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Er
sollte mehr als sonst darauf achten
jedes Wort dieser Brachot (Segenssprüche) laut und deutlich auszusprechen,
damit die Mutter des Kindes von ihrem
Platz aus jedes Wort verstehen und sie
mit „Amen“ beantworten kann. Da es
46
sich jedoch bei dieser Allija lediglich
um eine symbolische Erinnerung an
die beiden Tempelopfer handelt, findet sie am Schabbos Joledes statt und
nicht an den für diese Opfer in der Tora
(Vajikro 12:1-8) eigentlich vorgeschriebenen Tagen. (Diese Allija eines Vaters
hat Vorrang vor anderen Chijuwim (jemand der aus einem bestimmten Anlass zur Toravorlesung verpflichtet ist),
wie einem Bräutigam oder einem Bar
Mitzwa, und der Vater eines neugborenen Mädchens hat Vorrang vor dem
Vater eines neugeborenen Buben, der
ja bereits am Schabbat vor der Bris Mila
zur Tora aufgerufen worden war.)
Nach dieser Lesung aus der Tora ist es
üblich, dass der Vater sich zu einer
zweckgebundenen Spende für die Erhaltung der Synagoge verpflichtet, sozusagen anstelle der Kosten für die
beiden erwähnten Opfer wenn es das
Beit HaMikdasch (Jerusalemer Tempel)
heutzutage noch geben würde. Daraufhin folgt, je nachdem ob es sich
um die Geburt eines Buben oder die
Geburt eines Mädchens handelt, ein
jeweils unterschiedliches Mi Scheberach (Segensgebet) für die Mutter des
Babies - wobei das Mi Scheberach für
die Mutter eines Mädchens eine spezielle Formulierung für die Namensgebung beinhaltet. So wie bei der
Namensgebung eines Buben bei seiner
Bris Mila, flüstert der Vater eines Mädchens an dieser Stelle dem Rabbiner
leise den zuvor mit der Mutter vereinbarten Namen zu, der ihn daraufhin
für alle hörbar laut verkündet.
(Gemäss der spanisch-portugisischen,
der italienischen, der deutschen und
der französischen Tradition ist es üblich, dass die Mutter am Schabbos Joledes das neugeborene Kind mit in die
Synagoge bringt – vorausgesetzt die
Gemeinde verfügt über einen Eruv –
wo es vom Rabbiner mit dem biblischen Birkat Kohanim (Priestersegen)
gesegnet wird. In beinahe allen sephardischen Gemeinden spricht die Mutter
nach der Geburt eines Babies den Birkat HaGomel - den Segen, der immer
dann gesagt wird, wenn man eine lebensbedrohliche Situation unbeschadet
überstanden hat; dieser Segensspruch
kann jedoch nur in der Anwesenheit
eines Minjan (Quorum 10 erwachsener
jüdischer Männer) gesagt werden.
Manche folgen dem Brauch, wonach
der Vater des Babies Birkat HaGomel in
Vertretung seiner Frau spricht. In aschkenasischen Gemeinden wird Birkat
HaGomel nach der Geburt eines Kindes
im Allgemeinen nicht gesagt, weder
von der Wöchnerin, noch von ihrem
Mann an ihrer Statt, es sei denn es war
während der Geburt zu Komplikationen gekommen, die das Leben der
Mutter oder des Kindes vorübergehend ernsthaft in Gefahr brachten.
Bereits aus der Zeit von Raschi (10401105) und Rabbi Jehuda HaChassid
(1140-1217) ist der in traditionellen Familien bis heute gepflegte aschkenasische Brauch bekannt, Kindern nicht
nur einen hebräischen Schem Kodesch
(wörtl.: „heiliger Name“), sondern zusätzlich einen jiddischen, jüdisch-deutschen oder hochdeutschen Schem Chol
(wörtl.: „säkularer Name“) zu geben.
Häufig findet der aus Tanach (jüdische
Bibel) oder Talmud stammende Schem
Kodesch, den Buben bei ihrem Bris und
Mädchen am Schabbos Joledes bekommen, ausschliesslich im synagogalen
Bereich, beziehungsweise in Heiratsdokumenten Verwendung, während
der Schem Chol als alltäglicher Rufname
benutzt wird. Der Schem Chol ist entweder die Übersetzung des Schem Kodesch, wie „Rosa“ für Schoschana oder
„Hirsch“ für Zwi; eine symbolische Referenz zur Bedeutung des Schem Kodesch, wie „Leijb“ (=Löwe) für Jehuda
oder „Wolf“ für Binjamin; eine umgangssprachliche Modifikation des
Schem Kodesch, wie „Itzig“ für Jitzchak,
„Salman“ für Schlomo oder „Schmelke“
für Schmuel; oder aber auch eine germanisierte oder romanisierte Neuschöpfung einer bestimmten BedeuDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
JUDENTUM
Manche pflegen den Brauch, dass zu
diesem Anlass zehn jüdische Erwachsene ins Haus des Neugeborenen
kommen, die gängigere Tradition ist
jedoch, bei einem neugeborenen
Buben alle Buben der Gemeinde, bei
einem neugeborenen Mädchen alle
Mädchen der Gemeinde, die noch
nicht Bar beziehungsweise Bat Mitzwa
sind, einzuladen an dieser feierlichen
Zeremonie teilzunehmen.
tung, wie die Namen Selig, Bluma oder
Schprinza (von ital. Speranza = Hoffnung).
(Diese zwar mehr oder weniger eingedeutschten, jedoch nach wie vor dezidiert jüdischen Chol-Namen sind nicht
mit den nicht-jüdischen Namen zu
verwechseln, die seit der Emanzipation der europäischen Juden für zivile
und staatliche Angelegenheiten verwendet werden und seitdem häufig
auch als Rufnamen dienen, manchmal
sogar mit Bezug auf den jüdischen
Namen gewählt werden, wie beispielsweise „Felix“ für Ascher oder Baruch,
„Friedrich“ für Schalom, oder „Max“ für
Mosche. Die Verwendung dieser Namen hat nichts mit der Tradition des
Schem Chol zu tun, sondern gesellschaftliche Gründe, genauso wie es auch in
vielen sephardischen Gemeinden muslimischer Länder üblich wurde, neben
dem hebräischen Schem Kodesch ein
arabisches Equivalent als zivilen Rufnamen für den allgemein gesellschaftlichen Umgang anzunehmen, wie
„Warda“ für Schoschana, „Dschamila“
für Jaffa, Atara oder Schifra, beziehungsweise „Sa’id“ für Ascher.)
fisten (11.-13. Jahrhundert) beschriebene, ursprüngliche Brauch gepflegt,
als Schem Kodesch (für Buben beim Bris,
für Mädchen bei der Toravorlesung
am Schabbos Joledes) lediglich einen
oder eine Kombination mehrerer hebräischer Namen zu geben, und den jüdisch-deutschen oder hochdeutschen
Schem Chol, der auch nur im profanen
Kontext benutzt wird, in einer eigenen
Zeremonie, dem sogenannten „Chol
Kreisch“.
Das Baby bekommt seinen Namen
während es, festlich gekleidet, in seinem Bettchen oder einem Stubenwagen liegt - umringt von den Gästen,
die vorsichtig dreimal hintereinander
das Babybett anheben und dabei jedesmal, in der jeweiligen Landessprache,
ausrufen: „Chol Kreisch! Wie wird das
Kind genannt? (beispielsweise:) Rosa. Rosa.
Rosa.“ Bei einem Buben werden von
den Anwesenden zuvor noch einige
Psukim (Tora Verse) rezitiert, sowie ein
Talit (Gebetsmantel) in das Bettchen
und ein Chumasch (Fünf Bücher Mose)
neben seinen Kopf gelegt.
Ursprünglich fand der Chol Kreisch
nicht unbedingt an einem Schabbat
statt, jedoch wissen wir durch die
Schriften des Maharam Minz (Rabbi
Mosche HaLevi 1415-1480), dass zumindest seit etwa 600 Jahren der Chol
Kreisch am Nachmittag des vierten
Schabbat nach der Geburt des Kindes,
also am Schabbos Joledes stattfindet.
Nicht alle Eltern entscheiden sich,
ihrem Kind einen jiddischen oder jüdisch-deutschen Schem Chol zu geben. In
die- sen Fällen wird beim Chol Kreisch
als Rufname noch einmal der selbe
hebräische Name ausgerufen, den das
Baby bereits bei seiner Bris Mila beziehungsweise im Mi Scheberach nach der
Toravorlesung bekommen hatte.
Am Freitag Abend, den
Heutzutage verbindet man in den
meisten ost-europäischen, vor allem
den chassidischen, Traditionen einen
oder mehrere hebräische Namen mit
einem jiddischen Equivalent, und gibt
dem Neugeborenen diese gesamte Namenskombination (Beispiel: Jehuda Leijb
oder Schoschana Rosa) als Schem Kodesch.
Auf alle Fälle im synagogalen Bereich
und in Heiratsdokumenten, oft auch
als Rufname, wird daher dieser Name
vollständig verwendet. In der deutschaschkenasischen Tradition wird allerdings nach wie vor der von den TosaDezember 2010 - Kislew/Tewet 5771
14. Januar 2011
sind alle jüdischen Schülerinnen und Schüler der Mittel- und
Oberstufe aller Wiener Schulen herzlichst zu einem
gemeinsamen Schabbatgottesdienst
und anschliessenden
Abendessen mit Rav Schlomo
ins Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde
eingeladen.
Mit der Bitte um verbindliche Anmeldung bis spätestens 10. Januar
per e-mail an: [email protected]
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