Das Reale ist etwas, das man nicht verstehen, sondern nur lieben

Transcription

Das Reale ist etwas, das man nicht verstehen, sondern nur lieben
Eva Meyer-Hermann
»Das Reale ist etwas,
das
man
nicht
verstehen, sondern nur
lieben kann«1
Ein seltsamer Gegenstand
Es war eine ideologische Auseinandersetzung, die sich da eines Abends
zwischen
der
Kunststudentin,
ihrem
Professor
und
der
Kunsthistorikerin
entwi-­
ckelte. Darf man heutzutage noch Kunstwerke machen, die nicht direkt politisch
Stellung beziehen? Müssen sich Bilder nicht unmittelbar auf Themen von heute
beziehen? Oder, wie es die junge Malerin forderte: Ist man angesichts des
Unrechts
in
der
Welt
nicht
geradezu
verpflichtet,
sich
mit
seinem
Kunstwerk
gesellschaftskritisch zu positionieren? Wäre es überhaupt noch erheblich oder
sogar schon regressiv zu fragen, ob ein Bild ein gutes Bild ist? Es drängten
sich Fragen nach dem Verhältnis von künstlerischem Tun und moralischer
Verantwortung auf. Müssen Kunstwerke dazu eindeutige Aussagen liefern?
Ist es nicht zu viel von der Kunst verlangt, durch sie die Welt zu bewerten?
Und wenn man sich um eine Antwort herumdrücken wollte, dürfte man mit
den
Worten
eines
Freundes
des
Professors
sagen,
die
Welt
sei
nicht
schlecht,
sondern voll? Noch während die Kunsthistorikerin den Forderungen der jungen
Künstlerin zuhörte, suchte sie nach Erklärungen: Es könnte ja sein, dass
dieser vehemente Ruf nach gesellschaftspolitischer Relevanz daher kommt,
dass
gemalte
Bilder,
insbesondere
wenn
sie
figurativ
sind,
problemlos
reproduzierbar und zudem schnell und einfach zu verbreiten sind. Dadurch werden
sie auf die illustrative Funktion anschaulicher, leicht kommunizierbarer Inhalte
reduziert, während andere künstlerische Qualitäten wie etwa Malweise, Stil
11
und Wirkung, die medial unzureichend zu vermitteln sind, keine Rolle spielen.
Daneben blieben die alten Fragen nach dem Verhältnis von Kunst und Leben
und danach, wie sich Reales durch ein Bild repräsentieren lässt, bestehen.
Die
nächtliche
Diskussion
fand
in
einer
Panoramabar
über
den
Dächern
von
Innsbruck statt. Sie führte zu keinem Ergebnis. In der Erinnerung aber bleibt das
Bild einer Szenebar mit schillernden Cocktailgetränken und dem gedämpften
Widerschein
stoffbezogener
Leuchten
auf
die
umgebenden
Personen
und
Objekte. Doch etwas störte den Gesamteindruck: Neben einer der beiden auf
dem Tisch abgelegten Damenhandtaschen lag ein in Aluminiumfolie gewickelter
Gegenstand,
seiner
Form
nach
unschwer
als
Hähnchenschenkel
zu
identifizieren.
Der ohne Sorgfalt verpackte Speiserest wirkte deplatziert. Und zugleich provozierte die Selbstverständlichkeit seiner Gegenwart Augen und Verstand. Kannst
du das nicht besser verbergen? Aber nein, im Ledertäschchen ließe sich das
gebratene Lebensmittel wohl schlecht verstauen. Hast du im Restaurant nicht
aufgegessen
und
dir
den
Rest
für
später
einpacken
und
mitgeben
lassen?
Ja,
als Studentin hat man schließlich nicht so viel Geld. Zudem bedeutet doch das
Wegwerfen von Lebensmitteln auch die Vernichtung wertvoller Ressourcen. –
Die
Nonchalance,
mit
der
dieses
Überbleibsel
auf
dem
eleganten
Bartisch
abgelegt
war,
hatte
etwas
Programmatisches,
Zwingendes.
Und
es
passte
durchaus
zu der nachdrücklich vorgetragenen Meinung, dass man sich heute gesellschaftlich zu positionieren habe.
12
1
Rede an die Nation
1998
Öl, Lack auf Leinwand /
Oil,
lacquer
on
canvas
240
×
195
cm
Privatsammlung
/
Private
collection
Das Zögern ihrer beiden Gesprächspartner reizte die Studentin: Worüber willst
du denn nun schreiben? Es geht doch hoffentlich um die kritischen Aspekte der
Werke! Kennst du das, was Daniel früher gemacht hat, während seiner Zeit in
Hamburg, als er Teil der Hausbesetzerszene war? Der jungen Künstlerin war die
Begeisterung für die politischen Aktionen ihres Lehrers deutlich anzumerken. Die
Kunsthistorikerin hingegen fühlte sich ein wenig bedrängt, und in ihr stieg eine
Beklemmung
auf,
die
sie
davon
abhielt,
zunächst
ein
Plädoyer
für
die
Methoden
ihres Fachs zu halten. Es war ihr in der Tat ein Anliegen, zunächst die Kunstwerke
anzuschauen
und
zu
beschreiben;;
die
Interpretation
kam
danach.
Es
ging
ihr
um
mehr
als
eine
politisch
korrekte
Tour
d’Horizon
durch
die
Themen
des
Werks.
Sie vertraute der Analyse mit dem üblichen Handwerkszeug, lag für sie doch die
Zielsetzung
eines
Textes
in
der
Vermittlung
einer
künstlerischen
Position
und
weniger
oder
kaum
darin,
Bildinhalte
zu
verbreiten. Dennoch war sie der jungen Künstlerin dankbar für
die Herausforderung. Und der so gar nicht in sein mondänes
Umfeld passende Hähnchenschenkel kam ihr als Symbol für
die visuellen »Störgeräusche«, die sie auch in den Bildern
von Daniel Richter wahrnahm, gerade recht. Ihr schienen die
Brüche und Widersprüche ein guter Ausgangspunkt für den
Text
zu
sein.
Abstrakt
und
figurativ
Rezensenten der Malerei von Daniel Richter legen in ihren
Betrachtungen großen Wert auf den Wechsel vom »abstrakten«
zum
»figurativen«
Stil.
In
der
Tat
zeigen
die
sogenannten
abstrakten
Bilder
von
1995
bis
1999
flächige
Strukturen
von ungegenständlichen, nicht repräsentativen Elementen,
die sich ausgeglichen auf der Leinwand verteilen und ein
dichtes
Geflecht
erzeugen.
Das
lebhafte
Über
einander
der
Farben
und
Formen
öffnet
immer
wieder
Perspektiven
in
tiefere
Schichten
des
Bildgrunds
(Abb.
1).
Es
gibt
glatte,
gespachtelte
Bereiche
ebenso
wie
satte
Pinselstriche
und
alla
prima aufgetragene Farbzonen. Die unterschiedlichen Flächen bleiben durch
Linienkonturen in ihren Ausdehnungen entweder umgrenzt oder gehen in weitere Formverläufe über. Linien bestimmen die Organisation, ihr offensichtlich und
kontinuierlich vollzogener Richtungswechsel hält die malerischen Elemente in einem
fließenden
Gleichgewicht.
An
mancher
Stelle
deutet
sich
Gegenständliches
an – in der Rede an die Nation
(1998)
vielleicht
eine
im
Wind
wehende
Fahne
–,
das
sich
jedoch
gleich
wieder
im
Konkreten
der
Malerei
selbst
verflüchtigt.
In
den
figurativen
Bildern
begrenzen
die
rahmenden
Linien
menschliche
Umrisse.
Sie
lassen
an
Stilmittel
der
Graffitiszene
denken,
wo
dicke
Umrand
ungen
eingesetzt werden, um Bildinhalte aus der Ferne schnell und eindeutig erkennbar zu
machen. Bei Daniel Richter gerinnen diese Elemente zu nervösen, oft neonfarben
leuchtenden,
linear-­zeichnerischen
Annäherungen,
die
an
Infrarotfotografie
und
an
geografische
Höhenschichtlinien
erinnern.
Die
heftigen,
kurzen
Striche
verstärken die suggestiven Szenarien und tragen zu provokanten Störungen der
ohnehin unheimlichen Situationen bei. Der Aufbau und die narrativen Aspekte
evozieren
Historienbilder,
deren
Syntax
allerdings
durch
die
Wahl
von
Ort
und
Geschehen irritiert und zusätzlich durch Buchstabendreher in den Bildtiteln
verfremdet
ist.
Der
Untergrund,
bei
Daniel
Richter
vor
2000
noch
ein
sich
in
die
Tiefe entwickelnder Raum, wird zum illusionistischen Hintergrund. Die hierzu
notwendige perspektivische Verkürzung erzeugen schräg ins Bild gesetzte,
gegenständliche Elemente wie Architekturen, Boote, Mauern oder gestaffelte
Menschenmengen
(Abb.
2). Der
Übergang
von
der
gleichsam
vorsprach
lichen
Phase
abstrakter
Gesten
und
Bewegungen
bis
1999
zu
den
gegenständlich
lesbaren
Bildern
nach
2000
erfolgt
fließend.
Die
verschlungenen
Linien
finden
ihre logische Fortsetzung in organischen Gefügen von Ästen oder nicht weiter
definierbaren
physiologischen
Strukturen
wie
Nervengeflechten
und
Ähnlichem.
Ein semantisch vergleichbares »Gestrüpp« bilden auch die innerbildlichen
Korrespondenzen zwischen vereinzelten Lebewesen und innerhalb von
Personen-­
beziehungsweise
Tiergruppen
(Abb.
3).
2
Phienox
2000
Öl auf Leinwand /
Oil on canvas
252
×
368
cm
Deichtorhallen Hamburg,
Sammlung Falckenberg /
Falckenberg Collection,
Hamburg
13
Fuck the Police
3
14
Grünspan
(fertig
ist
die
Möhre)
2002
Öl, Lack auf Leinwand /
Oil,
lacquer
on
canvas
339
×
295
cm
Privatsammlung
/
Private
collection
Mit Lonely Old Slogan von
2006
(Abb.
4)
löst
sich
die
Gegenständlichkeit
im
malerischen Sujet selbst auf und macht den »einsamen alten Wahlspruch«
zu einem abgeklärten Kommentar auf Abstraktion und Figuration betreffende Fragestellungen der Moderne. Der auf die Lederjacke genietete Spruch
»Fuck
the
Police«
zitiert
ein
Stück
rebellischer
Popmusik
und
ist
zugleich
im
übertragenen
Sinn
eine
Abrechnung
mit
der
Kunst
des
20.
Jahrhunderts:
Die
Bruchstein
wand
erinnert
an
den
derben
Realismus
der
Bilder
Philip
Gustons,
während
die
Farbrinnsale
die
berühmte
Tropftechnik
von
Jackson
Pollock
imitieren. Der helle Kreis der Fensteröffnung mit seiner geometrischen Begrenzung
spielt auf die Minimal Art an. Schließlich lässt der untere Bildrand mit allerlei
Unrat
und
Farb
schlieren
an
das
flüssig
geschleuderte,
zwischen
Fußboden
und Wand erstarrte Blei in Richard Serras Installationen denken. Alles in allem
wirkt Lonely Old Slogan vor dem Hintergrund akademischer Diskurse wie ein
hochgereckter
Mittelfinger.
Als
sollten
die
Theoretiker
und
Hüter
der
Gesetze
der Moderne an deren relative Bedeutung erinnert werden, zum Beispiel daran, dass die Nationalsozialisten das Abstrakte demagogisch als »entartet«
bezeichneten, während es im Umkehrschluss nach dem Zweiten Weltkrieg
»als
Weltsprache«
(Werner
Haftmann)
ideologisch
rehabilitiert
wurde.
Doch
die
allgemeinen künstlerischen Fragen nach der Repräsentation von Wirklichkeit
bleiben
bis
heute
bestehen.
In
den
1960er-­Jahren
wurden
sie
von
Michael
Fried
aufgegriffen
und
auf
die
Präsenz
und
Theatralität
bezogen.
Deutsche
Maler
der
Nachkriegszeit
wie
Jörg
Immendorff,
Sigmar
Polke
und
Gerhard
Richter
machten sich als subversive Geschichtsrebellen Gedanken um Realität und Bild, als
Auseinandersetzung zwischen Historie und Malerei. Die folgende Generation
um Martin Kippenberger, Albert Oehlen und Werner Büttner zielte mit Ironie
und Sarkasmus nicht weniger eindringlich auf gesellschaftliche Fragen nach
dem Trauma des Zweiten Weltkriegs. Doch wie kann sich heute ein Maler noch
kritisch positionieren, nachdem die Formen
der Abstraktion und Figuration ideologisch
beliebig nutzbar gemacht und die Malerei
als solche entweder als gescheitert, als unzureichender Träger politischer Bedeutung
angesehen oder provokativ in einer Manier
»schlechter« Malerei betrieben wurde?
Daniel Richter wird nicht müde, immer
wieder von solchen Fragen auszugehen.
Und in dem Maße, wie er nach Antworten
sucht, ist er ein konzeptueller Maler. Nach
selbst gesetzten Vorgaben wechselt er
dazu immer wieder den Blickwinkel. Für
die neuen Bilder bestanden die technischen
Parameter
darin,
keinen
Pinsel
zu
benutzen, die Ölfarbe zu spachteln und
mit dickem Ölkreidestift zu arbeiten. Die
horizontal in chromatischen Abstufungen
gemalten Bildgründe verlaufen leicht und
lasierend, handwerklich und ohne besondere Handschrift. Schon immer hatte der
Künstler aus seinem »Werkzeugkasten«
(Daniel
Richter)
Vorgaben
gewählt,
die
eng
mit
den
spezifischen
Inhalten
des
jeweiligen Bildes zusammenhingen.
In der Reihe politisch konnotierter
Landschaftsbilder
um
2011
(Abb.
5)
mischen sich sublime Bergszenerien
mit deutlichen Reminiszenzen an die
amerikanische Landschaftsmalerei mit
dem
Exotismus
orientalischer
Märchen
und
figürlichen
Anspielungen
auf
die
Taliban.
Die
etwa
zwei
Jahre
später
entstandenen
abstrakten
Bilder
(Abb.
6)
verlassen die Gegenständlichkeit und
bilden als Resümee der eigenen
malerischen Diskurse sozusagen das
intellektuelle Sprungbrett zu den neuen
Fragestellungen.
Diagramme
4
Lonely Old Slogan
2006
Öl auf Leinwand /
Oil on canvas
250
×
280
cm
Deichtorhallen Hamburg,
Sammlung Falckenberg /
Falckenberg Collection,
Hamburg
5
thinky man wusste einfach
nicht mehr weiter
2011
Öl auf Leinwand /
Oil on canvas
180
×
240 cm
Sammlung / Collection Lütjenburg
Die jüngsten Bilder besitzen ein inhaltliches Spektrum, das weder auf konkreten
Gegebenheiten
noch
auf
spezifischen
medial
verbreiteten
Darstellungen
basiert. Sie beziehen sich auf abstrakte, diagrammatische Vorstellungen von
Realität. Dazu gehören als Auslöser im Hintergrund Börsencharts, die Verbindungen
von
Geldwerten
und
Zeit
visualisieren
(S.
50–51).
Ähnlich
abstrakt
sind Darstellungen von Territorialgrenzen, etwa politische Landkarten zum
Thema Flucht und Vertreibung. Auch sie vergegenwärtigen auf symbolischer
Ebene
historische
und
gesellschaftliche
Inhalte.
Wenn
man
alle
textlichen
Erläuterungen und konkret sprachlichen Bezeichnungen weglässt, sind sie
nur noch seltsam geformte, farbig angelegte Flächen. Migrationsbewegungen
werden aller Aspekte menschlichen Leidens entleert und erstarren zu formalen Systemen. So abstrakt und emblematisch sich im Börsendiagramm die
globale Ökonomie spiegelt, so immateriell werden millionenfache Schicksale
in den schematisch angelegten Territorien repräsentiert. Ohne Verweis auf
die Identität verschiedener Gebiete und Völker vermittelt sich anhand der
Farben
allein
die
Idee
eines
Unterschieds,
der
spezifisch
ebenso
wenig
fassbar
wie vorstellbar ist. Die mit Weiß abgemischte Farbpalette der gespachtelten
Flächen in Hellblau, Gelb oder Rot erscheint
weniger als kompositionelle Entscheidung
denn als direkte Aufforderung zum Hinsehen
(S.
46–47).
Die
aus
früheren
Bildern
bekannten dunklen Umrisslinien werden jetzt
zu umlaufenden Schatten. Sie erinnern
an
solarisierte
Fotografien,
das
heißt
an
bewusste Verfremdungen von immer noch
anwesenden Wirklichkeiten, und verweisen
das
moderne
nationalstaatliche
Paradigma
der Grenze in den Bereich surrealer Ästhetik.
Die diagrammatischen Karten sind formal
nicht weit entfernt von Daniel Richters zweitem
großem Thema, der menschlichen Figur. Die
Verwandtschaft zwischen den fragmentierten
15
6
Zweifel an der Monokausalität
2013
Öl auf Leinwand /
Oil on canvas
200
×
300
cm
Sammlung / Collection Lütjenburg
16
Körpern und einzelnen Gliedmaßen
und
den
bunten
Territorial
flächen,
in denen man auch mikroskopierte
biologische Vorgänge sehen könnte, ist offensichtlich. Andeutungen
von
Personen
sind
allerdings
von
der
narrativen
Ikonografie
der
frühen Bilder ebenso weit entfernt wie
Börsenkurs und Landkarte von einer herkömmlichen Vorstellung von
Abstraktion. Daniel Richters Vorlagen für die menschlichen Körper
sind
gängige
pornografische
Motive
und
Praktiken.
Durch
die
Fragmentierung mutiert jedoch die Figuration
selbst zur Abstraktion, die Körper
werden zu einer »Weltsprache«
im buchstäblichen Sinn, da das gesamte Bildvokabular dem World Wide Web
entnommen
ist.
Die
Choreografie
der
massiven
Bewegungen
könnte
an
das
utopische Versprechen der Moderne im berühmten Bild La danse
(1909/10)
von
Henri Matisse erinnern, doch die Dynamik der Gegenwart besteht lediglich aus
harten Interaktionen von ausschnitthaft ins Bild gesetzten menschlichen Figuren
mit entindividualisierter Körperlichkeit. Nur die erotischen Klischees sind auf den
ersten Blick überall erkennbar: überstreckte Leiber, gespreizte Beine, zupackende
Hände,
aufgerissene
Münder
und
andere
nicht
weiter
definierte
Öffnungen.
Das
wilde
Durcheinander
erzeugt
seine
enorme
Virulenz
lediglich
an
der
Oberfläche,
jede Tiefe ist vermieden. Die menschlichen Figuren und ihre zwischenmenschlichen Beziehungsmöglichkeiten lösen sich auf. Ihre neue Anwesenheitsform
als
Malerei
macht
sie
im
Sinne
der
Post-­Internet-­Kunst
zum
Kommentar
auf
das
schwindende
Private
und
Individuelle,
das
in
einem
inflationären
Konsum-­
angebot mit Versprechen auf allseitige Triebbefriedigung untergegangen ist.
Schlüssel und Schloss
Als
erläuternder
Kontext
für
die
beiden
neuen
Serien
lassen
sich
zwei
Bilder
mit eher anekdotischer Wirkungsweise heranziehen. the message von
2014
(Abb.
7)
erinnert
an
Lonely Old Slogan und spielt wie dieses mit dem Schauen
und Verbergen, dem Aufdecken und Betrachtet-Werden. Doch Körperlichkeit,
Erotik
und
Sexualität
erzählen
hier
keine
eigene
Geschichte,
sondern
werden
zum Gegenstand von Vermutung und Interpretation. In das dominierende
grüne Viereck, vielleicht ein Fenster oder Bildrahmen, schiebt sich, wie um
unsere
Blickachse
zu
stören,
eine
schwarze
Rückenfigur
mit
gesenktem
Kopf.
Schemenhaft ist eine weitere, weibliche Figur mit geöffneter Kleidung zu erkennen. Ihre fahle Hautfarbe suggeriert eine nächtlich-erotische, fast morbide
Stimmung
in
einem
rundum
wuchernden
Dickicht
aus
dunklen
Schlingpflanzen.
Die männliche Silhouette ist mit sich selbst beschäftigt, und ihre Haltung macht
sie
zum
Objekt
voyeuristischer
Fantasie.
Die
Positionen
und
Handlungen
der
Figuren verändern das Verhältnis zwischen Betrachter- und Bildraum, zwischen
Perspektive
und
Bedeutung.
Die
Leinwand
wird
zur
Spiegelung,
und
an
die
Stelle des bislang konkret Erzählerischen tritt ein rätselhaftes Moment. Ein abschließendes, wie als Fußnote zur eigenen Arbeit und Ausstellung konzipiertes,
aber
noch
nicht
ausgeführtes
Bild
ist
seiner
Machart
nach
ebenfalls
explizit
und
gegenständlich geplant. In einem künstlerischen Amalgam aus historischer
Tatsache
und
fiktiver
Annahme
kommentiert
Daniel
Richter
den
nicht
erfolgten
deutschen Ankauf des 1988 entstandenen Gemäldezyklus 18. Oktober 1977
von Gerhard Richter. Die Historienbilder zum RAF-Terrorismus waren jahrelang
im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main ausgestellt und sind 1995
an das New Yorker Museum of Modern Art verkauft worden. Elemente der wirklichen Geschichte, vermeintliche Annahmen und persönliche Recherchen vermengen sich zu einer bildlichen Spekulation, die sich wie ein Schloss vor all die
Fragen schiebt, die Kunst durch Imitation oder mit idealisierender Abstraktion
in der Gesellschaft zu bewirken vermag.
Pornográphos – Linien und Territorien
7
the message
2014
Öl auf Leinwand /
Oil on canvas
160
×
210
cm
Courtesy
Galerie Thaddaeus Ropac
Paris
Salzburg
Der
Ton
der
neuen
Bilder
ist
laut,
fast
aggressiv
(S.
29,
44–45,
101).
Die
Figuration ist zugunsten emotionaler Momente aufgebrochen. Zusätzlich sind
Teilbereiche der ohnehin fragmentierten Körper durch schwarze Ölkreidelinien
ausdrucksvoll betont. Die Geste ist spürbar schnell, abrupt bis schroff, immer
in Gefahr, zu dicht und zu stark zu werden und dadurch die Beweglichkeit des
subtilen Spiels zwischen den Flächen zu zerstören und zum unvermittelten Halt
zu bringen: Das Malen selbst wird zum Risikofaktor. Der im grünen Bild noch
vergleichbar sichere Bildraum löst sich hier auf, und es entsteht ein Amalgam
aus
Farbverläufen
und
aufgesetzten,
explizit
erotischen,
voyeuristischen
Anspielungen. In dem Maße, in dem einerseits die abstrakt schematischen
»Körper« der politischen Territorien der Landkartenbilder in einen Makrokosmos
mutieren
(S.
52–53),
werden
in
den
Figurenbildern
die
von
der
Realität
abgeleiteten
Körper
zu
flachen,
nahezu
territorialen
Zonen
(S.
27).
Die
mehr
oder
weniger
deutlichen
kompositionellen
Mittelachsen,
an
denen
sich
gegenläufige
Momente der Bewegung brechen, erzeugen Linearität und eine weitere Desillusionierung
des
Bildraums.
Der
Bildraum
wird
flach
und
lässt
die
gestischen
Linien umso stärker »nach vorne« ins Auge springen. Es sind zeichnerische
Andeutungen von Gewalt beziehungsweise Wut, die den Gegenstand herausheben,
ihn
uns
entgegenhalten,
ohne
dabei
explizit
zu
werden.
Insbesondere
die motivisch ausdrucksstärksten Zonen mit ekstatisch verdrehten Körperfragmenten und Torsi sind in brachialer Art und Weise mit dem Ölkreidestift
»angerissen«,
aber
nie
komplett
ausgedeutet.
Das
grafische
Element
ist
ebenso
im Gleichgewicht gehalten wie die gespachtelten Farben, gerade genügend
materiell, um aggressiv unser Gesichtsfeld zu sprengen und uns aufzuregen.
Das
Wort
»Pornografie«
stammt
vom
griechischen
»pórnē«
(Hure)
und
»gráphein«
(schreiben)
und
bedeutet so viel wie »von Huren schreibend«.
Das Moment des Schreibens ist in den Linien
anwesend und wird zum Echo auf die etymologische
Bedeutung
der
Vokabel
»Pornografie«.
Auf
zweierlei Weise berichten auch die neuen Bilder
von etwas Unerhörtem, Skandalösem. Zum einen
zitieren sie Quellen aus dem Internet, zum anderen
nehmen
sie
den
paradoxen
Weg
von
einer
bildlichen
Übertragung
in
die
Reduktion.
Die
Bilder
arbeiten
mit zweidimensionalen Umdeutungen raumbezogener und inhaltlicher Informationen. Figurative
Bilder haben sich in eine gleichsam zeichenhafte
17
Zone
verschoben.
Auf
diese
Weise
löst
Richter
die
(vermeintliche)
Dichotomie
von
»abstrakt«
und
»figurativ«
auf
und
macht
diese
Begriffe
für
uns
als
Betrach-­
tungsinstrumentarium
irrelevant.
Hier
würde
eher
die
Bezeichnung
»figural«
nach Gilles Deleuze passen, da die Bilder einen Bereich zwischen verbalen und
visuellen Zeichen einnehmen, der die repräsentierende oder abstrahierende
Illustration von Konkretem hinter sich lässt. Vielleicht ist es einem Künstler heute
nur so möglich, »von der Hure zu erzählen«, von dem, was die problematischen
Seiten des Menschseins sind, was unsere Gesellschaft umtreibt und was sie
bestimmt. Wer kann schon von dem erzählen, was gleichermaßen unvorstellbar
wie
undarstellbar
ist?
Die
künstlerische
Benutzung
des
Phänomens
der
massenhaften
Verbreitung
und
Präsenz
pornografischer
Bilder
dient
nicht
als
Kritik
an
ihnen, sondern erscheint wie eine zeitgenössische Reverenz an den Liebestrieb,
an Eros, der seit jeher als Quelle der Kreativität interpretiert wird. Daniel Richters
Bilder sind damit Allegorien, deren Bedeutung weit über die Repräsentation des
Ursprungsmaterials hinausgeht.
Malerei-Guerillero
18
Auch bereits mit seinem Ausstellungstitel Hello, I love you nimmt Daniel Richter
künstlerische, historische und gesellschaftliche Fragestellungen auf. Statt
zynisch von Dingen zu sprechen, die nicht fassbar oder unmöglich umzusetzen
wären, setzt er sich tatsächlich künstlerisch mit der Wirklichkeit auseinander.
Die Strategie seiner Malerei ist dabei subversiver denn je. Die theoretische
Grundlage dafür ist dem Vorschlag von Umberto Eco nicht unähnlich, der schon
1967
eine
»semiologische
Guerilla«
forderte,
die
das
Kommunikationsmodell
von
Sender
und
Empfänger
neu
definieren
sollte.
Analog
wäre
Daniel
Richters
Methode die eines »Malerei-Guerilleros«, der sich mitten in das System der
Malerei
begibt.
Dadurch
findet
eine
Art
Überidentifizierung
mit
der
bestehenden
Logik
statt.
Erst
aus
dieser
Sättigung
heraus
können
Reflexion
und
Rebellion
erfolgen. Daniel Richters Haltung ist deshalb nicht etwa die der Opposition oder
Provokation,
sondern
eher
eine
den
Situationisten
der
1950er-­Jahre
und
ihrer
Praxis
des
»Umherschweifens«
nicht
unähnliche,
spielerische
Aktion.
Sie
lässt
eine lebensfrohe, aber nie ungefährliche oder ungefährdete Malerei entstehen,
die die Malerei überwindet, ohne sie zu zerstören. Die Ästhetik spielt dabei eine
Nebenrolle, da es weniger darum geht, ein Bild zu schaffen, als eine Haltung
einzunehmen. Die dennoch aus den Bildern wirkenden, verunsichernden
Formen ermutigen, anders zu denken, nicht im alten Sender-Empfänger-Modell
zu
verweilen
oder
zu
erwarten,
dass
ein
Künstler
heute
auf
alles
eine
adäquate
Antwort oder gar eine moralische Handlungsanweisung hätte.
Der dritte Tisch
Das Aktuelle und Zeitgenössische an den neuen Bildern ist ihre ins Auge
springende
Präsenz,
ihre
kaum
reproduzierbare
Materialität,
die
auch
schon
im Detail früherer Bilder eine Rolle spielt. Ähnlich der eingangs beschriebenen
Situation
mit
dem
seltsamen
Gegenstand
und
seinem
ungeklärten
Kontext
lassen sich auch Daniel Richters Bilder nicht auf eine Botschaft reduzieren.
Ihre Lebenslust und aggressive Lebendigkeit appellieren an eine künstlerische
Grundhaltung,
die
jenseits
von
Wissenschaft
und
Philosophie
liegt.
Fakten
und
Theorie dürfen zur Interpretation bemüht werden, aber sie werden selbst nach
genauer Analyse keine praktisch oder gar moralisch verwertbaren Antworten
liefern. Wir können das Reale nicht verstehen, sondern es nur lieben, lautet
unsere Schlussfolgerung frei nach Graham Harman. Als Vertreter der neuen
philosophischen Richtung eines »spekulativen Realismus« ist diesem zeitgenössischen
Philosophen
angesichts
der
Realität
an
einem
neuen
Denken
gelegen.
Die Welt besteht unabhängig davon, wie erforscht, analysiert und wahrgenommen wird. Und deshalb dürfen wir auch von der Kunst keine Slogans oder
Messages erwarten. Das wäre zu einfach. Wer wen oder was liebt, ist ja auch
sehr vielfältig und hat im Wesentlichen mit dem Subjekt und seiner Beziehung
zum Objekt zu tun, und nicht umgekehrt: »Hello, I love you«!
»Der
Wissenschaftler
reduziert
den
Tisch
hinunter
zu
winzigen
Partikeln,
die
für
das
Auge
unsichtbar
sind;;
der
Humanist
reduziert
ihn
hinauf
zu
einer
Reihe von Wirkungen auf Menschen und andere Dinge. Eddingtons Tische
sind, um es ganz offen zu sagen, komplette Täuschungen, die den Tisch mit
seinen jeweiligen inneren und äußeren Umgebungen verwechseln. Der reale
Tisch ist in Wirklichkeit ein dritter Tisch, der zwischen diesen beiden liegt.
Und wenn Eddingtons zwei Tische Snows ›zwei Kulturen‹ der Natur- und
der Geisteswissenschaftler moralischen Halt gaben, dann wird unser dritter
Tisch vermutlich eine dritte Kultur brauchen, die sich von diesen beiden
vollständig unterscheidet. Dies soll nicht heißen, dass die dritte Kultur neu ist:
Vielleicht ist es die Kultur der Kunst, die Tische offenbar weder auf Quarks und
Elektronen noch auf die Wirkungen von Tischen auf Menschen reduziert.«2
1
Graham Harman, The Third Table / Der dritte Tisch (dOCUMENTA [13].
100 Notizen – 100 Gedanken / 100 Notes – 100 Thoughts, Nr. 85),
Ostfildern
2012.
2
Ebd.
19
Eva Meyer-Hermann
“The real is
something
that cannot be
known,
only
loved”1
A strange object
20
It was an ideological discussion that developed
one evening between the art student, her professor,
and the art historian. Should we still be permitted
today
to
create
artworks
that
do
not
adopt
an
expli-­
citly political attitude? Must pictures not refer directly
to the topics of the day? Or, as the young artist
demanded: In the face of all the injustice in the
world, are we not obliged to adopt a sociocritical
position
in
our
artworks?
Would
it
still
be
significant,
or even regressive, to ask whether a picture is a
good one? Questions regarding the relationship
between artistic activity and moral responsibility
force their way to the fore. Do artworks have to
make
unequivocal
statements
in
this
respect?
Is
it
not asking too much of art that we should assess
the world through it? And if we wanted to evade
having to give an answer, dare we say in the words
of a friend of the professor that the world is not bad
but full? Even while the art historian was listening to
the demands of the young artist, she was searching
for
explanations:
it
could
be
that
this
urgent
call
for sociopolitical relevance resulted from the fact
that
painted
pictures,
especially
if
they
are
figurative,
can
be
reproduced
without
difficulty
and
are
also
quick
and
easy
to
distribute.
In
this
way
they
become more accessible in their illustrative function;;
easily
communicable
content
is
reduced,
while
other
artistic
qualities
such
as
manner
of
painting,
style,
and
effect,
which
cannot
be
adequately
conveyed via the media, play no part. And what
is
more,
the
old
questions
about
the
relationship
between art and life, and hence how reality can be
represented by a picture, would remain.
The nocturnal discussion took place in a panoramic bar above the rooftops of Innsbruck. It ended
without a conclusion. However, what did remain
in the memory was the picture of a trendy bar
with
colorful
cocktails
and
the
muted
reflection
of
fabric-covered lights on the surrounding people and
objects. Yet something disturbed the overall impression:
beside
one
of
the
two
ladies’
handbags
that
had been placed on the table lay an object wrapped
in
aluminum
foil,
easily
identified
by
its
shape
as
a
chicken leg. The carelessly packed leftover chicken
seemed out of place. And at the same time the
naturalness of its presence was a provocation to
both
eye
and
intellect.
Can’t
you
hide
that
better?
But no—the fried food could hardly be stashed
away
in
the
leather
handbag.
Didn’t
you
finish
your
meal at the restaurant, and did you ask them to
package the rest so you could take it with you?
Indeed:
as
a
student
you
don’t
have
a
lot
of
money.
Besides, throwing away food means the destruction
of valuable resources. The nonchalance with which
this leftover food had been placed on the elegant
bar table had something programmatic, something
compulsive
about
it.
And
it
fitted
in
with
the
opinion,
voiced with emphasis, that today it is essential to
position yourself socially.
The student was irritated by the hesitancy of the
two conversation partners. What will you write about
now? I hope it will be about the critical aspects of
the works! Do you know what Daniel used to do
earlier on, during his time in Hamburg, when he
was
part
of
the
squatting
scene?
It
was
clear
that
the young artist was enthusiastic about the political
actions of her teacher. The art historian on the other
hand felt that she was being put under a certain
amount of pressure, and she was overcome by a
feeling
of
anxiety,
which
prevented
her
from
expressing immediate support for the methods of her
profession. She did indeed feel that it was important
to
look
at
the
artworks
and
describe
them
first;;
the
interpretation came afterward. She was concerned
about
more
than
a
politically
correct
tour
d’horizon
through the subjects of the work. She trusted the
process of analysis with the help of the usual tools,
for
in
her
view
the
aim
of
a
text
was
to
convey
an
artistic position and less—or hardly—to disseminate
the picture content. Even so, she was thankful to the
young artist for the challenge. And the chicken leg,
which
really
did
not
fit
into
the
sophisticated
setting,
suited her well and struck her as being a symbol for
the
visual
“interference”
she
also
perceived
in
the
pictures of Daniel Richter. She felt the caesuras and
contradictions would be a good starting point for the
text.
Abstract
and
figurative
In their observations, critics reviewing the
painting of Daniel Richter place great value on the
change
from
the
“abstract”
to
the
“figurative”
style.
Indeed, the so-called abstract pictures between
1995 and 1999 show planar structures of nonrepresentational, non-representative elements
which are distributed evenly across the canvas,
creating a dense network. The lively way the
colors and forms are superimposed upon each
other opens up a series of new perspectives into
the
deeper
layers
of
the
background
(fig.
1,
p.
12).
There are smooth areas which have been worked
with a palette knife and dense brush strokes and
zones of color applied alla prima. The different
areas
are
either
defined
in
extent
by
contour
lines
or blend into other forms. Lines determine the
organization;;
their
obvious
and
constant
changes
of
direction
keep
the
painterly
elements
in
a
fluid
equilibrium.
In
some
places,
representational
elements are hinted at—in Rede an die Nation
(1998)
perhaps
a
flag
fluttering
in
the
breeze—which,
however, immediately dissipate again in the concrete
aspects of the painting itself.
In
the
figurative
pictures
the
surrounding
lines
delineate human silhouettes. They remind us of
the
stylistic
devices
of
the
graffiti
scene,
where
thick contours are used to make the picture content
quickly
and
unequivocally
recognizable
from
a
distance.
In
Daniel
Richter’s
work
these
elements
run into nervous, luminous, often neon-colored
linear-­graphic
approximations
which
evoke
infrared
photography and geographical contour lines. The
short, violent strokes strengthen the suggestive
scenarios and add to the provocative disruptions of
situations that are eerie enough in any case. The
structure and the narrative aspects evoke history
paintings,
whose
syntax,
however,
disquiets
us
through the selection of place and event and which
are additionally alienated through the scrambled
letters in the picture titles. The background, which
in
Daniel
Richter’s
work
before
2000
consisted
of
a
space progressing into the depths, now becomes
an illusionistic background. The necessary perspectival abbreviation here creates representational
elements which are inserted diagonally into the
picture, such as architectural features, boats, walls,
or
tiered
crowds
of
people
(fig.
2,
p.
13). The transition
from
the
quasi
prelingual
phase
of
abstract
gestures and movements before 1999 to the
representationally
legible
pictures
after
2000
takes
place
in
a
fluid
manner.
The
entwined
lines
find
their logical continuation in organic branch forms or
physiological structures which do not permit more
precise
definition,
like
branching
nerves
or
something
similar.
A
semantically
comparable
“ thicket”
is
also formed by the interpictorial correspondences
between individual living creatures and within the
groups
of
people
or
animals
(fig.
3,
p.
14).
Fuck the Police
In Lonely Old Slogan of
2006
(fig.
4,
p.
15)
the representationalism in the painterly subject
disintegrates
and
transforms
the
“lonely
old
slogan”
into
a
serene
commentary
on
the
questions
of
the
modern
age
regarding
abstraction
and
figuration.
The
expression
“Fuck
the
Police,”
riveted
onto
the
leather
jacket,
quotes
a
rebellious
pop
music
composition
and
is
at
the
same
time—figuratively
speaking—a reckoning with the art of the twentieth
century: the dry-stone wall recalls the crude realism
of
the
pictures
of
Philip
Guston,
while
the
trickles
of
paint
imitate
the
famous
drip
technique
of
Jackson
Pollock.
The
light
circle
of
the
window
opening
with
its geometric boundary is a reference to Minimal
Art. Finally, the lower edge of the picture with its
miscellaneous refuse and smeared paint reminds
us
of
the
lead,
hurled
in
liquid
form
and
solidifying
between
the
floor
and
the
wall,
in
Richard
Serra’s
installations. All in all, Lonely Old Slogan gives the
same
impression
as
a
raised
middle
finger
against
the background of academic discourse. As if the
theorists and preservers of the laws of modernism
should
be
reminded
of
their
relative
significance:
for
example,
that
the
National
Socialist
demagogues
described
the
abstract
as
“degenerate,”
while
conversely it was rehabilitated ideologically after World
War
II
as
“ the
world
language”
(Werner
Haftmann).
But
the
general
artistic
questions
regarding
the
representation of reality remain valid to this day.
In the 1960s
they
were
taken
up
by
Michael
Fried
and applied to presences and theatricality. As
subversive historical rebels, German postwar
painters
like
Jörg
Immendorff,
Sigmar
Polke,
and
Gerhard Richter thought about reality and pictures
as a discussion between historical narrative and
painting. The following generation around Martin
Kippenberger, Albert Oehlen, and Werner Büttner
21
22
were
equally
emphatic
in
targeting
social
issues
with irony and sarcasm after the trauma of World
War II. But how can painters today position themselves critically, since the forms of abstraction and
figuration
have
been
made
ideologically
usable
in
an arbitrary way, and painting as such has been
either
rated
as
failed,
as
an
inadequate
means
of
conveying
political
significance,
or
has
been
used
provocatively
in
the
manner
of
“bad”
painting?
Daniel
Richter
never
tires
of
taking
such
questions as his starting point. And he is also a conceptual painter insofar as he seeks answers. According
to guidelines he sets for himself, he keeps changing
his perspective. For his new pictures, the technical
parameters consisted of not using a paintbrush,
applying the oil paint with a palette knife, and working with thick oil pastel pencils. The backgrounds,
painted horizontally in chromatic gradients, are light
and varnish-like, skillfully carried out and without a
particular hallmark. The artist has always selected
guidelines
from
his
“ tool
chest”
(Daniel
Richter)
that
are
closely
linked
to
the
specific
content
of
the
picture concerned. In the series of politically charged
landscape
pictures
around
2011
(fig.
5,
p.
15),
he
mixes
sublime
mountain
scenery
containing
explicit
reminiscences of American landscape painting
with
the
exoticism
of
Oriental
fairy
tales
and
figural
references to the Taliban. The abstract pictures produced
some
two
years
later
(fig.
6,
p.
16)
abandon
representationalism and form—as a summary of
his own painterly discourse, so to speak—the intellectual
launch
pad
for
new
questionings.
Diagrams
As regards content, the most recent pictures
cover a range that is based neither on concrete
situations
nor
on
specific
representations
that
have
been broadcast in the media. They refer to abstract,
diagrammatic representations of reality. These
include
stock
exchange
charts
in
the
background
as
the trigger, representing the links between monetary
values
and
time
(pp.
50–51).
Similarly
abstract
are
the representations of territorial boundaries, for
example
political
maps
relating
to
flight
and
expulsion. They, too, call to mind historical and social
content on a symbolic level. If we omit all written
explanations
and
specifically
linguistic
labels,
they
are no more than strangely shaped colored areas.
Migration movements are drained of all aspects of
human suffering and ossify into formal systems.
Although
the
stock
exchange
diagram
reflects
the
global economy in an abstract and emblematic way,
the fates of millions are thus represented immaterially in the schematically depicted territories. Without
reference to the identity of different regions and
peoples, and as a result of the colors alone, Daniel
Richter conveys the idea of a difference that is just
as
intangible
as
it
is
imaginable.
Mixed
with
white,
the color palette of the areas applied with a palette
knife in light blue, yellow, or red seems less a compositional decision than a direct challenge to take
a
closer
look
(pp.
46–47).
The
dark
contour
lines
familiar from earlier works are now shadows around
the edges. They recall solarized photographs, that is
to say, intentional coloration of still-present realities,
and they translate the paradigm of the boundary
of the modern nation state into the realm of surreal
aesthetics.
Formally speaking, the diagrammatic maps
are
not
far
removed
from
Daniel
Richter’s
second
major
theme,
the
human
figure.
There
is
an
obvious
correlation between the fragmented bodies and
individual limbs and the colorful territorial areas, in
which we could also see biological processes as
through a microscope. Hints at persons are, admittedly, as far removed from the narrative iconography
of the early pictures as the stock market course
and map are from a traditional idea of abstraction.
Daniel
Richter’s
references
for
the
human
bodies
are popular pornographic subjects and practices.
Through
the
fragmentation,
however,
the
figuration
itself
mutates
to
abstraction;;
the
bodies
become
a
“world
language”
in
the
literal
sense,
since
the
entire
pictorial vocabulary is taken from the World Wide
Web. The choreography of the massive movements
could evoke the utopian promise of the modern
age
in
Henri
Matisse’s
famous
painting
La Danse
(1909/10),
but
the
dynamics
of
the
present
consist
merely
of
hard
interaction
of
details
of
human
figures
with deindividualized physicality that have been
placed in the picture. Only the erotic clichés are
instantly recognizable everywhere: overstretched
bodies, splayed legs, grasping hands, wide-open
mouths,
and
other
indeterminate
orifices.
The
wild
confusion generates its enormous virulence only on
the
surface;;
all
depth
is
avoided.
The
human
figures
and their interpersonal relationship possibilities are
dissolved. Their new form of presence as painting
transforms them in the sense of post-Internet art into
a commentary on disappearing privacy and individuality,
which
has
been
lost
in
an
inflationary
consumer
choice with promises of the universal satisfaction
of desire.
Key and lock
Two pictures with a relatively anecdotal effect
can
be
used
as
an
explanatory
context
for
both
new
series. the message of
2014
(fig.
7,
p.
17)
recalls
Lonely Old Slogan and plays like the latter with
the act of looking and hiding, revealing and being
observed. Here, however, physicality, eroticism, and
sexuality
do
not
tell
their
own
story,
but
become
the
object of conjecture and interpretation. Seen from
the
back,
a
black
figure
with
its
head
down
pushes
itself into the dominant green rectangle, perhaps a
window or a picture frame, as if to interrupt our line
of
sight.
The
outlines
of
a
second,
female
figure
with opened clothes can be made out. Her ashen
skin color suggests a nocturnal-erotic, almost morbid mood in a thicket of dark creepers which are
growing rampantly all around. The male silhouette
is occupied with itself, and its stance makes it into
an object of voyeuristic fantasy. The positions and
actions
of
the
figures
change
the
relationship
between the viewer and the pictorial space, between
perspective and meaning. The canvas becomes a
reflection,
and
in
the
place
of
the
hitherto
concrete
narrative mood a puzzling moment occurs. A
concluding picture, conceived as a footnote to his
own
work
and
exhibition—but
not
yet
painted—is
also
explicitly
planned
as
a
representational
work
in his own style. In an artistic blend of historical fact
and
fictional
assumption,
Daniel
Richter
comments
on the German failure to purchase the picture cycle
18. Oktober 1977, created by Gerhard Richter in
1988. For many years the history paintings on the
subject of Red Army Faction terrorism were on display in the Museum für Moderne Kunst in Frankfurt
am Main and were then sold to the Museum of
Modern Art in New York in 1995. Elements of the
true story, presumed assumptions, and personal
research combine to create a pictorial speculation
which
slides
like
a
lock
in
front
of
all
the
questions
that art may raise in society through imitation or by
means of idealizing abstraction.
Pornográphos—Lines and territories
The tone of the new pictures is loud, almost
aggressive
(pp.
29,
44–45,
101).
Figuration
has
been fragmented in favor of emotional moments.
Moreover, parts of the bodies, which in any case
are
fragmented,
are
outlined
expressively
with
black
lines of oil crayon. The lines are clearly rapid, sudden, and even abrupt, always in danger of becoming
too dense and too strong and thus destroying
the
flexibility
of
the
subtle
interplay
between
the
surfaces
and
bringing
it
to
an
unexpected
halt.
Painting
itself
becomes
a
risk
factor.
The
pictorial
space, still comparatively secure in the green
picture, dissolves here and the result is a blend of
color
gradations
and
superimposed,
explicitly
erotic,
voyeuristic insinuations. In the same way that, on
the
one
hand,
the
abstractly
schematic
“bodies”
of
the political territory in the map pictures mutate into
a
macrocosm
(pp.
52–53),
so
the
bodies
(derived
from
reality)
in
the
figural
paintings
become
flat,
almost
territorial
zones
(p.
27).
The
more
or
less
clear
compositional
central
axes,
along
which
the
opposing momentums of movement break, create
linearity and a further disillusionment of the pictorial
space.
The
pictorial
space
becomes
flat
and
permits
the
gestural
lines
to
leap
“ forward”
even
more
strongly. They are graphic hints at violence or anger
which emphasize the object and hold it out toward
us
without
becoming
explicit.
In
particular
the
areas
with
the
most
expressive
motifs,
with
ecstatically
twisted
body
fragments
and
torsos,
are
“hinted
at”
with brute force using the oil crayon, but are never
completely interpreted. The graphic element is
maintained
in
equilibrium,
as
are
the
paints,
applied
with
the
palette
knife;;
they
are
just
physical
enough
to burst open our line of sight and to agitate us.
The
word
“pornography”
comes
from
the
Greek
words pórnē
(whore)
and
gráphein
(write)
and
means,
more
or
less,
“ to
write
about
whores.”
The
momentum of the writing is present in the lines and
becomes an echo of the etymological meaning of the
word
“pornography.”
The
new
pictures
also
report
something outrageous, something scandalous in two
ways.
Firstly,
they
quote
sources
from
the
Internet,
and
secondly,
they
take
the
paradoxical
path
from
a
pictorial transcription to reduction. The pictures make
use of a two-dimensional reinterpretation of spatial
and substantial information. Figurative pictures have
been shifted, so to speak, into a symbolic zone. In
this
way
Daniel
Richter
has
dissolved
the
(supposed)
dichotomy
between
“abstract”
and
“figurative”
and
makes these terms irrelevant for us as instruments
of
observation.
Here,
Gilles
Deleuze’s
use
of
the
term
“figural”
would
be
more
appropriate,
since
the
pictures occupy an area between verbal and visual
signs which moves on from the representational or
abstracting
illustration
of
the
concrete.
Perhaps
this
is the only way that an artist today can “tell of the
whore,”
of
the
things
that
represent
the
problematic
aspects
of
human
existence,
of
what
troubles
our
society and what determines it. Who can tell of those
things that are not only unimaginable, but also unrepresentable? The artistic use of the phenomenon of
23
the mass distribution and presence of pornographic
pictures serves not as a criticism of them, but seems
like a contemporary act of homage to the urge to
love, to Eros, interpreted since time immemorial as
a
source
of
creativity.
Daniel
Richter’s
pictures
are
therefore
allegories
whose
meaning
extends
far
beyond the representation of the original material.
A painting guerrillero
24
Even
with
his
exhibition
title
Hello, I love you,
Daniel Richter takes up artistic, historical, and social
questions.
Instead
of
speaking
cynically
about
things that are incomprehensible or impossible
to
execute,
he
actually
makes
an
artistic
study
of
reality. The strategy of his painting is thereby more
subversive than ever. The theoretical basis is not
unlike the suggestion made by Umberto Eco, who
as
early
as
1967
called
for
a
“semiological
guerrilla
warfare”
that
should
redefine
the
communication
model of sender and recipient. An analogy to this
would
be
Daniel
Richter’s
method
of
a
“painting
guerrillero,”
who
steps
into
the
middle
of
the
system
of
painting.
This
results
in
a
sort
of
overidentification
with
the
existing
logic.
Only
from
this
saturation
can
reflection
and
rebellion
follow.
Daniel
Richter’s
attitude
is
thus
not,
for
example,
that
of
opposition
or provocation, but rather a playful action not unlike
that
of
the
Situationists
of
the
1950s
and
their
practice
of
dérive
(“drifting”).
It
permits
a
form
of
painting
that
is
filled
with joie de vivre but that is
neither innocuous nor invulnerable—a painting that
surpasses painting without destroying it. Aesthetics
play
a
secondary
role,
since
it
is
less
a
question
of creating a picture than adopting an attitude.
Nonetheless the forms in the pictures unsettle us
and encourage us to think differently, rather than
to remain stuck in the old sender-receiver model,
or
to
expect
an
artist
today
to
have
an
appropriate
answer to everything, or even instructions for acting
in a moral manner.
The Third Table
The topical and contemporary element in the
new pictures is their eye-catching presence, their
almost nonreproducible materiality, which already
played a part in the detail of earlier paintings. Like
the situation described at the beginning with the
strange
object
and
its
unexplained
context,
Daniel
Richter’s
pictures
also
cannot
be
reduced
to
a
message. Their love of life and aggressive liveli-
ness appeal to an artistic attitude that lies beyond
science and philosophy. Facts and theory can be
used for the purposes of interpretation, but even
after detailed analysis they will supply no practical
or even morally useful answers. Our conclusion is
that we cannot know what is real, only love it—to
paraphrase Graham Harman. As a representative
of the new philosophical direction of a “speculative
realism,”
this
contemporary
philosopher
is
concerned with a new philosophical approach in
the
face
of
reality.
The
world
exists
independently
of
how
it
is
explored,
analyzed,
and
perceived.
And
therefore
we
cannot
expect
art
to
supply
any
slogans or messages. That would be too easy. Who
loves whom or what is highly varied and essentially
has something to do with the subject and his or her
relationship to the object, and not vice versa: “Hello,
I
love
you”!
“The scientist reduces the table downward to tiny
particles
invisible
to
the
eye;;
the
humanist
reduces
it upward to a series of effects on people and other
things.
To
put
in
bluntly,
both
of
Eddington’s
tables
are utter shams that confuse the table with its
internal
and
external
environments,
respectively.
The real table is in fact a third table lying between
these
two
others.
And
if
Eddington’s
two
tables
provided
the
moral
support
for
Snow’s
two
cultures
of scientists and humanists, our third table will probably
require
a
third
culture
completely
different
from
these two. This is not to say that the third culture
is a completely new one: perhaps it is the culture
of the arts, which do not seem to reduce tables
either
to
quarks
and
electrons
or
to
table-­effects
on
humans.”2
1
Graham Harman, The Third Table / Der dritte Tisch,
in the series 100 Notes – 100 Thoughts / 100 Notizen –
100 Gedanken,
no.
085,
published
in
conjunction
with
the
exhibition
dOCUMENTA
13
(Ostfildern:
Hatje
Cantz,
2012).
2
Ibid.