Bericht_akademische_Freiheit_2014_-_deutsch
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1 ZUM SCHWEIGEN GEBRACHT, VERTRIEBEN, INHAFTIERT UNTERDRÜCKUNG VON STUDIERENDEN UND AKADEMIKER/INNE/N IM IRAN Übersetzung des Berichts: „SILENCED, EXPELLED, IMPRISONED – REPRESSION OF STUDENTS AND ACADEMICS IN IRAN” vom 2. Juni 2014, Index-Nr. MDE 13/015/201 Amnesty International Internationales Sekretariat Peter Benenson House 1 Easton Street London WC1X 0DW United Kingdom Alle Rechte vorbehalten. Trotz Copyrights kann der Text ohne Gebühr zur Unterstützung, für Kampagnen- und Lehrzwecke vervielfältigt werden, jedoch nicht zum Weiterverkauf. Für die Vervielfältigung zu anderen Zwecken, zur Übersetzung oder Veränderung ist die vorherige Genehmigung der Herausgeber erforderlich. Für entsprechende Anfragen wenden Sie sich an: [email protected] Hinweise: Der vorliegende Text ist die Übersetzung des englischsprachigen Amnesty-Berichts„SILENCED, EXPELLED, IMPRISONED – REPRESSION OF STUDENTS AND ACADEMICS IN IRAN” vom 2. Juni 2014, Index-Nr. MDE 13/015/2014. Die Übersetzung erfolgte durch die Iran-Koordinationsgruppe der deutschen Sektion und ehrenamtliche Übersetzer/innen. Die Fußnoten sowie zwei Fotos sind in dieser Übersetzung weggelassen worden – bitte konsultieren Sie hierfür das englische Original, dessen Text auch als verbindlich anzusehen ist. Der englische Text kann auf www.amnesty.org oder www.amnesty-iran.de heruntergeladen werden. Titelbild: Iranische Oberschülerinnen absolvieren ihre Eingangsprüfung für die Universität in Teheran am 25. Juni 2009. Viele Studierende und universitäre Lehrkräfte wurden nach Massenprotesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Ahmadinejad Anfang jenes Monats verhaftet und inhaftiert. © MONA HOOBEHFEKR/AFP/Getty Images 3 INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG .................................................................................................. 4 2. HINTERGRUND .............................................................................................. 9 VON DER ISLAMISCHEN REVOLUTION ZUR WAHL VON MOHAMMAD KHATAMI, 1979 – 1997 .... 9 DIE ÄRA VON MOHAMMAD KHATAMI, 1997 – 2005 ................................................................. 11 3. DAS SYSTEM DER HÖHEREN BILDUNG IM IRAN............................................ 12 HOCHSCHULBILDUNG ............................................................................................................ 12 ZULASSUNG DER STUDIERENDEN .......................................................................................... 13 REGELN UND DISZIPLIN ......................................................................................................... 14 MECHANISMEN DER UNTERDRÜCKUNG ................................................................................. 15 4. DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS ODER DER RELIGION ..... 16 DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS ............................................................... 16 BEGRENZUNG DES ZUGANGS VON FRAUEN ZU HÖHERER BILDUNG ...................................... 18 APARTHEID IM BILDUNGSWESEN – TRENNUNG DER GESCHLECHTER .................................... 20 DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GLAUBENS ODER DER RELIGIONSZUGEHÖRIGKEIT ....... 21 5. ANGRIFF AUF DIE AKADEMISCHE FREIHEIT .................................................. 24 WIEDERAUFLEBEN DER „ISLAMISIERUNG“ ............................................................................ 28 STUDENTISCHE AKTIVE ALS ZIELSCHEIBE, VERGABE VON „STERNEN“, BEURLAUBUNG UND AUSSCHLUSS ......................................................................................................................... 31 FESTNAHMEN, HAFT UND FOLTER .......................................................................................... 35 AUSPEITSCHUNGEN ............................................................................................................... 51 INHAFTIERUNG VON LEHRKRÄFTEN ....................................................................................... 51 6. DER RECHTLICHE RAHMEN ......................................................................... 62 INTERNATIONALES RECHT ...................................................................................................... 62 IRANISCHES RECHT ................................................................................................................ 69 7. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN ........................................... 72 EMPFEHLUNGEN .................................................................................................................... 72 AN DIE IRANISCHEN BEHÖRDEN ............................................................................................ 72 AN DIE INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT .............................................................................. 76 4 1. EINLEITUNG „Universitäten sind die Stimme des Volkes. Und deswegen versuchen sie, diese zum Schweigen zu bringen.“ Ein ehemaliger Student der Amir-Kabir-Universität Teheran und politischer Gefangener, derzeit im Exil, März 2013 Bei seiner Amtseinführung im August 2013 fand Irans neu gewählter Präsident Hassan Rouhani, der sich selbst als gemäßigt bezeichnet, sein Land in einer Krise vor. Während der 8-jährigen Präsidentschaft seines Vorgängers, des zweimaligen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad, hatte sich die Lage der Menschenrechte weiter verschlechtert. Der Iran wurde mehr und mehr diplomatisch isoliert infolge des westlichen und arabischen Misstrauens wegen seiner Absichten hinsichtlich der Nutzung der Kernkraft. Außerdem war das Land wirtschaftlich durch die einschneidenden Handels- und FinanzSanktionen geschwächt. Während seines erfolgreichen Wahlkampfs und in den Reden nach seiner Amtseinführung schien er sich Mühe zu geben, sich von seinem Vorgänger zu distanzieren, auch von der Politik und der Rhetorik des früheren Präsidenten. Er schien ein umgänglicheres und konstruktiveres Vorgehen in seiner Politik und beim Aufbau von Beziehungen zu beabsichtigen, sowohl nach innen als auch nach außen, bei der Verfolgung der politischen, strategischen und wirtschaftlichen Interessen Irans und seiner 78 Millionen Einwohner. Es war die Anerkennung der allgemeinen Wechselstimmung und das Ende von Irans internationaler Isolierung, die sein Wahlsieg widerspiegelte und er schien ein neues mehr Erfolg versprechendes Kapitel in den internationalen Beziehungen Irans aufzuschlagen. Schon nach einigen Monaten gab es ein vorläufiges Abkommen in Genf zwischen der iranischen Regierung, den USA und anderen ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates sowie Deutschland im November 2013, in dem sich der Iran verpflichtete, einige Teile seines Atomprogramms als Gegenleistung für Sanktionserleichterungen einzufrieren. Im Iran selbst allerdings wurden die begrenzten Handlungsmöglichkeiten des Präsidenten schnell sichtbar, als konservative Abgeordnete die Ernennung einiger seiner Ministerkandidaten blockierten – einschließlich seines Kandidaten als Minister für Wissenschaft, Forschung und Technologie (im weiteren als Minister für Wissenschaft bezeichnet) – in dessen Zuständigkeit die Aufsicht über Irans Universitäten fallen sollte. Dieser frühe Rückschlag zeigte, dass das von Geistlichen beherrschte politisch-religiöse Establishment unter der Führung des obersten geistlichen Führers Ayatollah Ali Khamenei und Betonköpfen im Sicherheits- und Rechtsbereich große Macht und Einfluss behalten hatte und weiterhin entscheidenden Einfluss auf die Art und Weise und das Tempo der Veränderungen im Iran hat. Die Verurteilung der studentischen Aktivistin Maryam Shafi' Pour zu sieben Jahren Haft durch ein Revolutionsgericht unter anderem wegen „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ lieferte weitere Belege für den Einfluss und die Intoleranz der Behörden. Seit Rouhanis Wahl konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der meisten Medien und Diplomaten auf die Entwicklung der internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Bis jetzt ist unklar, ob und in welchem Ausmaß es während Rouhanis Präsidentschaft eine deutliche Verringerung der Spannungen und einen Rückgang der internationalen Handels-, Finanz- und anderen Sanktionen geben wird, die Irans Wirtschaft getroffen, den Lebensstandard gesenkt und den Zugang zu importierten Gütern erschwert haben. Auch wenn es sich dabei um wichtige Probleme handelt, sollten sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass Präsident Rouhani andere Problem anpacken muss, wenn seine Regierung das verheerende soziale, politische und wirtschaftliche Erbe von Präsident Ahmadinejad überwinden will, und dass er sich den Bedürfnissen einer wachsenden Bevölkerung zuwenden muss, von der die Hälfte jünger als 24 Jahre und ein Viertel jünger als 15 Jahre ist. Eine besonders große Herausforderung findet sich an Irans Universitäten und anderen höheren Bildungseinrichtungen, z.B. medizinischen Ausbildungsstätten, Instituten für Technologie und Volkshochschulen. Diese Einrichtungen besuchen jedes Jahr einige Millionen Menschen, etwa die 5 Hälfte davon Frauen, es gibt jedoch in diesen Institutionen keine erwähnenswerte akademische Freiheit mehr. Unter Präsident Ahmadinejad wurde das, was die Universitäten als Zentrum unabhängigen Denkens und kritischer Analyse bewahrt hatten oder nach der Kulturrevolution Anfang der 80er Jahre wieder aufbauen konnten, nahezu ausgelöscht, als die Behörden sie immer stärker durch den Sicherheits- und Geheimdienst kontrollierten. Diese Entwicklung begann kurz nachdem Mahmoud Ahmadinejad im Jahre 2005 zum Präsidenten gewählt worden war. Er setzte eine neue Welle der „Islamisierung“ an den Universitäten in Gang, durch die Vorlesungen, die als „westlich beeinflusst“ angesehen wurden, aus dem Lehrplan entfernt wurden, akademisches Personal, das als „weltlich“ galt, entlassen oder gezwungen wurde, die Universitäten „freiwillig“ zu verlassen und studentische Aktivisten zwangsexmatrikuliert wurden. Gleichzeitig trieben die Behörden die Geschlechtertrennung an den Universitäten voran und verschärften die Überwachung der Einhaltung der Kleidungs- und Verhaltensregeln für Lehrende und Lernende. Die Entwicklung erreichte ihren Höhepunkt während der massenhaften friedlichen Proteste in der zweiten Hälfte des Jahres 2009, als Millionen von Iranern in Teheran und anderen Städten auf die Straße gingen, um gegen Präsident Ahmadinejads umstrittene Wiederwahl im Juni 2009 zu protestieren. Im Verlauf der Proteste, an denen viele Studierende und Dozenten teilnahmen, wurden die Universitäten zum Brennpunkt der Unruhe und Opposition gegen den wiedergewählten Präsidenten und seine Unterstützer innerhalb des Klerus und der politischen Autoritäten, einschließlich des Obersten Führers. Verblüfft und verärgert durch den Umfang des Protestes, begannen die Behörden einen Gegenangriff über mehrere Monate. Angeführt von den Revolutionsgarden und den Basiji, einer paramilitärischen Truppe, gelang es, die Unruhen durch Gewalt zu unterdrücken; durch unverhältnismäßige Gewaltanwendung der Polizei, willkürliche Verhaftungen, Prügel, Folter und andere Misshandlungen der Verhafteten, von denen einige in der Haft zu Tode kamen. Es folgten vollkommen unfaire „Schauprozesse“, in denen die Angeklagten vor Revolutionsgerichten erscheinen mussten, wo sie häufig zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Meistens handelte es sich um Geheimprozesse, von denen nur kurze Ausschnitte im Fernsehen übertragen wurden, in denen viele Angeklagte, von denen die meisten ohne Verbindung zur Außenwelt gewesen waren, unter menschenunwürdigen Bedingungen „gestanden“, gegen die nationale Sicherheit gehandelt zu haben und um Nachsicht und Vergebung baten. Viele wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, einige wurden später entlassen, bevor sie die gesamte Strafe abgesessen hatten. Einige der Universitätsangehörigen hatten offen die oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mousavi unterstützt oder in deren Wahlkampfmannschaften mitgearbeitet und waren deshalb besonders im Visier der Sicherheitskräfte. Andere wurden auf dem Weg zu den Demonstrationen oder dem Nachhauseweg verhaftet. Die Sicherheitskräfte drangen in Universitätseinrichtungen und Studentenwohnheime ein, wobei bis zu fünf Studenten ums Leben gekommen sein sollen. Die Behörden verboten zahlreiche Studentenzeitschriften und Studentenvereinigungen, darunter das „Büro für die Stärkung der Einheit“ (OCU), die größte Studentenvereinigung Irans mit Büros in mehreren Universitätsstädten. Vor dem Verbot hatte das OCU die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte geäußert und weitere Reformen verlangt, sowie die Behörden zu mehr Respekt gegenüber den „Islamic Students Associations“ (ISA) des Landes aufgefordert. Viele Studenten wurden ohne Anklage mit der einschüchternden Erfahrung der Verhaftung wieder entlassen; einige jedoch wurden eine Zeit lang oder auf Dauer vom Studium ausgeschlossen. Andere wurden wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ angeklagt oder schwererer, aber unklar bezeichneter Vergehen beschuldigt, wie z. B. „Verbreitung von Lügen zur Störung der öffentlichen Meinung“, „Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch Teilnahme an illegalen Treffen“, „Beleidigung des Obersten Führers oder des Präsidenten“. Manchen wurde „moharebeh“ (Feindschaft gegen Gott) vorgeworfen, ein Kapitalverbrechen. Die Anklagen wurden in unfairen Prozessen vor Revolutionsgerichten verhandelt, die sie zu Gefängnisstrafen oder auch in einigen Fällen zu Auspeitschungen verurteilten. Während dieser neuen Verfolgungswelle flohen Tausende Studierende und Akademiker aus dem Iran und trugen zum intellektuellen Ausbluten des Irans bei, eine Folge der staatlichen Unterdrückung in der Islamischen Republik. Die Zurückbleibenden, die ihre Ausbildung fortsetzen konnten und an die 6 Universitäten zurückkehrten, erlebten sie unter viel stärkerer staatlicher Kontrolle und Überwachung, um jegliche abweichende Meinung zu unterdrücken. Vor dem Jahr 2005 besaßen die Universitäten eine gewisse Autonomie bei der Berufung der Dekane und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen. Der erste von Präsident Ahmadinejad berufene Wissenschaftsminister kassierte diese Rechte der staatlichen Universitäten und unterstellte sie seiner direkten Kontrolle. Seither war sichergestellt, dass nicht nur höhere Verwaltungsposten, sondern auch Lehrbeauftragte nach seinen Vorgaben eingestellt wurden. Die Vorgaben umfassten nicht nur wissenschaftliche Verdienste, sondern etwa auch Mitgliedschaft bei den Basiji oder militärische Erfahrungen. Die Sicherheitsdienste waren also nun Herr im Haus, und die Universitäten versuchten, abweichende Meinungsäußerungen zu verhindern, indem sie eine Art „Strafpunktesystem“ einführten, um studentischen Aktivisten und denen, die Kleidungs- und Verhaltensregeln nicht einhielten, klar zu machen, dass sie unter Beobachtung standen und bei Fortsetzung ihres abweichenden Verhaltens mit disziplinarischen Maßnahmen zu rechnen hatten. Der von Präsident Ahmadinejad angestoßene neuerliche Islamisierungsprozess hatte geschlechtsspezifische Auswirkungen an den Universitäten und setzte ein, als die Zahl der Studentinnen die Zahl der Studenten zu übersteigen begann. Die Geschlechtertrennung in den Universitäten, die als Folge der Kulturrevolution Anfang 1980 eingeführt worden war und Eltern dazu gebracht hatte, in den Universitäten einen sicheren Platz für ihre Töchter zu sehen, und die Aufhebung der Beschränkungen des Studienangebotes für Frauen führte zu einer dauerhaften Zunahme der Studentinnen. Frauen stellen etwa die Hälfte der iranischen Studierenden. Die „Islamisierung“ während der Kulturrevolution hatte viele negative Aspekte und Folgen, aber ironischerweise brachte die strikte Geschlechtertrennung an den Universitäten viele Familien zu der Überzeugung, dass ihre Töchter an den Universitäten in Sicherheit waren. Die Zahl der Frauen, die eine Hochschulbildung anstrebten, erhöhte sich in den 1980er Jahren, nachdem die Behörden sich dazu entschlossen hatten, die Beschränkungen, die im Gefolge der Islamischen Revolution von 1979 eingeführt worden waren, zum Teil wieder aufzuheben. Das Wachstum hielt in den 1990er Jahren und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts an. Im Studienjahr 2005/2006, dem ersten Jahr der Präsidentschaft Ahmadinejads, lag der Anteil der Frauen in der Hochschulausbildung bei mehr als 55% der Gesamtzahl der Studierenden. Im Jahr 2007 hatte sich der Anteil bis auf fast 58% erhöht. Nach dem Amtsantritt Präsident Ahmadinejads im Jahr 2005 begannen staatliche Versuche, die Zahl der Studentinnen zu reduzieren, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, wobei unklar ist, inwieweit sie zum Erfolg führten. Einige Universitäten führten Quoten für Studentinnen in bestimmten Studiengängen ein, andere Studiengänge, z. B. Bergbauwesen, wurden für Studentinnen gesperrt, da nur Studenten als dafür geeignet angesehen wurden. Andere Studiengänge, etwa Frauenstudien, wurden verändert, indem die Betrachtung von Frauenrechten nach internationalem Recht gestrichen wurde und stattdessen der Schwerpunkt auf die Betrachtung „hergebrachter“ Frauenrollen und verantwortlichkeiten in den Familien als Frauen und Mütter gelegt wurde und unterstrichen wurde, dass „islamische Werte“ der bestimmende Faktor für die Rolle der Frauen in der iranischen Gesellschaft und ihr Verhalten seien. Studentinnen berichteten Amnesty International, dass nach ihrer Ansicht die konsequentere Durchsetzung der Kleidungs- und Verhaltensregeln in Verbindung mit Änderungen des Stundenplans und Zulassungsbeschränkungen zu bestimmten Studiengängen manche Frauen von der Aufnahme einer Hochschulausbildung abgeschreckt haben. Angehörige von Religionsgemeinschaften, die die Verfassung nicht anerkennt, wie etwa die Baha'i, sind seit der Islamischen Revolution von 1979 weitgehend von der Hochschulausbildung ausgeschlossen. Von den iranischen Behörden ist diese Diskriminierung, die internationalen Recht und vom Iran unterzeichneten Abkommen widerspricht, nach Kenntnis von Amnesty International aber nie zugegeben oder gerechtfertigt bzw. erklärt worden. Nach inoffiziellen Quellen gibt es für diese Diskriminierung geheime Anordnungen. 7 Allerdings steht fest, dass der Ausschluss von Baha'i und Angehörigen anderer religiöser Minderheiten zum Muster offizieller Diskriminierung religiöser und ethnischer Gruppen passt, die für unislamisch und illoyal gehalten werden. Deswegen wird ihnen der Zugang zum Staatsdienst, ihre Religionsausübung oder im Fall von Volksgruppen der Gebrauch ihrer Sprache an Schulen nicht gestattet. Vor diesem Hintergrund lassen sich seit Präsident Rouhanis Amtsübernahme einige, begrenzte positive Entwicklungen erkennen. Nach der Einsetzung Ja'far Tofighis als kommissarischer Wissenschaftsminister, erlaubte das Ministerium einigen ausgeschlossenen Wissenschaftlern und Studenten die Rückkehr an die Universität, jedoch unter der Bedingung, dass sie eine schriftliche Verpflichtungserklärung über ihre Vorhaben und ihr Verhalten abgeben mussten. Im September 2013 teilte Tofighi mit, dass sein Ministerium eine Arbeitsgruppe gebildet habe, die die Einsprüche ausgeschlossener Wissenschaftler und Studenten prüfen werde, und ermunterte auch erst vor kurzem Ausgeschlossene dazu, Einspruch einzulegen. Wenn ihre Einsprüche akzeptiert würden, könnten sie ihr Studium fortsetzen. Studenten, die vor dem Jahr 2011 ausgeschlossen worden seien, könnten ihre Prüfungen wiederholen, falls sie das Studium fortsetzen wollten. Noch können die Auswirkungen dieser Maßnahmen nicht beurteilt werden. Im August 2013 teilte das Wissenschaftsministerium mit, 126 zuvor ausgeschlossene Studierende seien wieder zum Studium zugelassen worden. Für Hunderte weitere hat sich die Lage jedoch nicht geändert; sie bleiben ausgeschlossen, weil sie vom Recht auf freie Meinungsäußerung oder friedliche Versammlung Gebrauch gemacht haben oder weil sie Baha'i sind oder zu anderen religiösen Minderheiten gehören, die weiter diskriminiert werden. In den ersten Monaten der Amtszeit Präsident Rouhanis stieg die Hoffnung auf weniger Repression durch das Regime und größerer Achtung der Menschenrechte der Iraner und der Verpflichtung des Staates durch internationale Menschenrechtsabkommen. Die nächsten Monate und Jahre werden entscheiden, ob an Irans Universitäten der willkürliche Einfluss der Sicherheitsdienste zurückgedrängt werden kann und sie wieder Zentren unabhängiger Wissenschaft, des freien Denkens und der Innovation werden können. Viele innerhalb und außerhalb Irans werden darauf achten, ob Präsident Rouhani die Probleme der iranischen Hochschulen anpacken wird, wie man nach seinen Reden vor der Wahl vermuten konnte, und mit wie viel Energie, Entschlossenheit und Erfolg er das tun wird. ZUSAMMENFASSUNG DER EMPFEHLUNGEN Amnesty International fordert die iranischen Behörden auf: • sicherzustellen, dass der Hochschulzugang für alle auf der Grundlage individueller Eignung ermöglicht wird; es soll durchgesetzt werden, dass Studium, Arbeit und Lehre an Hochschulen ohne Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Nationalität, religiöser Orientierung oder Gewissensgründen möglich ist; • alle früheren, willkürlichen Ausschlüsse von Studierenden und alle Zwangspensionierungen und Entlassungen von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen aus unzulässigen Gründen zurückzunehmen; die Betroffenen sollen wieder studieren oder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren dürfen; • sicherzustellen, dass StudentInnen und WissenschaftlerInnen, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, keine Nachteile erfahren dürfen; den Studierenden soll es erlaubt sein, unabhängige Vereinigungen zu bilden und Zeitschriften zu veröffentlichen; • willkürliche Eingriffe in das Recht auf Privatsphäre der StudentInnen und WissenschaftlerInnen zu unterlassen; niemandem darf der Hochschulzugang als Strafe für seine politische Meinung, seinen Glauben, seine Volkszugehörigkeit, sein Geschlecht oder seine sexuelle Orientierung verweigert werden; • alle politischen Beschlüsse aufzuheben, die die Absicht oder die Auswirkung haben, Frauen den Zugang zu Hochschulen im Allgemeinen oder besonderen Studiengängen zu verwehren; • sicherzustellen, dass Universitäten und andere höhere Bildungseinrichtungen menschenrechtliche Standards beachten und das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit 8 einhalten; • Menschenrechtsverletzungen in der Strafjustiz zu beenden, wie zum Beispiel willkürliche Verhaftungen, Haft ohne Verbindung zur Außenwelt, kein Zugang zu rechtlichem Beistand, Folter und Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren. ÜBER DIESEN BERICHT Dieser Bericht basiert auf Untersuchungen von Amnesty International unter Verwendung vieler öffentlicher und privater Quellen. Dazu gehören ausführliche Gespräche mit mehr als 50 Männern und Frauen mit eigenen Kenntnissen iranischer Universitäten und der iranischen höheren Bildung. Seit 1979 kann Amnesty International keine eigenen Untersuchungen im Iran durchführen und eigene Erkenntnisse gewinnen. Die Befragten waren aber bis vor kurzem noch an iranischen Universitäten tätig, bis sie ins Ausland flohen. Zusätzlich zu den Befragungen, die auf Farsi geführt wurden, wertete Amnesty auch Fragebögen aus. Bei den öffentlich zugänglichen Quellen handelt es sich um Regierungsveröffentlichungen, Berichte und Untersuchungen von UN-Organisationen, Aussagen von iranischen Politikern, Berichte unabhängiger Menschenrechtsorganisationen und Veröffentlichungen iranischer und internationaler Medien. Amnesty International bemühte sich auch erfolglos um direkte Informationen zu diesem Thema bei den iranischen Behörden, vor allem hinsichtlich der Zahl der von Universitäten und anderen höheren Bildungseinrichtungen verwiesenen Studierenden und der Zahl derjenigen, deren Ausschluss wieder zurückgenommen wurde, nachdem Präsident Rouhani sein Amt im August 2013 antrat. Bis jetzt haben die Behörden jedoch nicht auf Amnesty Internationals Anfrage reagiert. Amnesty International bedankt sich bei allen innerhalb und außerhalb Irans, die zum Zustandekommen dieses Berichts beigetragen haben und widmet ihn denen, die sich für die Durchsetzung der Menschenrechte und die Stärkung der akademischen Freiheit im Iran einsetzen. 9 2. HINTERGRUND [anschließend an Mahmoud Ahmadinejads Wahl:] „Es war eine gezielte Kampagne im Gange, um die Studentenbewegung zu unterdrücken.“ Sajad Veismoradi, studentischer Aktivist an der Amir Kabir Universität, sprach im April 2013 mit Amnesty International. Seit der Islamischen Revolution 1979 haben die iranischen Behörden Bestrebungen hin zu einer „Islamisierung“ des höheren Bildungssystems im Lande verfolgt, basierend auf den Lehren des Shi´aIslam, die durch Ayatollah Ruhollah Khomeini und seinen Nachfolger als Obersten Religionsführer, Ayatollah Khamenei, unterstützt wurden. Dabei zeigten die Behörden wenig oder keine Rücksicht auf akademische Freiheit und die Menschenrechte, von der sie abhängt, und auch nicht auf Meinungs- und der Versammlungsfreiheit. Stattdessen war es ihre Absicht, die Universitäten und andere Zentren höherer Bildung in eine religiöse Zwangsjacke zu legen, die wenig Platz für unabhängiges Gedankengut oder freie Äußerungen lässt, vor allem nicht für Äußerungen der Missbilligung der herrschenden Ordnung und der Zentren der staatlichen Macht. Unter Präsident Ahmadinejad begannen die Behörden als Folge neuer Studentenproteste gegen seinen Vorgänger, den Reformator Präsident Mohammad Khatami (1997 – 2005), den Zugriff auf die Universitäten wieder zu verstärken. Sie reduzierten die Kompetenzen der Universitätsdekane, indem sie die Zuständigkeit für die Einstellung von Universitätsprofessoren und akademische Arbeitskräfte übernahmen; sie führten ein strengeres disziplinarisches Regime sowohl für Studierende als auch für Akademiker ein; und sie erhöhten die Rechte der Staatssicherheits- und Geheimdienstkräfte auf dem Campus. Zudem veranstalteten sie nach Präsident Ahamadinejads Wiederwahl 2009 eine große Razzia, deren Auswirkungen noch heute spürbar sind. VON DER ISLAMISCHEN REVOLUTION ZUR WAHL VON MOHAMMAD KHATAMI, 1979 – 1997 Studenten waren schon lange vor der Islamischen Revolution 1979 eine dynamische Kraft in der iranischen Politik; daher wurden studentische Gruppen und Vereinigungen häufig von den politischen und Sicherheitsbehörden des Landes mit Argwohn und Feindseligkeit betrachtet. Der nationale iranische Studententag, der 7. Dezember, bleibt ein wichtiger Tag im iranischen politischen Kalender. Er erinnert an einen Vorfall im Jahre 1953, als die Polizei unter Mohammad Reza Pahlavi, dem letzten Schah des Iran, drei Studenten der Universität Teheran tötete während eines Protestes, der sich gegen dessen Entscheidung richtete, die diplomatischen Beziehungen mit den USA und dem Vereinigten Königreich wiederaufzunehmen (diese beiden Staaten hatten den Putsch gegen die vorherige iranische Regierung inszeniert) sowie gegen einen Besuch des damaligen USVizepräsidenten Richard Nixon in Teheran. Seit der Amtsenthebung des Schahs in der Islamischen Revolution im Jahr 1979 wurde der 7. Dezember häufig von den Behörden als Gelegenheit genutzt, ihren Rückhalt innerhalb der Studentenschaft zu demonstrieren, und von studentischen Gruppen wiederum, ihren Klagen öffentlich Luft zu machen. Studenten spielten eine wesentliche Rolle dabei, das autokratische westlich-gestützte Schah-Regime zu kippen, und dabei, Ayatollah Khomeini zu unterstützen, eine neue islamische Republik mit ihm selbst als Obersten Religionsführer zu etablieren und zu konsolidieren. Im November 1979 drangen studentische Aktivisten, die loyal gegenüber Ayatollah Khomeini waren, in die US-Botschaft in Teheran ein und übernahmen die Kontrolle: der Zündfunke für den Fall der postrevolutionären Übergangsregierung und den Beginn des 444-tägigen US-Geiseldramas. Vor der Revolution hatten 10 linke, nationale und religiöse Parteien jeweils ihre eigenen studentischen Gruppen begründet. Darunter war auch die Muslimische Studentengesellschaft, die zur Volksmujahedin-Organisation im Iran (People´s Mojahedin Organization of Iran, PMOI) gehörte und eine große Anhängerschaft gefunden hatte. Diese ermöglichte, die Wahlen 1979 zu gewinnen und so die studentischen Koordinationsräte vieler Universitäten zu kontrollieren. Die Zeitspanne der politischen Umwälzung, die unmittelbar auf die Absetzung des Schahs folgte, war von einer Lockerung der Restriktionen der Meinungsfreiheit sowie der Versammlungsfreiheit geprägt, die vorher von der Geheimpolizei so brutal aufgezwungen worden waren; doch das war nur von kurzer Dauer. In der politischen Erregung, die die Revolution mit sich brachte, wurden Studentenorganisationen schnell zu Partisanen in einem immer bitter werdenden Machtkampf zwischen säkularen und linkspolitischen Parteien und den religiösen Gruppen, die hinter Ayatollah Khomeini und den mächtigen ihn unterstützenden Geistlichen standen. Im September 1979 bildeten Studenten der Universität Teheran, nachdem sie Ayatollah Khomeini getroffen hatten, die „Union of Islamic Students Associations of Universities Nationwide – Office for the Consolidation of Unity“ (ISA-OCU) als eine Dachorganisation, die islamische Studentenorganisationen (ISA) im ganzen Land miteinander verbinden sollte, welche, gestützt von der neuen Regierung, bald dominierend in der nationalen Studentenbewegung wurde. Während sie ihre Macht festigten, wurden für die neuen Behörden der Islamischen Republik säkulare und linkspolitische Organisationen sowie deren studentische Unterstützergruppen zur Zielscheibe. Sie schwächten sie und reduzierten ihre Präsenz und ihren Einfluss an den Universitäten des Landes drastisch. Ayatollah Khomeini nutzte daraufhin den Aufstieg der islamischen Studentenorganisationen (ISA) im ganzen Land, indem er die Kulturrevolution mit ihrer aktiven Unterstützung in Gang setzte. In einer Rede im April 1980 suchte er sich speziell die Universität Teheran, die prestigeträchtigste Universität im Iran, für Kritik an der dort gepflegten Säkularität und ihrer westlichen Orientierung heraus. Er forderte, dass die Universität „islamisiert werden“ sollte, um sicherzustellen, dass das Wissen, welches in ihren Wänden erworben wurde, zugunsten des Irans verwendet würde und um „seine Unabhängigkeit vom Westen und vom Osten zu erreichen“. Seine Rede hatte, wie erwartet, sofortige Konsequenzen. Am nächsten Tag verkündete die Regierung, alle Universitäten im Iran würden für eine Dauer von 30 Monaten geschlossen, sobald die bevorstehenden Examina abgelegt worden seien, und die Dauer der Schließung werde genutzt, um die Universitäten von Grund auf zu reformieren auf der Basis islamischer Prinzipien, wie sie von Ayatollah Khomeini und anderen Shi´a-Geistlichen vertreten wurden. Mit der Schließung der Universitäten und anderer Institutionen höherer Bildung wurde ein siebenköpfiges Hauptquartier der Kulturrevolution ernannt, um den Reformprozess zu leiten und zu beaufsichtigen und seine Vereinbarkeit mit islamischen Lehren sicherzustellen. Es wurde 1984 durch den Obersten Rat der Kulturrevolution („Supreme Council of the Cultural Revolution“ – SCCR) abgelöst, eine größere Einrichtung, die bis heute großen Einfluss hat und offiziell auf die höhere Bildung einwirkt, obwohl sie keine im Gesetz festgeschriebene Macht besitzt. Die Wiedereröffnung der Universitäten nach der Zwangsschließung und der „Reform“ wurde von einem massiven Einbruch der Studentenzahlen begleitet – von 174.217 im Studienjahr 1979-80, unmittelbar vor der Schließung, auf 117.148 im Jahr 1982-83, im ersten Studienjahr nach der Wiedereröffnung. Gegen Ende der Kulturrevolution hatten die Behörden die Macht säkularer und linker Organisationen effektiv gebrochen; einschließlich deren Studentenflügeln. Sie hatten die Kontrolle über die Studentenbewegung im Ganzen wieder gewonnen und deren Loyalität und Unterwerfung unter die Regierung sichergestellt, insbesondere unter Ayatollah Khomeini. Dies blieb so bis zu dessen Tod 1989. Dies umfasste auch die Zeit des Iran-Irak-Kriegs (September 1980 – August 1988), während dem sich Tausende Studenten freiwillig für den Militärdienst meldeten. Viele wurden getötet oder erlitten schwere Verletzungen während der Kämpfe gegen die Truppen des irakischen Machthabers Saddam Hussain. Es gab viele Herausforderungen beim Wiederaufbau in der Zeit nach dem Krieg, sobald der Frieden mit dem Irak und anderen Kräften ausgehandelt war. Erst nachdem eine neue Studentengeneration, die in der Islamischen Republik aufgewachsen war, in den 1990er Jahren in Erscheinung trat, erlangten Studentenorganisationen erneut Bedeutung in der nationalen Politik und begannen eine Herausforderung für die Behörden darzustellen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die ISA-OCU viel von ihrem 11 Einfluss verloren. Am Boden zerstört hatte sie sich in verschiedene Fraktionen zersplittert, die im Wesentlichen den Hauptrichtungen – konservativ und reformatorisch – zugeneigt waren, die in Irans regierender politisch-geistlicher Elite entstanden waren. Viele aus der neuen Generation der studentischen Aktivisten fühlten sich zu den Ansichten hingezogen, die von den Reformern vertreten wurden, unter denen ehemalige Leiter der islamischen Studentenorganisationen waren. Sie traten nun als Anwälte größerer, wenngleich beschränkter, politischer und sozialer Liberalisierung auf, seitdem sie in gute Positionen in der Verwaltung oder im erweiterten politischen Establishment gelangt waren. DIE ÄRA VON MOHAMMAD KHATAMI, 1997 – 2005 Der Umschwung zur beschränkten Liberalisierung spiegelte sich wider in der Entscheidung der OCU, den geistlichen Reformer Mohammad Khatami in seiner erfolgreichen Kampagne für die Präsidentschaft im Jahre 1997 zu unterstützen. Trotz seiner reformerischen Bekenntnisse waren Präsident Khatamis erste Jahre im Amt begleitet von einem stetigen Anstieg der Spannungen zwischen den regierenden Behörden und ihrer Kritik an der Studentenbewegung. Dies gipfelte im Juli 1999 darin, dass die Behörden die Schließung von „Salam“ anordneten, einer reformorientierten Zeitung, unter deren Redakteuren ehemalige Leiter von Studentenbewegungen waren. Daraufhin begannen die Studierenden der Universität Teheran einen friedlichen Protest. Dieser jedoch führte zu einer gewaltsamen Razzia der Regierung, während der die Polizei, unterstützt von paramilitärischen Kräften, einen brutalen Angriff auf die studentischen Schlafsäle unternahm, bei dem mindestens ein Student ums Leben kam und andere verletzt wurden. Die Gewalt entzündete weitere studentische Proteste, welche die Behörden mit der Festnahme Hunderter studentischer Aktivisten zerschlugen. Einige wurden auch gefoltert. Viele wurden Staatssicherheitsdelikten oder Vergehen gegen die öffentliche Ordnung beschuldigt und in unfairen Prozessen zu Gefängnisstrafen verurteilt. Vier Jahre später, während Präsident Khatamis zweiter Amtszeit, begannen erneute Unruhen an den Universitäten im Iran. Diese entstanden nach Gerüchten im Juni 2003, die Regierung plane, die Universitäten zu privatisieren und die Studiengebühren zu erhöhen. Wieder einmal war die Antwort der Behörden auf die Proteste brutal und kompromisslos. Die Sicherheitskräfte unterdrückten die Proteste mit einer Kombination aus übersteigerter Gewalt, einschließlich gewaltsamer Attacken auf studentische Schlafsäle, Massenverhaftungen und übler Behandlung der Protestler – im Evin-Gefängnis in Teheran sollen revolutionäre Garden inhaftierte Studentinnen sexuell missbraucht haben. Weitere Auseinandersetzungen traten in der Studentenbewegung im Jahr 2004 auf, die den andauernden Kampf um politischen Aufstieg zwischen politisch Konservativen und Reformern widerspiegelten. Auf der einen Seite verkündete die dominierende Interessengruppe in der OCU offen, ein Anwalt internationaler Menschenrechte zu sein, und riefen die Regierung dazu auf, sich den Prinzipien der Universellen Erklärung der Menschenrechte anzuschließen; auf der anderen Seite kündigte die ISA der Universität Teheran an, sie habe sieben Zweige in verschiedenen Fakultäten wegen der offen erkennbaren säkularen Orientierung aufgelöst. Zum Ende von Präsident Khatamis zweiter Amtszeit im Jahr 2005 hatte sich die Studentenbewegung in ein Netz von Gruppen und Vereinigungen zerlegt, die unterschiedliche Standpunkte vertraten. Einige produzierten universitäre Nachrichtenblätter, um ihre Existenz bekannt zu machen und ihre Ansichten zu verbreiten, was die entspanntere Atmosphäre nach der Aufweichung der Restriktionen unter Khatamis Verwaltung widerspiegelte. All dies änderte sich jedoch, als ein neuer Präsident, Mahmoud Ahmadinejad, Präsident Khatami 2005 ersetzte, nachdem er an die Macht kam in einer Wahl, in der er beide seiner wesentlichen reformerischen Gegenspieler, Mostafa Moín und Mehdi Karroubi, sowie den ehemaligen Präsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsanjani ausgeschaltet hatte. 12 3. DAS SYSTEM DER HÖHEREN BILDUNG IM IRAN „Öffentliche Einrichtungen wie Büchereien, Schlafsäle und Mensen müssen für männliche und weibliche Studenten getrennt sein oder [je nach Geschlecht] zu unterschiedlichen Zeiten genutzt werden.“ Artikel 11 der Resolution 121 des Obersten Rates für die Kulturelle Revolution Die Verfassung der Islamischen Republik Iran überträgt der Regierung „die Pflicht, alle ihre Mittel“ zur Verfolgung gewisser Ziele einzusetzen. Dazu gehört auch die Bereitstellung „kostenfreier Bildungs- und Sportangebote für jeden auf jedem Niveau sowie die Erleichterung und Ausweitung der Hochschulbildung“. In Artikel 30 heißt es: „Die Regierung ist gehalten, kostenfreien Zugang zu Bildungseinrichtungen bis zum Ende der Sekundarstufe sicherzustellen und kostenfreie Hochschulbildung auszubauen, um den Eigenbedarf des Landes zu decken.“ Artikel 20 legt fest, alle Bürger des Iran alle Rechte gleichermaßen genießen sollen, und zwar „in Übereinstimmung mit den Regeln des Islams“. Dieser Satz ist allerdings weder in der Verfassung noch in einem Gesetz näher definiert und bietet den Behörden so in der alltäglichen Praxis die Möglichkeit, Diskriminierung von Minderheiten zu rechtfertigen. Dies steht im Widerspruch zu den Verpflichtungen, die der Iran als Unterzeichnerstaat der Internationalen Konvention über bürgerliche und politische Rechte (International Covenant on Civil and Political Rights, ICCPR) und der Internationalen Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, ICSECR) eingegangen ist. Diese grundlegenden internationalen Menschenrechtsverträge verbieten jegliche Diskriminierung aufgrund von Rasse, Geschlecht, Sprache oder Religion, nationaler oder sozialer Herkunft sowie von politischen oder anderen Überzeugungen. HOCHSCHULBILDUNG Die gesamte Gesetzgebung zu allen Bereichen der Bildung wird geleitet vom Obersten Rat der Kulturrevolution (SCCR, Supreme Council of the Cultural Revolution). Diese Einrichtung ersetzte im Dezember 1984 das „Hauptquartier für die Kulturrevolution“ und übernahm dessen Rolle bei der Überwachung der Universitäten und deren Lehrinhalte. Der SCCR hat seinen Sitz in Qom und seine 41 Mitglieder werden direkt vom Obersten Führer ernannt. Offiziell hat der SCCR keine gesetzgeberische Gewalt, aber seine Anweisungen werden von den iranischen Behörden so umgesetzt als hätten sie Gesetzeskraft. Im Februar 1985 erließ Ayatollah Khomeini ein Dekret, das die Entscheidungen des SCCR als bindend einstufte. Der SCCR selbst bestätigte in einer von ihm angenommenen Resolution im Oktober 1997 noch einmal, dass alle seine Erlasse Gesetzeskraft haben. Der Präsident des Iran ist kraft seines Amtes auch Vorsitzender des SCCR. Weitere Mitglieder qua Amt sind die Minister für Justiz, für Wissenschaft, Forschung und Technologie, der Minister für Bildung, Kultur und islamische Führung sowie der Minister für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Nach seiner Wahl im Jahre 2005 begann Präsident Ahmadinejad, persönlich die Sitzungen des SCCR zu leiten, und hatte somit direkten Einfluss auf seine Entscheidungen. Präsident Rouhani löste ihn als Vorsitzenden im August 2013 ab, aber es ist bis jetzt unklar, welchen Einfluss, falls überhaupt, dies auf die Entscheidungen des SCCR hat. Über all die Jahre war der SCCR eine höchst konservative Körperschaft. Er hat viele Änderungen der Lehrpläne veranlasst, um Bildung und Lehre in Übereinstimmung mit dem zu bringen, was er als wahre islamische Prinzipien und Glaubensinhalte ansieht. Mitte der 1980er Jahre veranlasste er z. B., dass Lehrveranstaltungen in Logik und Ökonomie nicht weiterhin Teil der allgemeinen Lehrpläne sein sollen und dass Studienanfänger die Geschichte des Islam, islamische Erziehung und Ethik und die islamischen Texte studieren sollten. 2004 wies der SCCP an, dass für Studenten im Grundstudium die 13 12 Bestandteile der islamischen Kultur Lehrstoff sein sollten, darunter islamisches Denken, islamische Ethik, islamische Revolution (einschließlich der politischen Ideen von Ayatollah Khomeini), wie auch islamische Geschichte und Kultur. 1998 legte der SCCR die „Grundlagen, die die islamische Universität leiten sollen“, fest. „Monotheistische Erkenntnis“, „Geistlichkeit“ und „Ethik“ sollten insgesamt die Lehre an den Universitäten lenken. Zwei Jahre später, nach den großen Studentendemonstrationen von 1999, stellte der vom SCCR eingerichtete „Rat für die Islamisierung der Universitäten und Bildungszentren“ eine Reihe von Forderungen auf für „die Umsetzung einer Politik der Islamisierung an den Bildungszentren“, die auf den Prinzipien des SCCR beruhen sollten. Zusammen mit diesem Papier entwickelte „Aktionspläne“ sollten den „islamischen Glauben unter den Studenten“ und ebenso die Anwerbung und Auswahl von „verdienten und frommen Professoren“ für die Universitäten fördern. Die Lehrkräfte sollten Anhänger der „Grundsätze und Ideale“ der Islamischen Republik sein und dafür sorgen, dass die Universitäten gemäß den Prinzipien des SCCR für die Führung der Universitäten geleitet würden. Die „strategischen Richtlinien“ forderten ebenfalls, „in den Bildungszentren die Sittsamkeit“ einzuhalten. So sollten die Behörden in der Lage sein, die Beziehungen zwischen männlichen und weiblichen Studenten zu ordnen, um so eine „Vermischung“ der Geschlechter zu verhindern oder zu mindern. Sie sollten auch die Lehrpläne überprüfen und Lehrbücher auf der Grundlage des Islam, seines Glaubens und seiner Grundsätze erstellen, besonders für Studiengänge der Geisteswissenschaften. Der höhere Bildungssektor im Iran umfasst vier verschiedene Arten von Bildungseinrichtungen: Universitäten (einschließlich der staatlichen, privaten und Fernuniversitäten), Einrichtungen zur Lehrerausbildung, Hochschulen und technische Universitäten. Das Wissenschaftsministerium (früher Ministerium für Kultur und höhere Bildung) ist für die mehr als 50 staatlichen Universitäten zuständig. Die mehr als 40 staatlichen medizinischen Hochschulen werden vom Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung verwaltet und kontrolliert. 2008 sollen etwa 1,8 Millionen Studenten die staatlichen Universitäten besucht haben, weitere 1,5 Millionen waren an der „Freien Islamischen Universität“ (Islamic Azad University) eingeschrieben, einer 1982 gegründeten Privatuniversität mit Unterstützung des jetzigen Obersten Führers, Ayatollah Khamenei, und anderen führenden Geistlichen und Politikern. Ansässig in Teheran, ist diese Universität mit Hunderten von Instituten im Iran, aber auch im Ausland, verbreitet. Sie ist mit dem SCCR verbunden und ihre Diplome sind vom Wissenschaftsministerium anerkannt. Ehemals unabhängig und autonom von den staatlichen Einrichtungen höherer Bildung, kam die Islamic Azad Universität unter Präsident Ahmadinejad unter die effektive Kontrolle der Regierung. 2011 berief die Regierung die führenden Akademiker der Universität selbst und verstärkte ihre Verbindung zu der Payam-e Noor Universität, die 1986 unter der Schirmherrschaft des SCCR gegründet wurde. Auch diese Universität hat ihren Hauptsitz in Teheran, unterhält aber noch zahlreiche regionale Studienzentren. Sie wird vom Wissenschaftsminister kontrolliert und bildet etwa 1 Million Studierende im Fernstudium aus. ZULASSUNG DER STUDIERENDEN Studierende werden an der Universität zugelassen, wenn sie die jährliche Eingangsprüfung bestanden haben. Die bestandene Prüfung berechtigt zum Studium an einer staatlichen Universität, einer medizinischen Hochschule oder an der Islamic Azad Universität. Die Gesamtzahl der Studierenden kann nicht exakt eingeschätzt werden, sie beträgt mehrere Millionen. Nach einer Regierungsquelle soll es etwa 4.460.000 StudentInnen im Studienjahr 2011-2012 gegeben haben, davon studierten 1.576.000 an der Islamischen Azad-Universität. Dieselbe Quelle berichtete, es gebe mehr als 66.000 MitarbeiterInnen an den Universitäten, ohne die der Exekutivorgane. Von diesen 66.000 Lehrkräften waren mehr als 30.000 an der Islamischen AzadUniversität beschäftigt, mehr als 18.000 beim Wissenschaftsministerium und mehr als 12.000 beim Ministerium für Gesundheit und medizinische Erziehung. Die restlichen waren Mitarbeiter an der Payam-e Noor-Universität und an privaten Anstalten. 14 1985 führte der SCCR Kriterien ein, die den Zugang der Studierenden zu den Universitäten betrafen. Diese fordern von den Studienaspiranten, „treu zum Islam“ oder einer „anderen heiligen Religion“ zu stehen, das bedeutet, zu einer der drei offiziell anerkannten Religionen (Christen, Juden und Zoroastrier). Diese Kriterien schließen automatisch Anhänger von Religionen aus, die nicht von der iranischen Verfassung anerkannt sind, insbesondere die Baha’i. Die Kriterien fordern weiterhin, dass die NeuzugängerInnen nicht mit politischen oder militärischen Mitteln gegen die Islamische Republik Iran gekämpft haben und nicht durch unsittliches Verhalten aufgefallen sein dürfen. Zur Überprüfung dieser Kriterien sind drei Körperschaften verantwortlich: das Bildungsministerium, das für Grund- und Sekundarschulen zuständig ist, die Staatsanwaltschaft und das Geheimdienstministerium. Sie führen Nachforschungen durch, um herauszufinden, ob die Studienwilligen den geforderten Kriterien entsprechen. Die Kriterien des SCCR geben den Studierenden, die sich um ein Aufbaustudium oder um ein medizinisches Praxissemester bewerben, Vorrang, wenn sie als „treu“ zum Islam und zur Islamischen Republik, der iranischen Verfassung und der velayat-e faqih (Herrschaft der religiösen Gelehrten) beurteilt wurden. Vorrang haben auch die, die sich Verdienste um die Revolution vor 1979 oder bei der Verteidigung des Landes im Iran-Irak-Krieg erworben haben. REGELN UND DISZIPLIN Über die Jahre hat der SCCR eine Reihe von Verordnungen erlassen, die sich mit dem Verhalten, dem Benehmen, der Kleidung, der Moral und dem Glauben von Dozenten und Studierenden befassten. Er festigte das durch ein System disziplinarischer Kontrolle und Bestrafung, das von Sicherheitskräften an der Universität überwacht wurde und direkt dem Geheimdienstministerium unterstand. 1985 erließ der SCCR eine Verordnung, nach der alle BewerberInnen für eine Dozentenstelle loyal zur Islamischen Republik und der Verfassung stehen müssen. Sie sollen nicht wegen „effektiver Aktivitäten zur Unterstützung des früheren Regimes“ des Schah aufgefallen sein, ebenso nicht wegen „Feindschaft gegen Gott“ oder „Unterstützung feindlicher Splittergruppen“ und nicht wegen „Ausschweifungen“ oder „unmoralischen Verhaltens oder Handlungen“. Von den BewerberInnen für eine Dozentenstelle wurde weiterhin „loyales Verhalten gegenüber den islamischen Grundsätzen“ verlangt, es sei denn, sie gehörten den von der Verfassung anerkannten religiösen Minderheiten an und hatten nicht öffentlich gegen islamische Anforderungen verstoßen. In einem Erlass von 1987 führte der SCCR Regeln für die Trennung von Männern und Frauen an den Universitäten ein. Regeln bestanden schon mindestens seit der Wiedereröffnung der Universitäten nach der Kulturrevolution. Sie beschrieben auch, wie sich Frauen kleiden sollten. Die Regeln des SCCR forderten praktisch eine totale Trennung von männlichen und weiblichen Studenten. So forderten sie getrennte Sitzplätze, wenn möglich Besuch getrennter Vorlesungen, getrennte Labore, getrennte Seminare, Computerräume, Büchereien, Leseräume und andere Einrichtungen, das Essen in getrennten Kantinen und die getrennte Benutzung von Sportstätten. In den Kliniken der Medizinschulen sollte es getrennte Trakte für Männer und Frauen geben und auch in den Operationssälen sollten Männer und Frauen getrennt bleiben. Um die Geschlechter zu trennen, sollten getrennte Flure und Anschlagtafeln eingeführt werden. Männliche Dozenten sollten nur noch Sekretäre beschäftigen. Alle Frauen an der Universität sollten islamische Kleidung tragen und „enge und grelle Kleidung meiden, ebenso Schminke und übertriebene Moden“. Auch die Studenten und andere Anwesende sollten keine „grelle Kleidung“ tragen. Als Ahmadinejad fast zwei Jahrzehnte später 2005 Präsident wurde, erließ der SCCR seine Strategie zur Förderung der Kultur des Anstandes und der Sittlichkeit, die 46 Artikel enthält und u.a. die Befolgung der Kopf- und Ganzkörperbedeckung fordert und ebenso die Entwicklung und die Verwendung anderer eindeutig „islamischer und iranischer“ Kleidung. Nach der Darlegung seiner „Strategien“ setzte der SCCR ein „Komitee zur Förderung der Kultur der Tugendhaftigkeit“ ein, das neue Regeln durchsetzen sollte. Diesem mächtigen Gremium gehören Vertreter von 26 Ministerien und Organisationen an, geführt vom Minister für Kultur und islamische Führung und seinem Stellvertreter, dem Direktor der Organisation für islamische Propaganda. Es wurde 15 mit der Entwicklung von Plänen beauftragt, die die Strategien für „Anstand und Sittlichkeit“ verwirklichen sollten. Bisher wurde nur wenig über die Arbeit dieses Komitees bekannt. 2011 wurde jedoch von Beschwerden berichtet, es herrsche unter den Ministerien und staatlichen Organisationen ein „Mangel an ernsthafter Entschlossenheit“ zur Förderung des „Hejab“, der islamischen Kleiderordnung. Im Januar 2006 veröffentlichte der Kulturrat des Iran, der unter der Aufsicht des SCCR steht, eine Zusammenstellung der „Richtlinien und Durchführungsbestimmungen zur Förderung der Kultur der Tugend und des Hejab“. Diese Veröffentlichung gibt detaillierte Anleitungen zum Tragen des Schleiers und anderer Symbole der „Tugendhaftigkeit“ bei Frauen zur Verwendung in Ministerien, Justiz, Polizei, Parlament, örtlichen Behörden, Medien und anderen. MECHANISMEN DER UNTERDRÜCKUNG Studierende erfahren Unterdrückung und Misshandlung von vielen Seiten, wobei die Täter entweder offiziell oder inoffiziell mit der Regierung in Verbindung stehen. In Übereinstimmung mit Beschlüssen des SCCR haben die Universitäten und Hochschulen Disziplinarausschüsse, deren Aufgabe es ist, die Beachtung der Regeln u.a. hinsichtlich Trennung der Geschlechter, Kleidung, Betragen, die Beachtung islamischer Prinzipien durch die Studierenden sicherzustellen. Sie bestrafen Studierende, die diese Regeln verletzt haben sollen. Abgesehen von „normalen“ Straftaten wie Diebstahl oder Urkundenfälschung werden Studierende bestraft, falls sie eine Gruppierung unterstützen, die von den Behörden als atheistisch oder „feindlich gegen Gott“ eingestuft wird, falls sie verdächtigt werden, die islamische Lehre beleidigt zu haben, in Opposition zum Staat zu stehen oder die Kleiderordnung nicht eingehalten zu haben, unerlaubte Beziehungen zu unterhalten oder unsittliche Handlungen begangen zu haben. Verdächtigte oder angeklagte Studenten werden oft von den staatlichen Behörden inhaftiert, aber auch von den Disziplinarausschüssen der Hochschulen bestraft. Es gibt eine Vielfalt von Sanktionen: sie reichen von mündlichen bis schriftlichen Verwarnungen bis hin zu Bestrafungen. Wenn diese vom zentralen Disziplinarausschuss des Wissenschaftsministeriums ausgesprochen werden, kann das Ausschluss von der Universität bis zu vier Semestern bedeuten oder auch völliges Studierverbot an allen Universitäten des Landes für fünf Jahre. Die Entscheidung des Komitees ist endgültig, gemäß einem Beschluss des SCCR, der verhindert, dass Studenten vor Gericht Klage gegen die Entscheidung einreichen können. Jede Universität hat eine Sicherheitsabteilung (Herasat), die dem Geheimdienstministerium unterstellt ist. Dieses soll die Studierenden und Dozenten überwachen und die Einhaltung der Regeln und der Disziplin durchsetzen. Wenn Studierende sich zusammenschließen oder an der Universität Aktivitäten entfalten wollen, brauchen sie zuerst eine Erlaubnis von der Sicherheitsabteilung. Der Oberste Führer übt über einen von ihm beauftragten Vertreter seine Macht aus. Der Beauftragte hat eine einflussreiche Stellung gegenüber der Leitung der Universität, denn er ist auch in die Berufung oder Entlassung eines Dekans der Schule oder einer Abteilung einzubinden. Die Basiji unter den Studenten sind eine paramilitärische Macht, die weitgehend niemandem Rechenschaft schuldig ist. Sie agieren unter dem Kommando der Revolutionsgarden und sind an den Universitäten präsent, wo sie als zusätzlicher Arm der staatlichen Unterdrückung handeln und schon oft andere Studierende angegriffen haben oder Zusammenstöße mit ihnen hatten. Viele StudentInnen behaupten, dass die Behörden an der Universität Mitglieder der Basiji vorzugsweise aufnehmen, ohne dass diese die Aufnahmeprüfungen durchlaufen hätten. 16 4. DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS ODER DER RELIGION "Als ich zum Büro für Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments ging, um meinen (Beschwerde-)Brief einzureichen, legte der Mann, der dort saß, seinen Finger auf das Wort Baha'i in meinem Brief und sagte: 'Das ist Ihr Problem'. Er hatte sogar Angst, das Wort laut auszusprechen." Baha'i-Student in einem Interview über Skype, Name aus Gründen seiner Sicherheit nicht veröffentlicht Trotz verfassungsmäßig garantierter Gleichberechtigung ist Diskriminierung aufgrund Geschlecht, sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität, ethnischer Zugehörigkeit und Religion im Iran weit verbreitet. Angehörige von Minderheiten sind diskriminierenden Gesetzen und Praktiken unterworfen: sie haben eingeschränkten Zugang zu Grundbedürfnissen wie Wohnung, Wasser und sanitären Anlagen, Land und Besitz werden beschlagnahmt, sie sind durch diskriminierende Kriterien von Beschäftigung im Staatsdienst ausgeschlossen, und ihre wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und sprachlichen Rechte sind eingeschränkt. Ethnische Minderheiten wie Araber, Aserbaidschaner, Belutschen und Kurden, die sich aktiv um mehr Anerkennung ihrer kulturellen und politischen Rechte bemüht haben, sind schon lange staatlicher Unterdrückung ausgesetzt. Ihre Aktivitäten sind den iranischen Behörden verdächtig, und sie beschuldigen sie oft, die staatliche Sicherheit zu gefährden, und belegen sie mit Anklagen wie der Zugehörigkeit zu bewaffneten Oppositionsgruppen. Die meisten Provinzen mit einem großen Anteil ethnischer Minderheiten wie z.B. Sistan-Baluchistan liegen in Grenzgebieten und gehören zu Irans ärmsten und am wenigsten entwickelten Gegenden. Nur ein geringer Teil der Erwachsenen kann dort lesen und schreiben und wenige Kinder besuchen die Grundschule und haben daher kaum Zugang zu höherer Bildung. Parallel zu solch durchgängiger Diskriminierung ethnischer Minderheiten haben die iranischen Behörden systematisch aus Gründen des Geschlechts und der Religion den Zugang zu universitärer Bildung eingeschränkt. DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GESCHLECHTS Von 1989 bis hin zu Mahmoud Ahmadinejads Wahl zum Präsidenten 2005 nahm die Zahl von Frauen und Mädchen, die eine Hochschulausbildung begannen, erheblich zu. Dies war umso bemerkenswerter im Hinblick auf ihre starke Diskriminierung sowohl im Gesetz als auch in der Praxis. Sogar heute sind Frauen von nahezu allen Führungspositionen im Staat ausgeschlossen, sowohl in der Exekutive als auch in der Justiz, und nur 9 von 230 Sitzen im Parlament nehmen Frauen ein. Außerdem wurde noch nie eine Frau zum Mitglied des Wächterrats ernannt oder gewählt, einem mächtigen Gremium von 12 Personen, dessen Hauptaufgabe ist, die Verfassung auszulegen, die Vereinbarkeit von Gesetzen mit der Verfassung und islamischem Recht zu prüfen und Kandidaten für die Präsidentschaft und andere Wahlen zuzulassen oder abzulehnen. Auch der Schlichtungsrat, der von Ayatollah Khomeini geschaffen wurde, um Streitigkeiten zwischen dem Wächterrat und dem Parlament zu lösen, hat noch nie eine Frau als Mitglied aufgenommen. Zu Präsidentschaftswahlen wurde auch noch nie eine Frau als Kandidatin zugelassen. Frauen werden per Gesetz erheblich diskriminiert. Das Bürgerliche Gesetzbuch versagt ihnen Gleichberechtigung mit den Männern bezüglich der Familie, so z.B. bei Eheschließung, Scheidung, Sorgerecht und Erbrecht. Das überarbeitete Strafrecht, das von Präsident Ahmadinejad gegen Ende seiner zweiten Amtszeit 2013 ratifiziert wurde, weist Frauen gleichfalls einen geringeren Status als Männern zu. Zum Beispiel weist es Gerichte an, der Zeugenaussage einer Frau in Gerichtsverfahren nur halb so viel Bedeutung wie der eines Mannes zuzumessen, und setzt die Höhe des "Blutgeldes" als 17 Entschädigung für die Herbeiführung des Todes einer Frau auf die Hälfte der Summe für einen Mann fest. Das Strafgesetzbuch setzt das Alter für Strafmündigkeit für Mädchen auf 9 Jahre fest, während es für Jungen 14 Jahre beträgt. Das Gesetz kennt keine Strafe für Vergewaltigung in der Ehe, da uneingeschränkter Zugang zu Sexualität als Recht des Ehemanns angesehen wird. Einvernehmliche sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe bleiben strafbar; Ehebruch von Verheirateten zieht die Todesstrafe durch Steinigung nach sich, eine Bestrafung, die unverhältnismäßig oft Frauen trifft. Anfänglich behinderte die Kulturrevolution den Zugang von Frauen zu höherer Bildung. Das Hauptquartier der Kulturrevolution verhängte "Einschränkungen und Verbote", die die Zahl weiblicher Studierender verringerten: sie verweigerten ihnen "das Recht, 91 von insgesamt 169 Studienfächern zu belegen, von denen die meisten im Bereich Technologie und Ingenieurwesen waren." Es gab auch neue Begrenzungen der Zahl von Frauen, die Landwirtschaft, Tiermedizin und Naturwissenschaften studieren durften, "ihr Anteil wurde auf 10-20 Prozent begrenzt." 1989 jedoch beschloss der Oberste Rat der Kulturrevolution (SCCR), die Zugangsbeschränkungen für Frauen für einige Fächer aufzuheben. Er beschloss eine Quotenregelung, wonach Frauen 20% der Studierenden in Laborwissenschaften, Umwelthygiene und Pharmakologie ausmachen durften, von denen sie bislang ausgeschlossen waren. Gleichzeitig wurden andere Quoten zur Beschränkung der Zahl weiblicher Studenten in der Krankenpflege, Zahnmedizin und Geburtshilfe abgeschafft. Außerdem beschloss der SCCR, dass weibliche Studierende zu folgenden Ausbildungsgängen zugelassen werden sollten: alle Lehrerausbildungsgänge außer denen für technische Fächer, alle naturwissenschaftlichen Fächer außer Geologie und alle Kunst- und Geisteswissenschaften außer Jura, Theologie und Islamkunde. 15% der Plätze für Doktoranden in Tiermedizin wurden Frauen zugestanden. Bis zur Zeit dieses Wandels war der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Studierenden schon wieder gestiegen, nach dem Rückgang, der der Kulturrevolution folgte. Die Aufwärtsbewegung setzte sich bis in das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts fort. 1986 waren nur 29,2 % der Studierenden weiblich, aber 1996 war die Zahl schon auf 36 % gestiegen und 6 Jahre später, 2002 stellten Frauen über 50% der Gesamtzahl. Der Anteil stieg weiter und erreichte einen Höhepunkt von fast 59%, bevor er 2008 wieder auf 51% sank. Als dieser Anstieg des Frauenanteils bei den Studierenden offensichtlich wurde, wurde er mehr und mehr durch einflussreiche religiöse und politische Führer in Frage gestellt - sie beurteilten ihn als "Widerspruch zur Rolle der Frauen als Mütter und Ehefrauen". Einige waren der Meinung, dass er zum ihrer Meinung nach beunruhigenden Rückgang der nationalen Geburtenrate beitrage, andere stellten heraus, dass viele Frauen nach dem Universitätsabschluss heirateten und ein Familienleben begännen, statt die durch die Universitätsausbildung erworbenen Qualifikationen und Kenntnisse in einer Beschäftigung zu nutzen. Noch andere führten die hohe Arbeitslosenrate von Männern auf die hohe Zahl weiblicher Studenten und Absolventen zurück, die sich auf "für Männer geeignete" Fächer spezialisierten. Obwohl die ersten Maßnahmen zur Verringerung weiblicher Studierender während der letzten Jahre unter Präsident Khatami ergriffen wurden, wurde der größte Druck in dieser Hinsicht spürbar, nachdem Ahmadinejad 2005 zum Präsidenten gewählt worden war. Die Behörden führten dann eine Reihe von Maßnahmen ein, die offensichtlich viele Mädchen von höherer Bildung abschrecken sollten, um so den Anteil weiblicher Studierender zu verringern. Diese Maßnahmen beinhalteten neue Regeln für die Geschlechtertrennung und ihre Durchsetzung auf dem Campus und ein auf Geschlecht gegründetes Quotensystem, das dazu diente, weibliche Studierende entweder ganz von einigen Studiengängen auszuschließen, die so für männliche Studenten reserviert waren, oder die Zahl von Studentinnen zu begrenzen, die sich für einen Studiengang einschreiben wollten. Dieser Prozess intensivierte sich während Ahmadinejads Amtszeit, und konservative Geistliche und andere in der Führung des Landes wandten sich gegen die wachsenden Forderungen nach Gleichberechtigung und dem Ende der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die von iranischen Frauenrechtlerinnen erhoben wurden. Viele von diesen waren Studentinnen oder Absolventinnen und wurden aus dem Ausland von der internationalen Frauenbewegung unterstützt. Die Teilnahme vieler Frauen an den Massenprotesten gegen Präsident Ahmadinejads Wiederwahl 2009 hatte bestimmt einen tiefen Schock bei Irans alternder, konservativer und ausschließlich männlicher geistlicher Elite und ihren mächtigen Verbündeten in der Staatssicherheit und dem Geheimdienst ausgelöst. Es ist auch wahrscheinlich, dass ihre Besorgnis durch Fernsehbilder verschärft wurde, die Frauen zeigten, wie sie aktiv und an der Seite von Männern an den Massenprotesten teilnahmen, die 18 die eingewurzelten und höchst autokratischen Regime von Hosni Mubarak in Ägypten und Zine el Abidine Ben Ali in Tunesien 2011 stürzten. Dies gab den Behörden wohl erneut Anlass, Maßnahmen zu verfolgen, um Frauen am Herd zu halten und bei ihren "traditionellen" Rollen als Ehefrauen, Mütter und Gebärende von Kindern zu belassen. BEGRENZUNG DES ZUGANGS VON FRAUEN ZU HÖHERER BILDUNG Anstrengungen, den Anteil weiblicher Studierender an Hochschulen zu verringern, wurden schon unter Präsident Khatamis Regierungszeit erwogen. Im April 2003 sagte Hassan Rahimi, Vorsitzender der Organisation zur Ausbildungsbewertung, dass es eine 50%-Grenze für den Zugang von Frauen für einige Studienfächer geben werde, darunter Bergbau, Landwirtschaft und Medizin. Dies war von konservativen Abgeordneten vorgeschlagen worden, die damals eine Minderheit im Parlament darstellten. In der Folge wurde der Vorschlag durch Präsident Khatami fallen gelassen, nachdem er einen Brief von 158 anderen Abgeordneten erhalten hatte, die die Geschlechterquote ablehnten. Nach den Parlamentswahlen 2004 jedoch, als die Konservativen eine Mehrheit der Sitze gewannen, und nach der Wahl von Präsident Ahmadinejad 2005 belebten die Behörden die Diskussion um die Geschlechterquoten erneut im Zuge ihrer Anstrengungen, die Zahl weiblicher Studienanfänger zu reduzieren. Im Februar 2006, nachdem offizielle Zahlen enthüllten, dass weibliche Studierende bis zu 62% aller Studienanfänger ausmachten, sagte der Vorsitzende des parlamentarischen Bildungs- und Forschungsausschusses, dass sowohl das Parlament als auch der SCCR die Einführung von Geschlechterquoten beim Zugang zum Studium in Erwägung zögen, und im folgenden Jahr begann das Parlament mit der Beratung über einen solchen Gesetzentwurf. Einer der Hauptbefürworter, Zadali Khalil Tahmasebi, bemerkte: "Da Frauen nicht ohne Zustimmung ihrer Väter und Ehemänner in weit entfernte Städte reisen und dort arbeiten können, ist ihr Fachwissen für das Land nichts nütze." Der ständige Anstieg der Zahl von Frauen unter Studienanfängern verursachte weiterhin Unruhe in offiziellen Kreisen. 2008 veröffentlichte das parlamentarische Forschungszentrum eine Studie, die die Besorgnis der Behörden widerspiegelte. Die Studie behauptete, dass sie größere administrative Probleme verursacht habe – wie die Schwierigkeit, ausreichend Schlafplätze und sanitäre Einrichtungen für Studentinnen bereitzustellen und ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden zu garantieren. Obwohl die Studie einige positive Folgen des Zugangs von Frauen zu Hochschulen anerkannte (darunter bessere Finanzlage für Familien, effektivere Nutzung weiblicher Fähigkeiten und Kenntnisse und höheres Bewusstsein ihrer Rolle), behauptete sie, dass die Zunahme weiblicher Studierender zweifelhafte soziale und wirtschaftliche Konsequenzen mit sich gebracht habe, darunter ein neues "Geschlechter-Verhältnis" auf dem Arbeitsmarkt. Sie listete auch sieben Gegen-Argumente auf – zum Beispiel, dass die Zulassung von so vielen Frauen eine Verschwendung nationaler Ressourcen und Chancen darstelle und dass sie zu höherer Arbeitslosigkeit von Männern, erhöhten Erwartungen verheirateter Frauen und dadurch einer erhöhten Scheidungsrate beigetragen habe. Die Studie erwähnte auch, dass sie zu einem höheren Heiratsalter von Frauen, einer Beeinträchtigung ihrer Mutterrolle und einem generellen Anstieg moralischer Korruption geführt habe. Die Studie warnte: "Angesichts des aktuellen Trends werden wir, falls die zunehmende Präsenz von Mädchen und Frauen an den Universitäten nicht ihren physischen und geistigen Voraussetzungen entspricht, das Vorkommen von wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Unausgewogenheit zwischen Männern und Frauen erleben, das sicherlich zerstörerische Auswirkungen auf die Familien hat." Die Studie enthüllte, dass die Organisation zur Ausbildungsbewertung in Zusammenarbeit mit den Ministerien für Wissenschaft und Gesundheit ein Geschlechterquoten-System für 26 Fächer 2006 und 39 Fächer 2007 eingeführt hatte; offizielle Informationen an zukünftige Studierende in jenen Jahren hatten die Existenz dieser Quoten aber nicht erwähnt. Was die Sache noch komplexer machte, war, dass der SCCR 2008 eine Resolution annahm, die "wohnortspezifische Auswahlquoten" festlegte; diese begrenzte die Zahl von Studenten, die berechtigt 19 waren, in von ihren Wohnungen weit entfernten Städten und Provinzen zu studieren. Auf den ersten Blick schienen diese Einschränkungen meist Studierende – sowohl männliche als auch weibliche – zu treffen, die außerhalb von Teheran und anderen Städten lebten, in denen die besten Universitäten zu finden sind. Jedoch scheinen sie überproportional Frauen und Mädchen in diesen entlegenen Gebieten getroffen zu haben, da die ihnen verfügbaren Universitäten generell kleiner und schlechter ausgestattet wären als die in Teheran und anderen Städten und einen begrenzteren Umfang an Ausbildungsgängen für Studentinnen anbieten. 2011 schlossen die Universitäten Studentinnen von zwei Fachrichtungen aus: Bergbau und Agraringenieur (einschließlich Maschinenbau) – diese Kurse waren männlichen Studenten vorbehalten. Im folgenden Jahr wurden Frauen von 77 Fächern in 36 Universitäten des ganzen Landes ausgeschlossen. Darunter waren Fächer wie Ingenieurwesen, Buchhaltung, reine Chemie, englische Sprache und Literatur, Politikwissenschaft, Betriebswirtschaft, öffentliche Verwaltung, englische Übersetzung und Archäologie. Obwohl die Universitäten nicht einheitlich vorgingen, war doch ein klarer Trend zur Begrenzung des Zugangs von Frauen zu einigen Studienfächern erkennbar. Das Bild ist aber nicht eindeutig: einige Universitäten nehmen weiter Studentinnen auf, die von anderen Universitäten ausgeschlossen werden. Zum Beispiel akzeptierte die Universität Teheran 2012 Studentinnen in den Fächern Ingenieurwesen und Naturwissenschaften, aber die Chamran-Universität in Ahvaz nicht. Ebenso weigerte sich die Imam-Khomeini-Universität in Qazvin, Studentinnen für eine Reihe von Fächern aufzunehmen, darunter Jura, persische Sprache und Literatur und englische Übersetzung, aber Frauen konnten für dieselben Fächer eine Zulassung sowohl in Teheran als auch in Tabriz erhalten. Im Studienjahr 20132014 wurden Geschlechterquoten weiter angewandt, allerdings anscheinend reduziert auf weniger Fächer. Im März 2014 kündigte das Gesundheitsministerium Pläne an, die Zahl von Frauen an medizinische Ausbildungsstätten zu verringern. Das Ministerium argumentierte damit, dass es schwer sei, Frauen in entlegene Gebiete zu schicken und damit die Gesundheitsversorgung dort eingeschränkt sei. Ein Faktor, der die Behörden dazu gebracht haben kann, die Zahl weiblicher Studierender zu reduzieren, ist die Geburtenrate, die unter das Niveau gefallen ist, das der Oberste Führer des Landes befürwortete, was ihn und andere dazu veranlasste, die Politik der Bevölkerungskontrolle unter früheren Regierungen in Frage zu stellen. Im Juli 2012 rief Ayatollah Khamenei öffentlich zu einer Verdopplung der iranischen Bevölkerung auf, von den 75,15 Millionen zur Zeit der Volkszählung 2011 auf 150 bis 200 Millionen. Im Oktober 2012 sagte er, dass es „einer unserer Fehler“ in der Mitte der 1990er Jahre gewesen sei, die Politik der staatlichen Bevölkerungskontrolle nicht aufzugeben. 2013 bekräftigte er sein Vorhaben, die Bevölkerungszahl des Iran auf mindestens 150 Millionen zu steigern. 2012 gab der SCCR seine „Nationalen Strategien und Aktionen zur Verhinderung des Sinkens der Fruchtbarkeitsrate und zu seiner Förderung im Sinne islamischer Lehre und nationaler strategischer Erfordernisse“ heraus. Darin rief er auf zur Entwicklung „eines Lebensstils, der Gesellschafts-, Bildungs- und Beschäftigungsaktivitäten von Frauen im Einklang mit islamischen Kriterien und in Übereinstimmung mit den Interessen der Familie zum Zweck der vollständigen Erfüllung ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau“. Das Papier enthielt auch politische Aussagen zur Beschäftigung und Ausbildung von Frauen. Es forderte, dass das Bildungssystem auf die Unterstützung eines optimalen Bevölkerungswachstums und der Fruchtbarkeit ausgerichtet sein müsse, unter anderem durch Lehrplanänderungen und Kurse, die die Rolle und den Status der Familie und die Rolle der Frauen auf der Grundlage der islamischen Kultur im Blick haben. Der SCCR rief auch zur Einrichtung kürzerer Studiengänge für Studentinnen auf, die schon Mütter sind. Diese und andere verheiratete Studentinnen sollten auch staatliche Unterstützung erhalten. Gemäß dieser SCCR-Direktive ließen Universitäten Kurse über Bevölkerungskontrolle und Familienplanung entfallen und ersetzten sie durch Kurse in Familienkunde zu Themen wie Ehe, Partnerschaft und Kindererziehung. Im Oktober 2013 kündigte Ali Sangi, der Abteilungsleiter für Familiengesundheit und Irans Bevölkerung im Gesundheitsministerium, an, dass das Ministerium keine Familienplanungskurse für Ehepaare mehr anbiete und das seine Gesundheitseinrichtungen die Ausgabe kostenloser Schwangerschaftsverhütungsmittel 2012 beendet habe. 20 Trotz der zunehmenden Unterdrückung und des gestiegenen Drucks auf ihre Aktivitäten in den vergangenen Jahren haben Frauenrechtlerinnen weiterhin für ihr Recht auf Bildung gekämpft. Im März 2013 reichten 13 Studentinnen und Frauenrechtlerinnen eine Klage beim Kassationsgerichtshof gegen das Wissenschaftsministerium, die Organisation zur Ausbildungsbewertung und 36 Universitäten überall im Land ein. Sie argumentierten, dass die Maßnahmen durch die Bildungsbehörden im akademischen Jahr 2012-2013, um Frauen vom Zugang zu 77 Studienrichtungen in 36 Universitäten auszuschließen, gegen iranische Gesetze sowie Irans Verpflichtungen aus internationalen Verträgen verstießen. Sie forderten den Kassationsgerichtshof auf, diese Maßnahmen aufzuheben und den betroffenen Frauen Entschädigung zu gewähren, da Artikel 9 des Iranischen Bürgerlichen Gesetzbuches feststellt, dass internationale Konventionen, denen Iran beigetreten ist, darunter die über bürgerliche und politische Rechte, über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und die gegen Diskriminierung im Bildungswesen, Gesetzeskraft haben. Vertreterinnen der 13 Frauen teilen auf einer Pressekonferenz am 16. September 2013 mit, dass ihre Klage sich nicht gegen die Zulassungen für Studierende des akademischen Jahres 2013-2014 richteten, da die Behörden die Anwendung der Geschlechterquote um 36 % verringert hätten. Jedoch planten die Klägerinnen, ihre Klage nach der Wahl von Präsident Rouhani und der Ernennung einer neuen Regierung erneut einzureichen, um eine Gerichtsentscheidung zu erreichen, die die künftige Anwendung von Geschlechterquoten oder diskriminierenden Praktiken verbiete. Im November 2013 stellte der Vorsitzende des Kassationsgerichtshofs fest, dass das Gericht die Substanz der Klage noch prüfen müsse – seitdem gab es keine Nachrichten über die weitere Entwicklung. APARTHEID IM BILDUNGSWESEN – TRENNUNG DER GESCHLECHTER 2011 begannen die Universität Teheran und etwa 20 andere Universitäten mit einer Zulassung nach Geschlecht für mehr als 40 Studiengänge, die sie vollständig entweder für männliche oder weibliche Studierende reservierten. Außerdem wandten 45 Universitäten Maßnahmen an „als Teil ihrer Bemühungen, sicher zu stellen, dass mehr männliche als weibliche Studenten vorhanden seien“. 2012 führten 60 Universitäten Geschlechtertrennung in Unterrichtsräumen ein und ergriffen weitere Maßnahmen zur Diskriminierung, so dass eher männliche als weibliche Studierende Zugang zu einer großen Zahl von Fächern hatten. Insgesamt jedoch variierten diese Methoden in der Praxis und hatten gemischte Auswirkungen. Während einige Universitäten nur männliche oder weibliche Studierende zu einigen Fächern zuließen, ließen andere Universitäten gemischten Zugang zu ähnlichen Fächern zu oder erlaubten in einem Semester den Zugang nur für Männer und im anderen nur für Frauen. Frauenrechtlerinnen behaupten, dass mehr Geschlechtertrennung übermäßig diskriminierende Auswirkungen auf Frauen habe und ihren Zugang zu höherer Bildung reduziere. In der Praxis sprechen mehrere Faktoren gegen die volle Geschlechtertrennung auf jedem Campus im Iran, die einige religiöse Konservative befürworten. Sie würde eine erhebliche Erhöhung oder Umwidmung der Ausbildungsressourcen des Landes erfordern, darunter Seminarräume, Labors oder andere Einrichtungen, besonders weil Frauen einen so hohen Anteil an Studierenden stellen. Sie würde auch die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte und MitarbeiterInnen und die Bereitstellung zusätzlichen Lehrmaterials, und das zu einer Zeit, in der die iranische Wirtschaft noch unter der Auswirkung der Finanz- und Handelssanktionen leidet, die die USA und andere Staaten verhängt haben. Es wäre schwierig oder unmöglich, sie unter besonderen Umständen umzusetzen, wie die ehemalige Ministerin für Gesundheit und ärztliche Ausbildung, Marzieh Vahid-Dastjerd zugab. Sie schloss jede Vorstellung von nach Geschlecht getrennten Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen als Ausbildungsorte für Medizinstudenten aus und verkündete, dass Unfall- und Notfalldienste für alle Patienten in Not, unabhängig von ihrem Geschlecht, schnell verfügbar sein müssten. Sie neu im Sinne der Geschlechtertrennung zu organisieren, würde eine kostspielige Dopplung bedeuten. Trotzdem verkündete 2012 ein leitender Beamter im Wissenschaftsministerium, Dr. Abolfazl Hassani, dass „20 nach Geschlechtern getrennte Universitäten und Hochschulen“ die Zulassung für das Studienjahr 2012-2013 erhalten hätten, von denen 14 nur weibliche und 6 nur männliche 21 Studierende aufnehmen würden. Die meisten sollen auf Privatinitiative gegründet worden sein. Bis März 2014 war noch nicht bekannt, in welchem Ausmaß diese Einrichtungen funktionierten, wie viele weibliche Studierende sie aufgenommen hatten und welche Studiengänge mit welchen Inhalten sie anbieten. Die Behörden haben versucht, durch Meinungsumfragen Belege für die hohe Zustimmung unter Studenten zu der Geschlechtertrennung zu erbringen, darunter auch Umfragen, bei denen sich die Antwortenden identifizieren mussten. Eine davon wurde am 13. März 2013 abgehalten und richtete sich an 200.000 Kandidaten für weiterführende Studiengänge, die auf die Frage antworten sollten: „In welchen Ausbildungsabschnitten ist es notwendig, rein weibliche Universitäten im Hinblick auf Bräuche und Traditionen der Iraner einzurichten?“ Sie mussten zwischen vier möglichen Antworten wählen: „Grundstudium“, „Hauptstudium“, „Promotionsstudium“ oder „alle drei“ - ohne die Option zu haben, ein koedukatives System für Männer und Frauen ohne Diskriminierung zu befürworten. Nach Präsident Rouhanis Wahl sagte sein als Wissenschaftsminister nominierter Kandidat, Reza Faraji Dana, dem Parlament, dass weder er noch das Ministerium gegen Universitäten nur für ein Geschlecht seien. Sie würden ihre künftigen Planungen an dem Dokument zur Islamisierung der Bildung ausrichten und auf „eine Reduzierung der Geschlechtermischung“ hinarbeiten, wie im Dokument gefordert. DISKRIMINIERUNG AUFGRUND DES GLAUBENS ODER DER RELIGIONSZUGEHÖRIGKEIT Während der gesamten Zeit seit der Revolution 1979 haben die Behörden diskriminierende Praktiken angewandt, um Angehörige gewisser religiöser Minderheiten wie die Baha'i vom Zugang zu höherer Bildung an Universitäten oder anderen Einrichtungen auszuschließen. Sie haben Beschränkungen eingeführt, die auch anderen wie den Ahl-e Haq, Sufis oder sunnitischen Moslems ihr Recht auf Bildung begrenzen. Diese diskriminierenden Beschränkungen wurden offensichtlich von höchsten Vertretern des Staates, darunter dem früheren und dem jetzigen Obersten Führer, gebilligt oder sogar angeregt. Bewerber/innen für die landesweite Aufnahmeprüfung für Grund- und Hauptstudium mussten bisher Bewerbungsformulare ausfüllen, die Fragen zu ihrem Glauben enthielten. Sie mussten angeben, zu welcher der vier verfassungsmäßig anerkannten Religionen – Islam, Christentum, Judentum oder Zoroastrismus – sie gehörten, was keinen Platz ließ für Baha'is oder Angehörige anderer nicht anerkannter Religionen. Baha'i-Kandidat/inn/en, deren Religion es nicht zulässt, dass sie ihren Glauben verbergen oder verleugnen, lassen diese Frage oft offen, wodurch sie effektiv zugeben, einer nicht anerkannten Religion anzugehören, und damit vom Studium ausgeschlossen werden können. Jedes Jahr wird eine große Zahl von Baha'i-Student/inn/en entweder daran gehindert, ihr Studium zu beginnen, nachdem sie die Aufnahmeprüfung bestanden haben, oder sie werden später vom Studium ausgeschlossen, weil sie sich weigern, ihren Glauben zu verleugnen oder ihm abzuschwören. Baha'i-Student/inn/en durften zu den ersten Aufnahmeprüfungen nach der Revolution von 1979 antreten und ihre Studien beginnen, bis diese durch die Schließung aller Universitäten während der Kulturrevolution unterbrochen wurden. Als die Universitäten 1982 wieder eröffnet wurden, wurden etwa 700 Baha'i-Studierende unter denen, die nicht weiter studieren durften. Sie wurden der Universität verwiesen mit der Begründung, dass sie zugegeben hätten, dass sie Baha'i seien. Von 1983 bis 2004 durften Baha'i nicht einmal mehr an den universitären Aufnahmeprüfungen teilnehmen. „Als ich meine Oberschule [1995] beendete, war die politische Linie, Baha'i-Studenten noch nicht einmal zu den Aufnahmeprüfungen zuzulassen, eindeutig. Mein Bruder hatte die Oberschule vier Jahre vor mir beendet und war nicht zugelassen worden. Er versuchte, dagegen vorzugehen, aber ohne Ergebnis. Nachdem ich die Oberschule beendet hatte, versuchte ich nicht einmal mehr, die Aufnahmeprüfung abzulegen, weil ich wusste, dass ich nicht einmal meine Zulassungskarte für das Examen bekommen würde.“ Pedram Roshan in einer Mitteilung an Amnesty International 2004, nach wachsender internationaler Kritik an der Behandlung der Baha'i durch die Regierung, veränderten die Behörden die Anmeldeformulare für staatliche Universitäten. Sie änderten die Frage, 22 mit der die Kandidaten ihre Religion angeben sollten und ersetzten sie durch eine Option, verschiedene Arten von Fragen zum Test des Wissens über Religion auszuwählen. Nach dieser Veränderung unter Präsident Khatami erhielten einige Baha'i die Zulassung zu staatlichen Universitäten, wurden aber wieder ausgeschlossen, nachdem Präsident Ahmadinejad an die Macht kam. Ein Baha'i-Student, der 2011 von der Universität ausgeschlossen wurde, erzählte Amnesty International von seiner Überraschung, als die Behörden ihn zu einem Computerwissenschafts-Kurs an der Sharif-Universität zuließen, bis er nach Absolvierung von zwei Semestern plötzlich keinen Zugang mehr zur Webseite der Universität erhielt. Er erfuhr von einem Mitarbeiter der Zulassungsstelle, dass ein Befehl „von oben“ ergangen sei, sich bei der Organisation zur Ausbildungsbewertung zu melden. „Ich wusste dann, dass ich ausgeschlossen war“, sagte er. Ein anderer Baha'i-Student teilte Amnesty International mit, was passierte, nachdem er die Aufnahmeprüfung 2005 absolviert hatte: „Als die Resultate bekannt gegeben wurden, wurde mehr als der Hälfte der Baha'i-Studenten mitgeteilt, dass ihre Akten „unvollständig“ seien. Sie mussten zur Organisation zur Ausbildungsbewertung... Ich ging zur Organisation zur Ausbildungsbewertung... Man teilte mir explizit mit, dass ich nicht studieren könne, weil ich Baha'i sei. Danach … ging ich zum Wissenschaftsministerium. Mir wurde gesagt, dass sie die Anweisungen von „oben“ erhalten hätten. Wir erfuhren nie, was mit „oben“ gemeint war.“ Er versuchte, auf dem Rechtsweg seinen Zugang zur Universität zu erstreiten, indem er an die gewählten Vertreter des Landes appellierte, wurde aber abgewiesen: "Als ich zum Büro für Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments ging, um meinen (Beschwerde-)Brief einzureichen, legte der Mann, der dort saß, seinen Finger auf das Wort Baha'i in meinem Brief und sagte: 'Das ist Ihr Problem'. Er hatte sogar Angst, das Wort laut auszusprechen." In einigen Fällen sollten die Behörden der höheren Bildungseinrichtungen die Einschreibung von Baha'is akzeptiert haben, indem sie „Islam“ in ihre Akten eintrugen, um ihre wahre Identität zu verheimlichen, wogegen sie andere ausschlossen, die aktiv widersprachen. Jedoch drückten einige Baha'i darüber ihre Sorge aus, weil Studierende, die von dieser Verschleierung profitierten, möglicherweise strafrechtlich verfolgt werden könnten unter der Anklage „Abfall vom Islam“, wenn sie nach der Universitätszeit weiterhin ihren Baha'i-Glauben praktizierten. 1991 behandelte der SCCR „die Baha'i-Frage“ in einem vertraulichen Dokument – dem sogenannten Golpaygani-Memorandum - das der Oberste Führer Irans, Ayatollah Khamenei, dann billigte und unterschrieb. Das Memorandum riet der Regierung, im Allgemeinen offene Formen der Verfolgung von Baha'i zu meiden, sondern gab die Anweisung, eher verdeckte und informelle Methoden zu nutzen, um ihr Fortkommen und ihre Entwicklung zu hemmen. Es forderte die Behörden auf, Baha'i-Studierende von Universitäten und anderen höheren Bildungseinrichtungen auszuschließen und Baha'i den Zugang zur Beschäftigung zu verweigern, um „ihnen jegliche einflussreiche Position zu verweigern“. Einige Jahre später bestätigte ein durchgesickerter vertraulicher Brief von den zentralen Behörden der Payam-e Noor-Universität an ihre Niederlassungen, dass es Politik der Regierung sei, Baha'i-Studenten die Einschreibung an der Universität nicht zu gestatten, und dass die Universitätsstellen alle Baha'is, die zugelassen worden seien, exmatrikulieren sollten. Nur eine Woche vorher hatte jedoch ein iranischer Diplomat bei der UN kategorisch bestritten, dass Baha'is oder andere Studierende wegen ihres Glaubens vom Studium ausgeschlossen worden seien, und behauptete: „Niemand im Iran ist wegen seiner Religion vom Studium ausgeschlossen worden.“ Die iranische Regierung wiederholte diese Behauptung jüngst im September 2013, als sie auf den Entwurf des Berichts des Sonderberichterstatters für Menschenrechte in der Islamischen Republik Iran antwortete. Sie behauptete: „Keine Person wird der Universität verwiesen oder ins Gefängnis gesteckt, nur weil sie einen bestimmten Glauben hat.“ In der Stellungnahme der iranischen Regierung hieß es weiter, dass das weitgehende Fehlen von Baha'i an Universitäten im Iran nicht auf Diskriminierung durch die Regierung zurückzuführen sei, sondern auf den Druck, den religiöse Führer der Baha'i auf Baha'i ausübten: 23 „... Viele Baha'i unter dem Einfluss des Baha'i-Weltzentrums, das eine verbotene Organisation ist, sind an iranischen Universitäten aktiv und verüben illegale Aktivitäten aus eigenem Antrieb unter Missachtung der Gesetze des weiterführenden Bildungssystems im Iran. Diejenigen Baha'i-Studenten, die die Gesetze beachten, werden administrativ und geistlich zurückgewiesen und die Beziehung zu ihnen wird vom Baha'i-Netzwerk abgebrochen. Weiterhin wurde eine beträchtliche Anzahl von Baha'iStudenten gezwungen, sich von der Universität zurückzuziehen, und ihre Menschenrechte wurden vom ungesetzlichen Netzwerk der Baha'i verletzt.“ Jahre zuvor führte der Ausschluss von Baha'is von höherer Bildung nach der Kulturrevolution einige Baha'is dazu, das Baha'i-Institut für höhere Bildung (BIHE) aufzubauen. Gegründet 1987 operierte es als privat geführte Alternative zum staatlichen Bildungssystem und bot Baha'i-Studierenden eine Reihe von Diplom-Studiengängen. Jedoch wurde es wiederholt von Sicherheitsbehörden schikaniert, die BIHE-Ausbilder verhafteten und mehrfach das Institut zwangen, seine Aktivitäten ruhen zu lassen, bevor sie es zur vorläufigen Schließung zwangen und die Leitung des BIHE im Mai 2011 verhafteten. Dies wurde international verurteilt. Dennoch funktioniert das BIHE weiter und bietet Baha'is höhere Bildung an, jedoch unter der ständigen Drohung weiterer Verfolgung. Führende iranische Persönlichkeiten verleumden nach wie vor Baha'is und ihre Religion – zum Beispiel berichtete die Webseite Tasnim, dass Ayatollah Khamenei eine Fatwa herausgegeben habe, in der er Iraner davor warnte, mit Baha'is Geschäftskontakte aufzunehmen – er bezeichnete sie als „Abweichler und Fehlgeleitete“. 24 5. ANGRIFF AUF DIE AKADEMISCHE FREIHEIT „Ich habe keine Gesetze gebrochen. Ich tat in Übereinstimmung mit den internationalen Rechtsnormen nichts Ungesetzliches, aber ich brach einige iranische Gesetze, weil iranische Gesetze nicht den internationalen Normen entsprechen, und es gibt eine Menge an ungeschriebenen Gesetzen.“ Alireza Firouzi wurde von der Zanjan Universität ausgeschlossen. Er schilderte März 2013 Amnesty International seinen Ausschluss und seine Inhaftierung. Nach der Wahl von Mahmoud Ahmadinejad zum Präsidenten 2005 begannen die Behörden eine erneute „Islamisierung“ an den Universitäten und anderen Hochschulen. Das bedeutete eine weitere Verschärfung der Regeln zur Geschlechtertrennung, den Studienausschluss oder die Aussperrung politisch aktiver StudentInnen, den vermehrten Gebrauch des „Starring“ (SternMarkierungen in der studentischen Akte) und der Bedrohung und Einschüchterung von Studierenden. Das beinhaltete auch Streichungen oder Änderungen der Studenten, die bei Demonstrationen zum nationalen Studiengänge in den Geisteswissenschaften, Studententag am 7. Dezember 2006 am Betreten der Universität Teheran gehindert wurden. die die Behörden als westlich beeinflusst und ©ISNA/Saman Aghvami für unislamisch hielten, und das Fernhalten weiblicher Studenten von Studiengängen, die sie nur für männliche Studenten als geeignet betrachteten. Professoren und andere Mitarbeiter, die die Behörden für kritisch oder zu sehr reformfreudig oder zu neutral gegenüber der geistlichen Führung hielten oder die eine eigene Meinung vertraten, wurden entlassen oder frühzeitig pensioniert. Gleichzeitig führten die Behörden erhebliche Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und des Rechts auf Vereinigungsfreiheit ein. Sie zensierten das Internet und schränkten so das Recht auf friedliche Demonstrationen ein und das Recht, unabhängige Organisationen zu bilden. Die Auswirkung dieser Maßnahmen ging weit über den akademischen Sektor hinaus. Die staatliche Unterdrückung umfasste gezielte Inhaftierungen der Kritiker der Regierung, der MenschenrechtsverteidigerInnen, der KämpferInnen für die Rechte von Frauen, für die Minderheitenrechte und andere. Gefangene wurden von den Behörden ohne Gerichtsverhandlung lange Zeit in Haft gehalten oder nach unfairen Verhandlungen vor den Revolutionsgerichten inhaftiert, nachdem sie oft davor in Untersuchungshaft gefoltert und misshandelt worden waren. Diese Verletzungen der Menschenrechte waren vorher schon üblich und verbreitet, nahmen dann aber noch zu, als die Behörden die friedlichen Massenproteste nach der Wahl des Präsidenten im Juni 2009 zu unterdrücken versuchten. Die ersten eindeutigen Zeichen von Studentenunruhen angesichts der behördlichen Restriktionen traten 2007 an der Technischen Universität Amir Kabir in Teheran auf. Dort kam es zu Demonstrationen und Zusammenstößen zwischen Studierenden und den Basiji nach der Verteilung einer scheinbar studentischen Publikation, in der die Regierung kritisiert wurde und die als Beleidigung des Islam aufgefasst wurde. Die fragliche Veröffentlichung wurde bekannt als die „Affäre der gefälschten Publikationen“. Die studentischen Aktivisten behaupteten, dass die angeblichen studentischen Publikationen nicht echt seien. Sie seien in Wirklichkeit in betrügerischer Absicht verfasst und in Umlauf gebracht worden, um den Behörden einen Vorwand für ein hartes Durchgreifen gegenüber den 25 Studenten zu geben und um so ihre tatsächlichen Journale und Veröffentlichungen verbieten zu können. Demonstration an der Universität Teheran am nationalen Studententag, 7. Dezember 2006. ©Islamic Student Association of Amir Kabir University Im Juni 2008 brachen neue studentische Proteste aus, nachdem eine Studentin den stellvertretenden Kanzler und Vorsitzenden des Disziplinierungskomitees der Zanjan Universität wegen sexueller Übergriffe angeklagt hatte. Sie hatte Aktivisten der ISA (einer studentischen Vereinigung) darüber informiert. Diese filmten heimlich ein Treffen zwischen ihr und dem stellvertretenden Kanzler und stellten danach den Film ins Internet. Bei den Protesten nahmen mindestens 3000 Studenten an Sitins teil und forderten eine offizielle Untersuchung der behaupteten sexuellen Übergriffe, außerdem sollten die Behörden auf juristische Maßnahmen gegen sie wegen der Proteste verzichten, ihnen freies Organisieren erlauben und ebenso die Herausgabe ihrer eigenen Publikationen. Die Behörden schlossen als Reaktion für einige Tage die Universität und führten eine Razzia durch. Sie inhaftierten fünf Studenten für eine Zeit zwischen 6 und 10 Monaten, es kam dann zu zusätzlichen Haftstrafen und dem Ausschluss vom Studium. Am Ende der ersten vierjährigen Amtszeit von Mahmoud Ahmadinejad hatte er durch seine Politik gegenüber den Universitäten fast sämtliche Unterstützung verloren, die er noch 2005 von Studenten und Universitätslehrern während seiner damals erfolgreichen Wahlkampagne erhalten hatte. Sicherheitskräfte versperren den Weg, als Studierende der Amir Kabir-Universität am 10. Dezember 2006 gegen einen Besuch von Präsident Ahmadinejad am folgenden Tag demonstrieren. ©Islamic Student Association of Amir Kabir University Als sich die Präsidentenwahl 2009 näherte, schienen die Angehörigen der Universitäten geschlossen hinter den beiden führenden reformorientierten Kandidaten, Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mousavi, zu stehen. Folgerichtig sahen die Behörden die Universitäten als einen Brennpunkt der Opposition, besonders als nach der Verkündung der Wahl von Ahmadinejad mit 26 großer Mehrheit die Massenproteste auf das Land übergriffen. In den Tagen nach der Wahl führten Polizei, Sicherheitskräfte und Basiji gewaltsame Razzien auf Studenten in ihren Schlafräumen in Teheran und auch in anderen Städten durch. Am 14. Juni 2009 drangen Polizeispezialeinheiten und Basiji in Teheran gewaltsam in die Schlafräume der Studenten ein. Sie verwendeten dabei Tränengas in geschlossenen Räumen und gaben wahrscheinlich auch gezielte Schüsse ab. Studentische Quellen sprechen von fünf Toten, die Behörden an der Universität stritten das ab. Die Sicherheitskräfte verhafteten mehr als 130 Studenten, die sie in ein Kellergefängnis im Ministerium des Inneren brachten. Einige von ihnen berichteten von Folter. Die Identität der gefangenen Studenten wurde von den Behörden nie öffentlich gemacht. Wie berichtet, wurden einige der Studenten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Am Tag nach der Razzia in dem Schlafsaal traten 110 Dozenten der Teheraner Universität aus Protest gegen die Gewalt der Polizei und der anderen Sicherheitskräfte zurück. Das harte Durchgreifen der Behörden hielt an und weitete sich noch aus, als sich die Massendemonstrationen gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinejad ausbreiteten. In Esfahan drangen Spezialkräfte und Basiji in studentische Schlafsäle ein und inhaftierten 140 Studenten, in Tabriz wurden 10 Studenten inhaftiert. In Shiraz verfasste die Universitätsführung einen Protest und forderte die Freilassung von einigen Hundert Studenten, die von den Sicherheitskräften inhaftiert worden waren. An der Mazandaran-Universität in Babolsar inhaftierten die Polizei und Basiji etwa 150 männliche Studenten, die sich nach der Aushandlung freien Abzugs der weiblichen Studenten vom Universitätscampus ergeben mussten. Studenten sollen ebenfalls in Mashhad und Zahedan inhaftiert worden sein. Im Juli drangen Polizei und Basiji unter Gebrauch von Waffen und Tränengas in studentische Schlafsäle an der Technischen Universität Amir Kabir ein. Sie verhafteten Studenten genau 10 Jahre nach dem 9. Juli 1999, als eine gewaltsame Razzia gegen protestierende Studenten stattfand. Sicherheitskräfte und Basiji wandten am 4. November 2009, dem 30. Gedenktag des Beginns des USGeiseldramas, wiederum Gewalt an. Sie wollten damit studentische Proteste in Teheran, Qazvin, Esfahan, Mashhad, Tabriz, Shiraz, Kerman und Ahvaz unterbinden. In Esfahan wurden sie angeschuldigt, einen Studenten erschossen zu haben. Bis dahin wurden bei dem brutalen Durchgreifen der Regierung Tausende oppositioneller Aktivisten und friedlicher Demonstranten inhaftiert worden. Es kam zu der Tötung von Neda Agha Soltan, einer früheren Studentin der Islamischen Azad Universität. Sie starb in einer Teheraner Straße, erschossen vermutlich von einem Angehörigen der Basiji. Es war ein völlig grundloser Angriff, der gefilmt und weltweit gesehen wurde. Es gab immer wieder Berichte über Folter und Todesfälle in Haft. Der Oberste Führer musste gezwungenermaßen eingreifen und die Schließung des Haftzentrums Kahrizak in Teheran ankündigen. Dort waren einige der schlimmsten Exzesse passiert. Mindestens zwei Studenten waren unter den Häftlingen, die in Kahrizak starben, offensichtlich als Folge von Folter oder Misshandlung. Das geschah in der Zeit zwischen der Wahl Anfang Juni und der Schließung von Kahrizak durch die Regierung Ende Juli 2009. Demonstration an der Universität Teheran am nationalen Studententag, 7. Dezember 2007. ©Islamic Student Association of Amir Kabir University Amir Javadifar, 25 Jahre alt, studierte Unternehmensführung an der Islamischen AzadUniversität in Qazvin. Er wurde am 9. Juli 2009 inhaftiert und so schwer von den Sicherheitskräften misshandelt, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Er soll innere Blutungen gehabt haben. Er kam zuerst in das Kahrizak-Haftzentrum, dann vor seinem Tod am 14. Juli 2009 ins Evin-Gefängnis. Er wurde offensichtlich gefoltert: eine rechtsmedizinische Untersuchung zeigte einige Knochenbrüche, seine 27 Zehennägel waren herausgerissen. Mohsen Rouholamini, 25 Jahre alt, studierte Informationstechnologie an der Teheraner Universität. Sein Vater war Berater des 2009 unterlegenen Präsidentschaftskandidaten, Mohsen Rezaei. Er wurde während der Haft im Gefängniszentrum Kahrizak am 9. Juli 2009 brutal attackiert, kam dann ins Evin Gefängnis, von dort ins Krankenhaus, wo er am 16. Juli starb. Da er der Sohn eines führenden Politikers war, könnte sein Tod der Auslöser dafür gewesen sein, dass Ayatollah Khamenei die Schließung des Gefängniszentrums und die Untersuchung der Berichte über brutale Misshandlungen seiner Insassen anordnete. Am 31. August berichtete Mehr News Agency, dass der Tod von Mohsen Rouholamini auf „körperlichen Stress, schlechte Lebensbedingungen, wiederholte Schläge und Werfen des Körpers gegen harte Oberflächen“ zurückzuführen sei. Anfänglich hatten die Behörden behauptet, sein Tod sei Folge einer Meningitis. Nachdem er seinen Sohn gesehen habe, hatte der Vater gesagt, ihm sei klar, sein Sohn sei gefoltert worden, er habe schwere Gesichtsverletzungen aufgewiesen. Im August 2009 hielten die Demonstrationen an. Die Behörden begannen eine Reihe von „Schauprozessen“ gegen Personen wegen des Schürens oder Unterstützens der Proteste. Unter den Angeklagten befanden sich Studierende, Universitätslehrer, Politiker und andere Personen, die die Reformbewegung unterstützten. Die Gerichtsverhandlungen wurden weitgehend geheim durchgeführt. Es konnten jedoch kurz Fernsehkameras die Angeklagten bei ihren „Geständnissen“ und bei ihren Entschuldigungen vor dem Revolutionsgericht filmen. Die Behörden klagten Oppositionelle und Demonstranten an, die eine „sanfte“ Revolution gegen die Islamische Republik geschürt haben sollten. Die Revolutionsgerichte sprachen Haftstrafen gegen sie aus. Einige der Fälle werden unten beschrieben. Als diese Ereignisse stattfanden, verstärkten die Behörden ihre Kritik an den Universitäten und ihre Bemühungen zu einer „Islamisierung“. Im August 2009 kritisierte Ayatollah Khamenei, dass „2,5 Millionen der 3,5 Millionen Studierenden an den Universitäten“ im Iran lieber Geisteswissenschaften studierten als Fächer, die er als geeigneter für die Bedürfnisse der Islamischen Republik betrachtete. Hinzu kam eine zunehmende Überwachung und Unterdrückung an den Universitäten, die unter engere Kontrolle durch die vielfältigen, sich in ihren Befugnissen oft überschneidenden Sicherheitsorgane gestellt wurden. Unter ihnen gab es auch die Basiji und seit 2011 eine Internetpolizei, die die Computer und Smartphones in den Schlafräumen der Studierenden, in den Leseräumen und zuhause kontrollieren durften und auch Zugriff zu den Blogs der Webseiten hatten. Studierende, die nicht mit Gefängnis bestraft wurden, schloss man von den Universitäten aus, wie auch andere, die eine Gefängnisstrafe hinter sich hatten. Andere flohen ins Ausland, um einer Verhaftung zu entgehen und um dort das Studium fortzusetzen, das ihnen im Iran verwehrt wurde. Der Wissenschaftsminister ging verstärkt dazu über, den Lehrkörper sowie die Studentenschaft durch ausgewählte Personen aufzufüllen, die ihre Loyalität zu dem Regime durch ihren Dienst beim Militär oder den Basiji gezeigt hatten, statt auf ihre Studentendemonstration an der Shahr-e Kord-Universität aus Protest gegen akademischen Leistungen die Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinejad im Juni 2009. Auf dem Banner steht: „Freie Wahlen“ und Verdienste zu achten. ©Islamic Student Association of Shahr-e Kord University 28 Im April 2012 sagte der Wissenschaftsminister, Kamran Daneshjoo, dass sein Ministerium den Studierenden, die in die Unruhen nach der Wahl 2009 verwickelt gewesen seien, kein Studium erlauben würde. Anfangs 2011 kam es erneut zu Demonstrationen, ausgelöst durch die Volksaufstände und Demonstrationen in Tunesien, Ägypten und weiteren Staaten des Nahen Ostens und Nordafrika. Die Behörden reagierten schnell und verhängten über die maßgeblichen Oppositionsführer und geschlagenen Präsidentschaftskandidaten 2009 einen Hausarrest: Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mousavi und dessen Frau, die Universitätsprofessorin Zahra Rahnavard. Alle drei blieben während der weiteren vier Jahre Präsidentschaft von Ahmadinejad gefangen und waren im März 2014, im achten Monat der Amtszeit von Hassan Rouhani, weiterhin unter Hausarrest. WIEDERAUFLEBEN DER „ISLAMISIERUNG“ „Viele Fachrichtungen der Geisteswissenschaft sind auf der philosophischen Grundlage des Materialismus und des Nichtglaubens an das Göttliche und an die Islamische Lehre gegründet. Ihre Lehre verursacht einen Mangel des Glaubens an das Göttliche und an die Islamische Lehre.“ Ayatollah Khamenei, 30. August 2009 ZIELSCHEIBE GEISTESWISSENSCHAFTEN „Islamisierung“ der Universitäten und des Erziehungssystems war ein Herzstück und wiederkehrender Bestandteil der offiziellen Politik seit den ersten Tagen der Revolution 1979. In Bezug darauf richtete in den 1990ern der Wissenschaftsminister eine Spezialabteilung für die Islamisierung der Universitäten auf Geheiß von Ayatollah Khamenei ein. Unter Leitung der SCCR fand 1997 eine Umbenennung und Erweiterung statt in „Rat für die Islamisierung der Universitäten und Ausbildungszentren“. Das Organ wurde der SCCR unterstellt. Nach seiner Satzung ist der Rat bevollmächtigt, politische Richtlinien festzulegen, um die Islamisierung der iranischen Universitäten und anderer Hochschuleinrichtungen in Übereinstimmung mit dem SCCR zu fördern, begleitende Planungen zu entwickeln und die Einführung wichtiger amtlicher Verordnungen zu überwachen. Der erneute behördliche Schub zur „Islamisierung“ der Universitäten folgte der Wahl von Präsident Ahmadinejad 2005. Er gewann eine größere Stoßkraft nach den Massenprotesten 2009, bei denen sich die Universitäten zu einem Kristallisationspunkt für abweichende Meinungen herausbildeten und zu einer Herausforderung für die klerikal-dominierte Führerschaft des Iran wurden. Ayatollah Mohammad– Taghi Mesbah-Yazdi (bekannt als Ayatollah Mesbah) ist ein Kleriker aus Qom und ausgesprochener Anhänger von Ayatollah Khamenei. Er ist offensichtlich der bedeutendste Theoretiker für den erneuten Anstoß dieser „Islamisierung“. Er unterstützte auch Mahmoud Ahmadinejad in seinen Wahlkampagnen 2005 und 2009. Unter Leitung des Obersten Führers nahmen die Behörden besonders die geisteswissenschaftlichen Richtungen der Universitäten als Ziel. Sie wurden als zu sehr von „westlichen“ Ideen, Werten und Säkularismus beeinflusst angesehen. Als Ende August 2009 immer wieder Demonstranten auf den Straßen von Teheran und anderen Städten waren, äußerte sich Ayatollah Khamenei besorgt, dass „2,5 Millionen der 3,5 Millionen Studierenden“ Geisteswissenschaften studierten. Er verhöhnte diese Fachrichtungen und sagte, sie führten „zum Zweifel an der islamischen und göttlichen Lehre“. Er behauptete, solche Studiengänge seien auf „materialistischen philosophischen Grundsätzen“ begründet und schloss daraus, dass sie „Zweifel an den religiösen Grundsätzen“ bewirkten. Nach diesen Auslassungen des Höchsten Führers beauftragte das SCCR das Institut für geisteswissenschaftliche und kulturelle Studien (ein Forschungszentrum in Teheran unter der Schirmherrschaft des Wissenschaftsministeriums), die geisteswissenschaftlichen Studiengänge an den Universitäten zu überprüfen. Laut dem Leiter des Institutes wurden manche Inhalte und Empfehlungen, wie sie in den Studiengängen gelehrt wurden, 20 Jahre lang nicht geändert und seien „kaum vereinbar mit der iranisch-islamischen Kultur.“ 29 Das Wissenschaftsministerium, das sämtliche Zulassungen zu den staatlichen Universitäten kontrolliert, kündigte im September 2010 an, dass keine Studentinnen und Studenten zu 13 geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Studiengängen in diesem Jahr zugelassen würden, während die Lehrinhalte der Studiengänge überprüft würden. Die Behörden planten den Anteil der Studiengänge in den Geisteswissenschaften zu reduzieren, und zwar von 45 auf 36%. Das Institut für geisteswissenschaftliche und kulturelle Studien überprüfte 380 Fächer und wollte 58 neue Lehrbücher anfertigen. Im November 2011 gab das Institut bekannt, in 38 Studienbereichen des Grundstudiums der Geisteswissenschaften seien Überprüfungen durchgeführt worden, darunter in Philosophie, Journalismus, Psychologie, Ökonomie und in den Politik- und Sozialwissenschaften. Umgesetzt wurden die Änderungen zuerst an der Allameh Tabataba’i Universität, an der es früher 19 Studiengänge der Geisteswissenschaften gegeben hatte. Beim Beginn des Studienjahres 2011-12 konnten die Studierenden nur noch 6 Fächer belegen, darunter Recht und Theologie und islamisches Wissen, aber die Studiengänge für Journalismus, politische Wissenschaften, Geschichte, Soziologie und die Fächer Pädagogik und frühkindliche Erziehung waren nicht mehr verfügbar. Zwei Monate später verlautbarte der Dekan der Universität, das Wissenschaftsministerium habe die Studiengänge Psychologie, Politikwissenschaft und Unternehmensführung freigegeben. Die Allameh Tabataba’i Universität habe sie erfolgreich „islamisiert“ und sie würden an den anderen Universitäten eingeführt. Die Allameh Universität bot jetzt auch Kurse wie „Psychologie aus der Sicht des Koran“ und „Sozialwissenschaft aus der Sicht des Koran“ für die Anfangssemester an. Es folgten weitere Überprüfungen. Das Wissenschaftsministerium hatte 70 Ausschüsse berufen, die einen weiten Bereich der Geisteswissenschaften, Kunst, Grundlagenforschung, Ingenieurwesen und andere Studiengänge im Sinne einer Bereinigung bearbeiteten. Im April 2013 strich das Wissenschaftsministerium die Schule für Unternehmensführung und Wirtschaft an der angesehenen Technischen Universität Sharif in Teheran als möglichen Studiengang, für den sich StudienanfängerInnen einschreiben konnten. In Wirklichkeit war das die Auflösung dieses Fachbereiches. Das Ministerium hatte früher festgelegt, dass es an einer Technischen Universität keine geisteswissenschaftlichen Fakultäten geben solle. Es scheint aber, dass das Ministerium mit der relativen akademischen Freiheit der Schule nicht einverstanden war. Um den Jahreswechsel 2012-13 herum teilte der Kanzler der Universität dem Dekan der Schule mit, er wolle an der Schule das akademische Personal auswechseln. Es gäbe dann Studiengänge für neue Fachgebiete. Der Dekan lehnte das ab: die Schule sei selbst in der Lage, die Zusammensetzung ihres Kollegiums zu bestimmen und eigene Lehrpläne zu entwickeln. Nach Verhandlungen zwischen der Universität und dem Wissenschaftsministerium wollte das Ministerium der Schule erlauben, für ein weiteres Jahr Studierende anzunehmen, wobei sie aber laut dem Kanzler unter Überwachung bliebe. Als ein Ergebnis der „islamischen“ Bereinigungen wurden grundsätzliche Änderungen beim Studium von Frauen durchgeführt. Für sie waren Studiengänge für ein Magisterstudium an drei Universitäten 2000 eingeführt worden, als der Reformpräsident Khatami im Amt war. Eine von diesen war die exklusive Tarbiat Modares Universität für Aufbaustudien, die als Hauptstudiengang „Frauenrechte im Islam“ anbot. Später folgte die Universität von Teheran mit speziell auf Frauen bezogenen Studiengängen, darunter auch solche zu feministischen Theorien. Im Mai 2012 ersetzten die 20 Räte zur Umgestaltung der Geisteswissenschaften die Studiengänge für Frauen durch solche mit Familienthemen und „Frauen im Islam“. Sie erklärten, Studiengänge für Frauen(-themen) stünden in ernsthaftem Konflikt mit dem Islam. VERSCHÄRFUNG DER KLEIDERORDNUNG FÜR FRAUEN Die Kleiderordnung im Iran ist seit langer Zeit ein umstrittenes Thema. Während seiner erfolgreichen Präsidentschaftskampagne 2005 soll Mahmoud Ahmadinejad jene zurechtgewiesen haben, die es für eine Frau als anstößig fanden, „einige Haare“ unter dem Kopftuch zu zeigen. Als er jedoch Präsident war, gab es erkennbar eine Verschärfung bei der Durchsetzung der Kleiderordnung, nicht zuletzt an den Universitäten. Dort waren bestimmte Beamte beauftragt, Kleider und Betragen der Studentinnen zu beobachten. Sie waren bevollmächtigt, disziplinarisch gegen die „Regelverletzerinnen“ vorzugehen. 30 Studentinnen, denen Verletzung der Kleiderordnung vorgeworfen wurde, bekamen schriftliche Ermahnungen, sie wurden für ein oder mehrere Semester suspendiert und hatten keinen Zugang mehr zu den universitären Einrichtungen, wie Schlafräumen, und in einigen Fällen wurden sie geschlagen oder ganz der Universität verwiesen. Die Frauenkommission der OCU ist eine Organisation früherer Studierender im Exil. In einem Bericht über Gewalt gegen Studentinnen aus dem November 2012 zeichneten sie Aussagen von mehr als 220 von Geschlechtertrennung Betroffenen auf, von sexueller Diskriminierung, Inhaftierung von Studentinnen und Vorladungen von Studentinnen vor Disziplinierungskomitees, Verweisen von der Universität oder ihren Einrichtungen zwischen Mai 2010 und Juni 2012. Nach dem Bericht wurden überall an den Universitäten des Iran viele Studentinnen wegen angeblicher Verletzung der Kleiderordnung bestraft, zum Beispiel dem Nichttragen des Hejab (Verhüllung) (u.a .in der Iranischen Universität für Wissenschaft und Technologie), Nichtbeachtung des geforderten Besuchs von „Hejabklassen“ (ebenfalls Iranische Universität für Wissenschaft und Technologie), Tragen von Kleidung oder Schminke, die als „vulgär“ eingestuft wurden oder als „unislamisch“ (Shahid Beheshti Universität). In einigen Fällen sollen die betreffenden Universitätsbeamten die Studierenden tätlich angegriffen haben, so in der Islamischen Azad-Universität in Rasht. In einer Universität im Osten von Teheran sollen Universitätsbeamte zwei Studentinnen und einen Studenten im April 2012 angegriffen haben, weil sie angeblich „unangemessene Kleidung“ getragen hätten, eine Studentin sei auf den Boden geschleudert und verletzt worden. An derselben Universität sollen Disziplinierungsbeamte im Oktober 2008 eine Studentin angegriffen haben, weil sie sich einer körperlichen Untersuchung verweigerte. Universitätsbehörden haben Studentinnen wegen Verletzung der Kleiderordnung den Zugang zu den Schlafräumen in der Universität verweigert. Sie zwangen sie, sich eine andere Unterkunft zu besorgen, wenn sie weiter studieren wollten. Behörden der Universität Shahr-e Kord in Zentraliran schlossen 15 Studentinnen von den Schlafräumen aus (März 2012), sie warfen ihnen eine Verletzung der Bekleidungsregeln vor. Nach Berichten wurden sie jedoch in vielen Fällen bestraft, weil sie an studentischen Demonstrationen teilgenommen hatten und bessere Rahmenbedingungen und Einrichtungen gefordert hatten. Im Oktober 2012 wurden in einem anderen Fall 50 Studierende ausgeschlossen. 2011 veröffentlichte der Rat für Islamisierung an den Universitäten und an den Ausbildungszentren eine „Übersicht über amtlich zugelassene und nicht zugelassene Kleidung für Studierende“, mit dem Ziel, eine Übereinstimmung mit der offiziellen Kleiderordnung zu erreichen. Die Übersicht gab bestimmte Beispiele für eine „Missachtung der islamischen Kleidung“ nach den Artikeln der 1995 erlassenen Disziplinarordnung für Studierende. Es ist eine Aufzählung der offiziell anerkannten Art der Kleidung für beide Geschlechter und beschreibt die unzulässigen Kleidungsstücke. Die Aufzählung geht minutiös ins Detail. Sie beschreibt, welche Socken, Schuhe, Schmuck, Kosmetik, Nagelformen und Haarmoden erlaubt sind und welche nicht und auch die angemessene Dicke der Kleider und Hosen. Man weiß nicht, ob die SCCR diese Übersicht offiziell übernommen hat, aber einige Universitätsbehörden begannen sie sofort anzuwenden und das Innenministerium erklärte, es wolle den Plan und die darin enthaltenen Regeln im Studienjahr 2012-13 durchsetzen. Das Ministerium für Gesundheit und Gesundheitserziehung bestätigte eine Reihe von Regeln für das Benehmen der Medizinstudenten im August 2012. Im Dezember 2012 wurden sie mit den Ausführungsbestimmungen für das Benehmen (der Studierenden) veröffentlicht. Die Regeln beinhalten eine strenge Kleiderordnung, Regeln für die Länge der Fingernägel, das Verbergen von Tätowierungen und die Vermeidung lauten Sprechens und sogar des Lachens. Ein ergänzender Teil der Ausführungsbestimmungen beinhaltet die Forderung, dass die Universitäten Pläne für die Berufskleidung und das Benehmen in die medizinischen Lehrpläne aufnehmen sollen. Das wird dazu genutzt, um Studierenden hinsichtlich der Befolgung der Kleiderordnung zu kennzeichnen, als Grundlage dafür, disziplinarische Maßnahmen gegen jene zu ergreifen, die die Ordnung missachten. Neben diesen hauptsächlichen Entwicklungen haben einige Universitäten noch zusätzliche Maßnahmen ergriffen, um die Kleider- und Verhaltensordnung zu festigen. So teilte im Juli 2012 der stellvertretende Kanzler für kulturelle Angelegenheiten der Universität Teheran mit, dass die Universitätsbehörden ihre eigene und angemessene Garderobe für die akademischen und sonstigen 31 Mitarbeiter entwerfen wolle und auch für die Studierenden, da sie müde seien, „sich mit 350 Studierenden auseinanderzusetzen, die die Universität häufig in Garderoben wie Mannequins aufsuchen.“ Er sagte noch, dass die Universitätsbehörden Studentinnen auf Zeit oder ganz der Universität verwiesen hätten, die sich nicht an die Ordnung des „Hejab“ halten wollten. Die medizinische Fakultät in Shiraz führte 2012 getrennte Eingänge für Studentinnen und Studenten und sogar Lehrkräfte an ihren Schulen ein. Wie berichtet, sollen die Universitätsbehörden Überwachungsgeräte installiert haben, um die Studierenden zu beobachten. Sie haben gemischte Besuchstermine und Veranstaltungen abgeschafft, an denen männliche und weibliche Studenten teilnahmen. Beschäftigte an Kliniken, die an eine Universität angegliedert sind, wurden offensichtlich ebenfalls bestraft. Sekretärinnen im Krankenhaus, die während des Besuches des Kanzlers 2011 dem Gebot der Verhüllung zuwiderhandelten, sollen entlassen worden sein. Wie berichtet, sagte der Kanzler dem Lehrkörper, sie sollten die Studierenden ermahnen, die „unkonventionelle“ Kleidung trügen, und sie bei Wiederholung bestrafen. An der Universität für Wissenschaft und Technologie in Teheran soll 2011 der Dekan der Ingenieursschule und Leiter der dort eingeschrieben Basiji 15 Studentinnen von der Einschreibung im neuen Semester ausgesperrt haben. Sie sollen die Pflichtinformationen über „Sittsamkeit und Bescheidenheit“, zu der er eingeladen habe, nicht besucht haben. Er warnte andere Studentinnen, sie würden bestraft, falls sie sich nicht konform zur Verhüllung und zu den Vorschriften verhielten. STUDENTISCHE AKTIVE ALS ZIELSCHEIBE, VERGABE VON „STERNEN“, BEURLAUBUNG UND AUSSCHLUSS In den letzten Jahren haben die Universitätsbehörden zunehmend von einem „Sternensystem“ (Starring) Gebrauch gemacht. Dies war eine Warnung an die Studierenden, damit sie wissen, sie stehen unter Verdacht und gegen sie könnten disziplinarische Maßnahmen eingeleitet werden, darunter Dienstenthebung und Verweis. Der Begriff „Student mit Sternen“ (starred student) wurde erstmals unter Präsident Khatami angewandt, als Mostafa Mo’in Wissenschaftsminister war. Jahre später erkannte er die Brisanz und er beklagte, dass die Regierung des Präsidenten Ahmadinejad dieses System in ein Hauptinstrument der Unterdrückung ausgeweitet habe. Unter Präsident Khatami habe es lediglich wenige Fälle pro Jahr betroffen. Im Juni 2013 machte er eine Mitteilung in Antwort auf Vorwürfe gegen ihn: Demonstration an der Universität Teheran am nationalen Studententag, 7. Dezember 2006. Auf dem Plakat steht: „Wir verurteilen die „Besternung“ und den Ausschluss von Studierenden von Bildung“. „Es war ein normales Vorgehen [unter Präsident Khatami], dass nach der ©ISNA/Saman Aghvami Verkündung der Ergebnisse der Eingangsprüfung an der Universität für die Studiengänge der Diplomierten die Akten von etwa 10 bis 15 Studierenden überprüft wurden wegen fehlender Dokumente oder aus disziplinarischen oder moralischen Erwägungen. In der Mehrzahl dieser Fälle konnte die Angelegenheit gelöst werden …Diese Vorgehensweise wurde unglücklicherweise seit dem Beginn der neunten Amtsperiode [unter Präsident 32 Ahmadinejad] zu einem weitverbreiteten Phänomen mit dem Namen „Sternenvergabe“ zur Unterdrückung von Studierenden wegen ihrer politischen Aktivität.“ Mostafa Mo’in soll gesagt haben, dass in der Zeit, als er Wissenschaftsminister war, das Ministerium die Akte eines Studierenden mit einem „Stern“ versehen habe, wenn die Unterlagen der Universität nicht alle erforderlichen Dokumente hatten, oder mit zwei „Sternen“, wenn ungelöste Probleme zwischen dem Studierenden und dem Disziplinarkomitee der Universität bestanden. Im Dezember 2012 gab Kamran Daneshjoo, Wissenschaftsminister in Ahmadinejads zweiter Amtszeit, bekannt, die Bestimmungen des SCCR erforderten, die Akten der Bewerber an „maßgebliche Stellen“ (und zwar an das Geheimdienstministerium) zur Genehmigung zu senden. Falls das Ministerium eine negative Antwort oder auch keine Antwort erhalte, bedeute das, die Akte sei unvollständig und die Bewerbung könne nicht befürwortet werden. In einer Erklärung vom 4. August 2012 fordert das SCCR: „…die Ministerien der Kultur, der Hochschulen, das Ministerium für Gesundheit und Gesundheitserziehung und die Islamische Azad-Universität sind verpflichtet, weiterhin eine Liste der Bewerber für die Studiengänge an das Geheimdienstministerium zur Genehmigung zu senden. Das Wissenschaftsministerium muss auf vorgelegte Fragen innerhalb von zwei Monaten antworten (falls sie einen Vorbehalt haben). Wenn nicht, gilt die Beurteilung des Geheimdienstministeriums. In den Fällen, in denen das Geheimdienstministerium einen Bewerber ablehnt, sollen die Gründe dafür dem Auswahlgremium der Studenten bei der anfragenden Stelle mitgeteilt werden, um dieses Gremium in die Lage zu versetzen den Bewerber zu überzeugen.“ Nach dem Amtsantritt von Präsident Ahmadinejad 2005 gebrauchten die Behörden zunehmend das „Stern“-System, um engagierte Studenten zu treffen und vor allem, um eine offizielle Warnung zu vermitteln, dass sie von den Behörden überwacht würden. Sie seien so selbst verantwortlich für ihren vorübergehenden oder ständigen Ausschluss vom Studium, falls sie sich nicht angepasst verhielten. Das wurde bekannt, als Bewerber für einen Graduierten-Studiengang „Sterne“ neben ihrem Namen auf den Bögen ihrer Prüfungsergebnisse fanden. Es gibt keine schriftliche Erklärung des „Stern“-Systems für Studierende, soweit Amnesty International bekannt. Es ist bekannt, dass ein „Stern“ den Studenten noch erlaubt, sich einzuschreiben und ihr Studium fortzusetzen, wenn sie sich schriftlich der Sicherheitsabteilung der Universität gegenüber verpflichten, sich nicht politisch zu engagieren. „Zwei Sterne“-Studenten müssen ein ähnliches Formular gegenüber einer Abteilung des Wissenschaftsministeriums unterschreiben, sie dürfen dann das Studium fortsetzen. Bei drei „Sternen“ jedoch erfolgt der Ausschluss vom weiteren Studium. Mohammad-Mehdi Zahedi, während der ersten Amtsperiode von Präsident Ahmadinejad Wissenschaftsminister, erklärte im Dezember 2006, die Regierung Ahmadinejad habe das System der „Sterne“ nur übernommen und bestritt, dass „Drei Sterne“-Studenten wegen ihres politischen Engagements exmatrikuliert worden seien. Exmatrikuliert worden seien Studierende wegen „Gefängnisstrafen, Prügeleien, Vergewaltigungen, etc.“ Es gab dann 2006 Berichte, dass 73 Studierende, meist Mitglieder der OCU, mit „Sternen“ wegen ihrer politischen und kulturellen Aktivitäten „versehen“ worden waren. Und ein Mitglied des Parlaments gab die Auskunft, dass nach Aussagen der Beamten des Aufnahmegremiums der Universität eine Anzahl von Studierenden auf Anordnung des Geheimdienstministeriums vom Studium ausgeschlossen worden seien. Nach Berichten der Medien lehnten die Universitäten im Studienjahr 2006 – 2007 bei 17 „gesternten“ Studenten die Immatrikulation ab. Sie berichteten außerdem von der Äußerung Morteza Noorbakhshs, des Leiters des Auswahlgremiums beim Wissenschaftsministerium, die Behörden hätten von 50 bis 60 Studierenden die Zusicherung erhalten, sich von nicht genehmigten politischen Aktivitäten fernzuhalten. Die Studentenorganisation „Rat der Befürworter für das Recht auf Bildung“ teilen jedoch mit, dass 1.421 Studenten solche Zusicherungen abgeben mussten, bevor sie sich immatrikulieren konnten. 17 „Drei Sterne“-Studenten wurden ganz ausgeschlossen. Ehemalige Studenten teilten AI mit, den 17 Studenten sei schriftlich von den Behörden ihr Ausschluss mitgeteilt worden, anders als Studierenden, die in jüngster Zeit ohne vorherige schriftliche Mitteilung vom Studium ausgeschlossen worden seien. 33 Durch die fehlenden schriftlichen Benachrichtigungen ist eine genaue Aussage über die Zahl der vom Studium ausgeschlossenen Studierenden, ob auf Zeit oder auf Dauer, nicht möglich, auch nicht, ob es wegen ihrer politischen Überzeugung geschah oder ob jemand Angehöriger der Baha’i ist oder einer anderen Minderheit angehört. Die verfügbaren Informationen sind lückenhaft oder kommen lediglich von offizieller Seite. So bekamen z.B. laut der ACRE 2008 etwa 40 Bewerber für ein Aufbaustudium an der Islamischen Azad-Universität keine Prüfungsbogen, entweder weil sie vorher als Baha'i identifiziert worden waren oder aus „ethischen“ Gründen. Das Studium wurde ihnen untersagt. 2012 berichteten die Medien von einer Aussage des Ministers für Wissenschaft, Kamran Daneshjoo, dass 35 von 6.200 Studierenden 2011 ein Doktorandenstudium beginnen durften. Sie mussten dann nach Recherchen der Behörden und des Geheimdienstministeriums das Studium abbrechen, 2012 sei aus denselben Gründen dies 30 von 10.500 Studierenden passiert. Im Juli 2013 veröffentlichte das Menschenrechtskomitee der OCU einen Bericht, laut dem es 786 Fälle von suspendierten Studierenden und 250 Fälle von Verweisungen von der Universität zwischen April 2005 und März 2013 gegeben habe. Mehdi Amin Zadeh begann 1996 ein Studium an der Shahid Rajaee Universität. Er war Mitglied des Zentralrates der ISA und des Hauptbüros der OCU und bis 2005 studentischer Aktivist. Er machte dann das Master-Examen, durfte aber kein weiterführendes Studium beginnen, wie er Amnesty International berichtete. „Ich war der Erste (außer den Baha’i-Studenten), der nicht zugelassen wurde – tatsächlich hatte ich „Sterne“ bekommen, das erfuhr ich erst später.“ Ein weiterer Student, der ein Studium an der Shahr-e Kord Universität 2009 begonnen hatte, berichtete AI 2013, dass die Universitätsbehörden in seinem Fall ein Katz-und-Maus-Spiel betrieben. In den Monaten nach dem Beginn seines Studiums tadelte ihn das Disziplinarkomitee der Universität, nachdem er und andere Studenten gegen den offiziellen Befehl, das ISA zu schließen, protestiert hatten. Er wurde im Februar 2011 inhaftiert und vor ein Revolutionsgericht gestellt, nachdem er an einer Demonstration teilgenommen hatte. Das Gericht entließ ihn gegen Kaution. Dann klagte ihn das Disziplinierungskomitee im Mai 2011 an, er habe „mit einem ausländischen Medium kooperiert und eine Atmosphäre der Angst bei den Behörden der Universität“ erzeugt. Das Komitee verbot ihm für zwei Semester, die universitären Einrichtungen, einschließlich der Schlafsäle, zu benutzen. Das Komitee beschuldigte ihn dann einen Monat später, er habe „das System und die Behörden der Universität beleidigt“, er sei „Mitglied bei Facebook“, habe „die Revolution beleidigt“ und „die universitäre Ordnung gestört und die Regeln an der Universität verletzt“. Sicherheitsbeamte hinderten ihn mit Gewalt daran, seine Klausur zu schreiben. Sie begründeten das damit, dass er von der Universität ausgeschlossen sei. Er erhielt darüber nie eine schriftliche Begründung. Kurze Zeit später durchsuchten Sicherheitskräfte seine Wohnung. Zu der Zeit war er nicht anwesend. Da er eine Verhaftung befürchtete, verließ er dann den Iran. Nach seiner Flucht hätten seine Eltern einen Brief von den Universitätsbehörden bekommen, er sei der Universität verwiesen worden, da er nicht an den Prüfungen teilgenommen habe. Hossein Torkashvand berichtete AI, das zentrale Disziplinierungskomitee habe ihn im Juni 2010 der Universität in Teheran verwiesen. 2008 habe er von den zwei „Sternen“ erfahren, als er an der Eingangsprüfung zu einem weiterführenden Studiengang teilgenommen habe. „Ich musste ein Papier unterschreiben. Ich verpflichtete mich, jegliche politische Aktivität zu unterlassen, damit ich mein Masterstudium beginnen könne.“ Er wusste, dass drei „Sterne“ seinen sofortigen Ausschluss bedeuteten. Das wurde bestätigt, als er vor das zentrale Disziplinierungskomitee des Wissenschaftsministeriums geladen wurde. Zuvor hatten ihn Sicherheitskräfte eine Zeitlang wegen seines friedlichen politischen Engagements inhaftiert. Das Komitee teilte ihm mit, er könne mit seinem Verweis rechnen, was im Juni 2010 geschah. Anders als die meisten anderen Studenten erreichte er, den formellen Ausschluss von einem Universitätsmitarbeiter zu bekommen. Nachdem er vom Revolutionsgericht zu einem Verhör vorgeladen wurde, konnte er im Januar 2012 aus dem Iran fliehen. Amir Rezaei, Student an der Universität Oroumieh, hatte bei der Präsidentenwahl 2009 Mir Hossein Mousavi unterstützt. Er berichtete AI, Geheimdienstler hätten ihn am Tag nach der Wahl verhaftet und 34 ihn für sechs Tage inhaftiert. Er wurde dann wieder von Revolutionsgarden nach den Massendemonstrationen zum Ashura-Fest am 27. Dezember 2009 inhaftiert. Er blieb 25 Tage in Haft und wurde dann vom Richter „bedingt“ freigelassen. Das Disziplinierungskomitee verwies ihn für zwei Semester von der Universität, da er in einer Veröffentlichung die Herrschaft der Geistlichen kritisiert hatte. Er wurde dann im Mai 2011 erneut vorgeladen. Man teilte ihm den Verweis von der Universität mit. Im Juni 2011 verließ er den Iran. Wie viele weitere Studierende wurde Arjang Alipour der Universität Shiraz verwiesen. Er hatte an einer Demonstration an der Universität teilgenommen. Er sagte Amnesty International: „Zuletzt nahm ich an der Universität an Demonstrationen am 14. Februar 2011 teil … innerhalb von zwei Wochen wurde ich vier Mal vor das Disziplinarkomitee geladen. Jedes Mal wurde ich verwarnt und erhielt einen Verweis von der Universität für zwei Semester. Sie berieten über meine Berufung ohne meine Anwesenheit. In der Sitzung entschieden sie, meinen Fall an das zentrale Disziplinarkomitee beim Wissenschaftsministerium zu senden. Dieses verwies mich von der Universität und verbot mir, in den nächsten fünf Jahren an einer iranischen Universität zu studieren.“ Reza Ghazinouri war in der Demokratiebewegung engagiert und machte ein Aufbaustudium an der Universität in Teheran. Er berichtete AI, dass er vor dem zentralen Disziplinarkomitee um Erlaubnis gebeten hatte, sein Studium zu beenden und danach das Land verlassen zu dürfen: „Sie sagten zu mir, das genau wollten sie nicht. Sie wüssten, dass er das Masterdiplom machen wolle, dann den Doktor der Philosophie in den USA, um dann dem System Schwierigkeiten zu bereiten. Das sei ihnen zu gefährlich. Sie wollten mich lieber jetzt (von der Universität) verweisen. Dann hätte ich das Bachelor-Diplom, könne zum Militär gehen und könne nicht meine Stimme erheben. Mit einem Doktor hätten sie es wesentlich schwerer.“ Viele Studierende wurden von der Universität verwiesen, nachdem sie eine Haftstrafe wegen ihres politischen Engagements verbüßt hatten. Reza Ghazinouri © Privat Seit der Wahl von Präsident Rouhani Juni 2013 gab es verschiedene Entwicklungen, die ein Signal für eine politische Entspannung sein könnten. Am 11. September 2013 kündigte der vorläufige Wissenschaftsminister, Ja’far Tofighi, an, dass er eine Arbeitsgruppe eingesetzt habe. Diese solle Beschwerden von Studierenden nachgehen, die vom Studium, der Lehre oder von anderen Universitätsämtern ausgeschlossen wurden. Fünf Tage später gab das Wissenschaftsministerium bekannt, es sei beschlossen worden, dass die seit dem Studienjahr 2011 – 2012 ausgeschlossenen Studierenden ihre Beschwerden bei der neuen Arbeitsgruppe vorbringen und an ihren Studienplatz zurückkehren könnten, falls sie ihre Beschwerde aufrecht erhielten. Diejenigen, die vor 2011-2012 verwiesen wurden, wurden auf die jährliche Eingangsprüfung hingewiesen, um so wieder ein Studium aufzunehmen. Im November 2013 legte das Wissenschaftsministerium der Regierung einen Tätigkeitsbericht über die ersten 100 Tage seit der Regierungsbildung von Präsident Rouhani vor. In diesem zeigte das Ministerium auf, das es 400 Beschwerden von ausgesperrten Studenten nachgegangen sei mit dem Resultat, dass 126 Studenten ihre Studien fortsetzen durften. Vorher mussten sie eine Vereinbarung unterschreiben, deren genauer Inhalt nicht bekannt ist. Im Oktober 2013 erklärte der einstweilige Dekan der Allameh Tabataba’i Universität, dass die Universitätsbehörden die Rückkehr von 12 „gesternten“ Studierenden und von zwei Dozenten erlaubt hätten, die früher ausgesperrt worden waren. Ende März 2014 wurden einige Einzelheiten über das Verfahren und das Vorgehen der Arbeitsgruppe im Wissenschaftsministerium bekannt. Unklar war, wie vielen gesperrten Studenten und Dozenten die Rückkehr an die Universitäten erlaubt wurde und zu welchen Bedingungen. Es scheint wahrscheinlich, dass eine Entscheidung des Wissenschaftsministeriums zuvor die Zustimmung des Geheimdienstministeriums erforderte. Im Dezember 2013 wurde ein Mitglied des parlamentarischen 35 Forschungs- und Bildungsausschusses, Alireza Montazeri, von der Fars News Agency interviewt. Er stellte dabei fest, dass eine Rückkehr „gesternter Studenten“ an die Universitäten ohne eine Beurteilung der Sicherheitsorgane nicht möglich sei. Klar scheint, dass das Wissenschaftsministerium ernsthafte Kritik von einflussreicher Stelle, einschließlich des Parlaments, bekam. Im Januar 2014 legten drei Parlamentarier des Forschungs- und Bildungsausschusses gegen den Wissenschaftsminister, Reza Faraji Dana, eine Beschwerde ein. Sie warfen dem Ministerium fehlende Dokumente und andere Beweismittel vor, im Hinblick auf früher „gesternte“ Studierende und andere Personen, die vom Geheimdienstministerium Abmahnungen bekommen hatten. Ende März 2014 sollen noch mehrere Hundert Studierende von der Weiterführung ihres Studiums wegen der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf Meinungsfreiheit, Versammlung und Vereinigung ausgeschlossen gewesen sein. Auch blieben Baha’i von den Immatrikulationen an staatlichen Universitäten, Medizinschulen oder anderen Studieneinrichtungen ausgeschlossen. FESTNAHMEN, HAFT UND FOLTER Immer wieder in der Geschichte der Islamischen Republik richteten das Geheimdienstministerium und andere Sicherheitsbehörden ihre Maßnahmen besonders gegen Studierende, Lehrer und Akademiker, die abweichende Meinungen äußerten oder Proteste organisierten. Oft wurden die Betroffenen nach ihrer Festnahme unter harten Bedingungen in Haft gehalten, gefoltert oder anderen Formen von Misshandlung ausgesetzt und schließlich in grob unfairen Verfahren vor Revolutionsgerichten mit vage formulierten Anklagen konfrontiert und zu Gefängnisstrafen sowie in einigen Fällen zur Auspeitschung verurteilt. Viele Studierende, die in Haft gesessen hatten, berichteten, Sicherheitsbeamte hätten ihnen nach der Festnahme die Augen verbunden und sie während des Transports zum Haftort geschlagen; bei den Verhören habe man sie dann gefoltert und anderen Formen von Misshandlung ausgesetzt, um „Geständnisse“ aus ihnen herauszupressen. Zu den gängigsten Methoden, die genannt wurden, gehörte die Misshandlung mit heftigen Schlägen, die Verabreichung von Elektroschocks an verschiedenen Körperteilen und das Aufhängen an den Füßen über lange Zeiträume sowie Vergewaltigungen oder die Androhung der Vergewaltigung von Männern und Frauen. Andere Häftlinge erklärten, man habe sie in winzigen Zellen festgehalten und mit dem Tod bedroht, Scheinhinrichtungen vorgenommen und ihnen gedroht, auch ihre Angehörigen zu verhaften und zu foltern. Man habe sie lange Zeit im Dunkeln zubringen lassen oder grellem Licht ausgesetzt, ihnen Nahrungsmittel, Wasser und Schlaf vorenthalten. Studierendenproteste zur Unterstützung verhafteter Kommilitonen an der Amir-Kabir-Universität. ©Daneshjoo News. Zu Foltervorwürfen von Häftlingen oder Beklagten führen die iranischen Behörden nur selten eine Untersuchung durch, und sie tun kaum etwas, um die Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen, obwohl sie nach internationalen Menschenrechtsabkommen dazu verpflichtet wären. Zu einer Untersuchung kommt es im Allgemeinen nur, wenn das Opfer wegen seiner politischen Beziehungen großen Einfluss hat – wie einige der Häftlinge, die Mitte 2009 in der Haftanstalt Kahrizak an der Folge der erlittenen Folterungen und anderen Misshandlungen starben – oder wenn es eine doppelte bzw. eine zweite Staatsbürgerschaft besitzt. Doch auch in solchen Fällen 36 veröffentlichen die Behörden nur wenige Informationen über die durchgeführten Ermittlungen, und die internationalen Standards z.B. für Unabhängigkeit und Transparenz des Verfahrens werden nicht erfüllt. Die im Folgenden dargestellten Fälle belegen ein Muster schwerer Menschenrechtsverletzungen, das im Iran längst tief verwurzelt ist und zu dessen Opfern nicht nur Studierende und Akademiker gehören, sondern auch politisch aktive Bürger, Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger und Menschen, die sich für die Rechte von Frauen und Minderheiten einsetzen, sowie Journalisten, Blogger, Filmschaffende, Gewerkschafter und Personen aus anderen Bereichen, die wegen ihrer tatsächlichen oder mutmaßlichen Meinung bzw. wegen ihrer ethnischen oder religiösen Identität in die Schusslinie der Behörden geraten sind. Der engagierte Studierendenvertreter Ehsan Mansouri wurde 2007 im Zusammenhang mit der sogenannten „Affäre um gefälschte Veröffentlichungen“ von bewaffneten Beamten des Geheimdienstministeriums verhaftet. Fünf Jahre später schilderte er im Exil Vertretern von Amnesty International die Folterungen, die er bei seiner Festnahme und während der Haft erlitt: “Sie packten mich und legten mir Handschellen an. Dann warfen sie mich zu Boden und zerrten mich etwa 50 m bis zu ihrem Fahrzeug, schlugen dabei ununterbrochen auf mich ein. Sie stießen mich in den Wagen und brachten mich zur Haftanstalt des Geheimdienstes. Auf dem Weg versetzte mir der Mann, der neben mir saß, ununterbrochen Schläge ins Gesicht und in die Seite.” Ehsan Mansouri wurde später ins Evin-Gefängnis verbracht. Er berichtete Amnesty International: „Nach einer [ärztlichen] Untersuchung steckte man mich in eine Einzelzelle. Am nächsten Tag begannen die Verhöre. Ich wurde mit verbundenen Augen in ein Zimmer gebracht und musste mich mit dem Gesicht zur Wand auf einen Stuhl setzen. Die Vernehmungsbeamten standen hinter mir. Sie haben ganz besondere Verhörtechniken. Beim ersten Verhör wurde ich von dem Beamten nicht so heftig geschlagen, aber es dauerte 48 Stunden und ich war am Ende völlig erschöpft. Als der zweite Beamte kam, ließ er mich mit einem Faustschlag ins Gesicht spüren, dass er da war. Er stellte mir keine Fragen, sondern schlug eine Stunde lang nur auf mich ein. Das ging so bis zum nächsten Morgen. Dann kam wieder der ruhigere Vernehmungsbeamte. Ich wurde insgesamt 13 Tage auf diese Weise verhört. In der ganzen Zeit wurde ich immer wieder heftig geprügelt. Sie versetzten mir Schläge gegen die Nieren… An manchen Tagen wurde ich zehn bis zwölf Stunden lang von vier oder fünf Beamten verhört, die sich abwechselten, wenn sie müde wurden. An diesen Tagen bekam ich drei oder vier Stunden lang ununterbrochen Schläge. Sie zwangen mich, stundenlang zu stehen oder ununterbrochen Kniebeugen machen. Manchmal setzten sie sich auf Stühle und ließen mich auf allen Vieren durchs Zimmer kriechen, mit einem von ihnen auf dem Rücken. Manchmal packte dann ein Beamter mit seinen Zehen das Vernehmungsprotokoll, hielt es mir vors Gesicht und ließ es mich vorlesen. Sie wollten mich erniedrigen. Nach 13 Tagen „gestand“ ich alles. Danach ließ der Druck nach. Es gab weniger Schläge. [Aber] wir verbrachten zwei Monate in Einzelhaft. Das ist die schlimmste Folter. Manchmal durfte ich zehn Tage lang meine Zelle nicht verlassen. Die Isolation und die Unsicherheit, was passieren würde, waren unerträglich.“ Ehsan Mansouri wurde von der sechsten Kammer des Revolutionsgerichts Teheran wegen „Propaganda gegen den Staat“ und „Beleidigung des obersten Religionsführers“ zu zwei Jahren Haft verurteilt. Am 18. August 2008 kam er auf Bewährung frei. Hossein Torkashvand, ein engagierter Student der Amir-Kabir-Universität, war 2007 ebenfalls im Zusammenhang mit der „Affäre um gefälschte Veröffentlichungen“ mehrmals zum Verhör einbestellt worden. Im November 2008 wurde er zusammen mit anderen Studierenden von Sicherheitsbeamten festgenommen, als sie ein Lied über die Studentenbewegung probten, das sie am nationalen Tag der Studierenden aufführen wollten. Er wurde eine Woche lang in Haft gehalten und erst dann wegen „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit“ und „Beteiligung an einer illegalen Zusammenkunft“ unter Anklage gestellt und gegen Kaution freigelassen. Am 5. Februar 2009 nahmen Sicherheitsbeamte in Zivil ihn erneut fest. Sie kannten ihn noch von seiner vorherigen Verhaftung, als er und einige Freunde sich in der Nähe eines Ortes aufgehalten hatten, an dem eine geplante Versammlung von den Behörden kurzfristig verboten worden war. Nach zwei Nächten in der Polizeiwache Gholhak im Norden von Teheran wurden er und die mit ihm Verhafteten einem Revolutionsgericht vorgeführt, das die Fortdauer der Haft genehmigte. Sie kamen ins Evin-Gefängnis, wo sie zunächst vier Wochen lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Einzelhaft gehalten und dann in Trakt 209 verlegt wurden, der dem 37 Geheimdienstministerium untersteht. Seine Erinnerung an die Misshandlungen während der Haft war noch sehr lebendig, als er im April 2013 mit Vertretern von Amnesty International sprach: „Sie haben uns auch noch die Haare abrasiert. Dann begannen die Verhöre, begleitet von Schlägen und Misshandlungen. Stundenlang mussten wir stehen und immer wieder Kniebeugen machen. Ich hatte so viele Kniebeugen gemacht, dass ich nicht mehr konnte … Es tat so weh, dass ich nicht einmal zur Toilette gehen konnte. Und immer wieder bedrohten sie mich – mich und meine Familie.” Hossein Torkashvand erklärte, Mitarbeiter des Geheimdienstministeriums hätten ihn gedrängt, als Informant für sie zu arbeiten und andere engagierte StudentInnen auszuspionieren, und als er sich weigerte, habe man ihn gefoltert. Am 4. Mai 2009 wurde er freigelassen. Zu diesem Zeitpunkt war sein „psychischer Zustand sehr schlecht“, aber auch nach seiner Entlassung wurde er wieder von Mitarbeitern des Geheimdienstministeriums zum Verhör einbestellt. „Jedes Mal verbanden sie mir die Augen und bedrängten mich, für sie zu arbeiten“, erklärte er gegenüber Amnesty International. Nach diesen Übergriffen brach er den Kontakt zu den anderen politisch engagierten Studenten ab und verließ Teheran. EVIN-GEFÄNGNIS Einige Studierende, die wegen ihrer legitimen studentischen Aktivitäten verhaftet wurden, landeten im Evin-Gefängnis in Teheran. Offiziell untersteht das Gefängnis der „Staatlichen Verwaltung für Gefängnisse, Sicherheits- und Korrekturmaßnahmen“ (im Folgenden „Gefängnisbehörde“), die von der Justiz kontrolliert wird. Bestimmte Abteilungen des Evin-Gefängnisses, in denen politische Häftlinge festgehalten werden, stehen dagegen unter der Kontrolle des Ministeriums für Sicherheitsdienste und Staatssicherheit oder der Revolutionsgarden, des Sondergerichts für Geistliche oder anderer Sicherheitsorgane. Diese Abteilungen sind de facto eigene Gefängnisse innerhalb des Evin-Komplexes, wo Haftbedingungen und Behandlung der Insassen von diesen Organen festgelegt werden und nicht von der Gefängnisbehörde. Immer wieder wird berichtet, dass Häftlinge hier gefoltert und misshandelt wurden. Trakt 240, der dem Geheimdienstministerium untersteht, hat Berichten zufolge vier Etagen mit Isolationszellen. Hier werden manchmal prominente politische Gefangene untergebracht, doch nach Berichten ehemaliger Insassen kommen nach Massenverhaftungen auch große Gruppen von Häftlingen hierher. Trakt 209 untersteht ebenfalls dem Geheimdienstministerium. Ehemaligen Häftlingen zufolge gibt es hier vor allem Einzelzellen. Hier werden sowohl Frauen als auch Männer festgehalten, oft über Wochen oder gar Monate ohne Kontakt zur Außenwelt, so dass es Verschwindenlassen gleich kommt, und die Verhöre gehen weiter, auch schon vor der formalen Anklageerhebung. Manchmal kommen die Häftlinge auch für lange Zeiträume in Einzelhaft. Sie haben keinen Zugang zu Büchern oder Zeitungen, und ihr Aufenthalt im Evin-Gefängnis wird häufig nicht von der Gefängnisbehörde registriert. Die meisten von ihnen werden aus politischen bzw. aus „Sicherheitsgründen“ festgehalten. Folterungen sind an der Tagesordnung, und viele Häftlinge klagten darüber, dass ihnen erforderliche ärztliche Hilfe verweigert oder nur mit Verzögerung erteilt wurde. Nicht einmal Vertreter der Gefängnisbehörde haben Zugang zu Trakt 209, obwohl sie angeblich für das Evin-Gefängnis und seine Insassen verantwortlich sind, und unabhängige Inspektionen scheinen nicht erlaubt zu sein. Trakt 2A – auch als Alter Trakt 325 bekannt – wird von den Revolutionsgarden kontrolliert. Hier werden - meist in der Verhörphase - politische Häftlinge untergebracht, deren Fall die Behörden als besonders heikel betrachten. Ehemalige Häftlinge berichteten, dass sie während der Haft in diesem Trakt gefoltert wurden. Eine Reihe von engagierten StudentInnen, die wegen ihrer Beteiligung an den friedlichen Massenprotesten nach der Präsidentschaftswahl 2009 in unfairen Verfahren vor den Revolutionsgerichten zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, saßen auch im März 2014, acht Monate nach der Wahl von Präsident Rouhani, noch immer in Haft. 38 Unter ihnen sind die folgenden Personen: Sayed Ziaoddin (Zia) Nabavi ist seit dem 14. Juni 2009 inhaftiert, als er kurz nach einer friedlichen Demonstration gegen Präsident Ahmadinejads Wiederwahl von den Sicherheitskräften festgenommen wurde. Im Januar 2010 wurde er von der 26. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran zu einer Freiheitsstrafe von15 Jahren verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde das Strafmaß dann auf zehn Jahre Verbannung in Izeh (Provinz Khuzestan) und 74 Peitschenhiebe verringert. Das Gericht befand ihn der „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“, „Propaganda gegen den Staat“, „Störung der öffentlichen Ordnung“ und „Moharebeh“ (Feindschaft zu Gott) für schuldig – der letztgenannte Vorwurf war der gravierendste. Obwohl er es entschieden abstritt, befand ihn das Gericht auch für schuldig, mit der verbotenen Organisation Volksmudschaheddin des Iran (PMOI) zusammenzuarbeiten, von der mehrere tausend Mitglieder seit vielen Jahren in Zia Nabavi einem Flüchtlingslager im Irak leben. Im Berufungsverfahren © Privat wurde das Urteil in den weniger schwerwiegenden Anklagepunkten aufgehoben, doch die Verurteilung zu zehn Jahren Haft und Verbannung wegen „Feindschaft zu Gott“ wurde bestätigt. Zunächst verbüßte Zia Navabi seine Strafe im Evin-Gefängnis in Teheran, aber jetzt sitzt er unter harten Haftbedingungen im Karoun-Gefängnis in Ahvaz, im Südwesten des Iran, fern von seiner Familie. Er erklärt, er sei während des Ermittlungsverfahrens von Sicherheitsbeamten geschlagen, getreten und erniedrigt worden, und bei der Ankunft im KarounGefängnis im September 2010 seien mehrere Gefängniswärter über ihn hergefallen. Seit seiner Verhaftung im Juni 2009 hat Zia Nabavi nur einmal, im Januar/Februar 2014, neun Tage Hafturlaub bekommen. Vor seiner Verhaftung im Jahr 2009 hatte Zia Nabavi den Rat zur Verteidigung des Rechts auf Bildung ACRE mitgegründet, der die Interessen derjenigen Studierenden wahrnimmt, denen die Behörden wegen ihrer politischen Ansichten oder wegen Zugehörigkeit zu den Bahais den weiteren Besuch einer Universität untersagten. Seine erste Verhaftung erfolgte 2007, als er in der Mazandaran-Universität an einem Protest-Sit-In gegen die Verhaftung eines anderen Studenten teilnahm. Später belegte man ihn wegen seiner friedlichen politischen Aktivitäten mit drei „Sternen“ und schloss ihn vom Studium aus. Während der Haft schrieb Zia Nabavi ein Gedicht, das er dem Richter widmete, der ihn verurteilt hatte. Es beginnt mit den Worten: „Als Rechtskundiger giltst du, doch was du mir gabst, war nichts als Unrecht“. Am 6. März 2013 wurde Zia Nabavi vom Karoun-Gefängnis nach Ahvaz zu einem Revolutionsgericht gebracht, das ihn wegen seiner Bemerkungen in einem Brief aus dem Gefängnis erneut wegen „Propaganda gegen den Staat“ unter Anklage stellte, weil er kritisiert hatte, wie ein Häftling namens Mohammad Ali Amouri, der der arabischen Minderheit der Ahwazi angehörte, zum Tode verurteilt wurde. Am 14. Oktober 2013 sprach ihn das Gericht von dieser Anklage frei. Amnesty International betrachtet Zia Nabavi als gewaltlosen politischen Gefangenen und drängt bei den iranischen Behörden weiter auf seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Bahareh Hedayat, Frauenrechtlerin und Mitglied im Leitungsausschuss des offiziellen Studierendenverbands OCU (Büro für die Wahrung der Einheit), sitzt seit ihrer Festnahme am 31. Dezember 2009 in Haft. Im Mai 2010 verurteilte die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran sie wegen „Beleidigung des Präsidenten“, „Beleidigung des obersten Religionsführers“, „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Dazu musste sie nun auch eine frühere, auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe verbüßen, die wegen der Beteiligung an einer Demonstration gegen die rechtliche Diskriminierung von Frauen gegen sie verhängt worden war. 39 Am 30. April 2011 wurde sie im Zusammenhang mit einer Erklärung, die sie anlässlich des Nationalen Tags der Studierenden zusammen mit den politisch engagierten Studierenden Majid Tavakkoli und Mehdieh Golrou verfasst hatte, zu weiteren sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt. In der Erklärung hatten sie die Anstrengungen iranischer StudentInnen im Ausland begrüßt und den Nationalen Tag der Studierenden als großartige Gelegenheit für Schutz und Förderung der Studentenbewegung bezeichnet. Bahareh Hedayat sitzt im Evin-Gefängnis in Teheran ein, durfte es aber schon mehrmals für kurze Zeit verlassen. Im April 2012 schrieb sie aus Anlass ihres 31. Geburtstags und ihres vierten Hochzeitstags einen offenen Brief an ihren Mann Amin Ahmadian, in dem es heißt: Bahareh Hedayat © Campaign for Equality „Abgesehen davon, dass man alle vermisst (aber das lässt sich einfach nicht verdrängen), sieht man das Leben vor den eigenen Augen vorbeiziehen. Es gibt kein natürliches Umfeld, in dem Denken und Entfaltung möglich wären. Selbst wenn man versucht , Bücher zu lesen, wenn man es schafft, an Bücher heranzukommen, die nicht zensiert sind, führt das nicht zur Entfaltung des eigenen Denkens.“ Amnesty International betrachtet Bahareh Hedayat als gewaltlose politische Gefangene, die nur wegen der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in Haft gehalten wird, und fordert ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Majid Tavakkoli sitzt seit seiner Festnahme durch die Sicherheitskräfte am 7. Dezember 2009 in Haft, weil er am nationalen Tag der Studierenden bei einer gewaltfreien Kundgebung an seiner damaligen Hochschule, der Amir-Kabir-Universität in Teheran, eine Ansprache gehalten hatte. Schon vorher war er mehrmals festgenommen worden, z.B. 2007 in Zusammenhang mit der „Affäre um gefälschte Veröffentlichungen“. Am 8. Dezember 2009 veröffentlichte die Nachrichtenagentur Fars, die den Revolutionsgarden nahe steht, ein Foto von ihm in Frauenkleidung; die Behauptung, diese habe er bei seiner Verhaftung getragen, war offensichtlich ein Versuch, ihn zu diskreditieren. Bis zum 6. Januar 2010 durfte er keinen Kontakt zu seiner Familie aufnehmen, und auch dann nur ganz kurz. Sein Gerichtsverfahren vor der 15. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran war zu diesem Zeitpunkt schon fast beendet, doch erst am 11. Januar 2010 konnte er sich mit seinem Anwalt treffen. Majid Tavakkoli © Privat Das Revolutionsgericht verurteilte ihn unter anderem wegen „illegaler Versammlung“, „Verbreitung von Propaganda“, „Beleidigung“ von Regierungsvertretern“ und „Handlungen gegen die Staatssicherheit durch Konspiration gegen das System“ zu neun Jahren Haft und verbot ihm für weitere fünf Jahre jede politische Betätigung sowie die Ausreise aus dem Iran. Auf Wunsch des Wissenschaftsministeriums verhängte das Gericht außerdem ein lebenslängliches Studienverbot für alle Universitäten des Landes; so konnte er sein Studium im Gefängnis nicht fortsetzen. Nach einem gemeinsamen Brief aus dem Gefängnis zum Tag der Studierenden 2010 wurden er, Bahareh Hedayat und Mehdieh Golrou, eine weitere Studentin, im November 2011 wegen „Propaganda gegen den Staat“ jeweils zu weiteren sechs Monaten Haft verurteilt. Seit seiner Verlegung aus dem Evin-Gefängnis im August 2010 sitzt Majid 40 Tavakkoli im Raja'i Shahr-Gefängnis in Karaj ein, 50 km von Teheran, obwohl er in Shiraz im Südwesten des Iran zuhause ist. Obwohl er wegen der Gebrechlichkeit seiner Eltern und der großen Entfernung kaum Besuch erhält, werden ihm Telefongespräche verweigert. Er saß mehrmals für längere Zeit in Einzelhaft und protestierte wiederholt mit Hungerstreiks gegen seine Behandlung und seine Haftbedingungen, die Anlass zu Sorge um seine Gesundheit geben. Im Oktober 2013 wurde ihm zum ersten Mal seit seiner Verhaftung im Jahr 2009 ein kurzer Hafturlaub von vier Tagen gewährt. Aus Solidarität verliehen ihm norwegische StudentInnen den Studentischen Friedenspreis 2013. Amnesty International betrachtet Majid Tavakkoli als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung. „Ich bin nicht böse, weil Majid im Gefängnis sitzt, ich bin stolz auf meinen Sohn. Aber sie nehmen ihm alle Rechte, die ihm als Häftling zustehen. Er hat das Recht, mit seiner Familie zu telefonieren, Besuch zu empfangen und durch eine Glasscheibe mit den Besuchern zu sprechen, und er hat Anspruch auf Hafturlaub. Ich weiß nicht, warum sie es ihm nicht erlauben… Was könnte schlimmer sein für eine Mutter, die ihr Kind seit drei Jahren nicht mehr gesehen hat. Seit drei Jahren habe ich nichts als Sehnsucht und Hoffnung. Majid darf seit zwei Jahren nicht telefonieren. Ich habe eine Kaution für ihn bezahlt in der Hoffnung auf ein Wiedersehen, aber sie haben seinen Hafturlaub ohne Begründung gestrichen. Ich möchte den Behörden sagen: hört das Flehen einer Mutter. Wenn sie ihm schon den Hafturlaub gestrichen haben, sollten sie ihn zumindest an den Besuchstagen telefonieren lassen. Ich werde die Gespräche bezahlen. Dann kann ich an den Tagen, an denen die anderen Gefangenen Besuch bekommen, wenigstens am Telefon mit meinem Sohn sprechen.” Die Mutter von Majid Tavakkoli in einem Interview für Daneshjoo News vor dem nationalen Tag der Studierenden am 7. Dezember 2012. Shiva Nazar Ahari, Menschenrechtsverteidigerin und Mitglied der iranischen Menschenrechtsorganisation „Committee of Human Rights Reporters“ (CHRR), verbüßt wegen ihres gewaltfreien Einsatzes für die Menschenrechte im EvinGefängnis eine vierjährige Freiheitsstrafe. Sie wurde unmittelbar nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 festgenommen und drei Monate lang in Haft gehalten. Im Dezember 2009 nahm man sie – zusammen mit zwei weiteren CHRR-Mitgliedern – auf dem Weg zur Beerdigung des regierungskritischen Großayatollah Montazeri erneut fest und hielt sie bis September 2010 in Haft. Im Februar 2010 berichtete sie, dass sie den Großteil der Zeit in einer „käfigartigen“ Einzelzelle verbringen musste, die so eng war, dass sie Arme und Beine nicht ausstrecken konnte. Im September 2010 wurde sie von einem Revolutionsgericht wegen „Feindschaft zu Gott“, „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu 74 Peitschenhieben (in eine Geldstrafe umgewandelt) und sechs Jahren Haft verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde der Anklagepunkt „Versammlung und Konspiration“ fallen gelassen und das Urteil auf vier Shiva Nazar Ahari © Privat Jahre Haft verringert. Am 8. September 2012 trat sie ihre Haftstrafe an. Aus Protest gegen die Behandlung im EvinGefängnis beteiligte sie sich im Oktober 2012 an einem Hungerstreik mehrerer weiblicher Häftlinge. Als die Gefängnisbehörde auf ihre Beschwerde gegen die Gefängniswärter hin eine Untersuchung zusagte, beendeten sie und sieben weitere politische Gefangene am 6. November ihren Hungerstreik. Amnesty International betrachtet Shiva Nazar Ahari als gewaltlose politische Gefangene und fordert ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Navid Khanjani, ein Student, der als Angehöriger der religiösen Minderheit der Bahai vom Studium ausgeschlossen wurde, war Gründungsmitglied des „Komitees zur Durchsetzung des Rechts auf 41 Bildung für Bahai“ (Committee for Pursuit of the Right to Education for Baha’is Students - CHRR) und der „Vereinigung gegen Diskriminierung im Bildungswesen“ (Association Against Discrimination in Education – AODE). Er wurde am 2. März 2010 in Isfahan festgenommen und ins Evin-Gefängnis gebracht. Dort blieb er für 65 Tage, 25 davon verbrachte er in Einzelhaft. Er durfte keinen Kontakt zu einem Anwalt aufnehmen und wurde wiederholt mit Schlägen misshandelt, so dass er schließlich aus Protest einen Hungerstreik antrat. Bei den Verhören wurde er gedrängt, vor laufender Video-Kamera ein „Geständnis“ abzugeben. Am 20. Dezember 2010 wurde er in einem unfairen Verfahren vor der 26. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran im Zusammenhang mit seiner Mitarbeit bei CHRR und AODE wegen „Schürens von öffentlicher Unruhe“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu 18 Jahren Haft verurteilt. Am 31. Mai 2011 kam er dann aber nach Hinterlegung einer hohen Kaution bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens frei. Die Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren, die das Gericht nach Anwendung „islamischer Gnade“ festgesetzt haben soll, wurde im Berufungsverfahren bestätigt. Er wurde am 22. August 2012 erneut festgenommen, als er zusammen mit einer Gruppe von freiwilligen Helfern in einem Hilfscamp für Erdbebenopfer in der Provinz Ost-Aserbaidschan arbeitete. Jetzt sitzt er im Raja’i Shahr-Gefängnis in Haft. Amnesty International betrachtet Navid Khanjani als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Omid Kokabee, Physiker und Angehöriger der turkmenischen Minderheit, befindet sich seit dem 30. Januar 2011 in Haft. Als Doktorand an der Universität von Texas reiste er im Januar 2011 in den Winterferien zu seiner Familie in den Iran. Als er am 30. Januar den Rückflug antreten wollte, wurde er auf dem Teheraner Imam-Khomeini-Flughafen von Sicherheitsbeamten festgenommen. Fünfzehn Monate später, am 13. Mai 2012, wurde er dann unter der Anklage, „Kontakte zu feindlich gesinnten Ländern“ zu halten, vor Gericht gestellt. Sein Verfahren wurde zusammen mit zwölf weiteren unter dem Titel „Prozess wegen Zusammenarbeit mit dem Mossad“ im Fernsehen übertragen. Das Verfahren war grob unfair: Vor Beginn des Prozesses durfte Kokabee nicht mit seinem Anwalt sprechen, und obwohl die Staatsanwaltschaft keine Beweise gegen ihn vorlegte, verurteilte ihn das Gericht wegen „Verbindungen zu einer feindlich gesinnten Regierung“ zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren. Das Berufungsgericht bestätigte im August 2012 dieses Urteil. Nach einer Meldung des persischsprachigen Internet-Nachrichtendienstes Kaleme wurde er von der 1057. Kammer des Gerichtshofs Teheran wegen „Annahme illegaler Zahlungen“ – d.h. des Stipendiums, das ihm die Universität von Texas zur Finanzierung seines Studienaufenthalts gewährt hatte – zu weiteren 91 Tagen Haft verurteilt. Im Juli 2011 schrieb Omid Kokabee einen Brief an den Justizminister, in dem er darauf hinwies, dass er in der Untersuchungshaft zu falschen „Geständnissen“ gezwungen wurde, doch der Minister scheint keine Untersuchung dieses Vorwurfs veranlasst zu haben. In einem weiteren Brief im September 2011 erklärte Omid Kokabee, die Beamten, die ihn verhört hatten, hätten ihn offensichtlich als Mitarbeiter für Militär und Geheimdienst rekrutieren wollen. „Mein einziger Fehler besteht darin, dass ich in einem hochspezialisierten Bereich tätig bin, in dem im Iran niemand so viel Kenntnisse und Erfahrung hat“, schrieb er, und fügte an: „Leider scheinen diese Fachkenntnisse im Iran sehr gefragt zu sein.” Amnesty International betrachtet Omid Kokabee als gewaltlosen politischen Gefangenen, der nur deshalb in Haft sitzt, weil er sich geweigert hat, mit dem iranischen Militär und den Geheimdiensten zusammenzuarbeiten. Die fadenscheinigen Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden, beziehen sich ausschließlich auf seine legitime wissenschaftliche Tätigkeit außerhalb des Iran. Amnesty International fordert seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Leva Khanjani, die als Angehörige der religiösen Minderheit der Bahai wegen ihres Glaubens vom Studium ausgeschlossen wurde, trat am 25. August 2012 im Evin-Gefängnis eine zweijährige Haftstrafe wegen „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ an, zu der sie von einem Revolutionsgericht verurteilt worden war, weil sie angeblich an regierungskritischen Demonstrationen anlässlich des Ashura-Festes im Dezember 2009 teilgenommen hatte. Am 10. Juli 2010 kam sie vorübergehend frei, kehrte jedoch im Dezember 2013 zur Verbüßung ihrer restlichen Strafe ins Evin-Gefängnis zurück. 42 Majid Dorri, ein Mitglied von ACRE, wurde im Juli 2009 im nordiranischen Qazvin verhaftet. Er wurde drei Monate lang in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses in Einzelhaft gehalten und dann in Trakt 350 in Normalhaft verlegt. Im Dezember 2009 verurteilte ihn die 26. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran wegen „staatsgefährdender Betätigung in Form der Teilnahme an illegalen Versammlungen“, „Feindschaft gegen Gott wegen Verbindungen zu der verbotenen Organisation der Volksmujahedin“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu insgesamt elf Jahren Haft, von denen fünf als Verbannung im inneren Exil zu verbüßen waren; im Berufungsverfahren wurde der erste Anklagepunkt fallen gelassen und das Strafmaß auf sechs Jahre Haft verringert, sechs davon in Form von innerem Exil. Ende Juli 2010 begann Majid Dorri einen Hungerstreik, weil er und andere politische Gefangene als Bestrafung für ihren Protest gegen die nach ihrer Ansicht „beleidigende Behandlung“ durch die Gefängnisverwaltung in Trakt 240 in Einzelhaft verlegt wurden. Im Oktober 2010 verlegte man ihn dann aber ins Behbahan-Gefängnis in der südiranischen Provinz Khuzestan, wo er den Rest seiner Strafe im inneren Exil verbüßen muss. Im Mai 2011 verfasste Majid Dorri zusammen mit 25 weiteren politischen Gefangenen einen Beschwerdebrief an die zentrale Stelle zur Überwachung der Durchführung des Gesetzes über die Wahrung der Grundfreiheiten und Bürgerrechte. In dem Brief beschreiben sie die Folterung und Misshandlung durch die Beamten des Geheimdienstministeriums und der Revolutionsgarden bei der Festnahme, in der Haft und während der Verhöre: „Wir, die Beschwerdeführer, wurden in der Haft gefoltert. Zu den gängigsten Foltermethoden gehört die Inhaftierung in kleinen Einzelzellen. Selbst die höchsten Amtsinhaber unseres Landes erkennen an, dass dies Folter ist. Vernehmungsbeamte und Gefängniswärter bestätigen, dass Häftlinge nach mehrwöchiger Isolationshaft unter gravierenden psychischen Störungen und körperlichen Beschwerden leiden. Zu den schweren Folterungen, die einige von uns erlitten, gehörte auch das Eintauchen des Kopfes in die Toilette, oder man zwang uns, die Verhörprotokolle zu essen… Diese Methoden dienen nicht der Wahrheitsfindung, sondern die Beschuldigten sollen dazu gebracht werden, falsche Anschuldigungen zu bestätigen und alles zu gestehen, was die Beamten von ihnen hören wollen.” Es ist nicht bekannt, ob die Zentrale Überwachungsstelle als Reaktion auf den Beschwerdebrief der Gefangenen tätig geworden ist. Die Allameh-Tabataba’i-Universität, an der Majid Dorri persische Literatur studierte, hat ihn im Juli 2011 von der Universität verwiesen. Schon zuvor hatte ihn der Disziplinarausschuss der Universität wegen seiner Aktivitäten vor der Verhaftung im Juli 2009 für vier Semester vom Studium ausgeschlossen. Maryam Shafi’ Pour, Doktorandin der Imam-Khomeini-Universität in Qazvin und Mitglied des Unterstützerinnenkomitees für Mehdi Karroubi bei der Präsidentschaftswahl 2009, befindet sich seit 27. Juli 2013 in Haft. Sie wurde festgenommen, als sie einer Vorladung ins ShahidMoghaddas-Büro der Staatsanwaltschaft im Evin- Demonstration an der Universität Teheran am nationalen Tag der Studierenden. Die Slogans auf den Plakaten lauten „Trakt 209 des Evin-Gefängnisses, das Haus derjenigen, die Freiheit fordern“ und “Bildung ist kein Akt der Gnade, sondern ein Recht”. © Islamic Student Association of Amir Kabir University 43 Gefängnis folgte. Sie verbrachte 64 Tage in Trakt 20 des Gefängnisses in Einzelhaft, ohne Zugang zu einem Anwalt. Dann wurde sie zunächst in die allgemeine Abteilung des Evin-Gefängnisses verlegt und am 16. September 2013 in ein externes Krankenhaus. Ihre Eltern, die sie im Gefängnis besuchen wollten, erfuhren weder den Grund für die Verlegung noch den Namen des Krankenhauses, in das man sie gebracht hatte. Maryam Shafi’ Pour wurde vor der 15. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran unter Anklage gestellt; anscheinend warf man ihr vor, Kontakt mit Familienangehörigen des verhafteten Oppositionsführers Mehdi Karroubi zu unterhalten. Am 2. März 2014 befand das Revolutionsgericht sie der folgenden Anklagepunkte für schuldig: „Propaganda gegen den Staat“, „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Mitgliedschaft im Rat zur Verteidigung des Rechts auf Bildung“, der von den iranischen Behörden nicht offiziell anerkannt wird. Maryam Shafi‘ Pour wurde zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Aufgrund dieses Schuldspruchs wird sie wohl zusätzlich auch die einjährige Haftstrafe verbüßen müssen, zu der sie 2010 in einem anderen Fall von einem Revolutionsgericht in Qazvin wegen ihrer studentischen Aktivitäten verurteilt worden war, die damals aber auf Bewährung ausgesetzt wurde. Im April 2013 wartete sie im Gefängnis auf die Entscheidung im Berufungsverfahren. Amnesty International betrachtet Maryam Shafi‘ Pour als gewaltlose politische Gefangene und fordert ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Hossein Ronaghi Maleki, Student der AzadUniversität in Arak und aktiver Blogger, der wegen seiner politischen Aktivitäten vom Disziplinarausschuss seiner Universität mit drei „Sternen“ belegt wurde (ein sogenannter „Stern-Student“), wurde am 13. Dezember 2009 im Zusammenhang mit den Protesten nach der Präsidentschaftswahl festgenommen. Er wurde viele Monate in Trakt 2A des EvinGefängnisses in Einzelhaft gehalten und dort auch gefoltert und misshandelt. Ein Revolutionsgericht verurteilte ihn im Jahr 2010 unter anderem wegen „Mitgliedschaft in der [illegalen] Internet-Gruppe Iran Proxy“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Beleidigung des obersten Religionsführers und des Präsidenten“ zu 15 Jahren Haft; die gegen ihn erhobenen Vorwürfe standen offensichtlich Hossein Ronaghi Maleki mit seinen gewaltfreien Aktivitäten wie den © Privat Artikeln auf seinem Blog in Verbindung. Sein Gerichtsverfahren war grob unfair. Er hatte keinen Zugang zu einem Anwalt, und als er vor Gericht erklärte, er sei in der Untersuchungshaft gefoltert worden, soll der Richter entgegnet haben, er habe „es verdient“. Eine Untersuchung des Foltervorwurfs wurde nicht angeordnet. Als Hossein Ronaghi Maleki am 2. Juli 2012 gegen Kaution aus dem Gefängnis frei kam, schrieb er sofort in seinem Blog: „Nach 32 Monaten ohne Eintrag will ich mich heute endlich wieder melden und euch sagen, dass es mir gut geht, weil meine Mutter glücklich strahlt und ihr keine Tränen mehr übers Gesicht rinnen.“ Doch am 22. August wurde er erneut festgenommen, als er zusammen mit einer Gruppe von freiwilligen Helfern in einem Hilfscamp für Erdbebenopfer in der Provinz OstAserbaidschan arbeitete. Er wurde zunächst in Trakt 1 des Gefängnisses von Tabriz gebracht und dann nach Teheran ins Evin-Gefängnis verlegt. Man warf ihm vor, „unsaubere und unhygienische Güter verteilt“ zu haben. Im Evin-Gefängnis wurden ihm die Medikamente verweigert, die er wegen eines schweren Nierenleidens dringend benötigt. Am 6. November 2012 durfte er das Gefängnis dann aber aus medizinischen Gründen gegen Kaution verlassen. Hossein Ronaghi Maleki war schon mehrmals an den Nieren operiert worden und ist auf regelmäßige Medikamente angewiesen. Nach seiner Rückkehr ins Evin-Gefängnis am 21. Mai 2013 erhielt er diese Medikamente nicht. Laut einer Meldung des Internet-Nachrichtendienstes Kaleme wurde er diesmal wegen „Verteilung von verschimmeltem Brot“ und „Ungehorsam gegenüber Vollzugsbeamten“ zu fünf Monaten Haft verurteilt. 44 Amnesty International betrachtet Hossein Ronaghi Maleki als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine umgehende und bedingungslose Freilassung. Mehdi Khoda’i, Student an der Azad-Universität in Shahr-e Rey und Mitglied der Nichtregierungsorganisation „Human Rights Activists in Iran“, verbüßt im Evin-Gefängnis eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Er wurde im März 2010 offensichtlich von Revolutionsgarden festgenommen und mehrere Monate lang in dem von den Revolutionsgarden kontrollierten Trakt 2A in Einzelhaft gehalten. Im August 2010 fand vor der 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran sein Prozess statt, in dem er wegen „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit durch die Mitgliedschaft in der Organisation Human Rights Activists in Iran“ und „Propaganda gegen den Staat“ angeklagt und zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Er hatte schon einmal eine Gefängnisstrafe verbüßt, die die 15. Kammer des Revolutionsgerichts 2009 gegen ihn verhängt hatte. Seine Verurteilung stand damals im Zusammenhang mit den studentischen Aktionen vor seiner Festnahme im Jahr 2008 wegen „Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit in Form der Beteiligung an illegalen Versammlungen“. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Ighan Shahidi, ein Student, der der religiösen Minderheit der Baha’i angehört und sich für das Recht auf Bildung engagiert hat, verbüßt im nordwestlich von Teheran gelegenen Raja’i Shahr-Gefängnis eine fünfjährige Freiheitsstrafe. Er war am 2. März 2010 zusammen mit zwei weiteren Aktivisten im westiranischen Kermanshah festgenommen und bis Mai in Haft gehalten, dann aber gegen Kaution freigelassen worden. Im Juni 2011 verurteilte ihn die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran zu einer fünfjährigen Haftstrafe. Die Anklagepunkte umfassten „Propaganda gegen den Staat“, „Mitgliedschaft im Rat zur Verteidigung des Rechts auf Bildung ACRE“ und „Zugehörigkeit zur Baha’iGemeinschaft“. Kurz darauf bestätigte die 54. Kammer des Berufungsgerichts das Urteil. Amnesty International betrachtet Ighan Shahidi als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine unverzügliche und bedingungslose Freilassung. Emad Bahavar, Führer der Jugendabteilung der Iranischen Freiheitsbewegungspartei und Mitarbeiter der Wahlkampagne für Mir Hossein Mousavi vor den Präsidentschaftswahlen 2009, verbüßt gegenwärtig eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren. Ein Revolutionsgericht hatte ihn im Dezember 2010 zunächst wegen „Mitgliedschaft in der Freiheitsbewegung“, „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Beleidigung des obersten Religionsführers“ zu zehn Jahren Haft verurteilt und ihm für weitere zehn Jahre alle publizistischen und politischen Aktivitäten verboten. Im August 2013 hob der Oberste Gerichtshof dieses Urteil auf und verwies das Verfahren zur Überprüfung zurück an ein niedrigeres Gericht; im November 2013 reduzierte dann die 36. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran die Haftstrafe auf sieben Jahre, bestätigte aber das zehnjährige Verbot aller publizistischen und politischen Aktivitäten. Gegenwärtig verbüßt Emad Bahavar seine Strafe im Evin-Gefängnis. Hamed Rouhinejad, Student an der Shahid-Beheshti-Universität, verbüßt zurzeit im Gefängnis in Zanjan eine siebenjährige Freiheitsstrafe. Nach seiner Verhaftung durch Beamte des Geheimdienstministeriums im Mai 2009 wurde er 40 Tage lang in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses festgehalten. In einem der grob unfairen „Schauprozesse“, die auf die Proteste nach den Wahlen von 2009 folgten, wurde er wegen „Verbindungen zu der monarchistischen Vereinigung Anjoman-e Padeshahi Iran” zum Tod verurteilt; im Berufungsverfahren wurde die Todesstrafe in eine zehnjährige Haftstrafe umgewandelt. Hamed Rouhinejad leidet an multipler Sklerose (MS), die sich Berichten zufolge unter den Gefängnisbedingungen rapide verschlechtert, und auch seine Sehfähigkeit ist erheblich eingeschränkt. Hassan Asadi Zeidabadi, Mitglied im Zentralrat der Graduiertenvereinigung des Iran und Leiter des Menschenrechtskomitees der Organisation, verbüßt in Trakt 350 des Evin-Gefängnisses eine Haftstrafe von fünf Jahren. Er wurde am 3. November 2009 festgenommen und vor die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran gestellt, die ihn der „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“, „Propaganda gegen den Staat“, „Teilnahme an illegalen Versammlungen“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ für schuldig befand. 45 Ali Akbar Mohammad-Zadeh, Student der Sharif-Universität und Generalsekretär ihres Internationalen Studierendenverbands (ISA), verbüßt gegenwärtig eine sechsjährige Freiheitsstrafe, die die 15. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran im September 2011 wegen „Propaganda gegen den Staat“ und „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ gegen ihn verhängte. Nach seiner Festnahme am 11. Februar 2011, einen Tag nach den Solidaritätsdemonstrationen für die Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten, wurde er für 54 Tage in Einzelhaft genommen und Berichten zufolge in diesem Zeitraum gefoltert und misshandelt. Amir Garshasbi, politisch engagierter Student und ISA-Mitglied an der Polytechnischen Universität Shiraz, verbüßt in Trakt 350 des Evin-Gefängnisses eine Haftstrafe von drei Jahren, zu der ihn die 15. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran wegen „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ verurteilte. Seine Verhaftung war im Zusammenhang mit den Massendemonstrationen zur Zeit des Ashura-Festes im Dezember 2009 erfolgt. Yashar Darolshafa, ein Student der Universität Teheran, verbüßt im Evin-Gefängnis eine Freiheitsstrafe, die im Rechtsmittelverfahren von ursprünglich sieben auf nunmehr fünfeinhalb Jahre reduzierte wurde. Ein Revolutionsgericht hatte ihn im August 2010 in den Anklagepunkten „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Beleidigung des Präsidenten“ für schuldig befunden. Nach seiner ersten Festnahme am 4. November 2009 wurde er 20 Tage lang im Evin-Gefängnis festgehalten, dann wieder freigelassen, aber im Februar 2010 erneut verhaftet, zusammen mit sechs Familienangehörigen, die alle bis Mitte März 2010 wieder auf freiem Fuß waren. Mostafa Nili, ehemaliges Mitglied der Reformistischen Vereinigung, Student an der Qazvin-Universität und Mitarbeiter in Mehdi Karroubis Kampagnenteam für die Präsidentschaftswahl 2009, verbüßt im Raja'i Shahr-Gefängnis eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Seine Verhaftung und seine Verurteilung erfolgten im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Regierung nach den Präsidentschaftswahlen. Habibollah Latifi, Wirtschaftsingenieurstudent an der Ilam-Universität, ist seit dem 3. Juli 2008, als ihn das Revolutionsgericht Sanandaj der „Moharebeh“ (Feindschaft zu Gott) schuldig befand, vom Vollzug der Todesstrafe bedroht. Obwohl er alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen bestritt, sprach ihn das Gericht schuldig, an Bombenanschlägen in Sanandaj, der Hauptstadt der iranischen Provinz Kordestan, beteiligt gewesen zu sein, die der verbotenen bewaffneten Gruppe „Partei für ein freies Leben in Kurdistan“ (PJAK) zugeschrieben wurden. Er erhielt keinen juristischen Beistand in dem hinter geschlossenen Türen durchgeführten, grob unfairen Verfahren. Sein Todesurteil wurde zweimal bestätigt, zuletzt im Mai 2011, und das Hinrichtungsdatum wurde bereits festgesetzt, dann aber mehrmals verschoben. Im März 2014 befand er sich im Gefängnis in Sanandaj und wartete auf seine Hinrichtung. UNFAIRE GERICHTSVERFAHREN Die Verfahren gegen viele Studenten wurden vor unfairen Revolutionsgerichten geführt, die ansonsten vor allem über angebliche Verstößen gegen die Staatssicherheit oder Drogendelikten urteilen. Ein Einzelrichter entscheidet. Die Verhandlungen entsprechen nicht den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren. Bei Fällen, in denen es um angebliche Verstöße gegen die Staatssicherheit geht, wird gemäß den Bestimmungen der Strafprozessordnung oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Presse hinter geschlossenen Türen verhandelt. In anderen Fällen werden die Revolutionsgerichte in „Schauprozessen“ aktiv, wenn die Behörden ein öffentliches Exempel statuieren wollen wie z.B. Ende 2009, als die staatlichen Medien filmen durften, wie die angeblichen Organisatoren von Protestveranstaltungen vor dem Revolutionsgericht ihre „Geständnisse“ ablegten. Beschuldigte, deren Verfahren vor einem Revolutionsgericht stattfindet, dürfen in der Regel in der Untersuchungshaft und im Ermittlungsverfahren, wo sie während der Verhöre oft gefoltert und misshandelt werden, keinen Kontakt zu einem Anwalt aufnehmen. Oft haben sie nicht einmal im Verfahren selbst Zugang zu ihrem Anwalt. Die Behörden berufen sich dabei auf die restriktive Auslegung einer Anmerkung zu Artikel 128 der Strafprozessordnung, die es den Richtern ermöglicht, bei mutmaßlichen Verstößen gegen die Staatssicherheit oder das „öffentliche Sittlichkeitsempfinden“ Verteidiger auszuschließen. Viele Beschuldigte erklärten gegenüber Amnesty International, die 46 Behörden hätten ihnen zu verstehen gegeben, dass es „besser für sie“ sei, sich keinen Anwalt zu nehmen. Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen hat die iranischen Revolutionsgerichte zu „Sondergerichten“ erklärt, die keine Berechtigung haben, und ihre Abschaffung empfohlen. Verfahren vor Revolutionsgerichten dauern oft selbst dann nur wenige Minuten, wenn die Beschuldigten von einem Anwalt vertreten werden. Viele Verteidiger klagten gegenüber Amnesty International darüber, dass sie erst nach Beginn des Verfahrens Einsicht in die Prozessakten erhielten und somit nicht genug Zeit für die Vorbereitung des Verfahrens hatten. Die Staatsanwaltschaft stützt sich im Allgemeinen auf „Geständnisse“ oder andere Erklärungen, die die Beschuldigten in der Untersuchungshaft ohne Kontakt zur Außenwelt abgegeben haben und zu denen sie nach eigenen Angaben auch mit Folter und anderen Zwangsmaßnahmen gedrängt wurden. Die Gerichte erkennen solche zweifelhaften „Geständnisse“ und Erklärungen, mit denen sich die Beschuldigten selbst belasten, im Allgemeinen an, ohne die von ihnen erhobenen Foltervorwürfe näher zu untersuchen oder sicherzustellen, dass die Erklärungen freiwillig abgegeben wurden. Ehemalige Gefangene, deren Verurteilung in einem Verfahren vor einem Revolutionsgericht erfolgte, berichteten Amnesty International von parteiischen Richtern, die Anweisungen von Mitarbeitern des Geheimdienstes oder anderer Sicherheitsorgane entgegennahmen. Einige gaben auch an, die Vernehmungsbeamten hätten ihnen schon vor Beginn des Verfahrens mitgeteilt, wie das Urteil lauten werde, das dann auch in genau dieser Form vom Revolutionsgericht gegen sie verhängt wurde. Dies legt den Schluss nahe, dass das Urteil bereits vor Beginn des Verfahrens feststand. Im Folgenden wird das Schicksal anderer politisch engagierter Studenten dargestellt, die während Präsident Ahmadinejads zweiter Amtszeit inhaftiert wurden, mittlerweile aber frei sind: Saeed Jalalifar, ein sogenannter „Stern-Student“ der Universität Zanjan und Mitglied des CHRR, wurde am 30. November 2009 anscheinend von Mitarbeitern des Geheimdienstministeriums verhaftet und mehrere Monate lang in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses ohne Zugang zu einem Anwalt in Einzelhaft festgehalten. Im März 2010 wurde er gegen Kaution freigelassen, am 31. Juli 2011 aber erneut verhaftet, als ein Gericht die Anordnung der bedingten Freilassung in einen Haftbefehl umwandelte. Im August 2011 verurteilte ihn die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran wegen „Propaganda gegen den Staat in Form der Mitgliedschaft im CHRR“ und „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ zu drei Jahren Haft. Im Februar 2014 wurde er aus dem Evin-Gefängnis entlassen. Mohammad Pour Abdollah, Student an der Universität Teheran und Blogger, wurde am 12. Februar 2009 verhaftet und vor Gericht gestellt. Sein Verfahren mit vier Anklagepunkten fand vor der 15. Kammer des Revolutionsgerichts statt. Das Gericht sprach ihn von dem Anklagepunkt frei, Mitglied und Mitgründer einer „oppositionellen Gruppe“ (d.h. einer politisch linksstehenden Vereinigung an der Universität) zu sein, verurteilte ihn aber wegen „Propaganda gegen den Staat“ und „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ zu sechs Jahren Haft. Im Berufungsverfahren wurde das Strafmaß dann auf drei Jahre verringert, und 2011 kam Mohammad Pour Abdollah im Rahmen einer Amnestie frei. Im März 2012 verließ er den Iran und ging ins Exil. Shabnam Madadzadeh, Studentin der Lehrerbildungsuniversität und Vizesekretärin der Teheraner Abteilung des Studierendenverbands OCU, wurde am 21. Februar 2009 festgenommen, wegen „Feindschaft zu Gott” angeklagt und zu fünf Jahren Haft im internen Exil verurteilt. Grund für ihre Verurteilung dürften familiäre Mohammad Pour Abdollah © Privat 47 Verbindungen zu Mitgliedern der Volksmujahedin (PMOI) gewesen sein. Am 21. Januar 2014 wurde sie nach Verbüßung ihrer Strafe aus dem Gefängnis entlassen. Milad Hosseini Keshtan, politisch engagierter Student an der Mazandaran-Universität, wurde am 16. Juni 2009 nach einer Demonstration gegen Präsident Ahmadinejads Wiederwahl zusammen mit zwölf weiteren Studenten auf dem Universitätscampus festgenommen und zu einer nahe gelegenen Polizeiwache gebracht. Er berichtet, dass er und mehrere seiner Kommilitonen dort mit Schlägen misshandelt und einer von ihnen mit Vergewaltigung bedroht wurde. Nachdem ein Gericht eine Haftanordnung erlassen hatte, wurden sie ins Mati-Kola-Gefängnis verbracht. Dort wurde Milad Hosseini Keshtan über zwei Wochen ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und wiederholt verhört, ehe er gegen Kaution frei kam. Die 101. Kammer des Allgemeinen Gerichts in Babolsar verurteilte ihn in einer Milad Hosseini Keshtan kurzen Sitzung ohne gründliche Untersuchung © Privat wegen „Störung der öffentlichen Ordnung an der Universität durch Versammlungen“ zu sechs Monaten Haft und 15 Peitschenhieben. Als er 2011 zum Haftantritt aufgefordert wurde, verließ er den Iran und ging ins Exil. Mohsen Sanatipour, ehemaliger Student der Ferdowsi-Universität in Mashhad, dann Generalsekretär der Studierendenorganisation Demokratische Fraktion (Democratic Fraction) und Mitarbeiter der Zeitschrift Kian-e Emrouz, die von den Behörden verboten wurde, nachdem sie in der zweiten Ausgabe Kritik an der Politik der Kennzeichnung der Namen politisch engagierter Studenten mit Sternen und an ihrem Ausschluss von der Universität geübt hatte. Außerdem arbeitete er noch für andere studentische Publikationen, die dann verboten wurden. Obwohl er wiederholt zum Verhör durch Mitarbeiter des Geheimdienstministeriums vorgeladen wurde, beteiligte er sich nach Bekanntgabe des amtlichen Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 an den fünftägigen Protesten der Studenten der Ferdowsi-Universität. Amnesty International berichtete er: „Während der Demonstrationen erhielten meine Eltern mehrmals Drohanrufe vom Geheimdienst der Revolutionsgarden, damit sie mich von der Teilnahme an den Demonstrationen abhielten. Mir selbst wurde nahegelegt, mich von den Kundgebungen fernzuhalten, andernfalls werde man mich verhaften, vom Studium ausschließen und das in der Ermittlungsphase eingestellte Verfahren wegen ‚Störung der öffentlichen Ordnung‘ vor dem Revolutionsgericht wieder aufnehmen.“ Im September 2009 wurde Mohsen Sanatipour von Beamten des Geheimdienstministeriums festgenommen und 15 Tage im Gefängnis des Geheimdienstes in Mashhad in Einzelhaft gehalten. Man verhörte ihn, ließ ihn dann aber bis zum Beginn seines Verfahrens vor dem Revolutionsgericht wieder frei. Im November 2011 verurteilte ihn das Gericht wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ durch seine Reden und sonstigen Erklärungen nach den Wahlen von 2009, „Störung der Universitätsordnung“ durch Gründung der Demokratischen Fraktion und „Propaganda gegen den Staat“ durch Kritik am obersten Religionsführer. Zwei Monate später wurde seine Strafe im Berufungsverfahren um Mohsen Sanatipour © Privat 48 ein Drittel reduziert, doch er wurde von der Universität ausgeschlossen. Als er im Januar 2012 eine Aufforderung zum Haftantritt erhielt, verließ er den Iran. Tara Sepehrifar, politisch engagierte Studentin an der Teheraner Sharif-Universität, wurde wegen ihrer Beteiligung an den Protestdemonstrationen nach den Wahlen 2009 wiederholt zum Verhör durch Beamte des Geheimdienstministeriums vorgeladen. Nach studentischen Protesten gegen einen geplanten Besuch des Wissenschaftsministers an der Sharif-Universität wurde sie zunächst vor den Disziplinarausschuss der Universität zitiert und dann wegen „Beteiligung an illegalen Versammlungen an der Universität“ und „Verbreitung von Lügen“ vor das Revolutionsgericht geladen. Nach mehrmaligen stundenlangen Verhören durch Beamte des Geheimdienstministeriums wurde sie schließlich am 10. Februar 2010 in ihrer eigenen Wohnung verhaftet und in Trakt 209 des EvinGefängnisses gebracht. Dort verbrachte sie eine Woche in Einzelhaft, ehe die „ernsthaften Verhöre“ begannen, die fast einen Monat dauerten. Während dieser Zeit, so schilderte sie Amnesty International, wurde bei den oft zehn bis zwölf Stunden langen Verhören starker Druck auf sie ausgeübt, damit sie ein „Geständnis“ ablegte, doch körperliche Folter wandte man nicht an. Als sie schließlich gegen Kaution auf freien Fuß kam, verließ sie den Iran. Später erfuhr sie, dass die 26. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran sie in Abwesenheit wegen „Propaganda gegen den Staat“, „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Störung der öffentlichen Ordnung“ zu acht Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt hatte. Omid Pour Mohammad Ali wurde 2008 wegen seiner studentischen Aktivitäten von der Universität Yazd ausgeschlossen. Er trat dann der National Trust Party von Mehdi Karroubi bei und engagierte sich für ihn im Präsidentschaftswahlkampf 2009. Im Dezember 2009 wurde er in Yazd von Revolutionsgarden in Haft genommen und in den Trakt 2A des EvinGefängnisses gebracht. Er berichtete Amnesty International, dass er 72 Tage lang in einer kleinen Zelle einsaß, bis auf die letzten Tage in Einzelhaft, dass er lange Verhöre über sich ergehen lassen musste und von den Sicherheitsbeamten bedroht und geschlagen wurde, und dass auch seine Familie starkem Druck ausgesetzt war. Er sagte: “Sie drohten mir immer wieder Folter oder Hinrichtung an. Sie riefen bei meinen Angehörigen an und sagten, ich sei gestorben und sie sollten meinen Leichnam abholen. Meine Schwester wollte schon Selbstmord begehen. Mutter erlitt einen Herzinfarkt und musste für drei Tage ins Krankenhaus. Der Druck auf meine Familie war schlimmer als der auf mich.” Omid Pour Mohammad Ali © Privat Im Februar 2010 kam Omid Pour Mohammad Ali gegen Kaution frei. Am 27. August 2010 verurteilte ihn die 26. Kammer des Revolutionsgerichts201 Teheran wegen „Gefährdung der Staatssicherheit“, “Beleidigung des obersten Religionsführers“ und „Beleidigung des Präsidenten“ zu einer Haftstrafe von sieben bis acht Monaten und einer Geldstrafe. Am 18. Juni 2011 trat er seine Haft an, doch am 31. August kam er durch eine Amnestie frei. Nach der Entlassung nahm er seine politischen Aktivitäten wieder auf, aber als er vom Geheimdienstministerium einbestellt wurde, verließ er das Land. Arash Sadeghi, mit einem Studienverbot belegter Student der Allameh-Tabataba’i-Universität und Wahlkampfhelfer für den Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mousavi, wurde im April 2009 von der 26. Kammer des Revolutionsgerichts wegen „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Propaganda gegen den Staat“ zu sechs Jahren Haft und 74 Peitschenhieben 49 verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde er vom zweiten Anklagepunkt freigesprochen und seine Strafe auf ein Jahr Haft und zusätzliche vier Jahre auf Bewährung verringert. Im Januar 2010 kam er gegen Kaution frei, wurde aber mehrmals wieder festgenommen und jedesmal gegen Kaution freigelassen. Im Januar 2012 wurde er erneut verhaftet und blieb bis Oktober 2013 ohne Kontakt zur Außenwelt im Gefängnis, ehe man ihn gegen Kaution wieder auf freien Fuß setzte. In einem Interview mit der Online-Nachrichtenagentur Rooz im November 2010 berichtete Arash Sadeghi von Folterung und Misshandlung. Man habe ihn mehrmals bis zu fünf Stunden an einem Bein an der Decke aufgehängt und so heftig geschlagen, dass ihm zweimal das Schultergelenk ausgekugelt wurde und er mehrere Zähne verlor. Die Vernehmungsbeamten hätten ihn immer wieder ins Gesicht geschlagen und dabei das Trommelfell beschädigt. Um ihn zu erniedrigen, hätten sie ihn außerdem gezwungen, eine schmutzige Toilettenschüssel auszulecken, hätten ihm in Mund und Gesicht uriniert und ihn daran gehindert, ein Bad zu nehmen. Er sagte, die Beamten hätten ihm die Augen verbunden und ihn mit Fußtritten und Faustschlägen ins Gesicht misshandelt; dabei seien seine Augen beschädigt worden und er habe vorübergehend das Sehvermögen verloren. Außerdem drohten sie ihm mit einem Verfahren wegen “Moharebeh” (Feindschaft zu Gott), wofür er zum Tode verurteilt werden konnte. Die Beamten hätten ihn aufgefordert, vor laufender Kamera zu „gestehen“, dass er Verbindungen zur verbotenen PMOI (Volksmujahedin des Iran) unterhielt und weitere Kontakte ins Ausland hatte, und ihm gedroht, wenn er kein Geständnis ablege, werde man seine Mutter verhaften und dafür sorgen, dass sein Vater seine Stelle bei der iranischen Armee verliere. Im März 2014 befand sich Arash Sadeghi bis zu einem neuen Verfahren wegen „Versammlung und Konspiration gegen die Staatssicherheit“ und „Propaganda gegen den Staat“ auf freiem Fuß. Amir Rezaei, Student der Universität Oroumieh, sagte Amnesty International, während seiner zweitägigen Haft im November 2009 seien er und seine Mithäftlinge von den Sicherheitsbeamten geschlagen und misshandelt worden: „Sie verbanden uns die Augen, und wir mussten uns in einem Lieferwagen auf den Boden legen. Dann brachten sie uns zu einem Gebäude, das wie eine Moschee aussah, steckten uns alle in einen Raum. Alle paar Stunden kamen mehrere Männer und schlugen uns mit Motorradketten. Ich hoffte inständig, dass sie mich nicht vergewaltigen würden. Das ging so bis zum Morgen. Wir bekamen bis zum Mittag nichts zu essen. Dann gaben sie uns etwas trockenes Brot und Joghurt. Danach machten sie weiter, schickten alle paar Stunden ein paar Männer herein, die auf uns einschlugen. Einmal waren sie wie Kampfsportler gekleidet.“ Amir Rezaei im Gespräch mit Amnesty International am 18. März 2013. Amir Rezaei © Privat Am 27. Dezember 2009 wurde er nach den regierungskritischen Demonstrationen während des AshuraFestes in Oroumieh erneut festgenommen und von den Revolutionsgarden 25-26 Tage in Einzelhaft gehalten, ehe ein Richter seine „bedingte Freilassung“ anordnete. Einige Monate später verließ er das Land. Mohammad Ghaffarian, Elektrotechnikstudent an der Ferdowsi-Universität, wurde im Februar 2011 verhaftet. Im August 2011 fand sein Verfahren vor der vierten Kammer des Revolutionsgerichts Mashhad statt. Er erzählte Amnesty International, dass das Gericht keinen Verteidiger für ihn bestellt hatte und dass sein Urteil erging, nachdem Beamte des Geheimdienstministeriums dem Richter einen Bericht vorlegten, in dem die Höchststrafe für ihn gefordert wurde: “Im September wurde das Urteil verkündet. Es lautete auf drei Jahre und sechs Monate Haft und Auspeitschung. Die Anklage gegen mich bestand aus vier Punkten, darunter „Beleidigung des Präsidenten“, was mir während der Verhandlung nicht einmal mitgeteilt worden war. Mein Anwalt 50 meinte, dass sie möglicherweise meine E-Mails gehackt und da etwas gefunden hätten. Im Berufungsverfahren hatte ich einen Anwalt. Doch Schuldspruch und Strafmaß wurden bestätigt. Auch mein Ersuchen an den Obersten Gerichtshof änderte nichts. Ich wurde zweimal dazu aufgefordert, meine Haftstrafe anzutreten. Nach der zweiten Aufforderung bin ich aus dem Land geflohen.“ Saeed Aganji, Student an der Islamischen Azad-Universität, gab am Standort Zarghan eine studentische Publikation heraus und gründete den „Rat von Shiraz”, der ohne Genehmigung der Universitätsverwaltung Erklärungen veröffentlichte und Proteste gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinejad organisierte. Im Dezember 2009, zwei Tage vor einer für den Nationalen Tag der Studierenden geplanten Protestveranstaltung, wurde er von Sicherheitsbeamten festgenommen. Sie durchsuchten zunächst seine Wohnung und konfiszierten einige Gegenstände, dann brachten sie ihn zum Verhör ins Gebäude des Geheimdienstministeriums in Shiraz. Wie er Amnesty International mitteilte, hörte er während seines Verhörs, wie im Nebenraum jemand gefoltert wurde: „Der Beamte sagte, ich solle weiter aufschreiben, was ich zu sagen hatte, und ging aus dem Raum. Dann kam er zusammen mit dem Mann zurück, der nebenan gefoltert worden war, und schlug hinter mir weiter auf ihn ein.“ Saeed Aganji wurde nicht körperlich gefoltert, aber 40 Tage ohne Zugang zu einem Anwalt in Einzelhaft gehalten und vor dem Revolutionsgericht Shiraz mit insgesamt 17 Tatvorwürfen wie „Gründung einer illegalen Gruppe“, „Propaganda gegen den Staat“ und „Teilnahme an illegalen Versammlungen“ unter Anklage gestellt. Das Gericht verurteilte ihn zu drei Jahren Haft auf Bewährung. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis verließ er den Iran. Saeed Aganji © Privat Arjang Alipour, ein 2011 von der Universität ausgeschlossener Student der Universität Shiraz, wurde nach eigenen Angaben am 8. März 2011 im Zusammenhang mit einer Demonstration im Vormonat verhaftet. Zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gehörten die „Verbreitung von Lügen in Interviews“, „Störung der öffentlichen Ordnung durch Teilnahme an Demonstrationen“ und „Beleidigung staatlicher Autoritäten“. Arjang Alipour berichtete Amnesty International, dass er in den ersten drei Tagen in Haft, bis zum 17. April 2011, in Einzelhaft saß. „Als ich nach 15 Tagen Schreibpapier bekam, erteilte ich meinem Anwalt eine Vertretungsvollmacht. Vor Beginn des Prozesses durfte ich aber nicht mit ihm sprechen. Es gab eine Verhandlung vor dem Revolutionsgericht und zwei vor dem allgemeinen Gericht, bei denen ich aber nicht anwesend war. Weder ich noch mein Anwalt wurde davon in Kenntnis gesetzt. Nach der Urteilsverkündung erließ das Gericht einen Haftbefehl gegen mich.“ Arjang Alipour zu Amnesty International am 22. März 2013. Er wurfe zur Auspeitschung, Freiheitsentzug und einer Geldstrafe verurteilt. Im Berufungsverfahren wurde das Urteil auf die Geldstrafe reduziert. Am 11. Januar 2012 verließ Arjang Alipour den Iran. Rozhin Mohammadi, eine Bloggerin, die an einer Universität auf den Philippinen studierte, wurde am 14. November 2011 bei der Ankunft auf dem Teheraner Imam-Khomeini-Flughafen verhaftet. Nach Hinterlegung einer Kaution kam sie am nächsten Tag wieder frei. Am 23. November 2011 wurde sie erneut verhaftet und zwei Wochen ins Evin-Gefängnis gesteckt. Sie berichtete Amnesty International von Einzelhaft und Verhören mit verbundenen Augen: “Der erste Verhörtag war der schlimmste. Es begann damit, dass der Verhörbeamte mich als Hure beschimpfte. Bei jeder Antwort schlug er mich auf den Kopf und ins Gesicht. … [Er] sagte, ich hätte behauptet, dass ich von den Soldaten vergewaltigt wurde. Ich sagte, das hätte ich nie gesagt… Er drohte auch, mich zu vergewaltigen. Einmal haben mir die Beamten die Augenbinde abgenommen und mich gezwungen, ein „Geständnis“ abzugeben, das sie mit einer Videokamera filmten: 51 Sie ließen mich noch einmal sagen, was ich bei den Verhören gesagt hatte. Sie zwangen mich, zu sagen, dass ich mit bestimmten Leuten Sex gehabt hätte. Da konnte ich nicht mehr und fing an zu weinen.“ Dann brachten sie auch ihren Bruder Ramin Mohammadi. Sie hörte, wie er unter der Folter vor Schmerzen schrie, und als sie ihn dann sah, brach sie zusammen. Ein Beamter sagte: „Ihr gehört alle hingerichtet.“ Als sie ihren Bruder sah, trug er schwere Folterspuren. Er war stundenlang an den Armen aufgehängt worden. „Sie hatten ihm die Schultern ausgekugelt und die Nase gebrochen, sein Ohr war verletzt und er hatte am ganzen Körper Blutergüsse.“ Nach der Entlassung floh sie zusammen mit ihrem Bruder aus dem Land. AUSPEITSCHUNGEN Zusätzlich zu Gefängnisstrafen verurteilten Gerichte einige Studierende zu Auspeitschungen, nachdem sie sie der Rozhin Mohammadi "Beleidigung des Obersten Führers" oder "Beleidigung des © Privat Präsidenten" für schuldig befunden hatten. Strafen wie Auspeitschungen sind nach internationalem Recht verboten, da sie das absolute Verbot von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung verletzen. Zu den Studierenden, die ausgepeitscht wurden, zählen die folgenden Personen: Amir Chamani, ein Soziologie-Promotionsstudent der islamischen Azad-Universität in Tabriz, verbüßte ab Januar 2013 eine Haftstrafe von 9 Monaten. Außerdem verurteilte ihn ein Revolutionsgericht in Tabriz zu 40 Peitschenhieben wegen „Beleidigung“ des Präsidenten Ahmadinejad. Die Auspeitschung wurde am 5. Juni 2013, innerhalb des Gefängnisses Tabriz, in dem er festgehalten wurde, durchgeführt. Er wurde am 3. Oktober 2013 freigelassen, nachdem er seine Haftstrafe abgesessen hatte. Payman Aref, ein Student der Politikwissenschaft an der Universität Teheran und Mitglied der ACRE, erhielt 74 Peitschenhiebe, bevor er im Oktober 2010 aus seiner einjährigen Haft wegen „Beleidigung des Präsidenten“ entlassen wurde. Seitdem haben ihn Sicherheitskräfte mindestens zweimal inhaftiert. Im April 2013 wurde er vor Gericht geladen unter der Anklage der „Störung der öffentlichen Meinung“. Grundlage war ein Interview, das er auf der Kaleme-Webseite gab, die Verbindungen zum unter Hausarrest stehenden Oppositionsführer Mir Hossein Mousavi hat. Am 18. November 2013 sollte die Anhörung durch die 28. Kammer des Revolutionsgerichts Teheran stattfinden, diese wurde jedoch verschoben. Zu den Studenten, die aufgrund ihrer friedlichen Aktivitäten inhaftiert wurden, zählen auch die, die für eine Anerkennung der Rechte ethnischer Minderheiten im Iran eintraten, z.B. der Kurden, Azeris und Aserbaidschaner, sowie Angehörige religiöser Minderheiten wie Baha'i. INHAFTIERUNG VON LEHRKRÄFTEN Unter den Verhafteten und Inhaftierten ist eine große Anzahl von UniversitätsdozentInnen, die sich an friedlichen Demonstrationen beteiligten oder ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in der Zeit nach der Wahl 2009 in Anspruch nahmen oder die aufgrund ihrer Religion oder ethnischen Herkunft verfolgt wurden. Viele von ihnen waren noch im März 2014 inhaftiert. Sie waren Beschäftigte an Universitäten in den verschiedenen Städten des Iran. Viele hatten Verbindungen zu reformorientierten politischen Gruppierungen. 52 Ali Ashgar Khodayari war Dozent an der Universität in Teheran und früher unter Präsident Khatami stellvertretender Minister für Wissenschaften. Nach der Wahl 2009 verbrachte er in den Abteilungen 209 und 240 des Evin-Gefängnisses 57 Tage in Haft. Die Anklage gegen ihn lautete „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit durch Teilnahme an illegalen Treffen.“ Weitere Dozenten wurden in Verbindung mit den Demonstrationen nach der Präsidentenwahl 2009 zu Gefängnisstrafen verurteilt. Masoud Sepehr, Dozent für politische Wissenschaften an der Azad Universität in Shiraz, Ahmad Miri, Dozent an der Universität Babol, und Ghasem Sholeh Saadi, Dozent für Jura an der Universität Teheran, verbüßten 18 Monate Haft nach einer Verurteilung wegen „Beleidigung des Obersten Führers.“ Dr. Mohammad Maleki ist 78 Jahre alt und früherer Kanzler der Universität Teheran. Er wurde im August 2009 verhaftet und für mehr als sechs Monate inhaftiert. Er hatte 2009 den Verlauf der Wahl kritisiert und abgelehnt, selbst zu wählen. Anschließend verurteilte man ihn zu einem Jahr Haft wegen „Verbreitung von Propaganda gegen das System“. Im Januar 2012 sollte er eigentlich die Haft antreten, er war aber dann noch bis März 2014 in Freiheit. Obwohl er an Prostatakrebs leidet, wurde er verhört und Reisen ins Ausland wurden ihm verboten, nachdem er im September 2011 an den UNSonderberichterstatter für den Iran, Ahmed Shaheed, geschrieben und ihm Einzelheiten über seine Behandlung im Gefängnis mitgeteilt hatte. Im Februar 2014 beschwerte er sich in einem offenen Brief an Präsident Rouhani und die Sicherheitsbehörden, dass die Behörden fortwährend seine Familie schikanierten. Sie hätten seinem Sohn das Zeugnis des Bachelor of Arts weggenommen, wodurch dieser seine Prüfungen an der Universität nicht durchführen konnte, und seine Angehörigen würden wiederholt zu Verhören vorgeladen. Davoud Soleymani, Dozent an der Universität Teheran, war stellvertretender Wahlkampfleiter für Mir Hossein Mousavi. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, nachdem die ursprünglich sechsjährige Haftstrafe nach seiner Berufung herabgesetzt worden war. Die gewöhnlichen Allerweltsanklagen lauteten auf „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ und „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“. Im Juni 2010 schrieb er einen offenen Brief an Ayatollah Khamenei: Die Beamten hätten ihn bei den Verhören geschlagen, verletzt und ihn zu einem „Geständnis“ gezwungen. Nach der Verbüßung seiner Strafe im Mai 2012 wurde er aus dem Raja’i Shahr Gefängnis entlassen. Unter anderen waren diese Universitätsdozenten Anfang 2014 noch inhaftiert: Mohsen Mirdamadi, Dozent an der Universität Teheran und früherer Abgeordneter des Parlaments und Generalsekretär der Islamic Iran Participation Front, wurde von der Abteilung 15 des Revolutionsgerichtes Teheran im April 2010 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er war wegen „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ angeklagt. Das Gericht verbot ihm die Mitgliedschaft in einer Partei und Kontakte zu den Medien für 10 Jahre. Die Universität Teheran schloss ihn im Mai 2013 als Dozent aus. Abdollah Ramazanzadeh, Dozent an der Universität Teheran und stellvertretender Leiter der Islamic Iran Participation Front, war früher Sprecher unter Präsident Khatami. Er verbüßt wegen seines friedlichen politischen Engagements eine fünfjährige Haftstrafe, die nach einer Berufung von ursprünglich sechs Jahren reduziert wurde. Er wurde vom Revolutionsgericht in Teheran u.a. wegen „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ verurteilt. Alireza Beheshti Shirazi, Dozent der Tarbiat Modares Universität und Berater von Mir Hossein Mousavi, wurde von der Abteilung 26 des Revolutionsgerichtes in Teheran zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die Anklagen bezogen sich auf sein politisches Engagement. Nach einer Razzia der Behörden beim Lehrkörper des BIHE (Baha’i-Institut für höhere Bildung) wurden Dutzende Dozenten und Mitarbeiter des Instituts inhaftiert. Im März 2014 sollen sich im ganzen Land 136 Angehörige der Baha’i im Gefängnis befinden, darunter einige Gefangene mit Verbindungen zum BIHE. Unter anderen sind das: Foad Moqqadam, Dozent beim BIHE, verbüßt eine fünfjährige Haftstrafe im Raja‘i Shahr-Gefängnis in Karaj. Das Urteil wurde von der 28. Kammer des Revolutionsgerichtes in Teheran gesprochen, verhaftet wurde er am 22. Mai 2012 in Esfahan. 53 Ein weiterer Dozent des BIHE, Kayvan Rahimian, verbüßt eine fünfjährige Haftstrafe, die im Juni 2012 von der Abteilung 28 des Revolutionsgerichtes in Teheran verhängt wurde. Die Anklagen waren u.a. „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „Mitgliedschaft in der Baha’iGemeinschaft“. Er schrieb am 7. Oktober 2013 in einem Brief an seine Tochter: „Du hast mich in den vergangen zwei Jahren wiederholt gefragt: „Warum bist du inhaftiert? Warum wurdest du verurteilt? Bist du ein Straftäter? Welche Straftat hast du begangen?“ In jener Zeit habe ich eine Antwort darauf zu geben versucht, manchmal klar und manchmal beschönigend. Heute, am Jahrestag meiner Inhaftierung, schreibe ich diesen Brief, um deine Neugierde zu befriedigen… Eine der Anklagen gegen uns ist ‘Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch Mitgliedschaft in der abweichlerischen Baha’i Sekte und des BIHE‘ (so steht es in unserer Anklage).Das bedeutet, wir wurden schuldig gesprochen, weil wir dem Baha’i Glauben anhängen und im BIHE als Lehrer arbeiteten.“ Keyvan Rahimians Bruder, Kamran Rahimian und seine Frau, Faran Hesami, beide Dozenten an der BIHE, verbüßen vierjährige Haftstrafen im Raja’i Shahr-Gefängnis bzw. im Evin-Gefängnis. Sie wurden am 13. September 2011 inhaftiert. Im Dezember 2011 verurteilte sie die Abteilung 15 des Revolutionsgerichtes in Teheran nach Anklagen wie „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „Mitgliedschaft in der Baha’i Gemeinschaft“. Das Paar hat einen kleinen Sohn, der jetzt von Familienangehörigen betreut wird. Kamran Mortezaie, Dozent und Verwaltungsangestellter am BIHE, verbüßt eine fünfjährige Haftstrafe, verhängt von der Abteilung 28 des Revolutionsgerichtes in Teheran wegen seiner Tätigkeiten für das BIHE. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung im Mai 2011 war Nooshin Khadem Verwaltungsangestellte im BIHE. Sie verbüßt eine vierjährige Haftstrafe im Evin Gefängnis. Die Verurteilung geschah im Oktober 2011 durch die Abteilung 28 des Revolutionsgerichtes in Teheran wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Gruppierung mit der Absicht, Straftaten gegen die nationale Sicherheit zu begehen“. Nach einer Berufung wurde das Urteil am 19. Januar 2012 bestätigt. Fünf der sechs Männer, die etwa zur gleichen Zeit wie Nooshin Khadem inhaftiert wurden, sind zu Beginn des Jahres 2014 wegen ihrer Verbindung zu den Baha’i noch im Gefängnis. Mahmoud Badavam, Bauingenieur und Dozent, Riaz Sobhani, Berater am BIHE, Ramin Zibaie, Leiter und Dozent für Psychologie, Farhad Sedghi, Dozent, Buchhalter und Finanzberater, und Shahin Negaria, Absolvent des BIHE, wurden zusammen mit dem Leiter des BIHE vor das Revolutionsgericht in Teheran gestellt. Das Gericht verurteilte sie wegen „Mitgliedschaft in der abweichlerischen Sekte der Baha’i, mit dem Ziel, Handlungen gegen die Sicherheit des Landes durchzuführen und um die Ziele der Abweichler und die von Organisationen außerhalb des Landes voranzutreiben“. Sie wurden verurteilt zu vier bzw. fünf Jahren Haft, die Strafen wurden im Januar 2012 bestätigt. Nur die fünfjährige Haftstrafe von Vahid Mahmoudi wurde aufgehoben und er kam frei. Im März 2013 wurde Nassim Bagheri von der 28. Kammer des Revolutionsgerichtes in Teheran zu vier Jahren Haft verurteilt. Ihre Anklage lautete „Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch ihre Mitgliedschaft im BIHE“. Sie stand mit neun weiteren Personen im März 2013 vor Gericht und kam dann gegen Kaution frei. Ramin Jahanbegloo ist Wissenschaftler und Schriftsteller mit doppelter (iranisch-kanadischer) Staatsbürgerschaft. Er wurde am 27. April 2006 am Teheraner Flughafen verhaftet, als er gerade zu einer internationalen Konferenz über den Iran ausreisen wollte. Der Geheimdienstminister gab anfangs bekannt, dass er wegen „Kontakten zu Ausländern“ inhaftiert sei. Am 3. Juli 2006 wurde er jedoch wegen „Teilnahme an einer von den USA angeführten samtenen Revolution im Iran“ angeklagt. Am 30. August 2006 kam er frei. Er war vier Monate lang in Einzelhaft in Sektion 209 des Evin-Gefängnisses, den ersten Monat ohne Kontakt nach außen. Er lebt jetzt im Ausland. Im Mai 2007 warnte ein Beamter des Geheimdienstministeriums davor, dass iranische Wissenschaftler von ausländischen Spionageringen bei wissenschaftlichen Kontakten gefährdet werden könnten. Er warnte sie vor zu großer Vertraulichkeit zu Ausländern. 54 Danial Owji, der als Assistent beim BIHE arbeitete, teilte AI mit, was ihm zusammen mit weiteren Lehrern des BIHE bei der Verhaftung durch die Sicherheitskräfte geschah. Am 22. Mai 2011 wurden ihre Wohnungen durchsucht. Sein Auto wurde von Sicherheitsbeamten auf der Straße gestoppt, sie schlugen ihn, verbanden seine Augen, zwangen ihn in den Kofferraum seines Autos und brachten ihn dann zu einem Gebäude und dort in einen Raum, der unter dem Namen „Übungsraum“ bekannt war. „Sie banden meine Hände nach hinten an etwas, sie traten und schlugen mich. Sie legten mir Handschellen an und fesselten meine Füße. Dann hängten sie mich auf. Als sie mich wieder abhängten, war ich nicht in der Lage zu stehen... Sie brachen mir Rippen. Einer der Verhörbeamten wurde ungehalten und verbrannte meine Hand mit seiner Zigarette. Sie banden meine Füße zusammen und hängten mich eine Zeitlang mit dem Kopf nach unten auf… Sie fragten mich nach Leuten, die für die Finanzen des BIHE zuständig waren. Sie wollten von mir ein „Geständnis“ auf Video aufnehmen und gaben mir einen vorbereiteten Text. Zuerst war ich einverstanden. Im Text stand eine Auflistung meiner Schuldanerkennungen, aber auch solche gegen Personal des BIHE gerichtete. Im Text Danial Owji stand, das BIHE habe Verbindungen zu Israel und © Privat bringe Mitglieder in den Iran, um einen „sanften Krieg“ gegen das System zu führen. Nachdem ich das gelesen hatte, sagte ich den Vernehmungsbeamten, dass ich im Hinblick auf meinen Glauben nicht lügen könne und das ‚Geständnis‘ sei voller Lügen. Die Verhörbeamten sagten mir, ich würde hingerichtet… Mir wurden die Augen verbunden und sie brachten mich in einen Hof. Dann las jemand ein Urteil und einige Koranverse und sie riefen drei Mal ‚Gott ist groß‘ und feuerten in die Luft.“ Danial Owji in einem Interview mit Amnesty International am 11. April 2013 Danial Owji war nach seiner Inhaftierung vier Tage lang verschwunden. Sein Vater erzählte ihm später, als er im Büro des Revolutionsgerichtes nach seinem Verbleib nachgefragt habe, hätten sie gesagt, Danial sei tot und sein Vater könne seinen Leichnam aus der Leichenhalle abholen. Nach der Folter ließen sie ihn, ohne Anklage zu erheben, frei. Er verließ dann den Iran. Am 8. Mai 2007 wurde Haleh Esfandiari, US-iranische Staatsbürgerin und Leiterin des Programms für den Mittleren Osten am Woodrow Wilson Center for Scholars in Washington, DC verhaftet. Sie wurde wegen Spionage angeklagt, sie habe einen sanften Sturz der Regierung geplant und gegen die nationale Sicherheit gehandelt. Sie war zum Besuch ihrer Mutter im Dezember 2006 in den Iran gereist. Freigelassen wurde sie am 21. August gegen Zahlung einer hohen Kaution von 300 Millionen Tuman (damals etwa 300.000 $). Sie verließ dann den Iran. Am 11. Mai 2007 wurde der Sozialwissenschaftler und Städteplaner mit US-iranischer Staatsbürgerschaft, Kian Tajbakhsh verhaftet, unter dieselben Anklagepunkte wie bei Haleh Esfandiari. Er arbeitete als Berater für das Open Society Institute in den USA und auch für eine Anzahl von Organisationen und Ministerien im Iran. Er wurde am 19. September 2007 nach Zahlung einer erheblichen Kautionssumme freigelassen. Am 18. Juli 2007 wurde ein Film mit den „Geständnissen“ von Haleh Esfandiari, Ramin Jahanbegloo und Kian Tajbakhsh im iranischen Fernsehen ausgestrahlt. Nach der Präsidentenwahl 2009 wurde Kian Tajbakhsh am 9. Juli 2009 erneut verhaftet. Er kam dann in einem „Schauprozess“ im August und September 2009 vor Gericht. Angeklagt war er wegen „Spionage“, „Zusammenarbeit mit einer feindlichen Regierung“ und „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. Er sei in den Golfkrieg 2000 verwickelt gewesen, in das Internetforum der Columbia Universität in den USA und das Open Society Institute, für das er aber seit 2007 nicht mehr tätig 55 gewesen war. Im Oktober 2009 wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der Staatsanwalt legte keine stichhaltigen Beweise vor. Im März 2010 wurde er entlassen. Die überaus lange Haftstrafe, viel länger als bei anderen mit ihm zur gleichen Zeit Angeklagten, scheint auf seine doppelte Staatsbürgerschaft zurückzuführen zu sein und auf die Art seiner wissenschaftlichen Arbeit. Seit 2009 erlitten weitere Wissenschaftler ein ähnliches Schicksal, so die Brüder Dr. Kamiar Alaei und Dr. Arash Alaei. Beide sind Experten für Vorbeugung und Behandlung von HIV und AIDS und reisten häufig zu internationalen Kongressen. Sie wurden im Januar 2009 zu drei bzw. sechs Jahren Haft wegen "Zusammenarbeit mit einer feindlichen Regierung“ verurteilt. Sie verbrachten Monate in Untersuchungshaft ohne Kontakt zu einem Anwalt. Sie erhielten ein unfaires Verfahren, in dem „geheime“ Beweise vorgelegt wurden, die sie weder sehen noch anzweifeln durften. AI meint, ihre Inhaftierung stehe im Zusammenhang zu ihren Kontakten zu ausländischen Wissenschaftlern und zivilen Organisationen, allesamt in den USA. Beide Doktoren sind überaus anerkannte AIDSSpezialisten, die nie politisch engagiert waren. Sie wurden 2010 bzw. 2011 freigelassen. Dr. Rahman Ghahremanpour Bonab ist Direktor der Forschungsgruppe für Abrüstung im Zentrum für strategische Forschung, einer Denkschule, die dem (iranischen) Schlichtungsrat nahe steht. Er wurde am 1. Juni 2011 verhaftet, etwa zur selben Zeit wie drei türkische Wissenschaftler, die im Iran ein Seminar zum Thema „Iran, Türkei und der arabische Frühling“ besuchen wollten. Die türkischen Wissenschaftler wurden am 12. Juni freigelassen, Rahman Ghahremanpour Bonab blieb ohne Anklage oder Verhandlung monatelang in Haft. Er hatte Workshops für freie und faire Wahlen, organisiert von einem türkischen Professor, besucht und hatte mit einer Studiengruppe die USA besucht, um die Wahl zu beobachten. Lokale Menschenrechtler haben berichtet, er sei wegen Spionage zu drei oder dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, zuzüglich einer dreijährigen bis dahin aufgeschobenen Haftstrafe. Im August 2007 soll ein Erlass einer unbekannten Behörde den akademischen Mitarbeiterstab einiger staatlicher Universitäten in Teheran informiert haben, dass sie bei Reisen ins Ausland die Sicherheitsabteilung der Universität unterrichten sollen. Darunter fallen auch Forschungsaufträge, wissenschaftliche Kontakte, touristische und Pilgerreisen, ob von ihrem Institut finanziert oder auch von außerhalb. Im Zusammenhang damit wurden Hashem Aghajari, Dozent an der Tarbiat Modares Universität und Abdollah Momeni, Sprecher der Absolventenvereinigung, einer Organisation, die sich in Menschenrechtsangelegenheiten engagiert, Auslandsreisen verboten. Sie waren zu einer Konferenz am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in die USA eingeladen, um über die Reformbewegung im Iran zu sprechen. Die halbstaatliche Mehr News Agency berichtete, sie seien für eine Diskussion über die samtene Revolution in Osteuropa und die daraus zu ziehenden Lehren eingeplant gewesen. STRAFLOSIGKEIT Irans Sicherheitskräfte, darunter Angehörige des iranischen Geheimdienstministeriums und Revolutionsgarden haben Häftlinge in ihrem Gewahrsam jahrelang gefoltert oder misshandelt, und dies bei nahezu völliger Straflosigkeit. Obwohl viele Personen, deren Fälle in diesem Bericht beschrieben sind, von ihrer Folterer und Misshandlung während der Haft berichteten, wurden die einzigen offiziellen Ermittlungen nur nach dem Tod von Häftlingen – darunter solche mit Beziehungen zur höchsten politischen Ebene – im Kahrizak-Haftzentrum im Juni-Juli 2009 durchgeführt. Sogar diese Ermittlungen waren in keinster Weise transparent und wohl auch nicht unabhängig und stellten die Misshandlungen in Kahrizak als Abweichung dar. In der Praxis sind jedoch Folter und Misshandlung in iranischen Gefängnissen alltäglich. Tatsächlich bekommen die Gefangenen, die behaupten, gefoltert worden zu sein, Repressalien zu spüren und können von der Justiz keinen Schutz erwarten. Die Gerichte ignorieren regelmäßig die Behauptungen der Angeklagten, in Untersuchungshaft gefoltert worden zu sein, und unternehmen keine Schritte, sie zu untersuchen. Häufig wurden umstrittene „Geständnisse“ – die die Angeklagten als erzwungen bezeichneten – herangezogen, um die vor Gericht Stehenden zu verurteilen und lange Haftstrafen oder in manchen Fällen sogar die Todesstrafe zu verhängen. Indem sie routinemäßig die Foltervorwürfe der Angeklagten ignorieren und sie nicht untersuchen, wirken die Gerichte und die Justiz bei der Anwendung von Folter mit. 56 Die Behörden die für die Festnahmen von Studenten, wirklichen und vermuteten Kritikern and Oppositionellen verantwortlich waren, schützten sich durch den Mangel an Transparenz bei ihrem Vorgehen, wodurch sich der Zyklus von Folter und Straflosigkeit fortsetzen kann. Das iranische Gesetz verlangt, dass Festnahmen nur auf der Grundlage eines Haftbefehls erfolgen dürfen, der die Gründe der Verhaftung enthalten muss und dem Beschuldigten vorgelesen werden muss, außer wenn der Täter bei Begehung der Tat verhaftet wird. In der Praxis wird dieses gesetzliche Erfordernis jedoch regelmäßig ignoriert, wenn die Inhaftierten der Kritik oder Gegnerschaft zur Regierung verdächtigt werden, und Gefangennahmen finden häufig ohne Haftbefehl oder auf Grundlage eines allgemeinen Haftbefehls statt, der den Namen des Beschuldigten nicht enthält und auch keinen genauen Grund für die Verhaftung angibt. AKADEMISCHE SÄUBERUNGEN Die Kulturrevolution, die Ayatollah Khomeini im Jahre 1980 einleitete, führte zu einem enormen Abgang talentierter akademischer DozentInnen an iranischen Universitäten während der fast drei Jahre, in denen das Hauptquartier der Kulturrevolution die Lehrpläne durchforstete, um sie mit den Zielen der Islamischen Revolution in Einklang zu bringen. Einige AkademikerInnen stimmten mit den Füßen ab und nahmen andere Jobs an oder gingen ins Ausland, um Ihre Karriere fortzusetzen. Andere wiederum waren aus ideologischen Gründen von Säuberungen betroffen, besonders solche, die in den Geisteswissenschaften unterrichteten, die aus der Sicht der neuen Behörden „unislamische Themen wie Liberalismus, Neo-Marxismus und Säkularismus förderten“. Laut einer Studie wurden zwischen 1981 und Oktober 1983 durch die Behörden insgesamt 2.628 Angestellte der Universitäten und anderen höheren Bildungsinstituten ausgeschlossen, wovon 873 Lehrkräfte waren. Abdolkarim Soroush, eines der sieben Mitglieder des damaligen Hauptquartiers der Kulturrevolution sagte in einem Interview 1999, dass die offizielle Säuberung zu der Entlassung von 700 Akademikern führte, von insgesamt 12.000 Angestellten. Das Zusammenwirken von Säuberungen und freiwilligen Abgängen ließ die Anzahl der Professoren und akademischen Mitarbeiter dramatisch sinken zwischen dem Zeitpunkt der Schließung der Universitäten durch die Behörden schlossen und deren Wiedereröffnung fast drei Jahre später. Eine Studie des Instituts für Kulturstudien und Forschung der Universität von Teheran, die durch das Büro des Premierministers in Auftrag gegeben wurde, um den Status der höheren Bildung 1984-1985 zu ermitteln, stellte fest, dass viele SpezialistInnen Irans Universitäten und andere Bildungsinstitute verlassen hatten und entweder aus dem Iran ausgereist oder in Rente gegangen waren. Sie führte ihren Abgang auf eine Reihe von Faktoren zurück, wie die Vielzahl der entscheidenden Behörden, unangemessene Einmischung staatlicher Einrichtungen in die akademische Verwaltung, den verschlechterten sozialen Status von AkademikerInnen und die Furcht, selbst als Agenten des Kolonialismus und die Universitäten als Quelle der Korruption wahrgenommen zu werden. Als weitere Gründe wurden die Unsicherheit der Beschäftigung und die staatliche Einmischung in die Art und Weise der Kleidung genannt. Einige waren auch Beschuldigungen, Beleidigungen, Schlägen und offiziellen Säuberungen ausgesetzt. Trotz des durch die Kulturrevolution verursachten Mangels an Lehrkräften haben die Behörden wiederkehrend Säuberungen im akademischen und höheren Ausbildungssektoren durchgeführt, weil sie die Lehrkräfte als „weltlich“ ansahen oder aufgrund ihrer politischen Meinung. Dies passierte durch regelrechte Dienstenthebung oder den Druck, vorzeitig in Rente zu gehen, der insbesondere auf einige Dozenten mit hohem Ansehen und akademischem Status ausgeübt wurde. Im Jahre 1994 zum Beispiel entließen die Behörden ohne Angabe von Gründen zwei Professoren der Abteilung Jura und Politikwissenschaft der Universität Teheran, Dr. Javad Tabatabaei (den stellvertretenden Dekan) und Dr. Jalil Roshandel. Dieselbe Universität entließ zwischen 1997 und 2005 45 weitere akademische MitarbeiterInnen, alle aus ideologischen Gründen. 278 weitere gingen zwischen 1998 und 2005 in den Ruhestand, darunter einige zwangsweise. Nachdem 2005 Mahmoud Ahmadinejad Präsident wurde, verdoppelten die Behörden Ihre Bemühungen, die Universitäten von „weltlichen“ Akademikern und Studierenden zu „reinigen“. Dies 57 stand im Einklang mit dem im August 2009 ergangenen Aufruf des Obersten Führers Ayatollah Khamenei zu verstärkter “Islamisierung” der Universitäten. Bis Ende 2006 hatte die Universität Teheran rund 40 Professoren, hauptsächlich Juristen und Politikwissenschaftler, entfernt, mit der Begründung, dass diese Mitarbeiter das Pensionsalter von 65 Jahren erreicht hätten, obwohl anderen Akademikern erlaubt wurde, über dieses Alter hinaus zu unterrichten. 234 Der damalige Kanzler der Universität, Ayatollah Abbas-Ali Amid-Zanjani, verkündete, dass die Akademiker aufgefordert wurden, in Rente zu gehen, um ihre “körperlichen, geistigen und lebenspraktischen Probleme“ anzugehen. Später soll er aber gesagt haben, dass er „verleitet“ wurde, ihren erzwungenen Ruhestand zu unterstützen. Weiterhin entließen die Behörden 2005 an der Allameh Tabataba’i University in Teheran Dr. Hassan Namakdoost Tehrani von der Schule für Kommunikation. 2006 suspendierte die Universität für angewandte Naturwissenschaften und Technologie in Teheran, Dr. Seyed Ahmad Shams als Dozent für Soziologie und Management, nachdem er öffentlich Kritik an Mahmoud Ahmadinejads Wahl zum Präsident übte. Danach war er nicht mehr imstande, eine anderweitige Dozentenstelle zu erhalten. Er berichtete Amnesty International während eines Interviews in der Türkei im April 2013: „Ich habe die Kandidatur von Dr. Mostafa Mo’in im Juni 2005 bei den Präsidentenwahlen unterstützt und habe dies auch in meinen Web-Blogs und in Gesprächen mit meinen Studenten vertreten. Ich habe öffentlich ausgesagt, Zivilgesellschaft wäre. Anfang Juni 2005 wurde ich in die Sicherheitsabteilung der Universität einbestellt. Dort wurde ich „gewarnt“ und musste eine Verpflichtungserklärung abgeben, dass ich keine Kritik an dem Staat oder seinen Repräsentanten im Unterricht oder online machen würde. Dennoch unterrichtete ich weiter. Am Anfang des neuen Studienjahres wurden jedoch keine Kurse an mich vergeben. Das Hochschulkomitee sagte mir, dass mein Unterricht später starten würde, aber sie sagten nicht genau wann. Ich fragte Freunde im Hochschulkomitee, was los sei. Sie erzählten mir, dass mein Name durch die Sicherheitsabteilung aus der Mitarbeiterliste entfernt wurde und dass ich nie wieder unterrichten dürfe. Sie sagten, es wäre am besten, wenn ich keine Fragen stellen würde. Ich bekam nie etwas Schriftliches von irgendjemandem oder irgendeinem Komitee.“ Seyed Ahmad Shams berichtete, er habe sich danach für ein akademisches Amt an der Universität in Qom beworben, aber die Antwort, die er erhielt, machte ihm klar, dass er keine Lehrerlaubnis im Iran bekommen werde, solange Präsident Ahmadinejad im Amt wäre. Nach der Wiederwahl von Ahmadinejad 2009 verließ er das Land, nachdem die Behörden seinen Blog verboten hatten und er von seiner drohenden Verhaftung in Verbindung mit einem Interview mit einer NGO 2007 erfahren hatte. 2007 entließ die Universität Teheran drei weitere Dozenten im Bereich Jura und Politikwissenschaft. Es waren Dr. Hossein Bashiriyeh, führender Politiktheoretiker und Befürworter einer Universitätsreform, Hadi Semati, Politikwissenschaftler und Experte für internationale Beziehungen, und Behzad Shahandeh, Chinaexperte, die sie verdächtigten, sie "überschritten ihre Möglichkeiten zur Forschung" bei ihren wissenschaftlichen Besuchen auswärtiger Universitäten. Mohammad Dehqani, Dozent an der Fakultät für Literatur der Universität, wurde die Lehre verboten wegen angeblicher „Beleidigung iranisch-islamischer Würdenträger“, „Verbreitung von Ideen gegen den Islam und die Shia“ und „Propaganda für die Ideen abweichender Gruppierungen“. Weitere führende Universitätsdozenten traten zurück, angeblich auf Druck der Behörden. Darunter waren Mohammad Mojtahed Shabestari, Philosoph und Dozent für Theologie im schiitischen Islam, Dr. Hadi Alemzadeh, Experte für islamische Geschichte an der Fakultät für Theologie und Islamkunde der Universität, Ahmad Sa’ei, Spezialist für Entwicklungsländer, der Dekan der Fakultät für Jura und Politikwissenschaft Hassan-Ali Doroodian, Reza Raees Toosi, Experte für Wirtschaft und Ölindustrie und Seyyed Ali Azemayesh, Kriminologe und Experte für Strafgesetzgebung. An der Allameh Tabataba’i Universität in Teheran sollen 2007 die Behörden 15 Professoren entlassen haben. An der Iranischen Universität für Wissenschaft und Technologie wurden im Dezember 2007 53 Angehörige des Lehrkörpers auf eine Liste von Personen gesetzt, deren Kündigung erwünscht sei. Auch an der Tarbiat Modares Universität wurden Anhänger der Reformpolitik vom Lehrdienst entfernt. Unter ihnen war Sa’eed Hajjarian, der angeklagt wurde, eine „orange Revolution“ nach dem Vorbild der Ukraine vorzubereiten, so die Anklage beim Revolutionsgericht. (Er wurde später vom Gericht wegen 58 seiner Verwicklung in die Demonstrationen 2009 nach der Präsidentenwahl zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.) Weitere Dozenten dieser Universität wurden entlassen, darunter Mohsen Kadivar, Abolfaz Shakoori, Hashem Aghajari und Hatam Qaderi. 2008 wurde an der Universität Kashan Ahmad Eslami entlassen. Er war Sozialwissenschaftler und hatte für Reformzeitungen Artikel geschrieben. Die Behörden gingen auch hart gegen Akademiker vor, die Angehörige von ethnischen Minderheiten waren. Im Januar 2007 berichtete die Menschenrechts-Nachrichtenagentur in Kurdistan, dass ein geheimes Papier den Behörden vorläge. Danach sollten von der medizinischen Fakultät an der Universität in Kurdistan 41 Dozenten, Männer und Frauen, entlassen werden, die der kurdischsunnitischen Minderheit angehörten. Darunter waren Dr. Mohammad Naqshbandi, Dr. Manuchehr Rashidian, Mozaffar Firouzmanesh und Houshang Zandi. Die politisch motivierte Entlassung aus dem Lehrkörper und erzwungene Versetzung in den Ruhestand von erfahrenen Akademikern hatte sofortige und tiefgreifende Auswirkungen auf die Studierenden und die ihnen gebotene Qualität der Ausbildung. Habib Farahzadi, ehemaliger Jurastudent an der Universität in Teheran, teilte Amnesty International mit, dass, als er zum akademischen Jahr im September 2008 zurückgekehrt sei, die entsprechenden Professoren für die Vorlesungen fehlten. Er berichtete: „Ich sah, dass die Professoren gefeuert worden waren oder in der offiziellen Habib Farahzadi Sprachregelung ‘dass sie gekündigt hatten‘. © Privat Diese Professoren hatten entweder neue Denkschulen geschaffen oder sie waren im Iran bekannte Leute auf dem Gebiet des Rechts.“ Er hielt zusammen mit weiteren Studenten ein Sit-in als Protest gegen die Entfernung dieser erfahrenen Dozenten ab. Dafür wurden sie vor das Disziplinarkomitee der Universität geladen und verwarnt. „Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass ich mich nicht einmal über meine eigenen Professoren äußern darf“, sagte Habib Farahzadi. Die Säuberung der Behörden an den Universitäten betraf die Universitätsdozenten, die kritisch gegen die politischen und religiösen Einrichtungen eingestellt waren. Dies steigerte sich noch, als die Massendemonstrationen nach der Juniwahl 2009 stattfanden. „Bei dieser Wahl wählten etwa 70% der Akademiker einen Kandidaten, der nicht Ahmadinejad hieß“, sagte Hojatoleslam Mohammad Mohammadian, der erste Stellvertreter des Höchsten Führers, und das habe die Behörden „enttäuscht“. Dieser Prozentsatz spiegelt den Grad der Abneigung gegen Ahmadinejad und seine Regierung wider, die in der vorherigen vierjährigen Amtszeit entstanden war. Unter Ahmadinejad schaffte das Wissenschaftsministerium die Befugnis der Universitäten ab, ihre Führung zu wählen und ihren Lehrkörper einzustellen und übertrug sie auf das Ministerium, offensichtlich im Zuge der fortschreitenden „Islamisierung“. Das führte zu verstärkter Kontrolle des Wissenschaftsministeriums über die Universitäten, das so seine eigenen Kandidaten für deren Führung und die Lehre ernennen konnte, und dies mehr nach politischen als nach strikt akademischen Kriterien. Ende 2009 hatten die Behörden der Universität Teheran seit Anfang des Jahres 81 Dozenten entfernt oder zum Rücktritt gezwungen, und 2010 folgten 40 weitere Dozenten. Andere Lehrpersonen wurden ausgeschlossen oder sogar körperlich an der Durchführung ihrer Veranstaltungen gehindert. Die Behörden versuchten „justiziable“ Begründungen für ihr Vorgehen zu finden. Oft blieben die genauen Gründe für die Entfernung der Lehrkräfte unklar. Manche mögen gerechtfertigt gewesen sein, meist 59 wurden die Dozenten aber wegen ihrer tatsächlichen oder angeblichen Meinungen entlassen oder zur Kündigung gezwungen. Einer der Akademiker, die 2009 gezwungen wurden, die Universität von Teheran zu verlassen, war Dr. Mohsen Rahami, ehemaliger Parlamentarier mit Verbindungen zu Reformern. Er hatte als Anwalt verletzte Studenten verteidigt, als die Sicherheitskräfte im Juli 1999 die Schlafräume der Studenten angegriffen hatten. Er musste die Fakultät für Jura und Politikwissenschaft verlassen, wie auch Dr. Tahmoures Bashiriyeh, der im Juli 2010 entlassen wurde. Zahra Rahnavard, die frühere Dekanin der Al-Zahra Universität in Teheran, politisch engagiert und Ehefrau des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mousavi, musste ihre Mitgliedschaft im akademischen Gremium der geisteswissenschaftlichen Fakultät im Oktober 2010 aufgeben. (Sie stand seit Februar 2011 zusammen mit ihrem Ehemann unter zeitlich unbefristetem Hausarrest.) Dr. Seyed Hossein Seifzadeh, Professor für internationale Beziehungen, wurde im März 2013 entlassen. Einige Monate zuvor soll er einige Stunden lang von Geheimdienstlern in der Sicherheitsabteilung der Universität über die Inhalte seiner Kurse befragt worden sein. In der Allameh Tabataba’i Universität wurde Dr. Mohammad Reza Zia’ei Bigdeli, Spezialist für internationales Recht, entlassen. Dr. Hossein Sharifi Tarazkuhi, Dozent für Menschenrechte, wurde zusammen mit drei weiteren Professoren zur Kündigung gezwungen. Mohammad Reza Zia’ei Bigdeli hielt im September 2013 die Einführungsrede für den neuen Dekan der Universität. Er stellte fest, dass der frühere Dekan der Universität, Sadreddin Shariati, ihn zur Kündigung gezwungen habe. Er solle keinen Fuß mehr in die Universität setzen, wenn „er nicht zuvor die erforderliche Zusammenarbeit mit den maßgeblichen Gremien geleistet habe“. In einer ähnlichen Aktion entfernten 2010 die Behörden 12 Dozenten von der Wirtschaftsfakultät der Universität, nachdem 11 der 12 Dozenten in einem Brief an die SCCR ihre Bedenken geäußert hatten, dass so der früher gute Ruf der Fakultät unter dem repressiven und autoritären Stil des jetzigen Dekans leiden könne. Neben anderen Missständen habe er die Bezahlung von akademischem Personal verweigert, Überwachungskameras in den Hörsälen installieren lassen und schon ein Drittel des Lehrpersonals gezwungen, die Universität zu verlassen und Druck auf die verbleibenden ausgeübt, ebenfalls zu gehen. Im März 2010 entließ die Universität Morteza Mardiha, Dozent für Philosophie und reformorientierter Schriftsteller. 2011 wurde Dr. Mohammad Mohammadi Gorgani, früherer Abgeordneter und Leiter der Fakultät für öffentliches Recht und Menschenrechte, zur Kündigung gezwungen, ebenso der Rechtsprofessor Mohammad Sharif, Mitbegründer des Zentrums für Menschenrechte. An der Al-Zahra Universität in Teheran wurden mindestens zwei Lehrkräfte in den Monaten nach der Präsidentenwahl 2009 zum Rücktritt gezwungen, die Mir Hossein Mousavi in seinem Wahlkampf unterstützt hatten: Fatemeh Rake’i, ehemaliges Parlamentsmitglied und Dozentin, die ihre Unterstützung für Mir Hossein Mousavi öffentlich machte, und Abdollah Naseri, der früher der amtlichen Nachrichtenagentur der Islamischen Republik Iran (IRNA) vorstand. Er wurde später im Februar 2011 inhaftiert und wegen „Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ zu fünf Jahren Haft verurteilt. An der Tarbiat Modares Universität wurde der frühere Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mousavi im Februar 2011 von seinem Lehramt suspendiert. Die Regierung hatte ihn unter Hausarrest gestellt, er hatte zuvor zu Demonstrationen zur Unterstützung der Volksaufstände in Tunesien, Ägypten und anderen Staaten der Region aufgerufen. Weitere Akademiker, die ihm nahestanden und ihn beraten hatten, wurden im Zusammenhang mit den Protesten 2009 inhaftiert, darunter Seyed Alireza Hosseini Beheshti, Dozent an der Tarbiat Modares Universität, und Qorbanali Behzadiannejad. Sie erhielten Haftstrafen und wurden von ihren Stellen an der Universität entfernt. An der Technischen Sharif-Universität wurde 2010 der Kanzler, Reza Rousta Azad, direkt vom Minister für Wissenschaft eingesetzt. Im Oktober 2011 zwang die Universität 25 Lehrkräfte zum Rücktritt, offensichtlich in Rahmen der „Islamisierung“. Das wurde von dem parlamentarischen Mitglied des Komitees für Erziehung und Forschung, Noorollah Haydari, kritisiert, der erklärte, der Kanzler habe seine Befugnisse überschritten und die Regeln für die Versetzung von Lehrkräften in den Ruhestand verletzt. 2010 entließ die Shahid Beheshti Universität Saba Vasefi. Sie war Frauenrechtsaktivistin und Dozentin für persische Literatur an dieser Universität. Im September 2012 sagte sie in einem Interview, sie habe den Lehrplan für das neue Semester erhalten, dennoch habe ihr die Universität mitgeteilt, sie habe 60 nicht die Befugnis für die Lehre an der Universität. Man ließ einen Fahrer die Papiere zu ihr nach Hause bringen, die sie für das Semester vorgesehen hatte. Sie sagte der BBC: „Sie teilten mir mit, dass die Auswahl- („Gozinesh“-)Kriterien, die auf dem Glauben beruhten, wichtiger seien als die akademischen Leistungen einer Person.“ Sie sagte, sie habe von verschiedenen Kritikpunkten erfahren, die die Leitung der Universität an ihrer Unterstützung und Einhaltung der strikten islamischen Prinzipien zweifeln ließen: „Unter den Vorwürfen, die ich erhielt, war, niemand habe mich im Gebetsraum der Universität gesehen und im Seminarraum seien meine Handgelenke zu sehen gewesen und in meinen Kursen hätte ich die religiösen Texte vernachlässigt.“ Ali Broki-Milan, Angehöriger der kurdischen Minderheit und Dozent für Wirtschaftswissenschaft, wurde 2012 wegen seiner Ansichten betreffend der kurdischen Minderheit und ihrer Identität von der Hamadan Universität entlassen. Die Entfernung ideologisch suspekter oder oppositioneller Lehrkräfte von den Universitäten dauerte in der Vorbereitungszeit für die neue Wahl 2013 an. Im Februar 2013 teilten an der islamischen Universität in Teheran die Behörden mit, dass fünf Dozenten von der Lehre entbunden worden seien. Darunter waren Ehsan Shariati und Mohammad Zaymaran, beide Dozenten für westliche Philosophie. Ehsan Shariati war schon vorher die Lehrerlaubnis entzogen worden, er hatte aber noch keine schriftliche Begründung dafür erhalten. Man sagte ihm nur, während der Wahlperiode solle es an den Universitäten „ruhig zugehen“. Neben dem Lehrkörper wurden auch einige Kanzler von Universitäten Opfer der Unterdrückung der Regierung. Sie räumten ihren Posten. Professor Sa’eed Sohrapour schied von der Sharif Universität und sagte, er habe nicht gekündigt, aber er habe den Wissenschaftsminister um eine Ruhepause gebeten, eine Darstellung, offensichtlich um Diskussionen zu begegnen, dass er zu dem Schritt gezwungen worden sei. Professor Yousef Sobuti, Gründer des Institutes für das Hauptstudium der Wissenschaften in Zanjan, weigerte sich in einem Interview am 21. August 2010 zu sagen, ob er selbst zurückgetreten oder dazu gezwungen worden sei. Es sei auch nicht so wichtig, da die Universitätsgremien die hauptsächliche Arbeit leisteten. Eine Woche später sprach die halbamtliche Fars News Agency von einem Ende der „20 Jahre Selbstverwaltung“, in denen dem „Bevollmächtigten des Obersten Führers kein Raum in der Universität überlassen worden sei“ und die Universität „keine Gebetsräume oder Moscheen“ bereitstellte. Im Juni 2013 hatte nur eine der 52 dem Wissenschaftsministerium unterstellten Universitäten – die Sahand Universität in Tabriz – noch einen Kanzler, dessen Bestellung vor dem Beginn der Präsidentschaft von Ahmadinejad 2005 lag. Wie viele der Kanzler dem Druck der Regierung weichen mussten und wie viele aus unbekannten Gründen zurücktraten oder in Ruhestand gingen, ist ungewiss. Die Behörden zwangen die akademischen Lehrkräfte zum Rücktritt, von denen sie meinten, sie seien oppositionell zur Regierung oder neutral zum Islam eingestellt. Unter Führung des Wissenschaftsministeriums ersetzte man sie durch wenig erfahrenes und ganz neu weitergebildetes Personal nach den Auswahl- („Gozinesh“-)Kriterien, mit denen staatliche Angestellte für Stellen herausgefiltert werden. Ende 2012 teilte ein Beamter des Ministeriums mit, dass jährlich 300 Lehrkräfte ausschieden, von denen einige vom Ministerium vor die Alternative gestellt wurden, "entweder freiwillig in den Ruhestand zu treten oder gefeuert zu werden". Derselbe Beamte führte aus, dass 40.000 Doktoranden auf dem Arbeitsmarkt auf eine Einstellung warteten, womit er andeutete, dass die Gekündigten bald wieder ersetzt werden könnten. Er sagte weiterhin, dass das Ministerium schon 7.000 akademische Dozenten eingestellt habe. Das solle bis Mai 2013 auf 10.000 aufgestockt werden und zusätzlich 10.000 Personen bis September 2013. Einige aus dem neuen Lehrkörper wurden zumindest teilweise wegen ihrer Erfahrungen beim Militär oder den paramilitärischen Basiji eingestellt. Im Juni 2012 waren die „akademischen“ Basiji an 322 Universitäten oder anderen Institutionen mit mehr als 11.000 Mitgliedern vertreten. In der Provinz Esfahan waren 1.300 der 5.000 Akademiker in der Organisation der Basiji aktiv, ihre Zahl sollte bis März 2013 auf 3.000 ansteigen. 61 Im März 2011 wurde Ehsanollah Haydari, Anwalt und Vollzeit-Dozent für Strafrecht und Menschenrechte an der Islamischen Azad Universität in Khorramabad, nach 12 Jahren Tätigkeit entlassen, weil er dem Derwischorden angehörte und Derwische vom Gonabadi-Orden bei Gericht vertreten hatte. Die Universität teilte ihm mit, das Geheimdienstministerium habe sich an das zentrale Auswahlgremium der Universität mit der Forderung gewandt, es solle ihn ausschließen. Ehsanollah Haydari wurde 2008 schon daran gehindert, ein Doktorandenstudium aufzunehmen, obwohl er das entsprechende Examen bestanden hatte. 62 6. DER RECHTLICHE RAHMEN „Höhere Bildung sollte für alle gleichermaßen auf der Grundlage ihrer Fähigkeit zugänglich sein, durch Einsatz von allen angemessenen Mitteln und insbesondere durch zunehmende Einführung von kostenloser Bildung.“ Artikel 13 (2) (C) des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte INTERNATIONALES RECHT Der Iran ist Mitgliedsstaat von mehreren entscheidenden internationalen Menschenrechtsverträgen, einschließlich des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR), des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD) und des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (CRC). Gleichwohl muss der Iran noch weiteren wichtigen Menschenrechtsverträgen beitreten, so zur Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT), dem Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen (CEDAW) und dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor Verschwindenlassen. Das Recht auf Bildung für jeden, und das auf allen Ebenen und ohne Diskriminierung, ist ausdrücklich garantiert in den internationalen Verträgen, die der Iran akzeptiert hat oder denen er beigetreten ist, einschließlich der Konvention gegen Diskriminierung in der Bildung. Außerdem ist der Iran Mitglied der UNESCO, folglich ist der Iran verpflichtet, die UNESCO-Empfehlungen zu beachten, die formal als internationale Instrumente von den Mitgliedsstaaten angenommen wurden, einschließlich der Empfehlung zur Stellung des Hochschulpersonals von 1997. Diese Empfehlung ist das einzige internationale Instrument, das Normen und Standards ausschließlich für Unterrichtende in Universitäten und Einrichtungen der Höheren Bildung festlegt. NICHT-DISKRIMINIERUNG UND DAS RECHT AUF BILDUNG Artikel 26 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) lautet: „Jede Person ist vor dem Gesetz gleich und hat ohne jede Art der Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Insofern sollte das Gesetz jede Diskriminierung verbieten und allen Personen gleichen und wirksamen Schutz vor Diskriminierung aus Gründen wie Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder anderer Meinung, nationaler oder sozialer Herkunft, Besitz, Geburt oder anderem Status gewähren.“ Aufgrund des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD) ist der Iran verpflichtet, Rassendiskriminierung in all seinen Formen zu verbieten und zu beseitigen und „sicherzustellen, dass die öffentliche Verwaltung und öffentliche Institutionen in Übereinstimmung mit dieser Verpflichtung handeln“. Besonders laut Artikel 5 (e) (v) hat der Iran es übernommen, das Recht eines jeden auf Gleichheit vor dem Gesetz zusammen mit dem Recht auf Bildung und Ausbildung zu garantieren, ohne Unterscheidung nach Rasse, Hautfarbe oder nationaler oder ethnischer Herkunft. Artikel 13 (1) des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) garantiert das Recht auf Bildung für jeden, die Mitgliedsstaaten stimmen überein, dass es ausgerichtet sein soll auf „die volle Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit und den Sinn für seine Würde und den Respekt für Menschenrechte und grundlegende Freiheiten stärken soll. Sie stimmen weiter überein, dass Bildung es allen Personen ermöglichen sollte, erfolgreich an einer freien Gesellschaft 63 teilzunehmen und Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen nationalen, und allen rassischen, ethnischen und religiösen Gruppen fördern sollte.“ Besonders Artikel 13 (2) (c) fordert, dass höhere Bildung allen gleichberechtigt zugänglich sein soll. Artikel 2 (2) des ICESCR verlangt, dass alle Rechte des Vertrags einschließlich der Bildung ohne Diskriminierung jeder Art hinsichtlich Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder anderer Meinung, nationaler oder sozialer Herkunft, Besitz, Geburt oder anderem Status ausgeübt werden. Unter Anerkennung der zentralen Rolle, die Bildung bei der Stärkung von Frauen hat, betont das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte – ein unabhängiges Gremium von Experten zur Beobachtung der Umsetzung des ICESCR –, dass Mitgliedsstaaten verpflichtet sind sicherzustellen, dass Bildung zu den Zwecken und Zielen passt, die in Artikel 13 (1) bestimmt werden. Diese Zwecke und Ziele sind in anderen neuen internationalen Instrumenten wie der Weltweiten Erklärung zur Bildung für alle (Jomtien, Thailand ,1990) (Artikel 1), der Wiener Erklärung und ihrem Handlungsprogramm (Teil 1, Paragraph 33 und Teil 2, Paragraph 80) und dem Handlungsplan der UNDekade für Menschenrechtserziehung (Paragraph 2) interpretiert worden und schließen spezielle Hinweise zur Gleichberechtigung der Geschlechter ein. In seinen Abschließenden Beobachtungen zum Iran (10. Juni 2013) äußert sich das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte besorgt über die Diskriminierung von Frauen und Mitgliedern des Baha´i-Glaubens, einschließlich des Zugangs zu universitärer Bildung. Es empfahl, dass der Iran „Schritte unternimmt, um alle Einschränkungen beim Zugang zu universitärer Bildung aufzuheben, darunter des Verbots der Immatrikulation von Frauen und Männern, der eingeschränkten Quoten für Frauen bei bestimmten Fachrichtungen und Geschlechtertrennung in Unterrichtsräumen und Einrichtungen.“ Das Komitee empfahl dem Iran außerdem, „Maßnahmen zu ergreifen, um in Gesetz und Praxis einen ungehinderten Zugang von Baha´i -Studenten zu Universitäten und Einrichtungen der beruflichen Ausbildung zu garantieren und um Ablehnungen beim Zugang zu diesen Einrichtungen und einen Ausschluss aus diesen aufgrund der Zugehörigkeit der Studierenden zur Baha´i-Gemeinschaft zu verhindern.“ Das Recht auf Bildung wird ebenso in Artikel 28 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (CRC) garantiert, dort verlangt Artikel 28 (1) (c), dass höhere Bildung allen zugänglich gemacht wird auf der Grundlage ihrer Fähigkeit mithilfe aller angemessenen Mittel. Artikel 29 (d) des CRC besagt, dass die „Erziehung des Kindes u.a. auf die Vorbereitung des Kindes auf ein verantwortungsbewusstes Leben ausgerichtet sein soll … im Geiste von Einsicht/Verständnis, Frieden, Toleranz, Geschlechtergleichheit und Freundschaft zwischen allen Völkern, ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen,…“ Das Komitee für die Rechte des Kindes hat wiederholt, dass offene oder versteckte Diskriminierung basierend auf Gründen, die in Artikel 2 der Konvention aufgeführt sind, die menschliche Würde des Kindes angreift und imstande ist, die Fähigkeit des Kindes, von Bildungsmöglichkeiten zu profitieren, zu unterminieren oder sogar zu zerstören. Besonders Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, welche den Nutzen einschränkt, den Mädchen aus den angebotenen Bildungsmöglichkeiten ziehen können, und eine unsichere oder unfreundliche Umgebung, die Mädchen von der Teilnahme abschreckt, stehen in direktem Widerspruch zu den Anforderungen aus Artikel 29 (1) (a), dass Bildung auf die umfassende Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit, seiner Talente und geistigen und physischen Fertigkeiten ausgerichtet sein soll. Artikel 4(a) der UNESCO Konvention gegen Diskriminierung bei der Bildung verlangt auch, dass höhere Bildung gleichberechtigt allen auf der Grundlage ihrer Fähigkeiten zugänglich gemacht werden soll. DAS RECHT AUF AKADEMISCHE FREIHEIT Obwohl das Recht auf akademische Freiheit nicht ausdrücklich im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) garantiert wird, hat das UN-Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in der Allgemeinen Stellungnahme / Kommentar 13 zum Recht auf Bildung deutlich gemacht, dass dieses Recht nur dann genossen werden kann, wenn es mit der akademischen Freiheit von Mitarbeitenden und Studierenden einhergeht. Das Komitee hat betont, 64 dass nach seiner Erfahrung Mitarbeitende und Studierende in Einrichtungen der höheren Bildung insofern besonders gefährdet sind durch politischen oder anderen Druck, der die akademische Freiheit unterminiert. Das Komitee sagt, dass akademische Freiheit beinhaltet: „die Unabhängigkeit von Individuen, frei ihre Meinung über die Institution oder das System, in dem sie arbeiten, auszudrücken, ihre Aufgaben ohne Diskriminierung oder Angst vor Unterdrückung durch den Staat oder andere Akteure auszuführen, an beruflichen oder akademischen Vertretungs-Gremien teilzunehmen und alle international anerkannten Menschenrechte zu genießen, die für andere Personen im gleichen Bereich der Rechtsprechung gelten.“ Das Komitee führt weiter aus, dass „der Genuss von akademischer Freiheit die Unabhängigkeit der Institutionen der höheren Bildung verlangt … [mit einem] Grad der Selbstverwaltung, die notwendig ist für eine effektive Entscheidungsfindung der Institutionen der höheren Bildung in Hinsicht auf ihre akademische Arbeit, Standards, Management und damit verbundene Aktivitäten.“ Diese muss im Gleichgewicht sein mit der Verpflichtung zur öffentlichen Rechenschaft. Während das Komitee anerkennt, dass es nicht ein einziges einheitliches Verfahren gibt, sollten die Vereinbarungen fair, gerecht und angemessen sein und so transparent wie möglich und so viel Mitwirkung zulassen wie möglich. Das Komitee hat deutlich gemacht, dass das Versagen der akademischen Freiheit für Mitarbeitende und Studierende einer Verletzung von Artikel 13 des Abkommens gleichkommt. Die UNESCO Strategie-Empfehlung bezüglich des Status der in der höheren Bildung Lehrenden von 1997 sieht auch vor, dass das Recht auf Bildung „nur in einer Atmosphäre der akademischen Freiheit und Autonomie für Institutionen der höheren Bildung gänzlich genossen werden kann“, während sie gleichzeitig Bedenken ausdrückt bezüglich der „Verletzlichkeit der akademischen Gemeinschaft gegenüber unangemessenem politischen Druck, welcher die akademische Freiheit unterminieren könnte.“ Akademische Freiheit ist definiert als: „das Recht auf Freiheit der Lehre und Diskussion ohne Beschränkung durch vorgegebene Lehrmeinungen, Freiheit, Forschung ausführen zu können und deren Ergebnisse zu verbreiten und zu veröffentlichen, Freiheit, Meinung(en) auszudrücken, Freiheit von institutioneller Zensur und Freiheit, an beruflichen oder akademischen Vertretungs-Gremien teilzunehmen … ohne Diskriminierung jeglicher Art und ohne Angst vor Unterdrückung durch den Staat oder jede andere Quelle.“ Die Empfehlung verlangt von Mitgliedsstaaten ausdrücklich, „Einrichtungen der höheren Bildung vor Bedrohungen ihrer Unabhängigkeit jeglicher Herkunft zu schützen.“ Dabei müssen die Staaten sicherstellen, dass „in der höheren Bildung Tätige, wie alle anderen Gruppen und Individuen, diese international anerkannten und für alle Bürger geltenden bürgerlichen, politischen, sozialen und kulturellen Rechte genießen können. Deshalb sollten alle in der höheren Bildung Unterrichtenden die Freiheit der Gedanken, des Gewissens, der Religion, der Meinungsäußerung, der Versammlung und der Gemeinschaft genießen können ebenso wie das Recht auf Unabhängigkeit und Sicherheit der Person und Bewegungsfreiheit. Sie sollen nicht daran gehindert oder dabei beeinträchtigt werden, ihre zivilen Rechte als Bürger auszuüben, einschließlich des Rechts zu einem sozialen Wandel beizutragen durch das freie Äußern ihrer Meinung zur Staatspolitik und zur Politik bezüglich höherer Bildung. Sie sollen keine Strafen erleiden nur aufgrund des Ausübens dieser Rechte. Mitarbeitende im Bereich der Hochschulbildung sollen nicht willkürlich inhaftiert oder festgenommen werden, keiner Folter, keiner grausamen, unmenschlichen oder herabwürdigenden Behandlung ausgesetzt werden. In Fällen von grober Verletzung ihrer Rechte soll Hochschulpersonal das Recht haben, die zuständigen nationalen, regionalen oder internationalen Gremien anzurufen, wie die Organe der Vereinten Nationen. Organisationen, die Mitarbeitende des Hochschulbereichs vertreten, sollen in diesen Fällen volle Unterstützung bieten. 65 Dies verlangt eine gewissenhafte Beachtung des Grundsatzes der akademischen Freiheit: „In der höheren Bildung Tätige haben Anspruch auf den Erhalt der akademischen Freiheit, das meint das Recht – ohne Beschränkungen durch vorgegebene Meinungen – auf Freiheit der Lehre und Diskussion, Freiheit, Forschung durchführen zu können und deren Ergebnisse zu verbreiten und zu veröffentlichen, Freiheit, ihre Meinung auszudrücken über die Institution oder das System, in dem sie arbeiten, die Freiheit von institutioneller Zensur und die Freiheit, an beruflichen oder akademischen Vertretungs-Gremien teilzunehmen. Alle Lehrenden im Hochschulbereich sollen das Recht haben, ihre Aufgaben ohne Diskriminierungen jeglicher Art und ohne Angst vor Unterdrückung durch den Staat oder andere Verursacher auszuführen. Mitarbeitende in der höheren Bildung können diesem Grundsatz gerecht werden, wenn die Umgebung zuträglich ist, in der sie tätig sind, dieses setzt eine demokratische Atmosphäre voraus, demzufolge die Herausforderung, eine demokratische Gesellschaft zu entwickeln.“ In dieser Hinsicht sieht die UNESCO-Strategie-Empfehlung weiter vor, dass Professoren nicht gezwungen werden sollen, gegen ihr besseres Wissen und Gewissen zu unterrichten, Bildungsinhalte oder Methoden anzuwenden, die internationalen Menschenrechtsstandards widersprechen, oder dass sie entlassen werden aus einem Grund, der nicht ausreichend mit ihrem beruflichen Verhalten in Verbindung steht und nicht in unabhängigen und unparteiischen Anhörungen nachweisbar ist. Gemäß dieser Standards sollen sowohl Staaten als auch Einrichtungen der höheren Bildung akademische Freiheit und grundlegende Menschenrechte unterstützen, sicherstellen, dass Studierende fair und angemessen behandelt werden, Strategien verabschieden, die eine gleichberechtigte Behandlung von Frauen und Minderheiten sicherstellen und dafür sorgen, dass Mitarbeitende des Hochschulbereichs in ihrer Arbeit nicht behindert werden durch Gewalt, Einschüchterung oder Bedrohungen. FREIHEIT DER GEDANKEN- UND MEINUNGSÄUSSERUNG Artikel 18 (1) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sagt: „Jeder soll das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit haben. Dieses Recht soll die Freiheit beinhalten eine selbst gewählte Religion oder einen Glauben zu haben oder anzunehmen und die Freiheit, entweder allein oder in Gemeinschaft mit anderen und öffentlich oder privat, seine Religion oder seinen Glauben in Gottesdiensten, Bräuchen, Ausübung oder Lehre zu bekunden.“ Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit gilt uneingeschränkt. Allgemein gesagt kann die Freiheit, seine Religion oder seinen Glauben auszuüben, wie auch die Freiheit der Meinungsäußerung, Vereinigungs- oder Versammlungsfreiheit nur in engen Grenzen eingeschränkt werden, wenn es um den Schutz der öffentlichen Sicherheit und/oder nationalen Sicherheit, Gesundheit, Moral oder Einschränkungen grundlegender Rechte und Freiheiten anderer geht. Das UN-Menschenrechtskomitee, ein unabhängiges Expertengremium, das die Umsetzung dieses Vertrags überwacht, hat gesagt, dass solche Einschränkungen eng ausgelegt werden müssen. Das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat im Allgemeinen Kommentar 13 (zum Recht auf Bildung) festgestellt: „Angestellte und Studierende im Hochschulbereich sind besonders gefährdet durch politischen oder anderen Druck, der die akademische Freiheit unterminiert.“ Dieser Druck bezieht sich auf Gesetze und Praktiken, die das Recht auf Freiheit der Meinung, des Glaubens, der Meinungsäußerung, der Gemeinschaft und Versammlung in der breiten Bevölkerung untergraben, nicht nur in der akademischen Welt. Freie Meinungsäußerung wird in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert, welcher besagt, dass „jeder das Recht hat, seine Meinung zu sagen ohne Beeinflussung“ und dass „jeder das Recht auf freie Meinungsäußerung haben soll; dieses Recht soll die Freiheit beinhalten, Informationen und Ideen aller Art zu suchen, zu erhalten und zu teilen ohne Rücksicht auf Grenzen, sei es mündlich, schriftlich oder gedruckt, in künstlerischer Weise oder durch andere selbst gewählte Medien.“ 66 Freiheit der Meinungsäußerung kann nur eingeschränkt werden aus Rücksicht auf das Recht auf Ansehen der anderen oder zum Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Gesundheit oder Sitten und muss sich strengen Prüfungen der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit unterziehen. Studierende und Dozenten machen oft Gebrauch von audiovisuellem Material, einschließlich dem im Internet verbreiteten. In seinem Allgemeinen Kommentar Nr.34 zu Artikel 19, veröffentlicht im September 2011, hat das UN-Menschenrechtskomitee festgestellt, dass Freiheit der Meinungsäußerung für audiovisuelles Material und das Internet gilt ebenso wie für herkömmliche Formen der Kommunikation und beinhaltet: „… Äußerung und Empfang von jeglicher Form von Nachrichten, die anderen Menschen Ideen oder Meinungen übermitteln können … politische Reden, Kommentare zu eigenen und öffentlichen Angelegenheiten, Stimmenwerbung, Diskussionen über Menschenrechte, Journalismus, kultureller oder künstlerischer Ausdruck, Lehre und religiöser Diskurs.“ Das Komitee hat auch klar gestellt, dass gesetzliche Einschränkungen der Freiheit der Meinungsäußerung niemals genutzt werden dürfen als „eine Rechtfertigung für einen Maulkorb für Befürworter der Mehrparteien-Demokratie, demokratischer Grundsätze und Menschenrechte.“ Das Komitee hob weiter den Bedarf an einer Vielfalt von Medien hervor, die nicht ausschließlich unter staatlicher Kontrolle stehen, und warnte, dass „Verrat“ oder „nationale Sicherheitsgesetze“ nicht genutzt werden sollen, „um vor der Öffentlichkeit Informationen von berechtigtem öffentlichen Interesse zu vertuschen oder zu verheimlichen, die nicht die nationale Sicherheit gefährden oder um Journalisten, Forscher, Umweltaktivisten, Menschenrechtsverteidiger oder andere, die solche Informationen verbreiten, zu verfolgen.“ Das Komitee betonte, dass „alle öffentlichen Personen, inklusive derer, die höchste politische Macht ausüben wie Staatsoberhäupter oder Regierungen, rechtmäßig Gegenstand von Kritik und politischem Widerspruch sind.“ Bezüglich des Internets erklärt das Komitee, dass allgemeine Verbote des Betriebs von bestimmten Seiten und Systemen keine „erlaubte Beschränkung“ sind und dass keine Form der Medien gesperrt werden sollte oder es keine Hinderung beim Veröffentlichen von Material geben sollte , nur aus dem Grund, dass das Material kritisch gegenüber der Regierung oder dem von der Regierung erstrebten politisch-sozialen System ist. In seinem Bericht zur Freiheit der Meinungsäußerung und des Internets erklärt der UNSonderberichterstatter zur Förderung und zum Schutz des Rechts auf Freiheit auf Meinung und Meinungsäußerung: „Einschränkungen sollen u.a. niemals angewendet werden auf Diskussionen über die Regierungspolitik, politische Debatten, Berichte zu Menschenrechten, Berichte über Aktivitäten der Regierung und Korruption in der Regierung, Teilnahme an Wahlkämpfen, friedliche Demonstrationen oder politische Aktivitäten einschließlich solcher für Frieden und Demokratie, Äußerung von Meinung oder Ablehnung, Religion oder Glauben, auch bei Personen, die zu Minderheiten oder besonders verletzlichen Gruppen gehören.“ Wie dieser Bericht und andere von Amnesty International, dem UN-Sonderberichterstatter zum Iran und anderen Organisationen veröffentlichte Berichte hinreichend zeigen, fährt der Iran fort, das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Das ist ein direkter Verstoß gegen die Verpflichtungen, die der Iran aufgrund des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) hat und stellt so viele Iraner, die versuchen, ihr legitimes Recht auf Meinungsäußerung auszuüben, unter Strafe, unter anderem durch ihre Festnahme und Inhaftierung. VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT Die Rechte auf friedliche Versammlung und Vereinigung sind jeweils in den Artikeln 21 und 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) garantiert und beide Rechte können nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die auch das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken können. Amnesty International ist überzeugt, dass diese möglichen 67 Einschränkungen nicht die Begründung für die von iranischen Behörden erzwungene Schließung von vielen studentischen Gremien und Vereinigungen liefern, einschließlich einer Reihe von unabhängigen Studentenorganisationen. In seinen abschließenden Beobachtungen vom November 2011 äußerte sich das UNMenschenrechtskomitee besorgt über weitreichende Einschränkungen des Rechts auf Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit und empfahl den iranischen Behörden sicherzustellen, dass diese Rechte allen Individuen ohne Diskriminierung garantiert werden und dass die Behörden sofort und bedingungslos jeden freilassen sollen, der nur aufgrund des friedlichen Ausübens dieser Rechte inhaftiert ist, einschließlich Studierender, Lehrender, MenschrechtsverteidigerInnen (inklusive FrauenrechtsaktivistInnen), AnwältInnen und GewerkschafterInnen. Das Komitee sagte ebenfalls, dass die Behörden im Iran die sofortige, effektive und unabhängige Untersuchung der Bedrohungen, Belästigungen und Angriffe gegenüber Mitgliedern dieser Gruppen sicherstellen sollen und gegebenenfalls die TäterInnen dieser Handlungen strafrechtlich verfolgen. RECHTSPRECHUNG Willkürliche Haft ist laut Artikel 9 (1) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) verboten. Das bedeutet: „Niemand soll willkürlicher Verhaftung oder Haft unterworfen werden. Niemandem soll seine Freiheit entzogen werden außer aus solchen Gründen und in Übereinstimmung mit solchen Maßnahmen, die im Gesetz verankert sind.“ Der Artikel sieht auch vor, dass jeder, dem seine Freiheit entzogen wurde, umgehend über die Gründe seiner Verhaftung zu informieren ist und das Recht haben soll, die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung vor Gericht anzufechten. DAS RECHT AUF EIN ORDENTLICHES VERFAHREN UND EINEN FAIREN PROZESS Rechte in Zusammenhang mit einem ordentlichen Gerichtsverfahren unter der Leitung der Justiz sind auch im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) dargelegt. Die in diesem Bericht behandelten Erfahrungen der Studierenden und Dozenten/innen zeigen, wie diese Verpflichtungen regelmäßig von iranischen Sicherheits- und Justizbehörden wissentlich missachtet werden. Artikel 9 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) verlangt von den iranischen Behörden sicherzustellen, dass jede festgenommene Person bei ihrer Verhaftung über den Grund sowie über die Anschuldigungen informiert wird, vor einen Richter gebracht wird und innerhalb einer angemessenen Zeit vor Gericht gestellt oder freigelassen wird. Gefangenen sollte es ermöglicht werden, die Rechtmäßigkeit ihrer Verhaftung anzufechten, und sie sollten Anspruch auf Schadenersatz haben, wenn sie unrechtmäßig festgehalten wurden. Artikel 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) verlangt, dass jeder, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, als unschuldig gilt, bis er vor Gericht schuldig befunden wurde, sowie dass er vor Gericht als gleichberechtigt angesehen wird und das Recht hat auf eine gerechte und öffentliche Verhandlung vor einem sachkundigen, unabhängigen und unparteiischen, vom Gesetz vorgesehenen Gericht in einer öffentlichen Sitzung, es sei denn, es liegen Gründe der nationalen Sicherheit oder andere vor, die es rechtfertigen, dass das Gericht einige Verhandlungen in geschlossenen Sitzungen durchführt. Den Beschuldigten müssen ausreichend Zeit und angemessene Möglichkeiten zugestanden werden, um ihre Verteidigung vorzubereiten; ihnen muss erlaubt werden, sich von einem selbst gewählten Verteidiger vertreten zu lassen, vor Gericht anwesend zu sein und Zeugen zu berufen und ins Kreuzverhör zu nehmen, und sie müssen das Recht haben, vor einem höheren Gericht in Berufung zu gehen. 68 FREIHEIT VON FOLTER Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung ist nach Artikel 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) und nach internationalem Gewohnheitsrecht absolut verboten. Das Menschenrechtskomitee hat seine große Sorge gegenüber dem Iran ausgedrückt „über Berichte über die weit verbreitete Anwendung von Folter und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung in Haftanstalten, besonders bei denjenigen, die wegen Verbrechen in Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit angeklagt sind oder von Revolutionsgerichten verurteilt wurden. In einigen Fällen ist es zum Tod von Häftlingen gekommen. Das Komitee ist ebenfalls besorgt darüber, dass erzwungene Geständnisse als Hauptbeweis genutzt wurden, um vor Gericht eine Verurteilung zu erreichen. Das Menschenrechtskomitee empfahl dem Iran „sicherzustellen, dass in jedem Fall von mutmaßlicher Folter und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung in Haftanstalten Ermittlungen eröffnet werden und dass die Täter dieser Handlungen verfolgt und angemessen bestraft werden. Der Iran sollte gewährleisten, dass Entschädigungen – inklusive angemessener Entschädigungssummen – jedem Opfer garantiert werden. Der Vertragsstaat soll ebenfalls garantieren, dass niemand dazu gezwungen wird, gegen sich selbst oder andere eine Aussage zu machen oder dazu, seine Schuld zu gestehen und dass keines dieser „Geständnisse“ als Beweis vor Gericht akzeptiert wird, außer bei Personen, die der Folter oder anderer Misshandlung angeklagt sind, als Beweis dafür, wie das „Geständnis“ oder eine andere Aussage erreicht wurde. RECHT AUF RECHTSMITTEL Der Schutz des Rechts auf Bildung und anderer relevanter Rechte verlangt, dass diese Gegenstand von Gerichtsentscheidungen sind durch angemessene Einrichtungen zur Ablegung von Rechenschaft, einschließlich Gerichten. In der Praxis bedeutet das, dass rechtliche oder quasi-rechtliche Mechanismen genutzt werden können, um sicherzustellen, dass Personen ihre Rechte einfordern können, auch auf internationaler Ebene. Der UN Sonderberichterstatter zum Recht auf Bildung hat kürzlich dargelegt, dass „rechtliche Systeme eine entscheidende Rolle beim Schutz und bei der Durchsetzung des Rechts auf Bildung als Rechtsanspruch spielen. Die Durchsetzung gesetzlicher Mechanismen, die gleichberechtigte Bildungsmöglichkeiten garantieren, ist ausschlaggebend zur Sicherung dieses Rechtsanspruchs. Im Falle der Verletzung des Rechts auf Bildung und Verweigerung von Chancengleichheit muss jedem der Rechtsweg vor Gerichten oder Verwaltungsgerichten offen stehen, auf der Grundlage von internationalen gesetzlichen Verpflichtungen oder vorhandenen rechtsstaatlichen Maßnahmen zum Recht auf Bildung. Grundsätzlich hat das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte klargestellt, dass ein Mitgliedstaat, der versucht, sein Versäumnis, innerstaatliche gesetzliche Rechtsbehelfe bei Verletzungen von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten zu gewähren, zu rechtfertigen , entweder zeigen muss, dass solche gesetzlichen Abhilfen keine „geeigneten Mittel“ nach den Bestimmungen des Artikel 2.1 des Pakts sind oder dass sie im Hinblick auf andere angewendete Mittel unnötig sind. Es wird schwierig sein, dieses zu zeigen, und das Komitee ist der Auffassung, dass die anderen angewendeten „Mittel“ in vielen Fällen wirkungslos gemacht werden können, wenn sie nicht durch Wege zu rechtlicher Abhilfe verstärkt werden. Viele studentische Aktivisten und Dozenten im Iran waren aus politischen Gründen in Haft und waren Folter oder anderen Misshandlungen ausgesetzt für angebliche Taten, die laut internationalem Recht nicht erkennbar kriminell waren. Aufgrund von internationalem Recht ist der Iran verpflichtet, ein Recht auf Rechtsmittel vorzuhalten, sagt der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) aus. Die Behörden müssen sicherstellen, dass jede Person, deren Rechte oder Freiheiten verletzt wurden, effektive Rechtsmittel einlegen kann, auch wenn die Verletzung von Menschen begangen wurde, die in offizieller Funktion handelten; 69 jeder, der solche Rechtsmittel in Anspruch nimmt, dieses Recht von Justiz-, Verwaltungs- oder gesetzgebenden Behörden oder von jeder anderen staatliche Behörde durchsetzen lassen kann und Möglichkeiten für juristische Rechtsmittel haben soll; und dass sachkundige Behörden solche Rechtsmittel durchsetzen, wenn sie gewährt werden. Leider hat sich herausgestellt, dass dieses im Iran eher die Ausnahme als die Regel ist. IRANISCHES RECHT SCHUTZMASSNAHMEN DER VERFASSUNG Die Verfassung der Islamischen Republik Iran enthält wichtige Schutzmaßnahmen für Rechte und Freiheiten, wie sie in den internationalen Verträgen garantiert sind. Der Iran ist Unterzeichnerstaat dieser Verträge, dazu gehören auch die, die sich auf freie Meinungsäußerung und faire Prozesse beziehen. Diese Verträge sollen für alle Menschen gleiche Rechte vor dem Gesetz als eine Gewähr für die Menschenwürde erreichen. Es gibt jedoch Anlass zur Sorge für Amnesty International hinsichtlich der Umsetzung der international geltenden Schutzmaßnahmen im Hinblick auf freie Meinungsäußerung und Freiheit der Versammlung, der Nichtdiskriminierung und Rechtsprechung. FREIE MEINUNGSÄUSSERUNG Die Verfassung der Islamischen Republik enthält Artikel, nach denen die freie Meinungsäußerung und das Recht auf Versammlung und Vereinigung gewährleistet sind. Die Grundlagen für persönliche Freiheit finden sich im Artikel 23. Dort steht, dass „die Untersuchung des persönlichen Glaubens verboten“ ist und dass „niemand behelligt oder zur Rede gestellt werden darf, nur weil er einen bestimmten Glauben hat“. Artikel 24 sichert die freie Meinungsäußerung durch Presse und andere Publikationen zu. Diese Garantien werden oft verwässert, mit der Auswirkung, dass die Behörden sie weiten Auslegungsspielraum haben. So wird das Recht auf freie Meinungsäußerung in Artikel 24 der Einschränkung unterworfen: „sofern diese (Meinungsäußerung) nicht gegen Grundlagen des Islam oder gegen die öffentliche Ordnung verstößt“. FREIHEIT DER VEREINIGUNG UND VERSAMMLUNG Auch diese Rechte sind in Artikel 26 der Verfassung garantiert. Die Vereine „dürfen aber nicht die islamischen Regeln oder die Grundlagen der Islamischen Republik verletzen“. Die Freiheit der friedlichen Versammlung wird in Artikel 27 garantiert, aber nur, „wenn sie nicht für die Grundlagen des Islam schädlich sind.“ Die wesentliche Einschränkung des Rechtes auf Versammlung und Vereinigung steht im „Gesetz für politische Parteien, Gesellschaften, politische und berufliche Vereinigungen und Organisationen von islamischen oder anerkannten religiösen Minderheiten“. In Artikel 10 wird die Registrierung aller Organisationen und Vereinigungen durch eine amtliche vom Gesetz bestimmte Kommission gefordert, alle Demonstrationen und alle politische Vereinigungen müssen vorab von den Behörden zugelassen werden. RECHT AUF NICHTDISKRIMINIERUNG Obwohl die Verfassung die Gleichheit von Mann und Frau garantiert, werden sie vom Gesetz nicht gleich behandelt. In der Praxis ist die sexuelle Diskriminierung fest verwurzelt. Mädchen und Frauen haben nicht denselben Schutz des Gesetzes oder Gleichheit vor dem Gesetz, wie in Artikel 14 und 26 des ICCPR gefordert. So ist das Alter für die Mündigkeit für Mädchen 9, für Jungen 15 Mondjahre. So können Mädchen im Alter von 8 Jahren und 8 Monaten wie Erwachsene behandelt werden, vor Gericht kann sogar die Todesstrafe verhängt werden. Jungen sind erst im Alter von 14 Jahren und einigen 70 Monaten erwachsen. Die frühe Verheiratung von Mädchen ist erlaubt. 2003 wurde das Mindestalter für die Ehe auf 13 Jahre erhöht, der Vater kann aber vom Gericht eine Verheiratung mit neun Mondjahren erreichen. Die frühen Verheiratungen sind eine Menschenrechtsverletzung an sich, sie ermöglichen aber noch weitere Menschenrechtsverletzungen. In vielen Fällen ist das Zeugnis einer Frau vor Gericht halb so viel wert wie das eines Mannes. Frauen erhalten nur die Hälfte der Kompensation von einem Mann bei Verletzungen oder Tod, und Frauen haben einen ungleichen Status gegenüber Männern in vielen Bereichen der Gesetze, besonders bei denen, die Heirat, Scheidung, Sorgerecht für die Kinder und Erbschaften betreffen. Bei vielen Gegebenheiten wird Nichtmuslimen Gleichberechtigung vor dem Gesetz und der gleiche Schutz des Gesetzes verweigert. Zum Beispiel, wenn ein nicht verheirateter Nichtmuslim wegen sexueller Beziehung zu einer nicht verheirateten Muslimin verurteilt wird, würde der Mann zum Tode verurteilt, ein nicht verheirateter Muslim würde ausgepeitscht. RELIGIONSFREIHEIT In Artikel 12 der Verfassung steht, dass die offizielle Religion des Landes der Shia-Islam ist, andere islamische Minderheiten können frei ihren Glauben ausüben. Danach können persönliche Angelegenheiten dieser Minderheiten wie Heirat oder Scheidung innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft durchgeführt werden. Artikel 13 stellt fest, dass Christen, Juden und Zoroastrier die einzigen anerkannten religiösen Minderheiten im Iran sind. RECHTSPRECHUNG Artikel 169 der Verfassung und Artikel 2 des islamischen Strafgesetzbuches stellen fest, dass keine Tat als Straftat zu bewerten ist, wenn sie nicht klar vom Gesetz erfasst ist. In Artikel 167 der Verfassung und im Artikel 214 der Strafprozessordnung wird von den Richtern jedoch gefordert, dass sie ihr eigenes Wissen vom islamischen Gesetz in den Prozessablauf einbringen sollen, wenn der Fall im Strafgesetzbuch nicht erfasst ist. Das bedeutet, dass jemand für eine Tat verurteilt werden kann, die nach dem Strafgesetzbuch keine Straftat darstellt, darunter auch Taten, die die Todesstrafe nach sich ziehen. Das ergibt eine Schieflage und Unsicherheit in den Verfahren, die eigentlich keinen Raum für Zweideutigkeit lassen sollten. Das gilt besonders für Verfahren mit der Möglichkeit einer Verurteilung zum Tode. Trotz des verfassungsmäßigen und gesetzlichen Erfordernisses an die Gerichte, Anhörungen nur in Gegenwart eines Verteidigers durchzuführen, wird in der Praxis vielen Anwälten dieses Recht verweigert. Zudem steht in einer Anmerkung zu Artikel 128 Strafprozessordnung, dass Richter den Angeklagten den Kontakt zu einem Anwalt in „heiklen Fällen“ verweigern dürfen – in der Praxis ist das die Norm. Den Angeklagten wird gewöhnlich der Kontakt zu einem Anwalt während der Untersuchungshaft verweigert, die Zeit kann beliebig ausgeweitet werden. AI hat Fälle dokumentiert, wo Gefangene monatelang keinen Kontakt zu einem Anwalt und nur eingeschränkt zu Familienangehörigen hatten. In die Akten des Gefangenen hat der Anwalt erst Einsicht, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist. Das kann erst wenige Tage vor der Verhandlung sein. Es können aber Anträge auf Verschiebung (der Verhandlung) gestellt werden, um mehr Zeit zur Vorbereitung zu gewinnen. Nach den Vorschriften für die Gefängnisse des Iran müssen die Gefangenen in Einrichtungen gefangen gehalten werden, die von der Gefängnisorganisation kontrolliert werden. Die Inhaftierten werden jedoch oft in Einrichtungen des Geheimdienstes oder der Revolutionsgarden verbracht, also außerhalb der offiziellen Kontrolle. Üblich ist, die Gefangenen für Tage, Wochen oder Monate in Einzelhaft zu halten. Es gibt keine Chance, gegen diese Haft anzugehen. Den Angehörigen wird oft von den Behörden jegliche Auskunft über das Schicksal oder den Aufenthaltsort ihrer Verwandten verweigert, was in vielen Fällen der Praxis des „Verschwindenlassens“ gleichkommt. 71 SCHUTZ VOR FOLTER Der gesetzliche Rahmen schützt nur bedingt vor Folter. Der Artikel 38 der Verfassung verbietet Folter, wenn sie angewandt wird, „mit dem Ziel, ein Geständnis oder Informationen zu erhalten“. Diese Definition reicht nicht an die internationalen Standards heran. So sieht die Definition der Folter in der „UN-Konvention gegen die Folter“ eine Reihe von weitergehenden Zwecken, wie Bestrafung, Beleidigung, Diskriminierung und Anwendung von Zwangsmaßnahmen vor. Artikel 39 verbietet jeglichen Angriff auf die Würde der Inhaftierten. Artikel 6 des „Gesetzes über die Achtung der legitimen Freiheiten und die Sicherstellung der Bürgerrechte“ führt weiterhin aus, dass, während eine Person gefangen ist oder verhört wird, der Vollzugsbeamte dem Angeklagten kein Leid zufügen darf, wie durch das Verbinden der Augen oder das Fesseln der Gliedmaßen. Die iranischen Behörden haben zugegeben, dass sie in speziellen Fällen, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, den Vollzugsbeamten erlauben, Interview- und Fragetechniken anzuwenden, die körperliche oder seelische Qualen verursachen, wenn sie von einem führenden Vollzugsbeamten oder anderen Regierungsbeamten angeordnet werden. 72 7. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN Dieser Bericht beschreibt Einzelheiten der andauernden und sich verschärfenden Repressionen von Studenten und Akademikern im System der höheren Bildung im Iran. Die Regierung von Mahmoud Ahmedinejad, dessen Amtszeit Anfang August 2013 endete, war offensichtlich entschlossen, die höhere Bildung so umzugestalten, dass nur Lehrkräfte eingestellt werden, die bereit waren, von den Behörden genehmigtes Ideengut zu lehren und nur Studenten zuzulassen, die keine abweichenden Ansichten äußerten und sich weder oppositionell noch von der offiziellen Linie abweichend engagierten und die sich an die strengen Kleidungs- und Verhaltensregeln hielten, die Frauen unverhältnismäßig hart trafen. Seit Präsident Rouhani 2013 an die Macht kam, ist seine Regierung für eine Agenda eingetreten, die die Rechte mehr respektiert, und hat damit Hoffnungen genährt, dass es in seiner Amtszeit maßgebliche – und dringend notwendige – Verbesserungen der Menschenrechte im Iran und der Lebensqualität von Millionen von Iranern geben könnte. Die Vorrangigkeit, mit der er die an Iranischen Universitäten vorherrschende Krise der akademischen Freiheit in Angriff nimmt, wird ein wichtiger Hinweis sein, ob solche Hoffnungen wirklich begründet sind. EMPFEHLUNGEN Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf die Probleme, die in diesem Bericht beschrieben werden. AN DIE IRANISCHEN BEHÖRDEN Amnesty International fordert die iranischen Behörden auf, die folgenden vorherrschenden Menschenrechtsverletzungen zu beenden und die nachstehenden Maßnahmen unverzüglich umzusetzen: RECHT AUF HÖHERE BILDUNG UND AKADEMISCHE FREIHEIT Gewährleisten Sie, dass höhere Bildung für alle gleichermaßen zugänglich gemacht wird auf der Grundlage ihrer Fähigkeiten, und dass sie den Empfehlungen des UN Komitees für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte entspricht und dass die Anstellung in der weiterführenden und höheren Bildung nicht vom Geschlecht, von der politischen oder religiösen Ausrichtung, Meinung oder vom Glauben abhängig sein sollte. Gewährleisten Sie, dass Studenten und Akademiker, die ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu friedlichen Zwecken ausüben, nicht mit Bestrafung rechnen müssen, wie Disziplinarverfahren oder falsche negativen Beurteilungen bei der Bewertung ihrer Arbeiten, die zu Suspendierung, Entlassung oder Verweisung führen können. Annullieren Sie unverzüglich alle früheren willkürlichen Suspendierungen oder Verweisungen von Studenten und alle Zwangspensionierungen oder erfolgten Entlassungen von akademischem Personal, die wegen unzulässiger Gründe erfolgten und setzen Sie der Opfer dieser Maßnahmen wieder in ihre früheren Positionen als Studenten oder Universitätspersonal ein. Beseitigen Sie jegliche Form von direkter Überwachung von Universitäts- und Bildungszentren durch nationale Sicherheitsorgane. Gewährleisten Sie, dass willkürliche Einschränkungen bei der Gründung und der Tätigkeit von studentischen Publikationen und Vereinigungen aufgehoben werden und dass studentische Publikationen und Vereinigungen nicht die Schließung zu erwarten haben, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ausgeübt haben. 73 Beendigen Sie die willkürliche Einmischung in das Recht auf Privatsphäre von Studenten und Akademikern und gewährleisten Sie, dass niemandem wegen seiner Überzeugung oder aufgrund seines Geschlechts, seiner Religion, ethnischen Zugehörigkeit, Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung der Zugang zu höherer Bildung verweigert wird. Beendigen Sie die Politik, die darauf abzielt, die Teilhabe von Mädchen und Frauen an höherer Bildung einzuschränken, einschließlich der Bekleidungsvorschriften, und eröffnen Sie Studienfächer wieder, die aus Gründen der Einteilung und Quoten für Frauen geschlossen wurden, wie im Mai 2013 vom UN Komitee für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte empfohlen. Gewährleisten Sie, dass alle Institutionen für höhere Bildung verpflichtet werden, internationale Menschenrechtsstandards in ihre Gründungsurkunden aufzunehmen und in der Praxis zu befolgen, indem sie unter anderem die Rechte auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit auf dem Campus wahren und schützen. Stellen Sie sicher, dass ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um zu gewährleisten, dass traditionell benachteiligte Menschen und Randgruppen wie Angehörige von Irans religiösen und ethnischen Minderheiten, Frauen und Menschen mit Lernschwächen und psychosozialen Defiziten ohne Diskriminierung Zugang zu höherer Bildung erhalten. Stellen Sie sicher, dass ethnische Minderheiten die Gelegenheit für eine Ausbildung in ihrer Muttersprache erhalten, wie Arabisch, Aserbaidschanisch, Türkisch, Balutschisch, Kurdisch und Turkmenisch sowie Farsi, damit sichergestellt wird, dass alle Gemeinschaften umfassend und ungehindert am kulturellen Leben teilhaben können, in Übereinstimmung mit Empfehlungen, die vom UN Komitee für Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte ausgegeben wurden. MEINUNGS-, VERSAMMLUNGS- UND VEREINIGUNGSFREIHEIT Lassen Sie sofort und bedingungslos alle gewaltlosen politischen Gefangenen frei, das heißt alle Personen, die ausschließlich aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und anderer Menschenrechte inhaftiert wurden. Heben Sie alle anhängigen Anklagen gegen Personen auf, die nur von der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung oder anderer Menschenrechte herrühren. Überprüfen Sie alle Gesetze des Strafgesetzbuchs, besonders des Fünften Buchs, das Pressegesetz und andere Einzelbestimmungen zum friedlichen Ausdruck von Gewissensüberzeugungen, mit dem Ziel, die iranische Gesetzgebung mit Irans Verpflichtungen gemäß internationalem Recht einschließlich Artikel 19 des ICCPR in Einklang zu bringen. Überprüfen Sie alle Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, die sich auf die friedliche Versammlung beziehen, um sicherzustellen, dass jeder dieses Recht ausüben kann, einschließlich der Versicherung, dass niemand wegen der Teilnahme an einer friedlichen Zusammenkunft verfolgt werden kann. Überprüfen Sie und, falls erforderlich, ändern Sie alle Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, die sich auf friedliche Vereinigungen beziehen, um sie mit internationalem Recht in Einklang zu bringen. Erkennen Sie das Recht auf freie Meinungsäußerung für alle an, einschließlich des Schutzes der Freiheit, Informationen und Ideen aller Art ungeachtet von Grenzen und durch alle Medien zu empfangen und weiterzugeben. DISKRIMINIERUNG Überprüfen, ändern oder schaffen Sie alle Gesetze ab, die Menschen aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Religion, ethnischer Abstammung, Geschlecht, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, politischer oder anderer Ansichten, nationaler oder sozialer Herkunft, Eigentum oder anderem Status diskriminieren. 74 Schaffen Sie jede Form von Diskriminierung von Frauen und Mädchen im Gesetz und in der Praxis ab und modifizieren Sie und schaffen Sie diskriminierende Gesetze (wie das Strafgesetz), Regeln, Bräuche und Praktiken ab. Ändern Sie oder schaffen Sie alle Gesetze und Bestimmungen ab, die gleichberechtigte Zugangsmöglichkeiten von Frauen und Mädchen zu höherer Bildung behindern, wie Geschlechtertrennung im Unterricht und Institutionen, diskriminierende Quoten, Verbote für Frauen und Mädchen, bestimmte Studienfächer oder Disziplinen zu studieren. Stellen Sie sicher, dass akademische Posten auf der Grundlage von Verdiensten vergeben werden und ohne Diskriminierung wegen anderer Gründe wie Geschlecht, Rasse, Religion, politischer Überzeugung, Glaube oder sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Ratifizieren Sie umgehend und ausnahmslos die UN-Übereinkunft zur Eliminierung aller Formen von Diskriminierung von Frauen und das zugehörige Fakultativprotokoll. Beendigen Sie die Diskriminierung der Baha’is in Gesetzen, Bestimmungen und in der Praxis und beenden Sie die diskriminierenden Maßnahmen gegen Irans ethnische und religiöse Minderheiten, einschließlich Ahwazis, Araber, Aserbaidschaner, Belutschen, Kurden, Ahl-e Haqs, Sufis und christliche Konvertiten, auch in Bezug auf den Zugang zu höherer Bildung. ANWENDUNG VON RECHT UND GESETZ Stellen Sie sicher, dass alle Straftaten eng und eindeutig im Gesetz definiert werden, in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Legalität. Stellen Sie sicher, dass niemand nur wegen der friedlichen Ausübung seines Rechts auf Meinungs-, Rede, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit inhaftiert wird. Alle die deshalb inhaftiert sind, müssen unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden. Informieren Sie unverzüglich alle Gefangenen über die Gründe für ihre Verhaftung oder Inhaftierung und unterrichten Sie sie umfassend über ihre Rechte. Garantieren Sie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren im gesamten Verlauf, in Übereinstimmung mit internationalen Standards, insbesondere Artikel 14 der ICCPR. Iranisches Recht muss sicherstellen, dass alle verhafteten Personen unverzüglich eine effektive Möglichkeit erhalten, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung vor einem Gericht anzufechten, das die Befugnis hat, ihre Freilassung anzuordnen; dass sie vom Zeitpunkt ihrer Verhaftung Zugang zu einem Anwalt haben; Gleichheit vor dem Gesetz; das Recht auf eine faire und öffentliche Verhandlung durch ein kompetentes, unabhängiges Gericht oder gesetzlich bestimmtes Schiedsgericht; und das Recht auf eine begründete Berufung. Stellen Sie sicher, dass jedem, der seiner Freiheit beraubt ist, erlaubt ist, Familienbesuche zu erhalten, und dass Familien über den Aufenthaltsort und den Status ihres inhaftierten oder eine Gefängnisstrafe verbüßenden Familienmitglieds informiert werden. Garantieren Sie die Unabhängigkeit der Justiz und stellen Sie sicher, dass in Prozessen wirkungsvoller Schutz gegen Einflussnahme des Geheimdienstministeriums und anderer Sicherheitskräfte oder Behörden gewährleistet ist. Schaffen Sie geheime Inhaftierung, Inhaftierung an einem unbekannten Ort und die Anwendung längerer Einzelhaft ab. Schaffen Sie den Einsatz von Sondergerichten im Iran ab, einschließlich der Revolutionsgerichte und der Sondergerichte für Geistliche. Beendigen Sie die Anwendung von im Fernsehen übertragenen erzwungenen „Geständnissen“; diese verletzen das Recht der Unschuldsvermutung und das Recht, nicht gegen sich selbst auszusagen oder Schuld einzugestehen. Ordnen Sie ein sofortiges Moratorium für Hinrichtungen an, in Übereinstimmung mit den wiederholten Forderungen der UN-Vollversammlung, und setzen Sie unverzüglich Maßnahmen in 75 Kraft, um die Zahl der mit der Todesstrafe bedrohten Straftaten zu reduzieren, als erstem Schritt zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe. VERHINDERUNG VON FOLTER UND ANDEREN MISSHANDLUNGEN Verurteilen Sie öffentlich Folter oder andere Misshandlungen, einschließlich der Bekanntgabe an alle Sicherheitskräfte, dass diese Form der Gewaltanwendung unter keinen Umständen toleriert wird. Stellen Sie sicher, dass Folter und andere Misshandlungen per Gesetz ausdrücklich verboten sind, unabhängig von ihrem Zweck, und dass derartige Handlungen Verbrechen sind, die mit Strafen geahndet werden, die der Schwere des Verbrechens entsprechen, ohne Anwendung der Todesstrafe. Definieren Sie Folter als Verbrechen nach iranischem Gesetz und stellen Sie sicher, dass das Verbot der Folter auch keine Ausnahme zulässt, wenn sie “dem Ziel dient, ein Geständnis zu erlangen oder Informationen zu erhalten“, wie es die Verfassung zurzeit vorsieht. Garantieren Sie, dass die gesetzliche Definition der Folter mit der Definition des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder entwürdigende Behandlung oder Strafe (CAT) entspricht und dass Iranisches Recht vollständig mit der CAT übereinstimmt. Beendigen Sie geheime Inhaftierungen und stellen Sie sicher, dass alle Gefangenen an offiziellen Orten des Strafvollzugs unter der Kontrolle der Justizverwaltung untergebracht werden, und dass ihnen sofortiger und später regelmäßiger Zugang zu einem Anwalt ihrer Wahl gewährt wird, der bei allen Vernehmungen anwesend sein sollte. Beendigen Sie die Praxis, Gefangene an einem unbekannten Ort zu verwahren. Stellen Sie sicher, dass Gefangene sofortigen und später regelmäßigen direkten Kontakt zu Familienmitgliedern haben. Heben Sie alle gesetzlichen Bestimmungen auf, insbesondere das Islamische Strafgesetzbuch, die die Anwendung körperlicher Züchtigung vorsehen, einschließlich Prügelstrafe, Amputation, und Steinigung; und verfügen Sie ein Moratorium für derartige Strafen bis zu ihrer völligen Abschaffung. Stellen Sie sicher, dass Vorwürfe der Folter oder anderer Misshandlungen unabhängig, unverzüglich, gründlich und unparteiisch untersucht werden, und dass Amtspersonen, die für solche Gewaltanwendung verantwortlich sind, strafrechtlich verfolgt werden – ohne Anwendung der Todesstrafe – und dass die Opfer volle Entschädigung erhalten. Stellen Sie sicher, dass niemand gezwungen wird, gegen sich selbst oder andere auszusagen oder Schuldeingeständnisse zu machen, und dass keine Aussage, die durch Folter oder andere Misshandlungen erlangt wurde, als Beweismittel vor Gericht zugelassen wird, außer gegen eine Person, die der Folter oder anderer Misshandlungen beschuldigt wird, als Beweis, dass das „Geständnis“ oder andere Aussagen (unter Folter) gemacht wurden. Stellen Sie sicher, dass Gefangene unverzüglichen Zugang zu einer fachgerechten medizinischen Untersuchung erhalten, und falls gewünscht oder erforderlich, zu medizinischen Betreuung während ihrer gesamten Haftdauer. Gefangenen sollte es gestattet sein, auf Wunsch eine unabhängige medizinische Meinung einzuholen. RECHT AUF WIEDERGUTMACHUNG BEI VERSTÖßEN Richten Sie unabhängige und unparteiische Stellen ein, um Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen unverzüglich, gründlich und effektiv zu untersuchen und den Opfern und den betroffenen Familien angemessene Entschädigung zu gewähren, in Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards. Bestrafen Sie oder verfolgen Sie strafrechtlich Sicherheits-, Justiz- und anderen Beamten aller Ebenen, die für Misshandlungen von Häftlingen verantwortlich sind und stellen Sie sicher, dass 76 sowohl das Vorgehen bei Ermittlungen und Sanktionen wie auch bei allen Strafprozessen den höchsten internationalen Standards entspricht. Lassen Sie internationale Überprüfung der Menschenrechtssituation im Iran zu, einschließlich der Besuchserlaubnis für den Sonderberichterstatter der UN für die Menschenrechtssituation im Iran, zusätzlich zu anderen UN-Menschenrechtsorganen, die um Besuchserlaubnis ersucht haben, wie auch unabhängige internationale Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Treten Sie Fakultativprotokollen bei, um Beschwerden von Einzelpersonen an Organe des UNAbkommens nachzugehen. INTERNATIONALE MENSCHENRECHTSINSTRUMENTE Ratifizieren Sie unverzüglich und vorbehaltlos das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe und sein Fakultativprotokoll, das Übereinkommens über die Abschaffung aller Formen von Diskriminierung von Frauen und sein Fakultativprotokoll, das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Menschen vor Verschwindenlassen, das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, das Fakultativprotokoll zum ICCPR und ICESCR. Bestätigen Sie und setzen Sie praktisch die bestehende Einladung an die UNMenschenrechtsexperten – Sonderverfahren – um, um Iran bei der nächsten Gelegenheit zu besuchen, u.a. indem der baldige Besuch durch den UN-Sondergesandten für das Recht auf Bildung ermöglicht wird, um der Regierung bewährte Verfahren und Methoden zu empfehlen, um zu gewährleisten, dass Studierende nicht mit unfairen Disziplinarverfahren konfrontiert werden, weil sie friedlich ihre Rechte in Anspruch genommen haben, die ihnen durch internationales Recht garantiert sind. AN DIE INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT Stellen Sie sicher, dass Umsiedlung im Anschluss an die Anerkennung des Flüchtlingsstatus unverzüglich und fair erfolgt. Stellen Sie sicher, dass politische Themen wie die Bedenken wegen Irans Nuklearprogramms die internationale Gemeinschaft Sie nicht davon abhält, als Antwort auf das Versagen der iranischen Behörden, ihre Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, und auf die Behinderung von internationalen Untersuchungen, einschließlich der UN-Menschenrechtsorgane, konzertierte Maßnahmen zu ergreifen. Drängen Sie die iranischen Behörden, einem Besuch des UN-Sondergesandten zum Iran zuzustimmen und ihren Verpflichtungen nachzukommen, Besuche von menschenrechts-bezogenen Arbeitsgruppen der UN, die gebeten haben Iran zu besuchen, zu erleichtern und zu empfangen, in Übereinstimmung mit der bereits bestehenden Einladung, die durch die iranischen Behörden ausgesprochen wurde.