V`15 Pocketguide - PDF

Transcription

V`15 Pocketguide - PDF
VIENNALE 2015
22. OKTOBER BIS 5. NOVEMBER
LOCATIONS
VIENNALE-KINOS
Gartenbaukino I., Parkring 12
U3 Stubentor, U4 Stadtpark
Stadtkino im Künstlerhaus I., Akademiestraße 13
U1, U2, U4 Karlsplatz
Urania I., Uraniastraße 1
U1, U4 Schwedenplatz
Metro Kinokulturhaus I., Johannesgasse 4
Historischer Saal, Eric Pleskow Saal
An dieser Stelle finden Sie einen
Faltplan mit allen Filmen und
Terminen. Falls er abhanden
gekommen sein sollte, holen Sie
sich bitte Ihren Übersichtsplan
an einer Viennale-Kinokassa
oder Vorverkaufsstelle.
U1, U3 Stephansplatz • U1, U2, U4 Karlsplatz
SPIELORT DER RETROSPEKTIVE
Österreichisches filmmuseum I., Augustinerstraße 1
U1, U2, U4 Karlsplatz
VORVERKAUFSSTELLEN
Metro Kinokulturhaus I., Johannesgasse 4
U1, U3 Stephansplatz • U1, U2, U4 Karlsplatz
Schottentor I., Schottentor
U2 Schottentor/Universität
Gartenbaukino I., Parkring 12
U3 Stubentor, U4 Stadtpark
VIENNALE FESTIVALZENTRUM
I., Dominikanerbastei 11
U1, U4 Schwedenplatz • U1, U3 Stephansplatz
Viennale barrierefrei
Die Viennale bietet an allen Veranstaltungsorten Zugang für Rollstuhlfahrer
Gartenbaukino vier Rollstuhl-Stellplätze und zwei Behinderten-Parkplätze
Stadtkino im Künstlerhaus und Urania jeweils zwei Rollstuhl-Stellplätze
und zwei Behinderten-Parkplätze
Metro Kinokulturhaus zwei Rollstuhl-Stellplätze im Historischen Saal,
ein Rollstuhl-Stellplatz im Eric Pleskow Saal
Österreichisches Filmmuseum zwei Rollstuhl-Stellplätze
Begleitpersonen haben freien Eintritt und einen Sitzplatz in unmittelbarer Nähe
des Rollstuhlplatzes.
Viennale Festivalzentrum barrierefrei zugänglich
TICKETINFORMATIONEN
TICKETVORVERKAUF AB 17. OKTOBER 2015, 10 UHR
TICKETS IM INTERNET
Tickets per Online-Banking oder Kreditkarte
www.VIEnnaLE.aT
VORVERKAUFSSTELLEN
TICKETPREISE
einzelticket
ab 10 Tickets
ab 20 Tickets
€9
€ 8,50
€ 7,80
pro Ticket
pro Ticket
Tickets bar, mit Bankomat oder per Kreditkarte
ERMÄSSIGUnGEn
Metro Kinokulturhaus von 17. Oktober bis 5. November
täglich 10 bis 20 Uhr
Schottentor von 17. bis 24. Oktober
täglich 10 bis 20 Uhr
Gartenbaukino von 17. bis 21. Oktober
täglich 10 bis 20 Uhr
Ermäßigungen können bei Vorweis der entsprechenden
Ausweise in Anspruch genommen werden.
ZUSÄTZLICHE EXPRESSKaSSEn
aM 17. UnD 18. OKTOBER
Aufgrund des zu erwartenden großen Andrangs werden
am ersten Vorverkaufswochenende zusätzliche Expresskassen geöffnet. Die Expresskassen sind für Käufe von
bis zu 10 Tickets vorgesehen, um eine raschere Abwicklung gewährleisten zu können.
Stadtkino im Künstlerhaus
17. und 18. Oktober, 10 bis 20 Uhr
(nur Expresskassen; nur Barzahlung)
Gartenbaukino
17. und 18. Oktober, 10 bis 20 Uhr
(2 Expresskassen; Bezahlung bar, mit Bankomat oder
per Kreditkarte)
für alle Kassen – mit ausnahme der expresskassen –
werden bei großem andrang Wartenummern ausgegeben.
TICKETS PER TELEFON
Tickets per Kreditkarte (tägl. 10–20 Uhr)
freeline 0800 664 015
Per Telefon bzw. online gekaufte Tickets sind an allen
Vorverkaufsstellen oder in den Viennale-Kinos abzuholen. Ab 30 Minuten vor Beginn einer Vorstellung sind
ausschließlich Tickets für diese Vorstellung erhältlich.
einzelticket
ab 10 Tickets
ab 20 Tickets
€ 8,50
€8
€ 7,30
pro Ticket
pro Ticket
Kunden der
ermäßigungen mit der «fernwärme-Servicecard»
Inhaber der «Fernwärme-Servicecard» erhalten für Filme
ausgewählter Zeitschienen je 2 Tickets zum Sonderpreis
von je € 6,30.
MehrwERT-FILMnaCHT
erste bank lädt zum Double feature ein
24. Oktober, ab 23 Uhr, Gartenbaukino
In der Nacht der Zeitumstellung gibt es nicht nur ein Stunde
mehr, sondern auch ein einmaliges Double Feature: Isabelle
Huppert und Gérard Depardieu treffen in Maurice Pialats
LOULOU (1979) und in VALLEY OF LOVE (2015) von
Guillaume Nicloux aufeinander.
nähere infos zur Vergabe der Gratistickets unter:
www.sponsoring.erstebank.at
www.viennale.at
freie SiTzplaTzWahl
bei allen Vorstellungen der Viennale – mit ausnahme der
Galas – gilt freie Sitzplatzwahl.
TICKETVERKaUF wÄHREnD DES FESTIVaLS
Während des Festivals erhalten Sie Tickets sowohl an
der Vorverkaufsstelle Metro als auch in den vier Festivalkinos. Die Kinokassen sind von 22.10. bis 5.11. ab eine
Stunde vor Beginn der ersten bis zum Beginn der letzten
Vorstellung geöffnet. Ab 30 Minuten vor Beginn einer
Vorstellung sind ausschließlich Tickets für diese Vorstellung erhältlich.
30 Minuten vor Vorstellungsbeginn werden
Wartenummern für resttickets ausgegeben.
TICKETVERKaUF RETROSPEKTIVE anIMaLS
Tickets für die Retrospektive sind sowohl über die
Viennale als auch über das Filmmuseum erhältlich.
Informationen unter www.filmmuseum.at und
www.viennale.at.
2
VIENNALE MERCHANDISING
Publikationen und Artikel des Festivals sind in allen
Viennale Vorverkaufsstellen und Kinos sowie online
erhältlich:
Katalog Festival
Plakate (A1)
V’15-Filmstills-Plakat
Schlüsselbänder
Viennale DVD Box 2015
Viennale Einzel-DVDs 2015
Viennale DVD Box 2014
Viennale DVD Box 2012 und 2013
Viennale Einzel-DVDs 2012–2014
The Useful Book #4: Peter Nau
€ 15
€3
€ 10
€3
€ 29,90
je € 14,90
€ 19,90
€ 39,90
€ 9,90
€7
VIENNALE DVD EDITION
Die gemeinsame DVD edition von Viennale und falTer geht in die vierte runde.
Wegen des erfreulichen zuspruchs in den letzten Jahren wird der Versuch fortgesetzt, eine Schneise in den Wildwuchs der aktuellen DVD-produktion zu schlagen
und ein paar wenige herausragende kinematografische positionen hervorzuheben.
Mit festivalbeginn sind drei weitere DVDs der edition erhältlich.
Ein gemeinsames Projekt von
COUrT
a liTTle ClOSer
R: Chaitanya Tamhane
Indien 2014, 116 Min, OmeU
R: Matthew Petock
USA 2011, 73 Min, OF
Ein Gewaltverbrechen in den Armenvierteln von Mumbai führt zu einer
Gerichtsverhandlung, die das eigentliche Drama darstellt: Wir sehen ein
indisches Rechtssystem, das Schicksale von Menschen wie nebenher besiegelt – und dadurch mit unseren Vorstellungen von Rechtsprechung
nicht in Einklang zu bringen ist. Ein spannender und
verstörender Film.
Mit aufrichtigem Blick begleitet der
Film eine alleinerziehende Mutter
und ihre beiden Söhne durch eine
Handvoll Sommertage im ländlichen
Virginia. Unaufgeregt und unspektakulär und doch sind es große Dinge, die die Erzählung
streift – sexuelles Erwachen, Geschlechter- und Klassenverhältnisse, materielle Sorgen und Einsamkeit. Und
dennoch können wir eine Hoffnung spüren …
VIEnnaLE DVD BOX 2015
ÅTerTräffen
(THE REUNION)
R: Anna Odell
Schweden 2013, 89 Min, OmeU
Anlass des Filmes war eine autobiografische Erfahrung der Regisseurin:
Sie hatte als einzige keine Einladung
zu einem Klassentreffen erhalten – und entschloss sich,
einen Film darüber zu drehen, was passiert wäre, wenn
sie trotzdem zum Klassentreffen gegangen wäre. Eine
sehr wahre Geschichte über ein Klassentreffen, das so
nie stattgefunden hat.
Die Box beinhaltet neben den drei Filmen einige attraktive Goodies: ein Stück eines 35mm-Filmstreifens von
einem Viennale-Trailer, ein Viennale-Schlüsselband,
einen Viennale-Pin sowie einen Falter-Bleistift und ein
Falter-Notizbuch.
Viennale DVDs je
Viennale DVD box 2015
Viennale DVD box 2014
Viennale DVD box 2012 & 2013
Viennale einzel-DVDs 2012–2014
je € 14,90
€ 29,90
€ 19,90
€ 39,90
je € 9,90
erhältlich an allen Viennale-Kassen, unter www.viennale.at,
auf www.faltershop.at und im ausgewählten buchhandel.
MOnTaG, 26. OKTOBER 2015, aB 10.30 UHR Gartenbaukino, 1., parkring 12
INTERNATIONALFEIERTAG
Die Viennale hat in diesem
Jahr den 26. Oktober kurzfristig zum «Internationalfeiertag» erklärt und zeigt
im Gartenbaukino den
gesamten Festivaltag hindurch ein Filmprogramm,
das sich mit den Themen
Flucht, Migration, Vertreibung und Fremde beschäftigt.
Die Auswahl reicht von Charlie Chaplins THE IMMIGRANT über Elia Kazans Auswandererepos AMERICA
AMERICA bis zur wunderbaren Seltenheit MOONLIGHTING von Jerzy Skolimowski. Die beiden Hauptabendtermine sind den Premieren zweier neuer österreichischer Dokumentarfilme gewidmet, die sich auf
unterschiedliche Weise dem Thema Flucht und Asyl
widmen, LAST SHELTER von Gerald Igor Hauzenberger
und LAMPEDUSA IM WINTER von Jakob Brossmann.
Ehe am Ende des Tages Clint Eastwood seine asiatischen
Nachbarn anherrscht: «Get off my lawn!» Und wir dazu:
«Welcome to our garden!»
Der reinerlös des «internationalfeiertages» der Viennale
im Gartenbaukino geht je zur hälfte an die Caritas und
die Volkshilfe. Wir freuen uns auf ihr Kommen!
10.30 h filMe VOn Charlie Chaplin
The TraMp USA 1915, 26 Min
The VaGabOnD USA 1916, 27 Min
The iMMiGranT USA 1917, 25 Min
12.30 h MOOnliGhTinG
R: Jerzy Skolimowski, GB 1982, 97 Min, OF
14.30 h aMeriCa aMeriCa
R: Elia Kazan, USA 1963, 168 Min, OF
laST ShelTer
18 h
R: Gerald Igor Hauzenberger, A 2015, 101 Min, OmeU
20.30 h laMpeDUSa iM WinTer
R: Jakob Brossmann, A/I/CH 2015, 93 Min, OmeU
Gran TOrinO
23 h
R: Clint Eastwood, USA 2008, 116 Min, OmdU
TICKETS AN ALLEN VIENNALE-KASSEN • INFOS UNTER WWW.VIENNALE.AT
3
Café · Bar · Events · Diskussionen
TÄGLICH VON 18 UHR BIS 4 UHR FRÜH
1010 Wien, Dominikanerbastei 11 (U1, U4 Schwedenplatz)
Freier Eintritt bei allen
Veranstaltungen und Konzerten!
VIENNALE
FESTIVALZENTRUM
Do, 22.10., ab 22 h – Eröffnungsparty
anDY fleTCher (DepeChe MODe) / DaVi Db (SalOpp!)
Zur Eröffnungsparty bittet die Viennale niemand Geringeren als Andy Fletcher an die Plattenteller. Der Keyboarder und Mitgründer von Depeche Mode ist leidenschaftlicher DJ, wenn er nicht gerade mit seinen Bandkollegen vor ausverkauften Hallen spielt. Tanzgarantie
mit Kultfaktor!
Fr, 23. 10., ab 22 h – DJ-Set
filMeMaCherinnen an Den plaTTenTellern
Für diesen Abend wurden ViennaleFilmemacherInnen eingeladen, ihre
musikalischen Inspirationen und
Lieblingssongs aufzulegen. Mit von
der Partie sind AKIZ (DER NACHTMAHR), Jiyoung Lee und Dave
Bonawits (beide FEMALE PERVERT)
und Georg Tiller (WHITE COAL).
Moderation: Norman Shetler
Sa, 24. 10., ab 20.30 h – Gespräch
kontroversiell!: SilVina lanDSMann iM GeSpräCh
MiT ManfreD nOWaK
Kaum ein Land praktiziert einen ähnlich harten Umgang
mit Asylsuchenden wie der Staat Israel. In dieser prekären Situation bemühen sich die Frauen der NGO «Hotline» um das Schicksal der in Israel Gestrandeten. In
ihrer Dokumentation HOTLINE beschreibt Silvina Landsmann den täglichen Kampf dieser Organisation. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe kontroversiell! von dok.at,
der Interessensgemeinschaft Österreichischer Dokumentarfilm, findet im Rahmen der Viennale ein Gespräch
zwischen der Regisseurin Silvina Landsmann und dem
renommierten Juristen und Menschenrechtsexperten
Manfred Nowak statt. Moderiert von Renata Schmidtkunz
In Kooperation mit
Sa, 24. 10., ab 22 h – DJ-Set
fM4 ClUb: DJ eXel. paUlY (feTTeS brOT) /
DJ pheKT (fM4) / TeaTiMe (TlM)
Vor über zehn Jahren hat DJ exel. Pauly bei den Spaß-HipHoppern Fettes Brot angeheuert –
als Live-DJ, Produzent und StudioMischer. Musikalisch ist Pauly tief
im HipHop verwurzelt, holt sich
aber Inspiration quer durch alle
Genres und gilt als Garant für
knackige Beats und fette Bässe.
In Kooperation mit
4
So, 25.10., 19 h – Gespräch
liSTen TO eriC
Der Mann weiß, wovon er spricht. 1924 als jüdischer
Sohn dieser Stadt geboren, flüchtet er 1939 mit seinen
Eltern vor der drohenden Vernichtung durch den NaziTerror in die USA. Dort wird
er im Laufe seines Lebens zu
einem der erfolgreichsten
Produzenten Hollywoods,
ausgezeichnet mit 14 Oscars.
Spät versöhnt er sich mit
seiner alten Heimatstadt,
deren Ehrenbürger er seit
2000 ist. Seit 1998 steht er der Viennale als Präsident vor.
Die inzwischen seltene Gelegenheit, Eric Pleskow zu
erleben und zu hören, bietet sich bei diesem Gespräch
im Rahmen der Viennale 2015.
So, 25. 10., 22 h – DJ-Set
CanblaSTer & SinJin haWKe (peliCan flY) /
CanYOUDiGiT
In Kooperation mit dem Club Canyoudigit stehen zwei
der derzeit angesagtesten Future-Bass-Produzenten auf
dem Programm. Canblaster ist Mitglied der französischen
Elektronik-Boyband Club Cheval und ein umtriebiger DJ.
Sinjin Hawke ist gerade in aller Munde, nachdem er
einen Track zum neuen Kanye West Album beigesteuert
hat.
Mo, 26. 10., ab 15 h – Kuchen & DJ-Set
GUerilla baKerY / DJ naY.lO
Mit ihren Pop-up-Events, bei denen ausgefallene Kuchen
unters Volk gebracht werden, hat die Guerilla Bakery
längst Kultstatus in Wien
erreicht. Unter dem
Motto «Fuck the Backmischung» machen sie
mit ihrem Kuchenbuffet
auch in der Festivalzentrale Station. Musik gibt’s
von Dj nay.lo.
Mo, 26. 10., ab 20 h – Konzert & DJ-Set
MarTin KOhlSTeDT (liVe) / breTTerbODenDiSKO
Mit seinen Alben «Tag» und «Nacht» zeigte Martin Kohlstedt eine neue Herangehensweise an zeitgenössische
Klaviermusik. Bei seinen Live-Konzerten verfremdet er
die akustischen Klänge des Klaviers mit elektronischen
Elementen und Beats und lässt so neue Klangwelten entstehen – erstmals in Wien! Danach wird mit der «Bretterbodendisko» gefeiert.
Di, 27. 10., ab 21 h – DJ-Set
filMeMaCherinnen an Den plaTTenTellern
Heute liegt der Fokus auf dem Special Program «Griechenland – Noch einmal mit Gefühl». Filmemacherin
Marina Gioti (KRIFO SCHOLIO) präsentiert einen
Mix aus Pop, Garage und Psych aus den 60er und 70er
Jahren, den sie selber als «Easy Listening for Uneasy
Listeners» beschreibt. Auch Mike Ott (LANCASTER, CA)
wagt sich an die Turntables.
Mi, 28. 10., ab 21 h – DJ-Set & Party
beirUT GrOOVe COlleCTiVe
(DJ SpinDle & naTalie S)
Das Beirut Groove Collective ist
ein Zusammenschluss von Musikliebhabern, die sich dem Deep
Funk, Northern Soul und Afrobeat
verschrieben haben. Mit ihren
legendären Partys hauchen sie
Beiruts kommerziellem Nachtleben Underground-Feeling ein,
das sie auch auf der Viennale
versprühen. Strictly Vinyl!
Do, 29.10., ab 22 h – Konzert & DJ-Set
a ThOUSanD fUeGOS (liVe) /
DJ GlOriaViKTOria / DJ SeaYOU
Indie-Rock mit Beats, Loops und spacigen Synthesizern,
so klingt der Sound von A Thousand Fuegos. Dahinter
steckt der bildende Künstler Matthias Peyker, der sein
Publikum live auf eine sphärische Klangreise entführt.
Unterstützung erhält er von den DJs Gloriaviktoria und
Seayou.
Fr, 30.10., ab 22 h – DJ-Set
DJ SMOab & ShanTiSan
Die beiden Superfly-Hosts Smoab und Shantisan sorgen
im Doppelpack für gute Stimmung. Monsieur Smoab ist
dabei für Soul, Funk und Disco verantwortlich, während
Shantisan seine Leidenschaft für brasilianische Musik
zelebriert. Shake, what your Mama gave ya!
In Kooperation mit
Sa, 31. 10., ab 22 h – DJ-Set & Party
Malefiz SpeCial iSSUe
Zusammen mit der Viennale lädt das Partykollektiv
MALEFIZ zur Halloween-Party und öffnet endlich wieder
die Bühne für alle Party-Animals und TanzoptimistInnen.
Gemeinsam taumelt man durch eine Nacht voller verquer-verspielter Pop-Elektro-Tanzmusik mit den DJs
J'aime Julien und Hertzbube.
So, 1. 11., ab 21 h – DJ-Set
hanS hUrCh aKa DJ OhanneS
Einmal musste es sein. Johannes Hurch, Langzeitdirektor
der Viennale, präsentiert am 1. November im Festivalzentrum Alle Heiligen seiner nicht existenten Musiksammlung. Ein Abend sicher nicht zum Tanzen, sondern zum
Nachdenken, zum Träumen, zum Innehalten und gar
nicht erst Hingehen.
Mo, 2. 11., ab 20 h – Konzert
JerUSaleM in MY hearT (liVe)
Der libanesisch-kanadische Act
Jerusalem In My Heart dekonstruiert traditionelle und moderne arabische Musik und kombiniert die
elektronischen Stücke mit akustischen Buzuk-Klängen.
Sein Gesang erzeugt einen oszillierenden Sound zwischen Folklore und Avantgarde. Prädikat: Sehenswert.
ERInnERUnG IST aPPETIT
Nach der saftigen Premiere 2012 und den
pikanten Fortsetzungen 2013 und 2014 kommt die
kulinarische Inszenierung auch 2015 zurück ins
Festivalzentrum. Snacks & Cocktails mit Liebe
und Frieden zubereitet von francophil – geschmacklich eindrucksvolles Kopfkino – from dusk till dawn.
www.francophil.at
Mo, 2. 11., ab 21 h – DJ-Set
TeX rUbinOWiTz / TOMaS zierhOfer-Kin
Die Viennale-Jury-Mitglieder
Tex Rubinowitz und Tomas
Zierhofer-Kin präsentieren ihre
Lieblingssongs. Schriftsteller
und Cartoonist Rubinowitz zaubert dabei Doo-Wop und selten
gehörte Kostbarkeiten aus dem
Plattenkoffer. Auch der designierte Wiener-FestwochenChef Zierhofer-Kin kramt Schätze aus seiner Musiksammlung.
Di, 3. 11., ab 20 h – Konzert & DJ-Set
SQUallOSCOpe (liVe) /
DeUX GiTaneS
Die in Wien lebende Songwriterin und Geschichtenerzählerin
Anna Kohlweis verbindet in
ihrer Musik Spoken Word mit
mehrstimmigen Chören, Beats
und akustischen Samples. Live
sorgt sie mit ihrem vielschichtigen Sound und ihrer Bühnenpräsenz für Gänsehaut. Im Anschluss: Deux Gitanes.
In Kooperation mit
Mi, 4. 11., ab 21 h – DJ-Set
TerrOr + MarTina VS Die pOSiTiVe KanOne
Terror + Martina ist ein Female-DJ-Collective, das nach
10 Jahren passiver Cluberfahrung selbst ans DJ-Pult
wollte. Und das nicht nur, weil elektronische Musik für
beide mehr ist als nur ein Hobby, sondern auch, um ganz
pragmatisch den Anteil weiblicher Techno-DJs zu steigern. Mit an Bord: die Jungs von der Positiven Kanone.
Do, 5. 11., ab 22 h – abschlussparty
banDe À parT / aMbliO / bOleK / JbOOnY / MaTiJae
Die nach dem 1964 veröffentlichten Film von Jean-Luc
Godard benannte Clubreihe Bande À Part bespielt zum
Abschluss der diesjährigen Viennale mit House, Disco
und Bass Music die Festivalzentrale und sorgt so für
ein Happy End!
DER STanDaRD SCHEnKT HaPPY HOURS MIT
Vöslauer Balance Juicy
Während des Festivals erhalten Sie zwischen
18 und 21 Uhr gegen Abgabe einer Viennale-Snipcard
eine Flasche Vöslauer Balance Juicy im
Viennale-Festivalzentrum.
Solange der Vorrat reicht.
5
Spielfilme
88:88
Kanada 2015, 65 Min, OF
R: Isiah Medina, D: Erik J. Berg, Eliza Bronte,
Avery Medvin, Myles Taylor
Der Debütfilm des Kanadiers Isiah
Medina ist ein freier, assoziativer
Strom von Bildern und Tönen, Fragmenten des Lebens einer Gruppe Jugendlicher in Winnipeg, Fetzen von
Geschichten, Erfahrungen, Ideen.
Angetrieben von Musik, Exkursen
der neueren französischen Philosophie und dazwischen mystisch anmutenden Naturaufnahmen, vermischt mit rohen Bildern der Skyline
und der verschneiten Canyons der
Straßen von Downtown Winnipeg.
88:88 klingt wie ein Deleuze-Text
als Rap-Song oder sieht aus wie ein
Godard-Film auf Speed durchs Internet gejagt.
23.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
25.10., 18.30 h, Urania
A MOST VIOLENT YEAR
USA/VAE 2014, 125 Min, OmdU
R: J.C. Chandor, D: Oscar Isaac, Jessica
Chastain, David Oyelowo, Elyes Gabel
New York, 1981: Abel Morales’ Heizölfirma wird von der Konkurrenz mit
mafiösen Methoden in die Zange
genommen. Bald schon kämpft
Morales nicht nur um das Überleben
seines Betriebes, sondern auch um
die Wahrung seiner Integrität. Ein
Wirtschaftskrimi, der zeigt, wie eine
korrupte Struktur sich immer tiefer
hineinfrisst in eine Gesellschaft, die
in der Grauzone die Finsternis nicht
erkennt. «I’m sorry!», sagen alle
in diesem Film ziemlich oft – und
offenbaren mit diesem Ausdruck der
Ohnmacht auch ihr Unvermögen,
einem System entgegenzutreten,
das Kapitalismus, Korruption und
Kriminalität in eins schweißt.
23.10., 11 h, Gartenbaukino
27.10., 6.30 h, Gartenbaukino
28.10., 20.30 h, Gartenbaukino
A PERCEPTION
D 2015, 74 Min, OmeU
R: Daniel Pfander, D: Hermes Phettberg,
Rainer Meifert, Hanni Bergesch,
Henning Gronkowski
99 HOMES
USA 2014, 112 Min, OF
R: Ramin Bahrani, D: Andrew Garfield,
Michael Shannon, Laura Dern, Noah Lomax
Zwangsräumungen sind Rick Carvers
Geschäft. Am Höhepunkt der USamerikanischen Immobilienkrise
2010 hat er alle Hände voll zu tun,
derart viele Familien können die
Hypotheken auf ihre Häuser nicht
mehr bedienen und verlieren das
Dach über dem Kopf. So auch Dennis
Nash, arbeitsloser Bauarbeiter, der,
nachdem Carver ihn vor die Tür
gesetzt hat, beginnt, für diesen zu
arbeiten. Was bleibt ihm anderes
übrig? Einmal mehr untersucht
Bahrani jene Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft, die zur Ausgrenzung und Marginalisierung ihrer
Mitglieder führen. Dabei ist der sozialrealistische Ansatz früherer Filme
zwar «gemildert» durch die narrativen Strategien des Genrefilms, doch
ein zorniges moralisches Lehrstück
ist 99 HOMES nichtsdestotrotz.
2.11., 20.30 h, Gartenbaukino
3.11., 6.30 h, Gartenbaukino
5.11., 11 h, Gartenbaukino
6
A UMA HORA INCERTA
(AT AN UNCERTAIN TIME)
P 2015, 77 Min, OmeU
R: Carlos Saboga, D: Joana de Verona,
Grégoire Leprince-Ringuet, Ana Padrão,
Paolo Pires
Portugal, 1942, unter der Diktatur
Salazars. Während halb Europa unter
der Gewalt des Naziterrors steht, dennoch ein Zufluchtshafen für Vertriebene. Boris und Laura, Geschwister,
Franzosen, in Portugal untergetaucht,
werden von der Geheimpolizei aufgegriffen. Ihr ungewisses Schicksal erfährt eine Wendung, als sich ein hoher
Polizeioffizier in die junge Frau verliebt und die beiden in seinem Haus
versteckt. Ein geradezu klassischer,
historischer Film; aber unter der erzählerischen Oberfläche glüht ein
melodramatisches Feuer aus Gefahr
und unbeherrschbarer Leidenschaft.
There is a secret beyond the door.
In Anwesenheit von Carlos Saboga.
29.10., 20.30 h, Urania
30.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
ABLUKA (FRENZY)
Dieser Film funktioniert am besten,
wenn man die öffentliche Figur
Hermes Phettberg mit all ihren
Wahnwitzigkeiten als Hintergrundrauschen mitlaufen lässt. Es gibt
zwar eine Handlung: Ein verschuldeter, behinderter Adeliger auf einem
heruntergekommenen Anwesen will
sich seines Totalversagersohns entledigen, um seine Erblinie auszulöschen. Doch im wesentlichen ist
A PERCEPTION eine Trash-Plattform
für Phettbergs Selbstdarstellungsmanierismen, die auch im Zustand
körperlicher Beeinträchtigung noch
funktionieren und eine Art glossolalischen Phettberg-Rap hervorbringen. «Wir genießen die Show», sagt
er. «Ach Gott, ach Gott!»
In Anwesenheit von Daniel Pfander.
26.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
27.10., 20.30 h, Urania
TR/F/Qatar 2015, 117 Min, OmeU
R: Emin Alper, D: Mehmet Özgür, Berkay Ates,
Tülin Özen, Müfit Kayacan
Nach 20 Jahren kommt Kadir aus
dem Gefängnis frei, sein jüngerer
Bruder Ahmet erkennt ihn zunächst
nicht. Beide leben in einem heruntergekommenen Viertel am Rande
eines Istanbul, das in den Fängen
von Terror und staatlicher Gegengewalt gefangen scheint. Kadir schnüffelt im Auftrag des Staates im Müll
der Nachbarschaft nach Materialien
zum Bombenbau, Ahmet erschießt
im Auftrag der Stadt streunende
Hunde. Symbolhaft aufgeladen entfaltet Alper seine Geschichte über
Angst und Paranoia, die den Verlust
der Bodenhaftung, von dem sie
erzählt, formal mitvollzieht. Misstrauen ist ein Mittel der Manipulation und sichert Herrschaft.
1.11., 18 h, Gartenbaukino
3.11., 15.30 h, Urania
MA DAR BEHESHT
EL ABRAZO DE LA SERPIENTE
(DER KUSS DER SCHLANGE)
Kolumbien/Venezuela/Argentinien 2015,
125 Min, OmdU
R: Ciro Guerra, D: Nilbio Torres, Jan Bijvoet,
Antonio Bolivar, Brionne Davis
Ein Fluss, eine Heilpflanze, eine
Reise. Die Umarmung des Abenteuers, des Mysteriums, der Schlange. In schwarzweißen Bildern, die
mal an Miguel Gomes’ TABU, mal an
Coppolas APOCALYPSE NOW erinnern, beginnt der Dschungel zu
pulsieren, lebendig zu werden. Der
Kolumbier Ciro Guerra erzählt von
zwei Odysseen zweier Forscher aus
zwei Epochen, stellt ihnen denselben
einsamen Schamanenführer zur
Seite und zeigt, in welcher Hinsicht
indigene Stämme ihren westlichen
Eroberern überlegen sind. Eine Reise
in das Herz der Finsternis des Kolonialismus.
30.10., 21 h, Urania
31.10., 15.30 h, Urania
AMERICA AMERICA
USA 1963, 168 Min, OF
R: Elia Kazan, D: Stathis Giallelis,
Frank Wolff, Harry Davis, Elena Karam
«My name is Elia Kazan. I am a
Greek by blood, a Turk by birth and I
am an American because my uncle
made a journey.» So leitet Elia Kazan
im Off sein autobiografisches Epos
ein. Es ist eine schwere Entscheidung; sie bringt den Griechen Stavros
1896 dazu, aus seiner anatolischen
Heimat zu fliehen. Doch der gefährliche Weg zum Sehnsuchtsort Amerika
kostet einen hohen Preis. Schnell
wird klar, der als nationales Kulturgut betrachtete «American Dream»
ist ohne Immigration nicht denkbar.
Kazans Film beweist einmal mehr,
dass Hollywood selbst eine ihrer
größten Erfolgsgeschichten ist.
26.10., 14.30 h, Gartenbaukino
AN
Japan/F/D 2015, 113 Min, OmdU
R: Kawase Naomi, D: Kirin Kiki, Miyoko
Asada, Etsuko Ichihara, Miki Mizuno
Eine gastrosophische Meditation
über Abgründe, Möglichkeiten und
Grenzen der menschlichen Existenz.
Schauplatz ist ein kleines Restaurant
in Tokyo, in dem der von Dämonen
aller Art heimgesuchte Sentaro mit
eingelegten roten Bohnen gefüllte
Küchlein anbietet. Als ihn Tokue,
eine alte Dame mit verunstalteten
Händen, mit der von ihr hergestellten An, der titelgebenden Bohnenmasse, bezaubert, stellt er sie als
Köchin an. In einem kulinarisch inszenierten poetischen Ritual fließt
die ganze Harmonie des Universums
in ihrem Topf zusammen.
26.10., 20.30 h, Urania
ANOMALISA
USA 2015, 90 Min, OF
R: Charlie Kaufman, Duke Johnson,
Stimmen: Jennifer Jason Leigh,
David Thewlis, Tom Noonan
ANDERSWO (ANYWHERE ELSE)
D/Israel 2014, 87 Min, OmdU/OmeU
R: Ester Amrami, D: Neta Riskin, Golo Euler,
Hana Laslo, Hana Rieber
Der in Berlin studierenden Israelin
Noa fällt die Decke auf den Kopf: Ihr
deutscher Freund geht auf Konzerttournee und ihr Antrag auf ein Stipendium für eine Arbeit über unübersetzbare Wörter wird abgelehnt.
Noa besucht ihre Familie in Israel.
Doch statt sich aufzulösen, wachsen
ihre Probleme dort exponenziell: lost
in translation. ANDERSWO spielt in
ziemlich straighter Plotentwicklung
bilingual auf der Klaviatur von Heimat und Fremde und bezieht implizit auch das komplizierte Verhältnis
von Israel und Deutschland mit ein.
«Man kann nichts übersetzen», heißt
es einmal, «nicht Haus, nicht Eltern,
nicht Liebe.»
In Anwesenheit von Ester Amrami.
23.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
(OmdU)
25.10., 13 h, Urania (OmeU)
Charlie Kaufmans erste Animationsarbeit. Die Geschichte eines Motivationstrainers, der an der Kälte und
Einsamkeit des Lebens beinahe
zugrunde geht und der, trotz Begegnungen mit zahlreichen Frauen,
immer tiefer in seiner privaten Hölle
versinkt, hat nichts mit DisneyNettigkeiten zu tun, sondern setzt
Stop-Motion wie ein distanzierendes
Element ein, das der Entfremdung
eine zwingende und gleichzeitig
beklemmende Form verleiht. «Was
macht das Wesen des Menschlichen
aus?», heißt es einmal. «Ist es der
Schmerz?»
5.11., 19.30 h, Gartenbaukino
(Abschlussgala)
5.11., 23 h, Gartenbaukino
EL APÓSTATA
prOpOSiTiOnS
(THE APOSTATE)
E/F/Uruguay 2015, 80 Min, OmeU
R: Federico Veiroj, D: Alvaro Ogalla, Bárbara
Lennie, Marta Larralde, Jaime Chávarri
Will man in Spanien aus der Kirche
austreten, so gibt es dafür einen fast
wörtlichen symbolischen Akt. Der
Gläubige entfernt sich rückwärtsgehend mit dem Blick auf den Altar
aus der Kirche. Und sozusagen aus
seinem alten Leben. Wie man dabei
gefährlich ins Stolpern geraten kann,
hin- und hergerissen zwischen Altem
und Neuem, zwischen Familie und
Staat und den eigenen verqueren Ge7
Spielfilme
fühlen und Ängsten, ist nur die halbe
Geschichte von EL APÓSTATA. Der
Rest ist außerordentliche Komik, subtile Verzweiflung und höchst intelligente Unterhaltung. Eine der Entdeckungen der diesjährigen Viennale.
(Siehe auch S. 46: In Focus Federico Veiroj)
In Anwesenheit von Federico Veiroj.
24.10., 15.30 h, Gartenbaukino
25.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
AS MIL E UMA NOITES – VOLUME 1, 2, 3
O INQUIETO/O DESOLADO/O ENCANTADO
(1001 NACHT – TEIL 1, 2, 3. DER RUHE LOSE/
DER VERZWEIFELTE/DER ENTZÜCKTE)
P/F/D/CH/2015, 125/131/125 Min, OmdU
R: Miguel Gomes, D: Crista Alfaiate,
Adriano Luz, Américo Silva, Rogério Samora
Ein Film, drei Filme, O INQUIETO, O
DESOLADO, O ENCANTADO, eine
moderne Scheherazade in der Gegenwart der europäischen Sparpolitik. Nach seinem Dokufiction-Hybrid
OUR BELOVED MONTH OF AUGUST
und dem tönenden Stummfilmmelo
TABU übersetzt Gomes gemeinsam
mit einem Team von Journalisten,
spontaneistischen Drehbuchautoren
und Akteuren «1001 Nacht» ins portugiesische Heute. Doku-Splitter,
nachgespielte Wirklichkeit, groteskeste Polit-Erotomanien und Bagdads Jungfrauen im Speedboat, auf
der Flucht mit 250 PS.
In Anwesenheit von Joana de Verona
(Schauspielerin).
VOLUME 1, O INQUIETO:
29.10., 15 h, Gartenbaukino
1.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
VOLUME 2, O DESOLADO:
30.10., 15 h, Gartenbaukino
1.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
VOLUME 3: O ENCANTADO:
31.10., 15 h, Gartenbaukino
1.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
L ’ASTRAGALE (ASTRAGAL)
F 2014, 97 Min, OmeU
R: Brigitte Sy, D: Leïla Bekhti, Reda Kateb,
Esther Garrel, Jocelyne Desverchère
L’ASTRAGALE entwirft mit seiner stilisierten Schwarzweiß-Ästhetik eine
zeitgenössische Formulierung der
Nouvelle Vague: Die 19-jährige algerischstämmige Albertine flieht aus
8
dem Gefängnis und versucht mit
Hilfe von Julien, der ebenfalls eine
kriminelle Vergangenheit hat, in
Paris ein neues Leben zu finden –
doch schnell geht es nur noch ums
Überleben. Im Rauch von Zigaretten
ersteht ein Filmkunstwerk, bei dem
die kinematografische Intelligenz
des frühen Godard genauso mitschwingt wie die existenzielle Dringlichkeit von Robert Bresson.
In Anwesenheit von Brigitte Sy.
4.11., 15.30 h, Gartenbaukino
5.11., 13 h, Urania
BELLA E PERDUTA (LOST AND BEAUTIFUL)
I 2015, 87 Min, OmeU
R: Pietro Marcello, D: Sergio Vitolo, Elio Germano, Claudio Casadio, Tommaso Cestrone
Den Toten zuzuhören, um zu den Lebenden zu sprechen, gehört zu den
ernsteren Aufgaben des Pulcinells in
der Theatertradition des italienischen Südens. Nach dem Tod des
Hirten Tommaso, in Personalunion
Kastellan des von der Camorra verwüsteten Bourbonenschlosses Carditello, macht sich der langnasige Pulcinella mit dem verwaisten Büffelkalb Sarchiapone auf den Weg durch
ein Land der rauchenden Müllberge,
in dem nur die Hirten noch bei klarem Verstand sind. Der beredte kleine Büffel weiß, was ihm blüht, solange Pulcinella nicht bereit ist, mit seiner Narrenmaske auch seine sozialen Abhängigkeiten abzulegen.
In Anwesenheit von Pietro Marcello.
2.11., 13 h, Urania
4.11., 13 h, Gartenbaukino
BEN ZAKEN
Israel 2014, 92 Min, OmeU
R: Efrat Corem, D: Rom Shoshan, Eliraz Sade,
Chani Elemlch, Batel Mashian
Der Enge der Sozialwohnung, die
sich der meist arbeitslose Schlomi
mit seiner Mutter, dem religiösen
Bruder und seiner 10-jährigen, impulsiv-renitenten Tochter Ruhi im
israelischen Ashkelon teilt, setzt der
kettenrauchende Alleinerzieher sein
episches Schlafbedürfnis entgegen.
Er ergibt sich der umgebenden Tristesse und droht an seiner Vaterrolle
zu scheitern. In die naheliegende
Falle des miserabilistischen Milieurealismus tappt dieses Kinodebüt
nicht – die tableauhaften Ansichten
werden von fein austarierten Aufund Abgängen rhythmisiert, die
exzellente Laienbesetzung könnten
auch die Brüder Dardenne nicht
besser zusammenstellen.
In Anwesenheit von Efrat Corem.
30.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
1.11., 13 h, Urania
BOI NEON
Brasilien/Uruguay/NL 2015, 101 Min, OmeU
R: Gabriel Mascaro, D: Juliano Cazarré,
Maeve Jinkings, Josinaldo Alves,
Abigail Pereira
Im ländlichen Brasilien hat die «vaquejada» Tradition – eine Art Rodeo,
bei dem Cowboys versuchen, einen
wilden Stier am Schwanz zu packen
und zu Boden zu bringen. In dieser
Welt spielt die Geschichte der ungewöhnlichen Beziehung zwischen
dem jungen Cowboy Iremar, der sich
nicht schämt, auch verspielte Damenmode zu entwerfen, und seiner
Arbeitskollegin Galega, die alle
Hände voll damit zu tun hat, ihre
halbwüchsige Tochter alleine zu erziehen. Halbdokumentarisch und in
wunderbarem Cinemascope ist dies
eine der großen, auch erotischsten
Überraschungen dieses Kinojahres.
3.11., 13.30 h, Gartenbaukino
4.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
BRANDY IN THE WILDERNESS
USA 1969, 69 Min, OF
R: Stanton Kaye, D: Stanton Kaye,
Brandon French, Allan McCollum
Ein Film von und mit einem jungen
Mann, der sein Leben mit Filmemachen erfüllen will. Ein Film von und
mit einer jungen Frau über ihre persönliche Beziehung zu dem Mann.
Sohin ein «Alter-Ego»-Pärchen in
seinem 16mm-Diary, amalgamiert
aus Meta-Dokument, Cinéma Vérité
und Reenactment. Als Paul Schrader
noch Kritiker war, schrieb er nach
dem zweiten Blick auf BRANDY IN
THE WILDERNESS: «… it was still
growing; it had qualities I had never
appreciated before. It is always
painful for a critic to realize that
that flash in the pan he saw several
years ago was gold.»
In Anwesenheit von Stanton Kaye.
2.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
4.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
CARMÍN TROPICAL
Mexiko 2014, 80 Min, OmeU
R: Rigoberto Pérezcano, D: Luis Alberti, Juan
Carlos Medellín, José Pescina, Marco Pétriz
Ein bittersüßer Krimi mit einer starken Protagonistin: Mabel ist schön,
sensibel, melancholisch und transgender. Aber da «Muxe» für die indigene Bevölkerung im Süden Mexikos
ein weitgehend akzeptiertes drittes
Geschlecht sind, spielt das weiter
keine Rolle. Mabel verließ ihre Heimat
einst überstürzt für die Liebe. Nun
wurde ihre Freundin hier unter ungeklärten Umständen ermordet, und
Mabel kehrt zurück – desillusioniert
und mit einem Koffer voller Erinnerungen. Auf der Suche nach einer
heißen Spur des Verbrechers findet
Mabel unverhofft neue Hoffnung.
4.11., 18 h, Urania
CAROL
GB/USA 2015, 118 Min, OmdU
R: Todd Haynes, D: Cate Blanchett, Rooney
Mara, Kyle Chandler, Sarah Paulson
Eine große Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen über Klassenund Geschlechterrollen hinweg.
Patricia Highsmith veröffentlichte
ihren visionären Roman 1952 noch
unter Pseudonym. Highsmith und
Todd Haynes, ein match made in
heaven. Haynes gelingt mit den
Zutaten des Period piece ein atemberaubend modernes Melodram – nur
scheinbar ein Widerspruch. Inszenierung und Schauspiel changieren
mit schönen Oberflächen, die ebenso
viel freilegen, wie sie verdecken. Und
wer sich nicht schon vorher in Cate
Blanchett verliebt hat, dem/der ist
sowieso nicht zu helfen.
22.10., 19.30 h, Gartenbaukino
(Eröffnungsgala)
22.10., 23.30 h, Gartenbaukino
24.10., 10.30 h, Gartenbaukino
CHANT D’HIVER (WINTER SONG)
F/Georgien 2015, 117 Min, OmeU
R: Otar Iosseliani, D: Rufus, Amiran
Amiranashvili, Pierre Etaix, Mathias Jung
Die Kritiken nannten CHANT D’HIVER
ein «Alterswerk» und seinen Regisseur «veteran filmmaker». In Wahrheit lässt Iosseliani so manchen jüngeren Kollegen ziemlich alt aussehen,
so frisch und komisch und überbordend ist die Erzählung. Dabei gibt es
hier gar keine Geschichte, sondern
unendlich viele. Alles hängt mit
allem zusammen, nichts ist beliebig.
Die Französische Revolution und die
aktuelle Räumung von Flüchtlingslagern, neureiche Russen und verarmte Adelige, die Tochter des Polizeichefs und die kleine Gangsterin. Und
in seinen schönsten Momenten wird
der Film zur reinen, anarchischen,
freien Bewegung.
aber taucht unverhofft eine mysteriöse Frau bei ihm auf. Und bald tut
Noel das Unerhörte: Er öffnet alle
verbleibenden Fenster des Adventkalenders auf einmal. Um zu wissen,
warum das von großer Bedeutung
ist, muss man sich diesen stillen
New Yorker Indie-Film ansehen.
27.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
1.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
COMOARA (THE TREASURE)
RO/F 2015, 89 Min, OmeU
R: Corneliu Porumboiu, D: Cuzin Toma,
Adrian Purcarescu, Corneliu Cozmei,
Cristina Toma
27.10., 13 h, Gartenbaukino
30.10., 13 h, Urania
CHEVALIER
GR 2015, 105 Min, OmdU
R: Athina Rachel Tsangari, D: Giannis
Drakopoulos, Kostas Filippoglou, Yiorgos
Kendros, Panos Koronis
Sechs Männer und ein Boot. Der
bunten Urlaubertruppe auf der
Luxusyacht fällt zum Zeitvertreib ein
lustiges Spiel ein, bei dem der «Beste
im Allgemeinen» gekürt werden soll.
Die Männer messen sich daher in
allem Möglichen, dem Naheliegenden wie dem Absurden. Lustig wird
bald blutig, denn am Ende kann es
nur einen geben. Da das durchaus
auch an Model-Casting-Shows erinnert, würde nur ein Schelm in Tsangaris neuester Versuchsanordnung
bloß eine böse Satire auf männliches
Konkurrenzdenken sehen. Jedenfalls
aber ein schwarzhumoriges Gesellschaftsspiel mit mindestens dreifachem Boden.
3.11., 15.30 h, Gartenbaukino
4.11., 23 h, Urania
CHRISTMAS, AGAIN
USA 2014, 80 Min, OF
R: Charles Poekel, D: Kentucker Audley,
Hannah Gross, Andrea Suarez Paz,
Jason Shelton
Dass der lethargische Weihnachtsbaum-Verkäufer Noel heißt, ist sicher nur Zufall. Sein Verkaufsstand
ist für die bunte Schar an New Yorker
Locals ein Ort der Vorfreude, doch er
hat Liebeskummer. Nur der Adventkalender hält jeden Abend einen
kleinen Trost bereit. Eines Abends
Von seinem mittellosen Nachbarn
zur Schatzsuche überredet, leiht
Costi einen Metalldetektor, und gemeinsam mit einem Bekannten graben sie den Garten des Großvaters
um. Und finden schließlich die legendäre Schatzkiste. Die aber leider
leer ist. Allerdings nicht ganz, denn
sie hat einen doppelten Boden. Wie
im Übrigen alle Geschichten von Porumboiu, die so ernst sind wie abgründig. Ein wenig Gier, ein wenig
Verzweiflung und am Ende ein bisschen Glück. Keiner vermag den Zustand seines Landes, vielleicht der
Verfasstheit Europas insgesamt, besser zu beschreiben als Porumboiu.
In Anwesenheit von Corneliu Porumboiu.
24.10., 18 h, Gartenbaukino
25.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
DE CE EU? (WHY ME?)
RO/BG/HU 2014, 130 Min, OmeU
R: Tudor Giurgiu, D: Emilian Oprea, Mihai
Constantin, Andreea Vasile, Dan Condurache
Er glaubt an die Veränderbarkeit des
Systems, doch er hat sich verrechnet.
Bald nachdem Staatsanwalt Cristian
mit der Untersuchung eines Korruptionsfalles auf hoher politischer
Ebene betraut wird, beschleicht ihn
der Verdacht, er könne als Bauernopfer in einer umfassenderen Charade
gedacht sein. Giurgiu schickt seinen
Helden, dessen beeindruckende Körperlichkeit von Emilian Oprea einer
zunehmenden Verkrampfung unterworfen wird, in das sprichwörtliche
kafkaeske Labyrinth aus semi-ver9
Spielfilme
staubten Amtsstuben, undurchsichtigen Funktionären und sinistren
Machenschaften – und beobachtet
sein Verlorengehen. Beruhend auf
Tatsachen.
4.11., 15.30 h, Urania
5.11., 21 h, Metro, Historischer Saal
Tochter des Patrons im gepunkteten
Sommerrock lässt sich nicht beirren,
ihre Wahl steht schon vor dem finalen Showdown fest. Vas-y, Rémi un.
In Anwesenheit von Pierre Léon.
30.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
31.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
THE DEFIANT ONES
THE DEVIL’S CANDY
USA 1958, 96 Min, OF
R: Stanley Kramer, D: Sidney Poitier, Tony
Curtis, Theodore Bikel, Charles McGraw
Die Geschichte eines Afroamerikaners und eines Weißen, die in Ketten
aneinandergefesselt aus einem Gefangenentransport fliehen und ihre
Vorurteile überwinden müssen, um
nicht wieder gefasst zu werden. Der
antirassistische Film war ein Message Board für die liberalen Ansichten Kramers und errang neun OscarNominierungen. Darunter auch eine
für den besten Nebendarsteller, den
aus Wien emigrierten jüdischen Sänger und Schauspieler Theodore
Bikel, an den die Viennale mit der
Dokumentation THEODORE BIKEL …
(siehe S. 29) erinnert.
27.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
DEUX RÉMI, DEUX (TWO REMIS, TWO)
F 2015, 66 Min, OmeU
R: Pierre Léon, D: Serge Bozon, Pascal Cervo,
Luna Picoli-Truffaut, Bernard Eisenschitz
Dostojewski light, eine kindliche Komödie für neoliberal gestresste Erwerbstätige in einem Retro-Paris mit
Kammer unterm Dach? Nur auf den
ersten Blick, denn ganz so leicht
macht es sich diese identitätsphilosophisch verspielte Doppelgängerburleske dann doch nicht. Das eigene
Double, im Büro- und Sozialleben weit
aggressiver und durchtriebener als
man selbst – das ist alles andere als
gestrig. Doch die umschwärmte kluge
10
USA 2015, 90 Min, OF
R: Sean Byrne, D: Ethan Embry, Shiri
Appleby, Kiara Glasco, Pruitt Taylor Vince
Die Ausgangslage ist das perfekte
filmische Klischee. Eine junge, glückliche Familie – Vater, Mutter, halbwüchsige Tochter – bezieht ein wunderschönes Haus am Land, das ein
altes schreckliches Geheimnis hütet.
Eines Nachts steht ein Fremder vor
der Tür, der dahin zurückkehren will,
wo vor langer Zeit seine Eltern gestorben sind. Und mit dem Eindringling kommt ein grausiger Terror.
Ganz ohne Blut- und Beuschelorgien
schafft Byrne einen hypnotischen
Horrorfilm, dessen bedrohliche
Atmosphäre sich unausweichlich
steigert – bis zum furiosen Ende.
30.10., 23 h, Gartenbaukino
31.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
DHEEPAN
F 2015, 100 Min, OmdU
R: Jacques Audiard, D: Jesuthasan
Antonythasan, Kalieaswari Srinivasan,
Claudine Vinasithamby, Vincent Rottiers
Stilbewusst und spannend erzählt
Audiard eine scharf beobachtete Immigrationsgeschichte, kraftvoll getragen von charismatischen Darstellern. Drei völlig Fremde geben sich
auf der Flucht aus Sri Lanka als Familie aus. Der Plan funktioniert: In
Paris wird der falschen Familie eine
richtige Wohnung in den Banlieus
zugeteilt, «Vater» Dheepan wird
Hausmeister. Aber ob das Jobangebot eines lokalen Bandenkönigs das
Richtige für «Mutter» Yalini ist? Das
Leben in den Banlieus fühlt sich zunehmend fast ebenso falsch an wie
in der kriegsversehrten Heimat.
29.10., 17.30 h, Gartenbaukino
31.10., 11 h, Gartenbaukino
THE DIARY OF A TEENAGE GIRL
USA 2014, 102 Min, OF
R: Marielle Heller, D: Bel Powley, Alexander
Skarsgård, Christopher Meloni, Kristen Wiig
Minnie hat das Pech oder Glück, ihr
sexuelles Erwachen als Teenager im
San Francisco der siebziger Jahre zu
erleben, irgendwo zwischen Hippie
und Punk, noch dazu in einer ziemlich desolaten Familie. Als Erwecker
hat sie den öden Freund ihrer Mutter
erwählt, was dazu führt, dass sie
bald die oberflächliche Welt der
Erwachsenen durchschaut und sich
fortan auf ihre eigenen Erfahrungen
und Sehnsüchte konzentriert. Eine
Coming-of-Age-Story, tagebuchartig
voll komödiantischer Details und genauer Beobachtungen, verwirrt und
hoffnungsvoll und ein wenig tragisch.
27.10., 23 h, Urania
3.11., 20.30 h, Gartenbaukino
DOPE
USA 2014, 103 Min, OF
R: Rick Famuyiwa, D: Shameik Moore,
Kiersey Clemons, Tony Revolori,
Blake Anderson
Dieser Coming-of-Age-Film erzählt,
vorangepeitscht von einem dominanten Hip-Hop-Soundtrack, die
Geschichte des begabten und zielbewussten afroamerikanischen Teenagers Malcolm, der in einem harten
Viertel in Inglewood, Kalifornien,
lebt. Einmal nimmt er die falsche Abzweigung und gerät in ein Paralleluniversum, bevölkert von Dealern,
Drogenfreaks und anderen schrägen
Charakteren. DOPE erzählt auf
durchaus komödiantische Weise, wie
Malcolm wieder auf die Hauptstraße
zurückfindet. «I don’t wanna go to
jail», sagt er, «I wanna go to college.»
2.11., 23 h, Gartenbaukino
4.11., 11 h, Gartenbaukino
EINER VON UNS (ONE OF US)
A 2015, 86 Min, OmeU
R: Stephan Richter, D: Dominic Marcus
Singer, Jack Hofer, Andreas Lust, Markus
Schleinzer
Sommer 2009: Beim Einbruch in
einen Supermarkt bei Krems wurde
ein 14-Jähriger von der Polizei überrascht und beim Versuch davonzulaufen erschossen. EINER VON UNS
schildert die Umstände des tragischen Geschehens, eingebettet in
eine realistische und genaue Schilderung des Milieus, der Öde und Langeweile der Kleinstadt, Herumtreiberei,
coole Freundschaften und kleine Er-
niedrigungen, Eigensinn. Richters
unaufgeregte, präzise, dichte Erzählung ist im heimischen Kino eine
kleine Sensation. Möge das Geifern
des Boulevards zum Erfolg dieses
besonderen Films beitragen.
In Anwesenheit von Stephan Richter,
Arash T. Riahi (Produzent) und Mitgliedern
des Teams.
31.10., 18 h, Gartenbaukino
3.11., 13 h, Urania
THE END OF THE TOUR
USA 2014, 106 Min, OF
R: James Ponsoldt, D: Anna Chlumsky, Jesse
Eisenberg, Jason Segel, Joan Cusack
1996 hatte der «Rolling Stone»-Journalist David Lipsky den weltberühmten Autor David Foster Wallace besucht, um mit ihm ein Interview zu
führen. Es wurde ein fünftägiges Gespräch, eine Zeit der Spaziergänge,
der Treffen mit Freunden, des intensiven Austauschs. Lipskys Aufnahmen, erst nach dem Selbstmord des
Autors 2008 wieder hervorgeholt,
bilden nun die Grundlage dieses
Films, einer fiktiven Erinnerung und
einer intensiven Verlebendigung
durch zwei wunderbare Schauspieler: Jesse Eisenberg als Lipsky und
Jason Segel als David Foster Wallace.
As good as it gets.
1.11., 13 h, Gartenbaukino
3.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
ENTERTAINMENT
USA 2014, 104 Min, OF
R: Rick Alverson, D: Gregg Turkington,
John C. Reilly, Amy Seimetz, Tye Sheridan
Alversons neueste Versuchsanordnung zum Thema feindselige Komik
bzw. komische Feindseligkeit dringt
tief ein in die Wüsten des menschlichen Makels: Ein alternder Stand-upEntertainer, der in vergammelten
Bars in der kalifornischen Wüste von
einem hoffnungslosen Engagement
zum nächsten torkelt, verstrickt sich
immer tiefer in seinen persönlichen
existenziellen Alptraum. Bis es
heißt: Rien ne va plus. Eine dunkle,
bizarre Odyssee durch ein seelenloses Amerika mit dem vielleicht unlustigsten Komödianten der Welt als
Führer in die Abgründe des Seins.
Ein Kritiker befand: «Das Porträt
jener erbärmlichen Charade, die wir
Leben nennen.»
24.10., 20.30 h, Urania
25.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
EXPERIMENTER
prOpOSiTiOnS
USA 2015, 97 Min, OF
R: Michael Almereyda, D: Peter Sarsgaard,
Winona Ryder, Dennis Haysbert, Jim Gaffigan
Ein Biopic über den Sozialpsychologen Stanley Milgram, der in den
1960er Jahren mit seinem berühmtberüchtigten Milgram-Experiment
zu beweisen versuchte, dass der
Mensch zu beinahe unbegrenzter
Grausamkeit wie auch zu völliger
Unterwerfung fähig ist. Almereyda
geht die Sache nicht linear und traditionell an, sondern setzt allerlei erzählerische Brüche und Brecht’sche
Verfremdungseffekte wie etwa das
Aufbrechen der vierten Wand ein. So
gelingt ihm ein multifacettiertes
Drama über die Banalität des Bösen
mit Peter Sarsgaard als faszinierendem Darsteller des dämonischen
Doktor Seltsam.
im Privaten geschehen. Nicht so bei
Phoebe, die permanent die Grenzen
überschreitet, die über Achselschweiß redet und nach Brusthaaren
fragt und schon mal einen potenziellen Liebhaber bittet, erstmal die Eier
rauszuholen. Dabei ist sie eben
genau nicht pervers, sondern einfach nur unverblümt und übergriffig.
FEMALE PERVERT sucht nach den
Verkrampfungen, die die US-amerikanische Gesellschaft prägen, und
findet linkisch penetrante Leute und
Dampfplauderer in seltsamen Situationen. Alles ganz normal eigentlich.
In Anwesenheit von Lee Jiyoung und
Dave Bonawits (Schnitt).
23.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
24.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
LA FIÈVRE
prOpOSiTiOnS
(A SPELL OF FEVER)
F/Marokko 2014, 42 Min, OmeU
R: Safia Benhaim
2.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
3.11., 18 h, Gartenbaukino
FATIMA
F/Kanada 2015, 79 Min, OmeU
R: Philippe Faucon, D: Soria Zeroual, Zita
Hanrot, Kenza Noah Aïche, Chawki Amari
Fatima ist algerische Migrantin. Obwohl sie schon lange in Frankreich
lebt, arbeitet sie als Putzfrau, weil sie
die fremde Sprache kaum beherrscht. Ihr ganzer Stolz sind die
beiden Töchter, die sie alleine durchbringt. Die eine studiert Medizin, die
andere geht noch zur Schule. In Stolz
und Freude mischen sich aber auch
Scham und Schande, weil sich die
Kinder so weit von ihrer alten Kultur
und Religion entfernt haben. Vom
Bruch innerhalb vieler migrantischer
Familien zwischen der ersten und
der zweiten Generation erzählt
FATIMA genau, verständnisvoll und
lebendig.
27.10., 13 h, Urania
4.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
FEMALE PERVERT
USA 2015, 62 Min, OF
R: Lee Jiyoung, D: Jennifer Kim, Brian
Cafferty, Kate McManus, Jesse Price
Rülpsen, furzen, nach Ohrenschmalz
popeln, Zehennägel schneiden – alles
Verrichtungen, die nach Möglichkeit
Ein Fiebertraum? Eine Heimsuchung?
Ein Grenzübertritt? Benhaim erforscht in ihrem Werk die Terra incognita zwischen Dokumentarfilm und
Science-Fiction, möglicherweise erschafft sie dieses Gebiet auch erst.
LA FIÈVRE gestaltet Flüchtlingserfahrung als fantasmatisch-lyrische
Umkreisung verlorener, zerstörter
Heimat. In einer frei schwebenden
Montage, vorangetrieben von nüchternen Elektrobeats, findet die Stimme einer Frau den Körper eines Mädchens, durch dessen Augen sich ihr
Blick auf die Ruinen der Gegenwart
richtet und sie das Leben der Vergangenheit erinnert. Das ist hypnotisch
und von mächtiger Wirkung.
In Anwesenheit von Safia Benhaim.
3.11., 18 h, Urania
4.11., 11 h, Metro, Historischer Saal
FILME VON CHARLIE CHAPLIN
THE TRAMP USA 1915, 26 Min, kein Dialog
THE VAGABOND USA 1916, 27 Min, kein Dialog
THE IMMIGRANT USA 1917, 25 Min, kein Dialog
THE IMMIGRANT ist auf einem
Schiff nach Amerika geflüchtet. Arm
und hungrig freut er sich über eine
gefundene Münze – ohne zu bemerken, dass ihm dieser letzte Groschen
11
Spielfilme
THE IMMIGRANT
aus der eigenen löchrigen Tasche gefallen ist. Chaplins ikonischer Figur
des «Tramp» ist schon mit Filmtiteln
wie THE VAGABOND die Wanderungsbewegung eingeschrieben. Der
Underdog versucht, in einer feindseligen Welt zu überleben und dabei
Mensch zu bleiben. Mit Slapstick
und Humanismus erzählen diese
Filme aus einer Zeit, in der aufgrund
des Ersten Weltkriegs eine weitere
große Flüchtlingswelle aus Europa
auf Amerika zurollte.
26.10., 10.30 h, Gartenbaukino
FRANCOFONIA
F/D/NL 2015, 87 Min, OmeU
R: Aleksander Sokurov, D: Johanna Korthals
Altes, Louis-Do de Lencquesaing,
Vincent Nemeth, Benjamin Utzerath
Sokurovs Werk ist durchzogen von
einem tiefen Misstrauen gegen das,
was man die Moderne nennt. Das
mag problematisch, konservativ, ja
reaktionär sein, ist aber zugleich der
Quell für ein modernes Kino. Diesen
Widerspruch zeigt auch FRANCOFONIA. Essayhaft durchdringen und
widersprechen sich darin verschiedenste Ideen und Argumente über
die Bedeutung von Kunst, im Besonderen von Museen. Aus der Geschichte des Louvre während der
NS-Besatzung von Paris ersteht ein
wildes, intellektuelles Spektakel,
ein Abgesang auf die Fiktion einer
europäischen Kultur.
nichts anderes übrig als Teilhabe.
Wie alle Werke Eastwoods beschäftigt sich auch GRAN TORINO mit
dem hohen Wert der Menschlichkeit
und ihrer leichtfertigen Gefährdung.
Und er macht sich und uns nichts
vor: Sie zu wahren ist jeden Preis
wert. Walt Kowalski zahlt ihn.
26.10., 23 h, Gartenbaukino
Japan 2015, 317 Min, OmeU
R: Hamaguchi Ryusuke, D: Hiromi Demura,
Shoko Fukunaga, Yuichiro Ito, Rira Kawamura
Endlich rückt Jun mit der Sprache
heraus und erzählt von der hässlichen Scheidung, in der sie gerade
steckt. Ein Ruck geht durch die
Gruppe von vier sehr verschiedenen
besten Freundinnen, die nun alles
hinterfragen. Dann verschwindet Jun
auch noch spurlos und kein Stein
bleibt auf dem anderen. Eine besondere Intimität entsteht zwischen
Zuschauer und Figuren, weil wir
auch scheinbar nebensächlichen Ereignissen quasi in Echtzeit beiwohnen dürfen. Um diese herum webt
Hamaguchi ein komplexes Geflecht
der Beziehungen und Emotionen,
eindringlich zum Leben erweckt von
fantastischen Schauspielerinnen.
5.11., 12 h, Metro, Eric Pleskow Saal
prOpOSiTiOnS
Argentinien 2015, 63 Min, kein Dialog
R: Raúl Perrone, D: Dulce Huilen Azul,
Guilermo Quinteros, Evelyn Cazal
USA 2008, 116 Min, OmdU
R: Clint Eastwood, D: Clint Eastwood,
Bee Vang, Ahney Her, Brooke Chia Thao
«Get off my lawn!», knurrt der Alte
zwischen den Zähnen hervor, das
Gewehr im Anschlag, und weil der
Alte von Clint Eastwood gespielt
wird, machen sich die großmäuligen
Gangmitglieder, die seine Nachbarn
terrorisieren, rasch vom Acker. Eigentlich hat der meist übel gelaunte
Walt Kowalski mit den zugezogenen
Fremden aus dem fernen Asien
nichts am Hut. Bald aber bleibt ihm
12
Kein konventionelles SchriftstellerBiopic, das behauptet, die Wahrheit
über das Leben eines Menschen zu
kennen. Vielmehr das vielstimmige
Porträt der 1941 im Alter von 31 Jahren
an Tuberkulose verstorbenen Dichterin Xiao Hong, die die turbulentesten
Zeiten der neueren Geschichte Chinas, vom Ende der Feudalherrschaft
bis zum Pazifikkrieg erlebte. Vor
dem von Regisseurin Hui breit angelegten historischen Panorama
entwickelt Tang Wei in der Rolle der
Dichterin ihre psychologische Skizze
einer ebenso zarten wie ausdauernden Künstlerseele, die sich eigentlich
nur gerne sicher fühlen und endlich
in Ruhe schreiben würde.
3.11., 21 h, Metro, Historischer Saal
IRRATIONAL MAN
27.10., 20.30 h, Gartenbaukino
1.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
GRAN TORINO
HUANG JIN SHI DAI (THE GOLDEN ERA)
China/Hongkong 2014, 178 Min, OmeU
R: Ann Hui, D: Tang Wei, Feng Shaofeng,
Wang Zhiwen, Zhu Yawen
HAPPY HOUR
HIERBA
te, verlaufen die Dinge hier nicht ins
plaisierlich Orgasmische …
(Siehe auch S. 40: Tribute Raúl Perrone)
In Anwesenheit von Pablo Ratto (Produzent).
25.10., 19 h, Stadtkino im Künstlerhaus
28.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
Was treibt die Figuren in Édouard
Manets berühmtem Gemälde Le Déjeuner sur l’herbe (1863) um? Ein farbig strahlender Stummfilm, in welchem es um den weiblichen Akt geht
sowie den höchst männlichen Zeitvertreib der Jagd. Dem Sujet gemäß
bestehen die Hintergründe zu einem
Gutteil aus Gemälden bzw. deren
Postkartenversionen. Auf Eigenarten
moderner Körperkultur wie Piercings und Tätowierungen wurde
dabei keine schamhafte Rücksicht
genommen – Nacktheit bricht eben
Illusionen. Anders als bei Manet, der
sein Bild ursprünglich La Partie
carée (Der flotte Vierer) nennen woll-
USA 2015, 95 Min, OmdU
R: Woody Allen, D: Joaquin Phoenix, Emma
Stone, Joe Stapleton, Nancy Carroll
Woody Allens enorme Produktivität
war in den letzten Jahren beachtlich.
Und seinen neuen Film macht vor
allem die schauspielerische Großleistung von Joaquin Phoenix zu
einem lichten und souveränen Moment in seinem Werk. Mit subtiler
Selbstironie und verzweifelter Coolness spielt Phoenix den schäbigen
und depressiven Philosophie-Superstar, der auf einer amerikanischen
Elite-Uni zu Besuch ist und dem die
Frauen hysterisch verfallen sind.
Doch nicht alle. Und es wäre nicht
der alte Fuchs Allen, wenn die simple Geschichte nicht unversehens zu
einer spannenden und doppelbödigen Crime-Story geriete.
31.10., 21 h, Gartenbaukino
2.11., 11 h, Gartenbaukino
JIGEUMEUN MATGO
GEUTTAENEUN TEULLIDA
(RIGHT NOW, WRONG THEN)
Südkorea 2015, 121 Min, OmdU
R: Hong Sangsoo, D: Jeong Jaeyeong,
Kim Minhee, Yoon Yeojeong, Gi Jubong
Ein Regisseur landet aus Versehen
einen Tag zu früh in der Stadt, in der
man ihn zu einer Filmvorführung
erwartet. Er lernt eine junge Malerin
kennen, mit der er den gewonnenen
Tag verbringt; er besucht ihr Atelier,
trifft ihre Freundinnen und trinkt
beim Abendessen ein bißchen viel.
Und dann geht es unter leicht geänderter Ausgangsvoraussetzung noch
einmal von vorne los. Dieses feine
und leichte Spiel mit der Wirklichkeit, diese menschliche Versuchsanordnung – niemand beherrscht
sie so souverän, so schwebend und
ernsthaft zugleich wie Hong Sangsoo.
2.11., 18 h, Gartenbaukino
5.11., 23 h, Urania
K
China/GB 2015, 88 Min, OmdU/OmeU
R: Emyr ap Richard, Darhad Erdenibulag,
D: Bayaneruul, Jula, Yirgui, Altanochir
Beinhart werkgetreue Verfilmung von
Frank Kafkas Roman «Das Schloß».
Angesiedelt in der Inneren Mongolei
und reduktionistisch in der Form
erlangt die Parabel vom Landvermesser, dessen Legitimation von der
Bürokratie nicht bestätigt wird und
dessen gesamte Existenz dadurch in
Frage steht, die im Text immer schon
angelegte Allgemeingültigkeit. Aus
dieser Entfernung und in dieser
Verdichtung gesehen, meint «das
Schloss» nicht lediglich den korrupten chinesischen Politapparat,
es meint die conditio humana: den
Einzelnen, der sich in einer nicht
mehr überschaubaren hierarchischen Struktur abarbeitet, vergeblich.
31.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
(OmdU)
1.11., 18 h, Urania (OmeU)
KISEIJU (PARASYTE: PART 1)
Japan 2014, 107 Min, OmdU
R: Yamazaki Takashi, D: Shota Sometani,
Eri Fukatsu, Ai Hashimoto, Sadao Abe
Alarm! Alien-Invasion! Während die
einen erfolgreich die Gehirne der
Menschen infizieren, bleibt Migi in
der Hand des geistesgegenwärtigen
Shinichi stecken. Bald schon muss
der junge Bursche seinen Hand-Parasiten nicht mehr nur vom Busengrabschen abhalten; als unerwünschtes Mischwesen stehen Shinichi und Migi ganz weit oben auf
der Abschussliste – SuperheldenGegenwehr ist gefragt. Jede Menge
Schabernack, Grausligkeiten und
Tiefgründiges bietet diese auf Iwaki
Hitoshis Manga-Hit basierende
Variation des klassischen BodySnatcher-Stoffs. Und flott schreitet
der Irrsinn voran: Talk to the hand!
28.10., 23 h, Gartenbaukino
2.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
KOZA
SK/CZ 2015, 75 Min, OmeU
R: Ivan Ostrochovský, D: Peter Baláž, Nikola
Bongilajová, Ján Franek, Tatiana Piussi
Kozas Freundin erwartet ein Kind,
will es aber nicht, nicht zuletzt, weil
es in dem kleinen Haushalt an allem
mangelt. Also steigt der ehemalige
Boxer, in der Hoffnung, den Lauf der
Dinge ändern zu können, zurück in
den Ring. Er begibt sich in die Hände
eines Ausbeuter-Trainers, geht auf
eine Reise durch Spelunken und in
Hinterzimmerkämpfen rasch zu
Boden. Unbewegt und ausdauernd
schaut ihm die Kamera dabei zu. Die
Intensität dieses nüchtern ruppigen
Films verdankt sich Peter «Koza»
Baláz, der ihm sein heißes Herz
schenkt und den brennenden Blick.
In Anwesenheit von Ivan Ostrochovský.
23.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
26.10., 23 h, Urania
THE LOBSTER
IRL/GB/GR/F/NL 2015, 118 Min, OmeU
R: Yorgos Lanthimos, D: D: Colin Farrell,
Rachel Weisz, Léa Seydoux, John C. Reilly,
Ben Whishaw
Die imposanten Filme von Yorgos
Lanthimos gehen von einer surrealen Situation aus und spielen sie
realistisch durch, während einzelne
Charaktere aus dem Rahmen fallen.
Das gilt auch für Lanthimos’ ersten
mit internationalen Stars gedrehten
Liebesfilm THE LOBSTER. In dieser
dystopischen Parallelwelt müssen
Menschen als Paare leben. Wer seinen Lebensmenschen nicht findet,
kommt in ein Single-Ressort, wer ihn
auch dort nicht findet, wird in ein
Tier verwandelt – und wer diese
böse, zärtliche, radikale Komödie
nicht sieht, glaubt es nicht.
27.10., 18 h, Gartenbaukino
3.11., 11 h, Gartenbaukino
LOULOU
F 1979, 105 Min, OmdU
R: Maurice Pialat, D: Isabelle Huppert,
Gérard Depardieu, Guy Marchand
Nelly, eine junge Frau aus der Pariser
Bourgeoisie, lernt in einer Vorstadtdisco den arbeitslosen Herumtreiber
Loulou kennen und verliebt sich Hals
über Kopf in ihn. Das klingt nach Klischee, doch entlang der physischen
Ausstrahlung von Huppert und Depardieu, durch ihre Gesten, Körper,
Sprache, entsteht eine Lebendigkeit,
ein Begehren und eine Bedingungslosigkeit, die den Film in eine wirbelnde, ziellose Bewegung versetzt. Es hat
rund 35 Jahre gedauert, bis es zum
filmischen Wiedersehen der beiden
kam – in dem nicht minder faszinierenden Film VALLEY OF LOVE.
24.10., 23 h, Gartenbaukino
LU BIAN YE CAN (KAILI BLUES)
China 2015, 110 Min, OmeU
R: Gan Bi, D: Chen Yongzhong, Zhao Daqing,
Luo Feiyang, Xie Lixun
In LU BIAN YE CAN herrscht eine
große Freiheit: der Narration, der
Kamera, der Figuren. Erlaubt ist
nicht nur, was möglich ist, erlaubt
ist, was vorstellbar wäre, und das ist
bekanntlich nicht wenig. Also fährt
plötzlich ein kopfstehender Zug
durch eine höhlenartige Behausung,
hüpft elegant ein Bagger vom
Tieflader, macht sich die Steadycam
selbstständig und dichtet ein paar
Fußnoten. Doch wie die Discokugel,
die durch den Film flottiert, schaut
immer mal wieder der Plot vorbei
und erzählt von den beiden Halbbrüdern, die einen alten Konflikt zu
13
Spielfilme
lösen haben. Und noch von so viel
mehr.
23.10., 15.30 h, Gartenbaukino
2.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
MA DAR BEHESHT (PARADISE)
Iran/D 2015, 100 Min, OmeU
R: Sina Ataeian Dena, D: Dorna Dibaj, Dorsa
Khanmohammad, Fariba Kamran, Roya Afshar
Hanieh arbeitet als Lehrerin an einer
Mädchenschule in einem Vorort
Teherans. Eine Versetzung an eine
andere, nähere Schule ist mit Wegen
durch eine kafkaeske Bürokratie verbunden. Ihre Schülerinnen unterliegen einer ebenso strengen staatlichen Disziplinierung; lackierte Fingernägel kommen einer Todsünde
gleich. Dennoch ist MA DAR BEHESHT alles andere als traurig oder
bitter, sondern voll feinen Humors
und eigensinnigen Strategien des
Widerstands. Wohin aber sind die
beiden Mädchen verschwunden, von
denen seit Tagen jede Spur fehlt?
In Anwesenheit von Sina Ataeian Dena.
25.10., 20.30 h, Urania
29.10., 13 h, Urania
MARU (OW)
Japan 2014, 89 Min, OmeU
R: Suzuki Yohei, D: Kaoru Iida, Masatoshi
Kihara, Sho Ikeda, Sari Kaneko
Plötzlich ist sie da, die schwarze
Kugel. Sie schwebt im Raum und
hält die Zeit an – und keiner, der sie
sieht, kommt ungeschoren davon.
Familie Suzuki kann ein Lied davon
singen: der Vater tot, der Sohn wie
gelähmt, die Mutter am Rande des
Zusammenbruchs und Oma von
allen guten Geistern verlassen. Am
Anfang täuscht MARU komödiantisch an, biegt dann aber ab aufs
Gelände des absurden Theaters, wo
auch die Systemkritik herumspringt.
Die Kugel, sie könnte der sprichwörtliche elephant in the room sein, das,
worüber in Japan niemand spricht
und das doch die gesellschaftliche
Verfasstheit prägt.
In Anwesenheit von Suzuki Yohei.
28.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
MASAAN
Indien/F 2015, 103 Min, OmeU
R: Neeraj Ghaywan, D: Richa Chadda,
Sanjay Mishra, Vicky Kaushal, Vinit Kumar
Der kulturellen Tradition Indiens
eingedenk, fern des BollywoodRegelwerks will der vielstimmige
Film «das moralische Gefüge des
Landes durcheinanderrütteln», so
14
der Regisseur. In zwei parallelen Geschichten geht es um Kastenschranken, Scham, Heuchelei, Liebe und
Tod, vor allem aber um die Situation
der Frauen in einem bloß wirtschaflich modernisierten Land. «Der Ort
der Einäscherung» heißt der Titel
wörtlich, metaphorisch steht er für
den Übergang von einer patriarchalen Gesellschaft zu einer freieren Lebensform. Dennoch kein Thesenfilm.
28.10., 15.30 h, Urania
LE MASQUE DE SAN
prOpOSiTiOnS
CH/F/Mali 2014, 83 Min, OmeU
R: Jacques Sarasin, D: Mamadou Kaba Diané,
Bakary Sangaré, Viviane Sidibé
Er habe in Mali anfangs nur einen
Dokumentarfilm über die traditionellen Antilopenmasken im Sinn
gehabt, sagt Regisseur Sarasin. Der
Versuch, diesen ihr Geheimnis zu
entreißen, wird für den in Paris
lebenden Bakary zur verspäteten rite
de passage im Land seiner Vorfahren, dessen Herrscher in vorkolonialen Zeiten «viel reicher als heute ein
Bill Gates» waren. Die Gelassenheit,
mit der dieses semidokumentarische
Ethno-Roadmovie seine lehrreichen
Stationen ansteuert, ist trügerisch
auch für den neugierigen Bakary, der
kaum merkt, wie sehr er, der Entwurzelte, immer auch als «Katze inmitten der Tauben» angesehen wird.
In Anwesenheit von Jacques Sarasin.
3.11., 20.30 h, Urania
4.11., 16 h, Metro, Historischer Saal
ME AND EARL AND THE DYING GIRL
USA 2014, 104 Min, Omd/fU
R: Alfonso Gomez-Rejon, D: Thomas Mann,
RJ Cyler, Olivia Cooke, Molly Shannon
Gomez-Rejons Erstlingsfilm beschreibt die kurze Geschichte der tragischen Freundschaft zwischen dem
Teenager Greg, seinem besten
Freund Earl und ihrer Klassenkameradin Rachel auf weitgehend unsentimentale, aber zugleich gefühlvolle
Art. Diese Coming-of-Age-Story, in
der eine der Hauptfiguren durch
eine Krebserkrankung zum Tod verurteilt ist, so cool, fast hip, aber nicht
zynisch oder berechnend darzustel-
len, darin liegt, for better or for
worse, die besondere Qualität des
Films. Beim diesjährigen SundanceFestival gewann er mit dem Großen
Preis der Jury und dem Publikumspreis die beiden begehrtesten Auszeichnungen.
30.10., 20.30 h, Gartenbaukino
1.11., 11 h, Gartenbaukino
MIA MADRE
I 2014, 103 Min, OmdU
R: Nanni Moretti, D: Margherita Buy, John
Turturro, Nanni Moretti, Giulia Lazzarini
MIA MADRE ist so italienisch und so
Moretti, wie ein Film nur sein kann.
Es geht um Familie, um alle Generationen, die Tochter und den Bruder
und die alte und kranke Mama und
mittendrin die großartige Margherita
Buy als Regisseurin in der MidlifeKrise, die vergeblich versucht, es
allen Recht zu machen, alles zu
schaffen und für alle da zu sein.
Dazu kommen noch die aktuellen
Dreharbeiten für ihren neuen Film
und dessen unerträglicher, amerikanischer Star – eine Traumrolle für
John Turturro. Und Moretti selbst
ist der brave Sohn der alten Mama
in einem seiner besten Filme seit
Jahren.
25.10., 20.30 h, Gartenbaukino
28.10., 11 h, Gartenbaukino
MINOTAURO
prOpOSiTiOnS
Mexiko/Kanada 2015, 56 Min, OmeU
R: Nicolas Pereda, D: Gabino Rodríguez,
Luisa Pardo, Francisco Barreiro
Ein Kammerspiel, gedreht in Mexico
City, in der Wohnung von Peredas
Stammschauspieler Gabino Rodríguez. Draußen der Moloch, drinnen
drei Mittdreißiger, die sich die Zeit
mit Schlafen, Träumen, Lesen vertreiben, hin und wieder kommt einmal jemand zu Besuch, der sich um
das Wohlergehen der drei kümmert.
Im traditionellen Sinne erzählt wird
wenig, der Schwerpunkt liegt vielmehr auf Nuancen, auf kleinen
Gesten und subtil ausgedrückten
Gefühlen, auf der schleichenden
Veränderung der Beziehungen
zwischen den Figuren. Seine surreal-
somnambule Anmutung verdankt
MINOTAURO den meist statischen,
langen Einstellungen und der rhythmischen Wiederholung von Szenen.
Eine stilistische Reduktion, aus
der ein Kino der Aufmerksamkeit
resultiert.
29.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
DER NACHTMAHR
D 2015, 88 Min, OmeU
R: AKIZ, D: Carolyn Genzkow, Sina Tkotsch,
Wilson Gonzalez Ochsenknecht,
Arnd Klawitter
NIE YIN NIANG (THE ASSASSIN)
MOONLIGHTING
GB 1982, 97 Min, OF
R: Jerzy Skolimowski, D: Jeremy Irons,
Eugene Lipinski, Jirí Stanislav,
Eugeniusz Haczkiewicz
Im Rahmen des «Internationalfeiertages» bietet Skolimowskis MOONLIGHTING die rare Gelegenheit,
einen der großartigsten Filme der
1980er Jahre neu zu entdecken: Eine
politische Parabel über das Überleben
in einem fremden Land, die von
einer Gruppe illegaler polnischer
Arbeiter handelt, die mit ihrem Anführer Nowak (Jeremy Irons) in London untergetaucht ist, um ein Haus
zu renovieren. Strangers in a strange
land. Kein sozialkritisches Lehrstück, vielmehr eine tragikomische
Etüde vom Feinsten und Intellektuellsten. Auf keinen Fall versäumen.
26.10., 12.30 h, Gartenbaukino
LA MUJER DE LOS PERROS (DOG LADY)
Argentinien 2015, 98 Min, OmeU
R: Laura Citarella, Verónica Llinás,
D: Verónica Llinás, Juliana Muras,
Germán de Silva, Juana Zalazar
Eine Frau, die inmitten eines Rudels
von Hunden am Rand der Stadt und
damit auch am Rand der Gesellschaft
ein kärgliches, selbstgenügsames
Leben fristet. Eine existenzialistische
Fabel, in der die Antiheldin, gespielt
mit stoischer Grazie von Ko-Regisseurin Verónica Llinás, dem Klima
und den Jahreszeiten trotzt und mit
einem Minimum an Aufwand zur
Architektin ihres Lebens wird. LA
MUJER DE LOS PERROS präsentiert
sich als Serie von sorgfältig komponierten Tableaus, belebt durch die
ziellosen Tollereien der Hunde. Ein
Film wie eine Novelle von Camus.
30.10., 23.30 h, Urania
31.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
er zeugt nur von der Wirklichkeit
und davon, wie wirtschaftliche
Zwänge Menschen korrumpieren.
In Anwesenheit von Emine Emel Balci.
23.10., 18 h, Urania
24.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
Wie eine hässliche Warze ist er plötzlich da und sorgt für Ekel und Entsetzen; ein verbeulter Wurm, hartnäckig
Anschluss suchend an die 17-jährige
Tina, die allmählich begreift, dass
das abscheuliche Wesen ein Teil ihrer
selbst sein könnte. Eine Geschichte
aus der nachtschwarzen Romantik,
die aber am Rande des gegenwärtigen
Berlin angesiedelt ist, wo die digitale
Jugend in Freibädern donnernd laute
Techno-Partys feiert und seltsamste
Drogen nimmt. Schon lange nicht
mehr wurde der Schrecken des Heranwachsens derart schlüssig in ein
metaphorisches Bild gesetzt, das
dabei doch konkret bleibt. Ein Film,
der fetzt, zuhause in zwei Welten.
In Anwesenheit von AKIZ.
23.10., 23.59 h, Gartenbaukino
24.10., 15.30 h, Urania
NEFESIM KESILENE KADAR
(UNTIL I LOOSE MY BREATH)
TR/D 2015, 94 Min, OmeU
R: Emine Emel Balci, D: Esme Madra,
Rıza Akın, Sema Keçik, Gizem Denizci
Mit ihrem Vater, dem ständig abwesenden Fernfahrer, gemeinsam in
einer Wohnung leben; nicht mehr
länger vom Schwager, bei dem sie
untergekommen ist, als Schmarotzerin gescholten werden. Seraps familiäre Verhältnisse sind prekär, auch
an Geld mangelt es. Mit eisernem
Willen aber hält die junge Frau, starke
Protagonistin dieses starken Debüts,
an ihrem Wunsch nach Geborgenheit
fest. Sie schuftet in der Textilfabrik,
sie hetzt sich ab, sie gönnt sich nichts.
Dabei wirkt ihr einsamer Kampf um
ihren Platz in der Welt nicht trostlos,
Taiwan/China/Hongkong/F 2015,
104 Min, OmeU
R: Hou Hsiao-hsien, D: Shu Qi, Chang Chen,
Tsumabuki Satoshi, Chang Shao-huai
Bis dieses Jahr in Cannes das
Geheimnis um den ersten MartialArts-Film Hou Hsiao-hsiens gelüftet
wurde, rankten sich darum schon
Gerüchte und Legenden. Der in
großer Schönheit choreografierte Geschichtsfilm erzählt von der jungen,
zur Mörderin erzogenen Kämpferin
Nie. Als Kind gekidnappt und zur
Schwertkämpferin ausgebildet,
erhält Nie den Auftrag, einen politischen Rivalen des einflussreichen
Anführers Ji’an zu ermorden. Als
sich Nie auf die Seite des Rivalen
schlägt, werden die besten Schwertkämpfer auf die Verräterin angesetzt. Der Rest ist Kino.
1.11., 20.30 h, Gartenbaukino
3.11., 23 h, Urania
LA OBRA DEL SIGLO
(THE PROJECT OF THE CENTURY)
Arg./Kuba/D/CH 2015, 100 Min, OmeU
R: Carlos M. Quintela, D: Mario Balmaseda,
Mario Guerra, Leonardo Gascón
Sie hängen herum und zanken sich.
Es gibt nichts anderes zu tun, als den
Stillstand zu verwalten. Großvater,
Vater und Sohn leben in einem zerfallenden Hochhaus am Rande der
«Elektro-Nuklear-Stadt», die in keinem besseren Zustand ist. Ein Symbol von Kubas Aufbruch in eine strahlende Zukunft hätte sie werden sollen, nun steht da nur ein unvollendetes Atomkraftwerk. Utopie und Dystopie fallen in eins in diesem Film, der
vor dokumentarischem Hintergrund
weniger einen Plot entwickelt, als ein
Fantasma zum Leben erweckt: der
Geist der Revolution, auch er hängt
hier noch irgendwo herum.
29.10., 15.30 h, Urania
15
Spielfilme
PSAUME (PSALM)
F/Senegal 2015, 48 Min, kein Dialog
R: Nicolas Boone, D: Boubou Diaby, Bourama
Thiam, Diaga Matar Fall, El Hadji Fofana
Drei dunkelhäutige Männer bewegen
einen von einem Esel gezogenen
Karren durch eine karge subsaharische Landschaft. Die Bewegungen
sind langsam, die Filmfarben ausgebleicht, eine Handlung ist quasi
nicht existent. Boone entwirft eine
postapokalyptische Bewegungsdramaturgie in entvölkerten Territorien,
bei der ein Halt an einer Wasserstelle
zu einem bedeutenden Plotpoint
wird. PSAUME ist eine pseudoethnografische Studie zwischen rätselhaften rituellen Praktiken und halluzinatorischer Wahnproduktion. Ein
Film wie eine Fata Morgana, der in
seinem schneckengleichen Fortschreiten eine ganz eigene Form von
dunkler Magie entfaltet.
28.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
RABIN, THE LAST DAY
Israel/F/I 2015, 153 Min, OmeU
R: Amos Gitai, D: Yitzhak Hiskiya, Yaël
Abecassis, Rotem Keinan, Tomer Sisley
RABIN, THE LAST DAY unternimmt
eine Rekonstruktion jenes Tages, an
dem der israelische Premierminister
im Jahr 1995 ermordet wurde. Gitai
verwendet klassische dokumentarische Darstellungsmittel – Interviews,
kunstvoll einmontiertes Archivmaterial und mit Schauspielern nach-inszenierte Szenen – und macht zum
einen deutlich, dass er eine fanatisch-religiöse, rechte Subkultur für
mitschuldig an dem Verbrechen hält
und zum anderen der hoffnungsvoll
begonnene Friedensprozess damit
am Ende war. Der Film ist eine Hommage an einen Staat, der niemals
war und der jetzt vielleicht niemals
mehr sein wird.
In Anwesenheit von Amos Gitai.
23.10., 20.30 h, Gartenbaukino
25.10., 10 h, Gartenbaukino
RAK TI KHON KAEN
(CEMETERY OF SPLENDOR)
Thailand/GB/D/F/Malaysia 2015,
122 Min, OmdU
R: Apichatpong Weerasethakul, D: Jenjira
Pongpas Widner, Jarinpattra Rueangram,
Banlop Lomnoi
RÉALITÉ
F/B 2014, 87 Min, OmeU
R: Quentin Dupieux, D: Alain Chabat, Jonathan Lambert, Élodie Bouchez, Jon Heder
«You can’t watch this movie, this
movie doesn’t exist yet!» Beschwörend fuchtelt der Möchtegernregisseur mit den Armen vor der Leinwand, auf der jener Film gezeigt wird,
dessen Drehbuch er noch nicht einmal zu Ende gedacht hat. Seltsam?
Noch lange nicht das Seltsamste in
Dupieux’ neuester Düpierung von
Logik und Vernunft. Derart eng miteinander verflochten werden Wirklichkeit, Fantasie, Traum, Film, Filmemachen, Film im Film, Traum im Film im
Film nicht eben häufig. Hier ist kein
Boden der Tatsachen, den man unter
den Füßen verlieren könnte, hier sind
nur die Pforten der Wahrnehmung,
durch die man hindurch muss. Viel
Spaß auf der anderen Seite!
4.11., 18 h, Gartenbaukino
5.11., 20.30 h, Urania
QUEEN OF EARTH
USA 2015, 90 Min, OF
R: Alex Ross Perry, D: Elisabeth Moss,
Katherine Waterston, Patrick Fugit,
Kentucker Audley
Eigentlich hatte Catherine sich von
einer Trennung erholen wollen, bei
ihrer besten Freundin Ginny, in
deren an einem See gelegenen Haus.
Doch Ginny hat noch ein paar Rechnungen offen und Catherine ist alles
andere als friedfertiger Stimmung –
bald schon tief ineinander verbissen,
reißen sie sich gegenseitig alte Wunden auf. So schleicht sich allmählich
der Psychothriller in den Mumblecore, verschiebt unauffällig die Grenze zwischen verletzter Überreaktion
und paranoider Neurose und öffnet
schließlich dem Wahnsinn die Tür.
Ein dichtes Kammerspiel, ein Fest
für zwei Schauspielerinnen, ein Triumph für Elisabeth Moss.
In Anwesenheit von Alex Ross Perry.
25.10., 18 h, Gartenbaukino
26.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
16
RESULTS
Weerasethakuls Filme waren immer
schon an der Grenze von Realität
und Halluzination angesiedelt;
RAK TI KHON KAEN erzählt von
einer Krankenschwester, die Soldaten betreut, die an einer mysteriösen
Schlafkrankheit leiden, und die unter
den Bann eines Narkoleptikers fällt,
der in einem Notizbuch eigenartige
Schriften, Pläne und Skizzen auf gezeichnet hat. Ein Film als geisterhafte Beschwörung längst verwehter
Existenzen und alter mythischer
Orte. Ein kryptisches Rätselspiel
von surrealer Schönheit, das dem
Betrachter das Gefühl vermittelt, mit
weit geöffneten Augen zu träumen.
In Anwesenheit von Simon Field
(Produzent).
30.10., 18 h, Gartenbaukino
2.11., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
USA 2014, 104 Min, OF
R: Andrew Bujalski, D: Guy Pearce, Kevin
Corrigan, Cobie Smulders, Brooklyn Decker
Es muss ja nicht gleich ein Sixpack
sein, aber einen Schlag einstecken
können, ohne umzufallen, wäre schon
ziemlich männlich. Denkt Danny und
marschiert in Trevors Fitnesscenter.
Der vermittelt ihm Kat, die er heimlich liebt, und bald steckt Danny, der
sich derweil mit Trevor anfreundet,
mitten in Problemen, die nicht die
seinen sind – mischt sich aber trotzdem ein. Mumblecore-Protagonist
Bujalski hat mit RESULTS eine romantische Komödie der etwas anderen Art gedreht, ohne Indie-Attitüde,
dafür mit viel Gefühl, trockenem
Witz und einem tollen Ensemble.
29.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
1.11., 15.30 h, Urania
SAMURAY-S
Argentinien 2015, 110 Min, OmeU
R: Raúl Perrone, D: Ornella Retro, José
Maldonado, Migual Sirna, Tony Alba
Eine exquisite Japonaiserie über gebrochene Versprechen und Klassen-
antagonismen, in welcher Wirklichkeit und Vision, Dies- und Jenseits
kaum mehr voneinander zu unterscheiden sind. Gesprochen wird in
bizarr lyrischen Untertiteln, gespielt
in den breitesten Gesten. Zum Einsatz kommen all die Bilder und Tropen, welche man aus den Klassikern
des japanischen Stummfilms erinnert; etwa von Stürmen gebeugte
Wiesen und Wälder; dunkle Striche
quer durchs Antlitz, die mal einen
Schwertstreich bedeuten und mal
die Nähe der Figur zum Wahnsinn;
und immer wieder diese Ahnungen
dunkler Gassen, aus denen keiner
lebend wiederkehrt.
(Siehe auch S. 40: Tribute Raúl Perrone)
In Anwesenheit von Pablo Ratto (Produzent).
28.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
SANGUE DEL MIO SANGUE
(BLOOD OF MY BLOOD)
I 2015, 106 Min, OmeU
R: Marco Bellocchio, D: Roberto Herlitzka,
Pier Giorgio Bellocchio, Alba Rohrwacher,
Lidiya Liberman
Marco Bellocchio schreibt die Geschichte Italiens in seinen Filmen als
Träume mit eigener Logik weiter, wie
den Linksterrorismus in BUONGIORNO, NOTTE oder die Höllendramen
Mussolinis in VINCERE. Mit SANGUE
DEL MIO SANGUE kehrt der 75-Jährige nun in seiner Heimatstadt Bobbio
ein und findet da auf drei Zeitebenen:
die strenge Inquisition, unkeusche
Nonnen, einen Hexenprozess und
einen Berlusconi-Vampir, der seine
Gruft nicht verlassen will und immer
noch keine Rechnungen ausstellt.
28.10., 20.30 h, Urania
30.10., 13 h, Gartenbaukino
Reich und Arm im China der Nouveaux riches auseinandergesetzt hat,
webt hier Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft in ein melodramatisches Großgemälde, das in satten
Farben prächtig strahlt. Der rasende
ökonomische und gesellschaftliche
Wandel wird erkennbar als Teil von
jener Kraft, die stets das Gute will
und stets das Böse schafft.
26.10., 13 h, Urania
5.11., 15.30 h, Gartenbaukino
SHI REN CHU CHAI LE
SONGS MY BROTHERS TAUGHT ME
USA 2015, 94 Min, OF
R: Chloé Zhao, D: John Reddy, Jashaun
St. John, Irene Bedard, Taysha Fuller
prOpOSiTiOnS
(POET ON A BUSINESS TRIP)
China 2014, 103 Min, OmeU
R: Ju Anqi
Ein Business Trip sei eine Reise, die
auf irgendeine Weise mit Arbeit zu
tun habe, sagt der Poet Shu im OffKommentar zum Film. Während der
Fahrt durch Xinjiang, der entlegenen,
westlichsten Provinz Chinas, schrieb
er 16 Gedichte, die dem Schwarzweiß-Film eine Art von narrativem
Bogen geben. Die «Geschäftsreise»
ist ein langer, seltsamer Weg über
steinige Straßen, durch schäbige Absteigen, von einer Prostituierten zur
nächsten. Ein Roadmovie als existenzielle Selbsterkundung im Ödland
der Seele. «Manchmal», heißt es in
einem der Gedichte, «erscheinst Du
mir wie eines anderen Einsamkeit.»
In Anwesenheit von Ju Anqi.
23.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
25.10., 23 h, Urania
SITI
Indonesien 2014, 88 Min, OmeU
R: Eddie Cahyono, D: Sekar Sari, Delia
Nuswantoro, Chelsy Bettido, Ibnu Widodo
SHAN HE GU REN
(MOUNTAINS MAY DEPART)
China/Japan/F 2015, 126 Min, OmeU
R: Jia Zhangke, D: Zhang Yi, Liang Jingdong,
Dong Zijian, Sylvia Chang
Es beginnt als romantische Dreiecksgeschichte und entwickelt sich zur
generationenübergreifenden, interkontinentalen Familiengeschichte.
Filmemacher Jia, der sich schon
mehrfach mit der Kluft zwischen
gebenheit und der Hoffnung auf
einen Neuanfang sucht Siti nach
einem Weg, aber auch die Kräfte einer
jungen Frau sind enden wollend.
29.10., 23 h, Urania
2.11., 15.30 h, Gartenbaukino
Seit ihr Mann nach einem Unfall im
Bett liegt und nicht mehr spricht,
muss Siti nicht nur alleine für das
Auskommen der Familie sorgen, sie
sitzt auch auf einem Berg von Schulden. Tagsüber verkauft sie Kekse am
Strand von Parangtritis, nachts arbeitet sie in einer Karaoke-Bar, wo ihr
ein Polizist den Hof macht. Das Geld,
das fehlt, wiegt tonnenschwer und
vergiftet die Beziehungen. Hin- und
hergerissen zwischen Loyalität und
Aufbäumen, zwischen Schicksalser-
Weniger ein Spielfilm mit konventioneller Handlung als eine Serie von
Vignetten, die sich um die Lebensumstände der Lakota im Pine Ridge
Reservat, South Dakota, ranken. Im
Zentrum stehen die jugendlichen
Geschwister Johnny und Jashaun, die
aufeinander aufpassen – bis Katastrophen in den Alltag einbrechen
und das Leben zu entgleisen droht.
Zhao gelingt es, der weiten, schroffen
Landschaft, den grindigen Bars
und dem wortkargen Austausch der
Menschen in ziselierten Bildern eine
minimalistische Poesie abzugewinnen, ohne in einen falsch tönenden
Romantizismus zu verfallen.
23.10., 13.30 h, Gartenbaukino
31.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
SPOTLIGHT
USA 2014/15, 127 Min, OF
R: Thomas McCarthy, D: Rachel McAdams,
Liev Schreiber, Mark Ruffalo, Michael Keaton
Ein Redaktionsteam des «Boston
Globe» erhält 2001 den Auftrag,
einen etwas älteren Fall von angeblichem Kindesmissbrauch durch
einen Pater zu recherchieren. Was
sich wie journalistische Routine anlässt, wird unversehens zu einem
Skandal ungekannten Ausmaßes
innerhalb der amerikanischen
Kirche, der alle nur möglichen politischen Mächte und Widerstände mobilisiert. SPOTLIGHT beginnt klein
als realistische, investigative Story
und steigert sich zu einem CrimeMovie von ziemlichen Ungeheuerlichkeiten. Ein Ensemblefilm mit
Darstellern vom Feinsten.
24.10., 20.30 h, Gartenbaukino
27.10., 10.30 h, Gartenbaukino
17
Spielfilme
STINKING HEAVEN
TANGERINE
USA 2015, 70 Min, OF
R: Nathan Silver, D: Deragh Campbell, Henri
Douvry, Jason Giampietro, Keith Poulson
Eine Lo-Fi-Demonstration mit Minibudget, die sich tragikomisch mit den
Desintegrationsprozessen in einer
Rehabilitationseinrichtung in New
Jersey auseinandersetzt. Die Geschichte ist 1990 angesiedelt und
Silver markiert den historischen
Moment, der die Babyboomer von
der Generation X trennt, durch eine
kunstvoll-kunstlose Home-MovieBetacam-Ästhetik. Im Zentrum stehen ehemalige Drogensüchtige, die
sich voller Emphase in hanebüchene
Konflikte stürzen und bei hoher
«Fuck»-Frequenz übereinander herfallen. Das Branchenblatt «Variety»
befand: «Nur einen Wimpernschlag
vom Horror entfernt.»
USA 2014, 88 Min, OF
R: Sean Baker, D: Kitana Kiki Rodriguez, Mya
Taylor, Karren Karaguilian, Mickey O’Hagan
Der auf einem iPhone gedrehte
TANGERINE war eine der Sensationen des diesjährigen Sundance Filmfestivals. Aufregend und ungewöhnlich ist nicht nur seine innovative
Machart, das sind auch seine coolen
und mitreißenden Protagonistinnen,
allen voran Sin-Dee Rella, eine
schwarze, transsexuelle Prostituierte. Aus dem Gefängnis zurück, muss
sie feststellen, dass ihr Freund/
Zuhälter sie betrogen hat, «with a
fish», mit einer weißen Frau. Ihr
darauf folgender Rachefeldzug ist
so ziemlich was vom Verrücktesten,
Schnellsten und Wildesten, was
diese Viennale zu bieten hat.
In Anwesenheit von Nathan Silver.
26.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
27.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
prOpOSiTiOnS
SUEÑAN LOS ANDROIDES
27.10., 23 h, Gartenbaukino
28.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
TIKKUN
Israel 2015, 120 Min, OmeU
R: Avishai Sivan, D: Aharon Traitel,
Khalifa Natour, Riki Blich, Gur Sheinberg
(ANDROIDS DREAM)
E/D 2014, 61 Min, OmeU
R: Ion de Sosa, D: Manolo Marín, Moisés
Richart, Marta Bassols, Coque Sánchez
«Erde 2052» stellt das Insert zu Beginn fest. Gedreht aber wurde im
Benidorm der Gegenwart, auf 16mm
und außerhalb der Feriensaison. De
Sosa macht sich die Absurdität der
zerstört-entstellten Landschaft von
Spaniens Costa Blanca – einst dem
Boom zum Opfer gefallen und nun
tief in der Krise – zunutze, um eine
verschärft experimentelle Variante
von Philip K. Dicks legendärer BLADE
RUNNER-Vorlage darin anzusiedeln.
Bald schon stellt sich die Frage neu:
Wer sind hier eigentlich die Androiden? Und wollen wir wirklich jene
Zukunft, die in unserem Jetzt
schlummert (und möglicherweise
von elektrischen Schafen träumt)?
In Anwesenheit von Ion de Sosa.
2.11., 18 h, Urania
3.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
18
Eines Tages bekommt Haim-Aaron
unter der Dusche eine Erektion. Eine
Sinnenregung, die den jungen Mann,
einen strenggläubigen JeschiwaStudenten, im Wortsinn aus der
Bahn wirft. Fortan wandert er zwischen den Welten, wird zunehmend
zerrissen zwischen der Gläubigkeit
seiner ultra-orthodoxen Familie und
seiner Neugier auf die säkulare
Gesellschaft. TIKKUN setzt HaimAarons Identitätssuche, die zuvörderst eine Geschichte des Heimatverlustes ist, in klarem Schwarzweiß
und eher schweigsam als ungeheuer
verdichtetes Drama in Szene.
28.10., 23 h, Urania
4.11., 20.30 h, Urania
TIRED MOONLIGHT
prOpOSiTiOnS
USA 2015, 76 Min, OF
R: Britni West, D: Liz Randall, Paul Dickinson,
Hillary Berg, RainLeigh Vick
TIRED MOONLIGHT, Gewinnerfilm
des Slamdance-Festivals, verdient
tatsächlich die Bezeichnung «independent». Mit minimalem Aufwand
und zum Großteil mit Laien besetzt,
beschreibt die Filmemacherin den
Alltag in einer amerikanischen
Kleinstadt, in Kalispell, Montana,
ihrer Heimatstadt. Frei und assoziativ, mit grandiosen poetischen Momenten, Nebensächlich- und Zufälligkeiten entsteht ein Gewebe an Bildern und Tönen jenseits dessen, was
man aus vergleichbaren Americana
kennt. Don’t miss this little gem.
In Anwesenheit von Britni West.
25.10., 21.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
26.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
TROIS SOUVENIRS DE MA JEUNESSE
(MY GOLDEN DAYS)
F 2015, 123 Min, OmeU
R: Arnaud Desplechin, D: Quentin Dolmaire,
Mathieu Amalric, Lou Roy-Lecollinet
Eine Art Prequel zu Desplechins Film
COMMENT JE ME SUIS DISPUTÉ …
(MA VIE SEXUELLE), das sich als
metaphysischer Spionagethriller
präsentiert, der in Rückblenden
die Jugend des Protagonisten Paul
Revue passieren lässt. Desplechin
evoziert in diesem romanhaften Versuch über Erinnerung und Gefühle
Wahnsinn und Doppelgängermotive
und widmet sich im langen Schlussakt einer komplizierten amourösen
Verstrickung, bei der vor allem die
Fremdheit im Vertrauten ausgeleuchtet wird. Nach dem Liebesakt
mit seiner Freundin bringt es Paul
auf den Punkt: «Männer kommen
und Frauen gehen.»
23.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
28.10., 18 h, Gartenbaukino
UMIMACHI DIARY (OUR LITTLE SISTER)
Japan 2015, 128 Min, OmdU
R: Koreeda Hirokazu, D: Ayase Haruka,
Nagasawa Masami, Kaho, Hirose Suzu
Diese Adaption einer in Japan sehr
populären Manga-Serie erzählt die
Geschichte von drei jungen Frauen
in der Küstenstadt Kamakura, deren
Leben durch ihre 15-jährige Halbschwester Suzu, die sie erst nach
dem Tod des Vaters kennenlernen,
durcheinandergewirbelt wird.
Koreeda entwickelt eine geradezu
Tschechow’sche Sensibilität in der
kinematografischen Nahaufnahme
des komplizierten Beziehungsgeflechts sehr unterschiedlich disponierter Charaktere. «Bei einem Minimum an dramatischem Konflikt»,
schreibt der «Telegraph», «bringt er
die Geschichte trotzdem zum Singen.»
23.10., 15.30 h, Urania
31.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
UN ETAJ MAI JOS (ONE FLOOR BELOW)
RO/F/D/S 2015, 93 Min, OmeU
R: Radu Muntean, D: Teodor Corban,
Iulian Postelnicu, Oxana Moravec
oder so aber muss man den linkischen Helden dieses charmanten
Films einfach lieb haben.
In Anwesenheit von Damien Manivel.
29.10., 18 h, Urania
31.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
Gérard Depardieu seit Maurice
Pialats LOULOU. Ein Double-Feature,
wie es so schnell kein zweites gibt.
25.10., 1 h, Gartenbaukino
4.11., 20.30 h, Gartenbaukino
XIA NU (A TOUCH OF ZEN)
UNE HISTOIRE AMÉRICAINE
(STUBBORN)
Eine Etage tiefer wurde eine junge
Frau ermordet. Patrascu hat den
Täter gesehen, doch er hält sich raus
und schweigt. Aber damit ist die
Sache noch lange nicht beendet. Denn
Patrascu hat außer der echten Leiche
auch eine sprichwörtliche im Keller:
sein Gewissen. Und das kitzelt ausgerechnet der Täter beständig. Muntean konzentriert sich in minimalistischen Einstellungen auf seinen faszinierenden Anti-Helden und baut
eine ungeheure Spannung auf. UN
ETAJ MAI JOS ist ein weiteres, meisterliches Exempel dieser reduzierten,
dafür umso eindringlicheren rumänischen Filme, die seit einiger Zeit
die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
In Anwesenheit von Radu Muntean.
2.11., 20.30 h, Urania
3.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
UN JEUNE POÈTE (A YOUNG POET)
F 2014, 71 Min, OmeU
R: Damien Manivel, D: Rémi Taffanel, Enzo
Vassallo, Léonore Fernandes, Denis Taffanel
Wie wird man eigentlich Dichter?
Rémi nämlich hat sich vorgenommen, die Welt mit kunstvollem Verseschmieden zu betören, seinem
Leben jenen Sinn zu verleihen, der
in die Unsterblichkeit mündet, idealerweise. Zunächst aber gilt es zu
dichten, und daran hapert es – derzeit noch. Auch in der zum Behufe
der Inspiration aufgesuchten Hafenstadt an der Mittelmeerküste und
am Grabe des Vorbilddichters mag
die Muse nicht küssen. Was tun? UN
JEUNE POÈTE kann, je nach Stimmung, ein Festival der Hochkomik
sein oder eine heiter-melancholische
Kontemplation des Scheiterns. So
F 2015, 87 Min, OmeU
R: Armel Hostiou, D: Vincent Macaigne,
Kate Moran, Sofie Rimestad, Jimmy DeRoth
Vincent Macaigne, der beautiful loser
des französischen Kinos, gibt wieder
einmal seine Paraderolle des hoffnungslos Liebenden. In UNE HISTOIRE AMÉRICAINE will er seine
nach Brooklyn ausgewanderte ExFreundin Barbara mit allen Mitteln
zurückgewinnen. Daraus entwickelt
sich ein nervenzerrendes Psychodrama, interpunktiert von langen
Schwenks über das Hochhäusergewirr von New York und Blitzlichtern
aus dem Nachtleben. Irgendwann
sagt Barbara resigniert: «Du ermüdest
mich mehr, als dass du mich zum
Lachen bringst.» Aber diesem Ermüdungsprozess zuzusehen, verschafft
ein gewisses perverses Amüsement.
In Anwesenheit von Armel Hostiou.
23.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
24.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
VALLEY OF LOVE
F 2015, 93 Min, OmdU
R: Guillaume Nicloux, D: Gérard Depardieu,
Isabelle Huppert, Dan Warner, Aurélia
Thiérrée
Er sei, so die etwas strenge Isabelle
zu Exmann Gérard, doch ziemlich
fett geworden. Die beiden sehen
einander nach langer Zeit in einem
Touristenort in der amerikanischen
Wüste wieder. Sie folgen dem Wunsch
ihres gemeinsamen Sohnes, der sich
das Leben genommen hat. Auch wenn
VALLEY OF LOVE ein wenig konstruiert wirkt, ein paar erzählerische
Schwächen hat und den «Cahiers du
cinéma» nicht konveniert, so ist das
semidokumentarische Kammerspiel
in der Wüste ein singulärer Kinomoment, das erste filmische Wiedersehen von Isabelle Huppert und
Taiwan 1971, 180 Min, OmeU
R: King Hu, D: Hsu Feng, Shih Chun, Bai Ying
Ach, würde sein Leben doch etwas
aufregender verlaufen! Als der neugierige Gelehrte Gu in dem verlassenen Fort am Rande des kleinen
Dorfes auf die junge schöne Schwertkämpferin Yang trifft, ist es vorbei
mit der Langeweile. Und uns zieht er
gleich mit hinein in sein Abenteuer
aus Licht, Farbe und Bewegung, gemalt auf einer unendlichen Leinwand.
Und gemeinsam mit ihm kommen
wir aus dem Staunen nicht mehr heraus über schwerelose Helden im fulminant choreografierten Gewirbel der
Körper und zartschwebenden Netz
der Gefühle. XIA NU ist ein Meilenstein des Wuxia-Genres und ein Meisterwerk King Hus und nunmehr endlich strahlend restauriert zu sehen.
31.10., 23 h, Gartenbaukino
XIU CHUN DAO (BROTHERHOOD OF BLADES)
China 2014, 111 Min, OmeU
R: Lu Yang, D: Chang Chen, Wang Qianyuan,
Ethan Li, Zhou Yiwei
Intrigen, Verschwörungen und Verrat
befeuern so manchen zu Zeiten der
Ming-Dynastie angesiedelten WuxiaFilm. Auch diesen. Shen, Lu und
Yichuan stehen zwar in Diensten der
kaiserlichen Geheimpolizei auf renommierten Posten, doch reicht der
Verdienst nicht hinten und nicht
vorne und für Luxus schon gleich gar
nicht. Der Traum vom etwas bequemeren Leben motiviert die Freunde
zu immer gefährlicheren Unternehmungen, die Lu Yang mit der passend
explosiven Energie in Szene setzt.
Das Heldentum von dermaleinst
allerdings hat in der hier geschilderten von Korruption zerfressenen
Welt keinen Platz mehr; erstaunlich:
ein Schwertkampffilm noir.
24.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
4.11., 23 h, Gartenbaukino
19
Dokumentarfilme
A POEM IS A NAKED PERSON
AUS DEM NICHTS (OUT OF THE VOID)
BEHIND JIM JARMUSCH
USA 1974/2015, 90 Min, OF
R: Les Blank
Leon Russell galt in den 60er und 70er
Jahren als der «ultimate rock ’n’ roll
session man», war aber auch als Solokünstler mit Zylinder und rostiger
Stimme zwischen Country, Blues und
Gospel erfolgreich. Les Blank verwurzelte den Musiker mit überwältigenden Naturaufnahmen und präzisen
Milieustudien tief in jenem amerikanischen Hinterland, dem er ursprünglich entstammte. Aufgrund eines Zerwürfnisses der Protagonisten konnte
der Film jedoch nicht fertiggestellt
werden. Dies gelang erst Blanks Sohn
Harrod, der damit einen Spruch falsifizierte, der noch vor wenigen Jahren
kursierte: «Perhaps the greatest film
about rock ’n’ roll that you will likely
never see.»
A 2015, 90 Min, OmdU
R: Angela Summereder
Eine neue Welt braucht eine neue
Wissenschaft. In den 1920er Jahren
fielen Carl Schappelers Forschungen
zur Energiegewinnung aus Raumkraft
auf geistesgeschichtlich fruchtbaren
Boden, naturwissenschaftlich-technisch ging die Saat jedoch nicht auf.
Dieser vielschichtige und klug konzipierte Film geht zunächst historiografisch einer spinnerten Idee nach,
schlägt dann den Bogen in die Gegenwart und fragt bei Experimentalphysikern und Ingenieuren nach. Während in Aurolzmünster die Geister
der Vergangenheit raunen, beugen
sich in Indien stolze Forscher über
wilde Maschinen. Wir erinnern uns
an Tesla, der wurde auch verkannt.
F 2011, 52 Min, eOF
R: Léa Rinaldi
Der Kultregisseur gestattete der französischen Filmemacherin Léa Rinaldi,
ihn bei der Arbeit an seinem Spielfilm
THE LIMITS OF CONTROL in Sevilla
mit der Kamera zu begleiten und zu
interviewen. Die Dokumentation fasziniert vor allem durch eine exquisite Kadrage mit sorgfältig komponierten Großaufnahmen von Händen, Gesichtern und Gerätschaften. Jarmusch
wirkt nicht wie ein Kino-Diktator,
sondern eher wie ein cooler Beobachter, der durch seine pure Präsenz
kreative Prozesse in Gang setzt. Er
selbst definiert seine Rolle allerdings
aktiver: «I try to be patient, very,
very hard. And then I explode.»
In Anwesenheit von Harrod Blank
(Produzent).
26.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
27.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
AND WHEN I DIE, I WON'T STAY DEAD.
prOpOSiTiOnS
BOB KAUFMAN, POET
USA/P 2015, 89 Min, OF
R: Billy Woodberry
Woodberry, eine Legende des black
american cinema, setzt hier dem BeatPoeten Bob Kaufman ein Denkmal.
Der «afroamerikanische Rimbaud»
war stark vom Jazz seiner Epoche beeinflusst und übersetzte die fiebrigen
Rhythmen des BeBop in Verszeilen,
die wie atemlose Improvisationen
wirken. Der längst verstorbene Kaufman, der ein hartes Leben zwischen
Armut, Sucht und Gefängnis führte,
wird im Spiegel von Zeitzeugenberichten und Rezitationen noch einmal
in seiner sinistren Glorie und seinem
politischen Furor erlebbar: «Mein
Kopf ist eine knochige Gitarre,
bespannt mit Zungen, gezupft mit
Fingern und Nägeln.»
In Anwesenheit von Billy Woodberry.
23.10., 20.30 h, Urania
24.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
20
In Anwesenheit von Angela Summereder,
Othmar Schmiderer (Produzent) und
Mitgliedern des Teams.
28.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
29.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
In Anwesenheit von Léa Rinaldi.
Mit TRAVELLING AT NIGHT WITH
JIM JARMUSCH
31.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
5.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
BEI XI MO SHOU (BEHEMOTH)
BATTLES
B/NL 2015, 88 Min, OmeU
R: Isabelle Tollenaere
«Wo der Kampf aussetzt, verschwindet zwar das Seiende nicht, aber
Welt wendet sich weg.» Nach diesem
Heidegger-Zitat geht BATTLES ohne
weiteren Kommentar in die entgegengesetzte Richtung. Er wendet sich,
visuell souverän, Orten zu, deren
Verbindung zu vergangenem oder –
im Falle der Bunker Albaniens –
imaginärem Kriegsgeschehen spürbar, sichtbar, hörbar bleibt. Während
in Belgien unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen Granaten aus
dem 2. Weltkrieg detonieren, entste-
hen in Russland aufblasbare Kampfbomber in Lebensgröße. Und was geschieht da wirklich in den verlassenen Kasernen des Baltikums? Nicht
immer will man es so genau wissen.
In Anwesenheit von Isabelle Tollenaere.
26.10., 18 h, Urania
27.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
China/F 2015, 94 Min, OmeU
R: Zhao Liang
Wie eine Nachricht von einem anderen Stern wirkt BEI XI MO SHOU.
Verstörend und eindrucksvoll zeigt
die Dokumentation die erschreckende Ausbeutung und Vernichtung der
Ressource Natur und der Ressource
Mensch im Riesenreich China. Am
Beispiel einer riesigen Kohlenmine
entsteht das Bild einer apokalyptischen Welt, einer Natur, die aussieht,
als hätte man ihr die Farben entzogen. Menschen arbeiten Gespenstern gleich am eigenen Untergang.
In solcher Monumentalität und
Eindringlichkeit hat selten ein Film
beschrieben, wie der Mensch zugleich Reichtum akkumuliert und
sein eigenes Dasein zutiefst in
Frage stellt.
23.10., 23 h, Urania
31.10., 23 h, Urania
JE SUIS LE PEUPLE
BEYOND ZERO: 1914–1918
USA 2014, 41 Min, kein Dialog
R: Bill Morrison
Das Material ist während des Ersten
Weltkrieges mit kriegerischen Vorgängen (Marschieren, Kämpfen, Zerstören) belichteter 35mm-Nitratfilm.
Den Score kreierte die serbische
Komponistin Aleksandra Vrebalov
unter der thematischen Maßgabe der
Auseinandersetzung zwischen Kunst
und Gewalt; das Kronos Quartett
spielt und die Montage besorgt mit
Morrison ein Meister des experimentellen Umgangs mit Dokumenten.
Die mitunter massiven Beschädigun-
THE BLACK PANTHERS:
VANGUARD OF THE REVOLUTION
USA 2015, 116 Min, OF
R: Stanley Nelson
Oakland 1967, nicht Ferguson 2015:
Lederjacken und Sonnenbrillen, Militärbaretts und offen zur Schau gestellte Waffen gegen rassistische Polizeiwillkür. Auf dem Höhepunkt ihres
Einflusses als «größte Bedrohung der
nationalen Sicherheit» eingestuft,
bildeten die militanten Inszenierungsstrategien der Panthers den sozialrevolutionären Kontrast zur schwarzen
Bürgerrechtsbewegung – bis zur
späteren Unterwanderung durch das
FBI. Umrahmt von einem süffigen
Politsoul-Soundtrack und mühsam
aufgespürten Archivszenen erzählen
BLA CINIMA (STRAIGHT FROM THE STREET)
F/Algerien 2014, 82 Min, OmeU
R: Lamine Ammar-Khodja
Ein mit staatlichen Geldern renoviertes Kino in einem Land, wo das Kino
kaum noch eine Rolle spielt. Selbst die
Popcorn-Stände sind nach draußen
abgewandert. Die Kamera verlässt
den öden Saal und begibt sich zu
einem belebten Vorplatz, auf dem die
Rentner politisieren und die Jüngeren
sich über ihre Zukunftsaussichten
nur wenig Illusionen machen. Ein
kluger Schachzug: Aus dem Abgesang auf die verschwindenden
Leinwände wird unversehens eine
dokumentarische Agora unter freiem
Himmel, ein vielstimmiger Mikrokosmos der algerischen Gesellschaft.
Inmitten des Gewusels der stoische
Jungregisseur mit seinem stets aufnahmebereiten Mikrofonpuschel.
5.11., 18 h, Urania
© Stephen Shames
gen des Materials korrespondieren
mit der Musik ebenso wie diese mit
der Vernichtung korrespondiert, die
die Bilder zeigen. Ein dreistimmiger
Kanon über das Vergehen der Zeit
und den immerwährenden Krieg.
Mit LE PAYS DÉVASTÉ
3.11., 16 h, Metro, Historischer Saal
überlebende Mitglieder der «Black
Panther Party for Self Defense» erstmals ihre Version der Ereignisse.
24.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
3.11., 11 h, Metro, Historischer Saal
LA BRAISE LES CENDRES
(THE EMBER THE ASHES)
F/Argentinien/CH/RUS/Mongolei 2015,
61 Min, spanOmeU
R: Nicolas Azalbert
Der Film des französischen Kritikers
und Filmemachers Azalbert wagt
eine fantasievolle, sinnliche und zugleich höchst konkrete Reise entlang
der Texte des legendären, avantgardistischen Schriftstellers Blaise
Cendrars. Keine cinephile Etude in
Sachen Kino, sondern die spielerische
Erkundung der Länder und Städte
dieser Welt, der Nacht und der
Wälder, der Bars und der Plätze, der
Straßen von Buenos Aires und der
Ebenen Sibiriens. Immer in Bewegung wird das Kino selbst zum Mittel
des Entdeckens, überlagert, durchkreuzt, ergänzt durch die im Off
gesprochenen Worte einer freien,
assoziativen, poetischen Literatur.
In Anwesenheit von Nicolas Azalbert.
25.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
26.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
BREAKING A MONSTER
USA 2014, 93 Min, OF
R: Luke Meyer
Die Versuchsanordnung ist bizarr:
Auf der einen Seite die Heavy-MetalBand «Unlocking the Truth», eine
Gruppe afroamerikanischer Teenager, die, wie einer der Musiker sagt,
zu jung sind, um Verantwortung zu
übernehmen. Auf der anderen der
alte, mit allen Wassern gewaschene
Musikmanager Alan Sacks, dessen
natürliches Habitat die BusinessSuite ist und der für seine Klienten
einen Millionen-Dollar-Kontrakt aushandelt. Der Film konzentriert sich
auf die emotionalen Verwirbelungen
der ungleichen Parteien und ist mit
seinen kommunikativen Turbulenzen eine Art zeitgenössisches Gegenstück zum Metallica-Psychodrama
SOME KIND OF MONSTER.
1.11., 23 h, Urania
2.11., 13 h, Gartenbaukino
CENSORED VOICES
Israel/D 2015, 84 Min, OmeU
R: Mor Loushy
Keine zwei Wochen nach Beendigung
des Sechstagekrieges und selbst erst
wieder Zivilist, nahm der heute
berühmte Schriftsteller Amos Oz im
Sommer 1967 die unmittelbaren
Kriegseindrücke junger Soldaten,
Kibbuzim wie er selbst, auf Band auf.
Man ging in einen als überlebensnotwendig erkannten Krieg und kam
21
Dokumentarfilme
drängenden Schnittfolgen – ein ästhetisches Aufbegehren der Jüngeren
gegen den sie umgebenden Dämmerzustand. Das Gesicht der Mutter
wie versteinert, und doch glaubt
man ihr, wenn sie sagt, in ihrem eigenen Haus, dem zerbombten, habe
sie sich wie eine Königin gefühlt.
4.11., 21 h, Metro, Historischer Saal
nach einigen Tagen als dauerhafte
Besatzungsmacht zurück. Den vollen
Wortlaut dieser nachdenklichen,
zweifelnden und auch über sich
selbst erschrockenen Stimmen
wollte und sollte über Jahrzehnte
niemand hören. Bis jetzt. Sie sei
«naiver als ein Hippie-Blumenmädchen», sagt die Presse der israelischen Siedlerbewegung über die
junge Regisseurin. Wirklich?
2.11., 23 h, Urania
4.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
CLAUDE LANZMANN:
SPECTRES OF THE SHOAH
GB/Kanada 2015, 40 Min, OmeU
R: Adam Benzine
Als Claude Lanzmann 1985 nach langer Arbeit seinen epochalen Film über
die Vernichtung der europäischen
Juden fertigstellen konnte, fand er
sich verwandelt. Aus dem wortgewandten Pariser Intellektuellen,
engem Freund von Sartre und Liebhaber von Simone de Beauvoir, war
durch die jahrzehntelange Beschäftigung mit den Mechanismen der NaziTodesmaschinerie ein suizidgefährdeter, fast gebrochener Mann geworden: «SHOA ist kein Film über jüdische Überlebende, es ist ein Film über
den Tod.» Ihm, einem Überlebenden,
ist dieses hochkonzentrierte Porträt
eines Neunzigjährigen aus der Hand
eines viel Jüngeren gewidmet.
CONTRE-POUVOIRS
(CHECKS AND BALANCES)
Algerien/F 2015, 97 Min, OmeU
R: Malek Bensmaïl
Die Tageszeitung El Watan gilt in
Algerien als Speerspitze der Verteidigung der Demokratie. Ein eigenes
Redaktionsgebäude soll nun ein
Symbol ihrer Unabhängigkeit werden.
Während die Journalisten dessen
Fertigstellung erwarten, verschärfen
sich die politischen Debatten in der
Redaktion. Denn der angeschlagene
Präsident Bouteflika strebt im Wahlkampf 2014 nach einer vierten Amtsperiode. Bensmaïls zurückhaltende
Kamera schaut einfach nur zu: auf
der geschäftigen Baustelle des neuen
Gebäudes wie auf der heißumkämpften Baustelle der Pressefreiheit und
Demokratie in der Redaktion.
In Anwesenheit von Malek Bensmaïl.
3.11., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
4.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
Syrien/Libanon 2015, 98 Min, OmeU
R: Sara Fattahi
Großmutter, Mutter und die filmende Enkelin in einer äußerlich noch
heilen Wohnung in Damaskus, wo
sich der Krieg längst tief in die Seelen der Bewohnerinnen eingesenkt
hat. Kaffeetrinken, Rauchen, Beten,
endlose Soaps und Lageberichte im
TV: Dem inneren Belagerungszustand begegnet die Kamera mit einer
delikaten, intimen Poetik der Ermattung, jäh unterbrochen von heftigen,
wie aus dem Unbewussten herauf22
CUERPO DE LETRA (EMBODIED LETTERS)
Argentinien 2015, 77 Min, OmeU
R: Julián d’Angiolillo
Farbverschmierte Pick-Up Trucks
wie aus dem Fuhrpark eines Jackson
Pollock, beladen mit Leim und
Sprühpistolen. Gespenstisch leuchten die illuminierten Pinsel des im
Akkord arbeitenden Graffiti-Prekariats auf den Betonwänden der Stadtautobahnen, die den Parteien im
Wahlkampf als transitorische Flächen
ihrer allnächtlich übermalten Parolen dienen. Eine fantasmatisch-unbehauste Welt im Neonlicht, die von
Eze und seinen Kumpels nicht nur
gegen rivalisierende Schriftbrigaden
verteidigt werden muss. Neues argentinisches Dokumentarkino in Hochform – unbehauen, Augen öffnend.
5.11., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
DREAMCATCHER
GB 2015, 104 Min, OF
R: Kim Longinotto
COUNTING
USA 2015, 111 Min, OF
R: Jem Cohen
In Anwesenheit von Adam Benzine.
23.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
26.10., 15.30 h, Urania
COMA
Suche nach einer Welt, die im Begriff
ist, sich selbst abhanden zu kommen.
In Anwesenheit von Jem Cohen.
24.10., 21 h, Metro, Historischer Saal
25.10., 15.30 h, Urania
Jem Cohen, bekannt geworden durch
seine filmischen Kollaborationen mit
Rockmusikern, betätigt sich hier in
15 Kapiteln als globaler Cine-Flaneur
zwischen New York und Moskau,
zwischen Porto und Istanbul, der
alles, was der Fall ist, in intensiven
Bildern und mit abrupten Schnitten
dokumentiert. Der Vergleich zu Chris
Marker liegt nahe, doch wo der verstorbene Meister des elaborierten
Filmessays seine Arbeiten durch intellektuelle Kommentare anreicherte,
erzählt Cohen fast nur mit Bildern
und Tonaufzeichnungen: Der Mann
mit der digitalen Kamera auf der
Zwischen ihren Einsätzen auf den
nächtlichen mean streets von Chicago
und der Betreuung junger Frauen, die
sich in einem Teufelskreis von Prostitution, Gewalterfahrungen und Drogensucht aufzureiben drohen, findet
Brenda Myers-Powell gerade noch
die Zeit, sich für ein Exemplar aus
ihrer imposanten Perückensammlung zu entscheiden. Die ehemalige
Sexarbeiterin macht sich und anderen nichts vor und arbeitet doch unermüdlich daran, einen Weg aus
Selbstzerstörung und Fremdbestimmung aufzuzeigen. Statt dem genretypischen Wunsch nach dramatischer
Zuspitzung eröffnet die ernüchternde Wiederholung individuellen Erlebens den Blick auf den Skandal
strukturell reproduzierter Gewalt.
In Anwesenheit von Kim Longinotto.
30.10., 18 h, Urania
31.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
LES FORÊTS SOMBRES (DARK FORESTS)
HEART OF A DOG
F/RUS 2014, 52 Min, russOmeU
R: Stéphane Breton
Am Ende von allem, im hinterletzten
Winkel des südlichen Sibirien fristen
ein paar verkrachte Existenzen ein
kümmerliches Dasein. Manchmal
treffen sie sich, um Neuigkeiten und
Gerüchte auszutauschen, in erster
Linie aber, um sich gemeinsam zu
besaufen. Die Bilder ihres kargen
Lebens in gleichgültig spektakulärer
Landschaft stehen in einem Spannungsverhältnis zu dem von Denis
Lavant gesprochenen Voice-over.
Allein der Klang der Stimme verleiht
den Bildern romanhafte Qualität.
Auch die mit einem Mal einsetzende
majestätische Musik zieht die nüchtern aufgezeichneten Sachverhalte
ins Fiktive. Etwas Drittes entsteht:
die lyrische Überhöhung menschlicher Daseinsmühen.
USA 2015, 75 Min, OF
R: Laurie Anderson
Laurie Anderson ist Musikerin, Performanceartistin, Schriftstellerin,
Malerin und eine höchst originelle
Filmemacherin. HEART OF A DOG
ist im Grunde die Geschichte ihres
treuen Hundes Lolabelle. Zugleich
aber ist Lolabelle ein Bild der Welt:
Er ist das Lebendige schlechthin,
die Erinnerung, die Gegenwart, das
Glück und der Verlust. Gemischt
werden Andersons Musik, Super-8Aufnahmen aus ihrer Kindheit,
Dokumentarisches und Fiktives,
27.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
IL GESTO DELLE MANI (HAND GESTURES)
I 2015, 80 Min, OmeU
R: Francesco Clerici
Am Ende kommt der faule Hund in
die Kammer. Wird einsortiert in eine
Jagdmeute, gegossen in Bronze in
der Fonderia Artistica Battaglia, die
1913 in Mailand gegründet wurde
und eine der ältesten und bedeutendsten Kunstgießereien Italiens
ist. Die Entstehung dieses Hundes
zeigt dieser Film. Wir sehen die Arbeit der Hände, folgen Bewegungen,
die seit über hundert Jahren von
Arbeiter zu Arbeiter weitergegeben
werden und die von handwerkli-
chem Können und von stolzgeprägter Sorgfalt zeugen. Der Prozess des
Schaffens entwickelt, aufgelöst ins
Gestische, seine eigene Poesie des
Konkreten: Die Arbeit der Hände, sie
ist der älteste Zugang des Menschen
zur Welt.
In Anwesenheit von Francesco Clerici und
Martina DeSantis (Ko-Drehbuchautorin).
2.11., 16 h, Metro, Historischer Saal
4.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
Animation und Stimme. Und wer es
ahnen mag, spürt, wie sie von jenem
Menschen erzählt, den sie vor nicht
allzu langer Zeit verloren hat, ihren
Mann Lou Reed: «Every lovestory is
a ghoststory.»
25.10., 13.30 h, Gartenbaukino
3.11., 23 h, Gartenbaukino
HOTLINE
Israel/F 2015, 99 Min, OmeU
R: Silvina Landsmann
Hotline ist eine im Wesentlichen von
Frauen betriebene NGO, die sich in
Israel um Flüchtlinge und illegale
Immigranten kümmert. Die Gesetzeslage diesen gegenüber ist kompromisslos und treibt viele Hilfesuchende in die Illegalität. Umso wichtiger ist jede Form von zivilgesellschaftlicher Initiative. Wie schwer
die Arbeit von Hotline ist, wie willkürlich ihr begegnet wird, ist gerade
in einem Staat wie Israel mit seiner
langen Geschichte von Flucht und
Vertreibung unverständlich und im
Grunde skandalös. Landsmann ermöglicht Einblicke in eine wenig bekannte Problematik, ihre Arbeit ist
zugleich Zeugnis für den Mut und
das Engagement Einzelner.
In Anwesenheit von Silvina Landsmann.
24.10., 18 h, Urania
25.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
HOW TO SMELL A ROSE: A VISIT
WITH RICKY LEACOCK IN NORMANDY
USA 2014, 65 Min, OF
R: Les Blank, Gina Leibrecht
Exzellent kochen konnten beide, und
beide zählen zu den bedeutendsten
Vertretern des US-Dokumentarfilms
des 20. Jahrhunderts. Les Blank
(1935–2013), der filmende Gourmet
aus den Südstaaten, besucht seinen
in Frankreich lebenden Kollegen Richard Leacock (1921–2011), der sich
derweil am Herd um den Pot-au-feu
kümmert. Das Handwerk des Lebens,
Liebens, Filmens und des Kochens,
erfahrungsgesättigt durchgenommen
von zwei lebenslangen Individualisten, die für ihr je eigenes soulfood
keine vorgefertigten Rezepte benötigten. Kann man Filmemachen eigentlich lernen? – «Kann man denn
das Riechen an einer Rose lernen?»
In Anwesenheit von Harrod Blank
(Produzent).
Mit HAPPY MOTHER’S DAY
24.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
25.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
I DON’T BELIEVE IN ANARCHY
RUS 2015, 73 Min, OmeU
R: Natalia Chumakova, Anna Tsyrlina
Schon lange vor Pussy Riot gab es
in Russland respektive der Sowjetunion rebellische Hardcore-Punks,
die ohne Rücksicht auf Verluste
provozierten. ZDOROVO I VECHNO
porträtiert die sibirische Gruppe
Grazhdanskaya Oborona (= zivile
Verteidigung) und ihren charismatischen Sänger Yegor Letov in den
Jahren 1985 bis 1990 und spiegelt
auf der visuellen Ebene mit rohem
Archivmaterial und schmucklosen
Schwarzweiß-Aufnahmen den ungehobelten Sound der Band. Ein grobkörniger Kataklysmus aus Bild und
Ton, in dem GrOb immer wieder mit
der Staatsmacht zusammenkrachen
und mit unerbittlicher Konsequenz
ihr künstlerisches und politisches
Programm realisieren.
26.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
5.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
23
Dokumentarfilme
IN JACKSON HEIGHTS
JACO
USA 2015, 190 Min, OmeU
R: Frederick Wiseman
Gentrifizierungsalarm in New Yorks
multikulturellem Viertel Jackson
Heights, wo Einwanderer in Jahrzehnten eine auf Toleranz gegründete Nachbarschaft geschaffen haben.
Schwule Senioren treffen sich im jüdischen Gemeindezentrum, Latinos
sehnen sich nach legalem Aufenthaltsstatus, Geschäftsmieten explodieren. Auch in seinem 40. Film
bleibt Wiseman seiner Methode des
genauen Hinsehens treu und gibt
seinen Protagonisten die Zeit, ihre
Sache, die keine geringe ist, zu vertreten. Hinter dem Geflecht von lokalen
Geschichten und Gesichtern steht
USA 2014, 110 Min, OmdU
R: Paul Marchand, Stephen Kijak
«Gestatten, ich bin der beste E-Basspieler der Welt.» Mit diesen Worten
stellte sich der junge Jaco Pastorius
einst Joe Zawinul, dem Chef der Fusion-Band Weather Report vor. Die vermeintliche Hochstapelei entpuppte
sich als Wahrheit: Mit seinem vollen,
runden Ton, dem raffinierten Akkordspiel und rasenden Läufen in
der Tradition von Charlie Parker revolutionierte Pastorius den E-Bass
wie niemand zuvor oder danach. Der
Film mischt 8mm-Heimaufnahmen,
Interviews und Konzertmitschnitte
und spart auch Niedergang und frühen Tod nicht aus. Die zentrale Botschaft formuliert Basskollege Juan
Alderete bündig: «Wir alle sagen, er
ist unser Jimi Hendrix.»
unübersehbar das politische System
der USA und die Zukunft New Yorks
als Melting pot auf dem Prüfstand.
29.10., 11 h, Gartenbaukino
Nobelpreisträger Orhan Pamuk von
einer leidenschaftlichen und unglücklichen Liebe im Istanbul der
1970er Jahre. 2012 entwirft er in
einem Haus in Istanbul ein Museum,
das Fotos, Erinnerungsgegenstände
und Dokumente versammelt, die aus
der Welt des Buches stammen. Eine
faszinierende, fetischistische und
imaginäre Parallelwelt, die in diesem
großartigen Essayfilm noch weiter
getrieben und zu einer kinematografischen Geschichte und Behauptung
erweckt wird. Eine Art «Vertigo von
Istanbul».
In Anwesenheit von Grant Gee.
23.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
24.10., 13 h, Gartenbaukino
IRIS
USA 2014, 80 Min, OF
R: Albert Maysles
IN TRANSIT
USA 2015, 76 Min, OF
R: Albert Maysles, Lynn True, Nelson Walker,
David Usui, Ben Wu
Eine dreitägige Zugfahrt durch den
Nordwesten der USA im legendären
«Empire Builder» von Chicago nach
Seattle. Aus anfangs vignettenhaften
Begegnungen werden allmählich bewegende Momentaufnahmen der
amerikanischen Seelenlandschaft –
die Reisenden fast allesamt auf der
Suche nach Neuanfang, Versöhnung,
Introspektion. In North Dakota steigen die Glücksritter des Fracking
aus, der alkoholkranke, traumatisierte Ex-Marine bleibt sitzen. Für ihn
werde es wohl die letzte große Fahrt
sein, sagt er zu dem 90-jährigen Regisseur Albert Maysles, für den dieser facettenreiche Soultrain selbst
die letzte seiner vielen kinematografischen Reisen war.
27.10., 18 h, Urania
INNOCENCE OF MEMORIES
GB/IRL/I/TR 2015, 97 Min, OmeU
R: Grant Gee
In seinem Roman «Das Museum der
Unschuld» erzählt der türkische
24
Merkwürdig, wie rundum angepasst
doch viele der jüngeren Generation
heutzutage seien, bemerkt wie nebenbei nach über neun Lebensjahrzehnten die vom fast gleich alten Albert Maysles porträtierte Iris Apfel.
Hinter abenteuerlichen Brillengestellen, umgeben von einer zuletzt von
internationalen Museen entdeckten
Kleidersammlung, feilscht die Innenarchitektin und weitgereiste fashionista immer noch noch um grelle Accessoires und spöttelt über ihre neue
Rolle als gefeiertes «geriatic model»
der Modeszene. Exzentrik und Contenance, Lebensklugheit und nimmermüde Verspieltheit. Und wie ist
das werte Befinden heute? – «Thank
you, darling, I am still vertical.»
28.10., 18 h, Urania
5.11., 11 h, Metro, Historischer Saal
1.11., 23 h, Gartenbaukino
2.11., 15.30 h, Urania
JANIS: LITTLE GIRL BLUE
USA 2015, 115 Min, OF
R: Amy Berg
Nach den Dokus über Kurt Cobain
und Amy Winehouse folgt JANIS:
LITTLE GIRL BLUE über ein weiteres
Mitglied des «Clubs der 27». Sie alle
starben mit 27 Jahren an einer Überdosis. Während AMY sich scheinheilig kritisch mit der zynischen Vermarktung der Sängerin beschäftigt,
geht JANIS mit den Dokumenten,
den Aufnahmen und Geschichten zu
Janis Joplin respektvoll und distanziert um und entwirft ein genaues,
auch trauriges Bild einer der größten
Musikerinnen der Popgeschichte. In
manchen Momenten glaubt man
fast, diese genialische Künstlerin
zum ersten Mal zu sehen und ihre
Stimme noch nie so gehört zu haben.
Am 25.10. in Anwesenheit von Amy Berg.
25.10., 23 h, Gartenbaukino
28.10., 13 h, Gartenbaukino
JE SUIS LE PEUPLE (I AM THE PEOPLE)
F/Ägypten 2014, 111 Min, arabOmeU
R: Anna Roussillon
Mubarak – Morsi – Muslimbrüder –
Militär; Januar 2011 bis Sommer
2013. Gespannt und hoffnungsvoll
verfolgen der ägyptische Bauer Farraj und seine Familie in Luxor die Ereignisse auf dem fernen Tahrir-Platz
in Kairo. Ein Zivilist an der Regierungsspitze und Demokratie scheinen plötzlich zum Greifen nah.
Umso tiefer die Enttäuschung, als erneut die Generäle die Macht über-
nehmen. Roussillon legt eine randständige Perspektive an die Ereignisse und deren allmählich immer weiter um sich greifende Wirkungen. So
entsteht eine wunderbar lebendige
und erkenntnisreiche Studie politischer Bewusstseinsbildung, die uns
zudem Farraj und die Seinen zu
Nachbarn macht.
5.11., 15.30 h, Urania
JIA ZHANGKE, UM HOMEM DE FENYANG
(JIA ZHANGKE. A GUY FROM FENYANG)
Brasilien 2014, 98 Min, OmeU
R: Walter Salles
Recht und ihre Würde. Ein Close-up
auf jenes Problem, das die EU nun
schon seit Monaten zur Kenntlichkeit entstellt.
In Anwesenheit von Jakob Brossmann und
Mitgliedern des Teams.
26.10., 20.30 h, Gartenbaukino
27.10., 15.30 h, Urania
LAST SHELTER
Der Filmemacher Jia Zhangke, inzwischen Mitte vierzig, benennt Hunger
und Armut als prägende Kindheitserinnerungen. Als Jugendlicher
fürchtete er, sein Leben in der Festungsstadt Fenyang verbringen zu
müssen, um nur wenige Jahre später
zum prononcierten Chronisten der
rasanten gesellschaftlichen Veränderungen zu werden. Er lässt seine Figuren erstmals in ihrem lokalen Dialekt sprechen, führt sie an Orte, die
alsbald in den Fluten gigantischer
Stauseen verschwinden werden und
seziert den neuchinesischen Alltag
als korrumpierende Einsamkeitsmaschinerie. Eine der maßgeblichen
Stimmen des Weltkinos in einem
kongenialen Kollegenporträt.
5.11., 13.30 h, Gartenbaukino
A 2015, 101 Min, OmeU
R: Gerald Igor Hauzenberger
Es ist noch in lebendiger Erinnerung,
dass vor nicht allzu langer Zeit eine
Gruppe von Asylwerbern die Votivkirche besetzte, um auf ihr Schicksal
aufmerksam zu machen und die drohende Abschiebung zu verhindern.
Von großem medialem Echo begleitet, harrten die Menschen in der Kirche aus. Aber was wurde eigentlich
aus ihnen? Was geschah damals?
Und danach? Diesen Fragen geht
LAST SHELTER beschreibend, erinnernd und recherchierend nach und
schlägt einen Bogen von den damaligen Geschehnissen zur aktuellen, sogenannten Flüchtlingskrise. Und er
stellt die Frage, wessen Krise das
eigentlich ist?
In Anwesenheit von Gerald Igor
Hauzenberger und Mitgliedern des Teams.
24.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
26.10., 18 h, Gartenbaukino
LEONE, MÈRE & FILS
(LEONE, MOTHER & SON)
LAMPEDUSA IM WINTER
A/I/CH 2015, 93 Min, OmeU
R: Jakob Brossmann
Der Titel deutet es an: Die italienische Insel, 110 Kilometer vor der tunesischen Küste gelegen und häufig
das erste Ziel für afrikanische Flüchtlinge, die Europa erreichen wollen,
ist im Winter ein besonders tristes
Terrain. Die Dokumentation zeigt in
hoher Verdichtung eine klaustrophobische Situation in einer kontaminierten geopolitischen Zone: Die Einwohner von Lampedusa sind überfordert vom permanenten Andrang
und von einer allgemeinen Mangelsituation, die Asylsuchenden wiederum kämpfen verzweifelt um ihr
F 2014, 40 Min, OmeU
R: Lucile Chaufour
Eine einfache Brasserie in der Pariser Peripherie irgendwann noch vor
der Einführung des Euro. Hier bekocht und neckt die dralle, wasserstoffblonde Leone unter den ödipalen Blicken ihres geliebten, analpha-
betischen Sohnes eine Gästeschar,
die wie sie selbst direkt einem Film
aus den Fünfzigern entsprungen
scheint. Ganz heutig hingegen hinter
dem grobkörnigen Schwarzweiß die
hochbewegliche, zugewandte Kamera von Lucile Chaufour, die in ihren
Filmen aus ihrer Nähe zu den sogenannten kleinen Leuten noch nie
einen Hehl gemacht hat.
In Anwesenheit von Lucile Chaufour und
Bernhard Braunstein (Ton).
Mit L’AMERTUME DU CHOCOLAT
26.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
28.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
DAS LICHT DER WELT
D 2015, 86 Min, OmeU
R: Klaus Wyborny
Es beginnt im Stadtkino, bei der
Weltpremiere von STUDIEN ZUM
UNTERGANG DES ABENDLANDES.
Klaus Wyborny präsentiert seinen
Film und filmt die Vorführung im
Saal, den Film auf der Leinwand, den
Raum, das Publikum, das Licht. Er
wiederholt das in sieben Städten der
Welt, überlagert, verschiebt, verkantet diese Lichtbilder zu einem neuen
Film. Das Ding sieht gut aus und ist
vielleicht als eine Art Schwanengesang auf die klassische Filmvorführung zu verstehen, schrieb Wyborny
an seinen Freund Harun Farocki.
Inzwischen ist Harun tot und das
alte Stadtkino geschlossen. Und
Wyborny wieder in Wien mit DAS
LICHT DER WELT.
In Anwesenheit von Klaus Wyborny.
29.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
30.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
THE LOOK OF SILENCE
DK/NO/FIN/Indonesien/GB 2014,
104 Min, OmdU
R: Joshua Oppenheimer
Joshua Oppenheimer hat parallel zu
den verstörenden Täterporträts von
THE ACT OF KILLING (2012), in dem
er von den politisch motivierten,
hunderttausendfachen Massenmorden nach dem indonesischen
Militärputsch des Jahres 1965 erzählte, einen Film über die Opfer
dieser Massaker gedreht. THE LOOK
OF SILENCE begleitet den Optiker
Adi, der die Mörder seines älteren
Bruders aufsucht und sie mit ihren
bis heute ungesühnten Verbrechen
konfrontiert: Dokument und Meditation über den Terror, sensibel und
atemberaubend – ein beeindruckendes, ein gültiges Werk.
23.10., 18 h, Gartenbaukino
25
Dokumentarfilme
MGA ANAK NG UNOS, UNANG AKLAT
(STORM CHILDREN, BOOK ONE)
Philippinen 2014, 143 Min, OmeU
R: Lav Diaz
Im November 2013 wütete der Taifun
Haiyan durch den Pazifikraum. Am
schlimmsten traf es die Philippinen,
wo er weite Landstriche verwüstete
und mehrere zehntausend Todesopfer forderte. Scharen von Kindern
waren plötzlich obdachlos, oft genug
Waisen. Lav Diaz beobachtet, wie sie
mit diesem neuen Leben zurechtkommen – in den Trümmern spielen,
sich Geld oder zumindest etwas zu
essen verdienen mit Arbeiten, für die
sie häufig zu klein und schwach sind,
durch den Tag kommen, irgendwie …
In Schwarzweiß, sehr lang-bedächtigen Einstellungen, voller Hoffnung,
gegen alle Vernunft. Dennoch.
25.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
MY NAME IS GARY
F 2015, 85 Min, eOF
R: Blandine Huk, Frédéric Cousseau
In den 1960ern machte die Stahlindustrie Michigans aus Gary eine der
Boomtowns der USA, eine «Stadt des
Jahrhunderts». Aus den Südstaaten
zuwandernde schwarze, ungelernte
Arbeiter, aber auch Polen, Slowaken
und Italiener veränderten die weiße
Mittelstandsstadt. 1968 die erste USGroßstadt mit schwarzem Bürgermeister, ist Gary heute eine Geisterstadt, ein Restposten kapitalistischer
Gewinnsucht. Vom rise and fall als
klassisches Americana erzählen die
Bilder der Vergangenheit und Zeugen
der Geschichte vom Heute. Und der
berühmteste Bürger der Stadt, Michael Jackson, wollte selbst irgendwann kein Schwarzer mehr sein.
Mit DETROIT OVERTURE
gibt es einige, dieser darf in seiner
psychologischen Dichte als außergewöhnlich gelten. Für den Sohn des in
Nürnberg als «Schlächter von Polen»
hingerichteten Hans Frank wurde
seine Geschichte auch eine publizistische Lebensaufgabe. Die irritierende
Figur jedoch ist der Österreicher
Horst Wächter, Sohn des Nazi-Gouverneurs von Galizien, Epizentrum des
Holocaust. Der einstige Sekretär des
jüdischen Künstlers Friedrich Hundertwasser wollte intuitiv ein nützlicher Mensch werden. Warum steigt er
heute in ödipaler Verwirrung zu den
ukrainischen Faschisten in den Jeep?
31.10., 13 h, Gartenbaukino
3.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
THE NIGHTMARE
NA RI XIAWU (AFTERNOON)
Taiwan 2015, 137 Min, OmeU
R: Tsai Ming-liang
Seit Tsai Ming-liang den Scooterboy
Lee Kang-sheng 1992 erstmals durch
die verregneten Straßenschluchten
Taipehs schickte, entfaltete sich eine
bis heute andauernde, mit Preisen
und Ruhm bedachte künstlerische
Ausnahmekonstellation. In einem
verwunschenen Zimmer sitzen sie
nun, und beider Rollen scheinen zunächst unverändert – der hochsensible Regisseur neben seiner langjährigen Muse mit Pokerface, das intime
Bekenntnisse und Todesahnungen
seines Gegenübers gleichmütig passieren lässt. Abschied vom Leben
und vom Kino oder eher doch notwendiges Inkubationsritual einer
neuen Schaffensphase? Der Viennale-Trailer lässt auf Letzteres hoffen.
26.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
30.10., 13 h, Metro, Historischer Saal
NIEMALS WIEDER IST EINE INSEL
SO WEIT WEG GEWESEN
A 2015, 64 Min, OmeU
R: Elisabeth Schlebrügge
GB 2015, 92 Min, OmeU
R: David Evans
Filme über die Gefühlswelten von
Nachkommen hochrangiger Nazis
26
USA 2014, 90 Min, OmdU
R: Rodney Ascher
Ascher war bereits mit ROOM 237 bei
der Viennale zu Besuch, der dokumentarischen Recherche über die
seltsamsten Fantasien und kruden
Verschwörungstheorien um Kubricks
THE SHINING. Nicht weniger abstrus und verstörend ist THE NIGHTMARE, die Darlegung eines psychomotorischen Phänomens, der Schlafparalyse. Dieser Zustand zwischen
Schlaf, Traum und Wachheit, in dem
der Mensch bewegungsunfähig intensive Hör- und Seherfahrungen
macht, meist bedrohlich, beängstigend, horrorfilmartig, bietet Ascher
reichlich Stoff, die Erzählungen und
Erfahrungen Betroffener in wilde,
fantasiereiche und schockierende
Bilder zu übersetzen.
29.10., 23.30 h, Gartenbaukino
4.11., 13 h, Urania
NO HOME MOVIE
31.10., 18 h, Urania
1.11., 16 h, Metro, Historischer Saal
MY NAZI LEGACY:
WHAT OUR FATHERS DID
reicher gerät seine Entdeckungsreise.
Verschiedene Inseln des Mittelmeers
werden hier vermessen, ohne Kartografie, sondern in Bildern, Texten, Erinnerungen, Zeugnissen: das Gefängnis der Faschisten, die antiken Reste,
vom Wasser überspült, vergessene
Häfen und die Ahnung von alten
Kulturen. Ein melancholischer und
ganz gegenwärtiger, sanft und steinig
und musikalisch anmutender Film
zugleich.
In Anwesenheit von Elisabeth Schlebrügge
und Kurt Mayer (Produzent).
Mit 320 FILOSOFIANA
29.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
30.10., 15.30 h, Urania
Dass das österreichische Kino immer
wieder mit eigensinnigen Überraschungen zu erstaunen vermag, dafür ist dieser Filmessay ein schöner
Beleg. Schwer zu beschreiben, wie er
gebaut ist und wovon er erzählt, umso
B/F 2015, 115 Min, OmeU
R: Chantal Akerman
NO HOME MOVIE ist eine Zumutung, sehr bewusst und verzweifelt,
ein privates Dokument einer Tochter
über ihre Mutter, ein Film über die
Endlichkeit, die Hilflosigkeit und die
Heimatlosigkeit. Und vielleicht, so
stand in einer Kritik zu lesen, ist der
Film im Grunde nicht für eine Öffent-
lichkeit bestimmt. Aber das Private,
das bis zur Schmerzhaftigkeit gesteigerte Eigene öffentlich zu machen,
ist konsequente Strategie in Akermans filmischer Arbeit. Und die Gespräche mit ihrer todkranken Mutter
sind in gewisser Weise das fast unerträgliche Ende davon.
3.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
OLMO AND THE SEAGULL
DK/Brasilien/P/S/F 2014, 85 Min, fOmeU
R: Lea Glob, Petra Costa
Jeder Spielfilm sei immer auch ein
Dokumentarfilm über seine Schauspieler, ließ Jean-Luc Godard einst
verlauten. Und was geschieht umgekehrt mit Schauspielern in einem
Dokumentarfilm über ihr Leben, bei
dem man aus dem Off die Regieanweisungen der Filmemacherinnen
hört? Das Schauspielerpaar Olivia
und Eugene erwartet unübersehbar
ein Kind, begleitet von Ängsten,
Zweifeln und emotionalen Anleihen
bei der geplatzten Traumrolle, die
der Schwangerschaft zum Opfer fällt.
Das ergibt fein verästeltes Hybridkino – sie sind, wer sie sind und
spielen sich zugleich selbst. Ganz
früher einmal hätte man gesagt:
zwischen «Fiktion und Wirklichkeit»
angesiedelt.
5.11., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
ONCLE BERNARD – L'ANTI-LEÇON
D'ÉCONOMIE (ONCLE BERNARD –
A COUNTER-LESSON IN ECONOMICS)
Kanada/E 2015, 79 Min, OmeU
R: Richard Brouillette
Unter den Opfern des Anschlags auf
das Satire-Magazin «Charlie Hebdo»
war der bekannte Ökonom und Wirtschaftsjournalist Bernard Maris, dessen radikale Analysen in der Öffentlichkeit großes Ansehen genossen.
Im Frühjahr 2000 hatte Richard
Brouillette den Autor in Paris besucht und mit Oncle Bernard, Maris’
Pseudonym, ein langes Gespräch
geführt. Witzig, genau, spielerisch
und auf höchstem Niveau analysiert
ONCLE BERNARD Mythen und
Lügen des Neoliberalismus, der
Weltfinanz und der Globalisierungstheorien, voll spannender und
erhellender Kritik an den gesamtökonomischen Verhältnissen.
In Anwesenheit von Richard Brouillette.
27.10., 15.30 h, Gartenbaukino
28.10., 13 h, Urania
PAUL SHARITS
prOpOSiTiOnS
Kanada 2015, 85 Min, OF
R: François Miron
Paul Sharits war so etwas wie der Flicker-King des nordamerikanischen
Avantgardekinos. In seinen dicht gearbeiteten, schnell geschnittenen
16mm-Filmen, die fantasmatische
Räume aufschließen und wie visuelle Kompositionen wirken, betreibt er
eine konsequente Dekonstruktion
der Parameter, die das Laufbild konstituieren. Regisseur Miron hat viele
Kollegen und Experten interviewt
und zeigt, dass Sharits, der im Alter
von 50 Jahren früh verstorben ist,
seine künstlerischen Innovationen
einer romantischen und gequälten
Seele abgerungen hat und mit zunehmenden Alter immer selbstdestruktiver operierte. Man könnte
auch sagen: Flirting with desaster.
In Anwesenheit von François Miron und
Christopher und Cheri Sharits.
Mit T.O.U.C.H.I.N.G
23.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
24.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
RABO DE PEIXE
prOpOSiTiOnS
(FISH TAIL)
P 2015, 103 Min, OmdU/OmeU
R: Joaquim Pinto, Nuno Leonel
Die globalisierte Industriefischerei
bedroht einen der ältesten Broterwerbe der Menschheit mit dem Aussterben; gefangen im Netz der EURegeln findet der freie Fischer kein
Auskommen mehr auf dem Meer.
Das zwischen 1999 und 2001 in und
um Rabo de Peixe (= Fischschwanz)
auf der Azoren-Insel São Miguel aufgenommene Material dokumentiert
die Bemühungen des jungen Pedro,
den traditionellen Beruf seiner Vorväter weiter auszüben und zeigt eine
Gemeinde am Haken der kapitalistischen Struktur: Die großen Fische
verschlingen die kleinen Fische nicht
nur auf hoher See.
28.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
(OmeU)
5.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
(OmdU)
SAG MIR MNEMOSYNE
(TELL ME MNEMOSYNE)
POSLEDNIY LIMUZIN
(THE LAST LIMOUSINE)
RUS/D 2014, 74 Min, OmeU
R: Daria Khlestkina
Mindestens so viele Katzen wie Arbeiter streifen durch das in den letzten Zügen liegende Automobilwerk
ZIL in Moskau, Produktionsstätte der
über Jahrzehnte ikonisch gewordenen Staatslimousine. Im maroden
Inneren wie unter Glas Betriebsabläufe und Sozialbeziehungen der
ehemaligen Sowjetunion, Leninbilder inklusive. Für einen vermeintli-
chen Regierungsauftrag wird ein
letztes Aufgebot qualifizierter Fachkräfte angeworben – Beginn einer
postindustriellen Tragikömödie, so
bitter wie burlesk. Gescheiterte Helden der Arbeit ohne passendes
Schuhwerk, mit Gesichtern aber,
müde und offen zugleich, die man so
bald nicht aus dem Gedächtnis entlassen wird.
24.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
1.11., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
D/GR/VAE 2014/15, 55 Min, OmdU/OmeU
R: Lisa Sperling
«Ein Zeichen sind wir, deutungslos»,
so beginnt Friedrich Hölderlins
«Mnemosyne». Als posthume Hommage für den 2009 verarmt und vergessen verstorbenen Großonkel entstanden, begibt sich Lisa Sperlings
Filmessay an jene Orte, wo der unbekannte Verwandte wirkte. Von wenigen Tagebucheinträgen ausgehend,
gelingt hier neben anderem das
Kunststück, zeitliche und emotionale Distanz in eine filmische Kontemplation über Möglichkeitsformen des
Erinnerns umzumünzen und gleichzeitig die korrupte griechische Baugesetzgebung in einem einzigen Wellenbild zu versinnbildlichen.
In Anwesenheit von Lisa Sperling.
Mit DAUGAVA DELTA
27.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
(OmdU)
29.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
(OmeU)
27
Dokumentarfilme
SALESMAN
USA 1969, 90 Min, OF
R: Albert Maysles, David Maysles, Charlotte
Zwerin
Die Brüder Maysles, Virtuosen des
direct cinema und bekannt vor allem
für die Rolling-Stones-Doku GIMME
SHELTER und die Upperclass-Innenansicht GREY GARDENS porträtieren
hier vier Vertreter, die in New England und Florida übers Land ziehen,
um unwilligen Klienten Bibeln anzudrehen. Im Film, gedreht mit überaus agiler Handkamera, verschmelzen Ethik und Ästhetik zu einem beklemmenden Close-up eines kleinen
gesellschaftlichen Ausschnittes der
USA. Die «New York Times» schrieb:
«Ein kinematografisches Wandgemälde aus Gesichtern, Worten, Motelräumen, Küchen, Straßen, Fernsehbildern und Radiomusik.»
Mit MEET MARLON BRANDO
1.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
4.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
SANTA TERESA & OTRAS HISTORIAS
(SANTA TERESA & OTHER STORIES)
Dom. Republik/USA/Mexiko 2015,
65 Min, OmeU
R: Nelson De Los Santos Aria
SEIT DIE WELT WELT IST
(SINCE THE WORLD WAS WORLD)
A/E 2015, 103 Min, spanOmdU
R: Günter Schwaiger
Man möchte sich zu Gonzalos Familie an den Tisch setzen und hausgemachten Wein und Chorizo kosten.
«Es ist eine Art zu leben, nicht
schlechter oder besser als andere»,
sagt der Kleinbauer im beschaulichen Kastilien. Freilich, die kleine
Dorfgemeinschaft wird langsam zwischen Arbeitslosigkeit und Überalterung zerrieben. Dem hält Gonzalo
Selbstversorgung, gelebte Tradition
und Naturverbundenheit entgegen.
Schwaigers Porträt des klugen Freigeists ist zugleich eine Hymne an
das ursprüngliche Spanien abseits
der Metropolen, das angesichts von
sozialem Umbruch und Wirtschaftskrise täglich ums Überleben kämpft.
In Anwesenheit von Günter Schwaiger.
27.10., 20.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
EL SILENCIO DE LA PRINCESA
(THE SILENCE OF THE PRINCESS)
Die nördliche Region Mexikos mit
Ciudad Juárez als Hauptstadt der
Gewalt schlechthin gilt als beinahe
unregierbares Gebiet im Griff brutaler Drogenkriminalität. Frei nach
einer Geschichte des Chilenen
Roberto Bolanos ist die Bordertown
im vorliegenden Film unter dem
Namen Santa Teresa eine abenteuerliche Mischung aus Realität und Fiktion und entgegen aller Erwartungen
ein geheimnisvolles, unergründliches
Babylon, ein Labyrinth aus Erotik,
Verwirrung und Gewalt, jenseits der
Klischees. Diese mutige und originelle Fiktionalisierung gibt dem Film
einen ganz eigenen Ton und eine
sehenswerte, spannende Anmutung
und Perspektive.
Mit BRUCE TAKES DRAGON TOWN
29.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
30.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
28
Mexiko 2014, 84 Min, OmeU
R: Manuel Cañibe
Diana Mariscal war eine mexikanische Sängerin und Schauspielerin,
die in den Sechzigerjahren eine
Warhol’sche Viertelstunde Ruhm
genoss. Die Dokumentation rekonstruiert das Leben der androgynen
Schönheit, die als Go-Go-Girl und
Rock’n’Roll-Ikone im Fernsehen
begann und 1968 als verkrüppelte
Hauptdarstellerin in FANDO Y LIS,
einem wüsten, surrealistischen Fiebertraum von Alejandro Jodorowsky,
ihren künstlerischen Höhepunkt erlebte. Wenig später erkrankte die
Prinzessin an Schizophrenie und zog
sich vollständig aus der Öffentlichkeit zurück. «Sie war eine Muse»,
heißt es im Film, «jemand der die gesamte Epoche repräsentierte – und
gleichzeitig seiner Zeit voraus war.»
27.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
SOBYTIE (THE EVENT)
NL/B 2015, 74 Min, OmeU
R: Sergei Loznitsa
Im August 1991 versuchen kommunistische Hardliner den damaligen
Präsidenten der UdSSR aus dem Amt
zu putschen und scheitern. Kurz darauf zerfällt die Sowjetunion, gründet sich die russische Föderation. In
Leningrad versammeln sich die Menschen auf den Straßen und Plätzen,
Informationen sind rar, die Ratlosigkeit groß; präventiv kann man ja
schon mal Barrikaden bauen und
streiken. Loznitsa montiert seinerzeit entstandenes Material mit bewährter Zurückhaltung und konzen-
triert sich auf die Gesichter; man
lernt: Im Moment ihres Geschehens
ist Geschichte banal und du und ich
sind auch durch bloßes Herumstehen daran beteiligt.
23.10., 13 h, Urania
27.10., 21 h, Metro, Historischer Saal
LA SOMBRA (THE SHADOW)
Argentinien 2015, 72 Min, OmeU
R: Javier Olivera
LA SOMBRA hat die Beziehung zwischen Erinnerung und Raum zum
Gegenstand – sowie die zwischen
Vater und Sohn. Der in Argentinien
geborene, in Uruguay lebende Filmkünstler und Fotograf Olivera nimmt
die Demontage und den Abriss der
Familienvilla zum Anlass für eine Expedition in die Vergangenheit. Ihr
Ziel ist weniger die Abrechnung mit
Fernando Ayala, dem berühmten Tycoon des argentinischen Kinos, der
Oliveras Vater war, als vielmehr die
Erkundung einer aus Super-8-Homemovies gebildeten Kindheitsblase,
die inmitten der Militärdiktatur wie
schwebend aufgehängt ist. Wie kam
es, dass niemand sie zerplatzen ließ?
27.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
STRANGE VICTORY
USA 1948, 64 Min, OF
R: Leo Hurwitz
In einer prächtig restaurierten Fassung lässt sich dieses antirassistische, formal brillante Filmpoem von
© 2015 Milestone Film & Video
1948 neu entdecken. Mit untrüglicher Intuition hält Leo Hurwitz seinem Land einen kinematografischen
Spiegel vor, in den nach dem gewonnenen Krieg aber keiner blicken
wollte: «Warum sind die Ideen des
Verlierers im Land des Siegers noch
wirksam?» Auf solche Fragen gab es
in der US-Filmwelt des Kalten Krieges als Antwort Berufsverbot, die
Schwarze Liste. Doch zu spät, denn
der Sieger in diesem ungleichen
Kampf steht fest: die physiognomische Zärtlichkeit, auf die die Kamera
sich hier gegen die Angst der Menschen voreinander verständigt hat.
2.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
STRANNYE CHASTICY (STRANGE PARTICLES)
RUS 2014, 51 Min, OmeU
R: Denis Klebleev
In seiner russischen Datscha geht
der junge Universitätsprofessor Konstantin ganz in seinem Element auf:
der Quantenphysik. Doch als er den
Sommer als Aufsichts- und Lehrpersonal in einem Feriencamp verbringt, fühlt er sich wie ein Fisch an
Land – in der sommerlich adoleszenten Welt der Jugendlichen ist wenig
Platz für seine komplizierten Theorien. Es ist rührend, wie dieser hochintelligente Mann verzweifelt versucht, einen kleinen Anknüpfungspunkt an die «klassische Welt», wie
er sie nennt, zu finden. Und der einzige, der sich bietet, scheint ausgerechnet Céline Dions Schmachtfetzen «My Heart Will Go On» zu sein.
Mit WOMEN IN SINK
24.10., 13 h, Urania
STRICHE ZIEHEN. (DRAWING A LINE)
D 2014, 100 Min, OmeU
R: Gerd Kroske
Die Punkszene im Weimar der Achtzigerjahre war ein kleines Biotop des
Widerstands gegen die allmächtigen
Strukturen des DDR-Staates. Eine
Gruppe verschworener Freunde, die
im Keller Musik machten, sich die
Haare wachsen ließen und nachts
sprayten – «Macht aus dem Staat Gurkensalat». Bis einer seine Freunde der
Stasi auslieferte. 30 Jahre später stel-
len ihn der Film, seine alten Freunde
und nicht zuletzt sein eigener Bruder,
den er verraten hat, zur Rede. Das
Vergangene ist nicht vergangen und
die Wunden nicht verheilt. Davon
spricht Kroskes Film, nicht inquisitorisch, sondern in einer zärtlichen
Weise, traurig und fest zugleich.
In Anwesenheit von Gerd Kroske.
30.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
1.11., 20.30 h, Urania
Lollos Dokumentation konzentriert
sich auf den Einfluss, den der klassische Autor Sholom Aleichem, ein
großer Chronist des Schtetls, auf
Bikels erfolgreiche Wiederbelebung
jiddischen Liedguts hatte.
30.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
THE THOUGHTS THAT ONCE WE HAD
USA 2015, 108 Min, OF
R: Thom Andersen
SUD EAU NORD DÉPLACER
(SOUTH NORTH WATER TRANSFER)
F/China 2014, 109 Min, chinesOmeU
R: Antoine Boutet
«Nan Shui Bei Diao» heißt das wahnsinnige Unterfangen, das auf eine
Idee des großen Vorsitzenden zurückgeht und den Transfer von Wasser vom feuchten Süden in den trockenen Norden Chinas meint. Die
Volksrepublik nimmt die biblische
Ansage «Macht euch die Erde untertan» wörtlich, modelliert an der Erdoberfläche herum und verschiebt
Menschenmassen, als wären’s die
Minimöbel eines Puppenhauses. Die
Folgen sind noch gar nicht absehbar,
werden dafür aber weltumspannend
sein. Boutet zeigt nicht nur die geo-
logischen Verwüstungen, die das
Projekt bereits verursacht hat, sondern auch die gesellschaftlichen Verwerfungen, die es nach sich zieht.
29.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
THEODORE BIKEL:
IN THE SHOES OF SHOLOM ALEICHEM
USA 2014, 75 Min, OF
R: John Lollos
Der sympathische Tausendsassa
Theodore Bikel emigrierte nach dem
Anschluss in die USA. Am Broadway
wurde er der erste Captain von Trapp
und keiner spielte so oft den «Fiddler
on the Roof» wie er. Im Kino wie im
Fernsehen veredelte er zahlreiche
denkwürdige Nebenrollen, in Klassikern wie AFRICAN QUEEN oder MY
FAIR LADY und Serien wie STAR
TREK. Damit nicht genug, machte er
auch als Folksänger Karriere und trat
mit Bob Dylan und Joan Baez auf.
Eine der einflussreichsten und interessantesten Theorien zur Geschichte und Begrifflichkeit des modernen
Kinos stammt vom französischen
Philosophen Gilles Deleuze. In seinen
Studien zu Zeit und Bewegung des
Filmbilds entwirft Deleuze eine eigene
Theorie des Kinos und ein vielschichtiges Bezugssystem. Thom Andersen
hat nun den gewagten Versuch unternommen, Argumentationslinien Deleuzes’ kinematografisch nachzuzeichnen durch die Auswahl von
Texten und Beispielen der Filmgeschichte. Und Andersen gelingt, ohne
in die Falle der Theorien zu gehen, das
Unmögliche. Ein faszinierendes, kurzweiliges und spannendes Stück Kino.
31.10., 20.30 h, Urania
4.11, 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
A TOCA DO LOBO (THE WOLF'S LAIR)
P 2015, 102 Min, OmeU
R: Catarina Mourão
Anhand von Home Movies, Fotos,
Briefen, Akten und in Gesprächen
mit ihrer Mutter vollzieht die Enkelin
des portugiesischen Schriftstellers
Tomás de Figueiredo die Geschichte
ihrer Familie nach. Sie fördert zutage, worüber nicht gesprochen
wurde: den Aufenthalt des Großvaters in der Psychiatrie, den Onkel,
der in den Untergrund ging, das Zerwürfnis zwischen Mutter und Tante.
Jetzt, da sich der Nebel der Diktatur
lichtet, Zeit vergangen und Unterlagen zugänglich sind, jetzt endlich
lässt sich Sinn stiften auch in der
eigenen Geschichte.
In Anwesenheit von Catarina Mourão.
24.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
25.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
29
Dokumentarfilme
TOPONIMIA (TOPONOMY)
prOpOSiTiOnS
Argentinien 2015, 82 Min, OmeU
R: Jonathan Perel
Wer gibt dem Ort den Namen und
warum? Wer baut aus welchen Gründen wo? TOPONIMIA zeigt vier Siedlungen in der argentinischen Provinz
Tucumán, die Mitte der 1970er Jahre
entstanden, die Namen militärischer
Befehlshaber tragen und der Kontrolle dienten. Seinerzeit angesiedelt
wurden dort die Überlebenden eines
brutal niedergeschlagenen Aufstandes. Doch auch wenn man das nicht
weiß, erinnert das Erscheinungsbild
der Ortschaften nicht zufällig an
Lager, und Perels genau getaktete
Beobachtung, die auch eine Vermessung ist, macht die Gewalt in
der Struktur sichtbar.
30.10., 21 h, Metro, Eric Pleskow Saal
1.11., 11 h, Metro, Historischer Saal
TRAVELLING AT NIGHT WITH
JIM JARMUSCH
F 2014, 52 Min, eOF
R: Léa Rinaldi
Gewissermaßen das Sequel zur Doku
BEHIND JIM JARMUSCH. Man könnte auch sagen: Das Nocturne zur
ockerbraunen Tageslichtsinfonie der
ersten Arbeit, denn dieses Mal dreht
der Regisseur in Tanger den Vampirfilm ONLY LOVERS LEFT ALIVE. Jarmusch verzichtet darauf, direkt in
die Kamera zu sprechen. Dafür wird
der Zuschauer mit Close-ups auf den
intensiven Interaktionsprozess Jarmuschs mit seiner Hauptdarstellerin
Tilda Swinton belohnt. Für diese elegische Studie gilt uneingeschränkt:
Night time is the right time.
In Anwesenheit von Léa Rinaldi.
Mit BEHIND JIM JARMUSCH
31.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
5.11., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
UNE JEUNESSE ALLEMANDE
zeugen vom hohen Reflexionsniveau
und dem gedanklichen Reichtum damaliger intellektueller Debatten; sie
zeigen aber auch eine abgrundtiefe
Spaltung der Gesellschaft, geboren
aus dem bitteren Konflikt der Generationen darüber, welche Lehren aus
dem Nazi-Regime zu ziehen wären.
In Anwesenheit von Jean-Gabriel Périot.
24.10., 23 h, Urania
25.10., 21 h, Metro, Historischer Saal
prOpOSiTiOnS
UNE PARTIE DE NOUS
S’EST ENDORMIE (SOUND ASLEEP)
F 2015, 45 Min, OmeU
R: Marie Moreau
Wer ist dieser Mann Djilali? Ein
nordafrikanischer Clochard, der
durch die Straßen von Avignon wandert, ein drogenabhängiger Haftentlassener, ein Verstoßener und Vergessener? Djilali ist das Gegenüber
der Filmemacherin, die mit ihm
durch die Stadt streicht, die Nacht
mit ihm teilt, aus seinem Selbstgespräch einen Dialog formt. Dieses
riskante filmische Unterfangen, sich
einem Fremden zu nähern, ohne
ihm nahezutreten, ihm zuzuhören,
ohne ihn zu belauschen – dieser unerhörte Bastard von einem Film ist
vielleicht eines der aufregendsten
und ehrlichsten Dokumente des
diesjährigen Festivals.
In Anwesenheit von Marie Moreau.
Mit EINE EINSTELLUNG FÜR HARUN FAROCKI
30.10., 19 h, Metro, Eric Pleskow Saal
31.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
(A GERMAN YOUTH)
F/CH/D 2015, 92 Min, OmeU
R: Jean-Gabriel Périot
Wiedervorlage eines noch immer
nicht verarbeiteten Kapitels der deutschen Geschichte: In einer dichten
Montage aus Originalmaterial zeichnet UNE JEUNESSE ALLEMANDE
den Radikalisierungsprozess nach,
der die jungen Deutschen in den
1960er und 70er Jahren von der APO
zur RAF und in den Schrecken von
Stammheim führte. Dabei überzeugt
der Film weniger mit seinem eher
popkulturellen Ansatz als mit seiner
Fülle historischer Dokumente. Sie
30
VISITA OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES
(MEMORIES AND CONFESSIONS)
Portugal 1982/2015, 68 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira
Manoel de Oliveira hatte auch Pläne
für die Zeit nach seinem Tod geschmiedet: In einem Tresor der Kinemathek in Lissabon ließ er VISITA OU
MEMÓRIAS E CONFISSÕES aufbewahren und verfügte, dieser Film solle
zu seinen Lebzeiten nie gezeigt werden. Er drehte ihn 1981, nach dem
Bankrott seiner Textilfabrik, und
nimmt mit ihm Abschied von dem
Haus, das er zu seiner Hochzeit nach
eigenen Plänen bauen ließ. Nun darf
das intime Vermächtnis geöffnet
werden. Die Filmwelt hätte gern noch
länger abgewartet, bis de Oliveiras
letztes Geheimnis gelüftet wird.
(Siehe auch S. 42: Tribute Manoel de Oliveira)
Vorfilm: CINÉMATON #102
F 1981, Gérard Courant, 3 Min, stumm
31.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
WAKE (SUBIC)
USA/Philippinen 2015, 277 Min, OmeU
R: John Gianvito
Der zweite Teil einer großen Studie
des amerikanischen Dokumentaristen John Gianvito über die Folgen
des militärischen Kolonialismus der
USA auf den Philippinen stellt die
historischen Verbindungen und Zusammenhänge her, die über mehr als
100 Jahre hinweg die rücksichtslose
und gnadenlose Unterwerfung dieser Inseln durch die Amerikaner demonstrieren; eine verlassene Militärbasis ist Beispiel für die Vergiftung
und Zerstörung von Mensch und
Natur in der Region. Ohne oberflächliche Entrüstung und Anklage ist
Gianvito Zeuge, Rechercheur und
Anwalt eines politischen Prozesses
gegen sein eigenes Volk.
In Anwesenheit von John Gianvito.
28.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
29.10., 12.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
WAN YU SHI DE REN (JADE MINERS)
Taiwan/Myanmar 2015, 104 Min, OmeU
R: Midi Z
Das Geknatter des Presslufthammers
ist insistierend. Als 2013 die Kämpfe
zwischen der burmesischen Armee
und der Kachin Befreiungsfront begannen, wurden die Jade-Minen der
Region geschlossen. Seitdem wird
dort ebenso illegal wie unorganisiert
und selbstgefährdend nach dem wertvollen Stein gesucht. Midi Z macht in
seiner Dokumentation keine großen
Umstände; das Schicksal derjenigen,
die da arbeiten, sagt er, sei universell. Es spiegelt sich im ewigen Dreiklang aus Arbeiten, Essen, Schlafen.
Manchmal kommt auch noch ein
vierter Ton dazu: Nachhause-Telefo-
nieren beispielsweise, oder: Sterben.
Der Presslufthammer aber fährt unbeeindruckt fort zu knattern.
3.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
WHITE COAL
A 2015, 70 Min, OmeU
R: Georg Tiller
WELCOME TO LEITH
USA 2015, 86 Min, OF
R: Michael Beach Nichols, Christopher K.
Walker
Das Örtchen Leith in North Dakota
liegt, wie man so sagt, «in the middle
of nowhere»: 24 Einwohner, ländliches Ambiente, ein großer, offener
Himmel, der sich über endlosen Feldern wölbt. Eines Tages taucht Craig
Cobb auf, ein Mann mit grauem Haarschopf und sanfter Stimme. Doch im
Schafspelz steckt ein Wolf: Der Neuankömmling ist ein «white supremacist», ein Neo-Nazi, ein «bad intruder», der die pastorale Idylle durch
den Kauf von Ländereien hijackt und
zu einem Hauptquartier des Rassismus ausbauen will. Eine anthropologische Studie über die zerstörerische
Kraft des Terrors, suggestiv und beklemmend wie ein Horrorfilm.
In Anwesenheit von Jenner Furst (Produzent).
25.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
26.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
THE WOLFPACK
Das größte Kohlekraftwerk der Welt
steht in Taychung, Taiwan, und sieht
mit seinen bunten Türmen und
vielen Bäumen recht sauber und
schön aufgeräumt aus. In Kontrollzentren beobachtet das Aufsichtspersonal Monitore, während andernorts riesige Bagger lärmend Braunkohle abtragen. Hoppla, mit einem
Schnitt sind wir im Tausende von
Kilometern entfernten Polen, und
auch dort wird sich mit der Kohle geplagt. Wortlos, in Farbe und SchwarzWeiß, mal in statischen Einstellungen, mal vermittels ruhiger Fahrten
kontrastiert Tiller Arbeitswelten.
Und aus der räumlichen Differenz in
der Gegenwart wird eine zeitliche –
MEDIKAMENTE IM INTERNET KAUFEN?
WISSEN SIE WIRKLICH,
WAS SIE
BEKOMMEN?
Gefälschte Medikamente können töten.
Gehen Sie auf Nummer sicher.
Nutzen Sie das Logo.
versandapotheken.basg.gv.at
Initiative:
hier Historie, dort Sience-Ficion.
In Anwesenheit von Georg Tiller
und Mitgliedern des Teams.
Mit SITES
2.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
3.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
USA 2015, 89 Min, OF
R: Crystal Moselle
Die sechs Angulo Brüder haben ihre
Kindheit und Jugend weggesperrt in
einem Apartment im Herzen New
Yorks verbracht. Ihr Vater wollte
seine Familie vor den Gefahren und
Verführungen der Außenwelt bewahren. Das, was die Kids vom Leben
draußen wussten, hatten sie aus
Videos, die sie in den vier Wänden
nachspielten und neu erfanden. Bis
eines Tages einer der Brüder die geschlossene Welt verließ und alles ins
Wanken brachte. So unglaublich, so
unvorstellbar und verrückt diese Geschichte ist, verschwimmen in THE
WOLFPACK die Grenzen zwischen
dem, was man so einfach Kino nennt,
und dem, was das Leben vielleicht ist.
28.10., 15.30 h, Gartenbaukino
31.10., 13 h, Urania
Kurzfilme
320 FILOSOFIANA
A 2015, 18 Min, eOF
R: Edgar Honetschläger
Nahe der einstmaligen Bauernsiedlung Filosofiana, in der Stadt Piazza
Armerina auf Sizilien stehen die
Reste der spätrömischen Villa del
Casale. Ihre gut erhaltenen, prunkvollen Mosaikböden veranschaulichen die ökonomische, auf Sklavenarbeit basierende Struktur der Zeit
um 320 nach Christus. Zweimal aus
Max Webers «Die sozialen Gründe
des Untergangs der antiken Kultur»
zitierend, schließt Honetschlägers
Film den epochalen Paradigmenwechsel von damals mit den Migrationsbewegungen unserer Tage kurz.
In Anwesenheit von Edgar Honetschläger.
Mit NIEMALS WIEDER IST EINE INSEL …
29.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
30.10., 15.30 h, Urania
L’ AMERTUME DU CHOCOLAT
(THE BITTER TASTE OF CHOCOLATE)
F 2008, 13 Min, OmeU
R: Lucile Chaufour
BRUCE TAKES DRAGON TOWN
USA/Taiwan 2015, 14 Min, OF
R: Emily Chao
DEPOSITIONS
Von einem Sammler obskurer KungFu-Filme kaufte Chao eine wahrscheinlich von 16mm auf VHS
kopierte und schließlich auf DVD gebrannte Fassung des 1974 gedrehten
Popcorn-Movies BRUCE TAKES DRAGON TOWN (1976). Regisseur: ihr
Onkel. Dessen mysteriöse Karriere
erforscht die in New York lebende
Videomacherin, legt dabei Zwischenräume der eigenen Familien- und der
taiwanischen Filmgeschichte frei. So
plastisch sich hier die Produktionslandschaften der USA und Taiwans
kreuzen, so anschaulich verschränkt
sich Politisches mit Privatem.
In Anwesenheit von Emily Chao.
Mit SANTA TERESA …
29.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
30.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
DAUGAVA DELTA
Das Schwarzweiß, die Garderobe
und die schwer datierbaren Gegenstände verleihen diesem Film eine
Art Retro-Zeitlosigkeit. Sie entspricht
seinem Sujet: eine junge, zu Schwermut neigende Mutter, mit ihren
kleinen Kindern überfordert in einer
Zelle der östlichen Pariser Hochhaus-Bannmeile. Zeug liegt am
Boden verstreut. Die Tochter schreit.
Intuitiv wehrt der Sohn sich gegen
die drohende Verwahrlosung. Doch
wer in Chaufours Film nur eine Studie
sozialer Instabilität in Momentaufnahmen erblickt, lässt das parallel
inszenierte und haargenau montierte Thriller-Element außer Acht.
In Anwesenheit von Lucile Chaufour.
Mit LEONE, MÈRE & FILS
26.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
28.10., 11 h, Stadtkino im Künstlerhaus
Seine Sympathie gilt dem kollektiven
Helden, sprich: dem Ort selbst.
Mit SAG MIR MNEMOSYNE
27.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
29.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
LV/D 2014, 20 Min, OmeU
R: Rainer Komers
Einer von sieben Beiträgen zu einem
Omnibusfilm über die Kulturhauptstadt Riga 2014. Ohne Talking Heads
oder erklärendes Voice-over steht
der Alltag am Daugava Delta für sich,
die diversen Formen des Fischfangs,
die Hafenlogistik, Touristen, die
Menschen am Meer. Sprache wird oft
durch Geräusche der Umgebung ersetzt. Stets bevor man sich an einem
Bild festschauen kann, kommt der
Umschnitt. Komers ist der postmoderne «Mann mit der Kamera», dessen anonyme Protagonisten sich zuvörderst über Bewegung mitteilen.
GB 2014, 25 Min, OF
R: Luke Fowler
Es lohnt sich, auf die feinen Texturen
und Töne zu achten. Bevormundende Talking Heads aus Fernseharchivmaterial der BBC Scotland sind das
eine, aber was sind das eigentlich für
Aufnahmen der schottischen Inseln
und Highlands? Woher kommt diese
fabelhafte Soundscape? Es geht um
Gesellschaftsordnung, Lebensentwürfe und Zukunftsängste in den Seventies. Fowler liest das Material
neu, mit der ganzen reflexiven Kraft
des Mediums Film. Ein Traktat der
Gegensätze: Wissenschaft und Aberglaube, Behauptetes und Sicheres,
der Einzelne und die Gemeinschaft.
Mit PROSPECTOR und JUKE …
23.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
3.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
DETROIT OVERTURE
A/USA 2015, 11 Min, kein Dialog
R: Lisa Kortschak
Eine Bühne, die Schauplatz einer
Szene im Detroit-Teil von Jarmuschs
wunderschönem ONLY LOVERS
LEFT ALIVE war. Kein Vorhang.
Kortschaks acht Künstler nehmen
ihre Positionen ein. Und dann spielen sie, was das Zeug hält, bzw. was
ihre genormten Instrumentarien
halt so hergeben. Ein Verfallskonzert
sondergleichen, eine moderne Moritat, ein Tränen treibendes Ironiestück verschwundener Kultur, das
man nicht versäumen sollte. Die
Performer applaudieren sich selbst,
auf ihre Art. Kein Vorhang.
In Anwesenheit von Lisa Kortschak.
Mit MY NAME IS GARY
31.10., 18 h, Urania
1.11., 16 h, Metro, Historischer Saal
32
L’AQUARIUM ET LA NATION
EINE EINSTELLUNG FÜR HARUN FAROCKI
A/BIH/D/I/Taiwan/USA 2014/15,
25 Min, OmeU
R: Diverse
Arbeitsbedingungen, die Mechanismen und sozialen Bezüge des Kapitalismus hatten Harun Farocki, der
im Juli 2014 die Welt verließ, immer
umgetrieben. 2011 begann er mit
seiner Frau Antje Ehmann das geradezu enzyklopädische Langzeitprojekt «Eine Einstellung zur Arbeit»,
IEC LONG
bei dem in Workshops in 15 Städten
weltweit mehr als 400 kurze Filme
entstanden. Angelehnt an dieses
Projekt hat seine Klasse an der Akademie der Bildenden Künste Wien
Arbeiten für Harun Farocki versammelt. Work in progress, to be
continued.
In Anwesenheit von Mitgliedern des Teams.
Mit UNE PARTIE DE NOUS …
30.10., 19 h, Metro, Eric Pleskow Saal
31.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
P 2014, 32 Min, OmeU
R: João Pedro Rodrigues,
João Rui Guerra da Mata
Eine persönliche Reise von der Gegenwart Chinas in die koloniale Vergangenheit Portugals und retour. Ein
materiales und intellektuelles Feuerwerk, eine verspielte Geschichte gefährlicher Kinderarbeit, eine Geistergeschichte: Für ihren vielgestaltigen
Essay kehrten die Filmemacher zurück in die titelgebende BöllerfabrikRuine, die schon ein Ort ihres Langfilms THE LAST TIME I SAW MACAO
HAPPY MOTHER’S DAY
USA 1963, 26 Min, OF
R: Joyce Chopra, Richard Leacock
Am 23. September 1963 brachte Mary
Ann Fischer Fünflinge auf die Welt –
und die Welt kam über Aberdeen,
South Dakota: Geschäftemacher, Paparazzi, Profiteure. Im Zuge dessen
auch Leacock im Auftrag der «Saturday Evening Post». Womit die Sponsoren nicht gerechnet hatten, weshalb sie Leacocks Endfassung denn
auch ablehnten: Der Film bestätigte
nicht ihre Vorstellung einer glücklichen Muttertagsgeschichte, sondern
wurde zum Vérité-Dokument des
kommerziellen Anschlags auf eine
bescheidene Kleinstadtfamilie.
Mit HOW TO SMELL A ROSE …
24.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
25.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
war, welcher wiederum aus erinnerten und imaginären Orten Macaos
gespeist wurde. Wer dabei an Chris
Marker denkt, liegt nicht falsch. Erinnerungen werden Fiktionen werden
Erinnerungen.
Mit LA FIÈVRE
3.11., 18 h, Urania
4.11., 11 h, Metro, Historischer Saal
konstituiert IN, OVER AND OUT
«sowohl eine Zeitreise in die Geschichte des Bewegtbildes als auch
einen Kommentar zum zeitgenössischen Konzept immaterieller
Arbeit» (Sebastian Brameshuber).
In Anwesenheit von Sebastian Brameshuber.
Mit 88:88
23.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
25.10., 18.30 h, Urania
INSTITUTE ABOVE-GROUND
D/Kuba 2015, 22 Min, OmeU
R: Florian Zeyfang, Lisa Schmidt-Colinet,
Alexander Schmoeger
Wie kann man über (sozial-)visionäre
Architektur erzählen, die auf der
Strecke geblieben ist? Konkret über
eine ehemalige Agrikulturschule
nahe Güines in Kuba, angelegt 1961
als futuristische Schwebebausiedlung? Zum Beispiel so: Man befragt
den greisen Architekten, erntet Archivmaterial des verlassenen Ortes,
durchpflügt diesen mit der Wackelkamera, streut mit der Hand Textsamen ein und düngt alles mit einer
IN, OVER AND OUT
F/A 2015, 10 Min, kein Dialog
R: Sebastian Brameshuber
In der Tradition des strukturellen
Experimentalfilms interpretiert
Brameshuber ARBEITER VERLASSEN DIE FABRIK, die symbolische
Geburt des Kinos. Das Werkstor ist
hier der Personaleingang der französischen Kunstschule und Filmproduktionsstätte Le Fresnoy, die
Protagonisten sind Studierende,
die Kamera ist ein Dutzend Kameras
aus verschiedenen Perioden, und so
fruchtbaren Soundmischung. Heraus
kommt die stimmig-spannende Geschichte eines dezentralen Bildungsinstituts, das heute wie eine ausrangierte Raumstation trotzig seiner
weiteren Bestimmung harrt.
In Anwesenheit von Lisa Schmidt-Colinet
und Alexander Schmoeger.
Mit MICROBRIGADES …
4.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
5.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
33
Kurzfilme
L’INVISIBLE
MEET MARLON BRANDO
LA NOVIA DE FRANKENSTEIN
CH 2015, 27 Min, OmeU
R: Fabrice Aragno
Ein Film wie eine impressionistische
Gemäldegalerie, konstruiert wie ein
Treppenhaus von M. C. Escher oder
wie die Schleife des Möbius. Der
Genfersee spielt eine Hauptrolle,
mehr noch das Filmschaffen von
Choux, Cocteau und natürlich Godard. «Montage» nennt der begnadete Kollageur Aragno, was er da mit
Ausschnitten der Filmgeschichte
macht, aber er macht es in einem
derart beseelten Bild- und Tonrhythmus, dass man es Poesie nennen
sollte. Schöne Frauen haben es ihm
jedenfalls angetan, zumal die
schmollmundige Amerikanerin
Molly Ringwald als Cordelia in KING
LEAR (1987).
USA 1966, 28 Min, OF
R: Albert Maysles, David Maysles
Ein Mann, der nicht gewillt ist, sich
selbst zu verkaufen. Nach ein paar
Flops ist Brando zwar bereit, einen
Medientermin für seinen Kriegsfilm
MORITURI in New York wahrzunehmen – aber nicht bereit, das übliche
Promotion-Gequassel abzusondern.
Stattdessen flirtet er mit Journalistinnen, stellt trockene Gegenfragen, bestimmt die Themen und begibt sich
auf die nonkonforme Metaebene.
«The actor was never more appealing than in this candid camera
cameo», schrieb die «New York
Times» über das faszinierende Porträt der Brüder Maysles.
Mit SALESMAN
Argentinien 2015, 13 Min, OmeU
R: Agostina Gálvez, Francisco Lezama
Sie heißt Ivana und arbeitet den
Sommer über in Buenos Aires für
eine Agentur, die Wohnungen an
Ausländer vermietet. Höflich empfängt sie die Touristen, hilft ihnen
beim Geldwechsel und bei Sprachproblemen. Frankensteins Braut ist
Ivana im wörtlichen Sinn, weil der
von ihr elegant in den Wind geschossene Galan ihren neuen Lover Frankenstein nennt; im übertragenen
Sinn aber, weil die Wirtschaftskrise
Argentiniens ein Monster aus Lug
und Betrug erschaffen hat. So ist Ivanas Welt auch eine genuin filmische:
Wirkliches und Erfundenes mischen
sich darin auf unauflösbare Weise.
Mit MINOTAURO
In Anwesenheit von Fabrice Aragno.
Mit PUISSANCE …
2.11., 21 h, Metro, Historischer Saal
3.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
JUKE: PASSAGES FROM THE FILMS OF
SPENCER WILLIAMS
USA 2015, 29 Min, OF
R: Thom Andersen
JUKE mag man gleich noch einmal
anschauen, so unfassbar, so reich ist
er an vielsagenden, merkwürdigen
Szenen. Da wird gesungen, geschaut,
gelacht, getanzt, getrauert, gepredigt,
da wird töricht, aggressiv, kriminell
agiert. Diverse Repräsentationen
afroamerikanischen Lebens in «race
movies« der 1940er Jahre von und
mit Spencer Williams, verdichtet von
Thom Andersen. Achten Sie auch auf
die Details, z. B. auf die zweite Reihe
beim Applaus im Theater oder auf
die Reaktion der Zuschauenden in
der Szene mit dem kessen jungen
Tanzpärchen!
Mit PROSPECTOR und DEPOSITIONS
23.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
3.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
1.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
4.11., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
MICROBRIGADES –
VARIATIONS OF A STORY
D/Kuba 2013, 31 Min, OmeU
R: Florian Zeyfang, Lisa Schmidt-Colinet,
Alexander Schmoeger
Im charakteristischen Collage-Stil
mit Architekturaufnahmen, Interviews und Archivmaterial untersucht
das Architekten-Filmemacher-Trio
kubanische Strategien sozialen
Wohnbaus der siebziger Jahre. «Microbrigadas» hießen jene oft von
ihren Betriebsjobs freigestellten Laienbauarbeiter, die in Havanna
Wohnblöcke wie San Agustín und
Alamar in Selbstorganisation hochzogen. Den Wohnraummangel zu beheben, war ein Versprechen der Revolution gewesen; in der Praxis er-
wies es sich als schwer einlösbar –
nicht zuletzt, wenn es ans Verteilen
der Wohnungen ging.
In Anwesenheit von Lisa Schmidt-Colinet
und Alexander Schmoeger.
Mit INSTITUTE …
4.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
5.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
29.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
ORCHARD STREET
USA 1955/2014, 27 Min, stumm
R: Ken Jacobs
Was für ein still glänzendes Juwel,
das Avantgarde-Veteran Jacobs da
aus seinem Archivschatz gehoben
hat! Als Jüngling drehte er mehr als
ein halbes Jahr lang in seinem jüdisch belebten Heimatgrätzel, im
Guerilla-Stil mit 16mm-Bell-&-Howell-Filmo und Kodachrome-Material. Großteils unbeobachtete, mitunter konfrontative Momente mit
Menschen beim Spazieren, Schauen,
Verhandeln, Einkaufen, Aufräumen
machen das Lebensgefühl einer New
Yorker Marktstraße anno 1955 erfahrbar. Niemand wollte damals
seinen Film kaufen, heute ist er unbezahlbar. Der küssende Mann ist
übrigens Jacobs selbst.
Mit BRANDY IN THE WILDERNESS
2.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
4.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
LE PAYS DÉVASTÉ
F 2015, 12 Min, kein Dialog
R: Emmanuel Lefrant
Eindringlicher und verstörender als
die handelsüblichen MainstreamApokalypsen aus der (Alp-)Traum-
34
fabrik: Negativbelichtung und
Materialinterventionen sind Lefrants
filmische Methoden, um deutlich
und vor allem spürbar zu machen,
dass die Dominanz des Menschen
über die Natur keine gottgegebene
ist. Chemische und nukleare Spuren,
überhaupt der Ressourcen aufzehrende Charakter unseres Zeitalters
werden dem geologischen Code des
Planeten noch eingeschrieben sein,
wenn das Anthropozän längst
vorüber ist.
In Anwesenheit von Emmanuel Lefrant.
Mit BEYOND ZERO …
3.11., 16 h, Metro, Historischer Saal
PROSPECTOR
USA/Indien 2015, 14 Min, OF
R: Talena Sanders
Ein Satellit, ein Telefonat aus THE
POSTMAN ALWAYS RINGS TWICE
und Textausschnitte aus E.A. Poes
«The Power of Words» werfen einander Echos auf allen Ton-, Symbolund Bildspuren zu. In Teilen fand
der Film später Eingang in Godards
HISTOIRE(S) DU CINÉMA: UNE
VAGUE NOUVELLE.
Mit L’INVISIBLE
2.11., 21 h, Metro, Historischer Saal
3.11., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
LE RÊVE DE BAILU (BAILU DREAM)
Was haben Inder und «Indianer» gemeinsam, außer dass die einen zunächst für die anderen gehalten wurden, als nach der großen Überfahrt
eben nicht Indien erreicht, sondern
Amerika entdeckt worden war?
Parallele Geschichten von Invasion,
Kolonisierung, Assimilation und enttäuschten Hoffnungen im 19. Jahrhundert. In Sanders’ essayistischer
Kollage werden die verwandten Aspekte der Tausende von Kilometern
voneinander entfernten Kulturen auf
originelle Weise kurzgeschlossen.
«Hold on to your scalps!»
In Anwesenheit von Talena Sanders.
Mit DEPOSITIONS und JUKE …
23.10., 13 h, Metro, Eric Pleskow Saal
3.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
PUISSANCE DE LA PAROLE
F 1988, 26 Min, OmeU
R: Jean-Luc Godard
Seit den Siebzigerjahren produziert
JLG immer wieder auch Auftragsarbeiten für kommerzielle Marken,
vom After Shave «Shick» (palästinensisch politisiert) bis zur Zigarettenmarke Parisienne (neutral schweizerisch). PUISSANCE DE LA PAROLE
entstand als Teil einer Kampagne
von France Télécom, die mit dem
fertigen Imagefilm nichts anzufangen wusste und ihn nie ausstrahlte:
F/China 2014, 12 Min, OmeU
R: Nicolas Boone
Mittlerweile ist er ja weltweit berüchtigt, der Fetisch der chinesischen Regierung, ganze Stadtteile und Dörfer
in europäischen Baustilen erstrahlen
zu lassen. Der Ort Bailu in der Provinz Sichuan ist also kein Einzelfall:
Von einem Erdbeben 2008 zerstört,
durfte er bloß als Kopie eines ohnehin nur eingebildeten französischen
Städtchens wiederauferstehen.
Leben Sie den gefälschten Traum
vom sonnigen Savoir-vivre in dieser
farbunechten Single-Shot-Erfahrung!
Und kehren Sie nach der sexy
Schlussperformance bitte rasch in
die Realität zurück!
Mit PSAUME
gefügten Szenen entstanden, warum
sind die alle farblos und vor allem:
Warum lässt die Montage einen am
Ende die eigene Wahrnehmung der
(Unterhaltungs-)Filmgeschichte hinterfragen? Fragen, bei deren Beantwortung der überraschende Abspann
definitiv behilflich sein kann.
Mit WHITE COAL
2.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
3.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
T.O.U.C.H.I.N.G
USA 1968, 12 Min, kein Dialog
R: Paul Sharits
Mit den emulsiven und mechanischen Mitteln des Kinos über die
Mechanismen des Sehens zu reflektieren, war immer schon eine
der vorzüglichen Aufgaben des
strukturellen Experimentalfilms.
T.O.U.C.H.I.N.G. ist daher kein PopArt-Werbevideo, sondern ein stroboskopisches, irgendwie zorniges und
jede Sprachlogik oder gar Narration
negierendes Flickerwerk von einem
Film. Das Licht, die Schatten, die
Farben und Texturen, die 16mmPerforationen als Hauptdarsteller –
«the higher drama of celluloid»
(Paul Sharits).
In Anwesenheit von Christopher und
Cheri Sharits.
Mit PAUL SHARITS
23.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
24.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
VIENNALE-TRAILER 2015: XIAO KANG
Taiwan/A 2015, 2 Min, kein Dialog
R: Tsai Ming-liang, D: Lee Kang-sheng
28.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
SITES
D 2015, 8 Min, kein Dialog
R: Volker Schreiner
Leuchtzeichen in der Nacht, ein Versinken in den Wellen des Meeres,
eine entfernte Karawane im schwarzgrauweißen Gebirge. Eine Triade der
Elemente? Aber welche disparaten
Töne und Musiken sind das, wo sind
die irgendwie kongenial zusammen-
Lee Kang-sheng spielte immer schon
eine Doppelrolle beim genialen asiatischen Auteur Tsai Ming-liang: eher
«Modell» im Sinne Bressons als
Schauspieler und gewissermaßen
Alter Ego seines Regisseurs. Mit
dieser kleinen Hommage, der abgefilmten Projektion einer erratischen
Stummfilmszenenfolge in einem
Bambuswald, bedankt sich Tsai für
die nun schon ein Vierteljahrhundert währende Kooperation bei seinem Miterwanderer eines Kinokontinents, auf dem die Uhren anders
35
Kurzfilme
gehen, die Reflexionsräume riesig
sind, Bewegung eine relative Größe
ist und persönliche Erinnerung das
Wesentliche.
Mit CAROL und ANOMALISA
Der Trailer wird während des Festivals als
Überraschung immer wieder gezeigt.
22.10., 19.30 h, Gartenbaukino
22.10., 23.30 h, Gartenbaukino
5.11., 19.30 h, Gartenbaukino
5.11., 23 h, Gartenbaukino
WOMEN IN SINK
GB/Israel 2015, 36 Min, OmeU
R: Iris Zaki
Man müsste nur den Frauen des
Staates Israel das Heft in die Hand
geben, dann kämen die Religionen
und Kulturen dort besser miteinander aus. Diese Erkenntnis gewinnt,
wer Zakis Film gesehen hat. Ihre einfache, geniale Grundidee: Die Kamera montiert sie schräg über einer
Waschmuschel und befragt als Haarwäscherin die Stammkundinnen
(und Betreiberinnen) eines Frisiersalons im arabischen Viertel Haifas.
Von diesen gesprächigen Frauen
erfährt man Erhellenderes über
das Zusammenleben der jüdischen,
christlichen und muslimischen
Bevölkerung als aus dutzenden
Nachrichtenbeiträgen.
Mit STRANNYE CHASTICY
24.10., 13 h, Urania
2.11., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
BLOOD AND PORN (63 MIN)
BLOOD BELOW THE SKIN
WO YAO PAI NV NV SE QING PIAN
2.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
WO YAO PAI NU NU SE QING PIAN
(I AM GOING TO MAKE LESBIAN PORN)
China 2014, 30 Min, OmeU
R: Dajing
Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Titel des Films war gewissermaßen die Arbeitsgrundlage der
eigenwilligen jungen Filmemacherin,
wurde aber nur zu einem kleinen,
dezent abgedunkelten und eingeröteten Teil des Programms. Spannender ist ohnehin, was Dajing selbst,
die sich als «zum dritten Geschlecht
gehörig» bezeichnet, ihre bisexuelle
Freundin Xiao Ying und die heterosexuelle Ruo Han zu erzählen
haben: über ihre Lust, ihre Körper
und die Blicke der Männer, über
ihre Familien, über die traditionell
patriarchalen Strukturen der chinesischen Gesellschaft.
THE COLOR OF THINGS (69 MIN)
USA 2015, 33 Min, OF
R: Jennifer Reeder
Drei Mädchen aus derselben Schule
in der Woche vor ihrer «prom night».
Die eine muss ihre Mutter bemuttern, weil der Vater weg ist, die zwei
anderen nähern sich auf delikat sensitive Weise einander an. Miteinander vertaktet sind die drei über die
Musik, zuvörderst Joan Jett: Crimson
and Clover! Ihre eigentümliche Handschrift zwischen (Alltags-)Drama,
(Amateur-)Popkultur, (Traumabewältigungs-)Poesie und (magischem)
Realismus hat Reeder auch nach dem
Special auf der V’13 beibehalten,
doch ist dieser Film ihr bislang
vielleicht zugänglichster. Ein erster
Langfilm über Teenage Life im ländlichen Kentucky ist in Vorbereitung.
36
USA 2014, 3 Min, kein Dialog
R: Jennifer Reeves
Neutral ist nichts hier: ein explosives
Fest der Farben und Formen, der aufquellenden Blasen, brechenden
Strukturen und reißenden Gewebe.
Selten kommt die Materialität des
Mediums so kompakt und vollendet
zum Ausdruck wie in diesem von
Hand gefertigten, flammenden
16mm-Psychokurztrip in ferne und
doch zum Greifen nahe Mikrogalaxien. Und diese Soundscape! «The
soundtrack mixes samples from
rusty, dusty old machines, records
and electric waves to suggest an
aural passage through technological
progress.» (Jennifer Reeves)
THINGS
GB 2014, 21 Min, OF
R: Ben Rivers
EL RITUAL DEL COLOR
COLOR NEUTRAL
THINGS
BUFFALO JUGGALOS
LANCASTER, CA
In Anwesenheit von Mike Ott.
27.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
28.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
EL RITUAL DEL COLOR
BLOOD BELOW THE SKIN
COLOR NEUTRAL
A 2015, 3 Min OmeU
R: Maria Luz Olivares Capelle
Wer ist die weißgewandete Frau, die
einfach so eine Farbpalette in den
stumm zuckenden Schwarz-WeißFilm zaubert? Vielleicht die Herrin
über das Farbritual, womöglich eine
junge Bilddenkerin in Magierpose,
aber jedenfalls keine Stummfilmdiva. Sorgfältig gefertigte und vergnügliche Konzept-Miniaturen wie diese,
übrigens eine Heidenarbeit für nur
knapp drei Minuten, bestärken den
Glauben, dass ein geschichtsbewusstes Vexierspiel mit dem materialen
Medium auch im Zeitalter der Digitalität nicht obsolet wird.
Zeichnungen, Fotos, Filmstills, Bücher, Ausschnitte, Artefakte. Gesammelt im Zuge der Beschäftigung mit
randständigen Menschen und abgelegenen Kulturen. Rivers lässt Bildund Tonfragmente kollidieren, arrangiert sie im Fabelmodus der vier Jahreszeiten. Seine Freundin liest aus
Robert Pingets «Fable» (1971). In seinem Garten trifft ein echtes Eichhörnchen auf die Skulptur eines
Eichhörnchens. Realität und Repräsentation. Die zentrale Fragestellung
des Ethnografen kulminiert schließlich in einem 3D-Rendering der eigenen Wohnung – ein persönlicher, Resonanzräume öffnender Kunstgriff.
BUFFALO JUGGALOS
USA 2014, 30 Min, kein Dialog
R: Scott Cummings
In starren Tableaus taucht eine eigene Spezies auf. Sie schweigen, schlagen die Zeit tot, machen seltsame Sachen und wiederholen sich. Wie traurige Clowns oder müde Krieger im
Kampf um Lebenssinn und Akzeptanz blicken sie in die Kamera, lassen
sich in ein Performance-Korsett der
redundanten Lüste und Ersatzhandlungen zwängen. Sie sind die Juggalos aus Buffalo, und sie konfrontieren uns. «I don’t think this film would
exist without this process: commitment to form, documentary style preproduction, a surrendering of and
rebuilding of the self, and, finally,
a return to form.» (Scott Cummings)
Schweizer Regisseur, der in Japan auf
der Suche nach einem Thema für seinen Film ist. Ohne Japanisch sprechen
zu können, versucht er mit Menschen,
die wiederum kaum Englisch können, in Kontakt zu treten. Schließlich
lenkt ein nettes junges Mädchen die
Aufmerksamkeit des Suchers auf
sich. Doch sobald er in ihr die Hauptperson seines Films gefunden
glaubt, verabschiedet sie ihn auf so
höfliche wie nachdrückliche Weise.
PROVAS, EXORCISMOS
FOR EXAMPLE (68 MIN)
DO YOU KNOW AKANE OKAI?
PROVAS, EXORCISMOS
VENDREDI PAR EXEMPLE
30.10., 11 h, Metro, Historischer Saal
31.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
DO YOU KNOW AKANE OKAI?
CH 2014, 12 Min, japanOmeU
R: Raphaël Harari
Wer sucht, findet nicht, aber wer nicht
sucht, wird gefunden. So heißt es bei
Kafka, so ähnlich geht es dem jungen
NESTLER! STRAUB! (63 MIN)
DIE HOHLMENSCHEN
VON GRIECHENLAND
L’ AQUARIUM ET LA NATION
In Anwesenheit von Barbara Ulrich
(Produzentin), Christiane Veschambre und
Aimé Agnel (Schauspielerinnen).
30.10., 21 h, Metro, Historischer Saal
31.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
(TRIALS, EXORCISMS)
P 2015, 25 Min, OmeU
R: Susana Nobre
Oscar hat 25 Jahre in einer Faserzementfabrik nahe Lissabon gearbeitet. Als diese Insolvenz anmeldet,
gehen Oscar und seine Kollegen stur
weiter zur Arbeit … Nobre hat Erfahrung als Arbeitsvermittlerin; nicht
zuletzt mit Personal aus ihrem Dokumentarfilm VIDA ACTIVA beglaubigt
sie den authentischen Duktus ihres
mehrschichtigen Dramas. Nobre zitiert Henry Miller, als der Personalchef war: «Ich war wie ein Leuchtturmwärter: unter mir die Wellen,
LANCASTER, CA
USA 2015, 12 Min, OF
R: Mike Ott
Er steht auf finnische Mädchen,
träumt von der finnischen Landschaft. Doch er steckt immer noch in
der kalifornischen Wüste fest. Detailreich spricht er über sein verzwicktes
Seelenleben: Cory Zacharia, schon
Darsteller in Otts Langfilmen PEARBLOSSOM HWY und LITTLEROCK,
hat sich diese Interviewsituation auf
die Zunge geschrieben, einen persönlichen, intimen, berührenden Monolog. Am Ende radelt er auf dem Highway einer hoffentlich geborgeneren
Zukunft entgegen. Wahrscheinlich
nicht mit einem finnischen Mädchen.
in der Lage scheinen. Nasse Natur im
Universum eines Schlossparks.
Meeresrauschen. Himmel.
die Klippen, die Wracks. Ich konnte
das Gefahrensignal geben, die Katastrophe aber nicht vermeiden ( …)
Ich wünschte mich frei davon, und
doch war ich magisch angezogen.»
VENDREDI PAR EXEMPLE
(FRIDAY FOR EXAMPLE)
F 2015, 31 Min, OmeU
R: Christophe Clavert
Himmel. Meeresrauschen. Eine Frau
in violetten Gummistiefeln, ein Mann
mit Fischernetz, eine Begegnung am
Strand. Die Konversationen, besser:
Deklamationen der beiden sind
eigenartig theatral – wobei Clavert
einen Roman des aus den Vogesen
stammenden Science-Fiction-Autors
Pierre Pelot (hier als Pierre Suragne)
zum Ausgang nimmt. Man kann
staunen über diese eigentümlich geordneten Abläufe in eigenwillig starren Strukturen, die doch jederzeit in
jede Richtung sich auftun zu können
DIE HOHLMENSCHEN
D 2015, 4 Min, OmeU
R: Peter Nestler
Etgar Kerets Schreiben ist geprägt
vom Holocaust, von den Schuldgefühlen einer Familie, die überlebt
hat. Seine kurze Geschichte über die
Hohlmenschen – Stimmen ohne Körper, Masken ohne Gesichter, rachsüchtige Todesgeister – kondensiert
die Kindheit eines kleinen Buben in
ein paar Sätze, wirklichkeitsnah und
surreal zugleich. Feinsinnig, mit eigenen Tuschzeichnungen, einer
Holzmaske, einem Ölbild und Musik
von Alban Berg komponiert Peter
Nestler daraus eine kongeniale, eindringliche Bildgeschichte.
VON GRIECHENLAND
BRD 1965, 28 Min, OF
R: Peter Nestler
VON GRIECHENLAND reflektiert die
Instabilität, die das griechische politische System im 20. Jahrhundert
prägte. Im Sommer 1965 filmt Nestler die großen Demonstrationen
gegen die vorzeitige Absetzung des
liberalen Ministerpräsidenten
Georgios Papandreou. Das resultierende Chaos auf den Straßen und die
Forderung nach Neuwahlen setzen
die griechische Regierung zusätzlich
unter Druck. In der Folge übernimmt
zwei Jahre später eine Militärjunta
die Macht im Land. Die Zeitschrift
«Filmecho/Filmwoche» bezeichnete
VON GRIECHENLAND als «kommunistisches Machwerk».
37
Kurzfilme
L’AQUARIUM ET LA NATION
CH/F 2015, 31 Min, OmeU/OmdU
R: Jean-Marie Straub
Ein Film in drei Teilen. Ein Aquarium.
Ein Mann, an einem Tisch sitzend,
der verschiedene Textpassagen liest.
Ein Ausschnitt aus dem Film LA
MARSEILLAISE von Jean Renoir. Das
Ganze ein Film von Jean-Marie Straub.
Die Rede ist vom Schicksal, der Seele,
dem Kosmos. Von einer Evidenz, in
der der Mensch lebt wie im Aquarium, das ihn umgibt. Und schließlich
die Nation, das Bild für die Gemeinsamkeit der freien Menschen. Ein
Straub-Film ist eine Gabe, die nicht
auf Austausch beruht. Das Gegenteil
von Kommunikation. Was kann es
Schöneres und Befreienderes geben?
Im Leben.
Fotografie aus der Zeit, als die Bilder
gerade laufen lernten, ist sein Ausgangspunkt. Inspiriert vom vorfilmischen Massenmedium der Transparentmalerei und dessen lichtdramaturgischen Effekten, erweckt VINTAGE PRINT ein Naturmotiv zu pochendem Leben und lässt es als rauschend vibrierende Naturgewalt über
die Betrachtenden hereinbrechen.
VINTAGE PRINT
HÖHENRAUSCH
SELF
SPOT (AN ATTWENGER TRILOGY)
THESE WALLS WERE BUILT BY DONALD JUDD
(ONE CHAPTER, IN TEXAS)
CAPITAL CUBA
THE EXQUISITE CORPUS
2. Screening zusätzlich mit:
IN ROM
MASCHILE – ROMA
In Anwesenheit von Siegfried A. Fruhauf,
Claudia Larcher, Johann Lurf, Sasha Pirker,
Christian Ruschitzka, Peter Tscherkassky
und am 4.11. Friedl vom Gröller.
25.10., 15.30 h, Gartenbaukino
(ohne IN ROM und MASCHILE – ROMA)
4.11., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
(mit IN ROM und MASCHILE – ROMA)
VINTAGE PRINT
A 2015, 12 Min, kein Dialog
R: Siegfried A. Fruhauf
Und wieder ist Fruhauf seinem
Traum vom Kino ein Stück näher gekommen. Paradoxerweise indem er
sich in die Vorgeschichte des Kinos
zurückbegeben hat: Eine einzelne
38
A 2015, 3 Min, OmeU
R: Siegfried A. Fruhauf
HÖHENRAUSCH
A 2015, 3 Min, OF
R: Christian Ruschitzka
30.10., 21 h, OmeU
31.10., 16 h, OmdU
ÖSTERREICHISCHE KURZFILME
(63 MIN / 69 MIN)
SPOT (AN ATTWENGER TRILOGY)
In der Kurzgeschichte «Der Empfang» des Dadaisten Konrad Bayer
geben viele Leute einander reihum
die Hand. Schließlich wird eine
Hand auf den Boden geworfen. Der
simple, rasch von Sasha Pirker verlesene Text bricht eine Routine auf,
während Konzeptkünstler Ruschitzka eine von der Wiener Secession herausgegebene Postkarte ohne Zuoder Wegnahme von Material per
Stop-Motion-Animation einem Neufunktionstest unterzieht – und zu
einem so ironischen wie dreidimensionalen Ergebnis kommt. Adressiert
an: Höhenrausch.
SELF
A 2015, 8 Min, kein Dialog
R: Claudia Larcher
Die Haut selbst. Poren, Flecken,
Härchen, Pickel. Durchschimmernde
Adern, Falten, Kurven. Aber was
für Kurven? Larcher, von Natur aus
keine Freundin der eindeutigen Bilder, dafür aber der zirkelschlüssigen
Struktur, inszeniert das größte Sinnesorgan des Körpers als Mutationsflächenmonster. Vom mal rauschenden, mal glucksenden, mal zerbröselnden, mitunter schmatzenden
und luftschnappenden und lautfetzenden Sound Constantin Popps
erregt, driftet die Erkundungsreise in
wer weiß welche Fantasielandschaften ab, um schließlich zum Anfang
zurückzunüchtern. Welcher Horror
da jeweils durch die Netzhäute und
Trommelfelle des Publikums schlägt,
ist eine Frage der Nerven.
«Die Welt wahrnehmen, einfangen,
bearbeiten und zu deinem eigenen
Ding machen», so beschreibt Markus
Binder, die eine Hälfte von Attwenger, die Funktionsweise seiner Band.
Nicht zufällig lässt sich so auch die
Arbeit von Experimentalfilmern beschreiben. Also zerstäubt Fruhauf,
der auch schon Musikvideos für Attwenger produziert hat, Tracks aus
dem neuen Album der Linzer und
kondensiert sie mit seinen Bildern
zu grobkörnigen Fragen: Sehen wir,
was wir hören? Sehen wir, was wir
sehen wollen? Lassen wir uns einlullen? Welche Wahrheit liegt hinter
diesen Bildern? Oder war eh alles
nur gelogen?
THESE WALLS WERE BUILT BY DONALD
JUDD (ONE CHAPTER, IN TEXAS)
A/USA 2015, 6 Min, eOF
R: Sasha Pirker
«Do you know what a meat locker
is?», fragt Rob Weiner von der Chinati Foundation die Filmemacherin. Sie
lässt sich von ihm durch ein ehemaliges Schlachthaus in Marfa, Texas,
führen, welches der Künstler Donald
Judd 1979 gekauft und zum Ausstellungsraum umfunktioniert hat. Pirker durchforscht mit der Kamera
und im Dialog mit Weiner den Raum.
Mehr als für die Verdunkelbarkeit
der Räume zu Präsentationszwecken
scheint sie sich für den Blick durch
die Cinemascope-Fenster nach draußen zu interessieren, wo der Verkehr
vorüberzieht, niemand von Geschichte und Gegenwart des Ortes
Notiz nimmt. «What are you gonna
make here?» – «I don’t know.»
CAPITAL CUBA
Kuba/A 2015, 12 Min, kein Dialog
R: Johann Lurf
Ob Raketenstarts, Hollywood-Logos
oder Speckgürtel-Kreisverkehre,
Lurfs Filme fordern die Sinne des Zuschauenden nach subtil mutierenden Schnittmustern heraus. Einen
und die erotische Lust am nackten
Körper in eins setzen mit der sinnlichen Lust am Körper des materialen
Films, der bald nur mehr – und
daher der auf die assoziative
«Cadavre Exquis»-Mischtechnik
der Surrealisten bezogene Titel –
eine schöne Leiche sein wird.
Tscherkassky, wie immer, ein Traum.
A 2015, 19 Min, kein Dialog
R: Peter Tscherkassky
Das Kino ein Traum. Hier scheint er
im Kopf einer schlafenden Schönen
am Strand abzulaufen, aber nicht
wie ein Film, sondern wie mehrere
Filme auf einmal, die aneinander
reiben und saugen und zerren, sich
ineinander schieben, zuckend verschmelzen, Stellungen wechseln
Verwertungsgesellschaft der
Filmschaffenden
Collecting
Society
of Audiovisual
Authors
IN ROM
A/I 2015, 3 Min, stumm
R: Friedl vom Gröller
Rom, ewige Stadt. Rom, offene
Stadt? Vom Gröllers grobkörniges
Reisedokument ist alles, nur kein
Stadtporträt. Schnitte und Schwenks
zwischen Mensch und Gemäuer.
Blicke durch Schießscharten der
Engelsburg oder auf erodiertes
Mauerwerk des Mausoleums
wechseln mit Großaufnahmen der
Gesichts-, Ohren- und Nackenfaltenlandschaft des Gefährten der Künstlerin. Die spätere Öffnung in touristisch sehenswürdigere Zonen erweist sich als scheinbare – sie wird
durch bizarre steinerne Fratzen und
Gestalten konterkariert.
Männer im frontalen Close-up. Sie
schauen uns für ein paar Sekunden
ernst an. Wie schauen sie aus?
Wer ertappt sich nicht beim automatischen Versuch, die Gesichter
einzuordnen, zu bewerten? «Inhaltlich August Sander («Menschen des
20. Jahrhunderts»), formal Pasolini
(ACCATTONE) verpflichtet, erfüllte
ich mir den Wunsch, in Form von
Porträts vier verschiedene Gesellschaftsschichten abzubilden: Bauarbeiter, Künstler, Fleischhauer und
Burschenschafter. Nicht alle sind
Römer, aber alle wurden mit Hilfe
derselben Regieanweisung in Rom
gefilmt.» (Friedl vom Gröller)
vdfs.at
THE EXQUISITE CORPUS
A/I 2015, 3 Min, stumm
R: Friedl vom Gröller
Wir vertreten die
Rechte von Regie,
Kamera, Filmschnitt,
Szenenbild, Kostümbild & Schauspiel.
wendigen Wahrnehmungsapparat
verlangt auch dieser rhythmisch forcierte, soghafte Blickwechsel-Exzess,
der in der Bucht von Havanna seinen
Ursprungsort hat. Stärker noch als
sonst bei Lurf geht es um die Wahrnehmung des Raums in der Zeit als
physische Erfahrung. Wer das zu
abstrakt findet, soll einfach reingehen, fühlen und selbst deuten.
MASCHILE – ROMA
Tributes
DER MANN AUS ITUZAINGÓ
Raúl Perrone – The Last of the Independents
Den wahren unabhängigen Filmemacher erkennt man stets daran, dass
sein Schaffen erst nach Dekaden eine
weitere Verbreitung wie Anerkennung
findet. Bei dem argentinischen Großmeister der kleinstmöglichen Formen,
Raúl Perrone, hat es ein sattes Vierteljahrhundert gedauert, bis seine Werke
mit einer gewissen Regelmäßigkeit
jenseits des Ballungsraumes Buenos
Aires zu sehen waren. Geboren 1952
in Ituzaingó, einem Quasi-Vorort der
Kapitale, begann Perrone in den
späten 1980ern, Filme zu drehen.
Die Kulissen: Ituzaingós Straßen und
Plätze; die Darsteller: wer gerade
kann; das Licht: was die Sonne hergibt; das Material: Hauptsache, billig;
Drehzeit: manchmal weniger als ein Tag; Handlung: so wenig wie möglich –
das Gefühl von Leben, wie es so durch die Zeit zockelt, die Schönheit der
Darsteller, deren Art zu sprechen und sich zu bewegen, ist für Perrone wichtig
als jeder Plot, aller fein gefräster Dialog. Worum es ihm geht, ist Kino als Alltäglichkeit, Filmemachen als Suchen nach einer eigensinnigen, fast intimen
Form von Poesie. Die Viennale präsentiert eine Werkschau Raúl Perrones,
in deren Rahmen sein neuester Film, HIERBA, seine Welturaufführung erlebt.
In Anwesenheit von Pablo Ratto (Produzent) und Roger Alan Koza (Kurator).
LOS ACTOS COTIDIANOS
Argentinien 2010, 81 Min, OmeU
D: Adrián Aguilera, Soledad Aguilera,
María Galván
Gesten, die wir Tag für Tag ausführen, gedankenlos.
27.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
40
Argentinien 1997, 77 Min, OmeU
D: Gustavo Prone, Violeta Naón,
Mauro Altschuler, Norberto Verea
Das Leben: ein Treiben zwischen Videothek, Couch, Pool-Kneipe, Rohbau
und Straße. Perrone gibt seinem inneren Godard mächtig Zucker, zumindest was die Verwendung von Farbe
angeht: Man beachte beispielsweise
das klatschrote Karosakko des glücklosen Protagonisten, den grellgrünen
Pullover der jungen Frau, bei der er
nicht so recht zu landen versteht, das
Mittelhimmelblau, in welches eine
Szene zwischen Traum und Wirklichkeit getaucht ist, oder das Hellocker
im unteren Drittel einer Wand hinter
dem Billardtisch. Diverse Tanz- oder
sonstige Performance-Einlagen sowie
ein besonders toller dreckiger Lacher
von Perrone-Stammdarstellerin
Violeta Naón sorgen für Freude.
29.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
HIERBA
FAVULA
Wie schon in OCHO AÑOS DESPUÉS
wird auch hier eine Geschichte fortgeschrieben: die des alten Galván
aus LA MECHA. Genauer, die seiner
Nachkommen – LOS ACTOS COTIDIANOS dreht sich um seine Tochter
Maria sowie deren Kinder und Kindeskinder. Noch weniger passiert
hier, als man von Perrone ohnehin
gewohnt ist – zu sehen und hören ist
exakt, was der Titel verheißt: Alltagsverrichtungen, Rituale des Gewöhnlichen, die dem Leben eine Struktur
verleihen. Die Ausbrüche in Pop-Fantasien oder Schwärmereien bleiben
diesmal aus – nichts soll ablenken
von der Vielzahl an meist winzigen
GRACIADIÓ
Argentinien 2014, 80 Min, OmeU
D: Lucia Ozan, Nix Noise, Aleli Sueldo,
Sara Navarro
Ein exotisches Märchenspektakel
voller simpler visueller Spezialeffekte – über Menschenhandel. Damit
war selbst nach P3ND3JO5 nicht zu
rechnen; etwas ästhetisch auch nur
annähernd Vergleichbares findet
sich nirgends bei Perrone. Fast
scheint es, als wolle er nun, nachdem er sich zwanzig Jahre lang der
Lumière’schen Idee vom Kino als
Kunst der Wirklichkeitsaufzeichnung
verschrieben hatte, auch deren Gegenteil erforschen: die Herstellung
fremder Welten im Geiste Méliès’. So
werden denn in FAVULA Bilder ineinander verschmolzen und künstlich
eingefärbt, alldieweil die Figuren in
melodischen Klangverzerrungen verträumt ins Leere starrend kommunizieren.
5.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
Argentinien 2015, 63 Min, kein Dialog
D: Dulce Huilen Azul, Evelyn Cazal,
Guilermo Quinteros, Nestor Gianotti
(Siehe S. 12)
25.10., 19 h, Stadtkino im Künstlerhaus
28.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
LABIOS DE CHURRASCO
Argentinien 1994, 61 Min, OmeU
D: Fabián Vena, Violeta Naón, Gustavo Prone,
Gigí de la Mota
Szenen aus dem Alltag dreier Burschen mit viel Zeit und wenig zu tun.
Macht nichts, denn: Gingen sie
einem geregelten Tagwerk nach,
P3ND3J05
könnten sie zum Beispiel nicht in
einer Videothek herumhängen und
sich von charmanten Damen Körbe
abholen (die sie ihnen später wieder
wegnehmen) oder an Trafiken dann
doch nichts kaufen, aber mit dem
Besitzer blöde Witze machen, oder
aus Comics ein bißchen was fürs
Leben lernen. Ein Frühwerk, in dem
der ganze Perrone steckt: vom angenehm offensichtlich improvisierten
Schauspiel über die kleinen pop-kulturellen Reverenzen bis hin zu seiner Freude am Weitwinkel-Objektiv.
2.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
LA MECHA
Argentinien 2004, 71 Min, 0meU
D: Nicéforo Galván, Gonzalo Freijó, Juan
Manuel Hernández, Mauricio Guzmán
Eines Morgens, nachdem er gefrühstückt hat, stellt der alte Galván fest,
dass sein Gaskocher nicht so recht
funktionieren will – es braucht einen
neuen Docht. Was zuerst wie ein einfacher Einkauf wirkt, entwickelt sich
zu einer kleinen Reise vom äußersten Rand der Vorstadt, der Stille des
Waldes, hinein in jenes tosende Gebrodel, das man gemeinhin Zivilisation heißt. Die Welt hat sich verändert,
ob zum Besseren oder Schlechteren,
weiß allein der liebe Gott, für dessen
Meinung sich hier allerdings niemand interessiert. LA MECHA ist der
Film, den die meisten Argentinier als
ersten nennen, wenn der Name Raúl
Perrone fällt – ein Zentralwerk also.
23.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
29.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
OCHO AÑOS DESPUÉS
Argentinien 2005, 78 Min, OmeU
D: Violeta Naón, Gustavo Prone
Anlässlich einer Vorführung von
GRACIADIÓ kommt dessen Protagonistin, Violeta Naón, zurück nach
Ituzaingó. Zum Post-Film-Gespräch
(bei dem man allerhand über Perrones Arbeitsweise erfährt) taucht ihr
Co-Star Gustavo Prone nicht auf –
stattdessen wartet er auf sie, draußen bei einer geschlossenen Trafik.
Seit acht Jahren haben sie sich nicht
mehr gesehen. Langsam, beim
Schlendern durch eine Stadtlandschaft im Umbruch, beim Essen, in
Einstellungen von bis 25 Minuten
Länge, kommen die beiden einander
näher … Wieder?
31.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
P3ND3JO5
Argentinien 2013, 157 Min, OmeU
D: Mariano Blanco, Yenien Teves, Eugenia
Juarez, Fernando Daniel
Die 3 lese man als E, die 5 als S, und
heraus kommt pendejos. Was, je
nachdem, wer’s zu wem sagt, von
«Alter!» bis zu «Schwuchtel» alles
mögliche bedeuten kann. P3ND3JO5
ist ein gewaltiger Entwicklungsschritt im Schaffen Perrones, hin zu
einem radikal durchgestalteten Kino
der Stilisierung und Poesie. Eine Art
Musical in Schwarzweiß, mit Zwischentiteln statt Dialogen, in dem
geskatet oder einfach nur hüpfend
springend rennend Dampf abgelassen wird: als eine Art Tanz des Alltags. Perrones opus magnum, darin
auch ein (vorläufiger?) Abschied von
jenem minimalistischen Realismus,
dessen Bilder- und Gestenwelt seine
Arbeit bislang bestimmte.
etwas Ermattetes – so als sei die Freizeit nicht mehr als ein schales Echo
der Arbeit. Aber vielleicht ist es genau
die Angst vor dem Erstarren in einer
Routine der Ausbeutung, welche die
beiden Frauen immer eng-inniglicher
zusammenschweißt … Eines der ergreifendsten Werke Perrones.
Mit SEM
26.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
SAMURAY-S
Argentinien 2015, 110 Min, OmeU
D: Ornella Retro, José Maldonado,
Migual Sirna, Tony Alba
1.11., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
LAS PIBAS
Argentinien 2012, 65 Min, OmeU
D: Fiorella Yemina Aita, Yuliana Nerina
Bustos, Néstor Gianotti
Zwei junge Frauen zwischen Heim
und Arbeitsstätte. Die Szenen, in
denen man sie bei ihrer Lohnbeschäftigung sieht, sind vergleichsweise
kurz und vermitteln doch die ganze,
auf Dauer zermürbende Monotonie
jeder Tätigkeit, der man bloß zu Erwerbszwecken nachgeht. Die Szenen
zu Hause hingegen sind lang, allerdings liegt darin auch immer wieder
(Siehe S. 16)
28.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
SEM
Argentinien 2011, 17 Min, OmeU
D: Soledad Aguilera, María Galván,
Emanuel Sosa
Einige wenige Einstellungen; alle statisch, viele von hoch oben, so konzipiert, dass Schatten und Licht physisch wie symbolisch die richtige
Stimmung ergeben, um die tödliche
Wiederholung des alltäglichen Lebens einzufangen. Die Figuren sind
in ihren Wohnungen wie verankert,
in ihren Gesprächen teilt sich nicht
viel mit; bis es zu einer Intervention
von Außen kommt – Musik, die die
Liebe desjenigen ausdrückt, der auf
sie schaut. Und der ihre Fotogenität
erkennt und ihre Würde.
Mit LAS PIBAS
26.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
41
Tributes
HOW GREEN WAS MY VALLEY
Der Filmemacher Manoel de Oliveira
«Ich lasse im Bild immer viel Luft um
die Figuren herum», sagte er einmal,
«denn ihre Seelen brauchen Raum.»
Welch ein Glück, dem Werk eines
Filmemachers zu begegnen, der die
eigene Arbeit so genau kannte und
verstand! Gewiss, Manoel de Oliveira
konnte sich mit Worten maskieren,
sich listig hinter mundgerechten Deutungen verbergen. Wer wüsste besser
als er, dessen Karriere mehr als acht
Jahrzehnte umfasst, dass sich ein
Regisseur nicht sofort in die Karten
blicken lassen sollte? Aber vielleicht
liefert der Satz ja doch einen Schlüssel
zu dem auf leuchtende Weise asketischen Kino des Portugiesen, welches
das vermeintlich Unverzichtbare gern
ausspart, um das Unsichtbare umso klarer zum Vorschein zu bringen. Womöglich erklärt er die gespensterhafte, zugleich aber ganz konkrete Präsenz
seiner Darsteller und die strenge, an Malerei und Theater geschulte Komposition seiner Bilder. Das Geheimnis der Intimität dieses Kinos enthüllt er nicht.
Das, darauf vertraute der Regisseur voller Zuversicht, wird dem Zuschauer
allein gelingen.
Kuratiert von Pedro Costa.
ACTO DA PRIMAVERA
(RITE OF SPRING)
P 1962, 90 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira, D: Nicolau Nunes
Da Silva, Maria Madalena, Francisco Luís,
Ermelinda Pires
musste ein glückliches Ende drehen.
Die nach der Nelkenrevolution
gezogenen Kopien enthalten beide
Enden.
Vorfilm: A CAÇA
P 1963, Manoel de Oliveira, 21 Min, OmeU
27.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
AMOR DE PERDIÇÃO (DOOMED LOVE)
P 1978, 261 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira, D: António Sequeira
Lopes, Cristina Hauser, Elsa Wallenkamp,
António J. Costa
Zwischen dem Start dieser beiden
Filme verhaftete ihn die politische
Polizei als Regimegegner, konnte
ihm aber keine Straftat nachweisen:
Seine Subversion ist subtiler. ACTO
DA PRIMAVERA, der Dokumentation über ein Passionsspiel von
Guimaräes, hat de Oliveira einen
zweiten Boden der Reflexion eingezogen, indem er seine Kameras
während der Karwochen-Prozession
mitfilmt. Der Kurzfilm A CAÇA geht
auf eine Zeitungsmeldung über
eine Jagd zurück, die im Treibsand
inmitten hilfloser Retter endet. Der
Zensur war dieser Ausgang zu pessimistisch. Der Zensur war dieser Ausgang zu pessimistisch; de Oliveira
42
Präsenz gewinnen: die Leidenschaft
als unwiderstehliche Kraft, die jedoch an gesellschaftlichen Vorurteilen scheitern muss. Dem Schriftsteller Branco begegnen wir übrigens
als einer der Hauptfiguren in de
Oliveiras nächstem Film, FRANCISCA, wieder.
5.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
O ESTRANHO CASO DE ANGÉLICA
(THE STRANGE CASE OF ANGÉLICA)
P/E/F/Brasilien 2010, 97 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira, D: Ricardo Trêpa,
Pilar López de Ayala, Leonor Silveira,
Luís Miguel Cintra
Was lag näher, als den ersten portugiesischen Farbfilm einem Maler zu
widmen? In O PINTOR E A CIDADE
setzt de Oliveira die urbane Erkundung Portos aus seinem Debütfilm
fort. Sein Blick verharrt nun länger
auf Menschen und Architektur; der
Film eines gewissenhaften Flaneurs.
Eigentlich wollte er anstatt dieses
Dokumentarfilms jedoch O ESTRANHO CASO DE ANGÉLICA drehen,
den er schon seit einem Jahrzehnt
vorbereitete. Erst 2010 realisierte er
das meisterliche Mysterienspiel, in
dem die Kunst eines Fotografen eine
Tote zu neuem Leben erweckt und in
dem Ironie und Wehmut einander
nie ganz aufheben.
Vorfilm: O PINTOR E A CIDADE
P 1956, Manoel de Oliveira, 27 Min, kein Dialog
30.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
FRANCISCA
Camilo Castelo Branco nannte man
nicht von ungefähr den portugiesischen Balzac: Sein romantisches
Hauptwerk AMOR DE PERDIÇÃO
schrieb er in gerade einmal zwei
Wochen. Mit dieser Variation von
Romeo und Julia findet de Oliveira
endgültig zu seinem Stil des asketisch komponierten Melodrams, bei
dem die Affekte vor allem verbale
P 1981, 167 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira, D: Teresa Menezes,
Diógo Dória, Mário Barroso, Rui Mendes
Das portugiesische Filminstitut hatte
einmal die Gepflogenheit, einen erstaunlichen Preis zu verleihen: für
die besten Kritiken und die größte
Zuschauerzahl. De Oliveira erhielt
ihn 1982 für FRANCISCA, mit dem
seine filmische Zwiesprache mit der
Schriftstellerin Agustina Bessa-Luís
begann. 1987 adaptierte er eine ihrer
Novellen («De Profundis») für die
Bühne und verfilmte 1993 ihren
Roman «Vale Abraão». Mit ihr ver-
FRANCISCA
band ihn das Interesse am psychologisch filigranen Gesellschaftsporträt.
Die Chronik eines tragisch endenden
Liebestausches berührt ein weiteres
Thema, das ihm teuer ist: die Jungfräulichkeit.
28.10., 15 h, Metro, Eric Pleskow Saal
JE RENTRE À LA MAISON/
VOU PARA CASA (I’M GOING HOME)
P/F 2001, 89 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira, D: Michel Piccoli,
Antoine Chappey, Leonor Baldaque,
Leonor Silveira
Ein zweifaches Porträt des Schauspielers Michel Piccoli, des großen
Erforschers von bürgerlichem Glück
und Unglück, der noch immer gefesselt ist von den subtilen Verwerfungen der Charaktere und den Abgründen in den menschlichen Beziehungen. De Oliveira zeichnet es ohne
Altersmilde oder Sentimentalität. JE
RENTRE À LA MAISON zeigt Piccoli
in einer Phase, in der er längst weiß,
dass man neben den Königen auch
die Hofnarren spielen muss. In RENCONTRE UNIQUE wiederum spielt er
einen Nikita Chruschtschow, der
während einer Papstaudienz nicht
bemerkt, dass er beides ist.
Vorfilm: RENCONTRE UNIQUE
P/F 2007, Manoel de Oliveira, 3 Min, stumm
1.11., 19 h, Metro, Historischer Saal
DAR erzählt die Historie seines Landes anhand seiner Niederlagen und
Abgründe. Ein Trupp von Soldaten
diskutiert in der Abenddämmerung
der portugiesischen Kolonialherrschaft in Afrika über den Untergang
von Imperien und die Schatten, die
von ihnen bleiben: «Für die Menschheit ist nicht wichtig, was man
nimmt, sondern was man gibt.» De
Oliveira hat ihn seinen Enkeln gewidmet. O CONQUISTADOR CONQUISTADO führt vor, dass auch der
unvergängliche Ruhm der Eroberung
seine Tücken hat.
Vorfilm: O CONQUISTADOR CONQUISTADO
P 2012, Manoel de Oliveira, 14 Min, eOF
26.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
P/F/CH 1993, 189 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira, D: Leonor Silveira,
Cécile Sanz de Alba, Luís Miguel Cintra,
Ruy de Carvalho
(«NO», OR THE VAIN GLORY OF COMMAND)
Serge Daney schrieb ihm, einen französischen Regisseur hätte man für
diesen Film ins Gefängnis gesteckt:
«NON», OU A VÃ GLÓRIA DE MAN-
VISITA OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES
(MEMORIES AND CONFESSIONS)
P 1982/2015, 68 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira
VALE ABRAÃO (ABRAHAM’S VALLEY)
«NON», OU A VÃ GLÓRIA DE MANDAR
P/E/F 1990, 111 Min, OmeU
R: Manoel de Oliveira, D: Luís Miguel Cintra,
Diogo Dória, Miguel Guilherme, Luís Lucas
so, als könne sich ihre Geschichte
nur an den Ufern des Douro zutragen.
Vorfilm: DOURO, FAINA FLUVIAL
P 1931, Manoel de Oliveira, 17 Min, kein Dialog
30.10., 15 h, Metro, Eric Pleskow Saal
Das Motiv des Wassers zieht sich
vom Anfang bis zum Ende durch
sein Werk; noch in seinem Trailer für
die letztjährige Viennale betrachtet
er geduldig dessen Fließen. De
Oliveiras Erstling DOURO, FAINA
FLUVIAL vollzieht diesen Kreisschluss bereits in seiner Struktur:
Die lusitanische Interpretation der
Großstadtfilme von Ruttman und
Vertov folgt dem Fluss von der Küste
in seine Heimatstadt Porto und
strebt am Ende wieder hinaus
zum Meer. Auch VALE ABRAÃO
variiert eine ausländische Vorlage
(«Madame Bovary»), erzählt sie aber
Manoel de Oliveira hatte auch Pläne
für die Zeit nach seinem Tod geschmiedet: In einem Tresor der Kinemathek in Lissabon ließ er VISITA
OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES aufbewahren und verfügte, dieser Film
solle zu seinen Lebzeiten nie gezeigt
werden. Er drehte ihn 1981, nach
dem Bankrott seiner Textilfabrik,
und nimmt mit ihm Abschied von
dem Haus, das er zu seiner Hochzeit
nach eigenen Plänen bauen ließ.
Nun darf das intime Vermächtnis geöffnet werden. Die Filmwelt hätte
gern noch ein wenig länger abgewartet, bis de Oliveiras letztes Geheimnis gelüftet wird.
Vorfilm: CINÉMATON #102
F/BRD 1981, Gérard Courant, 3 Min, stumm
31.10., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
43
Tributes
AUSGEWÄHLTE LIEBLINGSFILME
VON MANOEL DE OLIVEIRA
ÉL
Mexiko 1952, 92 Min, OmeU
R: Luis Buñuel, D: Arturo de Córdova, Delia
Garcés, Aurora Walker, Carlos Martínez Baena
Die Berührungspunkte zwischen de
Oliveira und Luis Buñuel sind ungeheuer vielfältig – schon allein aus
topografischen Gründen: Der Portugiese und der Spanier hadern ähnlich
inbrünstig mit dem Katholizismus
und der bürgerlichen Gesellschaft,
sind gleichermaßen fasziniert von
religiösen Ritualen. Für Catherine
Deneuve, die in beiden filmischen
Universen zu Gast war, liegt ihre
Nähe in der Verbindung zwischen
dem Fantastischen und dem Konkreten. Das Nebeneinander von Transparenz und Rätsel, das de Oliveira
bereits am mexikanischen Frühwerk
seines Kollegen faszinierte, tritt in
diesem grotesken Melodram besonders zum Vorschein.
2.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
GERTRUD
Dänemark 1964, 116 Min, OmdU
R: Carl Theodor Dreyer, D: Nina Pens Rode,
Bendt Rothe, Ebbe Rode, Baard Owe
THE INFORMER
USA 1935, 91 Min, OF
R: John Ford, D: Victor McLaglen, Heather
Angel, Preston Foster, Margot Grahame
14.11., 20 h
VALE ABRAÃO
1993, Manoel de Oliveira, 189 Min, OmeU
Vorfilm: DOURO, FAINA FLUVIAL
1931, Manoel de Oliveira, 17 Min, kein Dialog
15.11., 16.30 h und 26.11., 18.30 h
ANIKI BÓBÓ
1942, Manoel de Oliveira, 71 Min, OmeU
Vorfilm: O PÃO
1959/64, Manoel de Oliveira, 24 Min, OmeU
15.11., 20.15 h
JE RENTRE À LA MAISON
Die großen Regisseure sind in der
Regel auch große Kinogänger. Die
selbstbewussten unter ihnen suchen
dabei keine Vorbilder, sondern
schätzen vielmehr die Gesellschaft
von Geistesverwandten. THE INFORMER, für den John Ford 1935
seinen ersten Regie-Oscar erhielt,
ist fast noch ein Stummfilm, hält
heroisch fest an der Symbolsprache
einer vergangenen Kinoepoche.
Nicht nur die Einheit von Zeit und
Raum gemahnt hier an die Bühnenherkunft des Films. Die dräuende
Atmosphäre einer nächtlichen Stadt
lassen Ford, sein Kameramann und
sein Szenenbildner nur aus ein paar
Lampen und wenigen Studiowänden
entstehen.
4.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
2001, Manoel de Oliveira, 90 Min, OmeU
Vorfilm: RENCONTRE UNIQUE
2007, Manoel de Oliveira, 3 Min, stumm
16.11., 18.30 h und 29.11., 18.30 h
BELLE TOUJOURS
2006, Manoel de Oliveira, 68 Min, fOmdU
16.11., 20 h
VISITA OU MEMÓRIAS E CONFISSÕES
1982/2015, Manoel de Oliveira, 68 Min, OmeU
OLIVEIRA L’ARCHITECTE
1993, Paolo Rocha, 60 Min, OmeU
Vorfilm: CINÉMATON #102
1981, Gérard Courant, 3 Min, stumm
18.11., 18.30 h und 29.11., 16.30 h
VIAGEM AO PRINCÍPIO DO MUNDO
1997, Manoel de Oliveira, 95 Min, OmeU
18.11., 20.30 h
O PASSADO E O PRESENTE
1972, Manoel de Oliveira, 116 Min, OmeU
19.11., 18.30 h
Der Tumult, der im Inneren seiner
Figuren tobt, entfaltet sich in Dramen
von verstörender Lautlosigkeit. Die
Wucht ihrer Emotionen enthüllt sich
in der unfassbar nüchterner Diktion
seiner Darsteller. Die Seele sichtbar
werden zu lassen, war seine schönste Sorge. Er filmte nicht nur die Uhr,
er zeigte die Zeit. Was sich über den
katholisch erzogenen Portugiesen
sagen lässt, gilt in gleicher Weise für
den Lutheraner aus Dänemark …
«In GERTRUD hat Dreyer das Kino
der Zukunft präsentiert», schrieb de
Oliveira 2001 in einer Eloge für die
«Cahiers du cinéma», «denn er wagte
es, das Wort zu filmen.»
25.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
Das Tribute ist Teil eines größeren,
Manoel de Oliveira gewidmeten
Programms, das die Viennale und
das Österreichische Filmmuseum
mit großzügiger Unterstützung der
Cinemateca Portuguesa in diesem
Herbst gemeinsam veranstalten. Im
Anschluss an das Festival wird die
von Pedro Costa für die Viennale
getroffene Auswahl im Filmmuseum
wiederholt und um weitere
8 Programme ergänzt.
PROGRAMM FILMMUSEUM
BENILDE OU A VIRGEM MÃE
1975, Manoel de Oliveira, 106 Min, OmeU
22.11., 14 h
AMOR DE PERDIÇÃO
1978, Manoel de Oliveira, 261 Min, OmeU
23.11., 20.45 h
O ESTRANHO CASO DE ANGÉLICA
2010, Manoel de Oliveira, 97 Min, OmeU
Vorfilm: O PINTOR E A CIDADE
1956, Manoel de Oliveira, 27 Min, kein Dialog
25.11., 20 h
FRANCISCA
13.11., 18.30 h und 25.11., 18.30 h
1981, Manoel de Oliveira, 167 Min, OmeU
PORTO DA MINHA INFÂNCIA
27.11., 20.30 h
2001, Manoel de Oliveira, 60 Min, OmeU
Am 13.11. mit einer Einführung von J. M. Costa.
«NON», OU A VÃ GLÓRIA DE MANDAR
13.11., 20.30 h
ACTO DA PRIMAVERA
1962, Manoel de Oliveira, 90 Min, OmeU
Vorfilm: A CAÇA
1963, Manoel de Oliveira, 21 Min, OmeU
1990, Manoel de Oliveira, 111 Min, OmeU
Vorfilm: O CONQUISTADOR CONQUISTADO
2012, Manoel de Oliveira, ca. 15 Min, eOF
30.11., 18.30 h
CRISTÓVÃO COLOMBO – O ENIGMA
2007, Manoel de Oliveira, 78 Min, OmdU
14.11., 18.30 h und 28.11., 17 h
SINGULARIDADES DE UMA RAPARIGA LOURA
2009, Manoel de Oliveira, 63 Min, OmdU
Am 14.11. mit einer Einführung von J. M. Costa.
44
Tickets für diese Vorstellungen sind
über das Filmmuseum zu beziehen.
www.filmmuseum.at
CHOREOGRAFIE DES
BEGEHRENS
widmeten Viennale-Retrospektive
gezeigt (siehe ab S. 56).
Am 30.10. in Anwesenheit von
Tippi Hedren.
30. 10., 20.30 h, Filmmuseum
28. 11., 20.30 h, Filmmuseum
Hommage an die Schauspielerin Tippi Hedren
Als Alfred Hitchcock 1961 die damals
31-jährige Nathalie ‹Tippi› Hedren
persönlich unter Vertrag nahm, war er
einmal mehr auf der Suche nach dem
von ihm bevorzugten Typ der kühlen
Blondine. Allerdings war Hedren zu
diesem Zeitpunkt keine Schauspielerin, sondern ein New Yorker ModeMannequin, das bislang lediglich in
einigen Werbefilmen aufgetreten war.
Doch nach einem erfolgreichen
Screentest gab ihr Hitchcock in seinem
Thriller THE BIRDS die Rolle der
Melanie Daniels, die sich in einer
nordkalifornischen Kleinstadt unerklärlichen Vogelangriffen erwehren
muss. Ebenso kompetent konnte sie
die Hauptrolle in Hitchcocks nächstem
Film MARNIE ausfüllen: In dem düsteren Psychodrama verkörpert sie eine
frigide Kleptomanin, deren seelische Störung Folge eines Kindheitstraumas
ist. Während der Dreharbeiten kam es jedoch zum Zerwürfnis zwischen Hedren und Hitchcock, der ihr nach eigener Aussage aufdringlich nachstellte.
Ihre Ablehnung nahm er offenbar zum Anlass, sie bis zum Auslaufen ihres
Vertrages nicht weiter zu beschäftigen und alle an sie gerichteten Rollenangebote abzulehnen. Hedrens vielversprechend begonnene Karriere kam
kurzfristig zum Erliegen. Dass die in langen Jahren von Tippi Hedren und
ihrem damaligen Ehemann Noel Marshall mit zahlreichen Raubkatzen
produzierte Abenteuerkomödie ROAR (1981) an den Kinokassen katastrophal
floppte, erwies sich als weiterer Rückschlag. In den folgenden Jahren engagierte sich Hedren unter anderem aktiv für den Tierschutz und für wohltätige
Zwecke und ist vor allem seit den 1990er-Jahren auch wieder konstant als
Schauspielerin in Kino und Fernsehen aktiv.
THE BIRDS
USA 1963, 120 Min, OF
R: Alfred Hitchcock, D: Tippi Hedren,
Rod Taylor, Jessica Tandy, Suzanne Pleshette
Einer der effektivsten Thriller
Hitchcocks: In einem apokalyptischen Szenarium greifen ganz normale Vögel wie Spatzen, Möwen und
Krähen die Bewohner der kleinen
Küstenstadt Bodega Bay in Nordkalifornien an. Mittendrin: der
Rechtsanwalt Mitch Brenner, seine
Mutter und seine kleine Schwester
sowie Melanie Daniels, eine junge
Frau aus der Oberschicht, die Mitch
gerade erst kennengelernt hat.
Der Film funktioniert sowohl als
verstörender Horrorfilm mit beeindruckender Tricktechnik und
einer kongenialen, auf dem elektroakustischen Mixtur-Trautonium
eingespielten Tonkulisse wie auch
als Liebes- und Familienfilm mit
überzeugenden Figuren: Dabei gewinnt die anfangs eher oberflächlich
erscheinende Melanie zusehends
nicht nur die Liebe Mitchs, sondern
auch das Vertrauen seiner Mutter,
die von Jessica Tandy in einer differenzierten Darstellung als eine jener
typisch besitzergreifenden «Hitchcock-Mütter» verkörpert wird, die
sich vor dem Verlust des Sohnes
ängstigen.
THE BIRDS wird im Rahmen der
diesjährigen den Tieren im Film ge-
MARNIE
USA 1964, 130 Min, OF
R: Alfred Hitchcock, D: Tippi Hedren,
Sean Connery, Louise Latham, Martin Gabel
Nach den Publikumserfolgen PSYCHO
und THE BIRDS hatte man von Alfred
Hitchcock vielleicht etwas Spektakuläreres erwartet als das Drama um die
frigide Kleptomanin Marnie Edgar,
deren durch ein schreckliches Kindheitserlebnis verursachte Probleme
schließlich vermittels Psychoanalyse
behoben werden. Als MARNIE 1964
in die Kinos kam, fiel der Film bei
Publikum und Kritik zunächst durch.
Dabei steht das Psychodrama ganz in
der Tradition von Hitchcocks wichtigsten Themen: der fetischistischen, mit
Demütigungen verbundenen Liebe
sowie den stark neurotisch geprägten
Familienbeziehungen mit all ihren
daraus resultierenden Ängsten und
Macken. Überzeugend ist in diesem
Zusammenhang auch die Farbdramaturgie des Films: Der Gefühlskälte
Marnies entsprechend schuf Kameramann Robert Burks eine farblose
stahlgraue Welt, in die das Rot ihrer
Alpträume in farbverfremdeten Sequenzen dann umso heftiger einbricht. Für Hedren ist MARNIE bis
heute ihr Lieblingsfilm, da sie die
Rolle der verstörten Diebin für ihre
schauspielerisch anspruchsvollste
hält.
Galascreening in Anwesenheit von
Tippi Hedren.
29.10., 20 h, Gartenbaukino
45
In Focus
GESCHICHTEN VOM
NÜTZLICHEN LEBEN
nen Kuratorenjob verliert, verleiht
Kritiker Jellinek maximale Gravität.
Nur das Kino kann helfen, als sein
Leben auf den Kopf gestellt wird.
23.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
Der Filmemacher Federico Veiroj
KURZFILMPROGRAMM (57 MIN)
Oftmals bringt das uruguayische Kino
Werke hervor, die vom Alltag ihrer
Figuren in behutsamen, dabei experimentellen Narrationen erzählen. Dass
Federico Veiroj, Jahrgang 1976, gerade
an einer TV-Dokuserie mit dem Titel
«First Person» gearbeitet hat, passt
zum Werk des Regisseurs, der sich mit
seinen Filmen ganz auf private Erfahrungsräume einlässt. Melancholie und
Komödie, ausgebreitet in entspannt
inszenierten, seriellen Miniaturen,
bestimmen Veirojs Kino, in dem die
Befindlichkeiten der urbanen Mittelklasse Montevideos beiläufig eingefangen werden. In ACNÉ erzählt er mit
nonchalantem Witz von den Pubertätsnöten eines 13-Jährigen; in LA VIDA ÚTIL gewährt er einem Kinoprogrammierer einen fantastischen Entwicklungsmoment; in seinem jüngsten Film feiert
er die Regression: EL APÓSTATA ist eine post-katholische Farce mit einem Credo,
das nicht nur für den Protagonisten gilt: Man ist nie zu alt, um Kind zu sein.
In Anwesenheit von Federico Veiroj.
TOCAR, LIMAR, ACELERAR
(TUNING UP, FILING, SPEEDING UP)
ACNÉ
Uruguay/Arg./E/Mexico 2008, 87 Min, OmeU
D: Alejandro Tocar, Yoel Bercovici, Igal Label,
Verónica Perrotta
46
BREGMAN, EL SIGUIENTE (AS FOLLOWS)
Uruguay/E 2004, 13 Min, OmeU
R: Federico Veiroj
6 DE ENERO (JANUARY, 6TH)
Uruguay 2001, 14 Min, OmeU
R: Federico Veiroj, Daniel Hendler
LO QUE DEO MANDA (DEO’S ORDERS)
E 2001, 10 Min, OmeU
R: Federico Veiroj, Damien Huyghe
TOO MUCH DIVING
USA/Uruguay 1998, 3 Min, kein Dialog
R: Federico Veiroj
I JUST WANTED TO TASTE A REAL BURGUER
USA/Uruguay 1998, 4 Min, OF
R: Federico Veiroj, Omer Avarkan
EL APÓSTATA (THE APOSTATE)
(Siehe S. 7)
24.10., 15.30 h, Gartenbaukino
25.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
LA VIDA ÚTIL (A USEFUL LIFE)
Bregmann ist 13, mit mehr Pickeln
im Gesicht, als man sich als Teenager
wünschen kann, die Bar Mitzwa eine
Erinnerung auf Video, deren Schlüsselszene nur er erkennt: ein Tanz mit
dem Mädchen, für das er schwärmt.
Veiroj erzählt in Vignetten, die sich
oft genug auf den Moment konzentrieren und den Eindruck schöner
Flüchtigkeit erzeugen: Abschied von
Freunden, erster Bordellbesuch, Pornohefte, Schultadel, Rauchen in der
Toilette des Lyzeums, der erste Kuss,
trotz der Aknesalbe, irgendwann. Gewidmet: «meiner Familie».
25.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
Uruguay 2013, 13 Min, OmeU
R: Federico Veiroj
Uruguay/E 2010, 67 Min, OmeU
D: Jorge Jellinek, Manuel Martínez Carril,
Paola Venditto
«Diese Fiktion rekonstruiert weder
die Geschichte der Cinemateca Uruguaya noch die ihrer Mitarbeiter»:
Das ist der vorangestellte Disclaimer
zu diesem meisterlich von der
Selbsthypnose zum dynamischen
Ausbruch wechselnden Film, der
sich auf sein reales Setting (die
schläfrige Kinemathek) und ihre Mitarbeiter konzentriert. Dem Mann,
der nach 20 Jahren über Nacht sei-
BREGMAN, EL SIGUIENTE
Experimentelle Laboratorien, in
denen Veirojs Spielfilme vorweggenommen und ergänzt werden. Wie
diese kreisen sie ums Thema der hinausgezögerten Adoleszenz, um
Sprachspiele junger Erwachsener und
die Effekte, die sich aus der Überlagerung von Filmgeschichte mit dem eigenen Leben ergeben. Hier finden
sich formalistische Dialoge, echte
Supplemente, aber auch absurde
Verlängerungen seiner eigenen Cinephilie. Zum Beispiel entdeckt das
schräge Künstlerporträt LO QUE DEO
MANDA einen greisen Do-it-yourselfReligionsgründer, der von großem
Kino träumt: «El Pastor» heißt eines
seiner unmöglichen Epen, das als
Drehbuch in der Schublade liegt.
Einen Apostel hat er schon: Veiroj
betrachtet das leicht wahnhafte Projekt liebevoll, so, als wäre es sein eigenes: Making-of … eines Films, den
es nie geben wird, gedreht im Zwielicht von Wunsch und Wirklichkeit.
26.10., 13.30 h, Metro, Historischer Saal
FOTO © WIENTOURISMUS/CHRISTIAN SEMPER
YOUR FIRST
CONTACT
FOR FILMING
IN VIENNA
WWW.VIENNAFILMCOMMISSION.AT
VIENNA
FILM COM
MISSION
Special Programs
GRIECHENLAND –
NOCH EINMAL MIT GEFÜHL
Filme aus Griechenland 2005–2015
Dachten Sie, dass es sich bei den griechischen Filmen der letzten zehn Jahre
größtenteils um direkte oder indirekte Kommentare zur sozialwirtschaftlichen
Krise des Landes handelt? Oder glaubten Sie, dass zeitgenössisches griechisches Kino nur coole Neugestaltungen von Hipster-Markenzeichen wie
leere und emotionslose Handlungen mit gezwungen wirkenden, seltsamen
Dialogen und unheimlicher Körpersprache präsentiert? Nun ja, das ist nicht
Ihre Schuld. Oder vielleicht doch. Unsere «Krise» ist fotogener als die meisten, unsere Hipster sind hipper als die meisten, und was den Export von griechischen Filmen betrifft, bekamen die Konsumenten eine ganze Weile das,
was sie wollten. Trotz harter Zeiten war, ist und bleibt ein breites Spektrum
griechischer Filme in der Lage, sich mit allen möglichen Themen und Formen
zu befassen und jeder Kategorisierung zu trotzen. Das ist die Essenz dieses
Viennale-Programms, das sowohl Festival-Hits als auch weniger bekannte
Filme umfasst. Kein vollständiges Bild, aber zumindest ein erweitertes.
Kuratiert von Vassily Bourikas.
mosexuellen Slang), «Handbuch des
tüchtigen Diebs», «Rebetische Lieder»
sowie «Unterwelt und Karaghioze» –
des Öfteren im Gefängnis; schließlich ging er ins Exil nach Frankreich.
Seinem letzten Wunsch entsprechend wurde seine Asche in einen
Abwasserkanal gestreut. Legakis
Film dokumentiert Petropoulos’ faszinierende Lebensgeschichte bis
zum letzten Paukenschlag.
Vorfilm: KRIFO SCHOLIO (SECRET SCHOOL)
Marina Gioti, GR 2009, 11 Min, OmeU
In Anwesenheit von Marina Gioti.
27.10., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
DEKEMVRIS 2008 ATHINA KE ALLOU
LOUOMENOI (BATHERS)
(DECEMBER 2008, ATHENS AND ELSEWHERE)
GR 2009, 49 Min, OmeU
R: Anonym
Im Dezember 2008 zogen Ausschreitungen in Griechenland globales
Medieninteresse auf sich. Dieses
«Garagen-Video», das Originalaufnahmen mit found footage-Material
verknüpft, wurde von einem anonymen Anti-Establishment-Aktivisten
gedreht – möglicherweise im selben
Alter wie der 15-jährige Schüler, dessen Tod der Auslöser der Unruhen
war. In seiner jugendlichen Energie
erinnert das Werk an ZÜRI BRÄNNT,
doch zugleich handelt es sich um
eine präzise und aufrichtig subjektive Reportage über die Geschehnisse.
Es eine Weltpremiere zu nennen,
wäre vermutlich eine Beleidigung für
den Videomacher.
Mit LOUOMENOI
30.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
1.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
FORGET ME NOT
GR 2014, 102 Min, OmeU
R: Yannis Fagras, D: Aliki Danezi-Knutsen,
Yannis Stankoglou, Altynay Burina, Elias
Moraitis
Großteils im Nordpazifik und im
vereisten Beringmeer gedreht, ist
FORGET ME NOT ein nautisches
Roadmovie, eine 35mm-Studie der
Meereslandschaft und eine irgendwo
dazwischen lose eingewobene Lie48
besgeschichte. Die minimale Handlung scheint lediglich als Vehikel zu
dienen, um uns auf diese Reise mitzunehmen; und obgleich das Narrativ gegen Ende einen ansprechenden
Höhepunkt erreicht, auf die Erzählung stützt dieser Film sich nicht.
Fagras, selbst ein erfahrener Seefahrer, weiß, wann es besser ist, zu
schweigen und stattdessen nur zu
schauen und zu fühlen. Und eben
dies sollten wir hier auch tun.
1.11., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
3.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
ILIAS PETROPOULOS – ENAS KOSMOS
YPOGEIOS (ELIAS PETROPOULOS –
A WORLD UNDERGROUND)
GR 2005, 61 Min, OmeU
R: Kalliopi Legaki
Petropoulos (1928–2003) war ein rastloser Schriftsteller, ein Feind des akademischen Betriebs und des Establishments sowie der erste Ethnograf
in Griechenland, der sich mit sozialen Außenseitern befasste. Er landete wegen seiner Bücher – darunter
«Kaliardà» (ein Wörterbuch des ho-
GR 2008, 46 Min, OmeU
R: Eva Stefani
Während Jugendliche demonstrierten und in Griechenland die Hölle
los war, beendete Eva Stefani die Arbeit an ihrem Dokumentarfilm über
eine geschlossene Gemeinschaft
fröhlicher, nackter Pensionisten, die
sich schlammbedeckt in einem ländlichen Kurort vergnügen. Stefanis
Œuvre ist einzigartig in Griechenland und ihre Fähigkeit, in ihren filmischen Beobachtungen mühelos
mehrere Standpunkte darzulegen,
zeigt sich auch in diesem Werk, in
dem das gesellige Beisammensein
der Badenden zwischen einer Feier
des Lebens und Politik changiert.
Mit DEKEMVRIS 2008 ATHINA KE ALLOU
30.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
1.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
MAVRO LIVADI (BLACK FIELD)
GR 2010, 104 Min, OmeU
R: Vardis Marinakis, D: Sofia Georgovassili,
Hristos Passalis, Despina Bebedelli,
Maria Panouria
Eine elementare und eindringliche
Geschichte über verbotene Liebe und
Gefangensein, die im Griechenland
des 17. Jahrhunderts spielt. Ein verwundeter, attraktiver Janitschar findet Unterschlupf in einem Kloster
und sorgt bei den Nonnen für emotionale Turbulenzen; dunkle Geheim-
STRELLA
nisse werden gelüftet. Da zur Zeit der
Veröffentlichung von MAVRO LIVADI
das Publikum eher nach Bildern und
Reflexionen aktueller griechischer
Probleme verlangte, bekam dieser
hervorragend konzipierte und meisterhaft umgesetzte Kostümfilm nie
die Aufmerksamkeit, die er verdient.
3.11., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
PROTI YLI (RAW MATERIAL)
GR 2011, 78 Min, OmeU
R: Hristos Karakepelis
Dies ist keine Dokumentation über
Altmetallsammler in Griechenland,
sondern eine griechische Dokumentation über einen globalen Underground-Recycling-Handel sowie ein
millionenschweres Geschäft basierend auf Korruption, Ausbeutung,
Immigration und Armut. PROTI YLI
wurde über einen Zeitraum von
sechs Jahren gefilmt und Karakepelis
gelingt es, die dubiosen Mechanismen des Recycling-Prozesses zu beleuchten, während er zugleich eine
enge Beziehung mit einer kleinen
Gruppe von Metallverkäufern – sowohl Immigranten als auch Griechen
– aufbaut und deren Leben und
Geschichten würdigt.
29.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
STO LYKO (TO THE WOLF)
GR/GB 2013, 74 Min, OmeU
R: Christina Koutsospyrou, Aran Hughes
gemeinen gesellschaftlichen Zerfalls
und sittlicher Verrohung unter dem
Vorzeichen der Armut zu erarbeiten.
4.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
STRELLA (A WOMAN’S WAY)
GR 2009, 113 Min, OmeU
R: Panos H. Koutras, D: Mina Orfanou,
Yiannis Kokkiasmenos, Minos Theoharis,
Betty Vakalidou
Die fast surreale Liebesgeschichte
zwischen Strella, einer jungen, transsexuellen Prostituierten, und Yiorgos, einem harten Ex-Sträfling, der
wiederkehrende Träume von Eichhörnchen hat. Angesiedelt in der
realen Athener Szene der Homosexuellen und Drag Queens und gespielt von ebenso realen Personen,
lädt uns STRELLA ein, Möglichkeiten
von Akzeptanz und Vergebung zu ergründen, die weit über die Themen
Gender und Sexualität sowie die
Grenzen Griechenlands hinausreichen. Angesichts der schockierenden
Entwicklung der Handlung ist es erstaunlich, wie leicht ihm das gelingt.
flirten, liebt und beschützt seinen
Kanarienvogel, kümmert sich um
seinen älteren Nachbarn und hat
beunruhigend viel Hunger. Schon
bald könnte er obdachlos sein. Wer
denkt, dies hätte mit der griechischen Krise zu tun, irrt sich. Der auf
dem Roman «Hunger» des norwegischen Schriftstellers Knut Hamsun
basierende Film erweist sich als
ebenso psychologisch orientiert wie
seine Vorlage und könnte überall
spielen. Der Protagonist ist stets
präsent und man möchte nicht aufhören, ihm durch Athen zu folgen –
bis zum eloquenten Ende.
31.10., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
TO MIKRO PSARI (STRATOS)
GR/CY/D 2014, 138 Min, OmeU
R: Yannis Economides, D: Vangelis Mourikis,
Petros Zervos, Vicky Papadopoulou,
Yannis Tsortekis
In Anwesenheit von Panos H. Koutras.
28.10., 23.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
29.10., 15.30 h, Metro, Historischer Saal
TO AGORI TROEI TO FAGITO TOU
POULIOU (BOY EATING THE BIRD’S FOOD)
Irgendwo in den Bergen im Westen
Griechenlands führen kleine Hirtenund Bauernfamilien ihr von der
Wirtschaftskrise vom Kümmerlichen
ins Elende getriebenes Dasein. Das
letzte Geld geht für Alkohol und Zigaretten drauf, die Perspektive wird
davon auch nicht rosiger. Das Langfilmdebüt der beiden jungen FilmemacherInnen Koutsospyrou und
Hughes spielt kunstvoll mit den Konventionen des Dokumentarischen, um
aus der scheinbar ausbeuterischen
Aufzeichnung randständiger Depravation die negative Utopie eines all-
GR 2012, 80 Min, OmeU
R: Ektoras Lygizos, D: Yiannis Papadopoulos,
Lila Mpaklesi, Vangelis Kommatas,
Kharálampos Goyós
Ein junger, ganz auf sich gestellter
Mann. Er ist talentiert, höflich, kann
Ein harter, düsterer Krimi über einen
verschlossenen Attentäter – ein erstklassiger Film Noir, der sich an der
Oberfläche mit griechischem Sozialrealismus befasst, sich im Kern als
politischer Kommentar auf breiterer
Basis erweist und im formalen
Ansatz als kühn, ohne dabei laut
zu sein. Er kann sicherlich auch als
Anspielung auf die aktuelle Not des
Landes verstanden werden, aber das
ist nichts Neues. Denn Economides’
Filme beschäftigten sich stets mit der
weniger fotogenen Gesellschaft Griechenlands, und zwar lange bevor die
Krise eine «Gelegenheit» dazu bot.
2.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
49
Special Programs
KURZFILMPROGRAMM (81 MIN)
I HOPE THAT THIS WON’T TAKE LONG BECAUSE I
AM VERY BUSY TODAY AND HAVE VERY LITTLE
TIME TO SPARE. I AM ONLY DOING THIS BECAUSE
YOU GAVE ME RAKI, HONEY AND OLIVE OIL.
GR 2011, 5 Min, OF
R: Maria Theodoraki
XXXIII
GR 2012, 8 Min, OF
R: Theofanis de Lezioso
TI ORA INE?
GR 2007, 26 Min, OmeU
R: Eva Stefani
THE HUNTER
GR 2014, 8 Min, eOF
R: Loukia Alavanou
MINDFULNESS
GR/Vietnam 2015, 9 Min, OmeU
R: Poka-Yio
THE 3 Rs
Filme von Anne Charlotte Robertson, Mark Rappaport
und Jean-Claude Rousseau
Zusammengestellt wurde die Reihe unabhängigen kurzen Kinos, die an der
Stelle von «Broken Sequence» im Vorjahr steht, vielleicht nach folgender
Überlegung: Nehmen wir den klugen, in seinen Essay-Kollagen Filmgeschichte
zur Begreifbarkeit verfremdenden Mark Rappaport. Daneben dessen extraordinäre US-Landsfrau Anne Charlotte Robertson (1949–2012), die in intimen
Tagebuchfilmen ihre leidvolle persönliche Geschichte begreifbar macht.
Und stellen wir als – in seinem Zugang der Alltagsbeobachtung – entfernten
Verwandten Robertsons den Blick schärfenden Franzosen Jean-Claude
Rousseau dazu. Gut möglich, dass viel weitschweifigere Überlegungen zu
«The 3 Rs» geführt haben, jedenfalls brauchen die drei R ein geistig reges
bzw. emotional reifes bzw. rücksichtsvolles Publikum. Vielleicht schauen Sie
ja rein und überlegen selbst, wie sie zusammenpassen.
In Anwesenheit von Mark Rappaport und Jean-Claude Rousseau.
REQUIEM TO A SHIPWRECK
GR/NL 2014, 11 Min, eOF
R: Janis Rafa
EPISTROFI STIN ODO AIOLOU
GR 2013, 14 Min, OmeU
R: Maria Kourkouta
Ein Programm, das sich vor allem
mit spezifisch griechischen Fragen
der Politik auseinandersetzt, gebildet aus sieben Kurzfilmen, denen es
gelingt, mit Mehrdeutigkeit, Ironie
und oftmals mit einem Sinn für
Humor an ihre Themen heranzugehen. Es sind seltene formale Experimente, die sich jedoch nicht an
irgendwelchen zeitgenössischen
Experimentalfilm-Rezepten orientieren. Der griechische Kurzfilm erlitt
im Zuge der Krise den schwersten
Schlag, und es waren bildende
Künstler wie Maria Theodoraki,
ANNE CHARLOTTE ROBERTSON
SHORT FILMS (48 MIN)
GOING TO WORK
USA 1981, 7 Min, OF
LOCOMOTION
USA 1981, 7 Min, OF
MAGAZINE MOUTH
USA 1983, 7 Min, OF
DEPRESSION FOCUS PLEASE
USA 1984, 4 Min, OF
APOLOGIES
USA 1986/1990, 17 Min, OF
MY CAT, MY GARDEN, 9/11
REQUIEM TO A SHIPWRECK
Theofanis de Lezioso, Loukia Alavanou, Janis Rafa und Poka-Yio, die
diese Lücke füllten. Die meisten von
ihnen leben inzwischen im Ausland,
darunter Maria Kourkouta, deren
nostalgischer EPISTROFI STIN ODO
AIOLOU dem aktuellen Stand der
griechischen Kultur einen Spiegel
vorhält. Und Eva Stefanis TI ORA
INE?, eine ernste und poetische,
beobachtende Dokumentation,
vertritt eine Art von Kurzfilm, der
in Griechenland heute praktisch
ausgestorben ist.
5.11., 18.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
50
USA 2001, 6 Min, OF
In diesen Kurzfilmen verhandelt
Robertson ähnliche Themen wie im
FIVE YEAR DIARY. Sie schleppt sich
zur Arbeit, wird wegen eines Nervenzusammenbruchs ins Spital eingeliefert, isst alles, was ihr unterkommt,
entschuldigt sich für alles und denkt
über die Ereignisse des 11. September nach. Einige der Filme erweitern
ihre eher im Cinéma-vérité-Stil gehaltenen DIARY-Einträge experimentell:
die Stop-Motion-Animation in MAGAZINE MOUTH beispielsweise oder
das Re-enactment ihrer Erfahrungen
in der Psychiatrie in LOCOMOTION.
Wie Robertson erklärte, «funktioniert das Programm als Balanceakt
LOCOMOTION
zwischen Komödie und Tragödie.
Mal ist das Lachen bittersüß, mal ironisch, aber es vermittelt Trost.»
24.10., 15.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
DIARIES (80 MIN)
FIVE YEAR DIARY REEL 22:
A SHORT AFFAIR (AND) GOING CRAZY
USA 1982, 26 Min, OF
FIVE YEAR DIARY REEL 26:
FIRST SEMESTER GRAD SCHOOL
USA 1983, 27 Min, OF
FIVE YEAR DIARY REEL 83
USA 1995–97, 27 Min, OF
Robertsons Hauptwerk umfasst etwa
37 Stunden Filmmaterial aus den
Jahren 1981–1997. REEL 22 des
DIARY (23.8.–1.9.1982) wird von
einer kommentierenden Tonaufnahme Robertsons begleitet, die in den
1990ern entstand – der Versuch, den
Performance-Aspekt des DIARY für
FIVE YEAR DIARY REEL 22
die Nachwelt festzuhalten: Robertson hätte ihren Film von einem Platz
im Publikum aus erläutert. Als sie
am Massachusetts College of Art zu
studieren begann, hatte Robertson
bereits zwei Jahre an ihrem DIARY
gearbeitet. Das Audio von REEL 26
(28.2.–20.5.1983) ist eine Tonaufnahme der Diskussion ihres Abschlussfilms mit der Prüfungskommission.
Dabei entstandene Ideen fanden
später Eingang in die Präsentation
von REEL 2. Endet ein Tagebuch je
absichtlich oder verschwindet es
schlicht allmählich? Nach dem unbetitelten, letzten REEL 83 des DIARY
(24.12.1995–19.3.1997) entstanden
zwar noch Aufnahmen für ein REEL
84, das aber Fragment blieb. Robertsons letzte Filme stammen aus 2001;
2012 starb sie an Krebs.
23.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
Einführungen in die Programme von
David Pendleton, Harvard Film Archive.
JEAN-CLAUDE ROUSSEAU
MAX & JAMES & DANIELLE
auf die Welt gekommenen US-Star
und THE VANITY TABLES OF DOUGLAS SIRK untersucht die vielfach
lesbaren Spiegelungen im Werk des
wegen seiner jüdischen Ehefrau aus
Nazi-Deutschland emigrierten Detlef
Sierck. Noch Fragen zur Klammer
des Programms?
24.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
PROGRAMM 2 (64 MIN)
BECOMING ANITA EKBERG
USA/F 2015, 18 Min, OF
OUR STARS
MARK RAPPAPORT
PROGRAMM 1 (70 MIN)
THE VANITY TABLES OF DOUGLAS SIRK
USA/F 2015, 11 Min, OF
MAX & JAMES & DANIELLE
USA/F 2015, 27 Min, OF
THE CIRCLE CLOSES
USA/F 2015, 19 Min, OF
Gäbe es Gerechtigkeit, wäre der
Trevi-Brunnen in La Fontana di Anita
umbenannt worden. Von LA DOLCE
VITA ausgehend erkundet Rappaport, wie aus dem Sexsymbol Anita
bei Tashlin die Sexgöttin Ekberg bei
Fellini wurde. Über die Chemie bewährter Star-Liebespärchen, zumal
deren Schwundstufen attraktiver
Energie im Lauf der Zeit, meditiert
OUR STARS: von «bigger than life»
quasi zu «tired of life». Nicht um
Stars, sondern um zentrale Gegenstände kreist hingegen THE CIRCLE
CLOSES. Nehmen Sie unbedingt teil
an den Weltpremieren dieser essay-
USA/F 2015, 17 Min, OF
JOHN GARFIELD
USA/F 2002, 9 Min, OF
I, DALIO – OR THE RULES OF THE GAME
USA/F 2015, 33 Min, OF
Marcel Dalio, 1900 in Paris als Israel
Moshe Blauschild geboren, war in
seinen französischen Filmen der
dreißiger Jahre zumeist «der Jude».
Nach der Flucht vor den Nazis war er
in seinen Hollywood-Auftritten «der
Franzose». Rappaport fingiert einen
Karriererückblick Dalios und gelangt
in einer Melange aus Fakt und Fiktion
zu einer möglichen Wahrheit. Einen
gemeinsamen Auftritt von Danielle
Darrieux und James Mason in einem
Film des jüdischen Regisseurs Max
Ophüls imaginiert MAX & JAMES &
DANIELLE. JOHN GARFIELD porträtiert den als Jacob Julius Garfinkle
OUR STARS
istischen Exkursionen in die Filmgeschichte! Rappaports Videocollagen
sind unterhaltsam und bildend,
wohlrecherchiert, kreativ, reflexionsreich und bestehen – neben erstaunlich detaillierten Querverweisen –
aus den schönsten Ausschnitten essenzieller Filme, die Sie je gesehen
oder nicht gesehen haben.
26.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
KURZFILME (70 MIN)
UN AUTRE JOUR
F 2014, 3 Min, kein Dialog
PARTAGE DES EAUX
F 2014, 10 Min, kein Dialog
PASSION
F 2015, 7 Min, kein Dialog
FANTASTIQUE
F 2014, 6 Min, kein Dialog
L'AIR D'ÊTRE LÀ (SEEMING TO BE THERE)
F 2013, 2 Min, OmeU
REMEMBERING WAVELENGTH
F 2014, 2 Min, kein Dialog
SOUS UN CIEL CHANGEANT
F 2013, 12 Min, kein Dialog
EAUX PROFONDES
F 2012, 2 Min, kein Dialog
TERRASSE AVEC VUE
F 2014, 26 Min, kein Dialog
UN AUTRE JOUR
Die Filme von Rousseau, seit Jahren
regelmäßig bei der Viennale zu Gast,
wirken auf den ersten Blick wie rasch
entworfene Skizzen. Sie sind Momentaufnahmen in unterschiedlichen
Situationen und an unterschiedlichen
Orten, in diesem aus neun Miniaturen
bestehenden Programm etwa in
Hotelzimmern und Parkanlagen, an
einem Seeufer oder auf einer Restaurantterrasse. Rousseaus Beobachtungen des Alltags sind jedoch keine der
Kontemplation, sondern der Präzision. Mit jeder Minute schärfen sie
den Blick des beobachtenden und
wartenden Außenseiters für den
Augenblick der Überraschung – und
sei es ein Sprung ins Wasser oder ein
riesiges Christuskreuz.
1.11., 20.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
2.11., 11 h, Metro, Historischer Saal
51
Special Programs
AUS FLEISCH UND BLUT
ungebrochen aktuell und maximal
ungemütlich.
31.10., 21 h, Metro, Historischer Saal
Austrian Pulp: Genre-Kino aus Wien und anderswo
Während in Italien, Japan oder den USA die weitläufige eigene B-Movie-Historie längst aufgearbeitet wird, harrt das jahrzehntelang naserümpfend verschmähte deutschsprachige Genre- und Exploitationkino seiner Entdeckung.
Für das Förder- und Autorenkino zu wild, ungestüm und unanständig, für das
rein kommerzielle Kino oft zu künstlerisch, experimentierfreudig und eigensinnig, begründet sich gerade in diesem Stiefkindstatus eine ungeahnte erzählerische und formale Freiheit, die viele Filmemacher inspirierte. Eng sind
dabei die personellen Verflechtungen zwischen BRD und Österreich, reich
das Repertoire an aufregenden, mit Sex & Crime, Zwielicht und Nervenkitzel
gewürzten Geschichten. Bislang nur von unabhängigen Liebhaberveranstaltungen wie dem psychotronischen Besonders-wertlos-Festival in Köln, dem
cinephilen Hofbauer-Kongress in Nürnberg oder Kultspielstätten wie dem
Münchner Werkstattkino gewürdigt, versucht die große Schau sich erstmals
in Wien diesem unerhörten, anderen österreichischen Kino umfassend anzunähern. 14 der insgesamt 41 Programme von «Aus Fleisch und Blut» sind im
Rahmen der Viennale zu sehen.
Eine Filmschau von Filmarchiv Austria, Institut Schamlos und Viennale.
Kuratiert von Paul Poet.
ABENTEUER IN WIEN
A 1952, 89 Min, OF
R: Emile Edwin Reinert, D: Gustav Fröhlich,
Cornell Borchers, Franz Lederer,
Egon von Jordan
Toni, Taxifahrer, vom Krieg um alles
gebracht. Karin, Ehefrau eines reichen Despoten, entmündigt. John
Milton, Amerikaner, Jugendfreund
von Karin, tot auf dem Rücksitz von
Tonis Taxi, ermordet von Karins Gatten. Und der Pass des Toten, den
Toni an sich nimmt. Eine ganz mutwillig hitchcockianische Konstellation ist das, in der Reinerts amerikanisch koproduzierter Thriller selbstbewusst über regennassglänzendes
Kopfsteinpflaster lustwandelt. Erst
viele Jahre später, bei Eddy Saller
und Frits Fronz, hat wieder so viel
nokturner Genrefilm-Existenzialismus eben dieses Kopfsteinpflaster
benetzt.
1.11., 18.30 h, Metro, Eric Pleskow Saal
ASPHALT
A 1951, 85 Min, OmfU
R: Harald Röbbeling, D: Hannerl Matz,
Heinzi Farda, Elfriede Garden, Kurt Vittek
Fünf Minderjährigen-Schicksale
inmitten der Nachkriegstrümmer,
geborgen aus Polizeiberichten.
Drei naive Mädchen, deren unbekümmerter Leichtsinn sie auf moralische Abwege führt. Zwei verlorene
Burschen, die sich des Diebstahls
und Totschlags schuldig machen.
Aufgezäumt als rasant improvisierte
Halbstarken-Kolportage, vollgesogen
mit Atmosphäre und Gestalten des
52
Milieus. Ungemein reizvoll gerade
im klassischen Widerspruch, einerseits mahnende Erzählung von
sittlichem Verfall und drohenden
Verführungen zu sein, andererseits
lustvoll energiegeladenes Dokument
eines ungebändigten Lebenshungers.
26.10., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
DIE ERBEN
A 1983, 95 Min, OF
R: Walter Bannert, D: Nikolas Vogel,
Roger Schauer, Annelise Stöckl-Eberhard,
Klaus Novak
Lange unter Verschluss gehalten, nun
als einmalige Aufführung zu sehen.
Wie kaum ein anderes Werk liefert
DIE ERBEN die ungeschönte, bisweilen krass ausgemalte Innenansicht
einer Neonazi-Organisation. Statt
simple Erklärungsmuster zu bemühen, wird die erschreckende
Zufälligkeit betont, mit der zwei ganz
verschiedene Jugendliche in rechte
Umtriebe geraten und sich dort mehr
Lebenssinn und Gemeinschaftsgefühl als im gesellschaftlichen Überlebenskampf erhoffen. Während quer
durch Europa rechtspopulistische
Kräfte erstarken, ist Bannerts Film
EXIT … NUR KEINE PANIK
A/BRD 1980, 105 Min, OF
R: Franz Novotny, D: Hanno Pöschl, Isolde
Barth, Paulus Manker, Eddie Constantine
Der Sommer liegt schwer über der
Peripherie von Wien, es ist nichts los.
Kirchhoff und Plachinger sind Kumpel, aber eigentlich kämpft jeder nur
für sich – um Mädchen, Geld, Träume. Was sie begehren, nehmen sie
sich, und was sie nicht achten, demolieren sie. Deus ex machina ist
hier die Langeweile selbst – die ungeahnten kreativen Kräfte, die sie
mitunter freisetzt, kultiviert, nein:
zelebriert Novotny in seinem genießerisch rotzigen Vorstadtpanorama,
das Aggression und Verletzlichkeit
einen halsbrecherischen Tanz auf
Messers Schneide vollführen lässt.
25.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
FRAU DOROTHYS BEKENNTNIS
A 1921, 61 Min, eZT
R: Michael Kertesz, D: Lucy Doraine, Alfons
Fryland, Otto Tressler, Kurt von Lessen
Mord in einem Vorstadthotel: Die
aus der britischen Upperclass stammende Dorothy wird angeklagt, sich
ihres Gatten entledigt zu haben. Ihre
Erinnerung enthüllt nach und nach,
was der Verzweiflungstat vorausging. Dreiste Täuschungsmanöver
ermöglichten dem Hochstapler ein
ergaunertes Leben in Saus und
Braus mit orgiastischen Partys,
Glücksspiel, Pferde- und Autorennen. Ein fatalistisches StummfilmMelo als rastloser Kolportage-Kintopp der tragischen Verwicklungen
entfaltet sich unter der Leitung des
späteren CASABLANCA-Regisseurs
Michael Kertesz (Curtiz). Restauriert
vom Filmarchiv Austria.
Vorfilm: OUTER SPACE
A 1999, Peter Tscherkassky, 10 Min, kein Dialog
In Anwesenheit von Peter Tscherkassky.
2.11., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
DAS GOLD DER LIEBE
BRD 1983, 86 Min, OF
R: Eckhart Schmidt, D: Alexandra Curtis,
Marie Colbin, Allegra Curtis, André Heller
Das selten gezeigte, somnambul
entrückte Zentralwerk aus Eckhart
Schmidts von Punk, New Wave und
urbaner Neon-Ästhetik inspirierter
80er-Kinophase: kühl und geheimnisvoll oszillierend zwischen lockendem Schein und gähnendem Abgrund, verträumter adoleszenter
Neugier und blutigem Erwachen.
Die junge Patricia irrlichtert darin
durch eine Wiener Nacht voller
Liebeshunger, Drogen- und Gewaltvisionen, gleißendem Konzerttaumel
und dunklen Gassen – das GOLD
DER LIEBE im unschuldigen Herzen,
die Musik der Neuen Deutschen
Welle im Ohr: mit DAF, Blümchen
Blau und Wanderlust bis ans Ende
der Nacht.
3.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
DER KILLER VON WIEN
I/E 1971, 98 Min, dF
R: Sergio Martino, D: George Hilton,
Edwige Fenech, Christina Airoldi, Manuel Gil
DAS MÄDCHEN MIT DEM MINI
A 1964, 66 Min, OF
R: Paul Milan, D: Karin Field, Frank Roberts,
Judith Roth, Tamara Tiomkin
Stolz möchte Biggi ihren neuen «Minikini» in den Wiener Badeanstalten
vorführen, zum großen Leidwesen
ihres Liebsten Frank, der verzweifelt
auf einen Musenkuss wartet: Ein
neuer Schlager muss geschrieben
werden! An derlei geistige Genüsse ist
jedoch nicht zu denken, denn Biggis
freizügige modische Errungenschaft
erhitzt die Gemüter und stellt Kunst
und Liebesglück auf eine schwere
Probe. – Österreichs erster Nudistenfilm ist ein liebenswert tollpatschiges, buntes Mirakel aus der Bonbonniere, das ungeduldig seiner längst
überfälligen Wiederentdeckung harrt.
28.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
RAT RACE
Giallo a Vienna: Glamour Girl Edwige
Fenech in einem Netz aus Mord,
S/M-Fantasien und Intrigen. Die
Abgründe der Austro-Metropole als
fruchtbarer Sumpf, auf dem die genüsslich zelebrierten Stilisierungen
des Italo-Psychothrillers prachtvoll
gedeihen. Nackte Brüste, schwarze
Lederhandschuhe und funkelnde
Rasiermesser. Fetischkino der subkutanen Vibrationen und sinnlichen
Oberflächen, an denen sich die
Kamera satt frisst und ins Taumeln
gerät. Der versierte Handwerker
Martino schwelgt in Stil und Mode,
in Accessoires und Dekors des
Zeitgeists, dazu Dies irae von Nora
Orlandi auf dem treibenden Soundtrack.
23.10., 21 h, Metro, Historischer Saal
A 1998, 60 Min, kein Dialog
R: Valentin Hitz, D: Haymon Maria Buttinger,
Proschat Madani, Roman Kaminski
Wien in der nahen Zukunft ist ein gesellschaftlich marodierender Moloch,
in dem Drogen- und Organhandel das
große Geschäft bedeuten, dem kein
Gesetz mehr einen Riegel vorschiebt.
Der Glücksspieler Kater hält sich über
Wasser, indem er mit Gehirnen handelt – und mit Erinnerungen. Aber:
Sind Erinnerungen synonym mit der
Persönlichkeit eines Menschen? Als
Katers Ex-Freundin Maria droht,
selbst als Ware unter dem Messer zu
landen, gewinnt die Antwort auf
diese Frage für ihn eine ganz neue
Bedeutung.
Vorfilm: THE SHAMAN
A/J 2015, Marco Kalantari, 18 Min, eF
4.11., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
SCHAMLOS
A 1968, 78 Min, OF
R: Eddy Saller, D: Udo Kier, Rolf Eden,
Marina Paal, Gino Baldini
Mit einem Beat-Paukenschlag holt
Eddy Saller 20 versäumte österreichische Schundfilmjahre auf, und
anders als kontemporäre westdeutsche Milieu-Reißer trägt seine wilde
Feier der Kolportage im Titel nicht
die Taten, sondern die Attitüde seiner Figuren: Schamlos sind hier die,
die nur im Exzess spüren, dass sie
am Leben sind. Schamlos sind die,
die Lust verkaufen, ohne sie zu
leben. Schamlos sind die, die vergessen haben, was Liebe ist. Ein rohes
Sündentraktat in metallisch klirrendem Schwarzweiß, dessen Nihilismus und schmierige Dekadenz noch
heute schwer zu fassen sind.
30.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
DIE TOTEN FISCHE
A 1989, 83 Min, OmeU
R: Michael Synek, D: Erwin Leder, Johannes
Weidinger, Gebhard Swoboda, Lisa Luginbühl
Surrealer Existenzialismus in einer
obrigkeitskritischen Parabel zwischen
Kafka und Tarkowskij, basierend auf
einer Kurzgeschichte von Boris Vian.
In trüben Gewässern fischt der kleine
Untergebene täglich nach Briefmarken. Dann geht es mit der Beute vorbei an U-Bahn-Kontrolleuren, über
steile Treppen und durch die stinkende Kanalisation, um vom Chef mit
einem Hungerlohn abgespeist und in
perfider Abhängigkeit gehalten zu
werden. Eine lange verschmähte, nun
endlich restaurierte Wiederentdeckung über autoritäre Willkür und
Schmerzensreisen ohne Erlösung,
gefasst in expressives Schwarzweiß.
29.10., 21 h, Metro, Historischer Saal
UNSICHTBARE GEGNER
A 1933, 87 Min, OF
R: Rudolf Katscher, D: Paul Hartmann,
Gerda Maurus, Oskar Homolka, Peter Lorre
Mit einem veralteten Gutachten versucht der Chef eines Ölkonzerns
Käufer für seine versiegten Felder in
Südamerika zu locken. Zwei Bieter
konkurrieren erbittert, doch jener Ingenieur, der einst das Gutachten erstellte, bekommt Wind von der Sache
und mischt sich ein. Der kurz nach
diesem Film nach London emigrierte
und dort in den 50ern als TV-Regisseur reüssierende Wiener Jude Rudolf Katscher inszenierte diese frühe
Auseinandersetzung mit internatio53
Special Programs
naler Wirtschaftskriminalität als
düsteren Noir-Krimi, dessen fulminantes Finale ganz dem denkwürdigen Schurkengespann Oskar Homolka und Peter Lorre gehört.
Vorfilm: COPY SHOP A 2001, Virgil Widrich,
12 Min, kein Dialog
5.11., 16 h, Metro, Historischer Saal
DIE WÖLFIN VOM TEUFELSMOOR
A 1978, 85 Min, OF
R: Helmut Pfandler, D: John Phillip Law,
Florinda Bolkan, Siegfried Wischnewski
Auf den Äckern nahe eines niederösterreichischen Dorfs soll eine Fabrik
erbaut werden. Der zur Landvermessung entsendete Ingenieur sticht bei
seiner Ankunft in ein Wespennest aus
Hass und okkulten Praktiken, deren
Wirksamkeit er bald mit zunehmendem Schrecken bestaunt … Fortschritt
und Aberglaube, Romantik und Didaktik prallen unversöhnlich aufeinander in diesem verschrobenen Heimathorrorfilm, den Helmut Pfandler
einer Erzählung seines Vaters Josef
entlehnt hat. In der Titelrolle als Druidin: die katzenhafte Florinda Bolkan,
ein Berggewächs, gegen das einzig
das Kraut der Liebe gewachsen ist.
24.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
HARD, FAST AND BEAUTIFUL
Die Produzentin und Regisseurin Ida Lupino
Bevor Ida Lupino 1949 ihre eigene Produktionsfirma gründete und eine Karriere als Regisseurin begann, war sie
ein bedeutender Filmstar. Seit 1933 in
Hollywood, prägten vor allem Porträts
taffer Gangsterbräute und Halbweltdamen in Warner-Filmen wie THEY
DRIVE BY NIGHT (1940) und HIGH
SIERRA (1941) das Image der 1918 als
Tochter eines Schauspielerpaares in
London, England, geborenen Mimin.
Mit der Starkarriere eher unzufrieden,
begann sie sich Ende der Vierziger
Jahre für die produktionstechnische
Seite des Filmemachens zu interessieren: Von 1949 bis 1953 produzierte/inszenierte Lupino mit geringen Budgets
und realistischem, unsentimentalem Ansatz sechs B-Filme mit vergleichsweise ungewöhnlichen Themen und behauptete als Filmemacherin in Hollywood
eine Ausnahmerolle. Als ihre Produktionsgesellschaft 1953 zerbrach, hatte sie
sich als Mitbegründerin der Fernsehfirma Four Stars bereits ein neues Standbein geschaffen und drehte in den Fünfziger und Sechziger Jahren Episoden
erfolgreicher TV-Serien. Ida Lupino verstarb 1995 in Burbank, Kalifornien.
THE BIGAMIST
USA 1953, 79 Min, OF
D: Edmond O’Brien, Joan Fontaine,
Ida Lupino, Edmund Gwenn
ZERSCHOSSENE TRÄUME
A/BRD/F 1976, 99 Min, OF
R: Peter Patzak, D: Yves Beneyton, Raymond
Pellegrin, Mathieu Carrière, Christine Böhm
Ein angehender Polizist strauchelt in
einem Geflecht erdrückender Abhängigkeiten. Einerseits Lustobjekt eines
in Unterweltaktivitäten verwickelten
schwulen Nachtclub-Besitzers, andererseits einer eiskalt berechnenden,
nymphomanen Geschäftsfrau zu
Diensten, werden seine eigenen
Wünsche und Bedürfnisse so lange
unterdrückt, bis nur noch ein explosiver Befreiungsschlag als letzter
Ausweg bleibt. Die sozialkritisch
gewürzte Genre-Fabulierlust gebiert
in Patzaks brodelnder, greller Milieustudie ein Pulverfass von glühenden
Begierden, scheuen Sehnsüchten
und rücksichtslosen Exzessen.
27.10., 18.30 h, Metro, Historischer Saal
54
In die Ehe von Harry und Eve hat sich
Entfremdung eingeschlichen – dass
die beiden mit ihrer Firma Kühlaggregate vertreiben, kommt kaum von ungefähr. Wärme und Zuneigung sucht
Harry nun bei Phyllis, und als diese
ein Kind erwartet, wird er zum Bigamisten. Lupino beweist hier nicht allein, wie gut und effizient sie mit kargen Budgets umgehen kann, sondern
vermeidet auch jede melodramatische Falle, die der Stoff bietet. Stattdessen versucht der Film bei einem
offenen Ende Verständnis für alle
beteiligten Personen zu erwecken.
23.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
30.10., 11 h, Gartenbaukino
HARD, FAST AND BEAUTIFUL
USA 1951, 76 Min, OF
D: Sally Forrest, Claire Trevor,
Kenneth Patterson, Robert Clarke
«Remember: Whoever wins, it’s only
a game.» Der Vater der talentierten
Tennisspielerin Florence nimmt das
Spiel mit dem rechten Sportsgeist.
Für die ambitionierte Mutter hingegen sind die Tenniskünste der Tochter das Mittel zum sozialen Aufstieg,
der mit Macht betrieben wird. Interessant sind neben den Konfrontationen der durchtriebenen Mutter
mit ihrer Tochter vor allem die in
viele, mitunter ungewöhnliche Kameraeinstellungen aufgelösten Aufnahmen der Matches – was natürlich
auch ein wenig kaschiert, dass keine
Profis auf dem Platz stehen.
28.10., 16 h, Metro, Historischer Saal
THE HITCH-HIKER
USA 1953, 71 Min, OF
D: Edmond O’Brien, Frank Lovejoy,
William Talman, José Torvay
Über weite Strecken eher ein düsteres Psycho-Kammerspiel in karger
Landschaft als ein Polizei-Verfolgungsthriller, profitiert der Film um
zwei Freunde auf dem Weg zu einem
Angeltrip in Mexiko, die einen psychopathischen Mörder als Anhalter
mitnehmen, von drei überzeugenden Hauptdarstellern, der guten Kameraarbeit von Nicholas Musuraca
und einigen ungewöhnlichen Ideen:
So kann der Killer beispielsweise
aufgrund einer Deformation seines
Augenlids mit einem offenen Auge
schlafen. Wie viele von Lupinos Filmen beruht auch dieser auf einer
tatsächlichen Begebenheit.
26.10., 21 h, Metro, Historischer Saal
29.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
der Arbeit vergewaltigt wird. Das Getuschel der Leute in der Kleinstadt
und das Gefühl, beschmutzt zu sein,
lässt sie flüchten. Erst ein pragmatischer Priester, den sie auf einer Obstplantage trifft, überzeugt sie davon,
sich dem Leben wieder zu stellen.
Die noch jugendliche Mala Powers
ist hervorragend in diesem Drama,
das aus der Vergewaltigungsszene,
die nicht gezeigt wird, einen deutlich
vom Film noir beeinflussten Moment
des ausweglosen Terrors macht.
24.10., 13.30 h, Stadtkino im Künstlerhaus
2.11., 18 h, Metro, Eric Pleskow Saal
NEVER FEAR
USA 1949, 81 Min, OF
D: Sally Forrest, Keefe Brasselle,
Hugh O’Brian, Eve Miller
Gerade als Carol und ihr Verlobter vor
dem Durchbruch als Tanzpaar stehen,
erkrankt Carol an Kinderlähmung.
Mühsam muss sie sich ihren Lebensmut und ihre physische Gesundheit
zurückerobern – doch professionell
tanzen wird sie nie mehr. In ihrer
ersten offiziellen Regiearbeit bringt
Lupino den Glitter des Showbiz und
die dokumentarische Realität einer
harten Polio-Reha mühelos unter
einen Hut: Auch die Patienten im
Rollstuhl tanzen Square-Dance.
25.10., 23 h, Metro, Eric Pleskow Saal
NOT WANTED
USA 1949, 91 Min, OF
R: Elmer Clifton, D: Sally Forrest,
Keefe Brasselle, Leo Penn, Dorothy Adams
Der erste Film von Lupinos unabhängiger Produktionsgesellschaft erzählt
mit viel Sympathie von der ledigen
Sally, die von ihrem Ex ein Kind
erwartet. Gesellschaftliches Unverständnis und Sallys emotionale
Konfusion sorgen für Aufregung.
Da Regisseur Clifton kurz nach Drehbeginn einen Herzinfarkt erlitt, übernahm Ko-Produzentin und Ko-Autorin Lupino die Regie. In den Credits
ist sie nicht genannt, nicht zuletzt,
weil sie sich, wie sie später erzählte,
alle paar Minuten am Telefon Ratschläge von Clifton und von Cutter
William Ziegler einholen musste.
THE TROUBLE WITH ANGELS
USA 1966, 111 Min, OF
D: Hayley Mills, Rosalind Russell,
Binnie Barnes, June Harding
Lupinos letzte Kino-Regie; eine routinierte Komödie aus einer Zeit, als
rauchende weibliche Teenager als
Gipfel der Rebellion galten und die
Gesellschaft katholische Internate
noch für eine gute Sache hielt. Die
aufsässige Mary und ihre Freundinnen spielen den Nonnen an der St.
Francis Academy harmlose Streiche
und halten sich für clever – doch viel
weiser ist natürlich die sympathische Mutter Oberin. Vermutlich der
einzige Nonnenfilm mit einem –
züchtigen! – Auftritt einer veritablen
Burlesque-Tänzerin (Gypsy Rose Lee).
5.11., 21 h, Stadtkino im Künstlerhaus
ICH EERZ
ICH
ERZÄHLE
RZÄÄHLE
HLE
EUCH
EU
CH M
MEINE
EINE
GESCHICHTE
GESCHI
GE
SCHIC
CHTE
HTE
NICHT, WEIL
NICHT,
WEEIL
WE
IL SSIE
IE
EINZIGARTIG
EINZIGART
EI
NZIGARTTTIG
IG IS
IST.
T.
SONDERN,
SONDE
SO
NDERN,
EERN
ER
N
N,
WEIL SSIE
WEIL
IIEE ES
ES
NICHT
N
ICHT IST.
IST.
Vom Regisseur von WAITING FOR SUPERMAN
®
und Oscar Gewinner von EINE UNBEQUEME WAHRHEIT
EIN KIND, EIN LEHRER, EIN B
BUCH
UCH UND EIN STIFTT
KÖNNEN DIE WELT
WELT
LT VERÄNDERN.
VERÄNDERN.
WHAT BECKONING GHOST?
USA 1961, 50 Min, OF
D: Judith Evelyn, Tom Helmore, Adele Mara,
Frank Wilcox
Die von Lupino inszenierte Episode
der Fernsehserie THRILLER
(1960–62) erzählt, wie der Ehemann
und die jüngere Schwester einer
Konzertpianistin diese mit makabren Inszenierungen in den Herztod
treiben und letztlich eine Überraschung erleben. Formal auffallend
ist, wie Lupino mittels kreiselnder
1.11., 21 h, Metro, Historischer Saal
OUTRAGE
USA 1950, 75 Min, OF
D: Mala Powers, Tod Andrews, Robert Clarke,
Raymond Bond
Das Glück der kurz vor ihrer Hochzeit stehenden Ann findet ein jähes
Ende, als sie auf dem Heimweg von
und schwankender Kamerabewegungen Verwirrung und Trunkenheit
erfahrbar macht.
28.10., 16 h, Stadtkino im Künstlerhaus
www.Malala-derFilm.de
Das Buch bei
/20thCenturyFoxAustria
A
AB
B 23.
23. OKTOBER
OKTTOBER N
NUR
UR IIM
M KINO!
KINO!
EIGEN
EIGENTUM
TUM VON FOX. N
NUR
UR ZUM
ZUM GEBRAUCH
GEBRAUCH IN DER WERBUNG.
WERBUNG. VERKAUF,
VERKAUF, VER
VERVIELFÄLTIGUNG
VIELFÄL
LTIGUNG
TIGUNG ODER WEITERGABE
TIGUNG
WEITERGABE STRENG
STRENG VERBOTEN.
VERBOTEN.
/FoxKino
Retrospektive
ANIMALS
Eine kleine Zoologie des Kinos
Die Darstellung von Tieren auf der Leinwand kommt einer Bändigung gleich,
dem Festhalten einer dem Menschen im Grunde fremden Welt. Nicht zufällig
spricht man vom sogenannten Tierreich: einem Reich, das es auch im Kino
seit mehr als hundert Jahren zu erkunden, zu erforschen und zu erobern gilt.
Vom «Tier im Film» zu sprechen, bedeutet also zunächst, den Blick auf das
Fremde zu richten, so vertraut es auch scheinen mag. Robert Bressons
AU HAZARD BALTHAZAR ist deshalb einer der schönsten und zugleich poetischsten Tierfilme, weil er das Vertraute im Fremden offenbart. Er zeigt, wie
der Mensch allen anderen Lebewesen Schaden zufügt und sie sich zunutze
macht, doch wie er gleichzeitig zu Mitleid und Empathie fähig ist. Im Umgang
mit den Tieren ist für den Menschen noch nicht alles verloren, und gerne mag
manches Tier – vornehmlich der Hund – als des Menschen bester Freund gelten, doch im Kino bildet es den buchstäblich natürlichen Gegenpart zur Zivilisation. Und so rührt das Tier auf der Leinwand vornehmlich an unsere Ängste
und unsere Sehnsüchte. Das Tier ist Projektionsfläche und Spiegelbild zugleich.
A ZED & TWO NOUGHTS
GB/NL 1985, 115 Min, eOmdU
R: Peter Greenaway, D: Brian Deacon,
Eric Deacon, Andréa Ferréol, Frances Barber
Bei einem Unfall kommen die Frauen der Zoologen und Zwillingsbrüder
Oscar und Oswald ums Leben, die
daraufhin eine seltsame Obsession
mit Verfallsprozessen entwickeln.
Durchzogen von Doppelungen und
Spiegelungen, Parallelen und Symmetrien, sowie mit Anspielungen und
Zitaten geradezu gespickt, wartet
diese Greenaway’sche Extravaganz
mit einer ganzen Reihe höchst spannender Zeitrafferaufnahmen auf. Untermalt von Michael Nymans Minimal Music verschimmeln Obst und
Gemüse, verwesen immer größere
Tiere, greifen die Brüder schließlich
nach sich selbst. Und gleichmütig
bremsen die Nacktschnecken ihren
wissenschaftlichen Furor aus.
Vorfilm: TIERE OHNE FEIND UND FURCHT
1953, Michael Grzimek, 10 Min
gen Frau. Mit böser Ironie schildert
Abraham nun, wie das einfache Volk
und seine ebenso abergläubischen
Anführer aus der höchsten Kaste der
Brahmanen den armen Esel zunächst verteufeln und anschließend
zum Heilsbringer ausrufen. Gegen
die Ignoranz und Verkrustung des
Kastensystems hilft wohl allein, so
legt das Ende nahe, das reinigende
Feuer einer Revolution.
Vorfilm: THE CORRIDOR
2010, Sarah Vanagt, 7 Min
2. 11., 18.30 h, Filmmuseum
THE ANIMALS FILM
GB 1981, 136 Min, OF
R: Victor Schonfeld, Myriam Alaux
(EIN ESEL IM BRAHMANEN-DORF)
Indien 1978, 96 Min, tamilOmdU
R: John Abraham, D: M. B. Dreenivasan,
S. Gopal, Sri Lalitha, Swathi
Ein Philosophieprofessor erntet
Spott und Häme, als er sich eines
kleinen, verwaisten Esels annimmt.
Auf Druck seiner Kollegen bringt er
das «unreine» Tier in sein Heimatdorf und in die Obhut einer ebenfalls
Ausgestoßenen, einer stummen jun56
ein Satz, der auch heute nichts von
seiner Gültigkeit verloren hat und
uns zum Handeln provozieren sollte.
Vorfilm: DAS BOXENDE KÄNGURUH
1895, Max Skladanowsky, 20 Sek
23. 10., 16 h, Filmmuseum
30. 11., 20 h, Filmmuseum
AU HASARD BALTHAZAR
F 1966, 94 Min, OmeU
R: Robert Bresson, D: Anne Wiazemsky,
François Lafarge, Philippe Asselin,
Nathalie Joyaut
Durch die Passionsgeschichte des
Esels Balthazar als der geschundenen Kreatur schlechthin kündet dieser unendlich traurige, mystisch anmutende Film von der Tragik des Lebens auf dieser Erde. Die Schicksale
der Menschen – des Bauernmädchens Marie, ihrer Kindheitsliebe
Jacques und des halbstarken Gérard
– sind gleichnishaft episodisch eingewoben in die Erzählung, in der
Balthazar stellvertretend für uns alle
leidet an der Gewalt, an dem Unrecht
und an der Lieblosigkeit der Welt.
Die herzzerreißende Schlussszene
ist unser aller Tränen wert.
23. 10., 18.30 h, Filmmuseum
22. 11., 18.45 h, Filmmuseum
BABE: PIG IN THE CITY
30. 10., 16 h, Filmmuseum
21. 11., 20.45 h, Filmmuseum
AGRAHARATHIL KAZHUTHAI
16. Oktober – 30. November
Die Ausstrahlung dieser Dokumentation im britischen Fernsehen löste
seinerzeit eine Schockwelle aus. Die
krassen Bilder vom brutalen, ausbeuterischen Umgang der «Krone
der Schöpfung» mit seinen Mittieren
auf allen Ebenen, seien es Jagd, Tierhaltung, Pelze oder Forschung,
machten das Wegsehen unmöglich.
Doch was ist seitdem passiert? Auf
dem Plakat zum Film ist zu lesen
«it’s not about them, it’s about us» –
Australien 1998, 96 Min, OF
R: George Miller, D: James Cromwell, Magda
Szubanski, Mickey Rooney, Mary Stein
Diesmal ist das Schweinchen in der
«großen Stadt» unterwegs, einem
skurrilen Konglomerat sämtlicher
europäischer Metropolen. Dort rettet
das selbstlose Ferkel bei der Erstürmung des von Tieren bewohnten
Hotels seinem ärgsten Feind, dem
wütenden Pitbull, das Leben und
erkennt fortan die Eintracht der Welt
als seine Mission. Mit rasantem
Actioneinsatz werden nun die Verdammten dieser Erde – herrenlose
Hunde, singende Katzen, tanzende
Mäuse, eine Gruppe arbeitsloser
Varieté-Affen, ein Goldfisch – ein-
PHASE IV
gesammelt und finden ein neues
Zuhause auf der Farm.
31. 10., 18.30 h, Filmmuseum
BAMBI
USA 1942, 70 Min, OF
R: David Hand
Selten wurde der Begriff «mutterseelenallein» so anrührend ins Bild
gesetzt wie in BAMBI, als die Mutter
des Hirschkalbs einem Jäger zum
Opfer fällt und sein Ruf unerwidert
in der frostigen Dämmerung verhallt. Eines der ewig gültigen Meisterwerke des Zeichentrickfilms, in
Multiplan-Kameratechnik geradezu
zärtlich animiert, erzählt vom Wald
und seinen tierischen Bewohnern.
Immer wieder schließt sich, im
Wechsel der Jahreszeiten, der Kreis:
heranwachsen, sich bewähren, den
Fortbestand der Ordnung sicherstellen. Was den Zauber von BAMBI
ausmacht, ist die Liebe und ist der
Respekt, die in ihn eingeflossen sind,
die sich in ihm ausdrücken und die
uns ergreifen.
Vorfilm: THE PRIVATE LIFE OF A CAT 1945/46,
Alexander Hammid, Maya Deren, 29 Min
18. 10., 18.30 h, Filmmuseum
31. 10., 16 h, Filmmuseum
die lebendigen Skulpturen, die Tür,
der Spiegel – alles gehorcht dem
Herrscher des Hauses, dem hässlichen, leidenden Tiermenschen, der
aber so sanft ist zu der «Schönen».
Ihre Blicke durchdringen sein abstoßendes Äußeres, versengen ihn fast.
Von ihr allein erhofft er sich die Erlösung durch die Liebe – die das
Märchen ihm, wie wir es erhoffen,
am Ende auch gewährt.
Vorfilm: RED HOT RIDING HOOD
1943, Tex Avery, 7 Min
21. 10., 18.30 h, Filmmuseum
28. 11., 18.30 h, Filmmuseum
BEST IN SHOW
USA 2000, 90 Min, OF
R: Christopher Guest, D: Jay Brazeau, Parker
Posey, Michael Hitchcock, Catherine O’Hara
BATAILLE SUR LE GRAND FLEUVE
F 1951, 35 Min, OmeU
R: Jean Rouch
Vier Monate lang hat Jean Rouch im
Niger ethnografisch registrierend eine
Flusspferdjagd begleitet. Rituale leiten sie ein – die Bitte an die Götter,
die Flusspferde töten zu dürfen –, erst
dann machen sich die Jäger auf einer
übergroßen Piroge auf den Weg. Es
folgen zähe, blutige Kämpfe, nicht
alle werden gewonnen: Der größte
Flusspferdbulle entkommt wie Moby
Dick gespickt mit Lanzen, und die
Jäger lagern erschöpft, geschlagen
und gedemütigt am Ufer des Flusses.
Mit LE COCHON und LE SANG DES BÊTES
2. 11., 21 h, Filmmuseum
LA BELLE ET LA BÊTE
F 1946, 94 Min, OmdU
R: Jean Cocteau, D: Jean Marais, Josette Day,
Marcel André, Mila Parély
Schöner, atmosphärischer, fantastischer als es Jean Cocteau vor nahezu
70 Jahren gelungen ist, lässt sich ein
Märchen nicht ins Bild setzen. Alles
im Schloss des «Tieres» ist beseelt,
Die Mayflower Kennel Club Dog
Show – unter leicht geändertem
Namen die größte Hundeshow der
USA – ist das Traumziel der stolzen,
mehr oder weniger abstrusen BesitzerInnen mehr oder weniger abstruser Hunde, die der Film pseudo-dokumentarisch begleitet. Dabei laufen
die DarstellerInnen in den teils improvisierten Dialogen und «Vorher –
Nachher»-Interviews zu realsatirischer Hochform auf, getoppt nur
noch vom britisch-amerikanischen
Kommentatoren-Team, das aus den
gängigen nationalen Klischees
skrupellos hochkomischen Gewinn
schlägt.
Vorfilm: QUEER PETS 1912, Percy Smith, 5 Min
1. 11., 16 h, Filmmuseum
27. 11., 18.30 h, Filmmuseum
THE BIRDS
USA 1963, 120 Min, OF
R: Alfred Hitchcock, D: Tippi Hedren, Rod
Taylor, Suzanne Pleshette, Jessica Tandy
(Siehe S. 45)
Am 30.10. in Anwesenheit von Tippi Hedren.
Vorfilm: GLIMPSES OF BIRD LIFE
1910, Oliver Pike, 7 Min
30. 10., 20.30 h, Filmmuseum
28. 11., 20.30 h, Filmmuseum
BRINGING UP BABY
USA 1938, 102 Min, OF
R: Howard Hawks, D: Katharine Hepburn,
Cary Grant, Charlie Ruggles, Walter Catlett
In Hawks’ Klassiker ist Cary Grant als
ungelenker Paläontologe wehrlos
einer nachgerade gemeingefährlich
unbeirrbaren Katharine Hepburn
und ihren Wortkaskaden mit gefühlt
200 wpm (words-per-minute) ausgeliefert, während unser Zwerchfell
eine ähnliche Gagdichte verkraften
muss. Wären da nicht die tierischen
Protagonisten, der Brontosaurus und
sein entscheidender Cameo-Aufbzw. Abtritt, der Leopard in einer
Doppelrolle à la Jekyll-und-Hyde und
der hinreißende Hundestar Asta als
unermüdlich buddelnder George –
wie sollten die zwei Menschen je
zueinander finden?
Vorfilm: GARE! LES LIONS! 1912, Lux, 5 Min
24. 10., 18.30 h, Filmmuseum
7. 11., 18.30 h, Filmmuseum
57
Retrospektive
CANE TOADS: AN UNNATURAL HISTORY
© NFSAA/Arthur Mostead
Australien 1988, 47 Min, OF
R: Mark Lewis
Natürliche Schädlingsbekämpfung –
klingt doch gut! Dachten sich auch
diejenigen, die 1935 gut 100 Riesenkröten nach Australien importierten,
um dem Käfer den Garaus zu
machen, der die Zuckerrohrplantagen verwüstete. Die Kröten freilich
– so weiß diese höchst instruktive
und zugleich vergnügliche Dokumentation zu berichten – konnten
weder, noch mochten sie das Insekt
vertilgen und machten sich stattdessen dank ungeheurer Fruchtbarkeit und in Ermangelung natürlicher Feinde die australische Erde
untertan.
Mit UNE FÉE ... PAS COMME LES AUTRES
26. 10., 18.30 h, Filmmuseum
CHANG: A DRAMA OF THE WILDERNESS
USA 1927, 69 Min, eZT
R: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack
Der ethnografische, halbdokumentarische Abenteuerfilm CHANG erzählt
von der Familie eines Reisbauern im
unwirtlichen Dschungel von Nordsiam, dem heutigen Thailand, und
ihrem täglichen Kampf ums Überleben. Als ein Leopard ihre Ziege, ein
Tiger ihren Wasserbüffel reißt und
Elefanten die Reisernte vernichten,
ruft das ganze Dorf zu einer spektakulär inszenierten Jagd. Dank
Bimbo, dem Hausäffchen, das als
Mittler zwischen der Welt der Menschen und jener der Wildtiere fungiert, fehlt dem Dokudrama aber
auch das Komödiantische nicht.
Mit CLASH OF THE WOLVES
Klavierbegleitung: Gerhard Gruber
26. 10., 15.30 h, Filmmuseum
CLASH OF THE WOLVES
USA 1925, 74 Min, eZT
R: Noel M. Smith, D: Rin Tin Tin, Nanette,
Charles Farrell, June Marlowe
Unvergesslich die Geschichte von
Loyalität und Freundschaft zwischen
Dave, dem unerfahrenen Mineraliensucher, und Lobo, dem Wolfshund. Es
verschlägt einem den Atem, wenn
58
der Hund majestätisch auf einem
Felsbrocken thront oder über die
Wüste fegt, und es zerreißt einem das
Herz, wenn er, mit einem Kaktusdorn
in der Pfote, fliehen muss. Gespielt
wird Lobo von Rin Tin Tin, einem
Schäferhund, der 1918 von einem
amerikanischen Soldaten aus Frankreich in die USA gebracht wurde, der
dort dann als Filmheld reussierte
und einmal sogar für einen Schauspiel-Oscar nominiert wurde.
Mit CHANG: A DRAMA OF THE WILDERNESS
Klavierbegleitung: Gerhard Gruber
26. 10., 15.30 h, Filmmuseum
LE COCHON
F 1970, 52 Min, OF
R: Jean Eustache, Jean-Michel Barjol
Auf einem Bauernhof in Frankreich
filmen Eustache und Barjol den Tag,
an dem eine Sau geschlachtet wird.
Das nüchtern-sachliche Protokoll beginnt mit dem Frühstück der Bauern
und kurzem Blick auf das fressende
Schwein und geht über die Tötung,
das Häuten und Ausnehmen bis zur
Verarbeitung zu Wurst. Nichts wird
vergeudet dabei, alles findet Verwendung; ein Zeichen der Achtung für das
getötete Tier, wie sie die industrielle
Viehwirtschaft nicht mehr kennt.
Mit BATAILLE SUR LE GRAND FLEUVE
und LE SANG DES BÊTES
FANTASTIC MR. FOX
USA 2009, 87 Min, OF
R: Wes Anderson
Seiner Frau hat er versprochen, der
Kinder wegen ehrlich zu bleiben,
doch eines Tages ist die Versuchung
zu groß … Mr. Fox ist eben ein Fuchs.
Also stiehlt er die Hühner (und
Schinken und Cider) der Herren
Boggis, Bunce und Bean und bringt
damit nicht nur seine Familie in Gefahr, sondern alle Tiere, die in dem
Hügel wohnen, auf dem er seinen
Bau, Pardon, sein Baumhaus hat.
Anderson setzt Roald Dahls berühmtes Kinderbuch als Stop-MotionAnimation in Szene und erzählt
schwungvoll – mal in flächigen
2. 11., 21 h, Filmmuseum
Panoramen, mal in puppenstubenhafter Detailverliebtheit – die Geschichte vom Fuchs, der gar nicht
so schlau, dafür aber umso
optimistischer ist.
Vorfilm: EN KLUVEN VÄRLD (A DIVIDED
WORLD) 1948, Arne Sucksdorff, 9 Min
18. 10., 20.30 h, Filmmuseum
L’ENFANT SAUVAGE
THE FLY
F 1970, 84 Min, OmeU
R: François Truffaut, D: Jean-Pierre Cargol,
François Truffaut, Françoise Seigner,
Jean Dasté
In luzidem Schwarzweiß erzählt
Truffaut die Geschichte vom «Wilden
von Aveyron» als Parabel einer
Menschwerdung. 1798 wird ein tierähnlich und isoliert im Wald lebender Junge gefunden und zunächst
als «Irrer» klassifiziert, damit im
Wert landläufig unter einem Tier.
Der aufgeklärte Gehörlosenpädagoge
Dr. Itard nimmt sich seiner an, und
es gelingt ihm, Victor, wie er ihn
nennt, gewissermaßen nachzuentwickeln; dabei führt er uns vor
Augen, dass das hilfloseste aller
Tiere, der Mensch, noch scheinbar
Naturgegebenes wie Hören und
Sehen nur im Sozialen entfaltet.
USA/GB/Kanada 1986, 94 Min, OF
R: David Cronenberg, D: Jeff Goldblum,
Geena Davis, John Getz, Joy Boushel
Am Ende steht die Brundlefly, ein
Mischwesen aus Mad Scientist Seth
Brundle und der Fliege, die sich mit
im Teletransporter befindet, als der
Wissenschaftler den von ihm entwickelten Apparat im Selbstversuch
testet. Eine Erfindung also, deren
erster Schuss grandios nach hinten
losgeht, auch wenn es zunächst
danach aussieht, als würde das Tier
im Menschen die Fähigkeiten des
Letzteren erweitern. Cronenberg
dringt mit THE FLY in Dimensionen
des Körperhorrors vor, die die Welt
so noch nicht gesehen hat und lässt
Kurt Neumanns Original von 1958
tatsächlich ein wenig alt aussehen.
Vorfilme: CHEESE MITES 1903, Charles Urban,
3 Min / THE UNCLEAN WORLD 1903,
Percy Stow, 2 Min / THE STRENGTH AND
AGILITY OF INSECTS 1911, Percy Smith, 4 Min /
LES MOUCHES 1913, Eclipse-Urbanora, 6 Min
17. 10., 20.30 h, Filmmuseum
15. 11., 18.30 h, Filmmuseum
26. 10., 21 h, Filmmuseum
GAAV (DIE KUH)
Iran 1969, 104 Min, OmeU
R: Dariush Mehrjui, D: Ezzatolah Entezami,
Mahin Shahabi, Ali Nassirian, Jamshid
Mashayekhi
Betörend schön, inspiriert von Neorealismus und Nouvelle Vague, erzählt Mehrjui vom kargen Leben in
einem armen persischen Dorf und
vom Bauern Hasan und seiner geliebten Kuh. Er führt sie spazieren
wie andere Leute ihren Hund, er verehrt sie, wäscht sie und schläft bei
ihr im Stall, liebkost sie im Tanz. Als
die Kuh unerwartet stirbt, begräbt
die Dorfgemeinschaft das Tier und
lässt Hasan in dem Glauben, sein Ein
und Alles sei davongelaufen. Doch
der Verlust löst Hasans Identität auf
und stürzt ein ganzes Dorf in Schuld
und Katastrophe.
25. 10., 18.30 h, Filmmuseum
GOJIRA (GODZILLA)
Japan 1954, 96 Min, japOmeU
R: Ishiro Honda, D: Akira Takarada, Momoko
Kochi, Haruo Nakajima, Katsumi Tetsuka
Fakt ist, dass ein erwachsener Mann
in einem aus Gummi gefertigten
Monsteranzug in einer Modelllandschaft herumtrampelt und im Laufe
dieser Aktion ziemlich viele Dinge zu
Bruch gehen. Fakt ist aber auch, dass
Gojira Tokyo in Folge eines unterirdischen Atombombenversuchs
verwüstet und dass die Zerstörungssequenzen an die Vernichtung von
Hiroshima und Nagasaki gemahnen.
Gojira ist die Nemesis des japanischen Volkes, die Verkörperung
eines Traumas, dessen wesentliche
Veränderung über die Jahre – vom
Zerstörer Tokyos zum Verteidiger
Nippons – auch den Eingang des
Atombombenschreckens in die
Erinnerung des Landes widerspiegelt, den Übergang von Geschichte
in Mythologie.
Vorfilm: MYSTERIES OF THE DEEP
1959, Ben Sharpsteen/Disney, 24 Min
25. 10., 21 h, Filmmuseum
9. 11., 20.45 h, Filmmuseum
GONE TO EARTH
GB 1950, 110 Min, OF
R: Michael Powell, Emeric Pressburger,
D: Jennifer Jones, David Farrar, Cyril Cusack,
Sybil Thorndike
Gnadenlos hetzt die Jagdgesellschaft
mit ihrer Meute über die Hügel von
Shropshire, und Hazel kann ihr liebstes Wesen, ihren zahmen Fuchs, gerade noch retten. Die nicht-domestizierbare, naturverwurzelte junge Frau
findet keinen Platz in der vermeintlich zivilisierten englischen Gesellschaft um 1900, sie wird zerrieben
zwischen ihrer Vernunftehe mit dem
aufrichtigen Baptistenprediger und
ihrer Leidenschaft für den skrupellosen Gutsherrn. Am Ende wiederholt
sich der Jagdruf des Anfangs: «Gone
to earth!» (d. h. «Der Fuchs ist im
Bau!») mit bitterer Doppeldeutigkeit.
2. 11., 16 h, Filmmuseum
23. 11., 18.30 h, Filmmuseum
GOOD-BYE, MY LADY
USA 1956, 95 Min, OF
R: William A. Wellman, D: Brandon De Wilde,
Walter Brennan, Phil Harris, Sidney Poitier
In der bizarren Natur der Mississippi-Sümpfe, in denen er mit dem
alten Uncle Jesse ein genügsames
Leben führt, findet der Junge Skeeter
einen kuriosen Vierbeiner: einen
Hund, der nicht bellt und der sich
putzt wie eine Katze. Skeeter zähmt
die Hündin – einen seltenen afrikanischen Basenji – nennt sie Lady,
vertraut ihr, gewinnt Vertrauen, und
eine innige Freundschaft entsteht.
Doch das Erwachsenwerden, das mit
der Verantwortung für das Tier begann, verlangt nun eine erste grausame Entscheidung: Soll Skeeter Lady
ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgeben?
Mit LASSIE COME HOME
25. 10., 15 h, Filmmuseum
7. 11., 15 h, Filmmuseum
liebte die Grizzly Bären. So sehr, dass
er seine Sommer bei ihnen im Katmai National Park, Alaska, verbrachte. 13 Jahre lang, bis 2003, als sie ihn
schließlich eines Nachts fraßen. Zurück blieben hunderte Stunden Material, Reflexionen eines Besessenen
im Stil einer TV-Naturdoku. Aus diesem Nachlass präpariert nun Herzog
das Porträt eines Mannes, der sich in
der Grenzziehung zwischen Tier und
Mensch fatal vertut. Welten prallen
aufeinander – Treadwell, der Grizzly
mit Teddy verwechselt, und Herzog,
dem die «grausame Indifferenz der
Natur» Axiom jeglicher Erkenntnis
ist –, doch in beiden lebt eine große
Leidenschaft.
21. 10., 20.30 h, Filmmuseum
I DO NOT KNOW WHAT IT IS I AM LIKE
USA 1986, 89 Min, OF
R: Bill Viola
Der enigmatisch anmutende Titel
aus den indischen Veden benennt
eine existenzielle Frage des Daseins,
um die sich dieses Video, mal zentral, mal peripher, bewegt. In langsamen, meditativen Einstellungen
erkundet Bill Viola, wo der Mensch
sich verortet in der, mit der, gegenüber der Natur, und wo in all dem
der Künstler seinen Platz findet.
Bilder von arrangierten Stilleben
(nature morte) und die zentrale
Emblematik der spiegelnden Pupille
– eines Büffels, eines Fischs, eines
Vogels – markieren die Übergänge
zwischen Innen und Außen und
zwischen Mensch und Tier.
Vorfilm: LE CINÉMA LENT ET LES MOVEMENTS
RAPIDES DES ANIMAUX 1915, Pathé, 6 Min
11. 11., 18.30 h, Filmmuseum
INDIA, MATRI BHUMI
I/F 1957–59, 90 Min, iOmdU
R: Roberto Rossellini
GRIZZLY MAN
USA 2005, 103 Min, OF
R: Werner Herzog
Timothy Treadwell, selbsternannter
Tierschützer und Amateur-Filmer,
Mit einer Kamera, die ständig in
Bewegung ist, die keinen Stillstand
kennt, versucht Rossellini sein
Gefühl von Indien filmisch umzusetzen, den scharfen Kontrast zu
vermitteln zwischen dem Leben in
der Metropole Bombay und dem
59
Retrospektive
geruhsamen, kargen Leben auf dem
Land. INDIA, MATRI BHUMI ist
weder Spiel- noch Dokumentarfilm,
vielmehr ein filmisches Poem, eine
Meditation, die die schwere Arbeit
der Elefanten zeigt, die Bedrohtheit
des Tigers und in einer der berührendsten Szenen ein dressiertes
Äffchen, das versucht, seinen sterbenden Besitzer vor den lauernden
Geiern zu beschützen.
Vorfilm: PASTORI DI ORGOSOLO
1958, Vittorio De Seta, 10 Min
19. 10., 18.30 h, Filmmuseum
KES
© Park Circus
GB 1969, 110 Min, OmdU
R: Ken Loach, D: David Bradley, Colin
Welland, Lynne Perrie, Freddie Fletcher
Mit KES ist Ken Loach eine scharf beobachtete wie atmosphärisch dichte
und psychologisch einfühlsame Sozialstudie über das harte Milieu eines
Kohlereviers im Norden Englands gelungen. Der 15-jährige Billy, ein mutiger, neugieriger Einzelgänger, wird in
der Schule gehänselt und ungerecht
bestraft, im Dorf verachtet und von
seinem Bruder geprügelt. Eines
Tages findet er einen jungen Falken
und richtet ihn ab. Der Kontrast dieser beglückenden Begegnung zwischen Billy und seinem fliegenden
Freund zu der brutalen Lebensrealität und trostlosen Zukunftsperspektive des Jungen könnte größer und
bitterer kaum sein.
5. 11., 18.30 h, Filmmuseum
21. 11., 18.30 h, Filmmuseum
puppen Willis O’Brien. Entsetzt und
hysterisch beschrien von Fay Wray,
der ersten würdigen Scream-Queen.
KING KONG, ein altersloser Film voll
ikonischer Momente, in dem die
ganze Poesie des handgemachten
Kinos aufgehoben ist wie in einer
Schneekugel. Handle with care.
16. 10., 20.30 h, Filmmuseum
14. 11., 16.30 h, Filmmuseum
KOI YA KOI NASUNA KOI (THE MAD FOX)
Japan 1962, 109 Min, OmeU
R: Tomu Uchida, D: Okawa Hashizo, Saga
Michiko, Usami Yunya, Kensaku Hara
Der über den Verlust seiner Liebsten
irre herumirrende Yasuna wird von
einem weiblichen Fuchsgeist aufgenommen, der die Gestalt der geliebten Frau annimmt, sich in ihn verliebt und schließlich sogar einen
Sohn gebärt. Doch ein Happy End
kann eine solche Grenzüberschreitung zwischen animalischer und
menschlicher Welt nicht haben. Im
Gegensatz zum Film, der sie erzählt
und der zwischen dem Theaterhaften, dem Malerischen und den filmischen Mitteln eine glückliche Harmonie herstellt. Dergestalt, dass der
Grad an Abstraktion, den dieses
Meisterwerk erreicht, der emotionalen Wucht der Geschichte in keinem
Moment im Wege steht. Am Ende
bricht einem schier das Herz.
1. 11., 18.30 h, Filmmuseum
KOKO, LE GORILLE QUI PARLE
(KOKO, A TALKING GORILLA)
F 1978, 85 Min, eOmdU
R: Barbet Schroeder
KING KONG
USA 1933, 101 Min, OmdU
R: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack,
D: Fay Wray, Robert Armstrong, Bruce Cabot,
Frank Reicher
King Kong, Herrscher über Skull Island, Riesenaffe, Vater aller Monstertiere. King Kong, der Unglücklichste
unter den Gorillas, der der Versuchung der weißen Frau nicht widerstand und der nun auf alle Zeit vom
Empire State Building herabwinkt. In
Stop-Motion-Technik animiert vom
Großmeister kleinwüchsiger Glieder60
Lange vertrauten wir Menschen
selbstgerecht darauf, die Differenz
zwischen uns und anderen Primaten
sei qualitativ, ein Sprung, gekennzeichnet vor allem durch die Alleinstellungsmerkmale Bewusstsein und
Sprache. Nach dieser Dokumentation über die Arbeit der Forscherin
Penny Patterson mit Gorillafrau
Koko, die sich in Gebärdensprache
mitteilt und unterhält, dabei sogar
kreativ neue Begriffe entwickelt,
dürften noch die hartnäckigsten
«Humanisten» ihre Arroganz ablegen und unsere Mitprimaten als eigenständige Persönlichkeiten anerkennen.
Vorfilm: LAST LOST 1996, Eve Heller, 13 Min
In Anwesenheit von Eve Heller.
29. 10., 21 h, Filmmuseum
LASSIE COME HOME
USA 1943, 89 Min, OF
R: Fred M. Wilcox, D: Roddy McDowall,
Donald Crisp, Elsa Lanchester,
Elizabeth Taylor
Lassie, das erfolgreichste Tier der
Filmgeschichte, hat wohl überall auf
der Welt mannigfach Kindheitsträume genährt. Die erste Verfilmung des
erfolgreichen Jugendbuches, LASSIE
COME HOME, nimmt ihren Ausgang
in einer verarmten Familie, die Lassie verkaufen muss, weil der Vater
die Arbeit verloren hat und das Geld
fehlt. Es folgt die lange Flucht des
treuen und klugen Collies nach
Hause, von Schottland bis nach Yorkshire, lebensgefährliche Flussüberquerung und stuntdogmäßiger
Sprung durchs Fenster inklusive.
Und als I-Tüpfelchen: Elizabeth Taylor als Kinderstar in ihrer ersten großen Rolle.
Mit GOOD-BYE, MY LADY
25. 10., 15 h, Filmmuseum
7. 11., 15 h, Filmmuseum
THE LAST HUNT
USA 1956, 103 Min, Omd/fU
R: Richard Brooks, D: Robert Taylor,
Stewart Granger, Lloyd Nolan, Debra Paget
Der Völkermord an den Ureinwohnern Amerikas wurde begleitet von
einem weiteren Massenmord, von
dem THE LAST HUNT erzählt. Aufnahmen einer Ausdünnung noch
vorhandener Herden aus dem Entstehungsjahr des Films illustrieren
drastisch die kaltblütige Brutalität,
mit der der amerikanische Bison
nahezu ausgerottet wurde. Die Figur
des psychopathischen Exsoldaten
und Bisonjägers Gilson, dessen Lust
am Töten mit seinem Indianerhass
perfekt zusammengeht, zwingt uns
zu einem Blick in den dunklen
Spiegel der Kolonisierung und
«Zivilisierung» Nordamerikas.
Vorfilm: CHASSE AUX PHOQUES DANS
LA MER DE LA TASMANIE (SEEHUNDJAGD IN
TASMANIEN) 1910, Pathé, ca. 5 Min
24. 10., 16 h, Filmmuseum
9. 11., 18.30 h, Filmmuseum
LEVIATHAN
USA/GB/F 2012, 87 Min, eOF
R: Lucien Castaing-Taylor, Véréna Paravel
Ein Fischkutter, der vor der Küste
von New Bedford, Massachusetts,
seiner Arbeit nachgeht. Gedreht mit
kleinen, mitten ins Geschehen geworfenen Digitalkameras. Ein gewaltiger Strudel aus Bildern und Tönen,
der sich sehr allmählich erst zu
etwas ordnet, das die Brutalität der
kommerziellen Fischerei ist und zugleich ein mythischer Raum. Müdigkeit und Erschöpfung, Kälte und
Nässe. Ödnis. Das mechanische
Töten und das massenhafte Sterben.
Fressen und Gefressenwerden. Aus
all dem entsteht schließlich ein atmender Organismus: das biblische
Seemonster, das den Ozean durchpflügt und alles Leben mit sich reißt.
In Anwesenheit von Véréna Paravel.
Vorfilme: VISVANGST MET AALSCHOLVERS
IN NEDERLANDS INDIË (FISCHFANG MIT
KORMORANEN) 1925, 3 Min /
PESCHERECCI 1958, Vittorio De Seta, 11 Min
4. 11., 21 h, Filmmuseum
MOBY DICK
USA 1956, 115 Min, OF
R: John Huston, D: Gregory Peck, Richard
Basehart, Leo Genn, Friedrich von Ledebur
Die Geschichte vom weißen Wal,
Moby Dick, und Käpt’n Ahab, dem er
das Bein nahm. Der ihn so aus dem
Gleichgewicht brachte und im Innersten verwundete. Sodass Ahab
ihn jagen muss, wie besessen jagen,
Moby Dick, das Riesentier, das sich
ihm nicht untertan machen will. In
dem Ahab das Böse erkennt und den
Auftrag zur Demut verkennt. Braun,
rosa, grau leuchtet das Meer in Technicolor, blau, rot und grün strahlt der
Himmel. Und als Moby Dick schließlich auftaucht, da ist seine Haut
nicht weiß, sondern mannigfach gezeichnet von den Spuren des Kampfes, der sein Leben ist. Er kommt, um
Ahab zu holen, der große weiße Gott,
und dessen Hybris zu enden.
Vorfilm: VIVE LA BALEINE
1972, Chris Marker, Mario Ruspoli, 17 Min
19. 10., 20.30 h, Filmmuseum
21. 11., 16 h, Filmmuseum
MOGAMBO
USA 1953, 116 Min, OF
R: John Ford, D: Clark Gable, Ava Gardner,
Grace Kelly, Donald Sinden
Nur kurz geraten die vorbestimmten
Konstellationen durcheinander – der
raue Wildtierfänger und der abgebrühte Vamp, der brave Forscher
und seine noch britisch-bravere Ehefrau sind nach einigen Verirrungen
wieder an ihrem Platz. Ohnehin tritt
ihre Geschichte in den Hintergrund
angesichts der Weite und der Tierwelt
der afrikanischen Savanne und des
Dschungels, durch den wir zum heimlichen Höhepunkt des Films vordringen: Aufnahmen einer BerggorillaFamilie, die sich mit leinwandsprengender Kraft und Urgewalt jede
menschliche Zudringlichkeit verbittet.
Vorfilm: EIN FABELTIER FLIEGT NACH
DEUTSCHLAND 1954, Michael Grzimek, 11 Min
erzählt vom Schrecken, der vom
offenbar intelligenten und in feindseliger Absicht koordinierten Verhalten einer Masse von Winzlingen
ausgehen kann, denen der Mensch
sich überlegen glaubte, was wie
üblich ein Fehler war. Astronomische
Phänomene seien schuld, wird
behelfserklärt. Zentral aber ist die
Erkenntnis der jederzeitigen Möglichkeit totaler humaner Ohnmacht.
Vorfilme: LA CHENILLE DE LA CAROTTE
1911, Pathé, 9 Min / LA PEINE DU TALION
1906, Gaston Velle, 6 Min
24. 10., 21 h, Filmmuseum
6. 11., 18.30 h, Filmmuseum
PLANET OF THE APES
USA 1968, 112 Min, OF
R: Franklin J. Schaffner, D: Charlton Heston,
Roddy McDowall, Kim Hunter, Maurice Evans
29. 10., 16 h, Filmmuseum
26. 11., 20.30 h, Filmmuseum
MON ONCLE D’AMERIQUE
F 1980, 126 Min, OmeU
R: Alain Resnais, D: Gérard Depardieu,
Nicole Garcia, Roger Pierre, Henri Laborit
Ein Bauernsohn, eine Arbeitertochter,
ein Bourgeois sind die drei Hauptcharaktere dieses essayistisch-fiktionalen Experiments. Der Clou des
Films aber ist der vierte Protagonist,
der Verhaltensforscher Henri Laborit. Seine Erkenntnisse zu Evolution
und sozialer Konditionierung, gewonnen aus Versuchen mit Ratten,
stehen als Kommentar im Dialog mit
den drei Geschichten und verhelfen
uns, vereint mit Resnais’ teils skurillwitzigen, stets erhellenden Bildassoziationen, zu zwei Stunden angeregtem Nachdenken über die Frage, wie
sehr der «freie Wille» uns Menschen
von den Laborratten des Forschers
tatsächlich unterscheidet.
Vorfilm: L’HIPPOCAMPE, OU «CHEVAL
MARIN» 1934, Jean Painlevé, 14 Min
22. 10., 20.30 h, Filmmuseum
7. 11., 20.45 h, Filmmuseum
PLANET OF THE APES nutzt geschickt den Topos der «verkehrten
Welt», um Absurditäten und Verbrechen der eigenen Gesellschaft zu entlarven. Der nach über tausendjährigem Flug im Staat der Affen gelandete Astronaut Taylor findet sich unversehens als Käfigtier wieder. Erst die
letzte Einstellung enthüllt ihm (und
uns) die grausame Ursache für diesen Aufstieg des einen Primaten auf
Kosten des anderen. Dieser Klassiker
des Science-Fiction kam noch ohne
digitale special effects aus und erntete zurecht Bewunderung für die verblüffend lebensechten Affenmasken.
Vorfilm: RAT LIFE AND DIET IN NORTH
AMERICA 1968, Joyce Wieland, 16 Min
31. 10., 21 h, Filmmuseum
22. 11., 20.30 h, Filmmuseum
PHASE IV
PRIMATE
GB/USA 1974, 84 Min, OF
R: Saul Bass, D: Nigel Davenport, Michael
Murphy, Lynne Frederick, Alan Gifford
Sechs Beine am Körper! Fühler am
Kopf!! Zangen im Gesicht!!! Schaut
man sich die Ameise aus der Nähe
an, dann wirkt sie doch sehr befremdlich, um nicht zu sagen beunruhigend, wenn nicht gar bedrohlich.
Der einzige Spielfilm des für seine
Filmvorspänne berühmten Saul Bass
USA 1974, 106 Min, OF
R: Frederick Wiseman
Wir befinden uns mit Wisemans
gnadenlos registrierender Kamera in
einem primate research center, in dem
Primaten – kleinste Äffchen, Schimpansen, Orang-Utans – in engen
Käfigen darauf warten, beobachtet,
gemessen, seziert zu werden von
anderen Primaten, Wissenschaftlern,
deren Empathielosigkeit mit unseren
61
Retrospektive
Stolz auf ihre Geschicklichkeit und
ihre harte und gefährliche Arbeit.
Mit BATAILLE SUR LE GRAND FLEUVE und
LE COCHON
2. 11., 21 h, Filmmuseum
mühelos die Herzen des Publikums
erobert.
18. 10., 16.30 h, Filmmuseum
8. 11., 18.30 h, Filmmuseum
TIERISCHE LIEBE
SEN TO CHIHIRO NO KAMIKAKUSHI
(CHIHIROS REISE INS ZAUBERLAND)
nächsten Verwandten den Atem verschlägt. Jede Forschung sei schon
irgendwann sinnvoll, so die Rechtfertigung für ihr Tun. Der Begriff
«Primat» leitet sich übrigens von lat.
«primus», «der erste, der beste», her,
und bezog sich einst auf den Menschen als «Krone der Schöpfung».
Vorfilm: GRIGIO 1957, Ermanno Olmi,
Pier Paolo Pasolini, 11 Min
28. 10., 21 h, Filmmuseum
Japan 2001, 124 Min, OmdU
R: Hayao Miyazaki
Angesichts des Bilder-Wirbelsturms,
der da hereinbricht, ist es für die Zuschauer nicht immer einfach, einen
klaren Kopf zu bewahren. Zumal die
Geschichte, die mittels seiner erzählt
wird, nicht minder komplex ist. Chihiro, die kleine Heldin, muss ihre Eltern erlösen, die unbedacht von der
Götter Speise gekostet haben und
zur Strafe in Schweine verwandelt
RED RIVER
USA 1948, 132 Min, OF
R: Howard Hawks, D: John Wayne,
Montgomery Clift, Joanne Dru,
Walter Brennan
Mit 9000 Rindern sind Rancher Thomas Dunson (Wayne) und sein Adoptivsohn Matt Garth (Clift) von Texas
nach Missouri unterwegs. Das ist an
sich schon strapaziös, wird aber
noch viel schlimmer, als Vater und
Sohn massiv aneinandergeraten.
Clift’sches Method Acting trifft auf
Duke’sche Grobgroßkunst, doch alles
verblasst, als dem Koch die Töpfe zu
Boden gehen und das Vieh, aufgeschreckt, sich in Bewegung setzt. Die
Stampede in RED RIVER ist ein Ereignis. Eine Naturgewalt, die über
die Leinwand brettert, die entfesselt
sich Bahn bricht und einen staubbedeckt und atemlos zurücklässt. Sodann geht’s weiter mit der Handlung.
6. 11., 20.30 h, Filmmuseum
29. 11., 20 h, Filmmuseum
LE SANG DES BÊTES
F 1949, 22 Min, OmeU
R: Georges Franju
Schauplatz von LE SANG DES BÊTES
sind die Schlachthäuser an der Peripherie von Paris, in denen Pferde,
Kühe, Schafe für die hungrigen
Mägen der Großstadt zu Tausenden
ihr Leben lassen. Ohne das Schwarzweiß wäre der Film, so Franju, unerträglich, und überdies gewiss ungeeignet als Illustration des zentralen
Baudelaire-Zitats: «Töten ohne Wut
und ohne Hass, wie ein Metzger».
Die Helden dieses Films sind die
Schlachter, sie präsentieren sich mit
62
A 1995, 111 Min, dOF
R: Ulrich Seidl
Wer sich auf die Kadrierung dieses
Films einlässt, sieht, wie sehr Einsamkeit die Menschen zu ihren Tieren hintreibt. Die Menschen, das sind
hier die Ausgestoßenen und Verlassenen, Gestrauchelte unserer Gesellschaft. Die Tiere – den Menschen, so
der Tierbestatter, von Gott gesandt –
die Hunde, Katzen, Frettchen, Hasen
werden von ihren Herrchen und
Frauchen gestreichelt, gehätschelt,
vergöttert, gedrillt und bis zum
Missbrauch geliebt. Als Objekte des
Verlangens lassen sie die Begehrlichkeiten der Vereinsamten scheinbar
unbeteiligt über sich ergehen.
Vorfilm: MADAME BABYLAS AIME
LES ANIMAUX 1911, Alfred Machin, ca. 8 Min
5. 11., 20.45 h, Filmmuseum
UCCELLACCI E UCCELLINI
wurden. Sie ersucht um Arbeit in
Hexe Jubabas Badehaus, verpfändet
ihren Namen und macht sich an ein
Werk, an dessen Ende sie sich nicht
nur vom schmollenden Kind zum
selbstbewussten Mädchen entwickelt, sondern auch den sie umgebenden magischen Wesen eine
ganze Menge beigebracht haben
wird: zum Beispiel Mitgefühl.
8. 11., 16 h, Filmmuseum
(GROSSE VÖGEL – KLEINE VÖGEL)
I 1966, 89 Min, OmeU
R: Pier Paolo Pasolini, D: Totò, Ninetto
Davoli, Femi Benussi, Umberto Bevilacqua
TARZAN THE APE MAN
USA 1932, 100 Min, Omf/nlU
R: W. S. Van Dyke, D: Johnny Weissmuller,
Maureen O’Sullivan, Neil Hamilton,
C. Aubrey Smith
Die berühmteste Tarzan-Interpretation der Filmgeschichte geht auf das
Konto des mehrfachen SchwimmOlympiasiegers Johnny Weissmuller.
Tarzan schnappt sich Jane, Tochter
eines englischen Großwildjägers, die
sich nach anfänglichem Schrecken
tatsächlich mit ihrem Entführer anfreundet. Der von Affen erzogene,
mit den wilden Tieren des Urwalds
eng verbundene Naturmensch wehrt
Angriffe von Leoparden, Löwen,
Krokodilen und Elefanten ab und
rettet Janes Landsleute aus tödlicher
Gefahr. Komplettiert wird das
Dschungelmärchen von der Schimpansin Cheeta, die auch heute noch
Ein sprechender Rabe – aus dem
Land «Ideologie», wie er sagt –
versucht, einen unbedarft und unbekümmert durchs römische Umland
wandernden Mann (der große italienische Komiker Totò) und dessen
Sohn auf die ungerechte soziale Ordnung aufmerksam zu machen. Dazu
erzählt er ihnen auch die Legende
vom heiligen Franziskus und regt sie
an, den Falken und den Spatzen das
Evangelium zu predigen. Ungeachtet
jahreszeitlicher Unbilden gelingt es
Totò, erst die Falken, dann die Spatzen zu bekehren. Doch dann stürzt
sich ein Falke auf einen Spatzen …
Vorfilm: DE VOGELTJESVANGER
(DER VÖGLEINFÄNGER) 1925,
N.V. Orion Filmfabriek, ca. 6 Min
16. 10., 18.30 h, Filmmuseum
8. 11., 20.30 h, Filmmuseum
UMBERTO D.
I 1952, 88 Min, OmdU
R: Vittorio De Sica, D: Carlo Battisti, Maria
Pia Casilio, Lina Gennari, Ileana Simova
Ja, Tiere können einen Menschen im
Leben halten – so demonstriert es
De Sica eindrücklich in UMBERTO D.
In einer Zeit, in der gesellschaftliche
Kälte und Egoismus die Reaktion auf
das Elend der Welt bestimmen, sei
dieses neorealistische Meisterwerk
als Spiegel und Erinnerungshilfe
empfohlen. Einzig menschlicher
Lichtblick in dieser herzbewegend
traurigen Geschichte aus der italienischen Nachkriegszeit ist der treue
und lebensfrohe Hund Flike, der den
verarmten, vereinsamten, lebensmüde gewordenen Umberto vorm
Suizid bewahrt.
Vorfilm: CANI DIETRO LE SBARRE
1955, Gillo Pontecorvo, 12 Min
17. 10., 18.30 h, Filmmuseum
UNE FÉE ... PAS COMME LES AUTRES
F/I 1957, 61 Min, fOmeU
R: Jean Tourane
Eine Fee vergisst ihren Zauberstab,
ein böser Geist bekommt ihn in die
Finger, ein Team von Helden entreißt
ihn ihm wieder – soweit die simple
Märchenstory. Doch die Handlung
ist hier reine Nebensache. Denn wir
bekommen ein Spielzeugdorf vorgeführt, das ausschließlich von echten(!) Tieren bevölkert ist. Kaninchen
spielen Billard, ein Hund schmeißt
die Kneipe, eine Ente fährt Post aus,
und als Höhepunkt dieser bezaubernden Absurditäten wäscht ein
Fuchs im Friseursalon einem Huhn
den Kopf!
Mit CANE TOADS: AN UNNATURAL HISTORY
26. 10., 18.30 h, Filmmuseum
VASE DE NOCES
Belgien 1974, 82 Min, kein Dialog
R: Thierry Zéno, D: Dominique Garny
Zartbesaitete seien gewarnt: Der Film
hält in Sachen Drastik alles, was sein
Ruf im cineastischen Untergrund
verspricht. Auf einem, so scheint es,
postapokalyptischen Bauernhof beschäftigt sich ein Mann, der letzte
seiner Art, in autistischer Weise mit
den Tieren, mit sich selbst, seinen
Ausscheidungen und seiner Geliebten, einem Schwein. Jenseits des reinen Tabubruchs ist VASE DE NOCES
mit seinem beklemmend groben
Schwarzweiß und seinem radikalen
Soundtrack ein so verstörendes wie
sehenswertes Zeugnis experimenteller Subversivität im Film der 1970er
Jahre.
Vorfilm: DE POES (DIE KATZE)
1968, Johan van der Keuken, 6 Min
1. 11., 21 h, Filmmuseum
VIDAS SECAS (TROCKENES LEBEN)
Brasilien 1963, 100 Min, OmdU
R: Nelson Pereira dos Santos, D: Átila Iório,
Maria Ribeiro, Orlando Macedo, Joffre Soares
In eindringlichen, dokumentarisch
anmutenden Bildern wird hier vom
Überlebenskampf einer Familie von
Viehtreibern erzählt. Anhaltende
Dürre zwingt sie, durch den unwirtlichen, von Großgrundbesitzern beherrschten Nordosten Brasiliens zu
ziehen, begleitet von ihrem treuen
und selbstlosen Hütehund. Er sichert
das Überleben der bitterarmen Familie, indem er die erjagten Mäuse mit
ihnen teilt, er schlägt Alarm, als ein
Junge unbemerkt erschöpft zurückbleibt. Am Ende aber reicht auch
seine Kraft nicht für diese Pilgerschaft durch ein nicht endendes Fegefeuer.
28. 10., 16 h, Filmmuseum
12. 11., 18.30 h, Filmmuseum
WHITE DOG
USA 1982, 89 Min, OF
R: Samuel Fuller, D: Kristy McNichol,
Paul Winfield, Burl Ives, Jameson Parker
Sam Fullers radikal antirassistischer
Thriller WHITE DOG ist ebenso bittere Anklage wie überzeugende Parabel und führt vor, dass niemand als
Rassist geboren wird, sondern man
erst zum Rassisten gemacht wird.
Als die Schauspielerin Julie den von
ihr angefahrenen weißen Schäferhund bei sich aufnimmt, ahnt sie
nicht, dass der als sogenannter white
dog schon als Welpe abgerichtet
wurde, »Schwarze» anzugreifen und
zu töten. Ausgerechnet der afroamerikanische Tiertrainer Keys nimmt
die aussichtslos scheinende Herausforderung an, diesen Hund «umzuprogrammieren».
Vorfilm: SID 1998, Jeffrey Scher, 3 Min
23. 10., 21 h, Filmmuseum
KURZFILMPROGRAMME
ANIMALI | CRIMINALI (CA. 80 MIN)
DAS ERBE 1935, Carl Hartmann, 11 Min
ELECTROCUTING AN ELEPHANT
1903, Edison Manufacturing Co., ca. 1 Min
CHASSE À LA PANTHÈRE
1909, Alfred Machin, ca. 7 Min
UNSERE AFRIKAREISE
1966, Peter Kubelka, 13 Min
DER LETZTE SCHREI DES DSCHUNGELS
[Trailer] 1975, 3 Min
ANIMALI CRIMINALI 1994, Yervant Gianikian,
Angela Ricci Lucchi, 7 Min
FÜTTERUNG VON RIESENSCHLANGEN
1911, Komet-Film, 3 Min
CAT FISHIN’ 1947, William Hanna,
Joseph Barbera, 7 Min
GALLODROME 1989, Romuald Karmakar, 13 Min
BULLY FOR BUGS 1953, Chuck Jones, 7 Min
BATTLE AT KRUGER 2004/07, David Budzinski,
Jason Schlosberg, 8 Min
BULLY FOR BUGS
Projektionen: Unsere liebste Fehlwahrnehmung der Tiere, das beweist
BATTLE AT KRUGER, ist der Anthropomorphismus – wie schön, wenn
sich «die armen Büffel» gegen «die
bösen Löwen» zusammentun! Der
paradoxe Titel ANIMALI CRIMINALI
verweist auf eine «Kriminalisierung»
der Tierwelt durch ideologische Verzweckung. Das sozialdarwinistische
Potenzial des Bildmaterials vom
«natürlichen Überlebenskampf» des
Hirschkäfers nutzt DAS ERBE propagandistisch für den faschistischen
Rassenwahn.
28. 10., 18.30 h, Filmmuseum
ANIMATED ANIMALS (CA. 75 MIN)
MEST’ KINEMATOGRAFICHESKOGO OPERATORA
(DIE RACHE DES KAMERAMANNS)
1911/12, Ladislas Starewitch, 14 Min
HOW A MOSQUITO OPERATES
1912, Winsor McCay, ca. 6 Min
AFRICA BEFORE DARK 1928, Walt Disney, ca. 7 Min
SLAP HAPPY LION 1947, Tex Avery, 7 Min
L’ANITRA FAMOSA
1954, Jószef Misik, Geesink Studio, 3 Min
«FLAMINGO» SMART EXPORT
ca. 1959, Geesink Studio, 1 Min
BY WORD OF MOUSE 1954, Fritz Freleng, 8 Min
WHOA, BE-GONE! 1958, Chuck Jones, 6 Min
63
Retrospektive
YOZHIK V TUMANE (IGEL IM NEBE L/HEDGEHOG
IN THE FOG) 1975, Jurij Norstein, 10 Min
CREATURE COMFORTS 1989, Nick Park, 5 Min
FOR THE BIRDS 2000, Ralph Eggleston, 3 Min
SHADOW CUTS 2010, Martin Arnold, 5 Min
CARELESS REEF PART 4
die Unterwasserwelten von CARELESS REEF auf. Brian Enos Soundtrack verschränkt sich in BERLIN
HORSE mit abstrahierten Aufnahmen eines Pferdes. Duke Ellington
beschwingt Painlevés VAMPIR beim
Auslöffeln eines Meerschweinchens
und Markers SLON, russisch für
Elefant, lässt sich durch Strawinskys
Tango zum Tanz verführen.
29. 10., 18.30 h, Filmmuseum
HUND & KATZ & GROMIT:
130 JAHRE KINO (CA. 92 MIN)
LA CHRONOPHOTOGRAPHIE SUR PELLICULE/
LA CHUTE DU CHAT
SHADOW CUTS
dürfen ebensowenig fehlen wie
moderne Computeranimation aus
dem Hause Pixar (FOR THE BIRDS).
30. 10., 18.30 h, Filmmuseum
DER GESANG DER TIERE (96 MIN)
[GUS VISSER AND HIS SINGING DUCK]
1925, Theodor Case, 2 Min
LE VAMPIRE 1939–45, Jean Painlevé, 9 Min
HURDY-GURDY HARE
1950, Robert McKimson, 6 Min
ONE FROGGY EVENING 1955, Chuck Jones, 7 Min
BERLIN HORSE 1970, Malcolm LeGrice, 7 Min
VREMENA GODA / TARVA YEGHANAKNER (DIE
JAHRESZEITEN) 1975, Artavazd Pelešjan, 29 Min
BOUNDIN’ 2003, Bud Luckey, 5 Min
SLON TANGO 1993, Chris Marker, 4 Min
C’MON BABE (DANKE SCHÖN)
1988, Sharon Sandusky, 12 Min
CARELESS REEF PART 4: MARSA ABU GALAWA
2004, Gerard Holthuis, 12 Min
1888–94, Étienne-Jules Marey, 9 Min
RAUMZEITHUND 2010, Nikolaus Eckhard, 6 Min
MEISSNER PORZELLAN!
TIER- UND MENSCHENGÄRTEN
(CA. 96 MIN)
PLACKEREI FREUDE-LEID ODER LICHT UND
SCHATTEN AUF DER FARM DES ZIRKUS
BOSTOCK 1911, ca. 4 Min
CREATURE COMFORTS 1989, Nick Park, 5 Min
THE NEW ARCHITECTURE OF THE LONDON ZOO
1936–38, László Moholy-Nagy, 16 Min
CAROUSEL – ANIMAL OPERA
ca. 1938/1970, Joseph Cornell, Fertigstellung: Lawrence Jordan, 6 Min
ZOO 1962, Bert Haanstra, 12 Min
MICROCULTURAL INCIDENTS AT 10 ZOOS
1971, Ray L. Birdwhistell, 33 Min
NASHÖRNER 1987, Karl Kels, 9 Min
LA NUIT TOMBE SUR LA MÉNAGERIE
2010, Nicolas Philibert, 11 Min
[Fragment] 1912–14, Gaumont, ca. 1 Min
DÉJEUNER DU CHAT
1896, Cinématographe Lumière, ca. 1 Min
Kader © Georg Wasner
Die flüssigen Bewegungen in Starewitchs frühem Stop-Motion-Film
gebieten Respekt; reduziert wirkt
dagegen der aus Umrisszeichnungen
animierte Film MacKays. Eine Episode aus der ewigen Jagd des Koyoten auf den Roadrunner und ein
Tex Avery Klassiker teilen sich das
Motto: kleine Ursache, große Wirkung! Die expressiven Bilder eines
klassischen Animationsfilms russischer Schule (YOZHIK V TUMANE)
alchemistisch neu zusammengesetzt
(CAT’S CRADLE). Dann kommt der
Film auf den Hund (DOG DUET);
und Knettiere erobern die Leinwand
(A CLOSE SHAVE). Während eine
Katze auf der Tastatur eines elektronischen Klaviers liegt und sich trauriger Musik hinzugeben scheint
(CHAT ÉCOUTANT LA MUSIQUE).
22. 10., 18.30 h, Filmmuseum
FAMILLE DE JEUNES CHIENS
1912, Gaumont, ca. 4 Min
LES CHIENS SAVANTS
1907, Pathé Frères, ca. 5 Min
DOG FACTORY 1904, Edwin S. Porter, ca. 4 Min
A LITTLE HERO
1913, George Nichols/Keystone, ca. 4 Min
KING-SIZE CANARY 1947, Tex Avery, 8 Min
CAT’S CRADLE 1959, Stan Brakhage, 6 Min
SPELLING LESSON und DOG DUET
1973–76, William Wegman, 4 Min
DOG BASEBALL 1986, William Wegman, 3 Min
A CLOSE SHAVE 1995, Nick Park, 31 Min
NINE LIVES: THE ETERNAL MOMENT OF NOW
2001, Jay Rosenblatt, 1 Min
CHAT ÉCOUTANT LA MUSIQUE
1990, Chris Marker, 3 Min
CONVULSION (PIRKUS)
TRASH CAT 2015, Kelsey Goldych, 2 Min
1998, Chen Sheinberg, 3 Min
Tier – Mensch – Musik: Im Spiel mit
den Bildern vom Leben armenischer
Hirten verlieren Vivaldis JAHRESZEITEN ihre Gefälligkeit. Der ägyptische
Sänger Abdel Basset Hamoud mischt
Ein tierischer Streifzug durchs Filmuniversum: Die Bewegungen einer
fallenden Katze, erforscht mithilfe
einer frühen Form von Fotomotor
(LA CHUTE DU CHAT); Aufnahmen
von Menschen, Katzen, Objekten,
NASHÖRNER
Wie fühlen sich die Tiere eigentlich
hinter Gittern? CREATURE COMFORTS gibt Antworten. Die ebenso
stilvollen wie zweckmäßigen Domizile des Londoner Tierparks porträtiert Moholy-Nagy. Haanstras mit
versteckter Kamera gedrehter ZOO
lenkt den Fokus auf die menschlichen Besucher: Wer beobachtet, wer
imitiert wen? MICROCULTURAL …
geht den konsequenten Schritt
weiter und betrachtet nur noch die
Besucher. Irgendwann sind sie dann
endlich alle gegangen und DIE
NACHT BRICHT ÜBER DEN ZOO
HEREIN …
4. 11., 18.30 h, Filmmuseum
FÜR DEN INHALT VERANTWORTLICH Alexandra Seitz, Paolo Calamita TEXTE Paul Ertl, Hans Hurch, Thomas Mießgang, Alexandra Seitz,
Stephan Settele, Roman Scheiber (Kurzfilme), Olaf Möller (Perrone), Gerhard Midding (de Oliveira), Lars Penning (Hedren/Lupino), Robert Weixlbaumer (Veiroj),
Vassily Bourikas (Griechenland), Andreas Beilharz & Christoph Draxtra (Aus Fleisch & Blut), Barbara Kronsfoth & Maria Marchetta (Retrospektive)
REDAKTIONELLE MITARBEIT & LEKTORAT Roland Faltlhansl, Hellmut Goebl GRAFIK Rainer Dempf, Gabi Adébisi-Schuster
ANZEIGENVERKAUF Barbara Heumesser, Michael Zeindlinger ABBILDUNGSNACHWEIS Produktionsfirmen; Regisseure; Verleiher;
Weltvertriebe; Filmdokumentationszentrum Filmarchiv Austria; Österreichisches Filmmuseum; Filmbild Fundus, Herbert Klemens
64