Vom Einwanderer zum Mitbürger
Transcription
Vom Einwanderer zum Mitbürger
Deutsche Botschaft, Rom - Caritas Italiana In Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, Rom und dem Dossier Statistico Caritas/Migrantes Vom Einwanderer zum Mitbürger Erfahrungen in Deutschland und Italien Integration von Migranten, ihren Familien und jungen Menschen Europäisches Jahr des interkulturellen Dialogs Edizioni Idos Rom, Februar 2008 Beiträge von: Lale Akgün, Mitglied des Bundestags, Migrationspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Maria Böhmer, MdB, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Ursula Boos-Nünning, Universität Duisburg/Essen Claudio Cecchini, Assessor für Sozialpolitik der Provinz Rom Teresa De Bellis, Rat der Stadt Köln Luca di Sciullo, Redakteur, Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes Mons. Guerino Di Tora, Direktor der Caritas Diözese Rom Bruno Ducoli, Präsident des Europäischen Zentrums zur Förderung der Interkulturalität, Gargnano Wolfgang Fehl, Koordinator des „Netzwerkes Integration durch Qualifizierung“ der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk, Düsseldorf Paolo Ferrero, Minister für Soziale Solidarität Franco Frattini, Vizepräsident der EU-Kommission Annegret Goebel, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Rom Yasemin Karakaşoğlu, Universität Bremen Kamila Kowalska-Angelelli, Wissenschaftlerin Chiara Mellina, Wissenschaftlerin Mons. Francesco Montenegro, Bischof, Präsident der Caritas Italiana Franco Pittau, Leitender Redakteur, Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes Albert Schmid, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Klaus Schmitz, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Rom Michael Steiner, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Rom Daniele Valli, Leiter des Interkulturellen Didaktischen Zentrums Celio Azzurro Herausgeber Luca Di Sciullo, Franco Pittau, Klaus Schmitz Sekretariat Redaktion Maria Pia Borsci, Annegret Goebel, Patrizia Liberatore Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Via San Martino della Battaglia, 4 - 00185 Roma Tel.: 06.49213.220 e-mail: [email protected] Bestellungen bei: Centro Studi e Ricerche Idos Via Aurelia, 796 - 00165 Roma Tel.: 06.66514.345/502 Fax: 06.66540087 e-mail: [email protected] INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7 Einleitung M. Steiner, Migration verbindet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 F. Montenegro, Integration, ein Prozess, der die ganze Gesellschaft betrifft . . . . . . . . .10 Die deutsch-italienische Konferenz zur Integration von Migranten, ihren Familien und jungen Menschen A. Goebel, K. Schmitz, Thematische Zusammenfassung der Beiträge der Konferenz . .15 D. Valli, Celio Azzurro – Eine „besondere Begegnung” mit der Staatsministerin für Migration M. Böhmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 Politische Beiträge F. Frattini, Keine Einwanderung ohne Integrationspolitik – Der europäische Rahmen für die Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 M. Böhmer, Migration und europäische Identität – Bildung und Arbeit als Schlüssel – Der deutsche Weg der Integrationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 P. Ferrero, Die neue italienische Einwanderungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39 L. Akgün, Moderne Einwanderungs- und Integrationspolitik muss mehr für Chancengleichheit und Anerkennung tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46 B. Ducoli, Migration und europäische Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51 Erfahrungen in Italien und Deutschland L. Di Sciullo, F. Pittau, Ein Panorama der Migration – Italienische und deutsche Erfahrungen - ein Vergleich in 10 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56 G. Di Tora, Rom und die Stadt der Zukunft: international, interkulturell und interreligiös. 70 C. Cecchini, Migration in Rom Anfang 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .78 A. Schmidt, Herausforderung Migration: Integration fordern und fördern - Entwicklung der Zuwanderung und Situation der Migranten in Deutschland . . . . . . . . . . . . .80 T. De Bellis, Köln, eine multikulturelle Stadt – Eine kommunale Integrationspolitik . . 87 W. Fehl, Köln, ein Beispiel für gelungene berufliche Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . .91 K. Kowalska, C. Mellina, F. Pittau, Integration von Migranten in Rom – Ansichten ausgewählter Interviewpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .92 U. Boos-Nünning, Y. Karakaşoğlu, Lebenslage von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .104 5 Anlagen Der Nationale Integrationsplan – Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland . 112 Charta der Werte, der Staatsbürgerschaft und der Integration – Ministerium des Inneren der Republik Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115 Statistische Daten: Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .120 Statistische Daten: Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .125 6 Vorwort In den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union leben rund 30 Millionen Migranten aus EU- und Nicht-EU-Staaten, deren Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Diese Zahl verdoppelt sich noch, wenn die Menschen mitgerechnet werden, die die Staatsbürgerschaft des Landes erworben haben. Es handelt sich um eine bemerkenswerte Präsenz, die der Zahl nach einem der größeren Mitgliedsstaaten entspricht. Die Struktur der Migranten ist sehr differenziert: ihre regionale Konzentration ist je nach Land und Zeitverläufen verschieden, die Herkunftsgebiete stimmen oft nicht überein, die bei der Integration verfolgten Ansätze erscheinen eher zufällig und unterschiedlich, die Eingliederung ins Arbeitsleben ist an den Anforderungen der lokalen Arbeitsmärkte orientiert. Angesichts dieses komplexen Kontextes ist es schwierig, eine europäische Vision zu finden. Deshalb wurde daran gedacht, ausgehend von einem sorgfältig durchgeführten Vergleich zweier wichtiger Beispiele, dem Deutschlands und Italiens, zum Thema „Integration von Migranten, ihren Familien und jungen Menschen” Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen den in Nordeuropa und den im Mittelmeerraum gemachten Erfahrungen aufzuzeigen. Hierzu fand auch eine vielbesuchte Tagung in Rom (11. Juni 2007 im Goethe-Institut) statt, deren Ergebnisse wir mit einigen Ergänzungen hiermit vorlegen wollen. Deutschland steht mit seinen fast 7 Millionen ausländischen Bürgern weiterhin an erster Stelle, was die Zahl der Migranten betrifft, davon sind mehr als eine halbe Million Italiener, die nach der großen türkischen Gemeinschaft an zweiter Stelle kommen. Nach über fünfzig Jahren nicht nachlassender Zuwanderung, die erst in letzter Zeit stark zurückging, definierte sich Deutschland endlich an der Schwelle zum 3. Jahrtausend auch offiziell als Einwanderungsland. Diese neue Sichtweise und die abgestimmte Handlungsweise machen Deutschland zu einem Beispiel, das höchste Aufmerksamkeit verdient. Italien schickte über 150 Jahre lang seine überzähligen Arbeitskräfte in die Industriestaaten der ganzen Welt. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierten die Italiener vor allem in die europäischen Länder und hier besonders nach Deutschland. Seit den siebziger Jahren verwandelte sich Italien erst langsam und dann, nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zustrom aus dem Osten, schneller in ein großes Einwanderungsland, in dem inzwischen schon 3,7 Millionen legale Immigranten leben. In einigen Jahrzehnten wird Italien wahrscheinlich mit Deutschland gleichziehen und damit den zahlenmäßigen Rückgang an Bevölkerung und Arbeitskräften ausgleichen. In Deutschland finden wir im Lauf der Zeit sich verfestigende Vorgehensweisen, die sich teilweise in der Praxis bewährt haben, aber teilweise angepasst werden müssen. Italien blickt auf weniger Erfahrungen zurück und muss angesichts einer grundlegend verschiedenen Migrationssituation andere innovative Ansätze wählen, die dann mit vorherigen Erfahrungen verglichen werden müssen. Denken wir nur daran, wie heikel die Themen langfristiger Integrationsstrategien sind, z.B. im Hinblick auf die Einhaltung allgemeiner Regeln, die Berücksichtigung von Andersartigkeit, den Erwerb der Staatsbürgerschaft, die Schule und die zweite Generation. Das vorrangige Ziel der Tagung in Rom und nun dieses Buchs besteht darin, einen umfassenden Vergleich zwischen den beiden wichtigsten europäischen Migrationserfahrungen vorzunehmen, indem wir die wesentlichen statistischen Daten zur Verfügung stellen die Studien von 7 Fachleuten und einschlägigen Untersuchungen auswerten, um unter Einbeziehung der verantwortlichen Politiker und Verwaltungsbeamten, eine breite Diskussion an der Basis, besonders bei den NRO und anderen Organisationen anzustoßen. Diese Initiative wurde auf deutscher Seite von der Deutschen Botschaft und der FriedrichEbert-Stiftung und auf italienischer Seite von der Caritas Italiana und der Arbeitseinheit „Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes“ organisiert. Der Wunsch der Organisatoren ist es, dass dieser zweisprachig erscheinende Band zu weiteren umfassenden Diskussionen und einem Austausch zwischen beiden Ländern anregt, als Nachschlagewerk dient und insbesondere auch dazu beiträgt, die Migrationspolitik in der Europäischen Union weiterzubringen. 8 Einleitung Migration verbindet Michael Steiner, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Die Migration ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Leider werden häufig nur negative Seiten in der Öffentlichkeit diskutiert. In Deutschland wird oft übersehen, dass von den 15 Millionen Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte, von denen die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit hat, die große Mehrheit gut integriert ist, so auch unsere 670.000 Mitbürger mit italienischem Migrationshintergrund. Diese Mitbürger waren und sind nicht nur unersetzbar für unsere Volkswirtschaft, sondern haben einen wichtigen Beitrag dafür geleistet, dass Deutschland weltoffener und lebenswerter geworden ist. In ihrer langen Geschichte wurde Deutschland, ebenso wie Italien, auch von Einwanderung geprägt. Vieles, auf das wir in unseren Ländern stolz sind, beruht auf der wirtschaftlichen und kulturellen Bereicherung durch Einwanderer. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der ausländischen Staatsbürger in Deutschland nur mehr geringfügig. Ihre Gesamtzahl betrug 2006 6,75 Millionen (8,8% der Gesamtbevölkerung). Der positive Saldo von Zu- und Abwanderung von Ausländern lag seit 2004 bei unter 100.000. Hinter dieser Zahl stehen jedoch enorme Wanderungsbewegungen, die oft übersehen werden und für die Integrationspolitik relevant ist: 2006 wurden 558.000 Zuzüge und 484.000 Fortzüge von Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft registriert. Zurecht stellt Franco Frattini, Vizepräsident der Europäischen Kommission, in seinem Beitrag fest, dass Immigration der Integrationspolitik bedarf. Diese Politik muss zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen und insbesondere den Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien eine reale Lebensperspektive geben. Die hohe Gewaltbereitschaft junger Männer aus Migrantenfamilien ist ein schlimmes Signal von Perspektivlosigkeit. In einer im Dezember 2007 von Staatsministerin Maria Böhmer vorgestellten Studie wurde festgestellt, dass 18% der Kinder aus Migrantenfamilien (einschließlich der mit deutscher Staatsangehörigkeit) die Schule abbrechen und nur 23% eine Berufsausbildung absolvieren. Dieses Buch will einen konkreten Beitrag zum deutsch-italienischen Erfahrungsaustausch auf dem Feld der Integrationspolitik leisten. Es geht um Fragen der Sprache, der Schule, der Ausbildung, des Berufs und nicht zuletzt um Wohnung und Wohnumfeld. Ich teile die Auffassung von Mons. Montenegro, Präsident der Caritas Italiana, dass es keine allgemein gültigen „Modelle“ gibt. Jedes Land muss ausgehend von seiner Geschichte seine Erfahrungen machen, ohne die Erkenntnisse aus anderen Ländern zu vernachlässigen. Ich glaube, dass der deutsch-italienische Erfahrungsaustausch auch deswegen fruchtbar sein kann, weil die Migration unsere beiden Länder miteinander stark verbunden hat. Staatsministerin Maria Böhmer schreibt in ihrem Beitrag, dass Integration „gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen“ bedeute. Diese Teilhabe bedarf des Willens von Seiten der Migranten, sich den Anforderungen unserer Gesellschaft zu stellen, aber auch der Bereitschaft von Staat und alteingesessenen Bürgern zur Aufnahme und 9 10 Förderung. Nur auf dieser Grundlage kann sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln, das in Respekt der kulturellen Unterschiede ein fruchtbares Miteinander ermöglicht. Minister Paolo Ferrero unterscheidet in seinem Beitrag zwischen dem Recht, seine eigene Lebensweise und Gebräuche weiter pflegen zu dürfen und der allgemeinen Anerkennung der verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten. Besonders hervorheben möchte ich die „Charta der Werte, der Staatsbürgerschaft und der Integration“, die unter Federführung des italienischen Innenministers Giuliano Amato und in Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen und Religionsgemeinschaften erstellt wurde. Als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Rom möchte ich besonders auf die völkerverbindende Dimension der Migration hinweisen. Über 4 Millionen Italienerinnen und Italiener sind nach dem Krieg nach Deutschland gekommen. 3,5 Millionen von ihnen sind wieder in ihre Heimat, meist im hohen Alter, zurückgekehrt. Trotz mancher Schwierigkeiten und Konflikte sind sich die Menschen der beiden Länder kulturell aber auch persönlich näher gekommen. 2005 wurden 82.000 deutsch-italienische Ehen geschlossen. Außerdem glaube ich, dass die Rückkehrer, die einen Großteil ihres Lebens in Deutschland verbracht haben, in ihrer italienischen Heimat so etwas wie Botschafter Deutschlands geworden sind. Diesen Eindruck konnten wir auch bei den Veranstaltungen aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums des deutsch-italienischen Anwerbeabkommens 2005 in Süditalien sehr konkret gewinnen. 2008 ist das „Europäische Jahr des Interkulturellen Dialogs“. Ich hoffe, dass diese Veröffentlichung hierzu einen kleinen Beitrag leisten kann. Besonders danken möchte ich der Caritas Italiana, ohne die dieses Projekt nicht zustande gekommen wäre. Integration, ein Prozess, der die ganze Gesellschaft betrifft Mons. Francesco Montenegro, Bischof, Präsident der Caritas Italiana Zunächst möchte ich die Anerkennung der Caritas Italiana für die Initiative der Deutschen Botschaft zum Ausdruck bringen, an der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Experten aus Deutschland und Italien beteiligt sind, wohl wissend, dass Überlegungen über die Migration, um so zuverlässiger sind, je mehr Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Da jedes Land sich mit seiner besonderen Situation auseinandersetzen muss, sollte diese gegenseitige Aufmerksamkeit auf EU-Ebene, wie auch in der Beziehung zwischen den EU-Staaten, gegeben sein. Tatsächlich ist jedoch die Fähigkeit, dem Anderen zuzuhören, eher gering. Alle neigen dazu, die Situation im eigenen Lande als Maßstab für Europa anzusehen, weshalb auch die EU beim Aufbau einer gemeinsamen Migrantenpolitik nur sehr langsam vorankommt und schwerlich wirksame Antworten findet. In Fortsetzung dieser Überlegungen kann ich ohne Übertreibung sagen, dass diese Initiative wichtig ist, weil sie die Erfahrungen zweier Länder verbindet, die Deutschlands, des Mitgliedsstaats mit der größten Gemeinschaft an Migranten, einer über fünfzig Jahre langen Erfahrung an Massenzuwanderung und interkulturellem Zusammenleben, und die Italiens, das sich spät von einem Auswanderungs- zu einem Einwan- derungsland verwandelte, dessen demografische Kurve extrem sinkt und wo die Zahl ausländischer Bürger im Rhythmus von über 300.000 im Jahr zunimmt. Wenn wir diese Zahlen bewerten, so stellen wir fest, dass die Einwanderungsquote Italiens im Verhältnis zu der der Vereinigten Staaten sogar höher ist. In wenigen Jahrzehnten wird Italien eines der Länder mit dem höchsten Ausländeranteil sein, mit einem Prozentsatz, der zwischen dem von Kanada (16%) und dem der Schweiz (20%) liegen wird. Wenn ich auf die Veränderungen in Italien, aber auch in Spanien und anderen EU-Staaten des Mittelmeerraums hinweise, dann muss ich auch hinzufügen, dass auf EU-Ebene nicht immer eine ähnlich schnelle Auffassungsgabe besteht, wie sie unter den Organisatoren dieser Initiative vorhanden ist. Es muss endlich verstanden werden, dass uns die Geschichte im Süden zwingt, einen Weg einzuschlagen, der nicht unbedingt mit dem der EU-Staaten in Mittel- und Nordeuropa verglichen werden kann. Leider betrifft die mangelnde Aufmerksamkeit für Argumente des Anderen nicht nur die Beziehungen zwischen den EU-Staaten, sondern auch das Innenverhältnis eines Landes und, je nach politisch-kultureller Ausrichtung, die Beziehungen zwischen politischen Parteien und Bürgern. Bei uns in Italien sind wir noch weit von einer Vermittlung auf oberster Ebene entfernt, wie wir Bischöfe sie uns wünschen würden. Wir denken, dass sie möglich und fruchtbar wäre, jedoch von einer großen ideologisch-parteipolitischen Engstirnigkeit vereitelt wird. Die entgegengesetzten Positionen, über die alle politischen Lager ernsthaft nachdenken sollten, sind oft nicht zu rechtfertigen. Das sagen wir als kirchliche Gemeinschaft, die wir uns immer schon auf Seiten der Migranten eingesetzt haben. Man muss ein Gefühl für das Maß haben und die politische Orientierung in Verbindung bringen können mit den höheren Werten, den Interessen des eigenen Landes, einer harmonischen Integration der Zuwanderer, der Anerkennung der Menschen- und religiösen Rechte und unserer Zukunft. Die Integration, die den Kern dieser Initiative darstellt, ist bei der Caritas Italiana seit geraumer Zeit Gegenstand umfassender Überlegungen. Obwohl Deutschland über 50 Jahre einschlägige Erfahrungen hat und die Erfahrungen Frankreichs und Großbritanniens noch länger zurückreichen, müssen sich auch diese Länder immer wieder kurzfristig neu ausrichten. Die Gewissheiten der Vergangenheit gelten nicht mehr. Wir alle müssen die Demut besitzen, uns auf die Suche zu begeben. Damit möchte ich keinesfalls behaupten, dass das, was in diesen Ländern an Erfahrungen gesammelt wurde, heute nicht mehr wichtig ist. Dabei denke ich an die Verpflichtung in Frankreich, sich an den lokalen juristisch-kulturellen Rahmen zu halten, an die Autonomiefreiräume, die Großbritannien den Gemeinschaften der Zuwanderer einräumt, und den Respekt der Sprache und Kultur des Herkunftslands, der Deutschland auszeichnet. Diese Ansätze, die immer noch ihre Gültigkeit haben, doch im Rahmen von Integrationsmodellen der jüngsten Migrationsentwicklung als teilweise überholt angesehen werden müssen, veranlassen uns festzustellen, dass wir alle in diesem Bereich noch Lehrlinge sind und zusammen mit den neuen Immigrationsländern neu beginnen müssen, denn sonst werden wir – wie Goethe im Faust sagt – zu Opfern unserer Geschöpfe. In Italien sind wir noch weit von einem landesweit akzeptierten Integrationsmodell entfernt. Der Weg hat viele Ungewissheiten, auch weil Gesellschaft und Wirtschaft es nicht verstanden haben, die italienischen Bürger für einen Prozess der Eingliederung und Beteiligung zu gewinnen. Wenn wir dieses komplexe Phänomen definieren wollen, sollten wir uns auf den Text der europäischen Caritas besinnen, in dem die Integration 11 12 als ein langfristiger Prozess mit vielen Elementen und Faktoren beschrieben wird, der uns viel abverlangt und darauf abzielen muss, dass zwischen allen Mitgliedern einer Gesellschaft, einschließlich den Migranten, Beziehungen der Gleichheit, Gegenseitigkeit und Verantwortung geschaffen werden. Die Integration ist also vor allem eine Frage gleichwertiger Beziehungen zwischen Personen verschiedener Zugehörigkeit und Identität, die die gleichen physischen, sozialen, administrativen und politischen Räume miteinander teilen. In gewissem Sinne geht es hier nicht um die Begegnung oder den Zusammenprall verschiedener Kulturen, sondern um Menschen, die Träger dieser Kulturen sind. Andererseits kann heute kein Mensch mehr nur einer homogenen Zugehörigkeit zugerechnet werden, es sind vielmehr Individuen, Gruppen und Gemeinschaften, die ohne Unterlass gezwungen sind, sich mit ständig neuen kulturellen Horizonten auseinanderzusetzen. Die Integration ist aber auch, und vor allem, ein Prozess der ganzen Gesellschaft, der die ökonomischen, sozialen, politischen und religiösen Aspekte beinhalten muss, ohne die der Prozess nicht vollständig wäre. Deswegen muss anerkannt werden, dass nicht so sehr die Anpassung der Individuen ausschlaggebend ist. Entscheidend sind vielmehr die Rahmenbedingungen, mit all ihren Beziehungen, Vorgehensweisen und Organisationen und inwieweit sich diese für die Integration als günstig oder ungünstig erweisen. Der Integrationsprozess betrifft schlussendlich auch verschiedene Arten der Zugehörigkeit – u.a. ethnische, nationale, politische, berufliche – die das Leben einer Person konkret prägen. Er stellt sich so als ein Prozess dar, der die Gruppen mit ihren besonderen, auch kollektiven Identitäten einbezieht. Diese Identitäten der Gruppen sind ihrerseits, genauso wie die ihrer Mitglieder, ständigen Veränderungen unterworfen. Die Herausforderung besteht nicht so sehr darin, dass die in anderen Ländern erprobten Integrationsmodelle einfach übernommen werden. Alte Erfahrungen können durchaus helfen, negative Auswirkungen wie die der Zwangsassimilation, zu vermeiden, die bei unterschiedlichen und sich verändernden Zugehörigkeiten die soziale Anerkennung keineswegs fördern. Ein weiteres Beispiel ist die soziale Trennung, bei der die Achtung und der Erhalt der Verschiedenheit zum Alibi dafür wird, sich einer umfassenden Auseinandersetzung und den durch die tagtäglichen Beziehungen zwischen Menschen und Gemeinschaften entstehenden Veränderungen nicht zu stellen. Angesichts der Tatsache, dass es heute keinen Sinn mehr macht, sich automatisch auf Vergangenes zu beziehen, sollte man sich fragen, ob nicht die Entwicklung eines italienischen Wegs der Integration möglich ist, bei dem es aber nicht um eine am Reißbrett entwickelte Lösung gehen sollte, sondern um das Experimentieren in einem Prozess des sozialen Zusammenhalts und der Teilhabe, unter Nutzung der großen Ressource, nämlich der christlichen Gemeinschaft in Italien, die immer noch überall vernetzt ist und nichts von ihrer Dynamik verloren hat. Da wir uns zunehmend bewusst werden müssen, dass die Ausländer in Italien bleiben werden und ihre Zahl sogar zunehmen wird, sollte diese Entwicklung möglich sein. Ein Mann der Kirche hat auch die Pflicht, von Religion zu sprechen. In Anlehnung an die Botschaft von Johannes Paul II. anlässlich des Weltmigrationstags 2001 möchte ich daran erinnern, dass die Migration immer zwei Gesichter hat, das des Andersseins und das des Universellen. Das Erste bedeutet Konfrontation zwischen einander fremden Menschen und Volksgruppen. Diese führt unvermeidlich zu Spannung, versteckter Zurückweisung und offenen Angriffen. Das Zweite bedeutet harmonische Begegnung ver- schiedener sozialer Akteure, die sich im gemeinsamen Erbe der Menschheit, der Menschlichkeit und Brüderlichkeit wiederfinden. Wir bereichern uns gegenseitig, wenn wir die vielen anderen Kulturen kennenlernen. Im ersten Fall führt die Migration zu Trennung und größeren Schwierigkeiten in der aufnehmenden Gesellschaft, im zweiten Fall tragen sie entscheidend zur Einheit der menschlichen Familie und zum Wohl aller bei. In diesem Zusammenhang setzt sich die Caritas das Ziel, die Integration zunächst durch neue Kenntnisse der Migrationsprozesse zu unterstützen. Dabei wollen wir konkret sein. In diesem Band wird die Gruppe vom „Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes“ nicht nur durch Zahlen Übereinstimmung und Unterschiede zwischen der deutschen und italienischen Situation darstellen, sondern auch die Ergebnisse einer Umfrage zur Integration präsentieren, die mit Hilfe von rund sechzig in Rom tätigen Vertretern von Migrantenverbänden durchgeführt werden konnte (in der Stadt und Provinz Rom sind über 400.000 legale Zuwanderer aus den EU und NichtEU-Staaten registriert). Ferner möchte ich auch darauf hinweisen, dass der „Nationale Rat für Wirtschaft und Arbeit“ seit nunmehr fünf Jahren, anhand von sozio-statistischen Indices, eine Integrationsstudie zur Migration in den einzelnen Regionen Italiens durchführt, um den Stand der integrationsfördernden Maßnahmen zu bewerten. In diesem Jahr begann die Gruppe von „Dossier Statististico Immigrazione Caritas/Migrantes“ ein Projekt, das einen Vergleich zwischen unseren Versuchen zur Integrationsmessung und denen von vier anderen Mitgliedstaaten, einem nordeuropäischen und drei südeuropäischen Ländern (Großbritannien, Portugal, Spanien und Frankreich), erlaubt. Dieses Engagement wollen wir auch um die in Italien und Deutschland mit der Migration gemachten Erfahrungen ergänzen. Zum Schluss möchte ich noch daran erinnern, dass Caritas und Migrantes schon 1991 die Arbeitsgruppe „Dossier Statistico Immigrazione“ mit dem Ziel gegründet haben, dem hier von mir beschriebenen Ansatz mit Hilfe detaillierter Daten und vorurteilsfreier Vergleiche eine konkrete Unterstützung zu geben. 13 Konferenz über die Integration von Migranten, ihren Familien und jungen Menschen Rom, 11. Juni 2007 Thematische Zusammenfassung Von Annegret Goebel und Klaus Schmitz, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Vorbemerkung Italien und Deutschland eint eine lange Erfahrung im Bereich der Migration. Uwe Reissig, Direktor des Goethe Instituts und Dr. Otfried Garbe, Gesandter der Deutschen Botschaft, erinnerten an das 50-jährige Jubiläum der Unterzeichnung des deutsch-italienischen Anwerbeabkommens von 1955. In Deutschland leben ca. 670.000 Menschen mit italienischem Migrationshintergrund, davon ca. 540.000 Personen mit italienischer Staatsbürgerschaft. Italien hat sich in den letzten Jahren vom Auswanderungsland zu einem der wichtigsten Einwanderungsländer Europas gewandelt, während in Deutschland die Zuwanderung stark zurückgegangen ist. Am 11. Juni 2007 veranstalteten die Deutsche Botschaft Rom und das Goethe-Institut Rom, in Zusammenarbeit mit der Caritas Italiana, eine Konferenz zum Thema „Integration von Migranten, ihren Familien und jungen Menschen“. Aus Anlass der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und des „Europäischen Jahres der Chancengleichheit für alle“ fand ein Erfahrungsaustausch zwischen Politikern und Experten aus Deutschland und Italien statt. Redebeiträge hielten (in der Reihenfolge ihres Auftritts): Uwe Reissig, Direktor Goethe-Institut Rom Dr. Otfried Garbe, Gesandter der Deutschen Botschaft Mons. Francesco Montenegro, Bischof, Präsident der Caritas Italiana Dr. Franco Pittau, Leitender Redakteur des „Dossier Statistico Immigrazione“ Caritas/Migrantes Dr. Luca Di Sciullo, Redakteur des „Dossier Statistico Immigrazione“ Caritas/ Migrantes Dr. Albert Schmid, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Prof. Maria Böhmer, MdB, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration On. Paolo Ferrero, Minister für Soziale Solidarität Cav. Bruno Ducoli, Präsident des Europäischen Zentrums zur Förderung der Interkulturalität, Gargnano Vinicio Ongini, Berater im Bildungsministerium zu Fragen der Integration Dr. Lale Akgün, Mitglied des Bundestags, Migrationspolitische Sprecherin und Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Anas Breigheche, Vorsitzender der „Jungen Muslime Italiens“ (GMI) Wolfgang Fehl, Koordinator des „Netzwerkes Integration durch Qualifizierung“ der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk 15 Prof. Jean Leonard Touadi, Beigeordneter der Stadt Rom Teresa De Bellis, Rat der Stadt Köln Rodolfo Ortolani, Vize-Generaldirektor der UniCredit Banca Marcella Lucidi, Staatssekretärin im Innenministerium Die folgende Zusammenfassung der Redebeiträge und der Plenumsdiskussion erfolgt unter thematischen Gesichtspunkten. 1. Sozialstruktur der Personen mit Migrationshintergrund 16 Italien und Deutschland sind beides Einwanderungsländer mit dem Unterschied, dass der Einwanderungsprozess in der Bundesrepublik bereits in den 50er Jahren begann, während er in Italien erst in den 70er Jahren einsetzte. Allein in den 60er und 70er Jahren stieg die Zahl der Ausländer in Deutschland um 3,9 Millionen. Von 1952, dem Jahr der Einführung der offiziellen Wanderungsstatistik, bis 2006 sind 36,3 Millionen Menschen nach Deutschland zu- und 26,5 Millionen aus Deutschland abgewandert. Derzeit zählt Deutschland ca. 6,8 Millionen Ausländer. Werden den Ausländern die eingebürgerten Deutschen und eingebürgerten Kinder von Zuwanderern hinzugezählt, so leben in Deutschland überweg 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Dies entspricht einem Anteil an der Bevölkerung von 19%. Franco Pittau und Luca Di Sciullo, Redakteure des „Dossier Statistico Immigrazione“ (Caritas/Migrantes), die ihr Referat gemeinsam vortrugen, schätzen, dass in Italien ca. 3,5 Millionen Ausländer leben, die zum großen Teil der ersten Generation zuzurechnen sind. Über die Hälfte von ihnen lebt seit weniger als 5 Jahren in Italien. Beschränkte sich die geringe Zuwanderung in Deutschland in den letzten Jahren weitgehend auf die Familienzusammenführung, so ist die starke Zuwanderung nach Italien, mit ca. jährlich 300.000 Personen (davon 100.000 Familiennachzug) in den letzten Jahren, auf den großen Arbeitskräftebedarf zurückzuführen. 19% aller Neueinstellungen kamen 2005 aus Nicht-EU-Staaten (einschl. Rumänien und Bulgarien). Franco Pittau und Luca Di Sciullo prognostizierten, dass Italien in einigen Jahren den heutigen deutschen Wert von fast 7 Millionen Ausländer erreichen werde. Italien könnte sogar das Land mit der größten Anzahl an Migranten innerhalb der Europäischen Union werden. Begleitet werde diese Entwicklung von einem, für die EU typischen, Rückgang der einheimischen Bevölkerung zwischen 19 und 44 Jahren. So werde in Italien das Geburtendefizit durch Zuwanderung ausgeglichen. Die Struktur der Herkunftsländer unterscheidet sich in beiden Ländern erheblich. In Italien besteht eine polyzentrische Struktur. Ein Drittel der in Italien lebenden Einwanderer kommt aus den drei Ländern Rumänien, Albanien und Marokko. In Deutschland dagegen bildet allein die Gruppe der Türken ein Viertel aller Ausländer. Weitere große Einwanderergruppen in Italien kommen aus der Ukraine, China, den Philippinen. Aus Afrika sind insgesamt 23%, aus Asien 17% und aus Amerika 11% der Immigranten. Die Zuwanderung nach Italien weist eine starke „Dritte Welt“-Orientierung auf, während die Ausländer in Deutschland mit 80% größtenteils aus Europa (einschl. Türkei) stammen. Der europäische Anteil beträgt in Italien 49%. In beiden Ländern lässt sich eine ungleiche regionale Verteilung der Ausländer feststellen. In Italien sind wegen dem wirtschaftlichen Nord-Süd-Gefälle die Immigranten insbesondere im Norden des Landes anzutreffen. In Deutschland hat die Tei- lung in zwei Staaten zu einer weitgehend nur auf den Westen orientierte Zuwanderung geführt. Das seit der Wiedervereinigung bestehende wirtschaftliche Gefälle hat die regionale Verteilung der Ausländer gefestigt. In beiden Ländern konzentriert sich die Migration insbesondere auf die Städte. Teresa De Bellis, Mitglied des Kölner Stadtrats berichtete, dass in Köln über 30% der Einwohner und über 45% der Jugendlichen einen Migrationshintergrund haben. Ein großes Problem, insbesondere in Italien, stellt die illegale Einwanderung dar. 2. Problemfelder der Integration und Lösungsansätze Einige europäische Staaten, insbesondere die ehemaligen Kolonialländer, aber auch Deutschland, haben im Vergleich zu Italien eine längere Erfahrung mit Immigration. Trotz dieser Erfahrung, die auch verbunden sei mit unterschiedlichen Konzepten der Integration, so Monsignore Francesco Montenegro, Präsident der Caritas Italiana, gelten alte Gewissheiten nicht mehr. Wir sind alle Lernende und müssen uns in großer Bescheidenheit auf die Suche nach Wegen für eine geeignete Integrationspolitik machen. Gerade auch deswegen begrüße er diesen deutsch-italienischen Dialog. Er unterstrich, dass Integration zunächst immer die persönliche Beziehung von einzelnen Menschen beinhalte, nicht Kulturen sondern einzelne Menschen begegnen sich. Viele Herausforderungen an die beiden Länder sind ähnlich, doch bestehen auch wichtige Unterschiede. Den beiden Ländern gemeinsam sei, dass die meisten Integrationsprobleme weniger ethnische oder religiöse, sondern soziale Ursachen haben, so die Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. Eine erfolgreiche Integrationspolitik bedeute deswegen vor allem, die strukturellen Bedingungen für mehr Chancengleichheit in Bereichen wie Schule, Arbeit, Kultur, Politik zu schaffen. Die vorrangige Aufgabe Italiens bestehe darin, die soziale Eingliederung der Zuwanderergeneration zu bewältigen, während Deutschland sich, abgesehen von der Eingliederung der sogenannten „Russlanddeutschen“, die nach der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ nach Deutschland kamen, den Integrationsproblemen von Migranten der zweiten und dritten Generation stellen müsse, so Albert Schmid, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Marcella Lucidi, Staatssekretärin im Innenministerium, sah in der Migrations- und Integrationspolitik eine europäische Herausforderung. 2.1 Eingliederung der ersten Generation Besonders dringlich sei in Italien das Angebot an geeigneten öffentlichen Dienstleistungen, um den Immigranten die notwendigen ersten Hilfen anzubieten, so Franco Pittau und Luca Di Sciullo. Dies betreffe insbesondere die Arbeit, die Wohnungssuche und das Erlernen der italienischen Sprache. Als eine gute Erfahrung wurde der Einsatz von Sprach- und Kulturmediatoren in Italien angesehen. Sie arbeiten in Behörden (einschl. Polizei und Gerichte), Schulen und Krankenhäusern. Rodolfo Ortolani, VizeGeneraldirektor der UniCredit Banca, unterstrich, dass auch private Dienstleistungsunternehmen, wie auch seine Bank, Sprach- und Kulturmediatoren einsetzen und darüber hinaus Sprachschulungen durchführen. Insgesamt sei die Eingliederung der Migranten in Italien, auch dank der kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen, gut gelungen, so Franco Pittau und Luca Di Sciullo. 8 von 10 Einwanderern sagen, dass sich ihre Lebensverhältnisse in Italien verbessert haben. Otfried Garbe verwies auf die große Opferbereitschaft der neuen Zuwanderer, auch weil sie ihre Lage mit der ihres 17 18 Heimatlandes vergleichen. Italien sei in einer Übergangsphase, so Paolo Ferrero, Minister für Soziale Solidarität. Er berichtete über Initiativen seiner Regierung, wie das Gesetz über den erleichterten Zugang zur italienischen Staatsbürgerschaft, das Gesetz zur Familienzusammenführung sowie ein neues Rahmengesetz (Amato-Ferrero-Gesetz) zur Migration. Das Rahmengesetz soll neben dem kommunalen Wahlrecht insbesondere den legalen Zugang nach Italien erleichtern. Das bestehende Gesetz (Bossi-Fini-Gesetz), das die Einreise und den Aufenthalt an den Nachweis eines registrierten Arbeitsplatzes knüpft, fördere illegale Immigration und illegalen Aufenthalt. Nach dem neuen Amato-Ferrero-Gesetz soll, unabhängig vom Vorliegen eines Arbeitsvertrags, eine Einreise zum Zweck der Arbeitsaufnahme möglich sein, wenn sich eine natürliche oder juristische Person dafür verbürgt, dass dem Zuwanderer in Italien ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen oder wenn er diese selbst gewährleisten kann. Minister Paolo Ferrero informierte über die Einführung eines Integrationsfonds in Höhe von 50 Mio. Euro. Unbedingt notwendig sei, die schleppenden bürokratischen Verfahren zu beschleunigen. Er berichtete, dass Ausländer aus NichtEU-Staaten für die Verlängerung von Aufenthaltsgenehmigungen über sechs Monate und Personen, die einen Antrag auf die italienische Staatsbürgerschaft gestellt haben, sechs bis sieben Jahre nur auf eine erste Antwort ihrer Anfrage warten müssten. Er forderte die italienischen diplomatischen Vertretungen in den Herkunftsländern der Immigranten auf, ihrer Aufgabe bei der Steuerung der Zuwanderung besser gerecht zu werden. 2.2 Integration von Migranten mit Bleibeabsicht 2.2.1 Sprache Das frühzeitige Erlernen der Sprache wurde als Schlüssel zur Integration angesehen. „Sprache ist nicht alles, aber ohne Sprache ist alles nichts“, so formulierte es Albert Schmid. Mangelnde Sprachkenntnisse führen in den Aufnahmeländern zu weit reichenden Beeinträchtigungen in Schule, Arbeitswelt und Gesellschaft. Staatsministerin Maria Böhmer, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, und Minister Paolo Ferrero unterstrichen die zentrale Bedeutung der Förderung der Sprachkenntnisse von Migranten. In Deutschland werden, so informierte Albert Schmid, mit erheblichem finanziellen Aufwand, bundesweit Integrationskurse, im Wesentlichen Sprachschulungen mit 600 Stunden, künftig 900 Stunden, nach Zielgruppen differenziert, angeboten. Ein Großteil der finanziellen Mittel des Integrationsfonds aus dem italienischen Staatshaushalt ist für Sprachkurse vorgesehen. Ein Schlüssel für das bessere Erlernen der Sprache sind die Eltern. In beiden Ländern wird diese Zielgruppe verstärkt angesprochen. Da Mütter meist die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder übernehmen, sollen sie beim Erlernen der Sprache besonders unterstützt werden, so Staatsministerin Maria Böhmer. In Deutschland werden in Kindergärten „Mamakurse“ für Deutsch angeboten. Um in Deutschland die Eltern besser erreichen zu können, werde über Konsulate, Migrantenorganisationen und Moscheen-Gemeinden für Sprachkurse geworben. Hierbei konnten auch türkische Zeitungen erfolgreich einbezogen werden. Sie hoffe, damit die Hemmschwelle für die Teilnahme an Sprachkursen zu verringern. Minister Paolo Ferrero berichtete von ver- gleichbaren Initiativen in Italien, wie die mit der Moschee in Rom. Er regte an, eine beliebte Fernsehsendung zur Sprachvermittlung aus den 60er Jahren, „Es ist nie zu spät“, wieder ins Programm zu nehmen. Die Kinder müssten vor der Einschulung die deutsche Sprache beherrschen, so Staatsministerin Maria Böhmer. In Deutschland wird damit begonnen, im vierten Lebensjahr mit allen Kindern, nicht nur mit denen aus Familien mit Migrationshintergrund, Sprachprüfungen durchzuführen, um ihnen, bei festgestellten Schwächen, eine spezifische Förderung anzubieten. Ausdrücklich wiesen beide Minister darauf hin, dass zur Sprachförderung auch die Muttersprache gehöre. Von diesen Sprachkenntnissen profitiere auch das Aufnahmeland. Teresa De Bellis unterstrich die große Bedeutung der Mütter bei der bilingualen Erziehung der Kinder. 2.2.2 Schule Die wichtigste Integrationsinstitution ist die Schule. Sie hat in beiden Staaten große Probleme, sich dieser Herausforderung zu stellen. Die besondere Schwierigkeit in Deutschland besteht darin, dass in immer mehr Großstadtschulen Kinder mit Migrationshintergrund die Mehrheit bilden (durchschnittlich kommen in allen deutschen Schulen 22% der 15-jährigen Schüler aus Migrantenfamilien). Das größte Problem in Italien ist die rasche Zunahme von Migrantenkindern in den Schulen. Nicht zuletzt wegen der mangelnden Sprachkenntnisse können viele Kinder dem Unterricht nur schwer folgen. In Deutschland sind große Sprachdefizite auch bei in Deutschland geborenen Kindern mit Migrationshintergrund festzustellen. 44% der ausländischen Jugendlichen besucht eine Hauptschule, dagegen nur 19% der Deutschen (in Deutschland werden die Kinder normalerweise nach einer vierjährigen Grundschule in der Sekundarstufe I auf Hauptschule, Realschule und Gymnasium aufgeteilt). 17% der ausländischen Schulabgänger erreicht gar keinen Abschluss, gut doppelt so viele wie Deutsche. Leider haben italienische Kinder, auch im Vergleich zu anderen Migrantenkindern, größere schulische Probleme, so Staatsministerin Maria Böhmer. Die PISAStudien der OECD zeigen, dass in Deutschland, im Vergleich zu anderen Staaten, der Schulerfolg stärker von dem sozialen Status der Eltern abhängt und auch die Schulleistungen der Migrantenkinder schlechter sind. Deswegen werden in Deutschland Initiativen zur Stärkung der Lernbereitschaft von Migrantenkindern gefördert, so Staatsministerin Maria Böhmer. Hierzu gehöre eine geeignete Lehrerausbildung wie eine bessere Ansprache der Eltern. Ähnlich dem Modell der Kulturmediatoren in Italien sollen in Deutschland so genannte „Bildungspaten“ geschaffen werden. Diese sollen Kindern mit Migrationshintergrund während ihrer schulischen und beruflichen Laufbahn zur Seite stehen, wenn Eltern wegen mangelnder Sprachkenntnisse oder wegen Unkenntnis über das Schulsystem und die folgenden Berufsmöglichkeiten dies nur ungenügend leisten können. Wichtig ist eine aktive Beteiligung der Eltern in der Schule, wie z.B. durch die Teilnahme an Elternabenden. Die Migrantenorganisationen in Deutschland haben zugesagt, sich bei der Ansprache der Eltern zu beteiligen. Angesichts der vergleichsweise größeren schulischen Probleme italienischstämmiger Kinder berichtete Staatsministerin Maria Böhmer von Gesprächen mit dem italienischen Botschafter Puri Purini in Berlin. Um die Lernprobleme dieser Kinder überwinden zu helfen, wurden Regionalkonferenzen vereinbart, die sich insbesondere an italienische Eltern wenden sollen. 19 20 Ein großes Problem in Italien sei der vorzeitige Schulabgang von über 25% der Kinder aus Zuwandererfamilien, so Minister Paolo Ferrero. In Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium sollen geeignete Initiativen entwickelt werden. Die italienische Schule bekenne sich klar zum integrativen Ansatz, so Vinicio Ongini, Berater im Bildungsministerium. Dies bedeute eine enorme Herausforderung, angesichts der schnellen Zunahme von ausländischen Kindern mit oft nur unzureichenden Kenntnissen der italienischen Sprache. Besondere Probleme ergeben sich dabei bei älteren Schülern, die im Zusammenhang mit der Familienzusammenführung ohne jede Sprachkenntnisse in höhere Klassen eingeschult werden. Vinicio Ongini berichtete über fünf Handlungslinien. Sie betreffen die Ausbildung der Schulleiter der Schulen, den Einsatz von 700 Lehrern für Italienisch als Zweitsprache, die vom normalen Unterricht ganz oder teilweise befreit werden und auch als Sprachmediatoren tätig sein sollen, die Förderung von Eltern und ihren Familien in Erwachsenenbildungszentren, die Überarbeitung der Kurrikula, insbesondere in Geschichte und Erdkunde, und den Ausbau des internationalen Erfahrungsaustauschs zwischen Zuwanderungsländern (Konferenz im Oktober) und Herkunftsländern (im Juni mit Rumänien). Die Schule hat auch als Ort der kulturellen Begegnung in den Stadtteilen eine bedeutende Integrationsfunktion, da sie über die Kinder die Familien mit Migrationshintergrund erreichen kann. Notwendig hierzu ist, dass die Eltern sowie Initiativen von und für Migranten in den Schulalltag eingebunden werden. Gute Erfahrungen hat hiermit die Caritas Italiana gemacht. Die gleichberechtigte Förderung der Mädchen aus muslimischen Familien wurde gefordert. Ein Problem ist die Weigerung einiger Eltern, ihren Töchtern die Teilnahme an Klassenfahrten und koedukativem Sportunterricht zu erlauben. Notwendig ist, so Staatsministerin Maria Böhmer, dass vermehrt Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund eingestellt werden. Sie informierte über eine diesbezügliche Verabredung mit den hierfür zuständigen Bundesländern. 2.2.3 Ausbildung und Beruf Schwache schulische Leistungen verschließen vielen Migrantenkindern den Weg in höherwertige Ausbildungsberufe, zum Studium und damit zu anspruchsvolleren Berufen. Für viele ist die Arbeitslosigkeit vorprogrammiert. Die Arbeitslosenquote der ausländischen Jugendlichen in Deutschland ist doppelt so hoch wie die der deutschen Jugendlichen. Nach einer IRES/CGIL-Studie erreichen in Italien nur 35% einen beruflichen Aufstieg (Frauen nur 11,4%). Die Probleme sind in Deutschland gravierender, weil unqualifizierte Arbeitskräfte, im Unterschied zu den 60er und 70er Jahren, nicht mehr gesucht werden. Die Situation auf dem deutschen Ausbildungsmarkt ist schwierig. Schlimm ist, so Staatsministerin Maria Böhmer, dass 40% der Jugendlichen aus Zuwandererfamilien keinen Berufsabschluss nachweisen können. Ohne qualifizierte berufliche Bildung haben die Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund nur geringe Chancen auf eine berufliche Perspektive. Eine sehr große Bedeutung hat in Deutschland die dreijährige betriebliche Ausbildung, die in Verbindung mit der Berufsschule durchgeführt wird. Wolfgang Fehl vom „Netzwerk Integration durch Qualifizierung“ berichtete von einem Projekt in Köln, dem es gelang, die Ausbildungsquote von Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund stark zu erhöhen. Er unterstrich die Notwendigkeit der Ansprache der Jugendlichen, der Eltern, der Multiplikatoren sowie der Migrantenorganisationen und Unterneh- men. Gezielte Informationskampagnen, direktes Herangehen an Unternehmen über die Kammerorganisationen und Beratungsstellen in Konsulaten hatten geholfen, den Anteil von ausländischen Auszubildenden von 4% auf 18% in Köln zu erhöhen. Diese positiven Erfahrungen haben ihren Niederschlag im „Nationalen Integrationsplan“ der Bundesregierung gefunden, so Wolfgang Fehl. Staatsministerin Maria Böhmer stellte fest, dass in den Firmen das Bewusstsein wachse, kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit als Chance für ihr Unternehmen zu erkennen, und berichtete von einer Initiative zur Verbesserung der Einstellungschancen von Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund. Ein wichtiger Erfolg sei die Zusage ausländischer Unternehmensverbände, bis 2010 10.000 neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Italien müsse sich in naher Zukunft mit vergleichbaren Problemen auseinandersetzen, denn, so Minister Paolo Ferrero, die zweite und dritte Generation der heute in Italien lebenden Immigranten werden nicht mehr bereit sein, die niedrig dotierten Arbeiten ihrer Eltern und Großeltern zu übernehmen. Dies werde ein großes Problem für den stark segmentierten italienischen Arbeitsmarkt sein. Eine wichtige berufliche Perspektive sei für viele Migranten die Selbständigkeit, so Rudolfo Ortolani. Er verwies auf die meist geringen Eigenmittel und die Probleme der Kreditaufnahme dieser Personengruppe. Selbständigkeit sei im Übrigen ein wichtiger Schritt zur Integration. 2.2.4 Stadtentwicklung und Wohnungssituation In Italien besteht auch wegen der starken Zuwanderung eine große Nachfrage nach Wohnraum. Der italienische Wohnungsmarkt ist geprägt von einer hohen Eigentumsquote (ca. 80%) und einem geringen Anteil von Sozialwohnungen (nur 5% der Wohnungen sind in öffentlicher Hand). Nach einer Umfrage des Verbandes der Wohnungseigentümer in zwölf italienischen Städten sind 57% der Vermieter nicht bereit ihre Wohnung an Migranten zu vermieten. Vor diesem Hintergrund müssen viele Migranten mit sehr beengten Wohnverhältnissen zurecht kommen. Oft sind sie gezwungen, überhöhte Mieten für unzulängliche Wohnungen zu bezahlen. Deswegen ist der Bedarf an Wohnungseigentum sehr stark, so Rudolfo Ortolani. Das Problem ist jedoch, dass angesichts steigender Wohnungspreise (50% in den letzten 5-6 Jahren) und der meist unregelmäßigen Einkommen der Migranten erhebliche Finanzierungsprobleme bestehen. Deswegen regte er die Schaffung von Garantiefonds der öffentlichen Hand (Kommunen, Regionen) an, um die Finanzierung von Wohneigentum besser sichern zu können. Derzeit gehen 16% der Wohnungsdarlehen an Ausländer (für 2008 werden 20% geschätzt). Minister Paolo Ferrero berichtete, dass 50% des Integrationsfonds der Wohnungsförderung und Stadtentwicklung dienen soll, um der Gefahr der Gettoisierung entgegenzuwirken. In Deutschland sind in einigen Ballungsgebieten, Stadtviertel mit hohen Migrantenanteilen zu beobachten. Diese Segregation zwischen Einheimischen und Bürgern mit Migrationshintergrund vergrößert die kulturelle und soziale Kluft und führt zu Parallelgesellschaften, so Albert Schmid. Lale Akgün wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Segregation wesentlich sozialer Natur sei, da diese Stadtviertel von meist armen und arbeitslosen Menschen bewohnt werden. Um der Gettoisierung entgegen zu wirken, sei auch eine umfassende Stadtentwicklungspolitik notwendig, so Stadträtin Teresa De Bellis. Stadtentwicklungspolitik sei eine Querschnittsaufgabe, die des Einsatzes unterschiedlicher Maßnahmenbereiche bedürfe: über die Zuweisung von 21 sozialen Mietwohnungen, sofern genügend städtische Wohnungen vorhanden sind, könne ein Beitrag zur Bevölkerungsvielfalt geleistet werden; durch die Förderung von Eigenheimen könne die Sozial- und Altersstruktur verbessert werden; über eine aktive Infrastrukturpolitik, wie gepflegte und sichere Straßen, einen gut erreichbaren öffentlichen Personennahverkehr, Schulen, Gesundheitsdienste und Bildungsangebote, könne das Stadtviertel an Wert und Anerkennung gewinnen. Wichtig für die Stadtentwicklung sei es, Chancen der Partizipation zu schaffen, damit sich auch die Bürger mit Migrationshintergrund mit ihrem Stadtviertel identifizieren können, z.B. durch Stadtteilfeste. Die Städte, betonte Teresa De Bellis, gewinnen durch Internationalität und Mehrsprachigkeit ihrer Bewohner. Franco Pittau und Lucio Di Sciullo plädierten für die Stadt der Zukunft mit den drei „I“: international, interkulturell und interreligiös. 3. Zielvorstellung von Integrationspolitik 22 Integration sei Teilhabe, so Staatsministerin Maria Böhmer, und aktive Integrationspolitik bedeute deswegen, Rahmenbedingungen für Chancengleichheit für die Bürger mit Migrationshintergrund zu schaffen. Ihnen müsse aber auch das Gefühl vermittelt werden, dass sie als Teilhaber der Gesellschaft erwünscht sind. Grundlage für das Zusammenleben müsse die Akzeptanz der in der Verfassung formulierten Werteordnung sein, so Minister Paolo Ferrero. Dies beinhalte im Übrigen nicht nur die Wahrnehmung von Rechten, sondern auch die Übernahme von Pflichten. Integration ist eine umfassende Aufgabe von Politik und Gesellschaft. Ergebnis eines breiten Dialogs in Deutschland, an dem insbesondere auch Vertreter der Migranten beteiligt waren, sei der deutsche „Nationale Integrationsplan“, der am 12. Juli 2007 von der Bundeskanzlerin vorgestellt werde, so Staatsministerin Maria Böhmer. Mit ihm werde eine nachhaltige Integrationspolitik in Deutschland eingeleitet. Monsignore Francesco Montenegro unterstrich die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Konsens und kritisierte parteipolitisch und ideologisch motivierte Auseinandersetzungen. Jean Leonard Touadi, Beigeordneter der Stadt Rom, bedauerte, dass die italienische Politik nicht wisse, welchen Weg der Integrationspolitik sie gehen wolle. 3.1 Bereitschaft zur Aufnahme in die Gesellschaft Deutschland habe sich lange der Einsicht widersetzt, ein Einwanderungsland zu sein, so Staatsministerin Maria Böhmer. Auch die italienische Bevölkerung, so Minister Paolo Ferrero, habe weitgehend den Wandel ihres Landes vom Auswanderungs- zum Einwanderungsland noch nicht wahrgenommen. Es bestehe ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits wissen die Italiener um den Bedarf an Arbeitskräften, andererseits wehren sich viele gegen die Präsenz von Ausländern. Jean Leonard Touadi kritisierte die Vorstellung, dass Migranten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Land verlassen müssten. Dahinter stehe eine ablehnende Haltung gegenüber diesen Menschen und ihren Familien. Er kritisierte den Erinnerungsverlust der italienischen Gesellschaft gegenüber den Erfahrungen, die früher die italienischen Auswanderer gemacht hatten. Nach einer repräsentativen Umfrage von Eurobarometer in 31 europäischen Städten glaubten 2004 an eine insgesamt gelungene Integration: in Berlin nur 34%, in München 48%, in Rom 52% und in Turin wiederum nur 38%. Vorurteile, Probleme vor Ort und zum Teil situationsbezogene Stimmungen lösen bei der einheimischen Bevölkerung gegenüber den Migranten Skepsis und Befürchtungen aus. Diese Haltung gegenüber Einwanderern wird in der 15. Shell-Studie auch für deutsche Jugendliche bestätigt. Statt 48% im Jahr 2002 lehnten im Jahr 2005 bereits 58% der befragten Jugendlichen eine weitere Zuwanderung ab. Oft wird mit den Ausländern höhere Kriminalität verbunden. Nach einer repräsentativen Umfrage von SWG aus dem Jahre 2005 glaubten 58% der Italiener, dass die Immigranten stärker in Straftaten verwickelt seien. Staatssekretärin Marcella Lucidi, wies darauf hin, dass ein Großteil der Kriminalität von illegal im Land lebenden Migranten ausgeht und gut integrierte Menschen weniger zu kriminellen Taten neigen. Auf Seiten der einheimischen Bevölkerung besteht ein starker Anpassungsdruck gegenüber den Migranten. Nach einer Umfrage des deutschen Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung erwarten 87% der Einheimischen, dass Ausländer, die sich länger in Deutschland aufhalten wollen, Sprache, Bräuche und Regeln des Landes lernen sollten. Demgegenüber, so Albert Schmid, besteht die Tendenz, dass die Migranten und insbesondere die Jugendlichen der zweiten und dritten Generation sich oftmals stärker in ihre nationale Gemeinschaft zurückziehen. Viele Migranten empfinden einen Mangel an Aufnahmebereitschaft, teilweise sogar Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in der sie umgebenden Gesellschaft. Nach einer Umfrage der UIL unter 3.000 Immigranten in Latium beklagen sich ein Drittel über die mangelnde Aufnahmebereitschaft der italienischen Mitbürger. Nach der Shell-Studie empfinden 63% der ausländischen Jugendlichen in Deutschland Benachteiligungen. Bezogen auf das Arbeitsleben belegt eine IRES/CGILStudie, dass sich in Italien 60% der Ausländer am Arbeitsplatz diskriminiert fühlen. Nach wie vor sind in beiden Ländern Formen der Diskriminierung in Schule, Hochschule, in Verwaltungen und Betrieben sowie bei öffentlichen Dienstleistungen zu beobachten. In beiden Ländern gibt es Nottelefone und öffentlich Beauftragte, die in konkreten Fällen helfen. Entscheidend sei jedoch, über präventive Maßnahmen, wie Kampagnen, das Bewusstsein der Menschen zu beeinflussen, sagte in der Diskussion die Richterin Paola Lucarelli des Antirassismusbüros der italienischen Regierung (UNAR). Deutschland verdanke, so Staatsministerin Maria Böhmer, den italienischen Zuwanderern ein Stück Wohlstand und Lebenskultur. Die einheimische Bevölkerung dürfe die Menschen mit Migrationshintergrund nicht länger als eine Bedrohung wahrnehmen, sondern sollte sie als einen Gewinn für das eigene Land erkennen lernen, ein Mentalitätswechsel sei erforderlich. Lale Akgün wies darauf hin, dass viele Migranten sich in der Gesellschaft nicht aufgenommen fühlen. Minister Paolo Ferrero beklagte, dass viele dazu neigen, den einzelnen Migranten gemäß seiner ethnischen Herkunft einem Klischee von Identität zuzuordnen und unterstrich die individuelle Pluralität des Menschen. Gerade die Kinder von Zuwanderern, die in der neuen Heimat aufgewachsen sind, fühlten sich durch diese Vorurteile ausgegrenzt. Staatsministerin Maria Böhmer berichtete über einen in Berlin kürzlich abgehaltenen Jugendintegrationsgipfel, auf dem sich Vertreter ausländischer Jugendlicher gewünscht hatten von den Deutschen ein größeres Gefühl der Zugehörigkeit zu erfahren. 3.2 Entwicklung von Heimatgefühl In Deutschland habe man in den letzten Jahren zu sehr ein Nebeneinander der Kulturen zugelassen, so Staatsministerin Maria Böhmer. Notwendig sei die Förderung eines echten Miteinanders. Sie unterstrich, dass gleichberechtigte Teilhabe mit der Bereit- 23 schaft, Verantwortung für die neue Heimat übernehmen zu wollen, einher gehen müsse. Teresa De Bellis betonte die Bedeutung des Heimatgefühls für das bürgerschaftliche Engagement. Dies gelte ganz besonders für das eigene Wohnumfeld. Beängstigend sei, dass gerade Jugendliche der dritten Generation, auch mangels persönlicher Perspektiven (hohe Jugendarbeitslosigkeit), sich in ihre ethnische Gemeinschaft flüchten. Jean Leonard Touadi verwies auf die Notwendigkeit, den Kindern aus den Zuwanderfamilien, insbesondere den in der neuen Heimat geborenen, über die Staatsbürgerschaft die Zugehörigkeit zu ihrer neuen Heimat zu vermitteln. Staatssekretärin Marcella Lucidi machte darauf aufmerksam, dass Kinder aus Familien mit unsicherem aufenthaltsrechtlichen Status Aversionen gegen das Land in dem sie aufwachsen entwickeln. Wichtig für die Entwicklung von Heimatgefühl ist, neben der (beruflichen) Lebensperspektive, das menschliche Miteinander, das der Einzelne mit seinem Umfeld verbindet. Immerhin pflegen, nach einer Untersuchung des deutschen Zentrums für Türkeistudien, 40% der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund freundschaftliche Beziehungen mit Deutschen. Nach einer Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums beteiligen sich 61% der Migranten außerhalb von Familie und Beruf aktiv an Vereinen, Gruppen und Organisationen. Jean Leonard Touadi verwies auf positive Erfahrungen von Integration in der italienischen Gesellschaft, die zum Ausgangspunkt für eine italienische Integrationspolitik gemacht werden sollten. 3.3 Wertekonsens und Identität 24 Die Basis für das Zusammenleben sind die in der Verfassung verankerten Grundwerte, so Staatssekretärin Marcella Lucidi, in ihren die Konferenz abschließenden Worten. Sie informierte über die unter Federführung des Innenministeriums in Erarbeitung befindliche „Charta der Werte, der Staatsbürgerschaft und der Integration“ (Carta dei Valori della Cittadinanza e dell’Integrazione), die im Dialog mit Vertretern von Migranten und Religionsgemeinschaften formuliert werde. Es gehe um europäische Werte wie Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung, so Staatsministerin Maria Böhmer. Teresa De Bellis unterstrich die Bedeutung der Chancengleichheit von Frauen und Mädchen, deren Durchsetzung oft vernachlässigt werde. Integration als gleichberechtigte Teilhabe erfordert von allen Beteiligten die Identifikation mit den Grundwerten des Landes, in dem sie leben wollen. Die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft werde insofern in Deutschland als Ausdruck einer gelungenen Integration angesehen, so Albert Schmid. Ein Bekenntnis zu einem europäischen Islam machte Anas Breigheche, Vorsitzender der „Jungen Muslime Italiens“, der sich als ein italienischer Muslim bezeichnete. Der Islam dürfe nicht als etwas uneuropäisches angesehen werden, zumal in Europa 30 Millionen Muslime leben. Große Anstrengungen seien erforderlich, die Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen. Er berichtete von den Schwierigkeiten in denen sich Jugendliche befinden, die sich zum muslimischen Glauben bekennen und zwischen den Traditionen ihrer eingewanderten Eltern und Großeltern sowie ihrer italienischen Umgebung stehen. Staatsministerin Maria Böhmer informierte über die Deutsche Islamkonferenz, zu der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eingeladen hatte. Muslimischer Religionsunterricht und der Bau von Moscheen müssten, sofern bestimmte Regeln eingehalten werden, ermöglicht werden. Minister Paolo Ferrero sprach sich für ein neues Gesetz zur Religionsausübung in Italien aus und erinnerte daran, dass das gegenwärtige Ge- setz über die „zugelassenen Kulte“, das sich mit den nicht-katholischen Religionsgemeinschaften befasst, aus dem Jahr 1929 stammt. Zwischen der Akzeptanz von Grundwerten der Verfassung und der Übernahme von landesüblichen Bräuchen müsse klar unterschieden werden, so Minister Paolo Ferrero. Gerade weil sich Bräuche und Lebensgewohnheiten ändern würden, müsse die Gesellschaft hier Toleranz zeigen. Seine Großmutter habe beispielsweise noch ein Kopftuch getragen. Staatssekretärin Marcella Lucidi definierte Integration als Interaktion, die die Entfernung zwischen dem Einheimischen und dem Migranten verkürze. Bruno Ducoli vom Zentrum zur Förderung der Interkulturalität in Gargnano, warnte davor, die Verteidigung der eigenen Identität zu einem Kampfbegriff („identità assassine“) zu machen. Jede Kultur und somit Identität beruhte schon immer auf einem ununterbrochenen Prozess des kulturellen Imund Exports. Europa, das der Menschheit die Menschenrechte geschenkt habe, konnte erst nach viel gegenseitigem Hass und zwischenstaatlichen Kriegen über den Dialog, unter Respektierung der Verschiedenheiten, zur Einheit finden. Bruno Ducoli: „Die Gesellschaft der Zukunft ist die, welche zu vereinen weiß, ohne zu vermischen, und welche zu unterscheiden weiß, ohne zu trennen“. 3.4 Herausforderungen an Politik und Gesellschaft Nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung ist Europa langfristig auf Zuwanderung angewiesen. Die europäischen Staaten werden die Integration von Menschen aus anderen Kulturkreisen gestalten müssen. Die Frage des sozialen Zusammenhalts wird damit zu einer zentralen Herausforderung unserer Gesellschaften. Die zweite strategische Aufgabe gilt der Förderung der Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund. Sie sind, wie alle Kinder, das Zukunftspotential unserer Gesellschaften. Celio Azzurro – „Eine besondere Begegnung“ mit der deutschen Staatsministerin für Migration, Maria Böhmer Daniele Valli, Leiter des Interkulturellen Didaktischen Zentrums Celio Azzurro Celio Azzurro ist ein Ort, an dem man gelernt hat aufzunehmen, d.h. hier wurde sogar aus der Aufnahme ein Schwerpunkt der eigenen pädagogischen Arbeit gemacht. Meist stehen Kinder und ihre Familien im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, andere Male entdecken interessierte Jugendgruppen, was hier passiert, und mehrmals im Jahr geht es hier um unsere Brüder und „Weggenossen”, die „Kulturmediatoren“ des Forums. Diesmal haben wir eine Ministerin bei uns „aufgenommen“ und zwar keine Geringere als die Staatsministerin für Migration der Bundesrepublik Deutschland, Frau Maria Böhmer. Da wir davon überzeugt sind, dass bei Aufnahme vor allem auch die Gefühlswelt angesprochen werden muss, auch weil wir überzeugt sind, dass die Gefühle überall auf der Welt, in jedem Alter, in jeder sozialen Klasse und in jeder sozialen „Rolle“ gleich sind, haben wir die Staatsministerin mit der gleichen Einfachheit, der gleichen Herzlichkeit und Freude begrüßt, mit der wir alle aufnehmen. 25 26 Das machte die Begegnung sofort dynamisch und inoffiziell. Die Staatsministerin und ihre Delegation hatten um dieses Treffen gebeten, um besser verstehen zu können, wie die Caritas, das „Forum per l’intercultura” (Interkulturelles Forum) der Caritas und auch die ganz kleine didaktische und interkulturelle Struktur „Celio Azzurro“ (ebenfalls eine Einrichtung der Caritas) im interkulturellen Bereich arbeiten. Der Direktor der Diözesanscaritas, Monsignore Guerino Di Tora und vier kulturelle Mediatoren des Forum per l’intercultura: Luci Zuvela (Verein der slawischen Frauen, LIPA), Calo Palanti (Verein der Brasilianer in Italien), Godwin Chuckwu (Verein Baobab) und Ejaz Ahmad (Redakteur der Zeitung für Pakistani in Urdu) informierten unseren Gast über die Lage in Rom. Ich selbst nahm in zwei Funktionen, nämlich als Mediator und Sprecher von Celio Azzurro, teil. Zu Beginn der Diskussion stellte Mons. Di Tora unserem Gast die verschiedenen von der Caritas organisierten und unterstützten Dienstleistungen für die Migranten vor. Die Caritas begann Anfang der achtziger Jahre mit dem Angebot von Dienstleistungen für die Zuwanderer, einmal, um ihre Probleme kennenzulernen und sie der Öffentlichkeit bekannt zu machen, zum anderen, um bedürftigen Zuwanderern im Rahmen einer ersten Anlaufstelle konkrete Hilfe (Essen, Unterkunft, medizinische Versorgung, Kleidung, usw. bekamen) und im Rahmen einer zweiten Aufnahmephase (Sprachkurse, Berufsausbildung, Arbeitssuche, Beratungen verschiedenster Art) anzubieten. Außerdem wurden die Behörden bezüglich verschiedener Erfordernisse angesprochen und Beiträge zur Weiterentwicklung der Gesetzgebung zur Eingliederung von Zuwanderern gemacht. Dazu kamen noch vom „Forum per l’intercultura“ Initiativen zur Sensibilisierung der Bevölkerung und zugunsten der interkulturellen Bildung. Es handelt sich hierbei um ein Sonderprogramm, das die Caritas mit Unterstützung von italienischen und Migrantenvereinen durchführt. Nachdem mir das Wort erteilt wurde, versuchte ich unseren Gesprächspartnern die Werte und Gründe zu erklären, die Celio Azzurro dazu veranlassen, dem Anderssein eine besondere Bedeutung zu geben und gleichzeitig dabei zu helfen, sich der eigenen Wurzeln zu besinnen. Ich wollte vor allem hervorheben, dass, wenn die spezifischen Entwicklungszeiten und Besonderheiten jedem Kind und seiner Familie zugestanden werden, ein kleines Wunder geschehen kann, nämlich das Entstehen einer Gemeinschaft in Handeln und Fühlen, d.h. ein Netz der Zuneigungen, das es jedem erlaubt, sich in einer Gesellschaft, die oft fremd und manchmal sogar feindlich erscheint, nicht mehr alleine zu fühlen. Ich sagte weiterhin, dass diese Erfahrung verbreitet werden müsste und dass dies über das Forum per l’intercultura erfolgt. An diesem Punkt meldete sich Carlo Palanti zu Wort, der der deutschen Delegation mit Engagement genau erklärte, wie und in welchem Umfeld das Forum tätig ist und vor allem, welche Aufgaben ein „Kulturmediator“ hat. Wir stellten dann das Modell der interkulturellen „Mediation“ mit seinen drei Phasen vor: in der ersten Phase geht es um die Förderung der Begegnungen zwischen den verschiedenen „Welten” und Kulturen; in der zweiten Phase um das sich gegenseitig Kennenlernen und in der dritten Phase um den persönlichen Austausch und damit um eine veränderte Einstellung. Unser Gast dankte uns für den „Berg“ an wertvollen Informationen, und fragte die anderen Mediatoren, weshalb sie diesen „Beruf“ gewählt hatten und wie viel Zeit sie am Tag für ihn verwenden. Ejaz Ahmad erklärte, was er unter interkultureller Mediation versteht. Er sag- te, dass Italien noch viel aufzuholen habe, mehr als es in der Begegnung deutlich geworden wäre. Er wies darauf hin, dass manchmal einige tief verwurzelte kulturelle Unterschiede (z.B. Polygamie, Zwangsehen, usw.) in den verschiedenen Ländern das spannungsfreie und positive Erleben gemeinsamer Erfahrungen erschweren können. Godwin Chuckwu sprach dann als erfahrener Kulturmediator des Forum per l’intercultura von seinen Anfängen als Kulturmediator als er fast gar nicht wusste, was eigentlich die europäischen Kulturen von denen des afrikanischen Kontinents unterscheiden. Er ist überzeugt, dass man die Geschichte und das kulturelle Erbe, die ein Volk und ein Land reich machen, kennenlernen muss. Nur so kann man den Leuten verständlich machen, dass es keine Länder mit mehr oder weniger Geschichte oder Kultur gibt, sondern sich diese nur unterschiedlich entwickelt haben. Frau Staatsministerin Böhmer fragte uns alle dann, was in der Vergangenheit hätte anders gemacht werden können und welche Pläne wir für die Zukunft hätten. Luci Zuvela wies darauf hin, dass es in der Vergangenheit zu wenig Begegnungsstätten gegeben und dass man die Kulturenvielfalt nicht genügend geschätzt habe. Eine bessere Kenntnis des Anderen hilft, das größte Hindernis für friedliches Zusammenleben, die Angst, zu beseitigen. Bei der Verabschiedung von der Staatsministerin unterstrichen wir alle wie im Chor, dass in der heutigen Zeit ein interkultureller Ansatz nicht nur das Zusammenleben mit Menschen aus fernen Ländern fördere, sondern auch die Voraussetzung für positive Beziehungen zwischen ihnen sei - egal woher sie kommen. Celio Azzurro ist ein Interkulturelles Zentrum, in dem ausländische und italienische Kinder von drei bis sechs Jahren aufgenommen werden. Das Zentrum, das von einer Gruppe Erzieher des gleichnamigen Vereins geleitet wird, die in verschiedenen Bereichen mit Minderjährigen arbeiten und neuen interkulturellen Themen gegenüber besonders aufgeschlossen sind, konnte am 1. Juni 1990 dank der Finanzierung durch die Stadt Rom eingeweiht werden. Celio Azzurro war das erste interkulturelle Zentrum für Migrantenkinder in Italien. In den letzten siebzehn Jahren wurde das Zentrum von über siebenhundert Kindern aus fünf Kontinenten besucht. Das Ziel ist, Zeugnis dafür abzulegen, dass im Zeichen der gegenseitigen Achtung, des Austauschs und vor allem der Aufwertung anderer Kulturen mit den Migrantenkindern und ihren Familien ein Zusammenleben möglich ist. Das Zentrum arbeitet mit dem Forum per l’intercultura zusammen und arbeitet mit diesem Ausbildungswege aus, die vor allem, aber nicht ausschließlich, für Schulen und Sozialarbeiter gedacht sind. In den Ausbildungsabläufen sind „emotionale Beziehungen“ das beste Instrument für die Begegnung, das gegenseitige Kennen- und Schätzen lernen sowie das Zuhören und Entdecken. Auf dieser Grundlage sehen die Laboratorien eine direkte Beteiligung der Kinder und Lehrer durch Lesen, Diskussionen, Vergleiche, Rollenspiele und Gruppenarbeit vor. (Centro didattico interculturale Celio Azzurro, salita S. Gregorio al Celio, 3, Rom: Tel./Fax 06 7004271- [email protected] - www.celioazzurro.org). 27 Politische Beiträge Keine Einwanderung ohne Integrationspolitik Der europäische Rahmen für die Integration Franco Frattini, Vizepräsident der Europäischen Kommission 28 In den letzten zehn Jahren ist die Einwanderung zu einem prioritären Thema auf der internationalen und der europäischen Agenda geworden. Alljährlich werden 2,2 Millionen Aufenthaltsgenehmigungen für Drittstaatsangehörige erteilt, die in der EU leben möchten – um eine Erwerbstätigkeit auszuüben, aus Gründen der Familienzusammenführung, für Forschungszwecke oder um ein Studium zu absolvieren. Im Januar 2006 hielten sich 18,5 Millionen Bürger von Nicht-Mitgliedstaaten, d.h. 3,8% der Gesamtbevölkerung, legal in der EU auf. Eins wird immer klarer: In allen EU-Staaten besteht – wenn auch in unterschiedlichem Maße – ein Problem, das ein gemeinsames Vorgehen erfordert. Dies gilt insbesondere, seit der gemeinsame Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geschaffen und die Kontrollen an den Binnengrenzen aufgehoben wurden. Die Migranten spielen in der EU-Wettbewerbsstrategie eine entscheidende Rolle; gleichwohl können sie ihr Potenzial nur dann vollständig ausschöpfen, wenn ihnen Gelegenheit geboten wird, sich in die Gesellschaft und Wirtschaft des Aufnahmelandes zu integrieren. Deshalb gehört die Integration von Einwanderern, die sich rechtmäßig im EU-Gebiet aufhalten, zu den Hauptprioritäten und ist ein Schlüsselelement der umfassenden Migrationspolitik der EU.1 Entsprechend der EU-Agenda geht die Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung der legalen Migration mit Fortschritten auf dem Gebiet der Integration einher. In den Schlussfolgerungen des Rates vom Juni 2007 zur Stärkung der Integrationspolitik in der Europäischen Union durch Förderung von Einheit in der Vielfalt haben die Regierungen der Mitgliedstaaten auf die zusätzliche Verknüpfung von Einwanderungs- und Integrationsmaßnahmen hingewiesen. Gleichzeitig ist die Konsolidierung der Rechtsvorschriften zu den Einreise- und Aufenthaltsbedingungen von Drittstaatsangehörigen für einen kohärenten Integrationsansatz der EU unverzichtbar. Verschiedene Aspekte, wie Familienzusammenführung, langfristige Aufenthaltsberechtigung und Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen, die internationalen Schutz benötigen, sind bereits geregelt. Wie im strategischen Plan zur legalen Einwanderung angekündigt, haben wir unlängst zwei Legislativvorschläge unterbreitet: einen Vorschlag für eine allgemeine Rahmenrichtlinie, in der die Grundrechte von zugewanderten Arbeitnehmern in der EU festgelegt sind, und einen Vorschlag für eine Richtlinie betreffend die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen von hochqualifizierten Zuwanderern. Ich werde mich hier auf einige zentrale Bestandteile der EU-Integrationspoli(1) Schlussfolgerungen des Vorsitzes über eine umfassende Migrationspolitik, Europäischer Rat vom 14./15. Dezember 2006 in Brüssel, http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/ pressData/de/ec/92202.pdf tik, wie sie in diesem Kontext umgesetzt wird, konzentrieren. Insbesondere werde ich darstellen, welche konkreten Maßnahmen und Projekte wir durchgeführt haben und welche Instrumente und Ressourcen wir künftig einsetzen wollen, um den absehbaren Integrationsproblemen zu begegnen. Entwicklungen bei der Zusammenarbeit und dem Austausch bewährter Verfahren im Bereich der Integration Gemäß dem Haager Programm von 2004 ist es erforderlich, die nationalen Integrationsmaßnahmen umfassender zu koordinieren und die einschlägige Tätigkeit der EU auf gemeinsame Grundprinzipien zu stützen. Der Rat verabschiedete im November desselben Jahres elf Gemeinsame Grundprinzipien (GGP) für die Politik der Integration von Einwanderern in der Europäischen Union2 und die Kommission unterbreitete im September 2005 eine „Gemeinsame Integrationsagenda“3, die einen Rahmen für die Integration von Drittstaatsangehörigen in der EU vorgibt. Der Rat unterstützte in seinen Schlussfolgerungen zur Gemeinsamen Agenda deren allgemeine Leitlinien und betonte, dass es erforderlich sei, stärker einen gemeinsamen Ansatz für Integrationsstrategien und -maßnahmen zu verfolgen.4 Die Gemeinsame Agenda enthält konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Gemeinsamen Grundprinzipien und bietet eine Reihe europäischer Rechtsinstrumente, um diesen Prozess zu erleichtern, in dessen Verlauf ein besonderer europäischer Ansatz zur Integration durch Zusammenarbeit und Austausch von bewährten Verfahren entwickelt werden soll. Das Netz der nationalen Kontaktstellen für Integration wurde ursprünglich als Ergebnis der Schlussfolgerungen des Rates „Justiz und Inneres“ von Oktober 2002 eingerichtet, der festgestellt hatte, dass der Austausch von Informationen und bewährten Verfahren notwendig sei und ein entsprechendes Netz aufgebaut werden müsse. Dieses Netz fand später die Zustimmung des Europäischen Rates von Thessaloniki, der in seinen Schlussfolgerungen von Juni 2003 die Bedeutung des Ausbaus der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs hervorhob und erklärte, dass insbesondere die Maßnahmen auf einzelstaatlicher wie auf EU-Ebene effizienter koordiniert werden müssten. Mit dem Netz soll vor allem ein Forum für den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten auf EU-Ebene geschaffen werden, das es ermöglicht, wirksame Lösungen für die Integration von Migranten in allen Mitgliedstaaten zu finden; außerdem soll das Netz die Koordinierung und Kohärenz der einschlägigen Maßnahmen auf nationaler Ebene sowie mit EU-Initiativen gewährleisten. Die Handbücher zur Integration für Entscheidungsträger und Praktiker5, die in Zusammenarbeit mit den nationalen Kontaktstellen unter Mitwirkung regionaler/lokaler Behörden und nichtstaatlicher Beteiligter erstellt wurden, sind ein unentbehrliches Instrument für den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren. Gegenstand der ersten Ausgabe (2004) waren Einführungskurse für Zuwanderer und anerkannte Flüchtlinge, deren gesellschaftliche Teilhabe sowie Integrationsindikatoren. In (2) Ratsdokument 14615/04. (3) KOM(2005) 389. (4) Ratsdokument 14390/05. (5) http://ec.europa.eu/justice_home/doc_centre/immigration/integration/doc_immigration_integration_de.htm 29 30 der zweiten Ausgabe (2007) wurden andere Schlüsselthemen behandelt, die in den Gemeinsamen Grundprinzipien entwickelt worden waren: Einbeziehung der Integration in viele Politikbereiche und Aufbau einer Integrationsinfrastruktur, Prüfung der für die Umsetzung erfolgreicher Integrationsstrategien in allen Politikfeldern angewandten Verfahren, Wohnen in einem städtischen Umfeld und wirtschaftliche Integration sowie Darlegung der in diesen Bereichen gewonnenen Erfahrungen. Eine dritte Ausgabe ist für 2009 geplant. In den Jahresberichten über Migration und Integration wird untersucht, welche Maßnahmen zur Aufnahme und Integration von Drittstaatsangehörigen auf einzelstaatlicher und EU-Ebene ergriffen werden; die Berichte bieten einen Überblick über politische Entwicklungen und tragen zur Bewertung und Stärkung von Integrationsmaßnahmen bei. Der dritte Jahresbericht, den ich auf der hochrangigen Konferenz über legale Zuwanderung im September in Lissabon vorgestellt habe, verdeutlicht, wie die Integrationsdebatte im letzten Jahr sowohl auf EU-Ebene als auch in den einzelnen Mitgliedstaaten an Intensität zugenommen hat. Immer mehr Mitgliedstaaten verfolgen eine neue Integrationspolitik und passen Strategien an, die auf den bisherigen Erfahrungen aufbauen. Wir zeigen auch auf, inwiefern die Einbeziehung von Integrationsmaßnahmen in zahlreiche Politikbereiche der EU, wie Beschäftigung, Unternehmertätigkeit, kulturübergreifender Dialog, Grundrechte, Diskriminierungsverbot und Chancengleichheit, soziale Einbeziehung und Sozialschutz, Städtepolitik, Gesundheit und Bildung, zu einem wesentlichen Bestandteil der politischen Beschlussfassung und der Umsetzung und Finanzierung konkreter Maßnahmen geworden ist. Ein interessanter Bestandteil des Berichts ist der umfassende Überblick über einzelstaatliche Integrationsmaßnahmen, der durch eine in Zusammenarbeit mit den nationalen Kontaktstellen erarbeitete Zusammenfassung der Integrationsmaßnahmen in der EU-27 ergänzt wird. Darin beschreiben wir Trends und erläutern ausführlich Beispiele der Umsetzung der Gemeinsamen Grundprinzipien für Integration aus verschiedenen Ländern. Im Haager Programm wurde eine leicht zugängliche europäische Integrationswebseite gefordert. Diese wird gegenwärtig von der Kommission aufgebaut und soll den strukturellen Austausch von Erfahrungen und Informationen im Bereich Integration unterstützen. Die Webseite dürfte 2008 zur Verfügung stehen. Ferner ist ein Europäisches Integrationsforum für die auf EU-Ebene im Integrationsbereich Tätigen geplant. EU-Dachverbände mit Mitgliedern in einer Reihe von Mitgliedstaaten werden Sachwissen austauschen und Empfehlungen ausarbeiten, die sodann auf der Integrationswebseite veröffentlicht werden sollen. Das Forum wird in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss eingerichtet, der die organisierte Zivilgesellschaft auf EU-Ebene vertritt. Von den vorbereitenden Maßnahmen (INTI) zum Europäischen Fonds für die Integration von Drittstaatsangehörigen Seit 2003 kofinanziert die Kommission über das Programm INTI – Integration von Drittstaatsangehörigen6 - grenzübergreifende Integrationsprojekte zur Förderung der diesbezüglichen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Sie stellte für die Jahre 2003-2006 (6) http://ec.europa.eu/justice_home/funding/2004 2007inti/funding_inti_de.htm insgesamt 20 Mio. Euro zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten bewerten die Integration von Drittstaatsangehörigen jeweils sehr unterschiedlich und haben in unterschiedlichem Maße Integrationsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt. Einige Länder verfügen bereits über eine lange Erfahrung in diesem Bereich, während andere erst vor kurzem mit der Konzeption einer entsprechenden nationalen Politik begonnen haben. Gleich, ob sie über mehr oder weniger Erfahrung verfügen – alle Mitgliedstaaten ziehen aus dem Programm INTI einen Nutzen. Ein gemeinsames Merkmal aller INTI-Projektpartnerschaften ist die aktive Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen Organisationen und einer Vielzahl von Beteiligten sowie der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften. Als Beispiel für dieses heterogene Projektnetz sei das Projekt „Integrating Cities“ genannt, das 2006 im Rahmen der „Benchmarking Integration Governance in European Cities“ (Leistungsvergleich erfolgreicher Governance-Strukturen für die Integration in europäischen Städten) ausgewählt wurde. Ziel des Projekts ist die Unterstützung der Städte bei ihren Integrationsmaßnahmen; dazu konzentriert es sich auf das Benchmarking erfolgreicher Governance-Strukturen für die Integration in europäischen Städten und die Förderung eines innovativen Modells, bei dem Verbindungen zwischen Akteuren auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene hergestellt werden. Das Projekt ist eine Folgemaßnahme des 2006 von der Europäischen Kommission und EUROCITIES angestoßenen Prozesses, in dem eine Reihe von Konferenzen vorgesehen sind; Ziel der Arbeiten ist es, einen Dialog über die Integrationsthematik einzuleiten und Brücken der Zusammenarbeit zwischen der lokalen, der nationalen und der europäischen Ebene zu bauen. Die erste Konferenz unter dem Titel „Integrating Cities“ fand 2006 in Rotterdam statt. Führende Experten, Entscheidungsträger und Praktiker aus dem Bereich der Integration von Migranten erläuterten, wie sie sich die praktische Umsetzung der Gemeinsamen Grundprinzipien und des Europäischen Rahmens für die Integration auf lokaler Ebene vorstellen. Auf der im November 2007 in Mailand veranstalteten Konferenz EUROCITIES unterzeichneten der Bürgermeister von Mailand und ich eine gemeinsame „Erklärung“, in der wir uns verpflichten, beständig dafür einzutreten, dass die Städte bei der Gestaltung der europäischen Gemeinsamen Integrationsagenda ein stärkeres Mitspracherecht erhalten; wir engagieren uns außerdem für einen kontinuierlichen, engeren Dialog sowie eine fruchtbare Zusammenarbeit im Hinblick auf die erfolgreiche Integration von Migranten und werden unsere Maßnahmen auf die Grundsätze Partnerschaft, Mitverantwortung und effiziente Verwaltung stützen. Zwei wichtige, 2004 durch das Programm INTI finanzierte, Projekte betreffen Caritasverbände in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Im Rahmen von INTI wurde 2004 ein Netz nationaler Kontaktstellen für Integrationsfragen errichtet. Federführend waren der Europäische Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen des Vereinigten Königreichs. Dem Netz gehören erfahrene Kräfte von NRO an, die sich im Bereich Flüchtlingshilfe und Migration für folgende Ziele engagieren: Formulierung grundlegender Vorschläge für die Integration von Migranten und Flüchtlingen; Darstellung positiver Beispiele dafür, wie sich Migranten und Flüchtlinge wirtschaftlich, sozial und kulturell in die Aufnahmegesellschaft einbringen können; Überzeugungsarbeit mit Blick auf Politiker, Beamte und Entscheidungsträger durch Vorschläge zur Wiederbelebung der Integrationsdebatte. Caritas Europa (im Namen von acht nationalen Caritasverbänden) und der Deutsche Caritasverband in Freiburg sind Partner dieses wichtigen Projekts. 31 32 Ein weiteres INTI-Projekt, an dem Caritasverbände (insbesondere der Caritasverband der Erzdiözese Warschau) beteiligt sind, zielt auf die Selbsthilfe und Mitverantwortung von Migranten sowie die Integration durch Information und Schulung von Beamten und NRO; für die Abwicklung dieses Projekts ist die Tschechische Republik zuständig. Angesichts der positiven Erfahrungen und des Erfolgs des Programms INTI hat die EU einen neuen Europäischen Fonds für die Integration von Drittstaatsangehörigen7 für den Zeitraum 2007 – 2013 aufgelegt, der der stärkeren finanziellen Unterstützung von Integrationsmaßnahmen dient und mit 825 Mio. EUR ausgestattet ist. Als einer der vier Fonds des Programms „Solidarität und Steuerung der Migrationsströme“8 zielt der Integrationsfonds darauf ab, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, Drittstaatsangehörigen mit unterschiedlichem wirtschaftlichem, kulturellem, religiösem, sprachlichem und ethnischem Hintergrund, die Erfüllung der Aufenthaltsbedingungen zu ermöglichen und es ihnen zu erleichtern, sich in die europäische Gesellschaft gemäß den Gemeinsamen Grundprinzipien für die Politik der Integration von Einwanderern in der Europäischen Union zu integrieren. Dank des Fonds werden die Mitgliedstaaten über größere Kapazitäten für die Entwicklung und Umsetzung nationaler Integrationsstrategien im Hinblick auf alle Aspekte der Gesellschaft verfügen; insbesondere wird dem Grundsatz Rechnung getragen, dass Integration ein dynamischer, wechselseitiger Prozess des gegenseitigen Entgegenkommens aller Migranten und aller in den Mitgliedstaaten ansässigen Personen ist. Die nationalen Programme werden u.a. folgende Prioritäten enthalten: Durchführung von Maßnahmen zur praktischen Umsetzung der Gemeinsamen Grundprinzipien; Entwicklung von Indikatoren und Bewertungsmethoden zur Messung der Fortschritte, zur Anpassung der Strategien und Maßnahmen sowie zur Erleichterung der Koordination des vergleichenden Lernens; Stärkung des Aufbaus integrationspolitischer Kapazitäten, Koordinierung und Aufbau interkultureller Kompetenz in den Mitgliedstaaten auf allen Regierungsebenen sowie Austausch von Erfahrungen, bewährten Verfahren und Informationen über Integrationsfragen zwischen den Mitgliedstaaten. Im Rahmen dieser vier Prioritäten kann der Gemeinschaftsbeitrag für bestimmte Maßnahmen auf 75% aufgestockt werden. Dies gilt für Maßnahmen in den Mitgliedstaaten, die sich mit den spezifischen horizontalen Prioritäten befassen, z.B. Partizipation als Mittel zur Förderung der gesellschaftlichen Eingliederung von Drittstaatsangehörigen; besondere Berücksichtigung einzelner Zielgruppen wie Frauen, junger Migranten und Kinder aus Migrantenfamilien; innovative Einführungsprogramme und -aktivitäten sowie interkultureller Dialog und Einbindung der Aufnahmegesellschaft in den Integrationsprozess. Was die Gemeinschaftsmaßnahmen anbelangt, so werden bei der Unterstützung grenzübergreifender Projekte drei Hauptprioritäten behandelt: Interaktion zwischen Drittstaatsangehörigen und EU-Bürgern sowie Förderung von Integrationsmaßnahmen und bewährten Verfahren, die auf die ganze Gesellschaft abzielen; zielgerichtete Integrationsstrategien und –maßnahmen für verschiedene Migrantengruppen, wobei (7) Entscheidung 2007/435/EG, veröffentlicht am 25. Juni 2007. (8) Die anderen drei Fonds des Programms „Solidarität und Steuerung der Migrationsströme“ sind der Außengrenzenfonds, der Flüchtlingsfonds und der Rückkehrfonds. Die Gesamtmittel für das Rahmenprogramm belaufen sich für 2007-2013 auf 4020,37 Mio. EUR. die speziellen Bedürfnisse von Kindern und Migrantinnen besonders berücksichtigt werden; Maßnahmen zur Stärkung der zusätzlichen Verknüpfung von Migrations- und Integrationspolitik. Ausblick Die auf der ersten Ministerkonferenz zum Thema Integration 2004 in Groningen angestoßene politische Debatte wurde im Mai 2007 auf einem informellen Treffen der für Integration zuständigen EU-Minister in Potsdam fortgesetzt. Der Rat verabschiedete im Anschluss daran Schlussfolgerungen zur Stärkung der Integrationspolitik in der Europäischen Union durch Förderung von Einheit in der Vielfalt. Diese Schlussfolgerungen werden uns als Bezugspunkt für die bevorstehenden neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Entwicklung von Integrationsstrategien und -maßnahmen auf europäischer Ebene dienen. Die künftigen Verpflichtungen der Kommission in diesem Bereich, die auch im Dritten Jahresbericht über Migration und Integration genannt sind, werden verschiedene Aspekte umfassen. So beabsichtigt die Kommission, den verschiedenen Konzepten und Ansätzen zur Partizipation nachzugehen und zur Klärung beizutragen und sich mit den in der Diskussion befindlichen Konzepten der Bürgerschaft zu befassen. Wir werden die Umsetzung von auf die Aufnahmegesellschaft zugeschnittenen Integrationsmaßnahmen fördern, um so die Fähigkeit der staatlichen Einrichtungen und der Medien zu ausgewogener Reflexion und zur Steuerung der migrationsbezogenen Vielfalt in der Gesellschaft zu stärken. Wir werden untersuchen, welcher zusätzliche Nutzen von gemeinsamen europäischen Modulen für die Integration von Migranten zu erwarten ist; diese Module sollen in einem eigenständigen Projekt ausgehend von den auf einzelstaatlicher Ebene gewonnenen Erfahrungen im Zusammenhang mit Einführungs- und Sprachkursen, der Einbeziehung der Aufnahmegesellschaft, der Förderung der Teilhabe der Migranten am Gemeindeleben und anderen Integrationsaspekten entwickelt werden. Darüber hinaus wird die Kommission untersuchen, wie Integrationsprogramme und -maßnahmen sozialer Entfremdung und Radikalisierung vorbeugen können. Die Förderung der Entwicklung gemeinsamer Indikatoren und Indizes, die eine effektivere Überwachung und Bewertung von Fortschritten in der Integrationspolitik ermöglichen, wird bei unserer künftigen Arbeit ebenfalls einen hohen Stellenwert einnehmen. Migration und europäische Identität - Bildung und Arbeit als Schlüssel - Der deutsche Weg der Integrationspolitik Prof. Dr. Maria Böhmer, MdB, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin, Beauftragte für Migration, Integration und Flüchtlinge 2007 ist das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle“, 2008 wird das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs“ sein. Damit stehen hoch spannende Fragen auf der europäischen Agenda: Wie stärken wir den sozialen Zusammenhalt? Wie 33 ermöglichen wir bessere Bildung? Wie erhöhen wir die Arbeitsmarktchancen für Zuwanderer? Wie verständigen wir uns auf grundlegende gemeinsame Werte? Dem entspricht, dass nahezu alle europäischen Länder ihre Integrationspolitik neu definieren, wie auf der großen Konferenz der europäischen Integrationsminister in Potsdam im Mai 2007 deutlich wurde, zu der die deutsche Ratspräsidentschaft eingeladen hatte. Alle gehen dabei eigene Wege. Denn die Geschichte der Zuwanderung ist jeweils eine andere. Die dominierenden Zuwanderungsgruppen unterscheiden sich, Staatsbürgerschaft wird unterschiedlich verstanden. Gleichwohl bestehen zum Teil sehr ähnliche Probleme und zum Teil werden darauf ähnliche Antworten gegeben. Deshalb brauchen wir den Austausch unter den europäischen Ländern und darüber hinaus. In Deutschland haben wir mit dem „Nationalen Integrationsplan“ einen völlig neuen Weg beschritten. Aus der Erkenntnis heraus, dass Integration eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt, die der Staat nicht alleine lösen kann, hat die Bundesregierung alle an einen Tisch geholt: Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen, Vertreter von Verbänden, der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Kirchen, der Wissenschaft, des Sports, der Medien, der Kultur und vor allem der Migranten selbst. Kennzeichen des Nationalen Integrationsplans sind die Selbstverpflichtungen, die alle Beteiligten eingehen, insgesamt 400. Damit tragen alle dazu bei, dass Talente erkannt und Potenziale ausgeschöpft werden. Dieser neue Weg stößt in anderen Ländern auf großes Interesse. Die Situation in Deutschland und Italien 34 Deutschland und Italien verbindet eine lange Migrationserfahrung: 2005 haben wir den 50. Jahrestag des deutsch-italienischen Anwerbeabkommens begangen. Über 4 Millionen Italiener sind seit dem 2. Weltkrieg nach Deutschland gekommen. Sie stellen mit etwa 540.000 Personen die zweitgrößte Gruppe von Ausländern in Deutschland dar. Deutschland verdankt ihnen einen Teil seines Wohlstands, aber auch seiner Lebenskultur. Im Verhältnis zu den alten Einwanderungsländern Frankreich und USA sind Deutschland und Italien eher junge Einwanderungsländer, weitgehend ohne koloniale Migration. Deutschland war lange Zeit Auswanderungsland. Zuwanderung wurde, jedenfalls quantitativ, erst nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutsam. Nach 1945 hat Deutschland erfolgreich Millionen von Vertriebenen und Flüchtlingen integriert. Das waren Deutsche, aber auch sie mussten erst neu ankommen und aufgenommen werden. Dann kamen die so genannten „Gastarbeiter“. Sie haben zur wirtschaftlichen Kraft und kulturellen Vielfalt Deutschlands beigetragen. Zu Beginn der 1990er Jahre kamen viele Spätaussiedler aus Osteuropa und viele Flüchtlinge, insbesondere aus dem ehemaligen Jugoslawien. Deutschland hat mehr Asylbewerber aufgenommen als alle anderen europäischen Länder. Das ist durchaus vergleichbar mit den seit 2006 stark ansteigenden Anlandungen von Flüchtlingen in Süditalien. In den letzten Jahren ist die Zuwanderung zurückgegangen und hat fast die Zahl der Auswanderung erreicht. 2006 lag der Saldo bei 20.000. Seit 2005 ist in Deutschland eine verstärkte Abwanderung junger Menschen zu beobachten. Bei Menschen mit deutschem Pass gab es sogar eine Netto-Abwanderung von 52.000. Hinter diesen Zahlen verbergen sich große Wanderungsbewegungen mit Zuzügen und Fortzügen von über 600.000 Personen. Die verringerte Zuwanderung ändert aber nichts an der Tatsache, dass 15 Millionen Menschen in Deutschland aus Zuwandererfamilien stammen, also jeder Fünfte. In großen westdeutschen Städten stammen bis zu 40% der Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, in einigen Jahren werden es die Hälfte sein. Die meisten Migranten haben sich gut integriert. Bei einem Teil der Kinder und Enkel der Immigranten bestehen jedoch Probleme wie schlechte Sprachkenntnisse, niedriges Bildungsniveau und hohe Arbeitslosigkeit. Integration ist deshalb eine Schlüsselaufgabe in Deutschland. Lange Zeit hatten wir keine systematische Integrationspolitik. Lange Zeit glaubten beide Seiten, die „Gastarbeiter“ würden in ihre Heimatländer zurückkehren. Aber die Mehrheit ist geblieben. Deutschland ist Integrationsland. Ausdruck hierfür ist auch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz. In Italien stellt sich die Situation etwas anders dar: Es ist erst in jüngster Zeit vom Auswanderungs- zum Aufnahmeland geworden. Aktuell steht es im Spannungsfeld zwischen illegaler Migration und großem Bedarf an Arbeitskräften und mitten in der Debatte um ein neues Zuwanderungsgesetz. Trotz der Unterschiede in den beiden Ländern ist ein Mentalitätswechsel in Politik und Bevölkerung erkennbar und notwendig, eine gesellschaftspolitische Neuorientierung im Sinne des aktiven Handelns für ein besseres Zusammenleben in allen Bereichen, gerade auch vor dem Hintergrund religiöser und kultureller Spannungen. Schlüsselaufgabe Integration Integration bedeutet gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen. Es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und sich mit der neuen Heimat zu identifizieren, ohne die eigenen Wurzeln aufzugeben. Dies müssen wir fordern und fördern. Die Bundesregierung begreift Integration als eine der Zukunftsaufgaben überhaupt. Sie kann nur gemeinsam bewältigt werden. Daraus hat die Bundesregierung zwei Konsequenzen gezogen: Erstens, wir haben einen ständigen Dialog mit allen Beteiligten begonnen. Wir reden nicht mehr übereinander, sondern miteinander. Zweitens, wir nehmen uns der Integration in allen ihren Facetten an, in Schule und Beruf, in der Kultur, in den Medien, dem Sport. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei den Sprachkenntnissen, der Bildung, der Integration in den Arbeitsmarkt und der Gleichberechtigung der Frauen und Mädchen zu. Ein Blick in den Nationalen Integrationsplan, der auf dem Zweiten Integrationsgipfel von der Bundeskanzlerin am 12. Juli 2007 vorgelegt wurde, belegt, dass Deutschland sich anschickt vom Land der Projekte zum Land erfolgreicher Programme für bessere Integration zu werden. Klaus Bade, der Nestor unter den deutschen Migrationsforschern, nennt Integration in Deutschland einen „pragmatischen Erfolgsfall“, der gleichzeitig viele Defizite aufweist. Wir stehen vor großen Herauforderungen. Bildung, Ausbildung, Arbeit Bildungschancen von Kindern hängen in Deutschland stärker als in anderen europäischen Ländern immer noch stark von der sozialen Herkunft ab. Diese Abhängigkeit müssen wir durchbrechen, und zwar aus ökonomischen wie aus moralischen Gründen. Chancengerechtigkeit herzustellen ist eine der wichtigsten Aufgaben des demokratischen Staates. Bildung ist zugleich der Schlüssel zu Integration. Und Bildung ist unsere wichtigste Ressource. Neben der Bildung und Ausbildung entscheidet die Arbeit mit 35 36 über das Gelingen oder Misslingen von Integration. Für die hier genannten Fragen ist nicht allein die Bundesregierung zuständig. Im Fall der Bildung sind es die Bundesländer, im Fall der frühen Sprachförderung die Kommunen. Der Philosoph Wittgenstein hat gesagt: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“. In diesem Sinne eröffnen wir Welten, indem wir die Kenntnis der Landessprache fördern. Deswegen müssen die Sprachkenntnisse vieler Kinder und Jugendlicher, auch der zweiten und dritten Generation, systematisch verbessert werden, und dies vom Kindergarten und der Vorschule an. Notwendig sind so genannte Sprachstandsfeststellungen, wie sie in einigen Bundesländern vorgesehen sind. Die Deutschkenntnisse der Kinder werden vor der Einschulung geprüft. Das bedeutet nicht „Auslese“, sondern ist eine Grundlage für weitergehende und spezifische Förderung. Dafür entscheidend ist, dass wir Eltern und potentielle Eltern stärken, dies gilt insbesondere für die Mütter. Ihnen kommt eine Schlüsselfunktion im Integrationsprozess zu. In Deutschland sind Integrationskurse Pflicht für alle Neu-Zuwanderer. Sie bestehen aus Sprachunterricht sowie einem Orientierungsunterricht, der Grundkenntnisse von unserem Staat, unserer Gesellschaft und unserer Geschichte vermittelt. Neu ist die stärkere Differenzierung nach dem Grad der Alphabetisierung, der Ausbildung und den bereits vorhandenen Deutschkenntnissen. Bestimmte Personengruppen werden dann 900 – nicht wie bisher 600 - Stunden Sprachunterricht erhalten. Arbeitslose, die bereits hier leben, werden verpflichtet, daran teilzunehmen, um ihre Chancen auf einen Job zu verbessern. Entscheidend ist aber, Hemmschwellen abzubauen und Angebote zu machen, die die jeweilige Lebenssituation berücksichtigen. Wir sind dabei auf die Mitwirkung der Migrantenverbände und Moschee-Gemeinden sowie der ausländischen Medien angewiesen. Diese sind zunehmend bereit, zur Integration in Deutschland beizutragen und sich nicht mehr wie bisher nur als Brücke in die alte Heimat zu verstehen. So bietet beispielsweise die türkische Zeitung SABAH einen fortlaufenden Deutschkurs in ihrer Zeitung an. Die verhältnismäßig geringe Bildung der Menschen aus Migrantenfamilien ist darauf zurückzuführen, dass viele Zuwanderer nicht oder nur gering qualifiziert waren. Das Bildungsniveau der Eltern prägte das der Kinder und teilweise auch das der Enkel. 41% der ausländischen Jugendlichen besuchen eine Hauptschule, nur 15% der deutschen; 18% der ausländischen Jugendlichen erreichen keinen Schulabschluss, hingegen nur 7,5% der deutschen. Die Probleme sollten jedoch die positiven Anknüpfungspunkte nicht überdecken: Die hohe Lernbereitschaft und die positive Lerneinstellung vieler Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, vor allem der Mädchen, und die hohe Bildungsakzeptanz der Eltern, die ihren Kindern eine bessere Zukunft bieten wollen. In Finnland lautet das Leitmotiv der Bildungspolitik: „Wir brauchen hier jeden, hoffnungslose Fälle können wir uns nicht leisten“. Das sollten wir uns zu eigen machen. In diesem Sinne müssen wir handeln. Wir brauchen mehr Erzieherinnen und Erzieher, mehr Lehrerinnen und Lehrer aus Migrantenfamilien. Wir müssen die Lehrerausbildung an die Gegebenheiten anpassen. Wir müssen die Eltern stärker einbeziehen und mit den Verbänden zusammenarbeiten. Der Nationale Integrationsplan wird uns in allen diesen Bereichen voranbringen. Die Bildungsdefizite sind bei den verschiedenen Migrantengruppen unterschiedlich groß. So haben nicht nur türkisch-stämmige, sondern gerade auch italienisch-stämmi- ge Jugendliche große Probleme einen guten Abschluss zu machen. Deshalb arbeite ich mit dem italienischen Botschafter in Berlin, Herrn Puri Purrini, zusammen. Gemeinsam haben wir bereits eine große Informationsveranstaltung für italienisch-stämmige Familien im Raum Ludwigshafen-Mannheim durchgeführt. Weitere Veranstaltungen in Regionen mit vielen italienisch-stämmigen Familien werden folgen. Dabei setzen wir auch auf die Elternvereine. Gemeinsam wollen wir Hilfe zur Selbsthilfe geben, den Wert der Bildung vermitteln und das Verständnis für das deutsche Schul- und Hochschulsystem fördern. Was die Ausbildung anbelangt, so bleiben 41% der 25-bis 35jährigen aus Migrantenfamilien ohne beruflichen Bildungsabschluss, bei den anderen sind es nur 15%. Die Ausbildungsbeteiligungsquote sinkt seit 1994. Von 34% im Jahr 1994 auf 23% im Jahr 2006. Gegen diesen Trend haben wir Initiativen entwickelt. Wir müssen die Bedeutung der dualen Ausbildung vermitteln. Wer eine einfache Arbeit sucht, für den kann sich die duale Ausbildung als Verzögerung des Arbeitsanfangs darstellen, aber einfache Jobs fehlen in Deutschland. Deswegen ist Qualifizierung so notwendig. Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze. Im Rahmen der Kampagne „Aktiv für Ausbildungsplätze“ haben wir schon jetzt die Zusage der ausländischen Unternehmensverbände, 10.000 neue Ausbildungsplätze bis 2010 zu schaffen. Mein persönlicher Beitrag für Bildung und Ausbildung wird ein bundesweites „Netzwerk Bildungspaten“ sein. Die italienischen Kulturmediatoren („mediatori culturali“) in Schulen, Krankenhäusern, öffentlichen Verwaltungen, Polizei und Gerichten stellen dafür eine gute Anregung dar. Derzeit ist die Arbeitslosenquote von Ausländern etwa doppelt so hoch wie von Deutschen. Hier müssen wir das Bewusstsein in Unternehmen fördern: Die Vielfalt der Menschen, ihre unterschiedlichen Erfahrungen, Sprachkenntnisse und Kompetenzen, ihr Bezug zu unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen muss als große Chance erkannt werden. Die Bundesregierung fördert dies nach Kräften. Die Bundeskanzlerin hat die Schirmherrschaft über die „Charta der Vielfalt“ übernommen, die bislang von mehr als 100 Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen unterzeichnet worden ist. Damit sie weiter Verbreitung findet, habe ich die Kampagne „Vielfalt als Chance“ angestoßen, ein neues Markenzeichen der Bundesregierung. In diesem Rahmen werden wir drei Wettbewerbe für die besten Modelle der Förderung von Vielfalt in Unternehmen ausschreiben. So eröffnen wir einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt. Fördern wollen wir auch Existenzgründungen von Migranten. Schon heute haben 300.000 von ihnen Unternehmen gegründet und eine Million Arbeitsplätze geschaffen. Gemeinsame Werte als Grundlage Integration heißt Chancen geben. Aber das genügt nicht. Trevor Phillips, der Vorsitzende der künftigen „Commission for Equality and Human Rights“ und früher Anhänger des britischen Multikulturalismus, hat mir vor einiger Zeit gesagt: „Wir haben uns zu sehr auf das ‚Multi’ konzentriert und zu wenig auf die gemeinsame Kultur“. Nach den U-Bahn-Attentaten in London sei er selbst nachdenklich geworden. Heute sagt er: „Wer Menschen immer verschiedenen Kulturen zuordnet, geht von einem statischen Konzept aus, in dem sich die Kultur nicht ändert. Er wird den Menschen nicht gerecht“. Integration ist ein wechselseitiger Prozess. Er verändert den, der zu uns kommt, aber auch uns. 37 38 Gemeinsame Werte sind grundlegend für ein friedliches und erfolgreiches Zusammenleben. Es sind die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Niemand muss seine Wurzeln aufgeben. Aber die Grundlage ist klar: die Akzeptanz von Menschenrechten, Demokratie, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit - das sind nicht verhandelbare Werte. Ich selbst komme aus der Frauenpolitik und setze mich besonders für die Gleichberechtigung ein. Das, wofür wir jahrzehntelang gekämpft haben, was wir durchgesetzt haben, ist in vielen Migrantenfamilien keine Realität. Die Gleichberechtigung der Mädchen und Frauen im Alltag muss gestärkt werden. Alle müssen an Klassenfahrten teilnehmen dürfen und niemand darf gezwungen werden, das Kopftuch zu tragen. Zwangsverheiratung soll ein eigener Straftatbestand werden. Immer mehr Bundesländer planen, muslimischen Religionsunterricht einzuführen, viele sind in der Erprobungsphase weit fortgeschritten. In mehreren großen Städten in Deutschland sind große Moscheen in Planung. Beides ist Ausdruck der Religionsfreiheit und beides dokumentiert, dass der Islam Teil der deutschen Gesellschaft geworden ist, wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble es formuliert hat. Alle Seiten haben hier die Pflicht, Konfrontationen zu entschärfen, den Dialog zu suchen und die Religionsfreiheit als Kernfreiheit demokratischer Staaten anzuerkennen. Probleme entstehen dort, wo bestimmte Gruppen Religionsfreiheit in Anspruch nehmen, aber nicht bereit sind, unsere grundgesetzliche Ordnung zu akzeptieren. Hier müssen beide Seiten einander entgegenkommen und zu Veränderungen bereit sein. Dem dient auch die Deutsche Islamkonferenz, die seit September 2006 auf Einladung des Bundesinnenministers tagt. Vielfalt in Einheit Vor 50 Jahren wurden in Rom die Römischen Verträge unterzeichnet, der Grundstein für unser Zusammenleben in Europa heute. Der Reichtum Europas ist die Vielfalt seiner Menschen. Sie leben zum ersten Mal in der Geschichte seit mehr als 50 Jahren in Frieden. So wie Europa zeichnen sich unsere Gesellschaften durch Vielfalt aus. Vielfalt bedeutet Bereicherung und Chance. Durch mehr Verständnis füreinander können wir Konflikte vermeiden. Dies gelingt nur als gemeinsame Anstrengung. Wir müssen für ein positives Verständnis werben und aus Erfahrungen anderer lernen. Zugleich stehen wir als Europäer in der Verantwortung für das, was an Europas Außengrenzen geschieht. Patroullienboote und Zäune reichen nicht. Sehen wir die Menschen: ihre zum Teil völlig unrealistischen Hoffnungen, die Schicksale ihrer Familien. Gemeinsam müssen wir dazu beitragen, die Situation in den Herkunftsländern zu verbessern. Nur dann können wir Zuwanderung steuern. Ich bin gegen eine Festung Europa und für ein Europa der Vielfalt, das seiner humanitären Verpflichtung gerecht wird. So wie wir Globalisierung gestalten wollen und müssen, so müssen wir Migration und Integration gestalten. Für das friedliche Zusammenleben in unseren Ländern, in Europa und in der Welt, ist keine Anstrengung zu groß. Weitere Informationen zur Integrationspolitik der Bundesregierung und zum Nationalen Integrationsplan finden Sie unter: www.integrationsbeauftragte.de; www.vielfalt-als-chance.de; www.zuwanderung.de. Die neue italienische Einwanderungspolitik Paolo Ferrero, Minister für soziale Solidarität Über Einwanderung sprechen bedeutet, so glaube ich, vor allem über Eingliederung zu sprechen. Es ist ein kompliziertes Problem und dies aus verschiedenen Gründen. Zunächst ist die Einwanderung ein strukturelles Phänomen, ein Phänomen, das seinen Ursprung in den Einkommensunterschieden zwischen nördlichen und südlichen Ländern des Erdballs hat. Aber die Mehrzahl der Bewohner der nördlichen Länder neigt dazu, diese Ursache nicht in Betracht zu ziehen und eine ambivalente Haltung einzunehmen. Einerseits wird der Bedarf an Arbeitskräften bejaht, andererseits neigt man jedoch dazu, die mit der Einwanderung verbundenen Störfaktoren sehr negativ zu beurteilen. Die Befürchtungen um den eigenen sozialen Status machen die Sache nicht einfacher. In Italien ist die Einwanderung ein sehr junges Phänomen, vor allem quantitativ. Wir sprechen hier von einem Land, das weiterhin dieses Phänomen aus der Perspektive eines armen Landes betrachtet, aus dem man sich verabschiedet, „um sein Glück zu machen“, wie es einmal hieß, und nicht aus der Perspektive eines reichen Landes, das Arbeitskräfte anzieht. Das neue Einwanderungsgesetz Mir sind die Schwierigkeiten, von der die politischen Auseinandersetzungen nur ein Aspekt sind, bewusst. Ich spreche von den zahlreichen politischen Konflikten, die den Weg der Verabschiedung des von Minister Amato und mir vorgelegten Gesetzes begleitet haben und begleiten werden. Bei Verabschiedung dieses Gesetzes durch das Parlament wird das sog. „Bossi-Fini-Gesetz“ endgültig der Vergangenheit angehören. Vermutlich ist die Frage der „Identität“ diejenige, die die meisten Konflikte und Meinungsverschiedenheiten auslösen wird. Mit diesem komplexen Problem sollte man sich nicht nur auf der politischen, sondern auch auf der kulturellen Ebene auseinandersetzen. Zunächst möchte ich einen kurzen Umriss des neuen Gesetzes liefern: Das BossiFini-Gesetz muss ersetzt werden. Dafür gibt es verschiedene Gründe, von denen ich einen hervorheben möchte: das zur Zeit gültige Gesetz zwingt geradezu Hunderttausende von Migranten in die Illegalität. • Unsere Absicht mit dem neuen Gesetz ist es vor allem, die Bedingungen für die Zuwanderung in Italien radikal zu verändern. Hierfür haben wir verschiedene Zugangswege vorgesehen und haben versucht, die weniger formalisierten Zugangswege ans Licht zu bringen, um so die illegale Zuwanderung einzuengen, die durch die Strenge des Bossi-Fini-Gesetzes unvermeidlich war. Diese Vielfalt der Zugangswege sollte Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften angleichen – etwas das in anderen Ländern längst geschieht. • Überdies haben wir eine bedeutende Verlängerung der Gültigkeitsdauer (bis zur doppelten Dauer) von Aufenthaltsgenehmigungen vorgesehen. Die Genehmigungen werden auch während ihrer Erneuerung gültig sein, also in der Genehmigungsphase, nachdem die alte Aufenthaltsberechtigung abgelaufen ist. Die Zuständigkeit hierfür soll in die Kompetenz der Gemeinden übergehen. 39 40 • Das neue Gesetz sieht auch das aktive und passive Wahlrecht der Migranten auf lokaler Ebene sowie eine andere Behandlung der unbegleiteten Minderjährigen vor. Praktisch heißt dies, dass bei Vollendung des achtzehnten Lebensjahres ihr weiterer Aufenthalt in Italien erleichtert und ein Fonds für ihre soziale Eingliederung eingerichtet wird. • Darüber hinaus wird das Thema „Zuwanderung“ wieder in die gewöhnliche Rechtsprechung zurückgeführt. Damit wird die Rechtsprechung des Friedensrichters und auch das System der CPT (Centro di Permanenza Temporanea [Durchgangslager für ausländische Bürger ohne reguläre Aufenthaltserlaubnis]) wie wir es bislang kennen, überwunden. Die Bedeutung der CPT für die Zuwanderer – sowohl bezüglich der potentiell Betroffenen als auch der Anzahl der CPT – wird drastisch eingeschränkt. Wir wollen die Transparenz der CPT erhöhen und den Zugang für Journalisten und Vertreter der Gebietskörperschaften ermöglichen. • Was wir vorlegen, ist ein Gesetz, das die Aufenthaltsberechtigung zum Zweck der Arbeitsaufnahme abschafft und die Beziehung zwischen Arbeitsplatz und regulärer Aufenthaltserlaubnis weniger stringent gestaltet. Es wird die Überführung aller Zuwanderer in einen regulären Status nach einem Aufenthalt von wenigstens achtzehn Monaten ermöglicht, sofern sie nach dem Verlust der Bedingungen für einen regulären Aufenthalt wieder eine Arbeit gefunden haben. • Im Übrigen sehen wir für alle Zuwanderer, die sich bereits zwei Jahre in Italien aufhalten, alle Formen der sozialen Fürsorge vor. Unser Gesetzesentwurf zielt also darauf ab, das Phänomen der Zuwanderung aus der Notstands-Logik zu befreien und es einer rationalen Behandlung zu unterziehen. Es empfiehlt sich daran zu erinnern, dass die letzten Jahre bei uns von einer illegalen Zuwanderung bedeutenden Ausmaßes gezeichnet waren. Deswegen erscheint uns der erste Punkt so wichtig, der über eine Vielfalt der Zugangswege eine geordnete Zuwanderung – im Rahmen der Zuwanderungsquoten – ermöglicht. Während wir also an der Änderung der Gesetze arbeiten, müssen wir jedoch gleichzeitig die staatlichen Zuständigkeiten klären, besser gesagt die staatlichen Verfahrensweisen verbessern und anpassen, um den gesamten Komplex besser handhaben zu können. Einem Deutschen mag dies merkwürdig erscheinen: ein Migrant, der die italienische Staatsbürgerschaft beantragt, muss in Italien für die bloße Empfangsbestätigung der Behörden in etwa genau so viele Jahre in Rechnung stellen, wie in anderen Ländern für die Gewährung der Staatsbürgerschaft nötig ist. Ich möchte dies an einem Beispiel erläutern. Heute bedarf es in Italien eines zehnjährigen Aufenthalts, um die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Zu diesen zehn Jahren kommen weitere sechs oder sieben Jahre für die Antwort der Behörden hinzu. Für Migranten, die die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis beantragt haben, beträgt die durchschnittliche Wartezeit über sechs Monate. Wir sprechen hier über Menschen, die während der Wartezeit blockiert sind und Italien nicht verlassen dürfen. Ein weiteres Beispiel: Italien hat ein weitverzweigtes Netz von Botschaften und Konsulaten in den Zielländern der italienischen Auswanderung (Schweiz, Deutschland, Vereinigte Staaten, Schweden), verfügt jedoch nicht über ein entsprechendes Netz in den Herkunftsländern der Zuwanderer. Dies macht es unendlich schwierig die Wanderungsströme nach Italien zu regulieren. Insofern stehen wir nicht nur vor einer Änderung der bestehenden Gesetze, son- dern auch vor einer Änderung der konkreten staatlichen Funktionsweisen gegenüber den Einwanderern. Hierzu braucht es viel Zeit. Eine – wie auch immer geartete – Gesetzesänderung reicht nicht aus, denn vom geschriebenen Gesetz bedarf es der Schritte zur reibungslosen und gerechten Umsetzung. Marschrichtung der Migrationspolitik Zuallererst: die Vermeidung von Gettos und territorialer Ausgrenzung. Banlieues bestehen in Italien nicht. Die Einwanderung knüpft in Italien, anders als in Frankreich oder Deutschland, nicht an die große fordistische Fabrik, sondern an viele kleine Produktionseinheiten im Land. Daher verfügen wir nicht über große, von Einwanderern geprägte Vororte. Trotzdem haben wir kleine Gettos, die völlig heruntergekommen sind. Der inzwischen verabschiedete Migrationsfonds, der über fünfzig Millionen Euro verfügt, wird zur Hälfte für die Beseitigung von Gettos und die soziale Eingliederung der Menschen in das Wohnumfeld der Städte verwandt. Mit einigen lokalen Behörden leisten wir hier hervorragende Arbeit, zum Beispiel in Padua und Brescia: hier heißt es, am Ball zu bleiben und unsere Aktivitäten auszuweiten. Wir sagen ein striktes Nein zur Ausgrenzung und müssen aufpassen, dass keine Stadtviertel entstehen, die nur aus Bewohnern einer Nationalität bestehen oder sich auf die Diskriminierung von Einwanderern gründen. Zweitens: die Bedeutung der Unterrichtung der italienischen Sprache. Unserer Ansicht nach ist die Kommunikationsfähigkeit die Voraussetzung für die Veränderung der Lebensverhältnisse eines Menschen, die ihm die Möglichkeit gibt, eine Beziehung zu einer Gemeinschaft aufzubauen, die sich von der eigenen Herkunftsgemeinschaft unterscheidet. Es besteht deshalb die absolute Notwendigkeit die italienische Sprache als Kulturträger, als allgemeine Ausdrucksform durchzusetzen. Ein großer Anteil des Integrationsfonds wird Schulen und Kurse finanzieren, die von Vereinigungen bürgerschaftlichem Engagements und der sozialen Solidarität getragen werden, von den Kirchen bis zu den Gewerkschaften, die bisher auf informeller Ebene gearbeitet haben. Wir werden diese lokalen Initiativen unterstützen und ausweiten. Wir haben bereits in Zusammenarbeit mit dem islamischen Kulturzentrum einen Versuch mit der römischen Moschee gestartet. Wir lancieren zwei Kurse, einen in Italienisch, einen anderen in staatsbürgerlicher Erziehung. Diese Kurse zielen vor allem auf Frauen, auch weil es vielleicht für eine islamische Einwanderin von fünfzig Jahren einfacher ist, in einer Moschee Italienisch zu lernen als in einer öffentlichen Schule. Auf diese Art wollen wir Italienischkurse dorthin bringen, wo sich die Migranten treffen. Auf ähnliche Weise arbeiten wir mit dem Bildungsministerium an einem Programm zur Gewährleistung der Schulpflicht für junge Migranten oder Migrantenkinder. Tatsächlich ist die Quote von Jungen und Mädchen, die die Schule vorzeitig verlassen mit über 25% sehr hoch. Im Hinblick auf die Verbreitung der Sprache sind wir auch in Verhandlungen mit der RAI [öffentlich-rechtliches Fernsehen Italiens] wegen der Wiederausstrahlung eines Programms aus den sechziger Jahren. Italiener eines gewissen Alters werden sich daran erinnern. Es hieß „Non è mai troppo tardi“ [„Es ist niemals zu spät“] und stand unter der Verantwortung des Grundschullehrers Alberto Manzi. Er brachte die Grundbegriffe unserer Sprache denjenigen bei, denen diese nicht so geläufig war. 41 42 Dieses Angebot sollte jetzt über das öffentlich-rechtliche Fernsehen den Zuwanderern gemacht werden. (Erinnern wir uns, dass der italienische Nationalstaat jung ist. Leute wie mein Vater zum Beispiel lernten das Italienische nicht zu Hause, sondern in der Schule. Zu Hause sprach jeder einen anderen Dialekt.) Wir sind dabei, eine gegliederte Struktur für die Unterrichtung und Verbreitung der italienischen Sprache aufzubauen. Ausgehend von den Kindern, also von den öffentlichen Schulen, wollen wir bis zu den Erwachsenen über die finanzielle Unterstützung von Ehrenamtlichen Italienisch unterrichten und in diesen Prozess die Massenkommunikationsmittel, jedenfalls die am weitesten verbreiteten, einbeziehen. Drittens: Im Mittelpunkt steht die italienische Verfassung. Wir möchten ins öffentliche Bewusstsein und in das konkrete Handeln – nicht nur bei Migranten, sondern in unseren Gemeinschaften – alle bürgerlichen Grundsätze, Grundrechte und Grundpflichten sowie soziale Rechte rücken, die das Fundament unseres Zusammenlebens sind - oder sein sollten - und in unserer Verfassung verankert sind. Es geht um Demokratie, Gleichheit, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit. Wir wollen uns auf die Verfassung konzentrieren und spezifische Gesetze vermeiden. Beispielsweise halte ich es für verfehlt, Gesetze über Fragen des Brauchtums zu erlassen. Ich denke an die italienische Diskussion über die Notwendigkeit, gesetzlich den Gebrauch des Schleiers zu verbieten. Ich habe mich nachhaltig dagegen engagiert, denn wir sollten uns auf grundsätzliche Fragen des zivilen Zusammenlebens beschränken. Ich glaube, dass wir gerade in Achtung der Verfassung niemanden dazu zwingen dürfen, zwischen dem Brauchtum seines Herkunftslandes sowie seiner Glaubenszugehörigkeit und dem Leben in Italien wählen zu müssen. Wir haben uns auf die grundlegenden, für das zivile Zusammenleben unabdingbaren Elemente und nicht auf äußere Erscheinungsformen, auf Fragen des Brauchtums, die historisch begründet sind, zu konzentrieren. Ich glaube, bei letzteren sollten wir die Freiheit der Wahl gewährleisten. Fragen des Brauchtums dürfen nicht zu Konflikten, zu eindeutigen Vorgaben führen. Wir können weder eine Treue zum italienischen Staat erzwingen, noch eine Zuordnung zur eigenen, sozusagen ursprünglichen, Identität fördern. Ich bin überzeugt, dass die Laizität des Staates für die Integration und den sozialen Zusammenhalt entscheidend ist, denn gerade in der Laizität finden wir die grundlegenden Elemente des zivilen Zusammenlebens. Ich bringe immer das Beispiel meiner Großmutter, die ein Kopftuch trug, und meiner Tochter, die einen Minirock anzieht. Meine Großmutter wäre niemals im Minirock herumgelaufen, noch würde meine Tochter ein Kopftuch tragen. Beide sind sie jedoch Italienerinnen. Die Bräuche ändern sich, wenn sie es nicht sind, die die Identität begründen oder – schlimmer – erzwingen. Wir sind es, die wir diese Zwangslage vermeiden müssen und Menschen nicht auf einen einzelnen Aspekt ihrer Identität, den des Migrantseins, reduzieren dürfen. Letztlich geht es darum, die Verfassung als zentrales Gesetz ohne weiteres Beiwerk anzunehmen. Wie es in der Bibel heißt: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ Dies ist aus meiner Sicht die zentrale Bedeutung der Verfassung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Erweiterung der sozialen, bürgerlichen und religiösen Rechte Ausgehend von diesen Voraussetzungen wollen wir zuallererst auf eine substanti- elle Erweiterung der sozialen Rechte hinarbeiten. Wir wollen, dass, jeder der in Italien arbeitet, dieselben Rechte wie ein Italiener genießt. Es bedarf eines universalistischen Wohlfahrtsstaats, der alle einschließt, da alle, die auf italienischem Boden leben und arbeiten, zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen. Es ist übrigens interessant festzustellen, dass die Beschäftigungsquote der italienischen Bevölkerung 57% beträgt, während die entsprechende Rate bei den regulären Migranten in Italien bei 67% liegt. Das bedeutet, dass die Migranten proportional stärker als die Italiener zur Finanzierung des Sozialsystems beitragen. Darum müssen der Wohlfahrtsstaat und die sozialen Rechte für alle gleichermaßen gelten. Zweitens: Es bedarf der schrittweisen Ausweitung der bürgerlichen Rechte. Darum haben wir das kommunale Wahlrecht, die längere Gültigkeit der Aufenthaltserlaubnis und die Vereinfachung des Antragsverfahrens, für das künftig die Einwohnermeldeämter der Gemeinden zuständig sein sollen, sowie die Überwindung des besonderen Strafrechts für Migranten vorgesehen. Zuletzt, jedoch nicht weniger wichtig: Notwendig ist ein Gesetzes, das die Religionsfreiheit anerkennt und respektiert. Dies bedeutet die Übersetzung des Verfassungsauftrags in die Verfassungswirklichkeit. Was ich hier sage, mag in Deutschland merkwürdig klingen, aber in Italien gilt immer noch ein Gesetz über die „zugelassenen Kulte“. Es handelt sich um ein Gesetz aus dem Jahr 1929 und betrifft die von der katholischen Religion verschiedenen Kulte. Damals befanden wir uns in der Blüte des Faschismus und es handelte sich um ein Polizeigesetz. Heute sehen wir die Notwendigkeit, ein neues Gesetz über die Religionsfreiheit zu verabschieden, ein Gesetz, das die Verfassungsordnung, so wie sie seit über fünfzig Jahren in Kraft ist, widerspiegelt. Diese drei Elemente (soziale Rechte, bürgerliche Rechte und Religionsfreiheit) haben ein einfaches Ziel: der eingewanderten Person die Achtung ihrer wesentlichen Rechte, ihrer Grundrechte zu gewährleisten. Gleichzeitig fordern wir vom Migranten die Achtung der Verfassung und das Erlernen der italienischen Sprache. Der Migrant darf nicht dazu gedrängt werden, sich über die Zugehörigkeit zu einer abgeschlossenen Gemeinschaft behaupten zu müssen. Dem Migranten muss die Möglichkeit gegeben werden, in der Mitte unserer Gesellschaft zu leben. Der Migrant wie die Migrantin dürfen sich nicht so schwach fühlen, dass sie einem tribalen Abwehrmechanismus gehorchend, sich gezwungen fühlen, Schutz in einer Gruppe zu suchen. Ich denke, dass die Formen von Gemeinschaft, die sich in westlichen Ländern unter den Migranten herausbilden, keine Residuen einer ursprünglichen Identität sind, sei sie nun religiös oder national. Ich glaube es handelt sich hier um neue, von Menschen mit Migrationshintergrund entwickelte Formen der Verteidigung. Sie tun dies in einer Situation, in der sie sich gefährdet fühlen. Ich glaube sie haben eine Wahrnehmung, die mehr oder weniger so lautet: „Besser in der Gruppe beisammen, allein machen sie uns fertig und achten uns nicht“. Die Grundrechte, die das Fundament unserer Verfassung bilden, müssen vom italienischen Staat und nicht durch eigenständige Gemeinschaften gewährleistet werden. Staatsangehörigkeit, Arbeit, Identität Abschließend wende ich mich dem Komplex der zweiten Generationen sowie der Frage, wie wir dieses Gesetz auf den Weg gebracht haben, zu. Ich glaube ganz allgemein, dass die Staatsbürgerschaft weniger ein Schlusspunkt als eine Etappe eines 43 44 Prozesses darstellt. Das sieht man sehr gut an der zweiten Generation. Auch wenn sie zum großen Teil bereits die Staatsbürgerschaft besitzt, weisen die jungen Migranten und Migrantinnen eine komplexe Problematik auf. Nehmen wir zum Beispiel die Arbeit. Die Art der Beschäftigung, die von der ersten Generation als Segen betrachtet wurde, wird von der zweiten nicht gleichermaßen akzeptiert. Im Durchschnitt tun die Migranten das, wofür die Italiener sich inzwischen zu schade sind: sie arbeiten in Gießereien, in Ackerbau und Viehzucht, als Hirten und Haushaltshilfen mit langen Arbeitszeiten und sehr niedrigem Einkommen. Alles Arbeiten, die die Italiener ablehnen. Aber die Kinder der Einwanderer werden nicht mehr in diesem Maße bereit sein, solche Tätigkeiten zu verrichten. Das ist kein geringes Problem, denn dieselbe Arbeit, die für Vater oder Mutter einen Beginn im fremden Land darstellte, wird von der zweiten Generation als Element von Ausgrenzung bzw. Diskriminierung angesehen. Dies ist ein entscheidender Punkt, der Konsequenzen für die schulische und berufliche Bildung hat. Wir müssen die italienischen Gesetze ändern, angefangen beim Gesetz Nr. 30 (Gesetz zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes), damit der Arbeitsmarkt nicht zu stark segmentiert wird. Wenn heute diese Segmentierung noch nicht als Problem erkannt wird, dann deshalb, weil sie mit immer neuen Wellen der Zuwanderung zugedeckt wird. In zehn Jahren wird diese Segmentierung ein großes Problem darstellen. Ein anderes Element, das unsere Aufmerksamkeit verdient, betrifft die Identität. Wir haben uns daran gewöhnt, über die Migranten in allgemeiner Form zu sprechen. Das ist schon an für sich ein wenig lächerlich, denn unter den Migranten gibt es Algerier sowie Chinesen oder Brasilianer, also Personen, die miteinander nichts anderes gemein haben als die Tatsache, eines Tages in Italien angekommen zu sein. Wenn man hier bei uns von Migranten spricht, scheint man sich fast in einem dieser Bilder zu befinden, die New York darstellen, wo die Stadt bei der Vierten oder Fünften Straße aufhört, und der Rest in einem ununterscheidbaren Hintergrundgebilde, einem Amalgam verschwimmt. Das mag für die erste Generation gelten. Für die zweite gilt dies nicht, denn wer in Italien geboren ist oder einen beträchtlichen Teil seines Lebens in Italien verbracht hat, betrachtet sich nicht in erster Linie als Kind von Einwanderern, sondern geht von den eigenen Erfahrungen aus. Stark hat mich ein Mädchen dunkler Hautfarbe der zweiten Generation beeindruckt. Sie sprach im römischen Dialekt, war Fan des A.S. Roma und fühlte sich als Römerin. Sie sagte mir eines Tages: „Ich bin in Rom geboren und dass ich eine dunkle Hautfarbe habe, bemerke ich nur, wenn andere es mir sagen“. Wir müssen aufpassen, dass wir die Identität dieses Mädchens nicht nur auf einen Aspekt reduzieren, dem ihrer Hautfarbe, der für sie keineswegs das grundlegende Element ihrer Identität darstellt. Wir müssen die plurale Identität von uns allen anerkennen (so bin ich männlich, Italiener, Kommunist, Waldenser, weiß, derzeit Minister und liebe Bergwanderungen). Deswegen können wir in Bezug auf die erste Generation vielleicht noch denken, dass wir es mit „Zuwanderern“ zu tun haben, der zweiten Generation müssen wir eine plurale Identität zuerkennen. Daher kann die Wahrnehmung dieser jungen Leute nur als Kinder eines Immigranten, d. h. durch die Hervorhebung nur eines Aspekts gegenüber all dem, was sie wirklich sind, aus ihrer Sicht zu einer Form unannehmbarer Diskriminierung werden. Ich möchte dieses Konzept der subjektiven Wahrnehmung von Diskriminierung und ihre Unannehmbarkeit hervorheben. Es gibt Dinge, die für die erste Generation annehmbar sind. Die erste Generation erträgt eine Reihe von Dingen, die sie nicht für diskriminierend hält. Womöglich weiß der Immigrant der ersten Generation, dass bestimmten diskriminierenden Vorfällen eine Ungerechtigkeit zugrunde liegt, aber er nimmt sie hin. Vielleicht reibt er sich daran, es herrscht jedoch ein größerer Grad an Bereitschaft, dies zu akzeptieren. Für die zweite Generation wird die Diskriminierung unannehmbar, denn die jungen Leute sehen zu Recht nicht ein, welcher Unterschied zwischen ihnen und ihren Gleichaltrigen bestehen soll, die dieselbe Schule besuchen, dieselbe Sprache sprechen und bisher genau denselben Werdegang haben. Ich denke, man muss die Idee der pluralen Identität akzeptieren und, dass es Beziehungen gibt, die die Identität ändern. Wenn wir viele sind, so modifiziert sich über die Beziehungen die Identität von allen, nicht nur die der zuletzt Gekommenen. Dies ist der entscheidende Ansatzpunkt, der verhindern kann, dass die zweite, dritte, vierte Generation ex novo geschlossene Gemeinschaften bilden, die in unserer westlichen Welt zu einer Art konkreter Apartheid führen könnten. Ich glaube nicht, dass das strategische Problem bei der ersten Generation liegt. Die Herausforderung unserer Zeit liegt darin, das Fortbestehen der westlichen Grundwerte, Freiheit, Demokratie, Menschenwürde, letztlich die Werte der Französischen Revolution, die sozialen Rechte und die Anerkennung pluraler Identitäten zusammenzubringen. Es geht um die entscheidende Frage, ob die Tatsache Migrant zu sein, zum diskriminierenden Merkmal der zweiten, dritten, vierten Generation wird. Mit anderen Worten, die Perspektive der Kinder von Einwanderern darf weder in der Gettoisierung noch in einem Selbstverständnis einer in sich abgeschlossenen Identität liegen. Ich will noch kurz auf den durch öffentliche Beteiligung geprägten Werdegang unseres Gesetzentwurfs und darauf, wie wir gearbeitet haben, hinweisen sowie von der aktiven Beteiligung an diesem Gesetzentwurf und der umfangreichen und reichhaltigen Debatte in diesen Monaten berichten. Viele haben daran teilgenommen: Gemeinden, Verbände, Gewerkschaften, Unternehmer. Viele Vorschläge wurden gemacht, es wurde viel polemisiert – wie es eben normal ist. Auch wenn dieses Gesetz den Forderungen, die von Einzelpersonen und vielen Verbänden eingebracht wurden, nicht vollständig nachkommt, so glaube ich doch, dass es im Falle seiner Verabschiedung eine echte Wende in der Einwanderungspolitik darstellt und die Einwanderung von einem Problem der öffentlichen Ordnung zu einer großen sozialen und kulturellen Herausforderung wird. Wenn nämlich die Kriterien, aufgrund derer eine Person in einem CPT landen kann, erheblich eingeschränkt werden und wenn die Bedingungen für Transparenz, die wir für denjenigen erlangen wollen, der in ein CPT gelangt, verbessert werden, können wir dann hoffen, mit der Zeit auf das allgemeine Bewusstsein einen positiven Einfluss zu haben? Für das allgemeine Bewusstsein scheint mir noch eine andere vorgeschlagene Gesetzesnorm relevant zu sein: die Legalisierung der Migranten, die sich achtzehn Monate in Italien aufgehalten haben, auch wenn sie sich am Ende mit einer Schwarzarbeit arrangiert haben. Ich hoffe, dies sind Maßnahmen, die dazu dienen können, die Gleichung Immigrant gleich Illegaler gleich Delinquent aufzulösen. Danksagung an die antirassistische Bewegung Das was wir erreicht haben, verdanken wir zuallererst dem Erfolg der antirassistischen Bewegung, sich mit enormer Anstrengung im Land verankert zu haben. Die 45 Verbände, die Ehrenamtlichen haben nicht nur sehr viel, sondern auch gut gearbeitet. Ihre Arbeit ist zu einem Gutteil den lokalen Behörden zugeflossen, hat sie beeinflusst und ihnen neue Impulse gegeben. Was mich als Minister betrifft, so habe ich versucht, Kanäle und Wege zu öffnen, damit diese Vorarbeiten, vor allem diese weit verbreitete politische Praxis, Eingang in die Formulierung des Gesetzes finden konnte. Unter diesem Gesichtspunkt waren die Anhörungen in den regionalen Versammlungen und die nationalen Treffen mit den Verbänden entscheidende Elemente für die Gesetzeserarbeitung. Der endgültige Wortlaut ist also das Ergebnis eines politischen Ansatzes, der darauf abzielt, die Politik mit der sozialen Praxis zu verbinden, indem wir Prozesse der Teilhabe in Gang setzten, um eine selbstbezogene Abgehobenheit der Politik zu verhindern. Ich glaube, unsere Arbeit muss fortgesetzt werden, wenn wir unser Land insgesamt ziviler und insbesondere ziviler gegenüber den Migranten gestalten wollen. Wir müssen weiter machen und die Grundlagen dafür schaffen, den Rechtspopulismus zu besiegen, der im Rassismus, in der Mobilisierung von Ängsten und in der Spaltung der Arbeitnehmer seine Stärke hat. Das müssen wir wissen, wenn wir eine Gesellschaft schaffen wollen, in der ein ziviles Zusammenleben möglich ist, in der die Vielfalten ihre Wertschätzung ohne Hierarchien oder Ausgrenzung erfahren können. 46 Moderne Einwanderungs- und Integrationspolitik muss mehr für Chancengleichheit und Anerkennung tun – Integration ist Querschnittspolitik Dr. Lale Akgün, Mitglied des Bundestags, migrationspolitische Sprecherin und Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion In meinem Beitrag werde ich mich auch kritisch mit der Einwanderungs- und Integrationspolitik der Bundesregierung auseinandersetzen, insbesondere mit dem, was auf Bundesebene in den vergangenen Monaten getan wurde. Es gibt noch viel zu tun und zu verändern. Integrationspolitik ist die Konsequenz von Einwanderung Zunächst einmal möchte ich kurz vorausschicken, was Integrationspolitik für mich eigentlich bedeutet: Integrationspolitik ist für mich eine kurzfristige Folge von Einwanderungspolitik – daher sind beide Politikbereiche eng miteinander verknüpft. In Kanada hat man eine genaue Vorstellung von Integration: Gemeint ist die Förderung und Qualifizierung von Einwanderern in der ersten Zeit nach ihrer Einreise, also eine Art Umzugs- und Orientierungshilfe bei der Suche nach Arbeit, Wohnung, Sprachkursen, Netzwerken und Kontakten. Integrationspolitik ohne Einwanderung ist jedoch wie Kochen ohne Topf – sie funktioniert nicht. In der Politik spricht man daher derzeit gerne von „nachholender Integration“. Dieser Begriff ist dann berechtigt, wenn gemeint ist, dass Kinder von Zuwanderern eine zusätzliche Förderung erfahren sollen, die ihren Eltern bei deren Zuwanderung in Ermangelung einer Integrationspolitik verwehrt war. Der Begriff „nachholende Integration“ ist aber dann geradezu gefährlich, wenn er all denjenigen, die nachholend integriert werden sollen, unterstellt, sie seien nicht Teil dieser Gesellschaft. Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer sprechen gerne von 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die mittels nachholender Integration zu fordern und fördern seien. 15 Millionen Menschen wird somit unterstellt, sie seien kein oder zumindest nur ein unvollständiger Teil dieser Gesellschaft. So zu argumentieren ist gefährlich und ein sozialer Sprengsatz für unsere gesamte Gesellschaft. Es geht nicht um die Integration von 15 Millionen Menschen in Deutschland. Es geht vielmehr um die Unterstützung einiger Menschen, denen wir aufgrund verschiedenster Defizite (Bildung, Mangel an Arbeits- oder Ausbildungsplatz und vielem mehr) und aus unterschiedlichsten Gründen die Chance auf eine aktive Teilnahme an unserem gesellschaftlichen Leben ermöglichen müssen. Dies funktioniert aber nur, wenn man die einzelnen Menschen kennt und gezielt auf sie eingehen kann. Nur auf der kommunalen Ebene ist das möglich. Die nationale Ebene ist eine Nummer zu groß und führt dazu, dass man immer nur abstrakt über Probleme spricht statt die Einzelfälle vor Ort unter die Lupe zu nehmen. Ein nationaler Integrationsgipfel in dieser Größe und mit diesem Aufwand war daher ziemlich überflüssig: Die Erwartungen, die an ihn gerichtet sind, können gar nicht erfüllt werden. Es hätte gereicht, sich ein Mal zu treffen, um über Leitlinien zu sprechen. Der erste Integrationsgipfel hatte daher sicherlich einen wichtigen Symbolwert, weil sich zum ersten Mal Migrantenverbände mit der Bundeskanzlerin getroffen haben. Die Nachfolgeveranstaltungen bringen jedoch nicht viel, da der Bund in den meisten Fragen der Integration ohnehin nicht zuständig ist. Entsprechend nebulös bleibt daher auch der Text des „Nationalen Integrationsplans“. Er enthält auf 200 Seiten eine Flut von Allgemeinplätzen und Absichtserklärungen. Über die Umsetzung und die Finanzierung findet sich darin sehr wenig, weil diejenigen, die da am Tisch sitzen, gar nicht darüber entscheiden können. Verbindliche Zusagen kann der Bund eigentlich nur bei der Verbesserung der Integrations- und Sprachkurse für Neuzuwanderer machen. Aber dafür braucht man nicht 250 Experten, sechs Arbeitsgruppen und große Medienevents. Das wurde längst schon in den Fachausschüssen des Bundestages erarbeitet. Die kommunale Ebene ist die effektivste Auf kommunaler Ebene gibt es in vielen Städten und Kommunen, zum Teil auch auf Stadtteilebene, lokale Integrationsbündnisse, die sehr erfolgreich arbeiten. Sie sind erfolgreich, weil sie spezifisch auf die Situation vor Ort eingehen können und in der Lage sind, Verwaltung, Politik, Wohlfahrtsverbände, Migrantenorganisationen und Unternehmen zu vernetzen und einzubinden, und zwar mit konkreten Zuständigkeiten und verbindlichen und überprüfbaren Zielen. Diese Verbindlichkeit fehlt einem nationalen Gipfel. Der „Kölnberg“ in meinem Wahlkreis in Köln ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit vor Ort. Bei der Lehrstellensuche für die jungen Leute ist die kleinräumige Arbeit vor Ort besonders wichtig. Dort haben sich alle maßgeblichen Akteure zu einem runden Tisch zusammengeschlossen. Man kennt die problematischen 47 Jungs, man kennt die ansässigen Firmen und hat es durch persönliche Kontakte geschafft, möglichst viele Jugendliche unterzubringen und zu begleiten. Dieser persönliche Kontakt wäre in großräumigen Zusammenhängen gar nicht möglich, erst recht nicht auf nationaler Ebene. Die gesellschaftliche Integration 48 Etwas anderes ist es, wenn wir von gesellschaftlicher Integration sprechen. Das heißt für mich als Sozialdemokratin in erster Linie, dass wir für Gleichberechtigung und Chancengleichheit sorgen müssen. Und zwar nicht nur in Bezug auf Menschen mit so genanntem Migrationshintergrund, sondern für alle. Die größer werdende Schere zwischen Arm und Reich und zwischen Menschen mit guten und schlechten Bildungschancen darf von uns nicht hingenommen werden. Dabei sind für mich zwei Stichworte besonders wichtig: soziale Integration und Anerkennung. Soziale Integration heißt für mich insbesondere, dass wir der jungen Generation gerechte Chancen auf eine gute Bildung und Ausbildung ermöglichen müssen. Dabei sollten wir uns erinnern, dass wir in den Sechziger-Jahren ganz gezielt Niedrigqualifizierte als Arbeitskräfte angeworben haben. Die Frage der Bildungsferne trifft die erste Einwanderergeneration und deren Nachkommen also ganz besonders. Jahrzehntelang haben wir keine gezielte Integrationspolitik betrieben. Im Gegenteil: Spätestens seit PISA wissen wir, dass das deutsche Bildungssystem Bildungsferne und mangelnde Chancengleichheit systemimmanent vererbt. Angesichts dieser Geschichte ist Integration erstaunlicherweise vielfach gut gelungen, nicht wegen, sondern trotz der politischen Rahmenbedingungen. Wir haben immer mehr gut ausgebildete Menschen aus der zweiten und dritten Generation, vor allem Frauen, die Anwälte, Politikerinnen oder Unternehmerinnen geworden sind. Aber wir haben auch einen viel zu großen Anteil von jungen Menschen, die sozial ausgegrenzt bleiben. Eine Reform des Bildungssystems ist daher die größte und dringendste Baustelle, an der wir zu arbeiten haben. Das Ziel muss dabei ein möglichst langes gemeinsames Lernen sein. Das dreigliedrige Schulsystem in Deutschland ist für die Migrantenkinder, die zum großen Teil aus bildungsfernen Schichten stammen, kontraproduktiv. Bei der frühen Selektion, die unser Schulsystem heute ausmacht, sind alle sozial benachteiligten Kinder die Leidtragenden. Heute haben Akademikerkinder im Vergleich zu Arbeiterkindern die sechsfache Chance, die Schule mit dem Abitur abzuschließen. Anerkennung als Bürger dieses Landes Ein weiteres wichtiges Stichwort ist für mich das der Anerkennung. Bei der Anerkennung geht es darum zu sagen: „Ihr gehört zu uns, wir gehören zu Euch, wir alle sind Teil dieses Landes, egal, welche Herkunft oder welche Religion wir haben“. Nur wenn alle Menschen das Gefühl haben, anerkannt zu sein, können sie sich auch mit diesem Land identifizieren und sind bereit, Verantwortung für seine und die eigene Zukunft zu übernehmen. Von dieser Realität, dieser selbstverständlichen Anerkennung aller, als Teil dieser Gesellschaft, sind wir in der Realität jedoch leider weit entfernt. Ich fürchte im Gegenteil, dass in Deutschland eine Art neuer Rassismus hoffähig wird, der sich gezielt gegen Muslime richtet. Auf diese Gruppe werden alle Probleme dieser Gesellschaft projiziert. Themen wie Zwangsheirat oder Ehrenmorde werden jetzt schon gerne missbraucht, um eine aggressive Diskussion anzufachen. Ich erlebe mit Schrecken, dass sich gerade die ultrakonservativen Politiker hervortun, die seit jeher ein konservatives Familienbild und das klassische Frauenbild der drei „K’s“ (Kinder, Küche, Kirche) predigen, also quasi das gleiche Familienbild wie konservative islamische Verbandsfunktionäre vertreten. Sie outen sich plötzlich scheinbar als glühende Feministen, wenn es um Frauenrechte im Islam geht. Das nützt aber nicht den Frauen, sondern schürt letztlich nur die Ressentiments. Ehrenmorde und Zwangsheiraten sind eine Randerscheinung. Da ist jeder Fall sicher einer zu viel. Aber das Thema wird aufgebauscht, um Ressentiments zu schüren und eine ganze Gruppe von Menschen, nämlich die Muslime, in Sippenhaft zu nehmen. Die Änderungen am Zuwanderungsgesetz fördern weder Integration noch Anerkennung Das führt mich zur Frage nach der Rolle der sogenannten „Mehrheitsgesellschaft“ – also nach der Rolle aller Menschen hier ohne Migrationshintergrund. Denn die öffentliche Diskussion fokussiert nahezu ausschließlich auf Anforderungen an Migrantinnen und Migranten. Bestehende Diskriminierungen im Alltag, bei der Wohnungssuche und auf dem Arbeitsmarkt werden in der öffentlichen Diskussion geflissentlich ignoriert. Eine rechtliche Gleichstellung, beispielsweise über die Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit, ist immer noch nicht erreicht. Diese Tendenz der Skepsis und der einseitigen Anforderungen an die Zuwanderer zieht sich leider auch durch unsere Gesetzgebung, speziell bei der Reform des Aufenthaltsrechts im Sommer 2007. Das Gesetz enthält einige begrüßenswerte Verbesserungen und Klarstellungen, wie etwa die Einbeziehung deutscher Staatsangehöriger in die Sprachkurse und die Schaffung einer gesetzlichen Altfallregelung für langjährig geduldete Ausländer. Wo es die europäischen Richtlinien umsetzt, geschieht dies jedoch regelmäßig nur restriktiv. Möglichkeiten zur Verschärfung des Ausländerrechts werden wahrgenommen, humanitäre Verbesserungen unterbleiben hingegen sogar dann, wenn sie europarechtlich geboten sind. Ein zentraler Kritikpunkt sind die vorgesehenen Verschärfungen bei der Familienzusammenführung. Die Bekämpfung von Schein- und Zwangsehen, mit der die Maßnahmen begründet werden, sowie die Verbesserung der Integration von Familien sind sicher wichtige Themen. Allerdings sind die vorgesehenen Regelungen zur Erreichung dieser Ziele nicht die geeigneten Mittel. Statt wirksam gegen die genannten Phänomene vorzugehen, werden alle Ehen mit einem ausländischen Partner unter den Generalverdacht gestellt, dass der Abschluss dieser Ehen unter Zwang oder mit Täuschungsabsicht erfolgt. Gem. § 30 Abs. 1 AufenthG muss beim Ehegattennachzug der nachziehende Ehepartner künftig nachweisen, dass er sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann. Keine Sprachkenntnisse benötigen Personen, die „einen geringen Integrationsbedarf haben“, oder die wegen ihrer Staatsangehörigkeit auch für längere Aufenthalte visumsfrei nach Deutschland einreisen können, wie Japaner oder US-Amerikaner. Damit werden faktisch zwei Klassen von ausländischen Ehegatten geschaffen. Das Zuwanderungsgesetz hatte insbesondere durch die Aufnahme des Rechtsanspruchs auf Sprachkurse richtige Signale gesetzt. Mit diesen Kursen erhielten Einwanderer und Einwanderinnen erstmals Angebote zum Erlernen der deutschen Sprache 49 und zur Orientierung in einem für sie fremden Land. Diese von den Migrantinnen und Migranten positiv aufgenommen Kurse werden in ihrer Wirkung durch dieses Gesetzesvorhaben nachhaltig geschwächt. Die vorgeschlagene Regelung verlegt den Zeitpunkt des Spracherwerbs vor die Einreise. Entsprechende Angebote zum Spracherwerb gibt es aber in vielen Ländern nicht oder nur in einigen Großstädten. Auch wenn nun entsprechende Deutschkurse in einigen Ländern geplant sind, eine flächendekkende Sprachförderung weltweit ist nicht zu realisieren, zumal die Sprachkurse für die Betroffenen dann auch finanzierbar sein müssten. In Deutschland Deutsch zu lernen, wäre für alle Beteiligten wesentlich einfacher. Diese Regelung ist damit integrations-, familien- und frauenpolitisch kontraproduktiv. Deutschland und Europa benötigen Einwanderung 50 Für die Zuwanderung Hochqualifizierter tut das Gesetz ebenfalls kaum etwas: Deutschland bleibt für diese Gruppe leider unattraktiv. Und in den letzten Wochen mehren sich zudem die Anzeichen, dass die jetzt erforderlichen Deutschkenntnisse bei der Einreise von Familienangehörigen besonders auch viele Hochqualifizierte trifft, für die Deutschland damit noch einmal ein Stück unattraktiver wird. Dabei wird doch immer mehr deutlich, dass wir in Zukunft Zuwanderung qualifizierter Menschen benötigen. Es gibt für mich auch keinen Grund, Zuwanderung und Ausbildung der „einheimischen“ Bevölkerung gegeneinander auszuspielen. Beides ist wichtig. Und die Zuwanderung Hochqualifizierter hilft letztlich auch den geringer Qualifizierten hierzulande. Denen helfen wir im Gegenteil gar nicht, wenn Firmen aus Deutschland abwandern, die künftig die Stellen für Hochqualifizierte nicht mehr besetzen können, weil wir eine derart restriktive Zuwanderungspolitik betreiben. Der Vorschlag des EU-Innen-Kommissars Franco Frattini, mit Hilfe einer „Blue Card“ mehr hochqualifizierte Migranten nach Europa zu holen, indem die Voraussetzungen für Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen erleichtert werden, ist daher richtig und kommt genau zur rechten Zeit. Im Moment liegt die Europäische Union im globalen Wettbewerb um hochqualifizierte Zuwanderung auf dem letzten Platz, weil vor allem die klassischen Einwanderungsländer USA und Kanada viel attraktiver sind. Anerkennung bedeutet auch Staatsbürgerschaft Wenn wir die Attraktivität Europas erhöhen wollen, ist das aber letztlich nicht nur mit verbesserten Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen zu erreichen. Attraktiv ist unser Land nur dann, wenn die Eingewanderten die Chance sehen, voll und ganz Teil dieses Landes werden zu können, und nicht immer Bürger zweiter Klasse zu bleiben. Dazu gehört auch die formale Staatsangehörigkeit. Ich glaube, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Und das bleibt für den Einzelnen nicht ohne Wirkung auf seine Wahrnehmung der Gesellschaft und den eigenen Platz in der Gesellschaft. Mit dem deutschen Pass ist man deutscher Staatsbürger. Angesichts zurückgehender Einbürgerungszahlen müssen wir dafür eintreten, dass Einbürgerung erleichtert und attraktiver wird. Neben der Attraktivität für Migranten kommt noch ein anderes wichtiges Argument hinzu: In einer Demokratie ist es nicht hinnehmbar, dass immer mehr Menschen im Land kein Wahlrecht besitzen. Wir müssen dafür sorgen, dass Wohnbevölkerung und Staatsbevölkerung identisch sind. Migration und europäische Identität Bruno Ducoli, Präsident des Europäischen Zentrums zur Förderung der Interkulturalität , Gargnano (Provinz Brescia) „Der Mensch“, warnte Adam Smith bereits 1776 in seinem Werk „Wohlstand der Nationen“ „ist die Ware, die sich am schwierigsten befördern lässt“. Und genau aus diesem Grunde trifft die Migration eine Bevölkerung in ihrem Innersten, berührt ihr kollektives Unterbewusstes. Ein Phänomen, das aufgrund seiner hohen Zahlen und Herausforderungen dazu bestimmt ist, eine immer entscheidendere Rolle innerhalb der europäischen Gesellschaften zu spielen. Ich habe 30 Jahre lang in Brüssel mit Migranten zusammengearbeitet, und gerade Brüssel ist eine Stadt mit sehr vielen Migranten. 30 Jahre lang habe ich, halb Wissenschaftler und halb Sozialarbeiter, Fußsteige und Kreuzwege begangen, Um- und Abwege im täglichen Leben vieler Migranten kennen gelernt und im Laufe der Jahre ihre Erfolge und Misserfolge beobachtet. Jacques Lacan, einer der bedeutendsten europäischen Vertreter des psychoanalytischen Gedankens, pflegte zu sagen, dass die Worte uns vorauseilen, dass sie „uns ansprechen, bevor wir sie aussprechen“. So besteht zum Beispiel der Themenkomplex, der mir zugeteilt wurde, aus drei Begriffen, die uns stark ansprechen, auch wenn – und davon bin ich fest überzeugt – auf unterschiedliche Weise: Immigration, Identität, Europa. Migration Beginnen wir mit dem ersten Begriff. Immigration löst in jedem von uns ganz persönliche Vorstellungen aus, und Vorstellungen sind eben wie schöne Frauen – jeder von uns liebt natürlich die eigene. Dennoch wissen wir, dass Schönheit an und für sich nicht von einer einzigen Person verkörpert werden kann, sondern als Synthese aller schönen Dinge auf Erden verstanden werden sollte. In Anlehnung dazu stellt der Begriff Immigration die Synthese all unserer persönlichen Vorstellungen dar und ist als solcher bei weitem vollkommener als die einseitige Vorstellung, die jeder von uns aus seinem individuellen Blickpunkt entwickelt. Europa kennt das Phänomen der Migration seit mehreren Jahrzehnten, ist aber bis heute noch nicht mit ihr im Reinen und das, obwohl vielfach die Meinung vertreten wird, dass Migration eines der heikelsten Probleme des neuen Jahrhunderts sein wird. Wenn man die Vergangenheit mit den Worten Max Frischs umschreiben möchte - „Wir erwarteten Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“, kann man die Gegenwart mit dem Titel des Hauptwerks von Marcel Proust zusammenfassen: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Die Bemühungen, die verlorene Zeit nachzuholen, reflektieren meines Erachtens das wahre Verhältnis, das Europa heute zu seinen Einwanderern hat. Trotz ihrer steigenden Anzahl werden sie meistens in eine Art Vorhölle verbannt, in der sie lediglich als rein zweckmäßige Figuren der Wirtschaft gelten, oft sogar als mögliche Gefahr angesehen werden. Dagegen fordern Einwanderer eine ausgewogene Integration, bei der die Unterschiede nicht gleich ein Grund für Ausgrenzung sind. Wenn wir verhindern möchten, dass sich unsere Gesellschaft in ein Schlachtfeld verwandelt, auf dem jeder gegen jeden kämpft, müssen wir zusammenhängender denken, nur so werden wir die angesammelte verlorenen Zeit aufholen können. Dabei müssen wir vermeiden, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Gleiches gilt insbesondere für die 51 52 Massenmedien. Unter Migration versteht man nicht nur die illegalen Landungen auf der italienischen Insel Lampedusa und den Kanarischen Inseln oder das listige Handeln krimineller Profiteure im Untergrund, sondern vor allem die Millionen Migranten, die rechtmäßig arbeiten und Unternehmen gründen; die Millionen Studierende, die unsere Schulen darauf vorbereiten, zukünftige Mitbürger zu werden. Das Problem der Kriminalität unter den Migranten darf zwar nicht stillschweigend übergangen werden, dennoch muss auch daran erinnert werden, dass ein Baum, der fällt, größeres Aufsehen erregt, als ein Wald der wächst. Vor allem muss klar sein, dass wir in einer Welt, die sich allzu schnell in ein „globales Dorf“ verwandelt hat, nur dank dieser Millionen legaler Einwanderer im Stande sind, die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen und uns mit dem rasanten Entwicklungsprozess anzufreunden. Um dem Drängen nach mehr Sicherheit seitens einer Öffentlichkeit, die nicht immer versteht, woher dieses dunkle und vielseitige Gefühl der Unsicherheit kommt, ernsthaft gerecht zu werden, müssen wir der Forderung der Migranten nachgehen und sie als aktive Subjekte des zivilen Zusammenlebens an der Gestaltung eines neuen Sozialvertrags teilhaben lassen. Das mittlerweile als strukturell angesehene Langzeitphänomen der Immigration erfordert einen Dialog, dessen Grammatik oder Syntax Europa noch nicht beherrscht. Nachdem die Migration über Jahrhunderte hinweg passiv anstatt aktiv konzipiert wurde, tut sich Europa heute ein wenig schwer damit, eine neue Sichtweise anzunehmen. Auch wenn Italien das Land mit der höchsten Auswandererquote Europas ist, fällt bei genauerem Hinsehen auf, dass kein einziges europäisches Land die langwierige Erfahrung der Migration schmerzfrei bewältigt hat. Lange waren die in Europa zur Migration durchgeführten Studien durch einen konjunkturellen Ansatz geprägt, der dann auch zum Ausgangspunkt für das Problem der Migranten zweiter und dritter Generation wurde: Migrationswellen wurden immer nur als Nebeneffekt der Vollbeschäftigung betrachtet und man ging davon aus, dass die Einwanderer, sobald sie ein kleines Sümmchen angehäuft hätten, wieder in ihre Heimat zurückgehen würden. Diese Fehleinschätzung hat sich über Jahrzehnte hinweggezogen und so sind die Migrantenkinder – häufig aber auch deren Kinder – mit gravierenden Misserfolgen in der Schule, einer starken Diskriminierung und der Unmöglichkeit, sich in einem Land, in einer Nation oder in einer Kultur zu Hause zu fühlen, groß geworden. Sie sind als Findelkinder zurückgeblieben. Während die Migration in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf den produzierenden Sektor mit Wettbewerbsproblemen gerichtet war und über Zuwanderungskontingente in zwischenstaatlichen „Anwerbeabkommen“ geregelt wurde, so sind seit den 80er Jahren die Migrationswellen in Richtung der Länder mit geschlossenen Grenzen meist illegal, vermehrt mit Menschenhandel verbunden, verzeichnen eine höhere Frauenquote sowie einen höheren Bildungsgrad und enden in den verschlungenen Wegen der Schattenwirtschaft. Somit kann man unschwer voraussehen, dass die Spannung zwischen einem Produktionssystem, das mehr Einwanderer benötigt, und einem Staat oder einer Gesellschaft, die sie zurückweisen, weiter zunehmen wird. Solch eine Lage erschwert natürlich die Umsetzung jeder Form von Solidarität auch für diejenigen, die auf englisch mit dem Begriff „advocacy coalition“ bezeichnet werden. Und wie es immer der Fall ist, nimmt die Komplizenschaft zu, sobald die Solidarität verschwindet. Die Migranten, die sich auf einmal selbst helfen müssen, haben enorme Schwierigkei- ten, eigene Netzwerke aufzubauen, die aber gerade in der Geschichte der Migration stets einen besonders positiven Mehrwert dargestellt haben. Trotz dieser prekären Situation und der vielen Schwierigkeiten, die nicht zuletzt auf die komplexe internationale Entwicklung, die wir erleben, zurückzuführen sind, hat sich die Migration im Laufe der Zeit auch in Europa zum normalen Alltag entwikkelt. Europa gewöhnt sich langsam an die Migranten und diese wiederum an Europa – so wird es möglich, auf Grundlage geteilter Schicksale eine gemeinsame Zukunft zu planen. Dies vorausgesetzt, wird es um so nötiger sein, diejenigen, die immer noch der Meinung sind, von Migration nicht berührt zu sein, aufzufordern, sich nicht der Geschichte und Geographie zu entziehen. Alle wirtschaftlichen und demografischen Parameter belegen, dass die Zuwanderung nach Europa zunehmen wird. Daher ist es unabdingbar, sie „homöopathisch“ zu gestalten. Homöopathisch meint weder homogen, noch nach unserem Bilde geschaffen – es meint schlicht und einfach, immun gegen jede Form von Gewalt, die sowohl von uns, als auch von den anderen ausgeübt wird, und unfähig, eine soziale Kettenreaktion auszulösen. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, denjenigen, die von offenen und unbewachten Grenzen träumen, ins Gedächtnis zu rufen, dass sich dieser Traum sehr schnell in einem Alptraum verwandeln könnte. Eine Bevölkerung in ihrem Innersten zu verletzen, löst immer unkontrollierte, ja unkontrollierbare Reaktionen aus. Wenn die Immigration ein globales gesellschaftliches Problem ist, kann sie Reaktionen sowohl emotionaler Art als auch systematischen Charakters auslösen. Wenn globale soziale Gegebenheiten abgelehnt werden, spiegelt sich eben diese Ablehnung gezwungenermaßen auch auf globaler Ebene wider. Identität Doch gibt es auch einen zweiten Begriff der entschlüsselt und interpretiert werden will: Identität. Die enorme Beliebtheit, die dieser Begriff derzeit genießt, verdankt er vor allem der Krise der Gesellschaften, in denen er umgeht. In jeder Krisensituation kann es sehr leicht geschehen, dass Identität als Wert gesehen wird, an dem man sich festhalten kann, wenn man das Gefühl hat, dass alles schief läuft. Doch dauert es nicht lange, bis sich dieser Unterschlupf in ein Gefängnis verwandelt, das einem zwar Schutz bietet, jedoch einsperrt, zwar verteidigt, jedoch auch den letzten Atem und die Lebensfreude raubt. Gerade auf diese Weise entwickeln sich Persönlichkeiten, die der Libanese Amin Maalouf als „mörderische Identitäten“ bezeichnet. Gut gefestigte Traditionen haben Auseinandersetzungen nie gescheut und haben aus jedem Dialog neue Lebenskraft geschöpft. So konnten alle Kulturen wachsen und gedeihen. Kulturen sind schließlich nichts anderes als das Produkt einer ununterbrochenen kulturellen „Einund Ausfuhr“. Sogar Europa begann zu wachsen, nachdem Hass und gegenseitiges Misstrauen überwunden, der Krieg verbannt wurde und die Völker sich nicht mehr als Feinde, sondern als Partner angesehen haben. Von uns wird nun verlangt, dass wir einen brüderlichen Blick auf solche antiken und glorreichen Kulturen werfen, die wir im Laufe der Jahrtausende nur aus der Ferne kennen gelernt haben, oft auch mit Misstrauen und oberflächlicher Stereotypie. Vor einigen Jahren habe ich ein Motto geprägt, dass mittlerweile in mehrere Sprachen übersetzt wurde: „Die Gesellschaft der Zukunft ist die, welche zu vereinen weiß, ohne zu vermischen, und welche zu unterscheiden weiß, ohne zu trennen“. Es sind die Gesellschaften des Zuhörens, des Dialogs, der Synthese und der respektvollen Vereinigung 53 der Unterschiede. Jene Narben der Geschichte, die wir Grenzen nennen, sind heute flüchtige Schaumkronen, auf die wir eingehen oder auch nicht. Es ist an der Zeit, die kulturellen Einflüsse zu erkennen, aus denen unsere Gesellschaften hervorgegangen sind, und das zu schätzen, was uns verbindet, statt immer nur auf dem zu beharren, was uns trennt. Es ist an der Zeit zu begreifen, dass vieles von uns in den anderen steckt und dass wir vieles von den anderen übernommen haben. Die Gegenüberstellung „Wir / die Anderen“ muss überwunden werden, weil diese Begriffe jetzt in einem anderen Verhältnis zueinander stehen. Jeder von uns muss sich an ein „gastfreundliches Wir“ gewöhnen. Heute wird es um so deutlicher, dass man Zukunft nur mit den anderen aufbauen kann - und nicht ohne oder gar gegen die anderen. Mehr als in der Vergangenheit ist es heute dringend, die Zukunft mit mehreren Federn zu schreiben. Wie der Historiker Rudolf von Thadden zu Recht festgestellt hat, lässt sich ohne die anderen weder ein vereintes Europa noch eine versöhnte Welt erbauen. Der „Clash of Civilizations“ von dem so oft die Rede ist, ist womöglich nichts anderes als ein durch gegenseitige Ignoranz bedingter Schock. Über den Anblick der Erde ausserhalb des Solarsystems konnte der Astronom Carl Sagan mit Hilfe der Aufnahmen aus dem Raumschiff Voyager schreiben: „Unser Planet ist nichts weiter als ein einsamer Punkt im riesigen Bauch der kosmischen Dunkelheit. Ein kleiner Punkt, der das Herz rührt und Bescheidenheit lehrt. Dieses zerbrechliche Bild erinnert uns an unsere Verantwortung und fordert uns auf, uns wohlwollender um die anderen zu kümmern, diesen hellblau strahlenden Punkt zu schützen – unser Staubkorn, der an einem Sonnenstrahl schwebt“. 54 Europa Zuletzt der dritte Begriff, der hier erörtert wird: Europa. Von allen dreien fühle ich mich bei diesem hier am meisten zu Hause, auch wenn es gerade eine schwierige Zeit für Europa ist. Die Europäische Union ist wahrhaftig ein kleines, aber auch großes Wunder, zu dem Deutschland und Italien seit der Gründung beigetragen haben. Eine Werkstatt, die nie einfach zu leiten war und dennoch solide Ergebnisse erbracht hat: 50 Jahre Frieden in einem Subkontinent, der, seit dem Fall des Römischen Reiches, durchschnittlich alle 20 Jahre einen Krieg erlebt hat. Dazu kommt aber auch das andauernde und ununterbrochene Wachstum eines Wohlstands, wie man ihn vorher noch nie gekannt hatte. Zu Recht hatte Thomas Moore einst behauptet, dass keine Landkarte wirklich vollkommen ist, solange es auf ihr keinen Landstreifen, den man Utopie benennt, gibt. Und diese Utopie erkannten viele im europäischen Gedanken, den Adenauer, De Gasperi und Schuman aus den noch rauchenden Trümmern des Zweiten Weltkrieges entwickelt hatten. So wenig es auch bedeutet, bin ich fest überzeugt, dass es durchaus eine europäische Identität gibt und diese sogar tiefer verankert ist, als wir glauben. Und dies nicht nur, weil jeder Kirchturm und jeder Handbreit Acker ein Teil dieses Europa ist, sondern vor allem, weil es der Menschheit Gedanken von beträchtlicher Substanz sowie eine soziale Philosophie geschenkt hat, aus der die „Menschenrechte“ und die Verbreitung eines in der Welt unbekannten Wohlstandes hervorgegangen sind. Trotz der schweren Fehler, die seine Geschichte geprägt haben, ist Europa in den letzten Jahrzehnten ein Leuchtturm für die Menschheit gewesen und hat sich zu einem Labor entwickelt, in dem Fragen der menschlichen Zukunft reflektiert werden. Vor dem Hintergrund der beeindruckenden Traditionen besteht die größte Schwierigkeit darin, sich der Vergangenheit würdig zu erweisen und in der Gegenwart den Anfang für ein Zukunftskonzept zu setzen. Das Problem Europas ist nicht nur, dass es, wie die Amerikaner sagen, keine „Telefonnummer“ hat - es muss auch lernen, seinem Erbe gewachsen zu sein. Wir können uns nicht unserer Verpflichtung entziehen, einen Vertrag der Brüderlichkeit mit den Neuangekommenen zu schließen, eine neue Identität zu entwickeln, die sie einschließt und nicht ausschließt, und sie auf dem Kontinent der Menschheit zu Reisegefährten zu machen, ohne dabei unseren Stolz als Europäer zu vergessen. Europäer zu sein bedeutet heute, als bescheidener aber entschlossener Architekt an der Erbauung eines globalen Dorfs mit zu wirken, das sich auf die Vielfalt seiner Bürger stützt und den Weg zu einer unbekannten pluralen Einheit zu wagen. 55 Erfahrungen in Italien und Deutschland Ein Panorama der Migration - Italienische und deutsche Erfahrungen - Ein Vergleich in 10 Thesen Dr. Luca Di Sciullo, Dr. Franco Pittau, Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes 1. Die statistischen Daten helfen einen verlässlichen Vergleich zwischen Italien und Deutschland durchzuführen. 56 Die hier verfolgte Methode soll einen verlässlichen Vergleich ermöglichen. Richtig ausgewertete Zahlen sind ein wirksames Mittel gegen Vorurteile, helfen die Strukturen der Migration zu definieren, ermöglichen einen detaillierten Vergleich der beiden Länder und verdeutlichen Übereinstimmungen und Unterschiede. In Italien versuchte der „Nationaler Rat für Wirtschaft und Arbeit“ (CNEL) mit der Methode statistischer Indikatoren differenzierte Integrationspotentiale der Regionen Italiens und von EUStaaten darzustellen.9 Wir möchten die Lage der Migration in Italien mit der in Deutschland vergleichen und werden dabei auch die aufschlussreichen Ergebnisse einer Umfrage berücksichtigen, die wir in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft und der Friedrich-EbertStiftung im Mai 2007 in Vorbereitung der deutsch-italienischen Tagung über die Integration durchgeführt haben (62 Migranten aus Rom und Umgebung - dem Gebiet mit der höchsten Zahl von Migranten in Italien – wurden interviewt). Zweifellos weisen die sozioökonomischen Verhältnisse in beiden Ländern große Unterschiede auf. Dies gilt für die Gesetzgebung, die Verwaltungstradition, die Rolle der Parteien, die Wirtschaft, das integrationspolitische Konzept und, wie im Folgenden dargestellt, die Struktur der ausländischen Bevölkerung. Es fehlt nicht an Übereinstimmungen, umso mehr als Deutschland in der Nachkriegszeit das Land war, das die meisten Emigranten aus Italien aufgenommen hat. Einige dieser Aspekte, die wir hier aufgreifen und vertiefen wollen, wurden übrigens schon ausgewertet.10 Wenn wir die Daten des deutschen Statistischen Bundesamts zur Grundlage nehmen, so stellen wir fest, dass seit dem deutsch-italienischen Anwerbeabkommen im Jahre 1955 1.903.237 Italiener in den sechziger Jahren, 1.166.720 in den siebziger Jahren, 477.719 in den achtziger Jahren und 375.194 in den neunziger Jahren nach Deutschland auswander(9) CNEL, Indici di inserimento territoriale degli immigrati in Italia (Indikatoren der territorialen Eingliederung in Italien), Hrsg. von L. Di Sciullo, Rom, September 2004; nachfolgende Berichte können auf der Webseite www.cnel.it eingesehen werden. (10) Vgl. A. Ricci, M. M. Ambrosini, A. D’Angelo, „Contesto internazionale ed europeo“ (Der internationale und europäische Rahmen), Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2007, Edizioni Idos, Rom 2007, S. 15-66 und insbesondere: E. Pugliese, „L’immigrazione straniera in Germania“ (Die Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland), S. 37-46; A. D’Angelo, „L’immigrazione e la presenza straniera nell’Unione europea a 27“ (Migration und die Präsenz von Ausländern in der EU mit 27 Mitgliedstaaten), S. 25-34. ten. In der gleichen Periode betrug die Zahl der Rückkehrer 1.454.160 in den sechziger Jahren, 1.056.837 in den siebziger Jahren, 580.965 in den achtziger Jahren und 347.424 in den neunziger Jahren. Der größte Wanderungssaldo war in den sechziger Jahren mit rund 450.000 Italienern in Deutschland; in den siebziger Jahren glichen sich die Zahlen der Aus- und Rückwanderung aus; in den achtziger Jahren kehrten mehr italienische Auswanderer nach Italien zurück (rund 100.000 Personen); in den neunziger Jahren war die Zahl der eingereisten und ausgereisten Italiener fast gleich, mit einem kleinen Überschuss der Auswanderer; seit dem Jahr 2000 reisten 20.000-25.000 Italiener nach Deutschland ein und 30.000-35.000 aus. Man kann sich also ausrechnen, dass in der Zeit von 1957 – 2004 über 4 Millionen (4.090.362) nach Deutschland auswanderten und über dreieinhalb Millionen (3.662.873) nach Italien zurückkehrten. Das bedeutet, dass rund eine halbe Million Italiener (427.489) mehr in Deutschland blieben als zurückreisten. Dieses Ergebnis, bei dem die in Deutschland geborenen Kinder von Italienern nicht mitgezählt wurden, stimmt mit den Zahlen der Einwohnermeldeämter überein, die im Mai 2007 die Zahl der in Deutschland wohnenden Italiener mit 579.644 angaben. In Bezug auf die Migrationsflüsse kann gesagt werden, dass in der Zeit von 1960-1970 in einigen Jahren über 200.000 und in der ersten Hälfte der siebziger Jahre über 150.000 Personen nach Deutschland ausreisten. Diese Zahlen fielen dann 1974 unter 100.000 und lagen 1982 bei 50.000, während derzeit offiziell rund 70.000 Personen nach Deutschland einoder ausreisen (die wirklichen Zahlen sind wahrscheinlich höher) .11 Die Tatsache, dass nur ein Zehntel der Emigranten in Deutschland geblieben ist, weist darauf hin, dass wir es hier mit einem deutschen „Rotationsmodell“ oder auch „Gastarbeitermodell“ zu tun haben. Die Meisten, von einer kleinen Zahl abgesehen, hatten vor, auch nach einem längeren Aufenthalt endgültig nach Italien zurückzukehren. Schon vor dem Jahr 2000 begann Deutschland sich als Einwanderungsland zu betrachten und hatte damit begonnen, interessante integrationsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. Wahrscheinlich waren die italienischen Migranten hier weniger integriert als in anderen Ländern. Ganz anders ist die einschlägige italienische Erfahrung, die schon ab den neunziger Jahren (das bedeutet knapp 10 – 15 Jahre nach Beginn der Zuwanderung) voraussehen ließ, dass die ausländischen Bürger sich auf Dauer in Italien niederlassen werden. 2. Italien entwickelt sich wie Deutschland zu einem großen Einwanderungsland und dieser Prozess wird sich voraussichtlich beschleunigen. Italien hat mit rund 3.690.000 halb so viele Migranten wie Deutschland (6.751.002; 31.12.2006), was 6,2% der Gesamtbevölkerung entspricht.12 Wenn jedoch in Deutschland die Migranten mit deutscher Staatsbürgerschaft hinzugezählt werden, so kommen wir auf 15 Millionen Personen mit einer Migrationsgeschichte, von denen 670.000 (11) F. Heins, E. Pugliese, „Germania: il primo paese degli emigrati all’estero“ (Deutschland, das erste Land der italienischen Emigranten), Fondazione Migrantes, Rapporto Italiani nel Mondo 2006 (Bericht über die Italiener in der Welt 2006), Edizioni Idos, Rom 2006, S. 267-281; für die nachfolgenden Aktualisierungen vgl. Fondazione Migrantes, Rapporto Italiani nel Mondo 2007, Edizioni Idos, Rom 2007. (12) F. Pittau, L. Di Sciullo, „Consistenza, provenienza e insediamento degli immigrati“ (Zahl, Herkunft und Niederlassung der Immigranten), Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2006, edizioni Idos, Rom, 2006, S. 87-95. 57 58 einen italienischen Hintergrund haben.13 Anfangs verdoppelte sich die Zahl der Zuwanderer in Italien alle 10 Jahre. So war es in den siebziger, in den achtziger und den neunziger Jahren. Ab 2000 verdoppelte sich die Zahl schon alle 5 Jahre. In Deutschland überschritt die Zahl der Ausländer 1993 die Schwelle von 7 Millionen und hielt sich dann 10 Jahre lang auf diesem Niveau, ging anschließend 2004 um 250.000 Einheiten zurück, wobei die Ausländerquote von 8,9% auf 8,1% fiel. In Italien multiplizierte sich die Zahl der Zuwanderer seit 1970, als es nur 144.000 waren, etwa mit 25. Alles deutet darauf hin, dass es in 10 Jahren 7 Millionen Ausländer sein werden, genauso viele wie heute in Deutschland. Der hohen Zahl der Zuwanderer steht ein demografischer Trend gegenüber, der noch negativer verläuft als in der EU und den anderen Ländern der Erde: die letzten Prognosen (ISTAT 2006) sprechen davon, dass die Zahl der Italiener zwischen 19 und 44 Jahren zwischen 2005 und 2020 um viereinhalb Millionen zurückgehen wird. Wenn sich dieser Trend unverändert fortsetzen sollte, wird schon lange vor dem Jahr 2050 (wahrscheinlich reichen schon rund zwanzig Jahre aus, d.h. also 2027) die Zahl der Ausländer die 10-Millionen-Marke übersteigen - d.h. ein Verhältnis von dann 1 zu 5 (Ausländer zu Einheimischen). Damit kann man prognostizieren, dass Italien das Land mit der höchsten Ausländerzahl in der EU sein und an die Stelle von Deutschland treten wird, das heute nur noch qualifizierte Arbeitskräfte einlassen will. Die jüngste Migrationsgeschichte in Italien zeigt deutlich die Unterschiede zu Deutschland, einem Land, in dem es schon seit langem Zuwanderung gibt und in dem schon ein Fünftel der Ausländer im Land geboren wurde (rund 30% der dort wohnenden Italiener, d.h. 160.144 Personen). Die unterschiedlich lange Migrationsgeschichte ist auch an Hand der Aufenthaltsdauer von ausländischen Bürgern in Deutschland festzustellen: 17,3 Jahre sind es für alle Einwanderer und 25,1 Jahre für Italiener (länger ist die Aufenthaltsdauer bei Holländern, Österreichern, Slowenen und Spaniern). Überraschenderweise leben schon 84% der Ausländer über 5 Jahre in Deutschland (und 72% über 10 Jahre), in Italien dagegen wohnt noch nicht einmal die Hälfte der Migranten über fünf Jahre im Land. Wenn wir Deutschland und Italien vergleichen, so erkennen wir eine gegensätzliche Entwicklung. Deutschland hat in den fünfzig Jahren von 1951 bis 2001 31 Millionen Zuwanderer aufgenommen (einschließlich der Deutschstämmigen, die in anderen Ländern geboren wurden und rund die Hälfte der Gesamtzahl ausmachen); 22 Millionen wanderten aus. Von den 28 Millionen Bürgern, die Italien seit 1861 verließen – abzüglich der Rückkehrer und derjenigen, die die Staatsbürgerschaft des Landes angenommen haben oder verstorben sind – haben noch immer dreieinhalb Millionen die italienische Staatsbürgerschaft, während die Zahl der Menschen italienischer Herkunft auf 60 bis 70 Millionen geschätzt wird.14 Was die Zuwanderung betrifft, so sieht sich Italien heute in einer ähnlichen Lage wie Deutschland in den sechziger und Anfang der siebziger Jahre. Eine vorsichtige Schätzung geht von jährlichen Zuwachsraten der Ausländer von mindestens 300.000 (13) Vgl. Anhang, Statistische Daten: Deutschland (14) Vgl. Fondazione Migrantes, Rapporto italiani nel mondo 2006 (Bericht über die Italiener in der Welt), edizioni Idos, Rom 2006. Einheiten pro Jahr aus (200.000 neue Arbeitskräfte, 100.000 Familienzusammenführung und 60.000 Neugeborene jährlich). Dieser Trend muss nach oben korrigiert werden, weil im Jahr 2006, im Rahmen der Zuwanderungsquote, 540.000 Anträge und im Rahmen der neuen Quote für 2007 bis Dezember schon fast 700.000 neue Anträge zum Zweck der Arbeitsaufnahme gezählt wurden. 2006 war in Deutschland der Zuwanderungssaldo der Ausländer positiv, betrug jedoch nur 74.693 (558.467 Zuwanderer und 483.774 Rückwanderer). In Italien verließen viel weniger Menschen das Land (rund 15.000 im Jahr, abgesehen von den Saisonarbeitern) und der Zuwanderungssaldo war erheblich höher. Auch die Zahl der Asylbewerber in Deutschland, die bis 1997 bei über 100.000 lag, ging 2004 auf 35.000 zurück (blieb jedoch immer noch dreimal höher als die in Italien, welches jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit als Grenzland mehr illegale Zuwanderung verzeichnet). Trotz aller Unterschiede müssen Italien wie auch Deutschland sich heute mit der Frage der Migration intensiv befassen. 3. Italien unterscheidet sich von Deutschland durch die nationale Vielfältigkeit seiner Migranten und ihre andersartige Eingliederung. Es ist bekannt, dass die Türken mit einem Viertel der Gesamtzahl und 1.739.000 Personen, die zahlenmäßig stärkste ausländische Bevölkerungsgruppe in Deutschland sind. Italien nennen wir dagegen ein polyzentrisches Zuwanderungsland, ein Land mit vielen verschiedenen und mehr oder weniger gleichstarken Gruppen: Um auf ein Drittel der Migranten zu kommen, sind die ersten drei Nationalitäten zusammenzuzählen (Rumänen 556.000, Albaner 381.000 und Marokkaner 387.000). Danach folgen andere, weniger große Gemeinschaften aus einer Reihe von Ländern, die zwar nicht so stark vertreten sind, aber doch eine relevante Zahl aufweisen. Einige haben sich seit längerer Zeit in Italien niedergelassen, andere erst seit kurzem. Sie kommen aus der Ukraine und China (jede Gruppe mit etwas unter 200.000 Einheiten). Es folgen mit rund 70.000 bis 100.000 Einheiten die Moldawier, Tunesier, Inder, Polen, Bangladeschi, Peruaner, Ägypter und die Zuwanderer aus Sri Lanka. In dieser Spitzengruppe sind vier Kontinente (Europa, Afrika, Asien und Amerika), verschiedene Subkontinente, viele Sprachen (mindestens 150) und kulturelle Traditionen vertreten. Außerdem sind hier praktisch alle Religionen der Welt zu finden: 1.792.000 Christen mit einem Anteil von 48,6% (unter ihnen 918.000 Orthodoxe, 685.000 Katholiken, Protestanten und andere christliche Gemeinschaften), 1.202.000 Muslime (32,6%), 99.000 Hindus, 68.000 Buddhisten, 41.000 Gläubige anderer traditioneller Religionen (unter ihnen 9.000 Juden) und diejenigen, die keinem Glauben anhängen. Keine Migrantengruppe könnte aufgrund der großen Vielfalt die eigene Sprache, Kultur und Religion gegen die anderen im Integrationsprozess durchsetzen. Deshalb darf man annehmen, dass diese Vielfalt, trotz aller Schwierigkeiten, eine Garantie für Demokratie und ein Bollwerk gegen Einseitigkeit ist, wenn die geeigneten Maßnahmen ergriffen werden. Auch was die Herkunft nach Kontinenten betrifft, so ist der Unterschied zwischen beiden Ländern groß. In Deutschland registrierte man diese Daten: Europa 79,6% (5.375.000, 2,2 Millionen aus der EU und 535.000 alleine aus Italien), Afrika 4,0%, Amerika 3,2%, Asien 12,1%, Australien und andere Regionen 0,2%. Die Migranten in Italien kommen dagegen überwiegend aus der Dritten Welt: Europa 59 49,6%, Afrika 22,3%, Asien 18,0%, Amerika 9,7%, Ozeanien und andere Regionen 0,1%. Diese Komplexität der Migration hat ihre ganz spezifischen Strukturmerkmale: hohe, schnell wachsende Zuwachsraten, Herkunft aus vielen verschiedenen Ländern, ungleichmäßige Verteilung im Land, demografisch ausgeglichene Struktur (beide Geschlechter sind gleich vertreten, mehr Paare als Unverheiratete, hoher Anteil an Minderjährigen), anhaltende Nachfrage nach mehr Arbeitskräften, wachsende Konsolidierung der Aufenthaltsdauer und steigendes Bedürfnis nach Räumen der Teilhabe. 4. Im Unterschied zu Deutschland braucht Italien derzeit unqualifizierte ausländische Arbeitskräfte. 60 Nach einer Umfrage von ISTAT (Statistisches Amt Italiens) stieg 2006 die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer auf 1.475.000 Personen (1.348.000 Beschäftigte und 127.000 Arbeitslose, Arbeitslosenquote von 8,6%), davon sind 40% der Industrie, 55% dem Dienstleistungsgewerbe und 5% der Landwirtschaft zuzuordnen.15 Aus den Daten der INAIL (Italienische Versicherungsanstalt für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) ergeben sich für die im Ausland geborenen Arbeitnehmer folgende Zahlen: 1.856.932 (2006) abhängig Erwerbstätige aus Nicht-EU-Staaten (8,5% Anteil), das entspricht 10,5% aller Erwerbstätigen, 337.339 aus der EU25 (Rumänien und Bulgarien nicht enthalten).16 Sie tragen überproportional zum Bruttosozialprodukt bei, da ihre Beschäftigungsquote (nach ISTAT) 67,5% beträgt und damit rund 10 Prozentpunkte über der der italienischen Erwerbstätigen liegt. In 141.393 Unternehmen kommt der Firmeninhaber aus dem Ausland, ein Trend, der auch in der derzeit nicht guten Konjunkturphase der italienischen Wirtschaft steil nach oben geht (70% dieser Unternehmen sind im Handel und im Baugewerbe tätig). Bemerkenswert ist, dass diese Unternehmer, anders als in anderen Ländern, nur im Verhältnis von 1 zu 16 direkt aus dem Ausland kommen.17 Der Anteil der Frauen, die Hälfte der Migranten, an den ausländischen Erwerbstätigen liegt bei 40% (85% davon sind im Haushalt tätig) und an den ausländischen Firmeninhabern bei 16,2%.18 Der Anstieg der Erwerbstätigenzahl 2006 in Italien um 425.000 Personen ist nach ISTAT zu rund zwei Fünftel auf Ausländer mit registriertem Wohnsitz zurückzuführen. INAIL errechnete, dass 235.096 der im Ausland geborenen Erwerbstätigen ihre Arbeit in Italien neu aufgenommen haben, eine im Verhältnis zu anderen europäischen (15) M. Albisinni, F. Pintaldi, „Gli immigrati nel mercato del lavoro italiano“ (Die Migranten auf dem italienischen Arbeitsmarkt), in Dossier Statistico Immigrazione 2007, S. 229-237; INPS, Immigrazione: una risorsa da tutelare (Immigration, eine Ressource, die es zu schützen gilt), Rom, INPS, 2006, S. 38-47); ebd., Regolarità, normalità, tutela, II Rapporto su immigrati e previdenza negli archivi Inps (Legalität, Normalität, Schutz. Bericht über Immigranten und Vorsorge aus den Archiven der INPS), Rom 2007. (16) Kommentare zu den INAIL- und INPS-Daten vgl. Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2007, Edizioni Idos, Rom 2007, G. Demaio (S. 238-246), F. Meloni (S. 247-256), M. P. Nanni, A. Fucilitti, F. Di Maggio (S. 256-264). (17) F. Dota, F. Grande, C. Catena e G. Bea, „L’imprenditoria immigrata in Italia“ (Migranten als Unternehmer in Italien), in Dossier Statistico Immigrazione 2007, S. 274-282. (18) W. Bonapace, „L’immigrazione al femminile“ (Die Zuwanderung von Frauen), Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2007,vgl.,S. 123-131. Ländern hohe Zahl. Wie schon gesagt, deutet alles darauf hin, dass sich dieser Prozess noch beschleunigen wird. Bei den ausländischen Erwerbstätigen beträgt die Fluktuationsrate 1,7% (durchschnittlich fast zwei Arbeitsverträge in einem Jahr), ein weiterer Hinweis für die weniger sicheren und daher weniger attraktiven Arbeitsplätze. ISTAT hob auch hervor, dass die Migranten besonders belastete Arbeitsplätze einnehmen, die die Italiener nicht mehr wollen: ein Viertel der ausländischen Beschäftigten arbeitet in Abend- oder Nachtschichten: 19% abends (von 20 bis 23 Uhr), 12% nachts (nach 23 Uhr) und 15% sonntags. Im allgemeinen arbeiten die Migranten nicht in Berufen, die ihrer Ausbildung und beruflichen Qualifikation entsprechen; sie werden geringer eingestuft, u.a. weil die Arbeitgeber nicht bereit sind, ausländische Abschlüsse anzuerkennen und es vorziehen, diese vor Ort nicht zu berücksichtigen. So besteht oft ein großer Unterschied zwischen der Ausbildung der Migranten und ihrer Einstufung am Arbeitsplatz. Die Migranten verfügen häufiger über einen Schul- und Universitätsabschluss als die Italiener (39,5 gegenüber 33,4 - ein Unterschied von 6,1 Prozentpunkten), sind aber vor allem als Arbeiter tätig (83,7% aller ausländischen Erwerbstätigen, gegenüber von 54,7% bei den Italienern - ein Unterschied von knapp 29 Prozentpunkten). In Italien kann man von einer „ethnisch“ bedingten Einstufung am Arbeitsplatz sprechen. Die Migranten übernehmen die Arbeitsplätze, die die Italiener nicht wollen. Im Produzierenden Gewerbe sind sie vor allem im Baubereich zu finden (ein Fünftel aller Bauarbeiter kommt aus Nicht-EU-Staaten), im Dienstleistungsbereich arbeiten sie in den Familien (über zwei Drittel aller Beschäftigten), wir finden sie in Hotels und Restaurants (Anteil von 20,4%) und in der Landwirtschaft (ein Fünftel). Man kann annehmen, dass auch in Zukunft viele dieser offenen „schlechteren“ Arbeitsplätze weiterhin mit diesen, an sich überqualifizierten Zuwanderern ausgefüllt werden. Die Bereitschaft der ersten Migrantengeneration, diese Stellen zu übernehmen, führte dazu, dass ihre Rolle auf dem Arbeitsmarkt gewachsen ist; bei ihren in Italien aufgewachsenen Kindern, die die gleichen Ansprüche wie Italiener stellen, wird diese Bereitschaft schwerer zu finden sein, obwohl die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften nur wenig steigen dürfte. Aber es gibt noch andere Nachteile für die Migranten, auf die aufmerksam gemacht werden soll. Aus einer in ganz Italien von den Gewerkschaften durchgeführten Umfrage ergibt sich, dass sich die Migranten mit absteigender Priorität über folgende Mängel beklagen: Arbeitsverträge werden nicht eingehalten, keine korrekten Gehaltszahlungen, Sozialbeiträge werden nicht richtig abgeführt, zu niedrige Entgelteinstufung und allgemein schlechtere Behandlung als Italiener. Zu der oft nicht korrekten Abführung der Sozialbeiträge kommt, dass für die Schwarzarbeit, die häufig die Hälfte des Arbeitseinkommens ausmacht, keine Sozialbeiträge gezahlt werden. Die Arbeitszeiten sind länger (möglicherweise muss nachts gearbeitet werden), Überstunden werden nicht entgolten und sie bekommen weder bezahlte noch unbezahlte Ferien, kein 13. Monatsgehalt und keine Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Weiterhin werden sie häufig fristlos und ohne triftigen Grund entlassen und es wird nur wenig Rücksicht auf die religiösen Anliegen und Essensbedürfnisse der Migranten genommen.19 (19) F. Bentivogli, M.I. Macioti, von „Immigrazione, sindacato e tutela“ (Immigration, Gewerkschaf- 61 Angesichts all dieser Fakten versteht man nur zu gut, warum ein 2007 vom „Europäischen Zentrum für Politik und soziale Studien“ veröffentlichter Bericht darauf hinwies, dass die Gefahr arm zu werden, für aus Nicht-EU-Staaten kommende Migranten 2 bis 3mal höher ist als für die jeweilige einheimische Bevölkerung. Caritas Europa hatte schon im Vorjahr auf dieses Risiko hingewiesen.20 Man kann also sehr damit einverstanden sein, was CNEL in seinen Berichten, ausgehend von den Integrationsindikatoren, hervorhebt: Arbeit allein kann, wenn es keine passende Unterstützung für die Familie, noch andere Hilfen gibt, die Defizite im Integrationsprozess nicht ausgleichen.21 5. Italien hat sich schneller als Deutschland als Einwanderungsland verstanden. 62 In Italien begann die Migration Anfang der siebziger Jahre, zu einer Zeit, als die europäischen Länder gerade infolge der Erdölkrise und Stagnation damit begannen, die Migrationsflüsse einzudämmen.22 In der ersten Phase seiner Migrationsgeschichte, in den achtziger Jahren, war Italien vor allem ein Durchgangsland für Migranten, die entweder in die französisch- oder englischsprachigen Länder wollten im Falle der Kurden und Türken, nach Deutschland weiterreisten, oder für Asylbewerber, die weiter nach Übersee, besonders Nordamerika, wollten. Mit dem Martelli-Gesetz 1990 und der Zuwanderung in den neunziger Jahren, die außerhalb der niedrigen offiziellen Zuwanderungsquoten erfolgten, entwickelte sich in Italien das Bewusstsein, dass die Migranten bleiben wollen. Die Italiener brauchten u. a. deshalb weniger Zeit als die Deutschen, um diese Schlussfolgerung zu ziehen, weil in der Zwischenzeit in der ganzen EU offensichtlich geworden war, dass die Migrationsflüsse keine vorübergehende Erscheinung sind. Diese Überzeugung schlug sich in den nachfolgenden italienischen Einwanderungsgesetzen nieder: das betrifft das erste Migrationsgesetz (aus dem Jahre 1986) über gleiche Rechte für Migranten auf soziale Leistungen und das Gesetz aus dem Jahre 1998 bezüglich Integrationsmaßnahmen und der Öffnung gegenüber anderen Kulturen. Heute weiß man in Deutschland und Italien, dass trotz der hohen Arbeitslosenzahlen (2007 in Deutschland 3,6 Millionen, doppelt so viele wie in Italien), arbeitsuchende Migranten nicht alle offenen Stellen füllen können, wobei der grundsätzliche Unterschied zwischen beiden Ländern darin besteht, dass in Deutschland vor allem qualifizierte Arbeitskräfte gesucht werden, während es in Italien auch eine Nachfrage nach unqualifizierten Arbeitskräften gibt. ten und Schutz), in Dossier Statistico Immigrazione 2006, Idos Roma, 2006, S. 315-324. (20) Caritas Europa, „La migrazione: un viaggio verso la povertà?” (Immigration eine Reise in die Armut?), Anterem, Rom 2006. (21) CNEL – (Nationale Organisation zur Koordinierung der Integrationspolitik der Ausländer), Indici di integrazione degli immigrati in Italia. IV e V Rapporto (Integrationsindex der Integration von Migranten in Italien, IV. und V. Bericht) von L. Di Sciullo und F. Pittau, Rom 2007 (wird demnächst veröffentlicht). (22) F. Pittau, „35 anni di immigrazione in Italia“ (35 Jahre Immigration in Italien) Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2006, Edizioni Idos, Rom 2006, S. 69-76. In Italien ist die Tendenz, sich langfristig niederzulassen, besonders groß: hohe Zahl der Familienzusammenführungen (rund 100.000 im Jahr in Italien gegenüber 76.000 in Deutschland); jährlich stark steigende Zahl Minderjähriger (80.000 mehr als 2006), mit einem Anteil an der ausländischen Bevölkerung von 22,6% (in Deutschland beträgt der Anteil 18,2%, etwas über 4 Punkte weniger), mit Spitzenwerten von 25% in einigen Gebieten Norditaliens. Dafür spricht auch die zahlenmäßige Ausgewogenheit zwischen den Geschlechtern (in Deutschland beträgt der Anteil der Männer dagegen 52%) und die hohe Geburtenrate von Kindern, deren beide Elternteile Ausländer sind (57.000 im Jahre 2006), was einem Zehntel aller Geburten entspricht. In Deutschland lag diese Zahl bei knapp 30.000 Geburten (weniger als ein Drittel gegenüber 100.000 Geburten in den neunziger Jahren; insgesamt waren es 672.000 Geburten). Man muss hier allerdings berücksichtigen, dass viele der Neugeborenen seit dem neuen Staatsbürgerschaftsgesetz als deutsche Bürger gelten. ISTAT hat 2006 zum ersten Mal eine Zählung der zweiten Migrationsgeneration durchgeführt, d.h. die Zahl aller in Italien geborenen Ausländer (ohne diejenigen, die schon die italienische Staatsangehörigkeit erworben haben) ermittelt: es sind 398.295 Personen, mehr als die Hälfte davon sind Minderjährige, die 13,5% der in Italien wohnenden Ausländer ausmachen; angesichts der kurzen Migrationsgeschichte des Landes eine bemerkenswert hohe Zahl. Ein weiteres Zeichen dafür, dass die italienische Gesellschaft, trotz vieler Widersprüche, immer interkultureller wird, sind die binationalen Ehen (1 von 8), wobei mehr italienische Männer als Frauen einen ausländischen Ehepartner wählen (1 zu 5). Heute gibt es über 200.000 binationale Ehen (über die nichtehelichen Lebensgemeinschaften liegen keine Zahlen vor). 6. Es ist notwendig, die Aufnahme der neuen Zuwanderer mit der Integration der schon langfristig ansässigen Migranten in Einklang zu bringen. Italien muss weiterhin wegen der starken, auch illegalen Zuwanderung (es sind mehr als in Deutschland) „Notmaßnahmen“ ergreifen. Gleichzeitig verlangt die Integration der langfristig ansässigen Migranten uns immer mehr ab. Für die Zuwanderer müssen Maßnahmen ergriffen werden, die die für einen Neuanfang typische Notlagen überwinden helfen: man kennt weder die Sprache noch die Mentalität, weiß nicht wie die Ämter arbeiten oder welche Regeln befolgt werden müssen. Deswegen gilt es vor allem, die Ämter funktionstüchtiger zu machen, ein Dauerproblem, das man über Modellversuche zu verbessern versucht. Weiterhin brauchen die Zuwanderer Hilfe beim Erledigen von Verwaltungssachen, sie brauchen Hinweise, Übersetzungen, Verdolmetschung und Betreuung. Rund die Hälfte der Ausländer lebt schon seit über fünf Jahren in Italien und gehört damit zu den „langfristig“ Ansässigen (dieser Prozentsatz lag in der Vergangenheit noch höher und sank in letzter Zeit durch starke Neuzuwanderung). Diese langfristig Ansässigen brauchen nur in Ausnahmefällen eine „Nothilfe“, dafür aber eine Unterstützung für eine nicht nur oberflächliche Integration. Obwohl die Migranten aus verschiedenen Kulturen stammen, wollen sie sich harmonisch und dauerhaft in die italienische Gesellschaft integrieren und fordern deswegen auch Möglichkeiten einer wirklichen Teilhabe: hier kann die Lage Italiens mit der Deutschlands und anderer EU-Staaten verglichen werden, auch wenn bis jetzt noch keine Integrations- und Sprachkurse an- 63 geboten werden (in Deutschland erhalten Neuankömmlinge heute 900 Stunden). In Italien gibt es viele „Kulturmediatoren“, deren Arbeit hochgeschätzt wird und die im Vergleich zu den traditionellen Strukturen, wie den Patronati (gewerkschaftlich orientierte soziale Beratungsdienste) weniger technisch, sondern stärker kulturell ausgerichtet sind. Die früher nicht vorstellbare Vielfalt der heutigen Gesellschaft unterstreicht die Bedeutung der „Mediation“, den Migranten Unterstützung bei der Anpassung an die Italiener und die italienischen Grundnormen zu geben, heißt aber auch, dass die Italiener ihrerseits davon überzeugt werden müssen, die soziokulturellen Eigenheiten der Migranten kennen zu lernen und zu achten. Die ganze Gesellschaft ist aufgerufen, in ihren Gesetzen, Ämtern und der Mentalität ihrer Bürger interkulturell zu werden. Die Aufwertung der Migrantenvereine ist daher von strategischer Bedeutung, aber bis heute wurden die hierzu notwendigen Ressourcen nicht zur Verfügung gestellt. Obwohl man die Bedeutung von national gemischten Vereinen erkannte, war man auf italienischer Seite nicht immer bereit den Migranteninitiativen eine besondere Rolle zuzuerkennen und den Migranten eine leitende Funktion in italienischen Organisationen zu überlassen. 7. Eingeschränkte Teilhabe erschwert die Integration. 64 Die relativ positive Eingliederung der ersten Generation ist auf viele Fakten zurückzuführen: auf den vergleichsweise offenen Charakter der Gesetze, die positive Haltung von Gesellschaft und Kirche, die Unterstützung von Gewerkschaften und Unternehmern, die große Nachfrage nach Arbeitskräften und die wenig kulturell und religiös bedingten Konflikte. Aber nicht alles verlief immer glatt und dieser Prozess hat sich heute verlangsamt. Verschiedene Beispiele zeigen, dass es Diskriminierung gibt, den Migranten im öffentlichen Leben, in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz eine nur begrenzte Teilhabe zugebilligt wird und ein guter Teil der Bevölkerung sich ihnen gegenüber wenig oder gar nicht offen verhält. 60% der Migranten leidet unter Diskriminierung seitens der Arbeitskollegen und nur 33% erklärt, dass sie beruflich befördert wurden, ein Prozentsatz, der bei den Frauen sogar auf 11,4% sinkt (IRES-CGIL 2005). Obwohl die Weigerung, Migranten mit Aufenthaltserlaubnis eine Wohnung zu vermieten, eine klare Diskriminierung darstellt, die mit einer Entschädigung und einer Haftstrafe bis zu 3 Jahren geahndet wird, findet man immer wieder diskriminierende Zeitungsannoncen (“Porta Portese” in Rom und “Secondamano” in Mailand; Studie der Internetzeitung www.stranieriinitalia.it vom April 2005). Dass man nicht an Migranten vermieten will, wird auch von einer bei 10.000 (von 60.000) Mitgliedern des „Vereins Kleiner Wohnungseigentümer“ in 5 Städten in Norditalien und in 7 Städten in Süditalien durchgeführte Umfrage bestätigt: 57% der interviewten Eigentümer waren nicht bereit, an Migranten zu vermieten. In den italienischen Schulen gibt es heute über eine halbe Million ausländischer Schüler (Schuljahr 2006/2007), was einem Anteil von 5,6% an der gesamten Schülerzahl entspricht; in einigen Gebieten ist die Zahl sogar mehr als doppelt so hoch (1 ausländischer Schüler auf 8 italienische Schüler). In Mailand und Rom finden wir die meisten ausländischen Schüler: 48.000 bzw. 40.000 Schüler mit ausländischer Staatsbürgerschaft. An den höheren Schulen sind diese dagegen kaum vertreten (nur 9.000 treten zum Abitur an), sie besuchen vielmehr technische Fach- und Berufsschulen und finden deswegen nur schlechtere Arbeitsplätze, genau so wie es für die Kinder von Italienern in Deutschland der Fall ist. Man schätzt, dass mehr als drei Viertel der ausländischen Schüler sitzenbleiben oder verspätet eingeschult werden. Das ist besonders besorgniserregend in einem Land, in dem viele Schüler (ein Fünftel) die Schule frühzeitig ohne Abschluss verlassen. Die italienische Schule, die in der Vergangenheit so wichtig für die Eingliederung von Migrantenkindern war, fängt an, Ermüdungserscheinungen zu zeigen, nicht nur weil jede neue Regierung eine andere Schulpolitik vertritt, sondern weil auch zu geringe finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um die sprachlichen Schwierigkeiten der Migrantenkinder auszugleichen und eine kulturelle Vermittlung zwischen den Neuankömmlingen und den italienischen Schülern und ihren jeweiligen Eltern zu ermöglichen. Außerdem führte der so schnell wachsende Anteil von ausländischen Schülern in vielen Gebieten in den letzten Jahren zu Widerständen in der Bevölkerung. Heute muss uns die geringe (und kaum beachtete) Beteiligung der jungen Migranten an gemeinsamen Aktivitäten mit Italienern Sorge machen. Zudem ist es immer noch schwierig, die italienische Staatsbürgerschaft zu erwerben. In Deutschland, wo 2006 125.000 Personen eingebürgert wurden, sechsmal so viel wie in Italien, das 2006 19.000 Personen die Staatsbürgerschaft verlieh (immerhin, fast doppelt so viel wie in den Vorjahren), gibt es seit dem 1. Januar 2001 ein neues Gesetz, nach dem die erforderliche Aufenthaltsdauer für Erwachsene von 15 auf 8 Jahre gesenkt und die Kenntnis der deutschen Sprache für den Erwerb der Staatsbürgerschaft vorausgesetzt wird. Minderjährigen mit mindestens einem Elternteil, der seit 8 Jahren eine zeitlich unbeschränkte Aufenthaltserlaubnis hat, wird der Erwerb der Staatsbürgerschaft ermöglicht. In Italien erwerben dreimal weniger Migranten die Staatsbürgerschaft als im europäischen Durchschnitt. In der italienischen Gesellschaft gibt es deshalb nur wenige hunderttausende italienische Staatsbürger mit Migrationshintergrund, die die zahlreichen Migrantengemeinschaften auf den verschiedenen Ebenen des öffentlichen Lebens (Parlament, Ämter, Schulen, religiöse Organisationen, usw.) vertreten und eine Vermittlungsfunktion übernehmen können. In Italien besteht im Gegensatz zu Deutschland und anderen EU-Staaten eine größere Unsicherheit in Bezug auf das Verfahren zum Erwerb der Staatsbürgerschaft für langfristig in Italien lebende Migranten. Ein wohl überdachter Grundgedanke könnte sein, dass die Staatsbürgerschaft als Krönung eines soziokulturellen Anpassungsprozesses an die neue Gesellschaft und nicht als Instrument zur leichteren Anpassung verstanden wird. Zusätzlich sollten noch andere Instrumente erwogen werden, wie eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und das Kommunalwahlrecht in der Stadt, in der der Nicht-EUAusländer gemeldet ist. 8. Italien hat auf dem Weg zu einem Zukunftskonzept von Integration, auf das sich Deutschland in den letzten Jahren mit großer Überzeugungskraft verständigen konnte, nur die halbe Strecke zurückgelegt. Da allgemein bekannt ist, dass auf die ausländischen Arbeitskräfte nicht verzichtet werden kann (man schätzt, dass schon heute in über einer Million Familien Ausländerinnen aushelfen), könnte man zu der Überzeugung kommen, dass die Integration der Migranten in die Gesellschaft und das persönliche Umfeld leicht sein müsste. Das ist aber keineswegs der Fall. Abgesehen von verschiedenen Vorkommnissen von Diskriminierung, besteht in Teilen der Gesellschaft Skepsis, ob ein harmonisches Zusammenleben überhaupt möglich sei. Die Bevölkerung scheint geteilter Meinung zu sein, als ob sie zu dem Zeitpunkt auf halber Wegstrecke stehenbleiben wolle, als die Zu- 65 66 wanderungszahlen in die Höhe schnellen; auch beeinflusst von falschen, auf jeden Fall aber ungenauen Informationen. Einer Studie von “Makno & Consulting” zufolge, die im Auftrag des Innenministeriums durchgeführt wurde, bilden sich die interviewten Italiener ihre Meinung vor allem durch die Fernsehnachrichten (in 85% der Fälle) und denken häufig, dass die Zahl der illegalen Migranten die der legalen um 50% überschreitet (das wären 4,5 Millionen illegale Migranten!). Aus einer Umfrage von Eurobarometer aus dem Jahre 2005 ergibt sich, dass 54% der Deutschen und 40% der Italiener davon überzeugt sind, dass die Migranten härter als die Einheimischen arbeiten, ein Fakt, der durch statistische Zahlen belegt wird. Außerdem denken 41% der Italiener, dass Migranten mehr an kriminellen Aktivitäten beteiligt sind als Einheimische, nur 14% nimmt das Gegenteil an. Aus einer anderen Umfrage ist zu entnehmen, dass 58% der interviewten Italiener der Meinung sind, dass vor allem Migranten für die steigende Kriminalität und weniger Sicherheit verantwortlich gemacht werden müssen (SWG-Umfrage für den Espresso, Juli 2005). Ausgehend von einer Umfrage in 31 Städten der EU (15 Mitgliedstaaten) von Eurobarometer (Januar 2004) stehen 42% der Turiner der Integration von Migranten kritisch gegenüber, während der europäische Durchschnitt bei 30,5% liegt (höhere negative Spitzen finden sich dagegen in Stockholm, Rotterdam und Amsterdam; http:/europa. eu.int/comm/public_opinion/flash/fl_156_en.pdf). Zuversichtlicher sind die Römer, die zu 46,5% eine positive Einstellung zur Integration haben (noch positiver eingestellt sind die Neapolitaner mit 49,3%). Es ist also noch nicht alles verloren. Wenn wir einen Vergleich mit anderen Mitgliedsstaaten und anderen Parametern machen, steht Italien ziemlich gut da. In der Studie Die Herausforderung Europas 2005 des GFK-Instituts in Nürnberg erscheinen die Franzosen, Deutschen und Italiener als die tolerantesten und am wenigsten fremdenfeindlichen Völker der EU und zeigen sich in dieser Reihenfolge auch weniger besorgt, wenn es um Migration geht (www.gfk.com). Man kann auch eine große Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen und anderen Religionen feststellen. Anhand einer 2004 in Mailand, Bologna, Rom, Neapel und Palermo von CIRM mit 1000 Italienern durchgeführten Umfrage sind 55% damit einverstanden, dass die Migranten ihre eigenen Sitten beibehalten sollen und haben eine positive Meinung zu binationalen Ehen und dem islamischen Schleier (je 63% und 69%). Die Vorurteile gegenüber Muslimen, Juden und Migranten aus Nicht-EU-Staaten sind jedoch allgemein höher: fast 50% der interviewten Italiener denkt, dass diese in ihre Heimat zurückkehren sollten (Studie anhand von 22.000 Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, die in über 100 Gemeinden verschiedener Größe von der Universität Rom, La Sapienza, Fakultät für Sozialforschung G. Statera durchgeführt wurde – Prof. Campilli koordinierte diese Studie, die am 28. April 2004 vorgestellt wurde). Das Alter beeinflusst auch die Vorurteile. Schüler und Studenten scheinen offener zu sein. Bei einer Umfrage mit 4.000 Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren ergab sich, dass 56% der Schüler und Studenten meinen, durch ausländische Studenten andere Kulturen kennenzulernen, dagegen stehen nur 19% den Ausländern völlig gleichgültig gegenüber und 7% sehen in ihnen eine Gefahr für die italienische Gesellschaft (www.studenti.it). Wenn wir schließlich zu den Maßnahmen kommen, so sind nach Ansicht der Italie- ner die Schaffung von Arbeitsplätzen, mehr binationale Ehen und die Teilnahme an den Kommunalwahlen die wichtigsten Instrumente zur Förderung der Integration. Von 63% der Befragten wird befürwortet, dass Migranten mit nachweislich 10 Jahren Aufenthaltsgenehmigung sich an Kommunalwahlen beteiligen sollen (Umfrage von 1.000 Personen in Mailand, Bologna, Rom, Neapel und Palermo, 2005 von der Società Dinamiche/Palermo durchgeführt). 9. Der italienische Weg kann sich auf keine erprobten Modelle beziehen, deswegen ist innovatives Experimentieren im Rahmen einer größeren europäischen Dimension erforderlich. Italien, das sich bewusst geworden ist, ein Einwanderungsland zu sein, ist im Unterschied zu Deutschland, Frankreich, Großbritannien und anderen EU-Staaten weit weniger durch seine Erfahrungen geprägt, wie es der Präsident der Caritas, Bischof Francesco Montenegro, hervorgehoben hat: Wir müssen vor dem Hintergrund der neuen Erfordernisse der europäischen Migration die Grenzen der in diesen Staaten erprobten Modelle erkennen, auch wenn selbstverständlich alle Modelle positive Elemente enthalten, die es zu sichern gilt, und nicht von vorne angefangen werden muss. Einige Beispiele für wichtige europäische Erfahrungen: • Ausnahmen bei der Anwendung von Grundnormen dürfen auf keinen Fall zugelassen werden. Außerdem muss besonderer Wert auf die Sitten und Gebräuche eines westlichen Landes, die Grundsätze der Laizität einer Gesellschaft, die Chancengleichheit für alle Bürger, die gesetzliche Gleichberechtigung der Geschlechter und die Gleichstellung der Religionen - nur einige wichtige Beispiele - gelegt werden. • Die Tatsache, dass einige Länder Erleichterungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft geschaffen haben, erweitert den Spielraum eigener Identifikation und Teilhabe, insbesondere für die Migrantenkinder, auch wenn dies nicht ausschlaggebend für ein friedliches Zusammenleben ist, wenn nicht zuvor alles unternommen wird die Gesellschaft offen und pluralistisch zu gestalten. • Vieles was ein fruchtbares Zusammenleben fördern kann, hängt jedoch weniger von Gesetzen, als von den Bemühungen, einander zu verstehen, ab. Die Geschichte, die von uns und den Migranten ein friedliches Zusammenleben erfordert, zwingt uns zu einer Haltung der gegenseitigen Anpassung. Erforderlich ist ein verändertes Integrationskonzept, das sich von dem der Vergangenheit abhebt, das alle EU-Staaten – die alten wie die neuen Einwanderungsländer, die Mitgliedsstaaten im Norden, im Zentrum und am Mittelmeer – in die Rolle von Lehrlingen verweist: wir sind alle, einschließlich der Migranten dazu aufgerufen, ein neues Modell für das Zusammenleben zu entwickeln, das europäischere und gemeinschaftlichere Züge trägt und weniger auf die Bedürfnisse des einzelnen Staates orientiert ist. In dieser umwälzenden Situation der Migration in Europa wirkte sich das Scheitern der Volksbefragungen 2005 in Frankreich und den Niederlanden zur Verfassung negativ aus, auch wenn die anschließende Vermittlung aus der Sackgasse herausgeführt hat. Diese schon an sich schwierigen Verhältnisse werden noch durch die politische Lage in Italien erschwert, die durch die Konflikte zum Thema Migration zusätzlich belastet wird. Das Land sollte ideologische Auseinandersetzungen verringern können. 67 10. Das Vertrauen der Migranten in die Italiener macht uns Hoffnung. 68 Die Analyse wichtiger, in den letzten drei Jahren durchgeführter Studien erlaubt uns die Feststellung, dass die Migranten gegenüber den Italienern eine wohlwollende und grundsätzlich positive Haltung einnehmen. Wie aus einer im Auftrag des italienischen Innenministeriums 2007 durchgeführten Studie hervorgeht, bestätigen die meisten Migranten, dass es ihnen in Italien gut geht, weil sie Arbeit gefunden haben, ihnen die Freundlichkeit und Lebensart (einschließlich der Küche) der Italiener, die schöne Architektur und das Klima gefallen; auch wenn die Aufnahme im Land, insbesondere auf der Arbeit und bei der Wohnungssuche zu wünschen übrig lässt. Diese Einschätzung geht auch aus der von Dossier Caritas/Migrantes (im Mai 2007) im Auftrag der Deutschen Botschaft und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Rom durchgeführten Umfrage hervor. Die Mängel Italiens und der Italiener, die aus einer Mischung aus unzureichenden Gesetzen, Vorurteilen, Misstrauen und konkreten Hindernissen bei Bürokratie, sozialen Dienstleistungen und Wohnungsmarkt bestehen, werden vor allem durch die Solidarität, aber auch durch Angebote bei der gesundheitlichen Versorgung, beim Zugang zu Schulen und sozialen Dienstleistungen sowie schließlich durch das große Ausmaß an Wertschätzung und Zuneigung kompensiert. Auch wenn in anderen Ländern größere Arbeitschancen, ein besserer Wohlfahrtsstaat und eine größere Vertrautheit mit einer multikulturellen Gesellschaft bestehen, so ist Italien dennoch für die meisten Migranten das Land, in dem sie bleiben möchten. Diese tröstliche Grundbereitschaft bezieht sich auf eine Wirklichkeit voll von Licht und Schatten. In der Europäischen Union wird jedes Jahr am 26. September der europäische Tag der Sprachen, ein außerordentliches, zu schützendes und zu förderndes Erbe, begangen. In Italien sprechen die Migranten rund 150 Sprachen. Für sie gibt es ein Angebot von 172 Radioprogrammen, 20 Fernsehprogrammen und 29 Zeitungen in Fremdsprachen (Radio- und Fernsehprogramme werden auch auf Italienisch gesendet), die ausschließlich an die Migranten gerichtet sind: 7 in spanischer Sprache, 3 in englischer Sprache, 3 in Portugiesisch, jeweils 2 in chinesischer, albanischer, ukrainischer und rumänischer Sprache, jeweils 1 in Punjabi, Französisch, Polnisch, Bulgarisch, Pakistanisch, Russisch, Tagalog und Arabisch (2005). Diese Zahlen dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich nur um einen Anfang handelt und noch viel zu tun ist. Bei dieser Aufzählung dürfen nicht die Migranten vergessen werden, die in italienischer Sprache schreiben. Die Datenbank “Basili” zählt 279 Schriftsteller (119 davon Frauen, das entspricht 43%; davon kommen 96 aus Afrika, 54 aus Amerika, 47 aus Asien, 82 aus Europa; insgesamt 80 Nationalitäten). Die Beziehungen der Italiener zu ihren ausländischen Nachbarn sind im Allgemeinen gut und von gegenseitigem Entgegenkommen geprägt, 30% der interviewten Italiener zeigen eine eher freundliche Gleichgültigkeit; seltener geht es in offene Feindschaft und völlige Ablehnung/Intoleranz über (Progetto Inte.Mi.gra 2004). Eine andere, in der Toskana durchgeführte Studie legte offen, dass zwar zwei Drittel eine positive Einstellung haben, doch Unterschiede gemacht werden zwischen Achtung fühlen (35%) und Toleranz üben (29%). 8 von 10 interviewten Migranten erklären dagegen, dass ihr Leben sich seit der Ankunft in Italien verbessert hat und über 60% sind sicher, auf Dauer in Italien bleiben zu wollen. Sie sind aber keinesfalls „blauäugig, kennen die Schwachstellen des „Italienischen Systems“ und fordern vor allem allgemeine Dienstleistungen (bei Arbeits- und Wohnungssuche, dem Erlernen der Italienischen Sprache, bei der Religionsausübung). Am Anfang geht es hauptsächlich um das Überleben, man bekommt Hilfe von den eigenen Landsleuten und später auch von Migrantenfreunden. Nach dieser Anfangsphase kommt Heimweh auf, man leidet unter Einsamkeit und darunter, dass man sich nicht einbezogen fühlt (IREF-ACLI-Studie, Dezember 2005 März 2006; durchgeführt auf der Grundlage von 1.000 Familien mit 31 verschiedenen Staatsangehörigkeiten). Bei ihrer Eingliederung stoßen die Migranten immer wieder auf einen Mangel an Sensibilität bei den Italienern. In einer auf der Basis von 3.000 Migranten 2003 durchgeführten Umfrage vom Osservatorio Immigrati der UIL von Rom und Latium erklärte sich ein Drittel der Migranten unzufrieden mit der Aufnahme und Toleranz seitens der Italiener und gut 40% waren mit dem Verhalten der Mitarbeiter der Behörden nicht zufrieden. Wie schon angedeutet wurde, fehlt es nicht an wirklicher Diskriminierung. Es sind vor allem Menschen, die schon seit längerer Zeit legal in Italien leben, durchschnittlich 40 Jahre alt sind, einen festen Arbeitsplatz und feste Beziehungen haben und ihre Rechte und Pflichten besser kennen, die das “Grüne Telefon” von UNAR-Ufficio Antidiscriminazioni Razziali anrufen. Das zeigte die Auswertung von 3.438 Telefongesprächen, die 2005 bei der UNAR eingingen, und von 10.000 Anrufen im Jahre 2006, bei denen man den Hinweisen nachging und 351 wirkliche Fälle von Diskriminierung feststellte. Die meisten Klagen gingen von afrikanischen und besonders nordafrikanischen Migranten aus (ein Fünftel aller Fälle) und betreffen meistens Arbeit und Wohnung und weniger das tägliche Zusammenleben und die öffentlichen Dienstleistungen.23 Trotz allem sind die Migranten optimistischer als die Italiener; sie sparen mehr, sind eher bereit, Risiken auf sich zu nehmen, Herausforderungen einzugehen und neigen allgemein eher dazu, Kredite aufzunehmen, um ihren Lebensstandard zu verbessern (laut einer CENSIS-Studie für den Delta-Konzern anhand von 800 Migranten, die im November/Dezember 2005 durchgeführt wurde). Die Caritas Italiana und die Fondazione Migrantes, zwei im Migrationsbereich tätige Organe der italienischen Bischofskonferenz, sind der Überzeugung, dass auf „ein friedliches Zusammenleben, in dem Italiener und Migranten sich gemeinsam für den Fortschritt einsetzen, nicht verzichtet werden darf, denn eine in ihrem Inneren gespaltene Gesellschaft hat schlechte Zukunftsaussichten. Es muss nicht nur in Italien, sondern auch auf EU-Ebene, gelingen, die Mehrheit der Bürger an einem Prozess zu beteiligen, der darauf abzielt, dass die vielen Kulturen der Zuwanderer mit den tragenden Linien der westlichen Tradition in Einklang gebracht werden. Die italienische Kirche war und ist ihrerseits nie der Ansicht, dass offene und gerechte Migrationsgesetze eine Gefahr für den christlichen Glauben darstellen, dessen Fundament, sofern es stabil ist, in der Auseinandersetzung auch gestärkt wird“. (23) Ministero Pari Opportunità/Ufficio Nazionale Antdiscriminazioni Razziali (Ministerium für Chancengleichheit – Nationales Amt gegen rassistische Diskriminierung, UNAR) Un anno di attività contro la discriminazione razziale, Rapporto 2005, (Ein Jahr der Aktivitäten gegen rassistische Diskriminierung, Jahresbericht 2005, Rom 2006 Demetra); P. Vulpiani, „Disparità di trattamento e discriminazione razziale: i dati dell’UNAR” (Ungleiche Behandlung und rassistische Diskriminierung: Daten der UNAR), in Caritas/ Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2007. Edizioni Idos, Rom 2006, S. 220-228. 69 Rom und die Stadt der Zukunft: international, interkulturell und interreligiös Mons. Guerino Di Tora, Direktor der Caritas Diözese Rom 70 Die Kirche von Rom ist natürlich eng mit der Stadt verbunden, die zugleich auch Sitz des Oberhaupts der Katholischen Kirche ist. Der Verantwortliche für die Diözesanscaritas in Rom steht natürlich genauso wie alle anderen Bürger dem Weltgeschehen aufgeschlossen gegenüber und schenkt dementsprechend der Migration eine große Aufmerksamkeit. Aufgrund unserer langen, einschlägigen Erfahrung möchte ich die Merkmale erläutern, die eine Stadt auszeichnen sollte, die sich mit der Migration, einem europaweiten Phänomen, auseinanderzusetzen in der Lage ist. Nach den Vorgaben des II. Vatikanischen Konzils soll die Kirche nicht von der Gesellschaft getrennt leben, sondern wie Hefe in ihrem Inneren wirken: deshalb sind wir berufen, die Probleme, Risiken und Hoffnungen der Migranten und ihre unvollkommenen und ungerechten Weltverflechtungen, die viel Leid verursachen, zu teilen. Auch ohne diese religiöse Begründung ist klar, dass die Migranten die wichtigste menschliche Seite der Globalisierung darstellen, denn der Wegfall der Grenzen hat für sie nicht nur eine physische Seite, sondern wird als existenzielle Erfahrung, mit seinen täglichen Höhen und Tiefen, erlebt. Sie sind für uns wie ein offenes Buch, das uns einlädt zu fragen und zu entscheiden, ob wir die Zuwanderer wirklich aufnehmen oder uns gegen sie abschotten wollen. Diese ambivalente Haltung führt in allen europäischen Ländern zu ernsthaften Problemen. Die Migration ist heute eines der Merkmale unserer Zeit. Migration gab es auch in der Vergangenheit und Italien legt dafür mit 28 Millionen Auswanderern seit 1861 – noch heute leben rund 3,5 Millionen italienische Staatsbürger im Ausland – ein beredtes Zeugnis ab. Die heutige Migration, eine der Folgen der Globalisierung einer Welt als “globalem Dorf“, verursacht durch ein Reihe von strukturellen Veränderungen, ist ein Schlüssel zum Verständnis unserer Zeit. Dies nicht zur Kenntnis zu nehmen, hieße die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Doch diese Feststellung reicht allein nicht aus, wir müssen die Bedeutung dieser Tatsache auch verstehen. Es freut mich, die Stadt Rom als die Stadt der drei I’s vorzustellen: als eine internationale, interkulturelle und interreligiöse Stadt.24 Ich denke jedoch, dass diese Eigenschaften nicht nur uns gehören und deshalb möchte ich sie in Bezug auf alle europäischen Städte kommentieren. Das erste „I“ steht für international Rom ist auf eine besondere Art und aus verschiedenen Gründen eine internationale Stadt. Zu verweisen ist auf die römische Geschichte, die Katholische Kirche, die Kunst, den Sitz der italienischen Regierung, den Vatikanstaat und die FAO (UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft) sowie eine weitere Vielzahl von UN-Vertretungen. Die internationale Dimension Roms wird durch die Migration noch verstärkt, denn hier wohnen die meisten Migranten Italiens. (24) Caritas Rom, Osservatorio Romano sulle Migrazioni. Terzo Rapporto, (Römische Beobachtungsstelle zur Migration, 3. Bericht) Edizioni Idos, Rom 2007, S. 5-12. Anfang 2007 war die Zahl der Migranten in der Provinz Rom auf 431.000 Einheiten gestiegen (Schätzung des Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes Ende 2006);25 heute sind es fast eine halbe Million. Zwei Drittel davon leben in der Hauptstadt und ein Drittel in den über 100 Gemeinden der Provinz. Sie kommen aus allen Ländern der Welt und bilden große Gemeinschaften, denken wir an die Rumänen, Albaner, Marokkaner, Chinesen, Philippiner, Peruaner, Pakistani und Bangladeschis. Sie kommen, um sich langfristig oder endgültig niederzulassen (Arbeit und Familie), um sich in allen Wirtschaftsbereichen zu etablieren. In Rom begegnen wir den unterschiedlichsten Gruppen von Migranten, was den Zweck des Aufenthalts und ihre Ausbildung betrifft: von Ordensleuten bis Diplomaten, von Studenten bis Geschäftsleuten, von Arbeitnehmern bis zu Unternehmern. Viele kommen nach Rom, bevor sie sich dann in einer anderen italienischen Stadt oder im Ausland niederlassen; andere wollen endgültig in einer so faszinierenden Stadt leben. Alle finden hier Landsleute. Rom ist wie eine „Lunge”, die viele für einen längerfristigen Aufenthalt aufnimmt, um sie dann später wieder auf das Land, je nach persönlichen Erwartungen, familiären und ethnischen Verbindungen, zu verteilen. Alle italienischen und europäischen Städte sind – wenn auch auf verschiedene Weise – infolge der Zuwanderung internationaler geworden: so entstanden neue wirtschaftliche, kulturelle und soziale Verbindungen, die immer stärker werden. Wegen der demografischen und Beschäftigungsentwicklung bekommt die Zuwanderung eine immer größere strukturelle Bedeutung und wird weiter wachsen. Wenn dies richtig ist, so gehört eine internationale Aufgeschlossenheit in das Gepäck einer modernen Stadt. Die Päpste haben sich als Bischöfe Roms bei verschiedenen Gelegenheiten dafür ausgesprochen, dass sich Rom aufgeschlossen zeigen muss, um die Zuwanderer eingliedern zu können. Gleiches schlugen sie an den Weltmigrationstagen der ganzen Welt vor. Den Zuwanderern müssen gleiche Rechte zugestanden werden, während von ihnen die Beachtung der grundlegenden Normen des Gastlandes verlangt werden muss. Die Anwesenheit der Migranten, die Tatsache, dass sie viel arbeiten und alles tun, um zu sparen und Geld in ihre Herkunftsländer zu schicken, macht unsere Städte zu Trägern internationaler Solidarität und aus Migranten internationale Entwicklungshelfer. In der heutigen Welt, in der es nicht viel Grund zur Hoffnung gibt, bedeuten die Riesensummen, die die Migranten in ihre Herkunftsländer schicken, einen wahren Segen.26 Die Überweisungen sind der Ausdruck einer gemeinschaftlichen Strategie, über die das Familieneinkommen im Herkunftsland verbessert und ein Beitrag zur Wirtschaft des ganzen Heimatlandes geleistet werden kann. Diese Ressourcen, ohne die diese Menschen um das nackte Überleben kämpfen müssten, sichern ihnen einen höheren Lebensstandard; sie können auch helfen einen Entwicklungsprozess in diesen Ländern einzuleiten, wobei viel von der lokalen Politik abhängt. (25) G. Demaio, A. Colaiacomo, F. Pittau, „Roma. Rapporto immigrazione 2007“ (Rom, Migrationsbericht 2007), Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2007, Edizioni Idos, Rom 2007, S. 398-401. (26) M. C. Chiuri, N. Coniglio, G. Ferri, „Le rimesse degli stranieri in Italia” (Die Überweisungen der Ausländer in Italien) bei Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2007, Edizioni Idos, Rom 2007, S. 292-300; „Rimesse e sviluppo economico” (Überweisungen und wirtschaftliche Entwicklung), ebd., Edizioni Idos, Rom 2006, S. 315-324. 71 Die Experten sind sich nicht sicher, ob diese Überweisungen, makroökonomisch gesehen, in jedem Fall einen Impulsgeber für Entwicklung darstellen. Einerseits loben sie die durchaus positiven Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz, das Nationaleinkommen und seine bessere Verteilung sowie den Lebensstandard der Bevölkerung des Herkunftslandes. Andererseits weisen sie darauf hin, dass die Überweisungen auch einen Teufelskreis auslösen können, der die Herkunftsgemeinschaften in die Abhängigkeit treibt, zu mehr Auswanderung von Arbeitskräften führt, öffentliche Investitionen zurückgehen lässt und die Verbraucher- und Lebensmodelle der örtlichen Bevölkerung verändert, unabhängig von den Folgen, die eine Verringerung dieser Finanzströme auslösen würde. Es geht hier natürlich nicht um überflüssige oder dem Prestige dienende Ausgaben, sondern vor allem um den Kauf eines Hauses, die Erziehung der Kinder und die gesundheitliche Versorgung, die mittel- und langfristig produktiv und zukunftsfördernd für diese Länder sind. Unter Berücksichtigung der Erfahrungen in einigen Ländern sind jedoch die geeigneten Entwicklungsbedingungen vor Ort zu klären. Die Hauptakteure dieses globalen Phänomens sind die bei uns lebenden Migranten und zusammen mit ihnen unsere Städte, die in Ergänzung zu diesen Überweisungen spezifische Entwicklungsprojekte realisieren. Ich denke, dass wir diesen Ansatz verstärken sollten. Das zweite „I“ steht für interkulturell 72 Aus Angst vor dem Verlust des eigenen kulturellen und religiösen Erbes stellen sich viele gegen die Zuwanderung. Den Anderen aufnehmen, heißt aber keinesfalls, auf die eigene Kultur und den eigenen Glauben zu verzichten und seine Wurzeln zu kappen. Im Gegenteil, dies alles muss neu belebt werden, um einen umfassenden Dialog führen zu können. Die Angst, die eigene Identität zu verlieren, sollte nicht auf die Zuwanderung, sondern auf die nur oberflächliche Entwicklung dieser Identität zurückgeführt werden. Gerade der Kontakt mit dem Anderen kann dazu beitragen, die eigene Identität zu stärken. Kardinal Roger Etchegaray, Präsident von „Justitia et pax“, sprach im Jahr 2000 bei der Vorstellung des „Dossier Statistico Immigrazione“ über das Zusammenleben der Unterschiede, so auch dem der Religionen. Seine Worte drückten sehr gut aus, was das Lehramt der Kirche über die Migration denkt und welches die Aufgaben sind, die jeden von uns erwarten. Modern sein bedeutet Austausch, Begegnung der Kulturen, Beziehungen zu mehr Ländern, mehr Sprachen, größere religiöse Sensibilität. Auch uns würde es gut tun, mehr zu erfahren über die Geschichte anderer Länder und Regionen, über neue Musik und neuen Gesang und andere Lebensmittel. Gewiss müssen die Veränderungen schrittweise erfolgen und ein richtiges Gleichgewicht zwischen Einheitlichkeit und Verschiedenheit muss gefunden werden. Kulturelle Prozesse vollziehen sich nur langsam und nur, wenn sie eine gewisse Reife erlangt haben, können Menschen überzeugt werden, ohne dass ihre Gefühle verletzt werden. Das Andersartige verliert das Feindliche, wenn es uns näher kommt, und zieht und regt gerade wegen seinem Anderssein an. Es geht nicht darum, eine Rangfolge aufzustellen, sondern darum, das Besondere zu entdecken, das anders ist als bei uns, die Hintergründe zu verstehen, aber auch Anpassung zu verlangen, wenn der neue soziale Kontext dies erfordert, wie auch das Andere zu fördern, soweit es keine Konflikte hervorruft. Interkulturell ist das geeignete Adjektiv, um auf die notwendigen Synergien hinzuweisen, die zwischen uns, den Einheimischen und den Zuwanderern geschaffen werden müssen. Ausgehend von dieser Überzeugung hat die römische Caritas sich zunächst um die Grundbedürfnisse der Zuwanderer (Essen, eine warme Mahlzeit) gekümmert und seit Anfang der neunziger Jahre ein besonderes Konzept, das sogenannte Forum per l’intercultura (multikulturelles Forum) entwickelt, an dem sich italienische Verbände und Migrantenvereine jeder Religionszugehörigkeit beteiligen können. Im Laufe der Jahre haben wir mit dem Ziel der interkulturellen Bildung mit rund 5.000 Dozenten und zehntausenden Schülern zusammengearbeitet und in den Schulen ähnliche Initiativen angeregt. Darüber haben wir aber keinesfalls die anderen Teile der Gesellschaft vergessen - Gemeinden, Pfarreien, Vereine, Bewegungen, Zirkel, Stadtviertel, manchmal auch die politischen Parteien und Berufsverbände (Polizisten, Verkehrspolizei, Richter, Sozialarbeiter, Psychologen) - haben Tagungen, Kurse und Feste organisiert und „Kulturmediatoren“ für Problemlösungen zur Verfügung gestellt. Um diese Aufgaben leichter umsetzen zu können, veröffentlichten wir auch verschiedene Bände, z.B. : 1990 nach Verabschiedung des Martelli-Gesetzes den ersten Band über die Migration: Il pianeta immigrazione: dal conflitto alla solidarietà (Der Planet der Migration: vom Konflikt zur Solidarität); 1991 das erste (und damals einzige) Dossier statistico Immigrazione (Statistisches Migrationsdossier) und ein Buch über den Islam, damit nach dem Golfkrieg die Leser, die nichts vom Islam wussten, diesen kennenlernen konnten (Per conoscere l’islam. Cristiani e musulmani nel mondo di oggi - Den Islam kennenlernen. Christen und Muslime in der heutigen Welt); 1993 Roma multiculturale (Das multikulturelle Rom), später Italia multiculturale (Das multikulturelle Italien) mit Informationen über die Herkunftsländer der Migranten; 1994 Immigrati e religioni (Migranten und Religionen) in Kooperation mit dem CSER, die bis in die heutigen Tage anhält, Schätzung der religiösen Zugehörigkeit der bei uns lebenden Migranten; 1995 Die ersten Dieci itinerari didattici (Zehn didaktische Wege) vom Forum per l’intercultura, zwei Jahre später folgten die Nuovi itinerari didattici (Neue didaktische Wege) und 1998 der Band Migrazioni, paesi e culture: esperienze europee a confronto (Migrationen, Länder und Kulturen: europäische Erfahrungen im Vergleich); 1996 die erste Studie über Pregiudizio e Intercultura (Vorurteile und Interkulturalität) in der Schule in Rom, ausgehend von einer Umfrage bei 250 Lehrern und 2.700 Schülern; 1997 ein Buch des Direktors, Mons. Luigi Di Liegro, das sich mit der Notwendigkeit befasst, ein neues Einwanderungsgesetz zu verabschieden (Immigrazione. Un punto di vista Migration, ein Standpunkt) und ein anderes Buch, das nach der Billigung von Gesetz 40/1998 folgte (L’immigrazione alle soglie del 2000 - Die Migration an der Jahrtausendwende); 1998 die erste Auflage des Führers Immigrati a Roma. Luoghi di incontro e di preghiera (Zuwanderer in Rom. Stätten der Begegnung und des Gebets) und der erste Bericht über Elend und Armut in Rom (Rapporto disagio e povertà a Roma), in dem ein Kapitel der Migration gewidmet ist; 2000 der einführende statistische Bericht in zwei Bänden für die Tagung Migrazioni. Scenari per il XXI secolo (Migration, Szenarien für das XXI. Jahrhundert), ein aufwendiger Auftrag, der von der Agenzia Romana anlässlich des „Heiligen Jahres“ erteilt wurde; 2004 eine Studie über die Ausbildung von Kulturmediatoren (Mediatori interculturali. Un’esperienza formativa - Kulturmediatoren, eine Ausbildungserfahrung); Seit 2004 die Jahresberichte des Osservatorio Romano über die Migration, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Provinz, Gemeinde und Industrie- und Handelskammer Rom. Die Ansprache von Migranten erfolgt paritätisch: heute beteiligen sich rund 60 „Kulturmediatoren“ im Jahr im Forum per l’intercultura, von ihnen hat die Mehrheit einen Migrationshintergrund (sie wurden auf Grund ihrer guten Ausbildung und ihres Kommunikationstalents ausgewählt). Sie sollen Italienern und Migranten beim Zusammenleben helfen, indem sie, bei Achtung der jeweiligen Unterschiede, Gemeinsam- 73 74 keiten entwickeln. Diese kulturelle Mediation besteht nicht darin zu Dolmetschen, eine lobenswerte und notwendige Aufgabe gegenüber den Zuwanderern, denn dies allein kann nicht die Erwartungen der Menschen erfüllen, die bleiben wollen. Die Aufnahme bedarf einer interkulturellen Dimension, die in den öffentlichen Einrichtungen und sozialen Organisationen verankert werden muss. Hierdurch kann eine offenere Mentalität erzeugt werden, die das Angebot an Dienstleistungen, aber auch den erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft und zum Kommunalwahlrecht betrifft.27 Besondere Bedeutung haben die Schulen, die alle Generationen besuchen müssen und die ein herausragendes „Netz“ für die Bildung der Bürger von morgen darstellen, indem sie lernen, kulturelle Unterschiede nicht zum Vorwand für die Ablehnung von Migranten zu nehmen. Die Caritas Rom richtete unter anderem den ersten interkulturellen Kindergarten Roms, den Celio Azzurro, ein, in dem Kinder bis fünf Jahren aus rund zwanzig verschiedenen Ländern aufgenommen werden, außerdem den Kinderhort Piccolo mondo, ebenfalls mit einer multiethnischen Struktur, dessen Konzept auch von anderen aufgegriffen wurde. Das Forum per l’intercultura leistet Beiträge zur Information über die Herkunftsländer der Migranten und ihre Traditionen, auch indem die Migranten über ihr Land „erzählen“; zur multikulturellen Bildung von Schülern und Lehrern; zur Präsentation von Literatur aus anderen Ländern; zur Unterstützung der ersten Migranteneliten beim Schreiben in italienischer Sprache (dabei sich an Traditionen erinnernd, die die unserigen waren - denken wir nur an die mündliche Überlieferung) und zur Veröffentlichung ihrer Texte (Roma multiculturale und Italia multiculturale - Das multikulturelle Rom und das multikulturelle Italien). So werden die Unterschiede nicht verteufelt, sondern dienen der Anregung. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt den Kulturmediatoren, den wichtigsten Akteuren in diesem großen Projekt. Mit der Verfestigung der Migration in Rom seit Mitte der neunziger Jahre wurde es notwendig Menschen auszubilden, die in der Lage waren, die soziokulturelle Begegnung zwischen der aufnehmenden Gesellschaft und den ausländischen Bürgern zu erleichtern. Man orientierte sich dabei an den schon in Nordeuropa erprobten Modellen bei NRO und kommunalen Behörden, die schon das Berufsbild des Kulturmediators eingeführt hatten. Dessen Schlüsselfunktion ist es, eine Art „Brücke“ zwischen den ausländischen Bürgern und der aufnehmenden Gesellschaft zu schlagen. Die Ausübung dieses Berufs, dessen Bedeutung immer mehr anerkannt wird, erfordert eine mittlere/hohe kulturelle Bildung, eine Begabung zur zwischenmenschlichen Kommunikation, eine Bereitschaft zum Zuhören, gute Kenntnisse sowohl der italienischen Sprache als auch der Sprachen der Migranten und der Sitten sowie (27) Heute werden vier beisitzende Stadträte in Groß-Rom und je 1 Stadtrat in jedem der 19 Bezirke Roms gewählt: diese Räte sind den anderen Räten gleichgestellt mit der Ausnahme des Stimmrechts. G. Demaio, „Roma e i consiglieri aggiunti: una forma di partecipazione” (Rom und die beisitzenden Stadträte: eine Art der Beteiligung), Caritas Rom, Osservatorio Romano sulle Migrazioni. Terzo Rapporto (Römische Beobachtungsstelle zur Migration. Dritter Bericht), Edizioni Idos, Rom 2006, S. 322327. Zu der Frage des Wahlrechts für Migranten vgl. Caritas Italiana, Immigrati e partecipazione. Dalle consulte e dai consiglieri aggiunti al diritto di voto (Migranten und Beteiligung. Von den Räten und den beisitzenden Stadträten zum Wahlrecht), Edizioni Idos, 2005. Erfahrungen mit der Gesetzgebung im Bereich Migration und Asyl.28 Neben der Caritas sind in diesem Bereich in Rom viele andere soziale Organisationen und – wie schon erwähnt – viele Lehrer aus Schulen tätig: insgesamt ist es gelungen die interkulturelle Dimension im tagtäglichen Leben der Bürger konkret werden zu lassen. Viele italienische und europäische Städte haben sich aktiv dem Thema „Begegnung der Kulturen“ gewidmet. Das zeigt, dass man auf diesem Gebiet Akteur sein kann, wobei der Erfahrungsaustausch über das Erreichte dazu dienen kann, sich noch weitere, höhere Ziele zu setzen. Das dritte “I” steht für interreligiös Infolge der Migration beobachten wir in allen italienischen und europäischen Städten eine Vielfalt an Religionen. Ihre Verbreitung auf Weltebene beträgt: 46,3% Christen, 24,8% Muslime und 27,5% Gläubige der östlichen Religionen. Die Migranten in Italien verteilen sich ebenfalls auf verschiedene Religionen: eine Hälfte gehört christlichen Konfessionen an (in Rom machen sie zwei Drittel aus), ein Drittel sind Muslime und 5% gehört östlichen Religionen an, darüber hinaus bestehen andere religiöse Gruppen.29 Die Caritas der Diözese Rom war im interreligiösen Dialog schon bahnbrechend, als die Zeiten schwieriger waren. 1991 während des Golfkriegs hatte die Caritas Rom den Mut römische Bürger zu einem Kurs mit dem Thema „Den Islam kennenlernen“ einzuladen, an dem die bekanntesten Experten der Päpstlichen Universitäten teilnahmen. Die Vorträge des Kurses wurden in einem Buch mit einem Vorwort von Kardinal Ruini zusammengefasst. Wir organisierten seit 1991 jedes Jahr einen weiteren Kurs, zu denen wir Protestanten, Orthodoxe, Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus und andere einluden, um die in diesen Religionen enthaltenen Wahrheiten zu erklären und nach dem Vorbild des Papstes zu verhindern, dass der Gott des Friedens einen Vorwand für Krieg und Hass liefern könnte.30 Eine andere Initiative, die 1998 begonnen und 2002 und 2004 aktualisiert wurde (derzeit wird an einer neuen Aktualisierung gearbeitet), ist der Führer Migranten in Rom, Stätten der Begegnung und des Gebets, in dem wir die Adressen von Kultstätten auflisten, Karteien über die Religionen und einen Kalender mit den Festtagen zusammenstellen. So wollen wir zeigen, dass wir die Wahrheiten, die in allen Religionen enthalten sind, schätzen und dazu einladen, in den religiösen Unterschieden nicht einen Anlass für Konfrontation, sondern eine Gelegenheit zu sehen, Zeugnis für den Frieden abzulegen.31 (28) Der „Kulturmediator“ ist in ganz Italien verbreitet. Da es sich hier um den Kompetenzbereich der Regionen handelt, gibt es noch keine einheitliche Regelung. Die größten Problemen bestehen in den kurzfristigen Einsatzzeiten, bei der Finanzierung, bei der Anerkennung der Qualifizierung, bei den Ausbildungskursen und in der Gefahr, die Arbeit auf einfache Dolmetscherleistungen zu reduzieren. (29) G. Gnesotto, F. Marsico, F. Pittau, M. P. Nanni, „Il panorama multi religioso in Italia” (Das multireligiöse Panorama in Italien), Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2007 (Statistisches Migrationsdossier), Edizioni Idos, Rom 2007, S. 192-201. (30) L. Di Liegro, F. Pittau (Hrsg.), „Per conoscere l’islam. Cristiani e musulmani nel mondo di oggi” (Den Islam kennenlernen. Christen und Muslime in der heutigen Welt), Einleitung von Kardinal Ruini, Edizioni Piemme/Caritas diocesana Rom, Casale Monferrato 1991. (31) Caritas diocesana Rom, Migrantes Roma e Lazio, Immigrati a Roma. Luoghi di incontro e di preghiera (Migranten in Rom. Stätten der Begegnung und des Gebets), Rom 2004. 75 Die Zahl der Gebets- und Begegnungsstätten für Migranten stieg von 154 in 2000 auf 185 in 2004, die der Katholiken von 105 auf 132, die der Protestanten von 20 auf 26, die der Orthodoxen von 3 auf 10, die der Juden gingen von 6 auf 5 zurück, die der Muslime stiegen von 5 auf 7, während die Zahl der östlichen Kultstätten bei 5 blieb. Die aufgezählten Stätten liegen meist im 1. Stadtbezirk von Rom, nicht nur deshalb, weil es leichter ist, dort katholische Kirchen zu finden, die man zur Verfügung stellen kann, sondern weil man auch leichter aus den verschiedenen anderen Stadtteilen dorthin gelangen kann. Es gibt jedoch eine gewisse Tendenz, die Gebetsstätten dorthin zu verlegen, wo die meisten Migranten leben.32 Die Kultstätten können zugleich religiöse und soziale Zentren sein und als Bezugspunkt für viele unterschiedliche Initiativen dienen. Wir haben nicht nur geholfen, Begegnungsstätten zu finden, sondern auch über die Begegnung der Religionen nachgedacht. Im katholischen Christentum gibt es nicht nur das Gebot der Nächstenliebe, sondern auch eine Vielzahl anderer Doktrinen, die sich von denen anderer Religionen und auch von denen anderer christlicher Konfessionen unterscheiden. Nach einer leidvollen Geschichte haben wir im Westen gelernt zu akzeptieren, dass das Individuum in Freiheit entscheiden kann und dass dies vom Gesetzgeber durch einen allgemeinen, von allen einzuhaltenden Gesetzesrahmen geschützt werden muss. Das Konzept der „laizistischen Gesellschaft“ entstand zwar im Westen, ist aber als gesellschaftliches Konzept von allgemeiner Bedeutung, weil so 76 (32) Die katholischen Migranten sind die größte Gruppe und verfügen deshalb über die meisten Kultstätten. Diese stehen 57 nationalen Gruppen und 2 internationalen Gruppen (aus Lateinamerika und ausländische Studenten) zur Verfügung. Einige Nationalitäten verfügen ebenfalls über mehrere Kultstätten: die Philippiner (39), die Polen (12), die Franzosen (5), die Ukrainer und die Migranten aus Sri Lanka (je 4), je zwei haben die Griechen, Inder, Iren, Libanesen, Rumänen, Russen, Slowenen und die Deutschen. Die Lateinamerikaner verfügen über 7 multinationale und 12 nationale Strukturen, insgesamt also 19 Kultstätten. 13 Kultstätten stehen den Katholiken des östlichen Ritus zur Verfügung: mit alexandrischem Ritus für Ägypter, Äthiopier und Eriträer, mit antiochischem Ritus für die Syro-Libanesen und Maroniten des Libanon; mit armenischem Ritus für die Armenier, dem chaldäischen Ritus für die Iraker und dem syromalabarischen Ritus für die Menschen aus dem Mittleren Osten und Indien; mit dem byzantinischen Ritus für die italienischen Albaner und die Albaner, die Griechen und Leuten aus dem Mittleren Osten, den Rumänen, Russen und Ukrainern. 10 Kultstätten stehen den orthodoxen, nichtkatholischen Riten, den griechischen, russischen, ägyptischen, äthiopischen, eriträischen und rumänischen Orthodoxen zur Verfügung. Letztere versammeln sich aufgrund ihrer stark steigenden Zahl zur Zeit in 4 Gebetsstätten. Die östlichen Riten mit ihren verschiedenen Zweigen laden dazu ein, sich diesen kaum bekannten Konfessionen zu nähern. Bei den Protestanten finden wir an erster Stelle die Advenisten (12 Kirchen), gefolgt von den Waldensern (4) und dann je eine Kultstätte für Anglikaner, Lutheraner, Presbyterianer, Episkopale, die Heilsarmee und chinesische, äthiopische und französichsprechende evangelische Christen. Eine dieser Stätten hat einen internationalen Charakter und eine steht den Bibelgruppen zur Verfügung. In den 5 Gebetsstätten, in die sich die Migranten des jüdischen Glaubens begeben, kann man zwischen sephardischem und aschkenasischem Ritus wählen. Den muslimischen Migranten stehen 7 Moscheen zur Verfügung, darunter die Moschee von Monte Antenne, die größte Europas. Für die Angehörigen östlicher Religionen dienen die Meditationszentren zugleich als Stätten der Begegnung, es gibt 4 Strukturen für die Buddhisten und eine für die Sikh. von vornherein ausgeschlossen wird, dass eine Religion eine Vorrangstellung vor den anderen einnehmen kann. Dieses pluralistische Konzept ist nach jahrhundertelangen Auseinandersetzungen entstanden und ist keinesfalls oberflächlicher Natur, sondern beruht auf einem Gleichgewicht, das von beiden Extremen (dem des Fundamentalismus und dem des Säkularismus) gleich weit entfernt ist.33 Der von den Einen angerufene Gott darf nicht als Vorwand dienen, um gegen den Gott der Anderen vorzugehen; wir wollen keine Unterwerfung sondern den Frieden fördern. In Übereinstimmung mit der überkommenen Lehre der Päpste setzen wir uns dafür ein, in den Religionen ein Instrument des Friedens zu sehen und die Besonderheit des eigenen Glaubens nicht als Waffe gegen den des Anderen zu verwenden. Damit das Zusammenleben in den europäischen Ländern, in denen es immer mehr Migranten geben wird, friedlich verlaufen kann, tragen die verschiedenen Religionen eine besondere und gemeinsame Verantwortung. Jede religiöse Gemeinschaft ist aufgerufen, dem eigenen Glauben zu folgen und sich dafür einzusetzen, dass der Konflikt zwischen den verschiedenen Religionen überwunden wird und die Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden. Der einzelne Gläubige muss sich an diese Verpflichtung halten und versuchen, auch auf diejenigen einzuwirken, die der Auffassung sind, dass die Welt ohne Religionen friedlicher wäre. Dies kann er jedoch nur durch sein Zeugnis beweisen, dass der Glaube an Gott ein Konzept der menschlichen Solidarität beinhaltet und mehr Wert hat als alle gängigen gesellschaftlichen Mythen. Aus dieser Sicht kann die Migrationserfahrung im Laufe der Zeit zu einer Chance werden, die Welt zu verändern, indem die Religionen zu einem Instrument der Menschlichkeit werden. Die europäischen Städte können dank des Konzepts der laizistischen Gesellschaft, des Pluralismus und der Achtung der Gewissensfreiheit zu „Leuchttürmen“ werden, was auch den Herkunftsländern als Beispiel dienen kann. Wenn von den Kirchen – und in unserem Fall von der Caritas – gesprochen wird, so denkt man fast immer an die Hilfe für die besonders Bedürftigen und insbesondere an die Einrichtungen die den Migranten helfen, die sich in Not befinden. Auf diese Arbeit sind wir stolz. Doch sollten wir uns hüten der Migration das Etikett der Armut zu geben und dabei übersehen welche innovative Kraft aus ihr entsteht. Wenn wir an die Zukunft unserer Städte denken, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, wenn wir wollen, dass sie immer moderner und dynamischer werden, dann dürfen wir nicht den ideellen Wert der Dynamik von Migration übersehen: es sind doch gerade die Ideen und die Werte, die die Welt verändern können, einzelne Menschen stehen dabei im Mittelpunkt, ohne dass sie auf Entscheidungen der Politiker warten. Die in Rom gemachten Erfahrungen bestärken uns in dieser Überzeugung. Wir hoffen, dass viele andere europäische Städte sich unserer Meinung anschließen und – wenn dem so sein sollte – die Migration trotz all ihrer besonderen Probleme eine Chance für das Wachstum Roms und der anderen Städte und ganz Europas darstellt. (33) Die Auswüchse des Laizismus in französischer Version wurden noch jüngst vom französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy im Rahmen eines Rombesuchs relativiert. La laicità si coniuga con la fede religiosa - Da Sarkozy, manifesto per una nuova visione dello Stato (Die Verbindung von Laizität und Religion – Von Sarkozy, Manifest für eine neue Vorstellung von Staat), in Avvenire, 21 Dezember 2007 (Wiedergabe der Rede aus der Lateransbasilika). 77 Immigration in Rom Anfang 2007 Claudio Cecchini, Assessor für Sozialpolitik der Provinz Rom Mir kommt die Aufgabe zu, grundlegende Daten über die Anwesenheit der Migranten in Rom zu liefern, die fast 10% der gemeldeten Bevölkerung ausmachen. Einigen Schätzungen zufolge, belaufen sich die legalen Migranten in der Provinz Rom auf 431.000, mit einem Zuwachs von 17,7% und 65.000 Einheiten gegenüber dem Vorjahr: zwei Drittel dieser Migranten leben in der Hauptstadt, das verbleibende Drittel lebt in den Gemeinden der Provinz. Was die Gesamtzahl betrifft, so liegen die Provinz und die Stadt Rom jeweils an erster Stelle vor Mailand. Rom ist eher euro-asiatisch als euro-mediterran geprägt. Die europäischen Migranten belaufen sich nur auf etwas mehr als 40%, die Asiaten auf über ein Fünftel der Gesamtzahl und die Amerikaner und Afrikaner auf etwas mehr als 10%. Es sind mehr Frauen als Männer. Diese junge Bevölkerung, die sich vor allem aus der Altersstufe zwischen 19-40 Jahren zusammensetzt, ist zu etwas mehr als 50% ledig (auch auf Grund der vielen Priester und Nonnen). Die bedeutendsten nationalen Gruppen, unterteilt nach Herkunftskontinent, sind: 78 Europäische Union: Rumänien, Polen, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland; Europäische Nicht-EU-Staaten: Ukraine, Albanien, Moldawien, Bulgarien; Afrika: Ägypten, Marokko, Tunesien, Nigeria, Äthiopien, Cap Verdische Inseln; Asien: Philippinen, Bangladesch, China, Indien, Sri Lanka; Amerika: Peru, Ecuador, Brasilien, USA, Kolumbien, Mexiko, Argentinien und Kuba; Ozeanien: Australien, Neuseeland. Während die Anzahl der Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis in der Stadt Rom 290.000 beträgt, belaufen sich die beim Einwohnermeldeamt gemeldeten Personen auf nur 250.000. Diese Diskrepanz verweist deutlich auf das schwerwiegende Problem der Wohnungssituation, vor allem in der ersten Niederlassungsphase. Bei den Migranten sind die Frauen in der Überzahl, auch auf Grund ihres immer häufigeren Einsatzes im Bereich der Dienstleistungen, vor allem in der Haushalts- und Familienpflege (im Dienstleistungssektor arbeiten 74,3% der Beschäftigten, während 6,1% im produzierenden Sektor, vor allem im Baugewerbe arbeiten). Die meisten sind aus Arbeitsgründen in der Stadt und machen fast 10% aller Beschäftigten aus. Von großer Bedeutung und ständig zunehmend sind auch die Existenzgründungen. Viele Migranten, die zunächst Arbeitnehmer waren, haben beschlossen sich selbständig zu machen. Sie können dadurch die Möglichkeiten ihrer Ausbildung besser ausschöpfen, besser verdienen und haben weniger Schwierigkeiten mit der Aufenthaltserlaubnis. In der Provinz Rom belaufen sich die Unternehmer mit ausländischer Staatsangehörigkeit auf 11.700 und die Teilhaber auf 4.000, jeder Fünfte ist weiblich. Insgesamt sind von 1.000 Ausländern 43 als Selbständige registriert (der italienische Durchschnitt ist 57) und es wären sicher mehr, gäbe es weniger bürokratische Schwierigkeiten und einen einfacheren Zugang zu Bankkrediten. Die ausländischen Minderjährigen in der Provinz Rom belaufen sich auf 54.063, ein Fünftel der ausländischen Bevölkerung: drei Viertel der Kinder sind in der Region geboren, ein Hinweis auf die ältere Immigration in Rom und Umgebung. Die in den römischen Schulen eingeschriebenen ausländischen Schüler beliefen sich im Schuljahr 2006/07 auf 25.868, also 6,6% der Gesamtzahl (ein Prozentpunkt mehr als der Durch- schnitt aller ausländischen Schüler in Italien). Der Anteil beläuft sich auf 7,4% in der Grundschule, auf 7,5% in der Mittel- und Oberstufe. Der Anteil der Migrantenkinder geht in der Oberstufe dagegen auf 6% zurück. Obwohl diese für Migrantenkinder ungleich schwieriger ist, wird sie in Rom, im Vergleich zum nationalen Durchschnitt, von fast doppelt so vielen Schülern besucht. Das lässt für die Zukunft Gutes hoffen. Traditionell hat Rom Migranten mit hoher Schul- und Berufsbildung aufgenommen, auch wenn sie meist auf einem ihrer Ausbildung nicht entsprechenden, niedrigerem Niveau eingesetzt werden. Dies ist heute bereits ein Problem und wird für die nachfolgenden Generationen zu einem noch größeren Problem werden. Dieses hohe Niveau der Berufsausbildung erfordert eine stärkere Unterstützung durch die Migrantenorganisationen und den Ausbau ihrer Beteiligungsrechte. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass viele Arbeitnehmer anfangs schwarz arbeiten, was ihre Rechte sehr beeinträchtigt: ein typisches Beispiel dafür ist das Baugewerbe, in dem ein Drittel der Arbeitskräfte Migranten sind. Rom als Metropole ist für die umliegenden 110 Gemeinden der Provinz, in die die Migranten auf Grund der billigeren Wohngelegenheiten immer häufiger ziehen, der Bezugspunkt. Die Migrationspolitik muss sich deshalb stärker mit der gesamten Region befassen. Ein letzter Hinweis betrifft den 2007 verzeichneten Zuwachs, der nicht geringer als der des Vorjahres gewesen sein dürfte. Für Rom und Umgebung werden zur Zeit ca. eine halbe Million Migranten geschätzt, was die Notwendigkeit öffentlichen Handelns unterstreicht. Provinz und Caritas Rom Schema aus Anlass des 15. Jahrestages des “Forum per l’intercultura” Auswirkung der Migration auf die Stadt Rom Unternehmer 1 von 12 in Rom tätigen Unternehmern ist im Ausland geboren Einwohner 1 von 10 Einwohnern Roms ist Ausländer Aufenthaltsberechtigte 1 von 11 Arbeitnehmern auf dem römischen Arbeitsmarkt ist Ausländer Ehen 1 von 10 Ehen ist binational, weil ein Partner Einwanderer ist Akademiker 1 von 10 Ausländern hat einen Hochschulabschluss Dauerhaft gemeldet 1 von 9 Migranten in Italien lebt in Rom Geburten 1 von 8 Neugeborenen ist Kind ausländischer Eltern Minderjährige 1 von 7 Migranten ist minderjährig Neu Eingestellte 1 von 6 eingestellten Arbeitnehmern ist im Ausland geboren Konzentration 1 von 5 Einwohnern des 1. Bezirks ist Ausländer 2 von 3 Migranten der Provinz lebt in Rom Verheiratet 1 von 3 gemeldeten Ausländern ist verheiratet Geschlecht 1 von 2 Migranten ist eine Frau Aufenthaltsgründe Provinz Rom (31.12.2006) Langfristig registriert 90 von 100 Migranten haben eine langfristige Aufenthaltserlaubnis Arbeit 58 von 100 Migranten sind zum Zweck der Arbeitsaufnahme aufenthaltsberechtigt Familie 25 von 100 Migranten sind wegen Familienzusammenführung aufenthaltsberechtigt Kirche 10 von 100 Migranten sind wegen kirchlicher Dienste aufenthaltsberechtigt 79 Studium Asyl Andere Gründe Europäer Asiaten Afrikaner Amerikaner Christen - davon Katholiken - davon Orthodoxe - davon Protestanten Muslime Andere Religionen Primat Roms 80 Nationalität Call center Kulturmediatoren Schule Kultstätten 3 von 100 Migranten sind aus Studiengründen aufenthaltsberechtigt 1 von 100 Migranten haben um politisches Asyl nachgefragt 2 von 100 aufenthaltsberechtigte Migranten Herkunft 43 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Europäer 29 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Asiaten 13 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Afrikaner 15 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Amerikaner, vor allem Lateinamerikaner Religionen 61 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Christen 36 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Katholiken 36 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Orthodoxe 6 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Protestanten 20 von 100 Aufenthaltsberechtigten sind Muslime 7 von 100 Aufenthaltsberechtigten gehören einer anderen oder keiner Religion an Interkulturelle Aspekte Stadt Rom (31.12.2006) Rom ist die erste Provinz Italiens mit ca. 431.000 Aufenthaltsberechtigten Rom ist die erste Gemeinde Italiens mit ca. 290.000 Aufenthaltsberechtigten 195 sind die Nationalitäten der in Rom gemeldeten Migranten 1.000 sind die Call Center und Internet Points in denen sich Migranten treffen auf 500 werden die in Rom vorhandenen Sprach- und Kulturmediatoren geschätzt 1 von 15 Schülern der Schulen in Rom ist Kind von Migranten 222 sind die Begegnungs- und Kultstätten der Migranten Quelle: Statistisches Dossier Immigration Caritas/Migrantes, aus unterschiedlichen Datenbeständen Herausforderung Migration: Integration fordern und fördern Entwicklung der Zuwanderung und Situation der Migranten in Deutschland Dr. Albert Schmid, Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge „Echte Kulturen suchen die Begegnung mit anderen Kulturen“ Papst Benedikt XVI. betonte auf seiner Brasilien-Reise am 13. Mai 2007: „Echte Kulturen sind weder in sich selbst verschlossen noch in einem bestimmten Augenblick der Geschichte erstarrt, sondern sie sind offen, mehr noch, sie suchen die Begegnung mit anderen Kulturen, hoffen, zur Universalität zu gelangen in der Begegnung und im Dialog mit anderen Lebensweisen und mit den Elementen, die zu einer neuen Synthese führen können, in der man die Vielfalt der Aus- drucksmöglichkeiten und ihrer konkreten kulturellen Verwirklichung respektiert.“34 Das Phänomen großer anhaltender Wanderungsbewegungen und die damit einhergehenden Fragen werden uns dauerhaft begleiten. Wenn Migration nicht zum Problem für die innere Toleranz und die Stabilität unserer Freiheitsordnungen werden soll, muss die Integration der Zuwanderer gelingen. Der wohl berühmteste Redner des antiken Rom, Cicero, formulierte in seiner Schrift „De officiis“: „Wer aber sagt, man müsse Rücksicht nehmen auf seine Mitbürger, nicht aber auf Ausländer, der hebt die alle umfassende Gemeinschaft der Menschen auf.“ Weltweit gibt es derzeit rund 190 Millionen Migranten – Menschen, die fern ihrer Heimat leben wollen oder leben müssen. Das entspricht in etwa drei Prozent der Weltbevölkerung. Nach einem Bericht der Global Commission on International Migration sind Hauptbeweggründe für die internationale Migration die so genannten 3D-Faktoren: „development, demography and democracy“, d.h. Unterschiede bei der Wirtschaftsentwicklung, der Demografie und der Demokratie. Migration ist keine vorübergehende Erscheinung; Migration ist ein Grundelement menschlicher Existenz. Die Menschheitsgeschichte ist zugleich eine Wanderungsgeschichte. „Den ,Homo migrans’ gibt es seit es den ‚Homo sapiens’ gibt; denn Wanderungen gehören zur Conditio humana wie Geburt, Fortpflanzung, Krankheit und Tod“.35 Um die Herausforderung der Integration von heute zu verstehen und zu meistern, muss man die Zuwanderung von gestern mit ihren unmittelbaren Einflüssen auf die Gegenwart kennen. Zentrale Phasen der Zuwanderung nach Deutschland Zwischen 1952 – dem Jahr der Einführung der offiziellen Wanderungsstatistik – und 2006 sind 36,3 Millionen Menschen nach Deutschland zugezogen. Im selben Zeitraum sind rund 26,5 Millionen Deutsche und Ausländer fortgezogen. Hierbei ergibt sich für Deutschland ein Wanderungsplus von 9,8 Millionen. In dieser Zeit hat sich die Struktur der Zuwanderung stark verändert, so dass fünf Zuwanderungsphasen unterschieden werden können: 1. In den Nachkriegsjahren kamen zunächst Flüchtlinge und Vertriebene nach Westdeutschland. 2. Der Wirtschaftsboom der Nachkriegszeit führte zu einem erhöhten Arbeitskräftebedarf. Als Reaktion darauf ging die Bundesrepublik Deutschland zur Anwerbung von so genannten „Gastarbeitern“ aus dem Ausland über. Der erste Anwerbevertrag wurde 1955 mit Italien geschlossen. Ausgelöst durch die erste Ölpreiskrise und steigende Arbeitslosigkeit wurde im November 1973 ein Anwerbestopp verhängt. 3. Viele angeworbene Arbeitskräfte blieben im Land und begannen nun verstärkt, Familienangehörige nachzuholen. Schätzungen zufolge machte Mitte der 70er bis Ende der 80er Jahre der Familiennachzug, meist zu ehemaligen „Gastarbeitern“, mehr als die Hälfte des Gesamtzuzugs aus. 4. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes stellte das Jahr 1990 eine Zäsur dar. Die Migrantenstruktur veränderte sich, weil die Zahl der Asylbewerber und Aussiedler bzw. Spätaussiedler aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion anstieg. Bei den Asylanträgen wurde der Höchststand im Jahr 1992 erreicht. Damals kletterte die Zahl (34) Die Welt, 23. Mai 2007: Christus ist keiner Kultur fremd, S. 15. (35) Klaus J. Bade, 2002. 81 der Asylgesuche auf rund 440.000. Der im gleichen Jahr beschlossene Asylkompromiss, der auch eine Kontingentierung des Spätaussiedlerzuzugs beinhaltete, führte zu einem kontinuierlichen Rückgang beider Migrationsarten. 1998 sank die Zahl der Asylerstantragsteller unter 100.000, 2006 ersuchten rund 21.000 Menschen Asyl. Ebenfalls rückläufig ist der Zuzug von Spätaussiedlern: Er sank von einem historischen Hoch über 400.000 Personen im Jahr 1990 bis zu 7.700 Personen in 2006. 5. Gegenwärtig befinden wir uns in einer Konsolidierungsphase: Die Zugangszahlen sind insgesamt rückläufig und die Familieneinheit ist ein dominierender Migrationsfaktor. Facetten der Zu- und Abwanderung – Soziodemografische Struktur 82 Um ein umfassendes Bild der Migrationssituation zu zeichnen, ist sowohl die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer wie auch der Anteil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte einzubeziehen. 19% der Bevölkerung in Deutschland weist einen Migrationshintergrund auf – das heißt, beinahe jeder fünfte Einwohner Deutschlands hat eine Zuwanderungsgeschichte. Von diesen rund 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben 96% in den westlichen Bundesländern Deutschlands und Berlin. Inzwischen hat fast jedes dritte Kind unter fünf Jahren einen Migrationshintergrund. Ein Blick in die Klassenzimmer deutscher Schulen zeigt: Durchschnittlich rund 22% der 15-jährigen Schüler haben einen Migrationshintergrund. In Großstädten ist der Anteil der Migranten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung am größten: In Stuttgart, Frankfurt/Main und Nürnberg haben rund 40% der Einwohner einen Migrationshintergrund.36 Im Gegensatz zu den Personen ohne Migrationshintergrund sind in der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund Frauen etwas unterrepräsentiert. Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist außerdem deutlich jünger als die ohne Migrationshintergrund, erkennbar am geringeren Durchschnittsalter, dem höheren Anteil der bis 15-Jährigen und dem deutlich geringeren Anteil der über 65-Jährigen.37 Betrachtet man lediglich den Anteil an Ausländern in Deutschland, so liegt ihre Zahl laut Ausländerzentralregister bei 6,75 Millionen. Davon kommt der Großteil aus Europa, nämlich rund 80% bzw. 5,4 Millionen Menschen – dies umfasst alle europäischen Länder inklusive Türkei und Russische Föderation. Von diesen 5,4 Millionen entfallen wiederum rund 2,2 Millionen auf EU-Staaten, wobei die „alten“ EU-Staaten etwa 1,7 Millionen ausmachen. Die größte Ausländergruppe sind mit 1,8 Millionen türkische Staatsangehörigen. Italien folgt auf Platz zwei mit 530.000 Personen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer aller Ausländer liegt derzeit bei 17,3 Jahren. Im Vergleich dazu bleiben Italiener im Durchschnitt deutlich länger, nämlich rund 25 Jahre. Der Anteil derjenigen Ausländer, die weniger als vier Jahre bleiben, liegt bei 15%; mehr als 30 Jahre bleibt rund 22%. Insgesamt sinken die Zuwandererzahlen seit einigen Jahren, die nachhaltige Zuwanderung nach Deutschland hat einen relativ geringen Umfang – wenn auch der öffentliche Eindruck ein anderer sein mag. Durch den demografischen Wandel in Deutschland – die Bevölkerung altert und schrumpft – wird die Frage nach einem Ausgleich durch Zuwanderung aufgeworfen. Je nach Wanderungssaldo wird die Bevölkerung Deutschlands im Jahr 2050 von 82,5 (36) Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2005. Wiesbaden 2007. (37) ebd. Millionen auf 75 bis 67 Millionen sinken. Doch Migration, die demografische Defizite ausgleichen könnte, wäre nicht verkraftbar für die deutsche Aufnahmegesellschaft. Das Argument, wonach aus demografischen Gründen die Einwanderung zunehmen müsste, wird auch von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung nicht geteilt – 83% verneinen dies in einer Befragung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.38 Paradigmenwechsel durch das Zuwanderungsgesetz Lange Zeit wurde die Anwesenheit der „Gastarbeiter“ als vorübergehendes Phänomen interpretiert. Erst allmählich setzte sich die Einsicht durch, dass es einer gezielten und systematischen Integration bedarf. Das Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft trat und sich auf einen breiten politischen Konsens stützt, bewirkte eine Neuausrichtung. Damit hat Deutschland den Einstieg in eine systematische Integrationspolitik vollzogen und erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein bundesweit einheitliches Grundangebot zur Integrationsförderung von Neuzuwanderern geschaffen. Erstmals hat der Gesetzgeber die „Förderung der Integration“ an zentraler Stelle normiert. Das Gesetz berücksichtigt, dass Deutschland im Bereich der Migration und Integration vor besonderen Herausforderungen steht. Integration heißt nach unserem Verständnis eine gleichberechtigte Teilhabe von Migranten am gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben. Integration bedeutet Chancengleichheit. Zwei Aspekte sind von entscheidender Bedeutung: - Erfolgreiche Integration rechtmäßig in Deutschland lebender Migranten liegt im Interesse der Zuwanderer wie auch der Aufnahmegesellschaft. - Integration geschieht nicht von selbst, sondern ist ein Prozess, an dem beide aktiv ihren Beitrag leisten müssen. Integration muss erarbeitet werden. Einstellungsmuster und Partizipationsräume Die Aufnahmegesellschaft fordert von der ausländischen Bevölkerung in hohem Maße Integration. 87% sagen laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, dass Ausländer, die sich länger in Deutschland aufhalten wollen, auch die Sprache, Bräuche und Regeln lernen sollten.39 Die Befragten sprechen sich mehrheitlich dafür aus, Integration zu fördern, aber auch dafür, Integrationsunwillige auszuweisen. Deutlich wird zudem der Wunsch, dass Zuwanderung geregelt wird. Nur wer teilhaben kann, wird sich mit einer Gesellschaft identifizieren und sich ihr zugehörig fühlen. Integration heißt: Identität bewahren und Identifikation mit dem Aufnahmeland fordern – eine Identifikation mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung Deutschlands unter Beibehaltung kultureller Eigenheiten. Das Grundgesetz bestimmt die Grundwerte unserer Gesellschaft und ist auch für Migranten verbindliche Grundlage des Lebens in Deutschland. Die Erfahrung von Mitgestaltung gesellschaftlichen Lebens fördert Identifikationsprozesse. Die gesellschaftliche Teilhabe der gesamten Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist noch nicht umfassend untersucht. Eine Studie zum bürgerschaftlichen Engagement im Auftrag des Familienministeri(38) Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: Einstellungen zu demographischen Trends und zu bevölkerungsrelevanten Politiken. Ergebnisse der Population Policy Acceptance Study. Sonderheft 2005. (39) ebd. 83 ums hat ergeben, dass sich Migranten zu 61% außerhalb von Familie und Beruf aktiv in Vereinen, Gruppen, Organisationen oder Einrichtungen beteiligen – bei Menschen ohne Migrationshintergrund liegt der Anteil bei 71%. 40 Migranten, die in eigenethnischen Kontexten aktiv sind, werden mitunter mit dem Vorwurf der Abschottung konfrontiert. Festzuhalten ist, dass beispielsweise bei türkischen Migranten die Beteiligung in deutschen und türkischen Organisationen gleich hoch ist und dass Beteiligung in eigenethnischen Kontexten oft dort erfolgt, wo keine „deutschen“ Alternativen existieren (z.B. Bereich Religion). Gleichwohl gibt es in einigen Gebieten Parallelgesellschaften, in denen Bevölkerungsgruppen weitgehend ohne Berührungspunkte in ihrer eigenen Lebenswelt mit eigenen Wertvorstellungen nebeneinander her leben. Integration heißt aber nicht, nebeneinander her zu leben, sondern gemeinsam Gesellschaft zu gestalten. Arbeitsmarktbeteiligung und Bildung 84 Auch Partizipation am Arbeitsmarkt ist ein Integrationsfaktor: Während die Arbeitslosenquote für Deutsche im Jahresdurchschnitt 2006 bei 10,8% lag, betrug sie bei Ausländern rund 23,6%.41 Personen mit Migrationshintergrund sind nach Ergebnissen des Mikrozensus 2005 häufiger auf Arbeitslosengeld I oder II42 angewiesen als Personen ohne Migrationshintergrund. Da Ausländer auch nach Erkenntnissen der Bundesagentur für Arbeit im Durchschnitt eine geringere Qualifikation aufweisen, haben sie es auf dem Arbeitsmarkt häufig schwerer. Während in den 50er und 60er Jahren zahlreiche ungelernte Arbeiter von der Industrie aufgenommen wurden, sind heute viele dieser Arbeitsplätze durch den Strukturwandel weggefallen. So sind auch auf Grund ihrer vergleichsweise niedrigen Bildungsabschlüsse die Migranten in Deutschland in den Berufsgruppen für Geringqualifizierte überrepräsentiert. Doch gerade in diesen Sektoren ist die Beschäftigung seit Jahren rückläufig. Auch sprachliche Defizite sind ein Problem. Dies gilt insbesondere für die zweite und dritte Generation, in deren Familien nach wie vor häufig kein Deutsch gesprochen wird. Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung legte das „Konsortium Bildungsberichterstattung“ einen indikatorengestützten Bericht mit dem Titel „Bildung in Deutschland“ vor.43 Es zeigte sich, dass im Vergleich zu den Deutschen ohne Migrationshintergrund Migranten ein niedrigeres Bildungsniveau aufweisen. Dieser Unterschied besteht sowohl bei den allgemeinen Schul- als auch bei den beruflichen Bildungsabschlüssen. Gemeinsam ist beiden Personengruppen jedoch, dass jeweils die jüngeren (25 bis 45 Jahre) einen deutlich besseren Bildungsstand vorweisen können als die (40) TNS Infratest Sozialforschung (2005): Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004. Migrantinnen und Migranten. Studie im Auftrag des BMFSFJ (41) Bundesagentur für Arbeit, Statistik Berichtsjahr 2006. Quote bezieht sich auf alle zivilen Erwerbspersonen. (42) Arbeitslosengeld II ist eine bedürftigkeitsgeprüfte Sozialhilfe, die im Anschluss an die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I bezahlt wird. (43) Konsortium Bildungsberichterstattung (2006): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Bericht im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bonn. älteren (45 bis 65 Jahre). Ergebnisse des Mikrozensus 2005, die auch die Bildungsstudie anführt, belegen, dass bei der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund mit rund 10% ein vergleichsweise großer Anteil über keinen allgemeinen Schulabschluss verfügt. Zum Vergleich: Bei Personen ohne Migrationshintergrund sind es nicht einmal 2%. Auch haben rund die Hälfte aller Personen mit Migrationshintergrund keinen beruflichen Bildungsabschluss. Bei den Personen ohne Migrationshintergrund sind es rund 27%. Die Situation von Jugendlichen - Erfahrungen, Einstellungen, Ergebnisse Hinsichtlich schulischer Bildungs- und Abschlusserfolge stellt sich die Situation auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund als schwierig dar. Dass diese Kinder im deutschen Schulsystem weniger erfolgreich sind, haben die Schulstudien PISA und IGLU gezeigt. Anhand von PISA-Daten (OECD) konnte gezeigt werden, dass Migranten der ersten und zweiten Generation, die zu Hause nicht die Sprache des Aufnahmelandes sprechen, in den OECD-Staaten im Schnitt einen deutlichen Rückstand in Mathematik haben. Vergleichbares zeigt sich auch bei den Leseleistungen.44 Doch auch der Übergang in die Ausbildung stellt sich bei Jugendlichen dieser Gruppe als kritisch dar: jeder zweite Schüler mit Hauptschulabschluss und jeder vierte mit Realschulabschluss landet zunächst in einer schulischen oder berufsvorbereitenden Maßnahme. Hinzu kommt die Zahl der Abgänger ohne Abschluss: Insgesamt verließ im Jahr 2004 fast jeder fünfte Schüler mit Migrationshintergrund die Schule ohne Abschluss – unter deutschen Schülern blieb weniger als jeder Zehnte ohne formalen Abschluss. 45 Insbesondere die Schulbildung italienischer Kinder ist problematisch: Sie besuchen überdurchschnittlich häufig Sonderschulen für Schüler mit Lernproblemen oder Hauptschulen. Auch auf dem Ausbildungsmarkt ist die Situation schwierig. Rund 41% in der Altersgruppe der 25- bis unter 35-jährigen in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund haben keinen beruflichen Bildungsabschluss. Zum Vergleich: in der Gruppe ohne Migrationshintergrund sind es 15%.46 Die Zahl der Jugendlichen, die einen weiteren Zuzug von Migranten eher stoppen wollen, hat sich von 48% im Jahr 2002 auf 58% im Jahr 2005 erhöht. 24% der Jugendlichen sind hingegen der Auffassung, dass auch künftig so viele Zuwanderer aufgenommen werden sollten wie bisher. Das geht aus der 15. Shell Jugendstudie hervor. Der Wunsch nach einer künftigen Verringerung bzw. Begrenzung des weiteren Zuzugs ist bei Jugendlichen in Ostdeutschland ausgeprägter als in Westdeutschland. Generell gilt, dass diejenigen Jugendlichen, die keine Kontakte zu Ausländern haben, sich deutlich häufiger für eine Begrenzung der Zuwanderung aussprechen. Woher kommt diese eher vorsichtige Haltung gegenüber weiterer Zuwanderung? In diese Stimmungslage können unterschiedlichste Faktoren eingeflossen sein – negative Alltagserfahrungen mit Migranten, diffuse Ängste oder Vorurteile sowie sicherlich ein zunehmender existenzieller Druck.47 Im Alltag lassen sich auch zahlreiche Beispiele für das Gelingen von interkultu(44) ebd. (45) IW-Trends 4/2005, Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln, S. 8. (46) Vgl. Fußnote 43. (47) Shell Deutschland Holding (Hrsg.): Jugend 2006. Eine pragmatische Generation unter Druck. Hamburg 2006. 85 rellem Zusammenleben finden. Eine Untersuchung des Zentrums für Türkeistudien zeigt, dass rund 40% der türkischstämmigen Bevölkerung engere freundschaftliche Beziehungen zu Deutschen pflegt, nur 6% hat gar keine Kontakte zu Deutschen und mehr als die Hälfte der Befragten wünscht sich interkulturelle Kontakte. Die Untersuchung kommt auch zu dem Schluss, dass fehlende Kontakte zu Deutschen nicht immer gewollt sind, sondern auch auf einen Mangel an Gelegenheiten oder möglicherweise auch auf eine zunehmende Distanz der Deutschen zurückzuführen sind.48 Einstellungen der Aufnahmegesellschaft zu Islam und Muslimen 86 Die deutsche Bevölkerung weist eine überdurchschnittlich große Aufgeschlossenheit gegenüber fremden Kulturen auf, doch eine Mehrheit sieht die Signale der Ausbreitung des Islam mit wachsendem Unbehagen. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Demoskopie Allensbach in einer Befragung im Jahr 2006: „Angesichts des diffusen Gefühls der Bedrohung und der vermuteten Intoleranz des Islam sinkt die Bereitschaft der Deutschen, ihrerseits Toleranz gegenüber dem muslimischen Glauben zu üben.“ 49 56% der Deutschen teilten in der Umfrage die Auffassung, dass zwischen Christentum und Islam ein „Kampf der Kulturen“ im Gange sei. Zwei Jahre zuvor waren es noch 46%. Samuel Huntington hat diesen Begriff vom „Kampf der Kulturen“ in einem Artikel von 1993 geprägt. Was zunächst als Frage „Clash of civilizations?“ formuliert war, wurde im Titel seines nachfolgenden Buches zu einer Feststellung.50 Huntington bezog sich dabei auf den seiner Meinung nach bevorstehenden Kampf zwischen insgesamt acht globalen Kulturkreisen, insbesondere zwischen dem westlichen Kulturkreis auf der einen und dem islamischen auf der anderen Seite. Maßnahmen zur Integration 1. Der Dialog mit dem Islam Für den Dialog mit dem Islam hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Deutsche Islamkonferenz ins Leben gerufen – neben dem Integrationsgipfel mit seinem „Nationalen Integrationsplan“ das derzeit wichtigste Integrationsprojekt der Bundesregierung. In Deutschland leben derzeit rund 3,4 Millionen Muslime. Sie kommen aus verschiedenen Regionen der islamischen Welt und spiegeln eine Vielfalt in nationaler, kultureller und religiöser Hinsicht wider. Viele Zuwanderer aus muslimisch geprägten Herkunftsländern sind gut in Deutschland integriert – bei einem Teil jedoch treten zunehmend Schwierigkeiten auf: Vor allem junge Muslime der zweiten und dritten Generation haben wachsende Probleme in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt. Der Dialog zwischen Vertretern des deutschen Staates und Vertretern der hier lebenden Muslime ist in der Islamkonferenz als langfristiger Kommunikationsprozess angelegt. 2. Integrationskurse Sprache ist der Schlüssel zur Integration, Sprache öffnet Türen. Gute Deutschkennt(48) 7. Mehrthemenbefragung des ZfT zu den Lebenslagen der Türkinnen und Türken in NRW. (49) Prof. Dr. Neumann, Elisabeth / Dr. Petersen, Thomas: „Eine fremde, bedrohliche Welt . In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.05.2006, S. 5. (50) Samuel Huntington: The clash of civilizations and the remaking of world order. New York 1996. nisse sind eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung für Integration. Deutschkenntnisse begünstigen den Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft. Je besser die Befragten ihre Deutschkenntnisse einschätzen, desto häufiger geben sie Besuche bei Deutschen oder von Deutschen in den Befragungen an. Auch im Freundeskreis ist dieser Effekt deutlich erkennbar; denn je besser die subjektive Sprachkompetenz bewertet wird, umso mehr deutsche Personen befinden sich unter den drei besten Freunden.51 Kern des staatlichen Integrationsangebots in Deutschland sind die Integrationskurse. Nach dem Grundsatz des „Forderns und Förderns“ gibt es einen Anspruch auf, aber auch eine Verpflichtung zur Teilnahme. Der Integrationskurs stützt sich auf zwei Säulen: 600 Stunden Sprachkurs und 30 Stunden Orientierungskurs zur Rechtsordnung, Geschichte und Kultur in Deutschland. Begleitend dazu gibt es ein individuelles Beratungsangebot für Migranten, die so genannte Migrationserstberatung, die auf drei Jahre angelegt ist. Außerdem stehen Mittel für rund 400 Integrationsprojekte bereit, die beispielsweise die Arbeit von Streetworkern in schwierigen Stadtteilen unterstützen. 3. Verzahnung bietet Perspektiven Deutschland ist im Bereich Integration mit einer Vielzahl von einzelnen Maßnahmen aktiv. Das übergeordnete Ziel der Integrationsförderung muss aber sein, den Integrationsprozess als Ganzes erfolgreich zu gestalten – dies erfordert eine systematische Verzahnung von Angeboten zu Sprache, Bildung, Beruf und Beratung. Eine Perspektive bietet das bundesweite Integrationsprogramm, das das Bundesamt auf Basis der gesetzlichen Vorgaben entwickelt: bestehende Integrationsangebote von Bund, Ländern, Kommunen und privaten Trägern werden festgestellt und Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung vorgelegt. Die Dynamik jeder Gesellschaft ergibt sich aus der Interaktion von Kollektiven. Durch Zuwanderung kommt ein weiteres Kollektiv hinzu. Unser Blickfeld richtet sich auf die Interaktion mit der Gesellschaft, im Kontext von Migration auf die Interkulturalität. Hier sind auch weiterhin beide Seiten gefordert: Migranten und Aufnahmegesellschaft. Denn echte Kulturen sind offen, sie suchen die Begegnung und den Dialog mit anderen Kulturen. Köln, eine multikulturelle Stadt – Eine kommunale Integrationspolitik Teresa De Bellis, Mitglied des Rats der Stadt Köln Von 1 Million Kölner Bürgern haben 322.000, also 31,4%, eine Migrationsgeschichte. Hierzu gehören neben den Ausländern auch die Deutschen, die eingebürgert wurden, und die Kinder und Enkel von Immigranten. 75.000 sind unter 18 Jahren. Ihr Anteil an dieser Altersgruppe in Köln beträgt 47,1% und wird in einigen Jahren über 50% erreichen. Werden nur die ausländischen Staatsbürger gezählt, so kommen wir in Köln auf 177.000 Ausländer, davon sind 65.000 Türken und 19.000 Italiener. (51) Leibold, Jürgen / Kühnel, Steffen / Heitmeyer, Wilhelm: Abschottung von Muslimen durch generalisierte Islamkritik? In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft 1-2/2006, Januar 2006. 87 Der großen Zahl von Migranten entspricht eine Vielzahl von Migranten-Vereinigungen in Köln. Dies gilt auch für die Menschen mit italienischer Migrationsgeschichte. Hervorzuheben sind das COMITES (Komitee der Italiener im Ausland), eine von den italienischen Staatsbürgern gewählte Vertretung, und der Elternverein CO.AS. SC.IT. Beide Organisationen sind für den Bezirk des italienischen Konsulats Köln zuständig. Außerdem bestehen in Köln 13 Vereine mit teilweise regionalem Charakter im Bildungs- und Freizeitbereich. Auf dem Feld der Sozialberatung sind neben zwei Patronati (ACLI, ITAL) auch der katholischen Kirche nahe stehende Stellen (u.a. Caritas) aktiv. Hervorzuheben sind schließlich das italienische Kulturinstitut „Dante Alighieri“ und der WDR mit seinem italienischen Hörfunkprogramm „Radio Colonia“. Eine wichtige Vertretungsfunktion der Migranten hat in Köln der „Integrationsrat“. Das Gremium besteht aus 11 Mitgliedern des Stadtrats sowie aus 22 von Migranten, nicht nur von ausländischen Staatsbürgern, gewählten Vertretern. An der Wahl 2004 nahmen 25.000 Kölner Bürger teil. Der Integrationsrat kann sich als beratendes Gremium mit allen Angelegenheiten der Stadt befassen. In den Rat der Stadt Köln wurden bei der letzten Kommunalwahl 3 Mitglieder mit einer Migrationsgeschichte gewählt. Konsens für offensive Integrationspolitik 88 Alle großen Parteien im Stadtrat bekennen sich zu einer offensiven Integrationspolitik. Sie betrifft nicht nur die neu nach Köln kommenden Ausländern, sondern gerade auch die vielen schon seit langem in Köln wohnenden Menschen mit Migrationsgeschichte. Integration erledigt sich nicht von selbst, wie wir schmerzhaft bei der dritten Generation von Migranten feststellen mussten. Nicht wenige hat es erstaunt, dass selbst viele Enkelkinder der Zuwanderer Probleme mit der deutschen Sprache haben. Auch wenn dies nur für eine Minderheit gilt, so ist dies doch eine Partei übergreifende Herausforderung, denn mangelnde Sprachkenntnisse bedingen schlechte Bildungschancen und oftmals Langzeitarbeitslosigkeit. Eine offensive Integrationspolitik ist im Interesse der Stadt und seiner Bürger. Migranten sind ein Gewinn, weil - Mehrsprachigkeit eine Ressource ist, - Kunst, Literatur und Film davon Impulse erfahren, - Wissenschaft und Wirtschaft davon profitieren und - gerade auch im zusammenwachsenden Europa sich hieraus große Chancen entwickeln können. Kommunale Integrationspolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die insbesondere die Rahmenbedingungen verbessern muss. Ohne die Integrationswilligkeit der Migranten und einer aktiven Aufnahmebereitschaft der alt eingesessenen Kölner Bürger wird Integration nicht gelingen. Die wichtigsten Handlungsfelder sind die Sprachvermittlung, die Schule, die Chancengleichheit von Frauen, die Berufsausbildung, die Existenzgründung und die Stadtentwicklung. Handlungsfeld Sprachvermittlung Das Erlernen der deutschen Sprache ist für alle Zuwanderer nach Deutschland verpflichtend. Den Zuwanderern und, auf freiwilliger Basis, den in Köln lebenden Menschen mit Migrationsgeschichte werden Sprachkurse angeboten, die mit einem Orientierungs- unterricht zu Staat, Gesellschaft und Geschichte Deutschlands verbunden werden. Neben der Volkshochschule, die die Koordinierung hat, bieten 18 Organisationen solche Kurse in Köln an. Zusätzlich zum Angebot für Erwachsene besteht auch eine Sprachförderung für Kinder. Zwei Jahre vor der Einschulung müssen sich alle schulpflichtigen Kinder, nicht nur die Migrantenkinder, einem Sprachtest unterziehen. Werden Probleme festgestellt, so wird diesen Kindern parallel zum Kindergarten die Teilnahme an einem Förderunterricht zur Pflicht gemacht. Die Sprachförderung wird in den Schulen fortgesetzt, wenn auch nicht systematisch. Hier besteht ein Nachholbedarf. Notwendig ist, dass die Sprachlernangebote für Eltern, und insbesondere für Mütter, ausgebaut werden. Damit können sie auch besser in den Bildungsprozess ihrer Kinder einbezogen werden. Erheblicher Nachholbedarf besteht bei der bilingualen Förderung der Kinder mit Migrationsgeschichte. Es bestehen nur wenige bilinguale Bildungseinrichtungen. Für italienische Kinder mit Migrationsgeschichte bestehen in Köln nur ein Kindergarten der Caritas, drei Grundschulen (Primärbereich) sowie drei Gesamtschulen/Gymnasien (Sekundärbereich) mit bilingualem Angebot. Darüber hinaus bieten zu wenige Gymnasien italienisch als Fremdsprache an. Die Stadt Köln muss und will den bilingualen Schulunterricht ausbauen. Handlungsfeld Schule Neben der Sprachförderung ist jedoch die allgemeine schulische Förderung von Kindern mit Migrationsgeschichte wichtig. Das größte Problem besteht darin, dass die Eltern ihre Kinder meist wenig unterstützen können. Hinzu kommt, dass die Migranten sich oft auf bestimmte Stadtteile konzentrieren, so dass in einigen Schulen weit über die Hälfte der Kinder eine Migrationsgeschichte aufweisen. Dies ist besonders problematisch, wenn in Schulklassen Schüler einer Nationalität eine dominierende Rolle haben. Notwendig ist deswegen, dass die Lehrer mehr Zusatzschulungen erfahren und das Personal in diesen Schulen erhöht wird. Für den Lernerfolg der Kinder ist die Mitarbeit der Eltern auch in den Schulen wichtig. Die Eltern sollten ermutigt werden, zu den Elternabenden, Einschulungs- und Informationstagen der Schulen zu kommen. Die Lehrer sollten diese Veranstaltungen verstärkt für persönliche Gespräche nutzen. Aktive Mitarbeit und Unterstützung der Eltern während der Schullaufbahn ihrer Kinder gelingt dann besser, wenn sie sich mit der jeweiligen Schule identifizieren können. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die schulische und pädagogische Beratungseinrichtung RAA („Regionale Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien“, NRW) in Köln. Handlungsfeld Chancengleichheit von Frauen Besondere Aufmerksamkeit muss der Förderung der Mädchen gelten. Viele Töchter aus traditionell geprägten Familien mit Migrationsgeschichte, insbesondere aus dem islamischen Kulturkreis, erfahren nicht nur eine geringere Förderung und Benachteiligung (Teilnahmeverbot an Sport und Schulausflügen), sondern werden teilweise in ihrer Menschenwürde verletzt. Die Zwangsverheiratung ist leider keine Seltenheit und muss stärker geächtet werden. Hierfür darf es keine Toleranz geben. Schlimm ist auch, dass die Töchter und häufig auch ihre Mütter häusliche Gewalt durch männliche Familienmitglieder erfahren. Die CDU in Köln fordert deswegen ein 89 Netzwerk „Gegen Gewalt an Frauen und Mädchen mit Zuwanderungsgeschichte“ zwischen der Stadt Köln, den interkulturellen Zentren und den Moscheevereinen. Häusliche Gewalt ist leider nicht ausschließlich ein Problem der Familien mit Migrationsgeschichte, sondern findet auch in deutschen Familien statt. Frauen mit Zuwanderungsgeschichte haben jedoch den großen Nachteil, dass ihnen weniger Handlungsmöglichkeiten offen stehen, weil sie oft weder ein soziales Netzwerk außerhalb der Familie besitzen, noch über das nötige Geld verfügen, um sich eine eigene Wohnung mieten zu können. Deswegen muss die Beratungsinfrastruktur, einschließlich kulturell sensibler Unterstützungsangebote, für diese Mädchen und Frauen ausgebaut werden. Ich begrüße es, dass die Stadt Köln eine Reihe von Aufklärungsaktivitäten gegen „Zwangsheirat“ und „Gewalt gegen Frauen“ durchgeführt hat. Handlungsfeld Berufsausbildung 90 Ein großes Problem ist für viele Jugendliche mit Migrationsgeschichte die Arbeitslosigkeit. Neben teilweise geringen Sprachkenntnissen ist hierfür die mangelnde berufliche Qualifikation die wichtigste Ursache. Oft besteht bei den Eltern völlige Unkenntnis über die Bedeutung der beruflichen Ausbildung in Deutschland. Da 63,6% der ausländischen Beschäftigten in Köln keinen Berufsabschluss aufweisen, ist auch nicht verwunderlich, dass sie ihren Kindern insbesondere den Mädchen kein Vorbild sein können. In Köln fanden eine Vielzahl von Kampagnen statt, um Schulabgänger mit Zuwanderungsgeschichte zur Berufsausbildung zu motivieren. Neben einer gezielten Ansprache der Jugendlichen und ihrer Eltern wurden insbesondere Arbeitgeber aufgefordert, diesen Jugendlichen einen Chance zu geben. Bei einer Reihe von Aktionen wurden auch in Zusammenarbeit mit dem italienischen Generalkonsulat italienische Migranten angesprochen. Es hat sich als sehr erfolgreich erwiesen, neben den Migrantenvereinigungen auch Unternehmer mit Migrationshintergrund anzusprechen. Vor dem Ausscheiden aus der Schule erhalten die Schüler zwar Informationen über ihre berufliche Perspektive und die berufliche Ausbildung, diese Informationen müssen jedoch für die Jungen und insbesondere für die Mädchen mit Migrationsgeschichte systematischer vermittelt werden. Notwendig ist ein Monitoring-Programm für junge Frauen, bei dem berufserfahrene Mentorinnen zum Einsatz kommen sollten. Handlungsfeld Existenzgründung Neben der Förderung der beruflichen Qualifikation gilt es auch, die Unterstützung für Existenzgründungen aus dem Kreis der Migranten zu verstärken. Es ist zu begrüssen, dass die Kammerorganisationen in Köln spezifische Beratungsangebote anbieten. Eine unterstützende Rolle spielen hierbei auch das „Regionale Förderzentrum für ausländische Existenzgründer und Unternehmer“ (RFZ) in Köln sowie türkische, italienische und griechische Unternehmervereinigungen. Dennoch habe ich den Eindruck, dass in Köln noch viel mehr gemacht werden könnte. Hierbei appelliere ich insbesondere an die Unternehmer. erhebliche Konzentration der Problemlagen von sozial Benachteiligten und von Bewohnern mit Zuwanderungsgeschichte. Integrationspolitik bedeutet vor allem soziale und ethnische Absonderung und die Entstehung von Parallelgesellschaften in den Stadtteilen zu verhindern. Integration geschieht vor Ort, also in der Nachbarschaft, im Wohnumfeld und im Stadtteil. Wo die Mehrheitsgesellschaft aber nicht mehr als Mehrheit präsent ist, sind Integrationsbemühungen mit besonderen Erschwernissen verbunden. Die wichtigsten Handlungslinien sind: - Eine intelligente Belegungspolitik bei den Sozialwohnungen (in Köln bestehen ca. 50.000), um die Ballung von ethnischen Gruppen zu vermeiden bzw. abzuschwächen, - eine bessere Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Nahverkehr; - eine Verstärkung der Sicherheit auf den Straßen; - der Ausbau der Bildungsangebote vor Ort; - die Förderung von Bürgerinitiativen z.B. für gruppenübergreifende Straßenfeste. Eine integrationsorientierte Stadtteilpolitik muss insbesondere auf die Partizipation der Migranten setzen. Alle müssen aufeinander zugehen. Dies betrifft auch Fragen der Lebensweise, der Religionsausübung, so auch den Bau von Moscheen. Der Dialog muss gerade in den Stadtteilen besser organisiert werden. Das Kölner Projekt „Stadtteil-Manager“ ist ein gutes Beispiel und sollte fortgesetzt werden. Heimatgefühl für die eigene Stadt entwickeln Meiner Ansicht nach beruht eine erfolgreiche Integration auch auf dem bürgerschaftlichen Engagement. Gerade auch den Menschen mit Migrationsgeschichte müssen hierzu mehr Chancen eröffnet werden. Aber die Migranten und insbesondere die Migrantenvereinigungen müssen erkennen, dass ihr Engagement sich nicht nur auf Forderungen an die Institutionen beschränken kann. Sie müssen lernen, Mitverantwortung zu übernehmen. Teilhabe ohne Mitverantwortung funktioniert nicht. Dies betrifft die Eltern, die sich für ihre Schule einsetzen, die Unternehmer, die mehr Berufsausbildungsplätze anbieten und die Bürger, die sich in ihrem Stadtteil engagieren. Aber auch die einheimische alt eingesessene Kölner Bevölkerung muss lernen, die Anregungen und Vorschläge der Migranten nicht nur ernst zu nehmen, sondern sie auch als Bereicherung des Zusammenlebens zu erkennen. Dann kann es auch gelingen, dass die Menschen mit Migrationsgeschichte für ihre Stadt ein Heimatgefühl entwickeln, eine wichtige Grundlage für den sozialen Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Köln – Ein Beispiel für gelungene berufliche Integration: BQN – das „Kölner Modell“ Wolfgang Fehl, Leiter des Koordinierungsprojektes „Integration durch Qualifizierung“ (IQ) bei der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk (ZWH), Düsseldorf. Handlungsfeld Stadtentwicklung Die Querschnittsaufgabe von kommunaler Integrationspolitik wird insbesondere bei der Stadtentwicklungspolitik deutlich. In einigen Kölner Stadtteilen besteht eine In den 80er Jahren betrug der Anteil der Jugendlichen ausländischer Herkunft in der Kölner Bevölkerung fast 30%, bei den Auszubildenden dagegen nur 4%: Was war zu 91 tun, um die vielen Jugendlichen an das Ausbildungssystem heranzuführen? Arbeitsverwaltung, Gewerkschaften, Kammerorganisationen, Kreishandwerkerschaft und Arbeitgeberverbände waren bereit zu einer konzertierten Aktion. Am 1. Mai 1989 wurde bei der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer zu Köln eine „Beratungsstelle zur Qualifizierung ausländischer Nachwuchskräfte“ (BQN) eingerichtet. Sie wurde finanziert durch die Robert-Bosch-Stiftung, das Bundesbildungsministerium, das Landesarbeitsministerium und das Arbeitsamt Köln. Es wurden insbesondere organisiert: - Ausbildungstrainings, - Multiplikatorenschulungen, - Aktivierung von Personen mit erfolgreichem Ausbildungsabschluss, - Elterninformationen, - Öffentlichkeitskampagnen. BQN trug dazu bei, dass sich bis Mitte der 90er Jahre der Anteil der ausländischen Auszubildenden an allen Auszubildenden in Köln von 4 auf 18% erhöhte. Die Industrie- und Handelskammer sowie die Handwerkskammer in Köln führen das Projekt mit Finanzierung aus eigenen Mitteln bis heute fort. Das BQN-Projekt wurde zu einem Modellprojekt auf nationaler Ebene. Anregungen gingen sowohl in das „Nationale Bündnis der Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ vom 26.06.2000 als auch in den „Nationalen Integrationsplan“, der am 12.07.2007 von der Bundeskanzlerin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. 92 Die Integration von Migranten in Rom – Ansichten ausgewählter Interviewpartner Kamila Kowalska-Angelelli, Chiara Mellina, Wissenschaftlerinnen und Franco Pittau, Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes52 Zweck und Eigenschaften der Untersuchung Die Untersuchung über die Integration von Migranten in Rom wurde im Juni und Juli 2007 durchgeführt, wobei 63 ausgewählte Interviewpartner als Vertreter der Migranten befragt wurden, das heißt Sprecher von Verbänden, Sprach- und Kulturmediatoren und weitere Vertreter aus der Welt der Sozialarbeit. Was Italien betrifft, so ist Rom die Stadt mit der höchsten Migrantenzahl. 290.000 in der Stadt und 431.000 in der Provinz Rom sind nach Schätzungen des „Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes“ aufenthaltsberechtigt. Während die Zahl der gemeldeten Einwohner nach Angaben der Stadt Rom und von ISTAT um einige zehntausend niedriger liegt. Es gibt für jede nationale Gruppierung in Rom eine oder (52) Dem Forscherteam gehören auf Ebene der Hauptredaktion des Dossier Statistico Immigrazione, Luca Di Sciullo und Maria Pia Borsci an; die Interviews führten Chiara Mellina und Kamila Kowalska, die auf diesem Gebiet große Erfahrungen und verschiedene Publikationen veröffentlicht haben. mehrere Verbände und nicht wenige geeignete Vertreter, mit deren Hilfe versucht werden kann, den künftigen Integrationsprozess einzuschätzen. Von den Befragten sind 9 von 10 junge Erwachsene in der Altersklasse zwischen 18 und 45 Jahren. Die Vertreter der so genannten extremen Altersklassen (Minderjährige oder über 65jährige) sind dagegen minimal. Es handelt sich also um die Vertreter der ersten Generation, die die Emigration noch selbst erlebt haben, und die noch nicht erfahren haben, was es bedeutet, ein alter Mensch in der Emigration zu sein. Die Befragten wurden an Hand der Kenntnisse der Teammitglieder des „Dossier Statistico Immigrazione Caritas/Migrantes“ und des “Forum per l’intercultura” der Caritas Rom ausgewählt. Außerdem wurde die Gelegenheit der im Mai 2007 jährlich stattfindenden Veranstaltung „Intermundia“ genutzt. (Dabei handelt es sich um ein interkulturelles Festival, das seit einigen Jahren von der Stadt Rom gefördert und auf der Piazza Vittorio, dem interethnischsten Platz der ganzen Stadt, veranstaltet wird. Migrantenverbände und jene die mit Migranten arbeiten, stellen ihre Stände auf, veranstalten Debatten, didaktische Initiativen und Spiele, stellen Arbeiten aus und organisieren künstlerische Veranstaltungen, an denen die Besucher unmittelbar beteiligt werden). Obwohl die Befragten zufällig ausgewählt wurden, können sie zahlenmäßig und herkunftsmäßig als repräsentativ angesehen werden. Es waren 19 Europäer, 16 Amerikaner, 15 Asiaten, 11 Afrikaner und 1 aus Ozeanien, die insgesamt aus 32 Ländern, einschließlich Deutschland, kamen, beteiligt. Obwohl diese Aufteilung nicht hundertprozentig der kontinentalen Verteilung der Migranten in Rom entspricht, spiegelt sie doch ziemlich getreu die Verbandswelt wider. Alle Angesprochenen haben den Fragebogen weitgehend beantwortet. Die Interviews wurden von einer Italienerin und einer Migrantin gemeinsam ausgeführt. Der Fragebogen war im Vorfeld von dem Team des Dossier Statistico Immigrazione mit der Absicht ausgearbeitet worden, von Standardfragen abzusehen und auch die europäische Perspektive zu berücksichtigen. Initiatoren der Initiative waren die Deutsche Botschaft Rom und die FriedrichEbert-Stiftung. Sie hatten anlässlich einer deutsch-italienische Tagung zur Integrationsproblematik (Juni 2007) ihr Interesse an der Präsentation der Umfrageergebnisse einer „Feldstudie“ über Integration zum Ausdruck gebracht, die ihren Schwerpunkt auf die besondere Migrationssituation Roms legen sollte. Das von deutscher Seite geäußerte Interesse war dadurch bedingt, dass Italien, obwohl es in Europa heute zu den großen Immigrationsländern gehört, erst seit relativ kurzer Zeit diese Erfahrung macht und sich dabei mit vielen neuen Problemen auseinandersetzen muss, was Herkunft, Eingliederung in die Arbeitswelt, aber vor allem soziales und religiöses Zusammenleben anbelangt. Der Vergleich zur deutschen Situation, die auf einer längeren Erfahrung beruht, ist sinnvoll, um hieraus Denkanstöße und Handlungsmöglichkeiten zu gewinnen. Von den befragten Personen leben fast alle (mehr als 9 von 10) seit mehr als 5 Jahren in Italien, jedoch nicht immer mit einem Partner (mehr als ein Drittel der Fälle) und nicht immer mit Kindern (mehr als die Hälfte der Fälle), jedoch möchte jeder Zweite sich definitiv in Italien niederlassen, etwas weniger als in der jeweiligen nationalen Zugehörigkeitsgruppe. (In der Untersuchung wurden die Befragten aufgefordert nicht nur für sich selbst, sondern auch für die jeweilige nationale Zugehörigkeitsgruppe zu antworten). 93 Integration: wie definiert man sie, wie wird sie gefördert 94 Nach Ansicht der Hälfte der Befragten sollte Integration als Anerkennung, gegenseitige Achtung der Unterschiede, Ausübung der gleichen Rechte und friedliches Zusammenleben verstanden werden. Weitere Definitionen, wenn auch weniger häufig, sind: Nichtdiskriminierung, Interaktion, Anpassung an die neue Umwelt, bei Wahrung der eigenen Eigenschaften, Auseinandersetzung mit dem Anderen, sich Wohl fühlen, wenn auch in einem fremden Land, ein geregeltes Leben führen. Nach Ansicht fast aller bedeutet eine Gesellschaft des interkulturellen Austauschs, dass Italiener und Ausländer in ihren Bemühungen um gegenseitige Anpassung unterstützt werden und diese Anpassung nicht nur von den Migranten verlangt wird. Zur Verwirklichung einer besseren Integration müssen vor allem (so die Hälfte der Antworten) gegenseitige Achtung gelernt werden, Vorurteile abgebaut und die Gesetzgebung verbessert werden. Es wird auch darauf verwiesen, dass Integration nur durch konkrete Maßnahmen entstehen kann: hierzu gehören mehr finanzielle Mittel, um Maßnahmen für die unterschiedlichen Aspekte der Eingliederung fördern zu können (Wohnung, Schule, verschiedene Dienstleistungen, Sprachförderung, Unterstützung der Verbände, Einsatz von Kulturmediatoren). Öffentliche Einrichtungen und Verbände werden als sehr wichtig für die Integration der Migranten erachtet und aufgefordert, sich stärker zu engagieren. Die Tatsache, dass sie namentlich genannt werden, kann als Anerkennung und Ansporn verstanden werden. Erwähnung finden: katholische Verbände (24 Mal), die Caritas (24 Mal), soziale, gesundheitliche und schulische Einrichtungen (14 Mal), die Gemeinschaft Sant’Egidio (13 Mal), die Stadt Rom und ihre Bezirksverwaltungen (12 bzw. 10 Mal), die Provinz (8 Mal), die Kultstätten der jeweiligen Religionen (8 Mal) und andere nationale und territoriale öffentliche Einrichtungen sowie einzelne Verbände. Gesellschaftliches Leben, Rechte, Staatsbürgerschaft und Wahlrecht Fast die Hälfte der Befragten nimmt häufig an kulturellen, künstlerischen und politischen Veranstaltungen teil, während nur 1 von 10 dies nie tut. Unter den Personen der eigenen Zugehörigkeitsgruppe halbiert sich der Prozentsatz derjenigen, die häufig teilnehmen, jedoch ist der Anteil derjenigen, die sich hin und wieder beteiligen, größer. Deshalb stellen, trotz der Einschränkungen der bestehenden Gesetze, Immigration und gesellschaftliche Teilhabe keine Widersprüche dar. 4 von 10 Befragten haben häufig von Diskriminierungsvorkommnissen gehört, 5 von 10 nur hin und wieder, meistens durch Fernsehen und Presse oder (ein Fünftel der Fälle) von Personen der eigenen Zugehörigkeitsgruppe, die von ähnlichen Erfahrungen berichten. Die Diskriminierungsfälle verteilen sich gleichmäßig auf die Bereiche Arbeit, Schule, öffentliches Leben und Sonstiges. Wie wir im Folgenden feststellen können, beeinträchtigen diese negativen Diskriminierungserfahrungen die starke Bindung zur neuen Umwelt, vor allem zu Rom, jedoch nicht so stark. Fast alle (9 von 10) bestätigen die Bedeutung der Aufenthaltserlaubnis, weil sie größere Unbeschwertheit, Sicherheit, Stabilität und Legalität gibt und die Grundlage für die eigene Lebensplanung darstellt, da sie Rechte und Schutz, von der Freizügigkeit bis zur Eingliederung in die Arbeitswelt, gewährleistet. 6 von 10 Befragten erachten die Staatsbürgerschaft als sehr wichtig, da sie eine en- dgültige Integrationsmaßnahme darstellt, 1 von 10 dagegen als vollkommen unwichtig. 5 von 10 beabsichtigen die Staatsbürgerschaft zu beantragen, vor allem um die gleichen Rechte wie die Italiener zu bekommen, was sich auch positiv auf die berufliche Karriere auswirken würde. Mehr als zwei Drittel der Befragten hatte die Möglichkeit die italienische Staatbürgerschaft zu erlangen. Nur ein Fünftel hat sie tatsächlich erhalten, die anderen erklären hieran Interesse. Daraus folgt, dass zwar Hindernisse rechtlicher und bürokratischer Art bestehen, jedoch fehlt es bei einigen auch an wirklichem Interesse. In diesem Zusammenhang muss an die früheren Nicht-EU-Bürger gedacht werden, deren Staaten seit Mai 2004 bzw. Januar 2007 Mitglieder der EU geworden sind. Für sie war die Erlangung der Staatsbürgerschaft in der Vergangenheit eine Zweckentscheidung, um eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung in Italien zu erhalten. Heute ist diese Sicherheit durch das EU-Recht gewährleistet, mit der Folge, dass kein Interesse an der italienischen Staatsbürgerschaft mehr besteht. Da jedoch die Aufenthaltsdauer bei einer immer größeren Zahl zunimmt, ebenso die Zahl derjenigen, die dauerhaft ansässig sind, muss auch mit einer Zunahme neuer Staatsbürger gerechnet werden, auch unabhängig davon, ob das entsprechende Gesetz unverändert bleibt oder, in Folge der derzeit im Parlament zur Diskussion stehenden Abänderungsvorschläge, das Gesetz weniger restriktiv gestaltet wird. Nur knapp die Hälfte der Migranten, die bereits die italienische Staatsbürgerschaft oder die eines anderen EU-Landes hat und deswegen auch das Wahlrecht bei den Regional- und Gemeindewahlen hatte, ist im Mai 2007 auch wählen gegangen. 7 von 10 Befragten erachten es als sehr wichtig, dass ein ausländischer Bürger das Wahlrecht hat, weil dieses Wahlrecht eine Chance für gesellschaftliche Teilhabe und ein Ausdruck der Gleichberechtigung ist, wenn auch hierzu das Wahlrecht zur nationalen Parlamentswahl gehören sollte. Nur 1 von 10 tut das Wahlrecht als unbedeutend ab. Sprache und Schule Die Landesssprache ist ein hervorragendes Mittel zur Integration und mehr als 9 von 10 Befragten beherrschen sie recht gut, ja sogar sehr gut. Man darf jedoch nicht glauben, dass dies nur für die ausgewählten Interviewpartner gilt: auch die anderen Migranten der eigenen Zugehörigkeitsgruppe weisen ausreichende Sprachkenntnisse auf (8 von 10). Obwohl in Italien, im Gegensatz zu Deutschland und anderen EU-Staaten, eine organische Strategie zum Erlernen der italienischen Sprache für Ausländer fehlt, spricht doch nur 1 von 10 Befragten zu Hause nur die Muttersprache, während ansonsten beide Sprachen oder sogar nur Italienisch gesprochen werden. Dank der Beherrschung der italienischen Sprache sehen auch zwei Drittel der Befragten häufig italienisches Fernsehen, nur 1 von 10 tut dies selten. Dies gilt, so die Aussagen der Befragten, auch für die Menschen der eigenen Zugehörigkeitsgruppe. Um die Lage weiter zu verbessern, äußern alle den Wunsch nach einem größeren Angebot an Sprachkursen, die besser an die Arbeitszeiten angepasst, nach unterschiedlichen Kenntnisebenen gestaffelt sind und die Erfordernisse der jeweiligen Nationalitäten stärker berücksichtigen. Des Weiteren sollte auch die Möglichkeit obligatorischer, unentgeltlicher Sprachkurse für alle Ausländer in Betracht gezogen werden. Einige weisen auch darauf hin, dass es sich positiv auf die Sprachkenntnisse auswirken würde, wenn Italiener und Migranten mehr Zeit miteinander verbringen und mehr Kontakte zueinander hätten. 95 Die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass Migrantenkinder in der Schule häufig oder gelegentlich Schwierigkeiten haben dem Unterricht zu folgen, und dies insbesondere wegen der Sprachschwierigkeiten bei der Einschulung. Doch dies sei nicht das einzige Problem in der Schulklasse: Hinzu kämen emotionale, psychologische, kulturelle Probleme sowie die im Vergleich zum Heimatland unterschiedlichen Lehrpläne und Schulsysteme sowie die mangelnde Unterstützung seitens der Eltern. Zwei Drittel der Antworten heben die Tatsache hervor, dass das italienische Schulsystem dem multikulturellen Kontext nicht angepasst ist, da die Lehrpläne und Schulbücher die neue multiethnische Realität nicht berücksichtigen. Außerdem sollten Fortbildung und Motivation der Lehrer verbessert werden. Angesprochen sind auch die Immigranten-Eltern: nur ein Drittel der Befragten bestätigt eine regelmäßige Teilnahme an Elternversammlungen in den Schulen ihrer Kinder. Das Wohnungsproblem 96 Die Wohnungssituation der Interviewpartner ist besser, als die der Mehrheit der Migranten, von denen ihrer Ansicht nach 8 von 10 in einer kaum oder sogar nicht akzeptablen Wohnung leben. Der Wunsch nach dauerhafter Niederlassung steht im Gegensatz zu den Wohnungsschwierigkeiten, die die Migranten als Mieter wie auch als Hausbesitzer haben. Mehr als ein Drittel der ausgewählten Interviewpartner hat Eigentum - ein sehr hoher Prozentsatz, doppelt so hoch wie der Durchschnitt der Ausländer in Rom und Italien. Beide Kategorien verursachen hohe Ausgaben, erstere wegen der hohen Mieten, letztere auf Grund der teuren Bankkredite. Damit wird deutlich, dass der Integrationsprozess nicht nur von nicht-materiellen Aspekten (Einstellung, kulturelle Ausrichtung, Bereitschaft zur Verständigung), sondern auch von ganz konkreten Dingen (finanzielle Beiträge für die Integrationsmaßnahmen, Investitionen in soziale Infrastrukturen) abhängt. In einer großen Stadt wie Rom, geprägt vom ständigen Kommen und Gehen der Migranten, verwundert es nicht, dass 1 von 10 Einwanderern eine ständig wechselnde Wohnung hat: bescheidene Pensionen die schon bald wieder verlassen werden müssen, weil die Ersparnisse aufgebraucht sind; Freunde und Verwandte, die nur zeitlich begrenzt Unterkunft bieten können oder Unterbringung vom Arbeitgeber, die jedoch nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses genutzt werden kann, was zu Lasten der Familienbeziehungen geht. Andere versuchen in Hinterzimmern unterzukommen, in einem verlassenen Gehöft, einer ausrangierten Werkstatt oder haben an den Ufern des Tibers kleine illegale Lager eingerichtet. Diese extrem defizitäre Situation muss zu Maßnahmen der Gebietskörperschaften und der nationalen Politik führen, die hierzu seit vielen Jahren eine völlig unzulängliche Haltung eingenommen haben. Der multireligiöse Zusammenhang Die Religionsprobleme, die sich durch die Immigration in Italien ergeben, sind in der Studie ganz bewusst behandelt worden. Damit wird ein spezifischer Aspekt Italiens unterstrichen, der großes Interesse, nicht nur von deutscher Seite, sondern auch seitens anderer EU-Staaten hervorzurufen scheint53. (53) Zur Aktualisierung der Zahlen in Bezug auf die multireligiöse Anwesenheit sowie die dadurch Ein Drittel der Befragten war der Ansicht, dass die unterschiedliche Religionszugehörigkeit bei der Bemühung um eine harmonische Integration ein Hindernis darstellt. In diesem Zusammenhang wird vor allem der Islam genannt, betroffen sind aber auch alle anderen Religionen und die Menschen, die eine Religion praktizieren: es betrifft die Außensicht (Vorurteile, Instrumentalisierung seitens der Politiker und der Medien) und das Innenverhältnis (fehlende Laizität, Rolle der Frau). Es ist allgemein bekannt, dass bei der Bemühung um Integration das Religionsproblem häufig ein wirkliches Problem darstellt. Auch Italien ist davon nicht ausgeschlossen, obwohl es weniger akut als in anderen Ländern ist. Ausschlag gebend ist die sehr diversifizierte Verteilung der verschiedenen Religionen: die Christen machen die Hälfte (zu gleichen Teilen Katholiken und Orthodoxe), die Muslime ein Drittel der Gesamtzahl aus, auch die großen orientalischen Religionen sind stark vertreten, um nur die wichtigsten Religionsgemeinschaften anzuführen. Dieser Polyzentrismus hat dazu geführt, dass es keiner religiösen Gemeinschaft möglich ist, ihre Forderungen in absolutistischer Form zu stellen. Man würde auch die Problematik reduzieren, wenn der durch die Immigration entstandene multireligiöse Kontext auf den Islam beschränkt und die anderen Religionen außer Acht gelassen würden. Die Tatsache, dass Medien, Politiker und Vorurteile der Menschen das gegenseitige Verständnis nicht fördern, darf aber nicht dazu führen, dass die den verschiedenen Glaubensrichtungen innewohnenden Probleme vergessen werden, die vor allem die personalen Rechte betreffen, ein Aspekt der nicht immer gesehen und diskutiert wird, obwohl er von grundlegender Bedeutung für einen ernsthaften und respektvollen Dialog ist. Dies hob auch ein Drittel der Befragten hervor. In Rom, wo zwei Drittel der Migranten Christen sind und die katholische Kirche ihr Zentrum hat, scheinen die Dinge etwas besser zu laufen: dies Dank des bedeutsamen Einsatzes des päpstlichen Magisteriums (was auch die Fundiertheit der Reaktionen auf die Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. einschränkt), Dank der Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der Pfarreien (die in den Muslimen und den anderen Gläubigen vor allem Brüder sehen), auch Dank der Offenheit der Verantwortlichen des islamischen Kulturzentrums in der großen Moschee in Rom und der italienischen Sektion der Internationalen Muslimischen Liga. Hervorzuheben ist die unermüdliche Arbeit der muslimischen interkulturellen Mediatoren, die im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens und auf der Grundlage der Achtung der unabdingbaren gemeinsamen Grundnormen sowie des Respekts der Andersartigkeit in Rom mit den Vertretern der katholischen und anderen Religionen (zum Beispiel im Rahmen des Forums per l’intercultura der Caritas Rom) zusammenarbeiten. Mühsam und schrittweise setzt sich die Überzeugung durch, dass die Gläubigen aller Religionen eine besondere Verantwortung haben Zeugnis gegenüber der realen Welt abzulegen, wenn sie vermeiden wollen, dass Religiosität hierzu in Widerspruch gerät. Diese reale Welt, die nicht neu ist und nicht immer Ausgangspunkt für die Beziehungen und Auseinandersetzungen zwischen den Religionen war, erfordert von allen Verantwortlichen einen größeren Einsatz auf der Suche nach gemeinsamen, nicht konfliktbelasteten Wegen. entstehenden Probleme und Perspektiven, vgl. G. Gnesotto, F. Marsico, M. P. Nanni, F. Pittau, „Il panorama multireligioso in Italia“, in Caritas/Migrantes, Dossier Statistico Immigrazione 2007, Edizioni Idos, Roma 2007, S.192-201. 97 Von der ersten zu der zweiten Generation 98 Die ausgewählten Interviewpartner bieten ein zwischen der ersten und zweiten Generation differenziertes Bild. Die erste Generation wird folgendermaßen geschildert: bemüht um Erfüllung der Grundbedürfnisse (wie Wohnung und Arbeit), ohne große Erwartungen, angepasster, naiver und eher bereit geduldig zu ertragen, gleichzeitig jedoch stark im Bewältigen der Schwierigkeiten, stärker an den Kontakten zum Herkunftsland interessiert, eher zurückgezogen als integriert, ohne den Lebensplan der Migration wirklich erfüllt zu haben. Dies ist Tatsache, obwohl die Vertreter der ersten Migrationsströme in Italien, im Gegensatz zu Zuwanderern vieler anderer Länder, ein hohes Bildungsniveau haben. Der Anteil der Ausländer mit Schul- und Berufsschulabschluss bzw. Fach- und Hochschulabschluss liegt um 6% über dem der Italiener. Dies hat sie nicht daran gehindert, als Hilfsarbeiter zu arbeiten oder jedenfalls niedrigere Arbeiten anzunehmen, die von Italienern nicht ausgeübt werden. Die zweite Generation dagegen ist vollkommen integriert, daran interessiert aller Rechte teilhaftig zu werden und nicht bereit die niedrigen Arbeiten ihrer Eltern auszuführen, deren Lebensstandard sie enttäuscht. Jedoch ist diese weniger stark in der Bewältigung von Schwierigkeiten und – wie die Statistiken beweisen - fehlt es ihr an dem hohen Bildungsniveau ihrer Eltern. Durchaus erwähnenswert ist die Tatsache, dass dieser harte Vergleich von den Angehörigen der ersten Generation selbst gemacht wird und darauf schließen lässt, dass auch in Italien das Zusammenleben mit der zweiten Generation durchaus schwierig werden kann, sofern nicht auf gesetzlicher und gesellschaftlicher Ebene konsequent vorgegangen und den positiven Beispielen gefolgt wird, die eine gute soziale Praxis hervorgebracht haben. Zukunftsperspektiven: der Vorzug gilt jedenfalls Rom und Italien Die Schwächen Italiens und der Italiener beruhen auf einer Mischung aus unangemessenen Gesetzen, Vorurteilen und Misstrauen sowie konkreten Schwierigkeiten bei Bürokratie, sozialen Diensten und Wohnraum. Ihre Stärken sind sicher die Solidarität, untermauert durch konkrete Leistungen im Gesundheitsdienst, beim Zugang zur Schulbildung und zu sozialen Diensten. Rom ist nicht nur die Stadt, in der man sich vorübergehend aufhält, sondern in der ein großer Teil (4 von 10) der Befragten auch dauerhaft leben will. Diejenigen, die bereit wären in eine andere Stadt zu ziehen, würden Bologna, Siena, Triest, Florenz oder, allgemein gesagt, eine Stadt des Nordens oder des Südens wählen. Die Gründe dieser Vorlieben wurden nicht hinterfragt, da sie auch von den persönlichen Vorstellungen und Beziehungen abhängen bzw. und von der Faszination, die andere Städte ausüben. Rom schneidet jedenfalls sehr gut ab. Die Gründe für eine Niederlassung in dieser Stadt sind sehr konkret und weniger ideell: das tägliche Leben ist einfacher, mehr Arbeitsmöglichkeiten, der Familien- und Freundeskreis, die Verfügbarkeit von sozialen Diensten. Hinzu kommen anspruchsvollere Begründungen: Rom als internationale und multiethnische Stadt, ästhetisch schön und den Migranten gegenüber offener, mit einer geringeren Neigung zur Diskriminierung. Wir haben es hier mit einem Bonus an Wertschätzung und Anhänglichkeit zu tun, der bei den Maßnahmen zur Aufnahme von Zuwanderern und beim persönlichen Verhalten nicht gering geschätzt werden sollte. Die Länder in denen es sich nach Ansicht der Befragten als Migrant am Besten leben lässt, sind Großbritannien, Holland und Schweden, denen das mediterrane Spanien mit mehr als 20 Angaben, folgt. Die zwei bedeutenden Immigrationsländer Deutschland und Frankreich werden nicht einmal erwähnt. In Bezug auf die angegebenen Länder werden deren Immigrationspolitik und Gesetzgebung, das der Multiethnizität gegenüber offenere Gesellschaftsmodell, die besseren Arbeitsmöglichkeiten und der besserer Wohlfahrtsstaat geschätzt. Italien insgesamt schneidet jedoch noch besser als Rom ab und behauptet sich als jenes Land, in dem die Hälfte der Befragten sich dauerhaft niederlassen möchte und als Land, das zwei Drittel den anderen EU-Staaten vorzieht. Die Befragten sind mit dem Gesamtkontext, der Lebensqualität und den geknüpften Beziehungen zufrieden und wollen nicht woanders noch einmal von vorne anfangen. Wie die Dinge in Italien weitergehen werden, ist nach Ansicht der befragten Migranten offen. Ein Teil glaubt, dass es zu einer Verbesserung der Situation kommen wird (die größere Gruppe, aber weniger als die Hälfte), ein anderer Teil ist skeptischer (ein Drittel der Gesamtzahl). Diese Licht und Schatten-Darstellung spiegelt die unbeständige Beziehung zwischen italienischer Gesellschaft (auch der Stadt Rom) und der Immigration wider, eine Art „Liebes-Syndrom“ („Ich möchte und möchte doch nicht“), denn einerseits wird die Notwendigkeit der Migranten zur Unterstützung des Arbeitsmarktes anerkannt, andererseits ist man nicht zu hundert Prozent bereit mit ihnen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene zusammenzuleben. Gesetzgeber und Gebietskörperschaften haben also noch viel Arbeit vor sich. Es war vorauszusehen, dass die Mehrheit (6 von 10) den Einflusses der EU auf die Migrationspolitik Italiens und die der anderen Mitgliedstaaten als wichtig erachtet. Dennoch war verwunderlich, dass immerhin ein Fünftel der Antworten hierbei skeptischer waren. Zitate der Betroffenen54 Meinungen zur Integration „Es handelt sich um einen Prozess, dessen Ziel die aktive Beteiligung der Migranten am wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und politischen Leben des Landes ist“. „Was uns von den Anderen unterscheidet sind nur kulturelle Aspekte, die, wenn sie angemessen genutzt werden, eine große Bereicherung sein können. Wir müssten einen Schritt weiter gehen und an die Person, an die Menschlichkeit, an die Menschheit, die jeder von uns in sich trägt, denken, an all das was uns verbindet. Wir hegen alle die gleichen Träume, den selben Wunsch, unseren Kindern eine friedliche und bessere Welt zu hinterlassen, in der das Wort ‚Ausländer’ nicht mehr vorkommt“. „Eigentlich möchte ich nicht von Integration sondern von Interaktion sprechen. Meiner Ansicht nach ist es wichtig, dass beide Seiten, also die der Ausländer wie auch die der Italiener, lernen zusammen zu leben und bereit sind gegenseitig die Welt des Anderen kennen zu lernen. Es geht auch um die Bereitschaft, die verschiedenen Kulturen erforschen zu wollen, sie zu verstehen, aber auch – wenn nicht vor allem – sie zu respektieren. Die Interaktion muss schon aus ihrer Definition heraus gegenseitig sein, muss friedlich und (54) Herausgegeben von Chiara Mellina und Kamila Kowalska. 99 von den Menschen bewusst gewollt werden, ohne Angst vor dem Unbekannten und dem Anderen.“ „Um von Integration sprechen zu können, müssen wir als erstes aus unserer Denkweise jene Schranken verbannen, die uns trennen.“ „Wenn von Integration gesprochen wird, ist meist gemeint, dass die Migranten sich einfügen sollen, ohne die Italiener zu stören, sich also so integrieren sollen, dass sie den Italienern ähnlicher werden.“ Hinweise zur Verbesserung der Integration? 100 „Den Migranten bei seiner Ankunft als Bringer von Wissen und Kompetenzen anerkennen, die er in seinem Land erworben hat, und versuchen, alle seine Fähigkeiten auf kreative, offene und konstruktive Weise zu achten, ohne ihn unterqualifiziert zu beschäftigen, auf dass er nicht einfach auf zwei Arbeitsarme für die italienische Wirtschaft reduziert wird.“ „Allem voran müssen das Staatbürgerschaftsgesetz sowie das Bossi-Fini-Gesetz abgeändert werden. Aufenthaltsgenehmigungen und Zuwanderungsquoten müssen im Einklang mit der Integrationspolitik gestaltet werden. Des Weiteren ist eine schnellere Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse und größere Aufmerksamkeit gegenüber den minderjährigen Ausländern erforderlich. Die Zerfaserung der Maßnahmen sollte überwunden und auf nationaler Ebene eine koordinierte Abstimmung eingeleitet werden“. „Um die Situation zu verbessern, müsste man als Erstes die Vorstellungen darüber was Integration ist, von Grund auf ändern. Man müsste versuchen, dass sich Italiener und Migranten gegenseitig annähern und dabei die rein einseitige Ausrichtung vermeiden, Migranten hätten auf Italiener zuzugehen.“ „Um dies zu verwirklichen muss seitens aller politischen Parteien und der Massenmedien, den Themen der Migration größere Beachtung entgegengebracht werden, ebenso sollte die öffentliche Meinung stärker sensibilisiert werden.“ „Des Weiteren müssen die von Gesetz und Verfassung anerkannten Rechte (z.B. was Asyl und Nicht-Diskriminierung anbelangt) geachtet und verteidigt werden. Weitere Rechte, wie das Wahlrecht, müssen gesetzlich anerkannt werden.“ „Das was wirklich getan werden sollte ist vielleicht nicht ‚integrieren’, sondern ‚gemeinsam schaffen’.“ Die Integration von Migranten in Rom (Mai-Juni 2007) – Untersuchung des „Dossier Statistico Immigrazione“55 – in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft Rom56 Welche wichtigen Mängel sollte Italien gegenüber den Migranten vermeiden? (Stelle eine Prioritätenliste auf) a.W. % Ausbeutung am Arbeitsplatz und Schwarzarbeit 34 17,6 Immobilienmarkt (Probleme mit Unterkunft, Wohnung, Mieten, Hypotheken) 30 15,5 (55) Interviews und Statistik von Chiara Mellina und Kamila Kowalska-Angelelli (56) Mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung Mentalität, Vorurteile, Stereotypen, Misstrauen der Leute 29 15,0 Zugang zu den sozialen Dienstleistungen 23 11,9 Zugang zur Erwachsenenbildung, mehr Kurse für italienische Sprache und Kultur, Probleme der Anerkennung von Berufsabschlüssen 19 9,8 Gesetzeslücken und widersprüchliche Gesetze 16 8,3 Verwaltungswege, Druck durch die Bürokratie 15 7,8 Keine Räumlichkeiten, für Treffpunkte von Migranten oder für die Religionsausübung 9 4,7 Erwerb der Staatsangehörigkeit 6 3,1 Ungenügende Vorbereitung der Schulen auf die Veränderungen 6 3,1 Rassismus in den Behörden 2 1,0 Wahlrecht für die Migranten 1 0,5 Keine Probleme, wer hier leben will, muss sich anpassen 1 0,5 Dienstleistungen des Gesundheitswesens Dienstleistungen der Banken 1 1 0,5 0,5 ANTWORTEN INSGESAMT Welche Vorteile bietet Italien? (Stelle eine Prioritätenliste auf) 193 100,0 a.W. % Gesellschaftliche Solidarität, Menschlichkeit der Italiener, Aufgeschlossenheit und Aufnahme seitens der Gesellschaft insgesamt Recht auf Bildung und Zugang zum Bildungswesen (Rechte der Kinder) 31 25,0 25 20,2 Gesundheitliche Versorgung 20 16,1 Ein (verglichen mit der Vergangenheit) leichterer Zugang zu sozialen Dienstleistungen Vorhandensein von Kultstätten zur Ausübung der verschiedenen Religionen 11 8 8,9 6,5 Allgemeine Freiheit 6 4,8 Vereinigungen (auch zur Organisation von Kursen für italienische Sprache und Kultur) 5 4,0 Keine Vorteile 4 3,2 Man findet leicht Arbeit (wenn auch schlechtbezahlt und „unterqualifiziert”), vor allem im Gaststättengewerbe und in der Gebäudereinigung 4 3,2 Allgemeine Flexibilität im Alltagsleben 3 2,4 Ich weiß nicht 3 2,4 Chance sich selbständig zu machen 2 1,6 Gut organisierte Informationsstellen/Beratungsstellen für Ausländer 1 0,8 Gleichberechtigung 1 0,8 ANTWORTEN INSGESAMT 124 100,0 Worin unterscheiden sich vor allem die Erwartungen zwischen der ersten und der folgenden Generation? a.W. % 101 63 100 a.W. 36 % 57,1 18 28,6 unwichtig 8 12,7 wichtig, aber ich weiß nicht, ob es sehr wichtig ist oder nicht 1 1,6 20 31,7 11 17,5 6 6 9,5 9,5 nicht so wichtig Die erste versucht, etwas aufzubauen, ist aber zwischen beiden Ländern hin- und hergerissen; die zweite fühlt sich weder als Italiener, noch als Ausländer Die erste fühlt sich stärker und erträgt alle Schwierigkeiten; die zweite ist schwächer und lebt zwischen zwei Ländern Die erste nimmt alles schwerer; die zweite ist vom Leben der Eltern enttäuscht 4 6,3 4 6,3 2 3,2 um ein Bürger mit allen Rechten zu sein Die erste lebt zurückgezogen und weniger integriert; die zweite hat keine Komplexe und will alle Rechte Keine Unterschiede festgestellt 2 3,2 um nicht als Ausländer diskriminiert zu werden 2 3,2 um die eigenen beruflichen Aussichten zu verbessern Es gibt keine Unterschiede: es ist für alle schwer 1 1,6 als Ausdruck einer endgültigen Eingliederung Die erste hat ihr Migrationsprojekt nicht umgesetzt; die zweite braucht die Eltern 1 1,6 Es gibt kaum Unterschiede zwischen den Generationen; die zweite hat keine Pläne 1 1,6 Ich weiß nicht 3 4,8 ANTWORTEN INSGESAMT 102 ANTWORTEN INSGESAMT Die erste will „Grundbedürfnisse” (Arbeit, Wohnung); die zweite wie die Italiener leben können Die erste ist naiver/angepasster/moderner Sklave/ohne Erwartungen, erträgt alles; die zweite ist fähiger, aktiver, integriert, fordernd, will nicht mehr die niedrigen Arbeiten der Eltern verrichten Die erste ist weniger integriert; die zweite ist völlig integriert Die erste will weiterhin zum Herkunftsland Kontakte halten; die zweite eher weniger sehr wichtig 63 100,0 Nehmen die Migranten, die du kennst, an von Italienern organisierten kulturellen, politischen und anderen Veranstaltungen teil? a.W. % oft 16 25,4 manchmal 31 49,2 selten 16 25,4 nie ANTWORTEN INSGESAMT Wie wichtig ist für dich die italienische Staatsbürgerschaft? 63 100,0 Siehst du italienisches Fernsehen? ANTWORTEN INSGESAMT 63 100,0 Wenn ja, welcher Grund ist am wichtigsten? (mehrere Antworten sind erlaubt) 33 42,9 6 7,8 16 20,8 8 10,4 Andere Antworten 14 18,2 ANTWORTEN INSGESAMT 77 100,0 Wie könnte man das Integrationskonzept definieren? a.W. 37 % 36,3 19 18,6 Keine Diskriminierung 8 7,8 Interaktion Sich dem neuen Rahmen anzupassen, ohne auf die eigenen Eigenschaften verzichten zu müssen Ein Dialog verschiedener Standpunkte, eine Gegenüberstellung von Ideen, ein Verlassen des Egozentrismus Man fühlt sich wohl, auch wenn man nicht in dem Land lebt, in dem man geboren wurde 7 7 6,9 6,9 7 6,9 5 4,9 Feste Beziehungen, stabiles Leben, Wohnung, Arbeit, Familie 4 3,9 Gegenseitige Anerkennung und Achtung, Achtung der Unterschiede, Ausübung der gleichen Rechte Friedliches Zusammenleben oft 41 65,1 Grenzen abzuschaffen 2 2,0 manchmal 14 22,2 Es ist ein dornenreicher (schwieriger) Weg, der von oben angegangen werden muss 2 2,0 selten 7 11,1 Kein Beitrag 2 2,0 nie 1 1,6 Das Recht auf die Staatsbürgerschaft 1 1,0 Ich weiß nicht 1 1,0 ANTWORTEN INSGESAMT 63 100,0 Sehen die Migranten, die du kennst, italienisches Fernsehen? ANTWORTEN INSGESAMT oft 37 58,7 manchmal 19 30,2 7 11,1 selten nie 102 100,0 Was muss konkret geschehen, damit die Integration besser verläuft? (Stelle eine Prioritätenliste auf) a.W. % Erwachsenen und Kindern beibringen sich gegenseitig zu achten, Erziehungspro22 19,5 gramme, Beziehungen knüpfen, die auf Gleichheit aufbauen, und alle, Einheimische wie Ausländer, einbeziehen 103 In der ganzen italienischen Gesellschaft gegen Vorurteile und vorgefasste Meinungen kämpfen/ mehr Auseinandersetzungen Gezielte politische Maßnahmen und geeignete Strafen bei Vergehen. Das gegenwärtig gültige Gesetz abändern, mehr Kontrolle der Zuwanderung und vor allem der Ausbeutung von Migranten Förderung der gesellschaftlichen Eingliederung, Wohnung, Arbeit, Ausbildung, Familienzusammenführung Mehr staatliche finanzielle Förderung für die Integration und die Verbände und weniger für die Kontrolle Kurse für das Erlernen der italienischen Sprache und Kultur, Geschichtsunterricht über die verschiedenen Herkunftsländer für die Italiener und Italiens für Ausländer 104 21 18,6 16 14,2 11 9,7 6 5,3 5 4,4 Förderung einer Staatsbürgerschaft der Teilhabe, gemeinsam und solidarisch, bei der der Einheimische wie der Migrant zusammen agieren; beide Seite Projektträger und Umsetzer 4 3,5 Keine Diskriminierung bei der Anerkennung der Kompetenzen und beruflichen Abschlüsse der Ausländer Gleiche Rechte und Pflichten 4 3,5 4 3,5 Zielgerichtete Projekte im öffentlich-rechtlichen und privaten Bereich 3 2,7 Mehr Kuturmediatoren insbesondere in öffentlichen Einrichtungen (Krankenhäuser, Polizeipräsidien, öffentliche Verwaltung, usw.) 3 2,7 Mit einer neuen Wohnungspolitik beginnen 3 2,7 Kein Beitrag 3 2,7 Verständliche Gesetze 2 1,8 Ein Ministerium für Migration 2 1,8 Informationen 2 1,8 Mit solchen Interviews aufhören und damit beginnen, einander kennenzulernen 1 0,9 Ich weiß nicht 1 0,9 ANTWORTEN INSGESAMT 113 100,0 deren beide Eltern im Herkunftsland geboren sind. Die Studie umfasst die Migrationsbiografien und die sozialen Rahmenbedingungen des Aufwachsens, die Rolle und die Bedeutung der Familie, Freizeit und Freundschaften, Schule und Ausbildung, Mehrsprachigkeit und Sprachmilieu, Vorstellungen von Partnerschaft, Erziehung und Geschlechterrollen, Körperbewusstsein und Sexualität, Ethnizität und psychische Stabilität, Religiosität und Inanspruchnahme von Beratungsangeboten in Krisen. Befragt wurden von November 2001 bis März 2002 insgesamt 950 (davon 183 italienische) Mädchen und unverheiratete Frauen im Alter von 15 bis 21 Jahren. Die Erhebung erfolgte mittels Zufallsauswahl in verschiedenen Regionen durch persönliche Interviews und basiert auf einem Fragebogen mit 138 Fragen. Für den vorliegenden Sammelband wurde die Kurzfassung des Kapitels „Herkunft zählt: Ethnizität und psychische Stabilität“ ausgewählt (die Tabellen und die Graphik sind der Langfassung entnommen). Die Studie kann auf den Internetseiten des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend abgerufen werden: http://www.bmfsfj.de. Herkunft zählt: Ethnizität und psychische Stabilität Das Selbstverständnis und die psychische Befindlichkeit von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund wird sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Fachdiskussion nicht selten mit Metaphern umschrieben, die auf Instabilität hinweisen. Sie lebten, so wird gesagt, „zwischen zwei Stühlen“ oder „zwischen den Kulturen“. Auch in die Diskussion eingebrachte Begriffe eines Lebens „auf beiden Stühlen“ oder „des dritten Stuhls“ bewirken kaum, dass Vorstellungen Verbreitung finden, die Zweisprachigkeit und Bikulturalität als Ressource einordnen. Zuwanderung wird in der Regel als Kosten bilanziert und daher mit Vorstellungen von Verlust der ethnischen oder kulturellen Identität, Identitätsdiffusion und psychischer Gefährdung in Verbindung gebracht. Ethnizität Ethnizität ist seit langem die Schlüsselkategorie zur Beschreibung der Selbstverortung der Zugewanderten und zur Erklärung von Verhaltensweisen dieser Gruppe, sowohl von Konflikten zwischen verschiedenen Zuwanderergruppen als auch von Zugewanderten und Deutschen. Ethnizität wird auf der einen Seite als ethnische Verortung (ethnische Identifikation), auf der anderen Seite als sich Wohlfühlen in ethnischen Beziehungen verstanden. Die Mädchen verorten sich kaum als Deutsche Lebenslage von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund Studie im Auftrag des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning (Universität Duisburg/Essen) und Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu (Universität Bremen) Die in 2004 veröffentlichte Studie „Viele Welten leben“ beruht auf einer Untersuchung der Lebenslagen von Mädchen und jungen Frauen mit griechischem, italienischem, jugoslawischem und türkischem Migrationshintergrund und aus Aussiedlerfamilien aus Russland (meist im 18. Jahrhundert emigriert, oft ohne Deutschkenntnisse). Gefragt wurden Mädchen und junge Frauen, Die Frage nach der ethnischen Selbstverordnung folgt Konzepten, die von der Möglichkeit ausgehen, dass sich ein Mensch gleichzeitig verschiedenen Gruppen in unterschiedlicher Stärke zuordnet und somit seine Identität konstruiert. Die jungen Frauen bekamen die Möglichkeit, sich sowohl als Deutsche, wie auch als Angehörige der Herkunftsgruppe und/oder der Religionsgruppe und/oder der Stadt und/oder als Europäerin und/oder als Ausländerin zu identifizieren (ein aktuelles Stichwort ist hierbei die „Hybridität“ von Identitäten in Zuwanderungsgesellschaften). Trotz der Möglichkeit, mehrere Verortungen vorzunehmen, fühlen sich nur wenige der Mädchen und jungen Frauen (auch) als Deutsche (3% „sehr stark“ und 15% „stark“). Ein erheblicher Teil wehrt diese Verortung ab (22% „wenig“ und 23% „gar nicht“). Die ethnische Selbstverortung als Deutsche findet die geringste Zustimmung und die größte Ablehnung von allen Vorgaben, gefolgt von der Selbstdefinition als Ausländerin. 105 Die Mädchen und jungen Frauen aller nationalen Hintergründe verorten sich hingegen überwiegend als Angehörige der Herkunftsgruppe. Nahezu drei Viertel (genau: 37% „sehr stark“ und 34% „stark“) fühlen sich (auch) als Angehörige der Herkunftsgruppe, nur sieben Prozent (4 Prozent „wenig“ und 2% „gar nicht“) wehren eine solche Zuordnung ab. Im Vergleich zwischen der ethnischen Verortung als Deutsche oder als Angehörige der Herkunftsgruppe ist die Zahl derer, die sich nur als Deutsche verstehen, mit 8 Prozent äußerst gering, die Zahl derjenigen, die sich nur als Angehörige der Herkunftsgruppe verstehen, mit 61 Prozent sehr groß. Als beiden zugehörig versteht sich mit 10 Prozent ebenfalls nur eine kleine Minderheit. Dieses sind weniger als diejenigen, die beide Zuordnungen zurückweisen (21%). Es sind die Mädchen mit griechischem (77%) und italienischem (65%) Hintergrund, die sich in dieser Gegenüberstellung ausschließlich in der Herkunftsgruppe verorten. Und es sind die mit türkischem (59%) und jugoslawischem (56%) Hintergrund, die sich nur als herkunftsgruppenzugehörig benennen. Dieses führt kaum zu einer stärkeren Akzeptanz einer deutschen ethnischen oder zu einer bikulturellen Verortung. Ein Blick auf die Mädchen und jungen Frauen aus Aussiedlerfamilien zeigt, dass sich bei ihnen nur eine ausgesprochene Minderheit von 14 Prozent nur als Deutsche, die Mehrheit von 48 Prozent als herkunftsgruppenzugehörig fühlt. Eine besonders große Zahl von 28 Prozent wählt weder das eine noch das andere. Die Mädchen und jungen Frauen aller nationalen Hintergründe fühlen sich demnach überwiegend mit der Herkunftsgruppe ethnisch verbunden, nur eine ganz kleine Zahl verortet sich als Deutsche oder als bikulturell. 106 Sich-Wohlfühlen in Deutschland ist durchgängig gegeben. Die meisten Mädchen und jungen Frauen aller Herkünfte fühlen sich in Deutschland wohl, allerdings auch in der eigenen Ethnie in Deutschland, und auch im Herkunftsland. Es sind die Mädchen mit türkischem, gefolgt von denen mit jugoslawischen Hintergrund, die emotional am konsequentesten an Deutschland und deutlich weniger am Herkunftsland (der Eltern) orientiert sind und es sind die mit griechischem Hintergrund, die sich häufiger im Herkunftsland emotional aufgehoben fühlen. (a.W.) Kontakte finden häufiger in ethnischen als in deutschen oder multikulturellen Kontexten statt. Die Freizeit wird von deutlich mehr Mädchen und jungen Frauen im Kontext der eigenen Herkunftsgruppe als im multikulturellen oder deutschen Kontext verbracht. Die Ausdifferenzierung nach Herkunftsgruppen offenbart ein sehr unterschiedliches Bild. Die Mädchen und jungen Frauen mit türkischem (71%) und griechischem (65%) Hintergrund sowie die Aussiedler (69%) verbringen ihre Freizeit nur wenig im einheimischen deutschen Kontext. Wenig Bedeutung hat für diese Herkunftsgruppen auch der multikulturelle Kontext. Von Interesse ist das Ergebnis, dass Mädchen und junge Frauen mit türkischem Hintergrund ihre Freizeit zu fast gleich großen Anteilen wenig bzw. viel in einem eigenethnischen Freundinnen/Freundeskreis verbringen, während bei der griechischen Herkunftsgruppe und den Aussiedlerinnen deutlich wird, dass sie ihre Freizeit überwiegend in einer eigenethnischen Gruppe von Freundinnen und Freunden verbringen. Ein Blick auf die Interkorrelation belegt, dass Mädchen und junge Frauen, die ihre Freizeit im ethnischen Kontext verbringen, sich nur wenig im deutschen Kontext aufhalten. Über ein Drittel Mädchen mit türkischem und jugoslawischem Hintergrund (jeweils 30%), aber mehr als zwei Drittel der jungen Aussiedlerinnen (70%) bewegt sich überwiegend im ethnischen Kontext. 107 Die Ehe mit einem deutschen Mann ist für einen erheblichen Teil der Mädchen und jungen Frauen nicht vorstellbar. Der Wunsch nach ethnisch homogenen persönlichen Beziehungen besteht vor allem bei Mädchen mit türkischem und griechischem Hintergrund. Die Ehe mit einem (einheimischen) deutschen Mann lehnen 38 Prozent (16% „auf keinen Fall“) der Mädchen mit italienischem Hintergrund, 47 Prozent (22%) der Aussiedlerinnen, 54 Prozent (28%) derjenigen mit jugoslawischem Hintergrund, aber 66 Prozent (41%) der Mädchen mit griechischem und 78% (48%) mit türkischem Hintergrund ab. Die Vorstellung einer Kulturverbindung über eine binationale Ehe liegt damit den Mädchen und jungen Frauen zu einem erheblichen Teil fern. Die Mädchen und jungen Frauen mit türkischem Hintergrund antizipieren am häufigsten Einwände ihrer Eltern, zu gleichen Teilen bei der Mutter wie bei dem Vater. Am wenigsten Widerstand der Eltern erwarten Mädchen und junge Frauen italienischer Herkunft und junge Aussiedlerinnen. Die formale Mitgliedschaft in Form der deutschen Staatsangehörigkeit wird vor allem von Mädchen mit türkischem Hintergrund angestrebt. 108 Die formale Mitgliedschaft in Form der deutschen Staatsangehörigkeit wird vor allem von Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund gewünscht. Abgesehen von den Mädchen und jungen Frauen aus Aussiedlerfamilien, die weitestgehend über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügen, besitzt nur bei den Mädchen mit türkischem (81%) und jugoslawischem (65%) Hintergrund ein größerer Teil die deutsche Staatsangehörigkeit oder hat Interesse an einer formalen Mitgliedschaft über die Beantragung oder den Wunsch danach. Mädchen mit griechischem und italienischem Hintergrund sind nicht interessiert, weil sie – anders als erstere – im Erwerb des deutschen Passes keine Vorteile sehen. (a.W.) Die künftige Lebensplanung ist bei einigen Herkunftsgruppen eindeutig auf Deutschland ausgerichtet. Mädchen mit jugoslawischem und türkischem Hintergrund sehen ihre Zukunft zu drei Vierteln eindeutig in Deutschland, Mädchen mit italienischem Hintergrund nur zur Hälfte (ein Viertel im Herkunftsland) und mit griechischem Hintergrund zu einem Viertel. Nur die zwei letzten Gruppen sind überwiegend bereit, für ein interessantes Berufsangebot in das Herkunftsland der Eltern umzuziehen. Deutschland ist (nur) für Mädchen aus Aussiedlerfamilien und mit türkischem und jugoslawischem Hintergrund zum künftigen Lebensmittelpunkt geworden. Für einen Teil der Mädchen mit italienischem Hintergrund und der Mädchen mit griechischem Hintergrund enthält die Lebensplanung die Vorstellung von Rückkehr in das Herkunftsland der Eltern. Es gibt kaum Bereitschaft zur Anpassung an deutsche Bräuche. Bei dem überwiegenden Teil bleibt das Leben in der Schwebe zwischen den beiden Ländern. Die Anpassung an deutsche Sitten und Gebräuche wird zurückgewiesen. Nur die Mädchen aus Aussiedlerfamilien sind zu einem größeren Teil der Meinung, dass von jemandem, der schon lange in Deutschland lebt, Anpassungsleistungen im Hinblick auf Kleidung und Essgewohnheiten erwartet werden können. Selten findet sich die Bereitschaft zur Aufgabe der Herkunftskultur der Eltern, aber es besteht die Bereitschaft zur Anpassung an funktionale Aspekte. Kaum ein Mädchen hält die Aufgabe der Kultur der Eltern für akzeptabel. Aber immerhin zwischen 15 Prozent (Befragte mit griechischem Hintergrund), 35 Prozent (Befragte mit türkischem Hintergrund) und 40 Prozent (Aussiedlerinnen) akzeptieren die überwiegende Erziehung der Kinder in der deutschen Sprache. Positiv eingestuft wird eine funktionale Beziehung zum deutschen Kontext. Weitaus die meisten Mädchen und jungen Frauen erwarten von Personen, die schon lange in Deutschland leben, die Beherrschung der deutschen Sprache (78% bis 91%), etwas weniger die Aufnahme von Kontakten zu Deutschen (64% bis 80%). Es besteht eine starke eigenethnische Identifikation bei allen Gruppen. Bei allen Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund ist die Zahl derer, die eine starke ethnische Identifikation mit der Herkunftsgruppe besitzen, deutlich größer als die mit geringer ethnischer Identifikation. Am stärksten ausgeprägt ist die Bindung an die eigene Ethnie bei den Mädchen und jungen Frauen mit griechischem (80% „stark“ und „sehr stark“), gefolgt von denen mit italienischem (78%) Hintergrund. Mädchen aus Aussiedlerfamilien und Mädchen mit türkischem Hintergrund haben niedrigere Werte: Ihre Identifikation gilt weniger dem Herkunftsland der Eltern als vielmehr der eigenethnischen Gruppe und Familie in Deutschland. Psychische Stabilität: Die Zufriedenheit mit der Lebenssituation ist groß. Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund sind mit ihrer Lebenslage überwiegend zufrieden, vor allem mit der Wohngegend (64%) und mit dem schulisch 109 und beruflich Erreichten (56%), weniger mit der Freizeit (49%) und mit der finanziellen Situation (47%). Unzufriedener als die Übrigen sind Mädchen und junge Frauen aus Aussiedlerfamilien. Eine große Zahl von Mädchen lebt ohne psychosomatische Beschwerden und ist psychisch stark. 110 Mädchen mit Migrationshintergrund sind überwiegend psychisch stark. Aber es gibt eine nicht unerhebliche Zahl (9% bis 18%) von Mädchen mit Migrationshintergrund, die sich selbst als psychisch belastet definieren. Bei der Zahl von Mädchen mit psychosomatischen Beschwerden (Konzentrations- und Schlafstörungen nennen 24%) sind die Mädchen mit türkischem Hintergrund überrepräsentiert (32%). Auch bei Fragen nach psychischer Stärke und denen, wo sich die überwiegende Zahl der Mädchen als glücklich, voller Energie, „gut drauf“, und nicht als einsam und nicht traurig präsentiert, sind neben Mädchen und jungen Frauen aus Aussiedlerfamilien die mit türkischem Hintergrund in den negativen Bewertungen überrepräsentiert. Persönliche Krisen (Streitigkeiten in der Familie, Verlust einer wichtigen Person, Trennung vom Partner und Zurückstufung bzw. sitzen bleiben in der Schule) bilden die am häufigsten erlebten kritischen Lebenssituationen. Wenn sie erfahren werden, werden sie in der Regel als Belastung empfunden. In diesem Themengebiet wurden auch Kontrollüberzeugungen erhoben, die ermitteln, ob interne oder äußere Kontrolle als maßgeblicher angesehen wird. Interne Kontrolle verbindet sich mit Vorstellungen von Selbstregulierung und Innenlenkung und damit auch mit Autonomie des selbstverantwortlich handelnden Individuums in der Moderne. Externe Kontrolle verbindet sich mit Außenlenkung, Passivität und der Zuweisung von Ursachen für Erfolg oder Misserfolg an Instanzen außerhalb der eigenen Handlungsmöglichkeiten. Die Mehrheit der Mädchen mit Migrationshintergrund stimmt Aussagen zu, welche die eigene Verantwortung betonen und damit auf internale Kontrolle hinweisen. Sie lehnt die Items ab, welche die Außenlenkung und damit eine externale Kontrolle betonen. Die Vorstellung eines psychisch belasteten und hilflosen Mädchens mit Migrationshintergrund, das „wenig Zukunftsperspektiven und kaum Möglichkeiten zur aktiven Lebensgestaltung“ hat und „vielfach ihrer Situation hilflos ausgeliefert“ ist, wird durch unsere Daten widerlegt. Mädchen mit Migrationshintergrund werden in den Gestaltungsmöglichkeiten ihrer – objektiv von ungünstigen Faktoren beeinflussten – Lebenswelt oft unterschätzt. Migrationsspezifische belastende Lebensereignisse werden seltener erlebt als persönliche Krisen. Angesichts der spezifischen Migrationsbiografien verwundert es nicht, dass die Ausreise nach Deutschland von einem Drittel der Mädchen und jungen Frauen aus Aussiedlerfamilien als belastende Lebenssituation empfunden wird/wurde. Jede dritte Aussiedlerin (33%) und jede fünfte Befragte mit jugoslawischem Migrationshintergrund (21%) gibt an, dadurch „sehr stark“ oder „stark“ belastet zu sein. Bei diesen zwei Herkunftsgruppen gibt es die höchsten Anteile an denen, die einer starken Belastung wegen der Arbeitslosigkeit der Eltern ausgesetzt sind. (12% der Befragten jugoslawischer Herkunft und 11% der Aussiedlerinnen). Rassistische Abwertung, seltener in Form von körperlichen Angriffen im öffentlichen Raum (von 4% erlebt), häufiger in Form von verbalen Angriffen (22%), der schlechten Behandlung in der Schule, der Ausbildung (22%) oder in Geschäften bzw. Ämtern (24%), noch häufiger als Verbot der Benutzung der Herkunftssprache in der Schule (30%) erlebt, stellen bei denjenigen, die sie erleben, Ereignisse mit hohem Belastungsgrad dar. Erlebt haben solche Situationen häufiger Mädchen und junge Frauen mit türkischem Hintergrund und aus Aussiedlerfamilien. Allerdings wirken sie sich wegen des seltenen Vorkommens auf die Gesamtzahl der Mädchen und jungen Frauen deutlich weniger als belastende Elemente aus als die häufig erlebten persönlichen Krisen. Zusammenfassung 1. Alle Bereiche, in denen Ethnizität erhoben wird, weisen auf eine starke Bindung an die eigene (Herkunfts-) Ethnie und auf eine geringe Bindung an die deutsche Kultur hin. 2. In der ethnischen Selbstverortung fühlen sich die Mädchen der Herkunftskultur zugehörig und weisen die Selbstverortung als Deutsche wie auch die Bekundung von Zugehörigkeit zu beiden Kulturen (bikulturelle Identität) zurück. 3. Eine Eheschließung mit einem deutschen Mann wird von den meisten nicht in Betracht gezogen. 4. Dennoch fühlen sich die Mädchen und jungen Frauen aller Herkünfte in Deutschland, allerdings auch im Herkunftsland, wohl und die Zufriedenheit mit der Lebenssituation ist groß. 5. Mädchen und junge Frauen mit türkischem Migrationshintergrund sind am konsequentesten an dem Leben in Deutschland orientiert, allerdings als Angehörige der türkischen Minderheit. Die Mädchen mit griechischem Hintergrund sind am wenigsten an Deutschland ausgerichtet; ihre emotionale Orientierung gilt stärker als bei allen übrigen dem Herkunftsland. Alle Herkunftsgruppen sehen ihre Zukunft zu einem erheblichen Teil in Deutschland, aber eine Anpassung an deutsche Lebensformen wird abgewehrt (Kleidung, Essgewohnheiten). 6. Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nahezu ausschließlich von Mädchen mit türkischem und jugoslawischem Hintergrund beantragt oder gewünscht und zwar in erster Linie aus Nützlichkeitserwägungen. 7. Es besteht keine Bereitschaft, die Kultur der Eltern aufzugeben. Am ehesten findet die überwiegende Erziehung der Kinder in der deutschen Sprache Akzeptanz. Anpassungsnotwendigkeit wird vor allem in der Beherrschung der deutschen Sprache und in der Kontaktaufnahme mit Deutschen gesehen. 8. Es lässt sich bei hoher psychischer Stabilität der meisten Mädchen und jungen Frauen eine Minderheit von 10 bis 20 Prozent herauslösen, die über psychosomatische Beschwerden klagt, sich als psychisch schwach definiert und ihr Leben nicht aktiv bewältigt. 9. Migrationsbedingte kritische Lebensereignisse wie Migration aber vor allem rassistische Vorfälle bzw. Diskriminierung sind relativ selten und betreffen vor allem Aussiedlerinnen und Mädchen türkischer Herkunft. Wenn sie vorkommen, werden sie als belastend empfunden. 111 Anlagen habe stärken • Wissenschaft – weltoffen! Fördern und Fordern Der Nationale Integrationsplan Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland Integration: eine zentrale Herausforderung für die Gesellschaft Deutschland ist ein weltoffenes Land. Hier leben rund 15 Millionen Menschen aus Zuwandererfamilien. Das sind mehr als 18 Prozent der Bevölkerung. Deshalb ist Integration eine Schlüsselaufgabe unserer Zeit. Die Bundesregierung hat dieses Thema zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht. Neue Wege, neue Chancen 112 Erfolgreiche Integration bedeutet gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Übernahme von Verantwortung. Dafür sind Anstrengungen des Staates und der Gesellschaft, aber auch der Zuwanderer selbst notwendig. Gute Deutschkenntnisse, gute Bildung und die Aufnahme in den Arbeitsmarkt stehen dabei im Vordergrund. Im Juli 2006 hat auf Einladung der Bundeskanzlerin erstmalig ein Integrationsgipfel stattgefunden. Ziel war es, bis zum Sommer 2007 ein gemeinsames integrationspolitisches Konzept zu erarbeiten. Dieser Gipfel hat eine neue Entwicklung in der Gesellschaft angestoßen. Das Ergebnis hat die Bundeskanzlerin beim zweiten Integrationsgipfel im Juli 2007 vorgestellt: den Nationalen Integrationsplan. Entwickelt wurde er nach zwei Leitlinien: 1. im Dialog mit den Migrantinnen und Migranten – mit ihnen reden, nicht über sie. 2. konkret: von jedem Beteiligten Selbstverpflichtungen einfordern, denn jeder kann einen Beitrag zum Gelingen von Integration leisten. Nationaler Integrationsplan Der Nationale Integrationsplan geht neue Wege und eröffnet neue Chancen für die Integration von Zuwanderern. Erstmals wirken alle, die in Politik und Gesellschaft mit Integration befasst sind, Hand in Hand: Bund, Länder, Kommunen, Migrantinnen und Migranten, Institutionen und Organisationen aus Wissenschaft, Medien, Kultur, Sport, Wirtschaft, Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften. Das sind die wichtigsten Themen des Nationalen Integrationsplans: • Integrationskurse verbessern • Von Anfang an deutsche Sprache fördern • Gute Bildung und Ausbildung sichern, Arbeitsmarktchancen erhöhen • Lebenssituation von Frauen und Mädchen verbessern, Gleichberechtigung verwirklichen • Integration vor Ort unterstützen • Kulturelle Vielfalt leben • Integration durch Sport • Medien - Vielfalt nutzen • Integration durch bürgerschaftliches Engagement und gleichberechtigte Teil- Integration ist eine Aufgabe von nationaler Bedeutung. Grundlage ist neben unseren Wertvorstellungen und unserem kulturellen Selbstverständnis die freiheitliche und demokratische Ordnung, wie sie sich aus der deutschen und europäischen Geschichte entwickelt hat und im Grundgesetz ihre verfassungsrechtliche Ausprägung findet. Integration kann nicht verordnet werden. Sie erfordert Anstrengungen von allen, vom Staat und der Gesellschaft. Maßgebend ist zum einen die Bereitschaft der Zuwanderer, sich auf ein Leben in unserer Gesellschaft einzulassen, unser Grundgesetz und unsere gesamte Rechtsordnung vorbehaltlos zu akzeptieren und insbesondere durch das Erlernen der deutschen Sprache ein sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zu Deutschland zu setzen. Auf Seiten der Aufnahmegesellschaft sind Akzeptanz, Toleranz, zivilgesellschaftliches Engagement und die Bereitschaft unverzichtbar, Menschen, die rechtmäßig bei uns leben, ehrlich willkommen zu heißen: Integration – eine Chance für unser Land! Die vielfältigen Begabungen von Zuwanderern sind bisher nicht immer ausreichend anerkannt und gefördert worden. Das will die Bundesregierung in Zukunft ändern. Alle Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben, sollen ihre Begabungen entfalten können und Sicherheit durch Bildung und Arbeit gewinnen. „Unsere Gesellschaft wird reicher und menschlicher durch Toleranz und Offenheit. Integration geht daher uns alle an – die Menschen aus Zuwandererfamilien genauso wie die Bürgerinnen und Bürger, die schon lange hier leben. Integration kann nur miteinander gelingen.“ (Bundeskanzlerin Angela Merkel) „Die Integration der Menschen aus Zuwandererfamilien ist eine riesige Herausforderung. Machen wir sie zu einer großen Chance für unser Land! Denn hier entscheidet sich letztlich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft - sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.“ (Maria Böhmer, Staatsministerin im Kanzleramt und Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration) Viele machen mit Bund, Länder und Kommunen sichern wichtige Voraussetzungen für das Gelingen von Integration. Allein kann der Staat die gesamtgesellschaftliche Aufgabe Integration aber nicht erfüllen; dies gelingt nur mit einer aktiven Bürgergesellschaft. Deshalb bringen sich beim Nationalen Integrationsplan viele ein: Staat und gesellschaftliche Gruppen, Medien, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft ebenso wie Migrantenorganisationen – sie alle haben sich zu konkreten Maßnahmen verpflichtet. Hier einige Beispiele: Die Bundesregierung wird • Integrationskurse zum Erwerb der deutschen Sprache ausbauen; • zusammen mit Ländern und Kommunen die Zahl der Ganztagsschulen und Tagesbetreuungsplätze erhöhen; • mit dem Modellprogramm „Die 2. Chance“ die Zahl der Schulabbrüche verringern; 113 • mit einem Netzwerk „Bildungspaten“ Kinder und Jugendliche unterstützen; • durch gezielte Maßnahmen die Chancen auf gute Ausbildung und ein erfolgreiches Studium erhöhen. Charta der Werte, der Staatsbürgerschaft und der Integration Die Länder werden Italien: Eine Personen- und Wertegemeinschaft • die Förderung der deutschen Sprache vom Kindergarten über die Schule bis in die Ausbildung verstärken; • mehr Migrantinnen und Migranten als Erzieherinnen und Lehrkräfte gewinnen; • den Zugang von Migrantinnen und Migranten zu gesundheitlichen Angeboten, Pflegediensten und Seniorenangeboten verbessern. Die Kommunalen Spitzenverbände empfehlen • die Unterstützung der Migranten durch „Integrationslotsen“; • Migrantinnen und Migranten stärker an den Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen vor Ort zu beteiligen; • in Stadtteilen mit Integrationsdefiziten durch Quartiersmanagement und Netzwerkbildung das Zusammenleben zwischen den Bevölkerungsgruppen zu fördern. Die Organisationen von Migrantinnen und Migranten werden • eine Kampagne „Frauen haben Rechte“ durchführen; • die Bildungsbeteiligung von jungen Migrantinnen und Migranten durch gezielte Elternarbeit und Bildungspaten verbessern. 114 Die Wirtschaft wird • in Betrieben, die von Migranten geführt werden, 10.000 zusätzliche Ausbildungsstellen schaffen; • mit der „Charta der Vielfalt“ die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration verbessern. Der Deutsche Olympische Sportbund und der Deutsche Fußball-Bund werden • die Bedeutung der Integration als ein Schwerpunktthema des Sports in die Verbände tragen, Übungsleiterschulungen anbieten und bei Migrantenfamilien Mitglieder werben. Die Stiftungen werden • die Integration zu einem zentralen Ziel ihres bürgerschaftlichen Engagements und ihrer Begabtenförderung entwickeln. Die deutschen und ausländischen Medien werden • Journalisten und Schauspieler ausländischer Herkunft verstärkt in Redaktionen und Programme einbeziehen; • die Medienforschung intensivieren und die Medienkompetenz fördern. Ausführliche und aktuelle Informationen unter: www.Nationaler-Integrationsplan.de, www. integrationsbeauftragte.de, www.bundesregierung.de Ministerium des Inneren der Republik Italien Italien ist eines der ältesten Länder Europas, dessen Wurzeln auf die klassische Kultur Griechenlands und Roms zurückgehen. Es hat sich in der Perspektive des Christentums entwickelt, das seine Geschichte durchdrungen hat und, gemeinsam mit dem Judentum, der Öffnung gegenüber der Moderne und den Prinzipien der Freiheit und Gerechtigkeit den Weg bereitete. Die Werte, auf die sich die italienische Gesellschaft gründet, sind das Ergebnis des Engagements von Generationen von Menschen verschiedener Weltanschauungen, sowohl säkular als auch religiös, und wurden in der demokratischen Verfassung von 1947 verankert. Die Verfassung stellt den Bruch mit Totalitarismus und Antisemitismus dar, die Europa im 20. Jahrhundert vergiftet und das jüdische Volk und seine Kultur verfolgt haben. Die Verfassung gründet sich auf die Achtung der Menschenwürde und ist von den Freiheits- und Gleichheitsprinzipien inspiriert, die für jeden gelten, der in Italien lebt. Auf der Basis seiner Verfassung hat Italien dazu beigetragen, ein vereintes Europa samt seiner Institutionen aufzubauen. Die europäischen Verträge und Konventionen tragen zur Verwirklichung einer internationalen Ordnung bei, die auf den Menschenrechten sowie der Gleichheit und Solidarität zwischen den Völkern basiert. Die geografische Lage Italiens, seine jüdisch-christliche Tradition sowie die freien und demokratischen Institutionen des italienischen Regierungssystems begründen seine Haltung gegenüber der Aufnahme anderer Nationalitäten. Italien, das inmitten des Mittelmeers liegt, war schon immer ein Kreuzungspunkt von Völkern verschiedener Kulturen, und seine Bevölkerung weist noch heute die Zeichen dieser Vielfalt auf. All das, was das Erbe Italiens darstellt, seine künstlerischen und natürlichen Schönheiten, seine wirtschaftlichen und kulturellen Ressourcen, sowie seine demokratischen Institutionen, steht im Dienst der Männer, Frauen, Jugendlichen und künftigen Generationen. Unsere Verfassungscharta schützt und fördert die unantastbaren Menschenrechte, um die Schwächeren zu unterstützen und um die Entfaltung der Fähigkeiten und Eignungen jeder Person zu gewährleisten, sei es bei der Arbeit, in moralischer oder in geistiger Hinsicht. Menschenwürde, Rechte und Pflichten 1. Italien setzt sich dafür ein, dass jeder Mensch, sobald er sich auf italienischem Staatsgebiet befindet, ohne Unterschied des Geschlechts, der Volksgruppe, der Religion und der sozialen Verhältnisse die Grundrechte genießen kann. Zugleich muss jeder in Italien lebende Mensch die Grundwerte der Gesellschaft, die Rechte der Anderen und die gesetzlichen Pflichten zur Solidarität achten. Unter den gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen gewährt Italien jenen, die in ihren eigenen Ländern verfolgt oder an der Ausübung der Grundfreiheiten gehindert werden, Asyl und Schutz. 2. Indem die Gleichheit der Rechte und Pflichten für alle vorgesehen ist, unterstützt das Recht jene, die diskriminiert werden oder bedürftig sind, insbesondere Frauen und Minderjährige; zu diesem Zweck beseitigt es die Hindernisse, die die volle Entfaltung der Persönlichkeit verhindern. 115 3. Die Freiheitsrechte und die Rechte auf Sozialleistungen, die unsere Rechtsordnung im Laufe der Zeit entwickelt hat, müssen auf alle Migranten ausgeweitet werden. Das Recht auf Leben ist von seinem Anfang bis zu seinem natürlichen Ende gewährleistet, genauso wie das Recht auf Gesundheit mit kostenlosen Behandlungen, wenn sie notwendig sind; ein besonderer Schutz ist für die Mutterschaft und Kindheit vorgesehen. Das Recht auf Bildung wird als unentbehrliches Instrument zur persönlichen Entfaltung und zur Eingliederung in die Gesellschaft anerkannt. 4. Mann und Frau sind gleichberechtigt und genießen gleiche Rechte innerhalb und außerhalb der Familie. Italien bieten den Frauen, den Männern und den jungen Migranten einen Prozess der Integration an, der die Identität jeder Person achtet und es all denen, die sich in Italien niederlassen wollen, ermöglicht, an dem Sozialleben des Landes aktiv teilzuhaben. 5. Der Migrant kann unter den gesetzlich vorgesehenen Bedingungen die italienische Staatsangehörigkeit erwerben. Um sie gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zu erhalten, ist es erforderlich, die italienische Sprache und die Grundelemente der nationalen Geschichte und Kultur zu kennen sowie die Prinzipien, die unsere Gesellschaft bestimmen, zu teilen. Im selben Land zu leben bedeutet die Fähigkeit, gemeinsam vollwertige Bürger zu sein und sich mit Loyalität und Konsequenz gemeinschaftliche Werte und Verantwortungen anzueignen. Soziale Rechte, Arbeit und Gesundheit 116 6. Italien schützt und fördert die Arbeit in allen Formen, verurteilt und bekämpft jede Art von menschlicher Ausbeutung, insbesondere die der Frauen und Kinder. Die Arbeit hilft der persönlichen Entfaltung und der Verwirklichung der Begabungen und der natürlichen Fähigkeiten. 7. Migranten haben wie alle italienischen Bürger Anspruch auf eine angemessene Besoldung für die von ihnen verrichtete Arbeit, auf die Einzahlung von Beiträgen für das Gesundheits- und Sozialversicherungswesen, auf die Gewährleistung des Lebensunterhaltes im Falle einer Krankheit oder eines Unfalls und im fortgeschrittenen Alter auf das vom Gesetz Vorgesehene. Die Arbeitsbedingungen müssen die Gesundheit und Unversehrtheit der Person garantieren. 8. Jedermann, der Belästigungen, Diskriminierungen oder Ausbeutung in seiner Arbeit erträgt, kann sich an die öffentlichen Behörden, an die Gewerkschaften und an Hilfsorganisationen wenden, damit seine Rechte anerkannt werden und seine Aufgaben unter Achtung der Menschenrechte erfüllt werden können. 9. Italienische Bürger und Migranten haben Anspruch auf medizinische Betreuung in öffentlichen Einrichtungen. Die ärztlichen Behandlungen werden so durchgeführt, dass der Wille und das Empfinden jeder Person respektiert werden. Jede Körperverstümmelung, von wem auch immer verursacht, wird bestraft, sofern sie nicht medizinisch notwendig ist. 10. Italien setzt sich dafür ein, dass jedem ein den Bedürfnissen seiner Familie angemessener Wohnraum zu vernünftigen Kosten zur Verfügung steht. Diejenigen, die in Not sind oder die dazu gezwungen werden, überhöhte Kosten für das eigene Haus zu tragen, können sich an die öffentlichen Behörden oder an die Gewerkschaften wenden, um betreut zu werden und um für die Wahrung ihrer Rechte zu sorgen. Soziale Rechte, Schule, Bildung, Information 11. Kinder und Jugendliche haben das Recht und die Pflicht, die Pflichtschule zu besuchen, um sich in die Gesellschaft als gleichberechtigte Personen einzugliedern und aktive Staatsangehörige zu werden. Jeder italienische oder ausländische Elternteil hat die Pflicht, seine Kinder bei der Ausbildung zu unterstützen, wobei er sie zuerst für die Pflichtschule, die von der Grundschule bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres dauert, anmelden muss. 12. Der Unterricht bezweckt die Ausbildung der Person und fördert die Kenntnis der Grundrechte und die Erziehung zur Legalität, die freundlichen Beziehungen unter den Menschen, den Respekt und das Wohlwollen jeder Form von bestehendem Leben gegenüber. Auch um die Teilung der gleichen Werte zu fördern, sieht die Schule Programme zur Kenntnis der Geschichte, der Kultur und der Prinzipien der italienischen und europäischen Traditionen vor. Zum Zwecke eines dem gesellschaftlichen Pluralismus angemessenen Unterrichts ist es auch wesentlich, aus einer interkulturellen Perspektive die Kenntnis der Kultur und der eigenen Religion der Kinder und ihrer Familien zu fördern. 13. Die Schule fördert die Bekanntschaft und die Integration unter allen Kindern und Jugendlichen, die Überwindung von Vorurteilen und das gemeinsame Aufwachsen der Jugendlichen, indem Trennungen und Diskriminierungen verhindert werden. Der Unterricht wird unter Achtung der religiösen Überzeugungen sowie der Ideale der Jugendlichen und der Familien erteilt. Unter bestimmten Bedingungen werden religiöse Unterrichtungskurse vorgesehen, die freiwillig von Schülern und ihren Eltern gewählt werden können. 14. Auf der Grundlage gleicher Werte ist es auch Aufgabe der Massenmedien das Wissen über die Migration sowie ihre kulturellen und religiösen Aspekte zu fördern, indem Vorurteile und jegliche Art von Ausländerfeindlichkeit bekämpft werden. Ihre Rolle ist wesentlich, um einen kulturellen Pluralismus zu verbreiten, der die Traditionen und die Grundwerte der italienischen Gesellschaft respektiert. 15. Organisationen und Privatleute haben das Recht, Schulen und Schulkurse zu gründen, vorausgesetzt, dass sie die Schüler aus Gründen der Ethnie oder des Bekenntnisses nicht diskriminieren und einen Unterricht im Einklang mit den allgemeinen Prinzipien von Bildung und Menschenrechten garantieren. Jede Art von Unterricht, sowohl privat als auch öffentlich, muss die Überzeugungen eines jeden respektieren und die Menschen eher einen als trennen. Familie, neue Generationen 16. Italien anerkennt die Rechte der Familie als eine natürliche auf die Ehe gegründete Gemeinschaft und betrachtet die Bildung in der Familie als ein notwendiges Instrument zum Wachsen der neuen Generationen. 17. Die Ehe ist auf Gleichheit von Rechten und Verantwortungen zwischen Ehemann und Ehefrau gegründet und aus diesem Grund hat sie einen monogamischen Charakter. Die Monogamie vereint zwei Leben und macht die Ehepartner mitverantwortlich für das, was sie gemeinsam verwirklichen, an erster Stelle bei der Erziehung der Kinder. Italien untersagt die Polygamie, da sie die Rechte der Frau verletzt, auch im Einklang mit den von den europäischen Institutionen vertretenen Prinzipien. 18. Die italienische Rechtsordnung untersagt jede Art von Zwängen und Gewalt innerhalb und außerhalb der Familie und schützt die Würde der Frau in all ihren Erscheinungen und in jedem Moment des sozialen Lebens. Die Basis der Ehevereinigung 117 ist die Ehefreiheit, die besonders den jungen Leuten gewährt werden muss; sie setzt das Verbot von Zwangsehen und Kinderehen voraus. 19. Italien schützt die Freiheit der Minderjährigen, was die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit anbelangt. Diese Entfaltung verwirklicht sich auch in der Begegnung mit anderen Jugendlichen und in der Beteiligung an sozialen Tätigkeiten. Das Gleichheitsprinzip ist nicht vereinbar mit den Forderungen einer Trennung gemäß Bekenntniszugehörigkeit oder nach Männern und Frauen, Jungen und Mädchen, in den öffentlichen Dienstleistungen und am Arbeitsplatz. Laizität und Religionsfreiheit 118 20. Italien ist ein laizistisches Land, das auf die völlige individuelle und kollektive Religionsfreiheit gründet. Die Religionsfreiheit wird jedem gewährt, Staatsbürgern oder Ausländern sowie den religiösen Gemeinschaften. Religion und Weltanschauung dürfen nicht einen Grund zur Diskriminierung im sozialen Leben darstellen. 21. Alle Religionsbekenntnisse sind in gleicher Weise frei vor dem Gesetz. Der laizistische Staat anerkennt den positiven Beitrag, den die Religionen für die Gemeinschaft leisten und will das moralische und geistige Vermögen jeder Religion aufwerten. Italien fördert den interreligiösen und interkulturellen Dialog, um den Respekt der Menschenwürde wachsen zu lassen und um zur Überwindung von Vorurteilen und Intoleranz beizutragen. Die Verfassung sieht Abkommen zwischen dem Staat und den konfessionellen Gemeinschaften vor, um ihre spezifischen juridischen Bedingungen zu regeln. 22. Grundsätze der Freiheit und die Rechte der Person können nicht im Namen irgendeiner Religion verletzt werden. Jede Art von Gewalt oder Anstiftung zur Gewalt, egal durch welche Religion begründet, wird ausgeschlossen. Das bürgerliche Recht oder Strafrecht ist für alle dasselbe, gleich welcher Religion jemand angehört, und es gibt nur eine Gerichtsbarkeit der Gerichtshöfe für die, die sich in Italien befinden. 23. Die Religions- und Gewissensfreiheit beinhaltet das Recht, einen religiösen Glauben zu haben oder ihn nicht zu haben, ihn zu praktizieren oder nicht, die Religion zu wechseln und sie zu verbreiten, indem man die anderen überzeugt, sich in Bekenntnisorganisationen zu vereinen. Die Freiheit des Kultus wird völlig gewährleistet und jeder darf die Religionsvorschriften erfüllen, vorausgesetzt, dass sie nicht mit den Strafregeln und mit den Rechten anderer Leute in Widerspruch stehen. 24. Die Rechtsordnung schützt die Freiheit der Forschung, der Kritik und der Diskussion auch im Bereich der Religion und untersagt die Beleidigung einer Religion und des Religionsgefühls der Leute. Für das staatliche Gesetz ist der Religions- und Überzeugungsunterschied kein Hindernis zur Ehe. 25. Italien, aufgrund seiner religiösen und kulturellen Tradition, respektiert die Symbole und Zeichen aller Religionen. Niemand kann sich beleidigt fühlen, wenn er Zeichen und Symbole anderer Religionen sieht. Wie die internationalen Verträge vorsehen, sollen die Kinder und Jugendlichen zur Respektierung der Religionsüberzeugungen anderer Leute erzogen werden, ohne dass sie darin Faktoren der Spaltung zwischen den Menschen sehen. 26. In Italien gibt es keine Beschränkungen, was die Kleidung von Personen anbelangt, vorausgesetzt, dass sie frei gewählt wird und nicht würdeschädigend ist. Kleidungen, die das Gesicht verdecken, sind nicht annehmbar, da sie verhindern, die andere Person zu erkennen, und die Beziehungen zu anderen Leuten hemmen. Das Internationale Engagement Italiens 27. Im Einklang mit diesen Prinzipien setzt sich Italien in der Welt für eine Politik des Respekts und des Friedens unter den Ländern ein, um das friedliche Zusammenleben aller Völker zu fördern, um Krieg und Terrorismus zu besiegen. Italien engagiert sich im internationalen Bereich dafür, die Reichtümer des Lebens und die Umwelt des Planeten zu schützen. 28. Italien schwört dem Krieg als Lösungsinstrument der internationalen Kontroversen, den Massenvernichtungswaffen und jeder Form von Folter oder die Menschenwürde degradierenden Strafen ab. Es verurteilt Antisemitismus, der zum Genozid des jüdischen Volkes geführt hat, einschließlich jeder rassistischen Neigung, die die Menschen trennen und die Schwächeren erniedrigen will. Italien schwört jeder Erscheinung von Ausländerfeindlichkeit ab, die sich bisweilen als Islamophobie oder in Form von Vorurteilen gegen diejenigen, die aus anderen Teilen der Welt kommen, ausdrückt. 29. Zusammen mit anderen europäischen Ländern hat Italien die Todesstrafe abgeschafft und setzt sich in den internationalen Gremien dafür ein, dass sie in der übrigen Welt abgeschafft wird. Die Abschaffung der Todesstrafe stellt ein Zivilisationsziel dar, durch welches der Respekt vor dem Leben den Geist der Rache überwindet. 30. Italien setzt sich dafür ein, friedlich die internationalen Krisen zu lösen, insbesondere den seit vielen Jahren andauernden israelisch-palästinensischen Konflikt. Das Engagement Italiens befürwortet stets eine Lösung, die die Völker der Region zusammenleben lässt, in erster Linie Israelis und Palästinenser in zwei verschiedenen demokratischen Staaten. 31. Gemeinsam mit den anderen europäischen Ländern ist Italien auf internationaler Ebene tätig, um überall die Achtung der Menschenwürde und -rechte zu fördern und um den Erfolg der parlamentarischen Demokratie als Staatssystem zu begünstigen, das sowohl die Bürgerbeteiligung als auch die zunehmende Achtung der Staatsbürgerrechte vorsieht. Rom, den 23. April 2007 119 Deutschland: Ausländische Bevölkerung nach Herkunftsland (2006) Statistische Daten: Deutschland Deutschland: Wichtigste Herkunftsgebiete und Länder von Menschen mit Migrationshintergrund* (2005) Herkunftsregion 120 % 54,3 EUROPA 8.321 20,2 EU 25 3.099 2,3 Griechenland 351 4,4 Italien 670 5,0 Polen 763 34,1 Sonstiges Europa 5.222 1,9 Bosnien-Herzegowina 294 2,3 Kroatien 355 2,6 Serbien - Montenegro 397 2,1 Rumänien 324 6,6 Russland 1.012 15,6 Türkei 2.397 2,5 AFRIKA 376 1,3 Nordafrika 198 1,2 Sonstiges Afrika 178 1,6 AMERIKA 243 0,8 Nordamerika 122 0,8 Lateinamerika 121 7,3 ASIEN 1.120 3,4 Vorderasien ** 521 3,9 Süd- und Ostasien*** 599 33,9 Staatenlos, nicht zuzuordnen 5.191 100,0 INSGESAMT 15.333 *Alle Ausländer, die in Deutschland wohnen, alle nach 1949 nach Deutschland Zugewanderte, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben, einschließlich der in Deutschland Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder ausländischen Elternteil. ** insbesondere Irak und Iran. ***insbesondere Vietnam, Afghanistan, und China. Quelle: DESTATIS – Mikrozensus In 1.000 Herkunftsregion EUROPA EU-Länder Griechenland Italien Polen Sonstiges Europa ehemaliges Jugoslawien Bosnien – Herzegowina Kroatien Serbien – Montenegro ehemalige Sowjetunion Türkei AFRIKA Nordafrika AMERIKA Nordamerika ASIEN Vorderasien* Süd- und Südostasien** Ost- und Zentralasien*** OZEANIEN**** Staatenlos, nicht zuzuordnen INSGESAMT * insbesondere Irak und Iran. ** insbesondere Vietnam. *** insbersondere China. **** insbesondere Australien. Insgesamt a.W. 5.375.126 2.183.365 303.761 534.657 361.696 3.191.761 949.937 157.094 227.510 282.067 505.624 1.738.831 272.376 120.665 213.069 112.437 819.623 262.320 285.048 269.226 10.832 59.976 6.751.002 Quelle: DESTATIS - Zentralregister für Ausländer % 79,6 32,3 4,5 7,9 5,4 47,3 14,1 2,3 3,4 4,2 7,5 25,8 4,0 1,8 3,2 1,7 12,1 3,9 4,2 4,0 0,2 0,9 100,0 Davon Im Ausland In Deutschland geboren geboren a.W. % a.W. % 4.165.034 77,5 1.210.092 22,5 1.779.666 81,5 403.699 18,5 219.703 72,3 84.058 27,7 374.513 70,0 160.144 30,0 347.769 96,1 13.927 3,9 2.385.368 74,7 806.393 25,3 753.116 79,3 196.821 20,7 129.945 82,7 27.149 17,3 178.074 78,3 49.436 21,7 218.333 77,4 63.734 22,6 487.515 96,4 18.109 3,6 1.149.384 66,1 589.447 33,9 235.117 86,3 37.259 13,7 102.009 84,5 18.656 15,5 204.147 95,8 8.922 4,2 105.636 94,0 6.801 6,0 732.359 89,4 87.264 10,6 225.459 85,9 36.861 14,1 251.227 88,1 33.821 11,9 252.983 94,0 16.243 6,0 10.361 95,7 471 4,3 39.550 65,9 20.426 34,1 5.386.568 79,8 1.364.434 20,2 121 Deutschland: Ausländische Bevölkerung nach Durchschnittsalter und – aufenthaltsdauer, sowie Herkunftsland (2006) Herkunftsregion 122 EUROPA EU-Länder Griechenland Italien Polen Sonstiges Europa ehemaliges Jugoslawien Bosnien – Herzegowina Kroatien Serbien – Montenegro ehemalige Sowjetunion Türkei AFRIKA Nordafrika AMERIKA Nordamerika ASIEN Vorderasien* Süd- und Südostasien ** Ost- und Zentralasien *** OZEANIEN Staatenlos, nicht zuzuordnen Insgesamt * insbesondere Irak und Iran. ** insbesondere Vietnam. *** insbesondere China. Insgesamt a.W. 5.375.126 2.183.365 303.761 534.657 361.696 3.191.761 949.937 157.094 227.510 282.067 505.624 1.738.831 272.376 120.665 213.069 112.437 819.623 262.320 285.048 269.226 10.832 59.976 6.751.002 k.A.: keine Angaben, Daten stehen nicht zur Verfügung. Quelle: DESTATIS – Zentralregister für Ausländer Jahresdurchschnitt Alter Aufenthaltsdauer 37,6 19,1 40,3 20,2 40,3 24,1 39,5 25,1 36,3 9,5 k.A. k.A 37,4 19,7 37,4 18,0 43,3 25,4 33,3 16,5 36,1 6,3 34,6 20,7 32,0 10,8 34,1 13,1 38,3 12,5 42,6 15,7 32,1 9,1 30,7 9,4 33,2 10,6 32,4 7,4 38,8 11,7 30,3 16,1 36,7 17,3 Deutschland: Ehepaare und nichteheliche Lebensgemeinschaften mit ausländischer Beteiligung Deutschland nach Herkunftsgebieten der ausländischen Partner/Partnerinnen (2005) Herkunftsregion EHEPAARE INSGESAMT EU-Länder* Griechenland Italien Polen Sonstiges Europa Bosnien - Herzegowina Kroatien Serbien - Montenegro Russland Türkei Afrika Amerika Vorderasien Süd- und Südostasien Ost- und Zentralasien NICHTEHELICHE LEBENS GEMEINSCHAFTEN ** EU-Länder* Alle Paare mit ausländischer Beteiligung Beide Partner Ausländerin Ausländer mit Ausländer mit deutschem deutscher Frau Mann 1000 2.438 % 100,0 1000 1291 % 52,9 1000 602 % 24,7 1000 545 % 22,4 788 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 242 100,0 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 100,0 327 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 58 41,5 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 24 234 6 19 69 197 7 16 10 60 52 24 44 24 58 13 80 29,7 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 33,1 227 14 63 16 206 15 14 17 37 90 35 35 19 13 *** 104 28,8 k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 43 130 100,0 21 16,2 47 36,2 62 47,7 Italien k.A. k.A. k.A. k.A. 7 k.A. 21 k.A. Sonstiges Europa Türkei Übrige Welt k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. 18 *** 15 k.A. k.A. k.A. 26 11 16 k.A. k.A. k.A. * ausländischer Partner mit EU-Staatsangehörigkeit. **heterosexuelle Paare. *** Keine Angaben, da Zahlenwerte nicht sicher genug. k.A.: Keine Angaben, Daten stehen nicht zur Verfügung. Quelle: DESTATIS - Mikrozensus – Bevölkerung (Lebensformenkonzept) 123 Deutschland: Einbürgerungen nach Herkunftsländern (2004-2006) Wichtigste europäische Länder 124 ehemaliges Jugoslawiens Bosnien-Herzegowina Kroatien Serbien - Montenegro Polen* Rumänien* Russland* Türkei Ukraine* Sonstige Länder Marokko Afghanistan Irak Iran Israel Kazachistan* Insgesamt Männer Frauen 2004 a.W. 8.664 2.103 1.689 3.539 7.499 1.309 4.381 44.465 3.844 % 6,8 1,7 1,3 2,8 5,9 1,0 3,4 35,0 3,0 2005 a.W. % 13.187 11,2 1.907 1,6 1.287 1,1 8.824 7,5 6.896 5,9 1.789 1,5 5.055 4,3 32.661 27,9 3.363 2,9 2006 a.W. % 17.366 13,9 1.862 1,5 1.729 1,4 9.552 7,7 6.907 5,5 1.379 1,1 4.679 3,8 33.388 26,8 4.536 3,6 3.820 3,0 3.684 3,1 3.546 4.077 3,2 3.133 2,7 3.063 3.564 2,8 4.136 3,5 3.693 6.362 5,0 4.482 3,8 3.662 3.164 2,5 2.871 2,4 4.313 1.443 1,1 2.975 2,5 3.207 127.153 100,0 117.241 100,0 124.566 64.560 50,8 59.923 51,1 63.049 62.593 49,2 57.318 48,9 61.517 * Deutschstämmige Zugewanderte wurden nicht berücksichtigt. Quelle: DESTATIS – Einbürgerungsstatistik 2,8 2,5 3,0 2,9 3,5 2,6 100,0 50,6 49,4 Statistische Daten: Italien 2004-06 Änderung in % 100,4 -11,5 2,4 169,9 -7,9 5,3 6,8 -24,9 18,0 -7,2 -24,9 3,6 -42,4 36,3 122,2 -2,0 -2,3 -1,7 Italien: Ausländer, nach Herkunft und Geschlecht (geschätzt, 2006) Herkunftsregion EU 25* Mittel- und Osteuropa Andere europäische Länder EUROPA Nordafrika Westafrika Ostafrika Zentral- und Südafrika AFRIKA Westasien Zentral- und Südasien Ostasien ASIEN Nordamerika Mittel – und Südamerika AMERIKA OZEANIEN Staatenlos Nicht identifiziert GESAMT * ohne Rumänien und Bulgarien a.W. 291.402 1.523.652 14.927 1.829.982 286.886 185.916 39.382 16.048 822.191 27.799 301.988 332.961 662.748 54.424 301.719 356.144 4.023 349 14.615 3.690.052 Insgesamt % 7,9 41,3 0,4 49,6 7,8 5,0 1,1 0,4 22,3 0,8 8,2 9,0 18,0 1,5 8,2 9,7 0,1 0,0 0,4 100,0 k.A.: keine Angaben, Daten stehen nicht zur Verfügung. Quelle: Statistisches Dossier Immigration Caritas/Migrantes a.W. 188.834 819.122 8.714 1.026.938 253.962 64.061 23.054 7.428 277.828 10.705 98.782 179.961 292.680 33.996 203.338 237.759 2.427 k.A. k.A. 1.842.004 davon Frauen % 64,8 53,8 58,4 56,1 88,5 34,5 58,5 46,3 33,8 38,5 32,7 54,0 44,2 62,5 67,4 66,8 60,3 k.A. k.A. 49,9 125 Italien: Ausländer nach Nationalität und Geschlecht der 20 führenden Nationalitäten (geschätzt, 2006) Nationalität 126 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Rumänien Marokko Albanien Ukraine Volksrepublik China Philippinen Moldawien Tunesien Indien Polen Serbien u. Montenegro Bangladesch Peru Ägypten Sri Lanka Ecuador Makedonien Senegal Pakistan USA INSGESAMT Insgesamt a.W. 555.997 387.031 381.011 195.412 186.522 113.907 98.149 94.861 91.781 90.776 79.468 77.229 76.406 73.747 69.919 67.327 65.880 65.136 56.949 50.820 3.690.052 Quelle: Statistisches Dossier Immigration Caritas/Migrantes % 15,1 10,5 10,3 5,3 5,1 3,1 2,7 2,6 2,5 2,5 2,2 2,1 2,1 2,0 1,9 1,8 1,8 1,8 1,5 1,4 100,0 Davon Frauen a.W. 296.896 136.793 161.219 163.407 86.059 70.694 66.870 26.209 33.377 65.657 33.449 18.166 49.325 14.381 29.798 43.505 24.712 8.351 12.368 31.931 1.842.004 Italien: Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis, nach Aufenthaltsgrund (geschätzt, 2006) Region % 53,4 35,3 42,3 83,6 46,1 62,1 68,1 27,6 36,4 72,3 42,1 23,5 64,6 19,5 42,6 64,6 37,5 12,8 21,7 62,8 49,9 a.W. Davon in % (horizontal) Insgesamt Arbeit Familie Studium Religion Wohnsitz andere Gründe Aosta-Tal 6.325 52,8 39,9 2,6 0,5 2,3 1,8 Piemont 292.886 56 38,6 2,5 0,5 1,1 1,3 Lombardei 850.873 56,5 37,6 2,7 0,3 1,6 1,2 94.446 54,5 36,4 2,7 0,8 4,2 1,5 1.244.530 56,2 37,8 2,7 0,3 1,7 1,3 68.825 51,7 41,1 2,9 0,4 2,7 1,2 398.099 55,3 40,1 2,4 0,2 0,7 1,3 Ligurien Nordwesten Trentino-Südtirol Venetien Friaul-Julisch Venetien 98.881 49,3 38,2 5,8 0,2 2 4,4 Emilia-Romagna 388.203 57,5 37,3 3,1 0,2 0,6 1,2 Nordosten 954.008 55,3 38,8 3,1 0,2 0,9 1,6 Norden 2.198.538 55,8 38,2 2,9 0,3 1,4 1,4 Toskana 289.775 54,1 36,9 4,1 0,8 2,4 1,7 Marken 115.715 51,5 41,7 3,3 0,5 1,5 1,6 Umbrien 77.924 53,4 37,3 4,6 1,4 1,8 1,5 Latium 500.007 58,2 25,5 2,8 10,8 1,1 1,5 Mittelitalien 983.422 55,8 31,7 3,4 5,9 1,6 1,6 59.209 54,3 39,4 2,8 0,9 0,6 2 168.285 68,5 25,5 1,6 1,1 0,6 2,7 6.632 55,9 33 2,5 1,8 1,7 5,1 Basilikata 10.735 65 28,4 1,6 0,8 0,5 3,8 Apulien 73.610 55,1 34,1 4,1 1 0,9 4,8 Kalabrien 57.822 63,1 24,9 1,8 1,1 0,6 8,7 Süden 376.293 62,5 29,5 2,3 1,1 0,7 4 Sizilien 107.196 55,8 37,3 2 1,1 1,2 2,6 24.603 47,8 38,3 2,3 1 8,1 2,5 131.799 54,3 37,5 2 1,1 2,5 2,6 3.690.052 56,5 35,6 2,9 1,9 1,4 1,8 Abruzzen Kampanien Molise Sardinien Inseln ITALIEN Quelle: Statistisches Dossier Immigration Caritas/Migrantes 127 Italien: Ausländische Schüler im Schuljahr 2006-07 (insgesamt und Sekundarstufe 2) nach Regionen Region Registrierte Schüler Schuljahr 2006-07 Insgesamt 128 Aosta-Tal Piemont Lombardei Ligurien Trentino-Südtirol Venetien Friuli-Julisch Venetien Emilia-Romagna Norditalien Toskana Marken Umbrien Latium Mittelitalien Abruzzen Kampanien Molise Basilikata Apulien Kalabrien Süditalien Sizilien Sardinien Inseln ITALIEN 16.189 568.109 1.316.993 194.394 158.711 684.687 153.927 547.290 3.640.300 474.199 220.754 119.021 823.292 1.637.266 194.858 1.114.051 48.650 98.927 711.196 344.672 2.512.354 895.550 246.017 1.141.567 8.931.487 Davon Ausländer a.W. 991 48.349 121.279 15.253 11.297 61.734 11.932 58.515 329.350 39.631 19.397 12.064 49.428 120.520 8.202 11.114 746 1.072 9.038 6.232 36.404 11.938 2.725 14.663 500.512 Italien: 2005* abgeschlossene Ehen mit mindestens einem ausländischen Partner Region Davon Sekundarstufe 2 Insgesamt % 6,1 4.736 8,5 162.996 9,2 363.067 7,8 58.578 7,1 39.573 9,0 192.855 7,8 45.941 10,7 161.139 9,0 1.028.885 8,4 145.590 8,8 71.010 10,1 37.879 6,0 256.587 7,4 511.066 4,2 64.422 1,0 350.627 1,5 17.137 1,1 35.863 1,3 228.979 1,8 117.824 1,4 814.852 1,3 287.837 1,1 86.370 1,3 374.207 5,6 2.729.010 Davon Ausländer a.W. 187 9.409 22.489 3.877 1.638 10.758 2.549 13.225 64.132 8.460 4.261 2.508 12.200 27.429 1.732 2.580 174 264 2.069 1.490 8.309 2.354 605 2.959 102.829 % 3,9 5,8 6,2 6,6 4,1 5,6 5,5 8,2 6,2 5,8 6,0 6,6 4,8 5,4 2,7 0,7 1,0 0,7 0,9 1,3 1,0 0,8 0,7 0,8 3,8 Quelle: Statistisches Dossier Immigration Caritas/Migrantes, Ausarbeitung aus Daten der Bildungsministeriums Lombardei Latium Venetien Toskana Emilia-Romagna Piemont Kampanien Ligurien Sizilien Friaul-Julisch Venetien Marken Trentino-Südtirol Umbrien Apulien Kalabrien Abruzzen Sardinien Basilikata Aosta-Tal Molise Nordwesten Nordosten Mittelitalien Süden Inseln Italien * Die verwendeten ISTAT-Daten sind provisorisch. a.W. 5.647 4.924 3.545 3.226 2.657 2.447 2.031 1.194 845 832 814 760 649 614 515 472 448 124 89 58 9.377 7.794 9.613 3.814 % 17,7 15,4 11,1 10,1 8,3 7,7 6,4 3,7 2,6 2,6 2,6 2,4 2,0 1,9 1,6 1,5 1,4 0,4 0,3 0,2 29,4 24,4 30,1 12,0 1.293 31.891 4,1 100,0 Quelle: Statistisches Dossier Immigration Caritas/Migrantes. Ausarbeitung mit Daten von ISTAT 129 Italien: Gewährung der Staatsbürgerschaft nach Grund und Herkunft (2005) Herkunftsregion 130 EU 15 EU neue Mitgliedsländer* Mittel-Osteuropa Europa andere EUROPA Nordafrika Westafrika Ostafrika Zentral- und Südafrika AFRIKA Westasien Zentral- und Südasien Ostasien ASIEN Nordamerika Mittel- und Südamerika AMERIKA OZEANIEN Insgesamt a.W. 367 1.161 5.505 624 7.657 3.734 671 415 210 5.030 649 496 578 1.723 250 4.539 4.789 54 % 1,9 6,0 28,6 3,2 39,7 19,4 3,5 2,2 1,1 26,1 3,4 2,6 3,0 8,9 1,3 23,6 24,9 0,3 Durch Heirat a.W. 270 929 3.447 617 5.263 975 224 171 135 1.505 266 147 288 701 213 4.120 4.333 48 Italien: Gewährung der Staatsbürgerschaft nach Grund und Region (2005) Region % 73,6 80,0 62,6 98,9 68,7 26,1 33,4 41,2 64,3 29,9 41,0 29,6 49,8 40,7 85,2 90,8 90,5 88,9 STAATENLOS 13 0,1 4,0 30,8 GESAMT 19.266 100,0 11.854 61,5 * Polen, Tschechien, Ungarn, Kroatien, Slowenien, Litauen, Lettland, Estland, Malta, Zypern; ohne Rumänien, Bulgarien. Quelle: Statistisches Dossier Immigration Caritas/Migrantes. Ausarbeitung aus Daten von ISTAT Aosta-Tal Piemont Lombardei Ligurien Nordwesten Trentino-Südtirol Venetien Friaul-Julisch Venetien Emilia-Romagna Nordosten Norden Toskana Marken Insgesamt a.W. 54 1.681 3.109 533 5.377 463 1.934 673 2.200 5.270 10.647 1.340 852 Umbrien Latium Mittelitalien Abruzzen Kampanien Molise Basilikata Apulien Kalabrien Süden Sizilien Sardinien Inseln Auslandsitaliener ITALIEN 365 1.374 3.931 400 413 37 56 311 183 1.400 485 169 654 2.634 19.266 % 0,3 8,7 16,1 2,8 27,9 2,4 10,0 3,5 11,4 27,4 55,3 7,0 4,4 1,9 7,1 20,4 2,1 2,1 0,2 0,3 1,6 0,9 7,3 2,5 0,9 3,4 13,7 100,0 Durch Heirat a.W. 30 928 1.475 352 2.785 242 1.009 397 1.051 2.699 5.484 771 463 233 761 2.228 276 326 30 49 209 157 1.047 343 143 486 2.609 11.854 % 55,6 55,2 47,4 66,0 51,8 52,3 52,2 59,0 47,8 51,2 51,5 57,5 54,3 63,8 55,4 56,7 69,0 78,9 81,1 87,5 67,2 85,8 74,8 70,7 84,6 74,3 99,1 61,5 Quelle: Statistisches Dossier Immigration Caritas/Migrantes. Ausarbeitung aus Daten von ISTAT 131