Luftwaffe - Historisches Lexikon der Schweiz

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Luftwaffe - Historisches Lexikon der Schweiz
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08/12/2009 |
Luftwaffe
Der Auftrag der L. (Flugwaffe bis 1995) besteht in der Wahrung der
schweiz. Lufthoheit. Im Rahmen des Reformunterfangens Armee XXI
wurden die 1936 gegr. L. sowie die Flieger- und Flabtruppen
(Fliegerabwehr) als Teilstreitkraft organisiert.
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1 - Vom 1. bis zum 2. Weltkrieg
Nachdem der Bundesrat 1910 eine Unterstützung für die Flugausbildung zu militär. Zwecken verweigert
hatte, organisierte die Schweiz. Offiziersgesellschaft 1912 eine private Nationalspende, die 1914 ein
Sammelresultat von 1,7 Mio. Fr. zugunsten der Militäraviatik erbrachte. Der Ausbruch des 1. Weltkriegs
vereitelte jedoch den vorgesehenen Kauf von sechs Doppeldeckern. Somit standen am Tag der Mobilisation
nur neun Piloten mit acht Privatflugzeugen der militär. Abwehr zur Verfügung. Ihr anfängl. Stützpunkt war das
Beundenfeld auf der Berner Allmend, 1914 erfolgte die Verlegung nach Dübendorf. Die Kriegsjahre waren
geprägt von einem Aufbau der Flugwaffe und einem regen Schulbetrieb in Dübendorf und Thun, die der
Schulung und Aufklärung dienten. Bei Kriegsende 1918 zählte die L. 62 brevetierte Militärpiloten und 68
Flugzeuge, die alle in der Schweiz gebaut worden waren.
Das Sparregime bei Militärausgaben nach 1919 sowie Fehlschläge bei der Entwicklung von Flugzeugen liessen
in den 1920er Jahren nur einen beschränkten Ausbau der Flugwaffe zu (Rüstung). Indes entstanden neue
Flugplätze in Thun (1920), Lausanne (1925) und Payerne (1935) sowie, über das Land verteilt,
Fliegerstützpunkte. Mit dem von den eidg. Räten 1930 gebilligten Kredit über 20 Mio. Fr. für die
Flugzeugbeschaffung verlagerte sich das Schwergewicht der L. von Beobachtungs- hin zu Kampfflugzeugen.
Ab 1930 wurden in den Konstruktionswerkstätten in Thun und in den Flugzeugwerken Altenrhein (Flug- und
Fahrzeugwerke Altenrhein) Jagdflugzeuge Dewoitine D-27 und Fernaufklärer Fokker CV-E produziert
(Rüstungsbetriebe). Unter dem Druck der dt. Aufrüstung intensivierte die Schweiz ihre
Rüstungsanstrengungen. Sie führte den Beobachter- und Kampfdoppeldecker C-35 ein, erwarb die Baulizenz
für das franz. Jagdflugzeug Morane-Saulnier und kaufte die ersten dt. Messerschmitt-Jäger. 1934 wurde der
Fliegerbeobachtungs- und Meldedienst neu organisiert und zentralisiert. Erst 1936 erhielt die Flugwaffe den
Status einer selbstständigen Waffengattung mit eigenem Waffenchef, dem man auch die gleichzeitig
geschaffenen Fliegerabwehrtruppen unterstellte.
Bei Ausbruch des 2. Weltkriegs 1939 stand die schweiz. L. vor dem Ausbau. An kriegstaugl. Flugzeugen waren
nur 40 Jagdeinsitzer (10 ME 109D; 28 ME 109E; 2 Morane) sowie 80 Mehrzweckzweisitzer C-35 vorhanden. 40
Zweisitzer CV-E und und 58 Jäger D-27 konnten bestenfalls Erdeinsätze fliegen. Von 21 eingerückten
Fliegerkompanien mussten fünf, weil ohne Flugmaterial, wieder entlassen werden. Flabkanonen waren für die
ca. 2'000 Ausgebildeten erst in minimaler Zahl vorhanden. Ab Juli 1940 wurden 15 Kriegsflugplätze mit
Hartbelagspisten, Splitterwehren und Betonunterständen gebaut, u.a. 1940 in Emmen, Buochs, Meiringen und
Interlaken, 1941 in Lodrino und Locarno und 1943 in Sitten. Entwicklung und Bau von Militärflugzeugen
wurden 1941 von Thun nach Emmen verlegt.
Während des dt. Frankreichfeldzugs (Mai-Juni 1940) kam es zu rund 200 Grenzverletzungen durch fremde,
v.a. dt. Kampfflugzeuge. Flieger und Flab traten als einzige Waffengattungen der Armee in Aktion. Einige
Luftgefechte liessen auf den festen Abwehrwillen der ganzen Armee schliessen. Auf Druck von Deutschland
verbot General Guisan am 20.6.1940 der Flugwaffe den Luftkampf über der Schweiz (bis Anfang Nov. 1943)
und überliess die Wahrung der schweiz. Lufthoheit der Flab. Da diese gegen hoch fliegende Flugzeuge nur
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ihre 7,5-cm-Kanonen einsetzen konnte, stand dem Überflug des schweiz. Luftraums durch dt. und engl.
Flugzeuge, ab Aug. 1943 auch durch amerikan. Bombengeschwader, nur wenig im Weg. Insgesamt wurden
Flieger und Flab während des Kriegs quantitativ verstärkt, aber kaum technisch verbessert. Ende Aug. 1945
zählte die Flugwaffe 530 Flugzeuge, nämlich 328 Jagd- und 202 Mehrzweckzweisitzer, ausser den dt.
Messerschmidt alle aus schweiz. Produktion. Die Flab bestand aus 2'000 Kanonen (274 7,5-cm; 278 34-mm;
1'448 20-mm), ohne jene der Infanterie und der Festungen. Sie zählte 67 leichte und 43 schwere Batterien
sowie 14 Scheinwerferkompanien, ferner zwölfToni Bernhard, Henry Wydler leichte und 33 34-mm Batterien
der sog. Ortsflab.
Autorin/Autor: Toni Bernhard, Henry Wydler
2 - Die Nachkriegszeit
Nach Kriegsende 1945 suchte die Schweiz den Anschluss an die neuen Techniken wie Strahl- oder
Düsentriebwerke, Lenkwaffen, Radar und Elektronik zu gewinnen. Zur Überbrückung kaufte sie 1948 130
amerikan. Mustang P-51 D, einen der besten Kolbenmotorjäger. In der Folge wurden 425
Düsenkampfflugzeuge beschafft (175 Vampires und 250 Venoms), wovon 350 im Lizenzbau in der Schweiz
produziert worden waren. Damit waren 1956 die Kampfstaffeln der schweiz. Flugwaffe als erste in der Welt
auschliesslich mit Düsenflugzeugen ausgerüstet. Für diese Maschinen musste ab den 1950er Jahren die
Infrastruktur der bestehenden Flugplätze angepasst werden. Neu entstanden Flugzeugkavernen und ab den
1960er Jahren Notlandepisten auf Autobahnen. 1958 verzichteten die Eidg. Flugzeugwerke in Emmen (N-20)
sowie die Flugzeugwerke Altenrhein (P-16) auf Eigenentwicklungen, an deren Stelle traten die 130 in England
beschafften Jagdbomber des Typs Hunter. 1954 erhielt die Kleinkaliberflab die leistungsfähigen 22-mm
Kanonen mit einer Wirkungshöhe von 1'500 m. Weitere Modernisierungen der Flugwaffe in den 1960er Jahren
bedeuteten die Einführung des zentralen Flugüberwachungssystems Florida und der Boden-Luft-Lenkwaffen
Bloodhound, die bis 1999 in Betrieb waren. Die Anschaffung des franz. Abfangjägers Mirage eskalierte in
massiven Kostenüberschreitungen. Die Mirage-Affäre führte zu einer Redimensionierung des
Beschaffungsprogramms, so dass nach einem Parlamentsentscheid statt der geplanten 100 Maschinen in
Lizenz nur deren 59 gebaut wurden. Zudem kam es zu einer konzeptionellen Anpassung der militär.
Landesverteidigung (Konzeption vom 6.6.1966).
Der Entscheid des Bundesrats von 1972, 30 Jagdbomber (Kosten: 1,5 Mrd. Fr.) nicht anzuschaffen, entfachte
eine Grundsatzdebatte über das Luftkriegskonzept. Priorität erhielt der Raumschutz: Ab 1976 wurden 110
amerikan. Leichtjäger des Typs F-5 E Tiger beschafft und 1985 die Flab durch ein mobiles
Flablenkwaffensystem Rapier mit einer Wirkungshöhe von 3'000 m zum Schutz vor mechanisierten
Verbänden verstärkt. In den 1990er Jahren ersetzte die mobile Flablenkwaffe Stinger, die von einer Person
bedient werden kann, die alten Flabkanonen. Den mit Helikoptern (ab 1958 Alouette II SE-3130, ab 1964
Alouette III SE-3160, ab 1987 SA-332 Super Puma) und Flächenflugzeugen (Pilatus-Porter) ausgerüsteten
Leichtfliegerstaffeln obliegen neben Aufklärung und Verbindung hauptsächlich Transporte.
Kennzeichnend für die Entwicklung der Flugwaffe ab 1945 ist die Einführung stets wirkungsvollerer
Kampfflugzeuge, deren Stückzahl ab Mitte der 1990er Jahre ständig reduziert wurde. Nach dem Armeeleitbild
von 1995 konnten bisher elf Kriegsflugplätze aufgehoben werden, ein weiterer wurde dem Kt. Graubünden
übergeben. Im jüngsten und grössten Rüstungsvorhaben der schweiz. Flugwaffe - dem Kauf von 34 amerikan.
Kampfbombern F/A-18 Hornet für 3,5 Mrd. Fr. - wurde aufgrund einer Volksinitiative erstmals das Volk befragt,
das sich in der Abstimmung von 1993 für die Beschaffung aussprach.
1977 nahmen schweiz. Kampfflugzeuge zum ersten Mal an Schiessversuchen in Vidsel (Schweden) teil. Den
Grundstein für den Ausbildungsaustausch mit befreundeten Ländern legte in den 1980er Jahren das Protocole
d'accord mit Frankreich für die Pilotenausbildung. Es folgten weitere Abkommen mit zahlreichen ausländ.
Streitkräften. Ab 1985 konnten Schweizer Militärpiloten ein Luftkampftraining in tieferen Flughöhen von
Sardinien aus durchführen; seit 1991 geschieht dies über der Nordsee.
1946 wurden erstmals Verunfallte im Hochgebirge von den Fliegertruppen gerettet. Den ersten Hilfseinsatz im
Ausland leisteten diese 1974 in der Sahelzone. 1999 transportierten sie Hilfsgüter für das UnoFlüchtlingshilfswerk in Albanien, 2005 leistete sie Hilfe nach der Tsunami-Katastrophe auf Sumatra. Seit 2003
werden anlässlich des World Economic Forum Davos Kampfflugzeuge zum Luftpolizeidienst eingesetzt.
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Autorin/Autor: Toni Bernhard, Henry Wydler
3 - Flugzeugindustrie
In der 1. Hälfte des 20. Jh. entwickelte sich in der Schweiz, die in beiden Weltkriegen vom Nachschub an
Flugmaterial abgeschnitten war, eine auf militär. Zwecke ausgerichtete Flugzeugindustrie. Bis heute besitzt
sie das Know-how für Lizenz- und Kompensationsgeschäfte. Als Pioniere des Flugzeugbaus gelten u.a. Franz
Schneider, August Haefeli, Alfred Comte, Henry Fierz und Jakob Ackeret.
Schweizer Flugzeugfabriken
Gründungsjahr
Konstruktionsstätten
1915
Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun
1925
Flugzeugfabrik Alfred Comte, Oberrieden
1927
Dornier-Werke AG, Altenrhein
1934
Farner Flugzeugbau AG, Grenchen
1939
Pilatus Flugzeugwerke AG, Stans
1943
Eidg. Flugzeugwerk Emmen
Quellen:Autoren
In den 1950er Jahren lief die Produktion an Trainern und Kleintransportern bei den Pilatus Flugzeugwerken, ab
den 1970er Jahren auch in den Flug- und Fahrzeugwerken Altenrhein an, mit denen sich die Schweiz auf dem
Weltmarkt behauptete.
Die wichtigsten schweizerischen Motorflugzeug-Konstruktionen
Typ
Hersteller
Gebaut
im Armeeeinsatz
Wild, WT und WTS
Robert Wild
44
1915-26
KHaefeli DH-3
Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun
109
1917-25
Haefeli DH-5
80
1922-40
K + W C-35
90
1937-50
160
1942-73
K + W C-3603
Comte AC-4
Flugzeugfabrik Alfred Comte, Oberrieden
10
1928-
Pilatus P-2
Pilatus Flugzeugwerke AG, Stans
55
1948-81
73
1956-
Pilatus P-3
Pilatus-Porter PC-6
510
1959-
Pilatus PC-7 mit MK-2
480
1976- (1994-)
Pilatus PC-9
200
1984-
35
1993-
170
1976-
Pilat us PC-12
BRAVO AS 202
Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein
Quellen:Autoren
Autorin/Autor: Toni Bernhard, Henry Wydler
Quellen und Literatur
Literatur
– J. Urech, Die Flugzeuge der schweiz. Fliegertruppe seit 1914, 31979
– H. Born, Die geschichtl. Entwicklung der Fliegerabwehr, 1906-1984, 31984
– W. Rutschmann, Die Schweizer Flieger- und Fliegerabwehrtruppen 1939-1945, 1989
– E. Hostettler, Die Militärflugzeuge der Schweiz, 1990
– E. Wyler, Chronik der Schweizer Militäraviatik, 1990
– H. Christen, J. Schneider, Fliegerabwehr, 1996
– P. Braun, Von der Reduitstrategie zur Abwehr, 2006
– F. Lombardi, The Swiss Air Power, 2007
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– C. Simeon, L'envol manqué de l'aviation militaire suisse à la fin de la belle époque (1910-1914), 2008
Autorin/Autor: Toni Bernhard, Henry Wydler
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