Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel
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Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel
Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel Erfahrungen aus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit 2 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2. Stand der internationalen Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Gemeinsamkeiten beider Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4. Erfahrungen aus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in der Vernetzung beider Handlungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4.1 Aufbau des ersten städtischen Frühwarnsystems in Mosambik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4.2 Frühwarnung und sein vielfältiger Nutzen am Beispiel Nicaraguas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 4.3 Risikoanalyse als Ausgangspunkt für Katastrophenvorsorge und Ernährungssicherung im Kontext des Klimawandels in Sri Lanka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 4.4 Küstenzonenschutz am Beispiel von Vietnam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.5 Anpassung der städtischen Infrastruktur zur Katastrophenvorsorge im Rahmen des Dezentralisierungsvorhabens in Äthiopien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4.6 Integration in die öffentliche Haushaltsplanung von Peru . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4.7 Studie zu Mikroversicherung für wetterbedingte Gefahren in der Karibik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Vorwort Extreme Naturereignisse sind immer wiederkehrende Auslöser von Katastrophen, die der betroffenen Bevölkerung immenses Leid bringen und zu enormen ökonomischen und ökologischen Schäden und Verlusten führen. Insbesondere in Entwicklungsländern ist die Bevölkerung besonders anfällig. Der Klimawandel erhöht das Risiko von Katastrophen. Investitionen in die Vorsorge können Menschenleben retten, sowie ökonomische, soziale und ökologische Schäden und Verluste minimieren oder gar verhindern. Vorsorge ist wirtschaftlich effizienter als Nachsorge und schützt nachhaltig die Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit. Die Zunahme extremer Wetterereignisse ist eines der Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt und die eine Anpassung der gefährdeten Gesellschaften erfordert. Katastrophenvorsorge wiederum ist auch ohne den Klimawandel bereits ein wichtiger Baustein nachhaltiger Entwicklung und bezieht neben klimatischen Phänomenen die vom Klimawandel unberührten geologischen Ereignisse mit ein. Zwischen beiden Themen gibt es eine bedeutende Schnittmenge, die eine gute Zusammenarbeit erfordert. Die vorliegende Publikation möchte inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen der Katastrophenvorsorge und der Anpassung an den Klimawandel aufzeigen. Die aufgezeigten Erfahrungen der Arbeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in sieben Ländern verstehen wir als Anregung, ein wirkungsvolleres und effizienteres Zusammenspiel beider Handlungsfelder anzustreben und so eine signifikante Risikominimierung in unseren Partnerländern durch, auf die jeweiligen Rahmenbedingungen angepasste Vorsorgemaßnahmen zu erreichen. Das Sektorvorhaben „Katastrophenvorsorge in der Entwicklungszusammenarbeit“ dankt dem Deutschen Roten Kreuz, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der Welthungerhilfe und der GIZ, die mit den dargestellten Erfahrungen aus ihrer Projektarbeit die Publikation in Wert setzen. Wir danken allen Kollegen und Kolleginnen aus den Projekten für ihre wertvollen Beiträge zur Publikation und sprechen unsere Anerkennung für die geleistete Projektarbeit Ihnen, ihrem jeweiligen Team und allen beteiligten Fachkräften der Partnerinstitutionen aus. Dr. Roman Poeschke GIZ, Abteilungsleiter Abteilung „Sicherheit, Wiederaufbau und Frieden“ Wolfgang Lutz GIZ, Auftragsverantwortlicher Sektorvorhaben „Katastrophenvorsorge in der Entwicklungszusammenarbeit“ 3 4 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L 1. Ausgangslage Mit dem Voranschreiten des Klimawandels können sich atmosphärische Konstellationen so verändern, dass extreme Wetterereignisse wie Hochwasser oder Dürren in Regionen auftreten, in denen diese vorher nicht oder nicht in diesem Ausmaß beobachtet wurden. Entwicklungsund Schwellenländer leiden aufgrund ihrer vergleichs‑ weise niedrigen Resilienz besonders unter diesen Veränderungen. Als Gegenmaßnahme empfiehlt der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimafragen (International Panel on Climate Change, IPCC) vor allem die Stärkung der Katastrophenvorsorge in bedrohten Gebieten (IPCC, 2012). Die Anzahl der wetterbedingten Katastrophen hat sich seit 1980 nahezu verdreifacht. Der Trend zu immer höheren Schäden durch Naturkatastrophen liegt zum einen an der sozio-ökonomischen Entwicklung: Die Bevölkerung wächst; immer mehr Menschen siedeln sich Staaten, Gemeinden oder Haushalte werden als resilient bezeichnet, wenn sie fähig sind, Extremereignisse, aus‑ gelöst durch Schocks oder Stressfaktoren, zu bewältigen, ohne ihren Lebensstandard und ihre langfristigen Entwicklungschancen zu gefährden. (nach DFID, 2011) in Risikogebieten an; zudem steigt der Wert der betroffenen Infrastruktur. Zum anderen ist der Anstieg der Anzahl wetterbedingter Katastrophen ohne den Klimawandel nicht zu erklären. Dass sich Katastrophenvorsorge lohnt, zeigt eine Berechnung der Weltbank: 1 US-Dollar für vorbeugende Maßnahmen erspart demnach 7 US-Dollar in der Nachsorge von Katastrophen (Weltbank, 2004). Anstieg der Extremwetterereignisse von 1980-2011 Anzahl 1200 1000 800 600 400 200 1980 1982 1984 1986 Geophysikalische Ereignisse (Erdbeben, Tsunami, Vulkanausbruch) (Quelle: Munich RE, 2012) 1988 1990 1992 1994 1996 Meteorologische Ereignisse (Sturm) 1998 2000 2002 2004 Hydrologische Ereignisse (Überschwemmung, Massenbewegung) 2006 2008 2010 Klimatologische Ereignisse (Temperaturextreme, Dürre, Waldbrand) K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Der vierte Sonderbericht des IPCC (IPCC, 2007) weist aus, dass die globale Erderwärmung sehr wahrscheinlich auf menschlichen Einfluss zurückzuführen ist. Im Zuge des Klimawandels werden die Extremwetterereignisse an Intensität, Länge, Häufigkeit und räumlicher Ausdehnung zunehmen und somit wird das Katastrophenrisiko ansteigen. Die Auswirkungen können dazu führen, dass Süßwasserressourcen beeinträchtigt werden, Küstenzonen und Siedlungen zunehmend gefährdet sind, Dürrephänomene sich verstärken, fruchtbare Böden veröden, Waldbrände häufiger werden, Epidemien sich ausweiten und die Biodiversität beeinträchtigt wird. Geologische Naturereignisse wie Vulkanausbrüche, Erd- und Seebeben werden nicht vom Klimawandel beeinflusst. Jedoch können sie die Vulnerabilität der betroffenen Gesellschaft erhöhen und so deren Anpassungsfähigkeit an die Folgen des Klimawandels vermindern. Was ist Katastrophenvorsorge? Die Katastrophenvorsorge umfasst den gesamten systematischen und konzeptionellen Rahmen von Maßnahmen, die vor Eintritt einer Naturgefahr mit dem Ziel ergriffen werden, negative Auswirkungen eines Naturereignisses auf die Gesellschaft zu begrenzen. Das Ziel, die Verringerung des Katastrophenrisikos, umfasst zum einen die Reduzierung der Anfälligkeit der Bevölke‑ rung und zum anderen die Vermeidung der Entstehung neuer Bedrohungen, wie zum Beispiel Hangrutschungen durch unsachgemäße Bodennutzung. Bestenfalls kann sogar gänzlich verhindert werden, dass ein Naturereignis in einer Katastrophe mündet. (BMZ, 2010) Die Ursachen für die Anfälligkeit gegenüber extremen Naturereignissen sind vielfältig. Fehlende oder schwach ausgeprägte Frühwarnsysteme, Fehlentwicklungen durch unzureichende Rechtsvorschriften oder mangelnde Verwaltungskapazitäten und geringer Bevölkerungs‑ schutz begünstigen das Entstehen von Katastrophen. Von Katastrophen betroffene Gesellschaften werden in ihrer Entwicklung in mehr oder minder schwerem Ausmaß zurückgeworfen. Arme Bevölkerungsgruppen können sich Was ist Anpassung an den Klimawandel? „Adjustment in natural or human systems to a new or changing environment. Adaptation to climate change refers to adjustment in natural or human systems in response to actual or expected climatic stimuli or their effects, which moderates harm or exploits beneficial opportunities.“ (IPCC, 2001, Appendix B) Anpassungsmaßnahmen dienen der Bewältigung der Folgen eines sich wandelnden Klimas. (…) Die Anpassung beinhaltet sowohl nationale als auch regionale Strategi‑ en sowie praktische Maßnahmen auf Gemeinschafts‑ ebene oder von Privatpersonen. Sie kann vorgreifend oder reaktiv sein, und sie betrifft sowohl natürliche als auch Humansysteme. (European Commission, 2007) mangels technischer, wirtschaftlicher und finanzieller Möglichkeiten am wenigsten an die sich verändernden Klimabedingungen anpassen. Existierende Probleme werden vor allem dort verstärkt, wo die Sicherung der Existenzgrundlage, der Mangel an Wasser, Nahrung, Gesundheit und Bildung den Alltag der Menschen bereits heute bestimmen. Die Katastrophenvorsorge ist bestrebt, die Vulnerabilität einer Gesellschaft gegenüber extremen Naturereignissen so zu reduzieren, dass es nicht zum Katastrophenfall kommt oder die dennoch auftretenden Schäden und Verluste auf ein Minimum reduziert werden. Katastrophenvorsorge beinhaltet Risikoanalyse, Katastrophenprävention und -vorbeugung, Vorbereitung auf den Katastrophenfall (Bereitschaft) sowie katastrophenpräventiven Wiederaufbau (nach BMZ, 2010). 5 6 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L 2. Stand der internationalen Debatte Nachdem jahrelang die Minderung der Intensität des Klimawandels bzw. eine signifikante Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen im Mittelpunkt der internationalen Diskussion stand, rückte die notwendige Anpassung an die bereits spürbaren klimatischen Ver‑ änderungen nach der Jahrtausendwende stärker in den Vordergrund. In der internationalen Diskussion ist der Beitrag, den die Katastrophenvorsorge zur Anpassung an den Klimawandel leisten kann, unumstritten: Bei den Vertragsstaatenkonferenzen auf Bali (2007), in Posen (2008), Kopenhagen (2009) und Cancún (2010) wurde Katastrophenvorsorge als zentraler Ansatz zur Anpassung an den Klimawandel deutlich hervorgehoben. Im Jahr 2011 erschien erstmals im Vorlauf der Konferenz in Durban ein IPCC-Spezialbericht „Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation“ zum Zusammenhang von Katastrophen‑ vorsorge und Anpassung an den Klimawandel. Die G20-Staaten setzten im Jahr 2012 Katastrophenvorsorge auf ihre Agenda. Katastrophenvorsorge ist seit den 1990er Jahren insbesondere in Hochrisikoländern zu einem expliziten Handlungsfeld der deutschen und internatio‑ nalen Entwicklungszusammenarbeit geworden. Seit 2005 bildet der Hyogo Framework for Action, ein von 168 Regierungen gemeinsam verabschiedeter Aktionsplan, den international bedeutendsten Handlungsrahmen in der Katastrophenvorsorge. Die unterzeichnenden Staaten vereinbarten, die von Katastrophen verursachten Verluste an Menschenleben sowie Schäden und Verluste sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Art signifikant zu verringern. Die stärkere Verzahnung von Katastrophen‑ vorsorge und Anpassung an den Klimawandel ist eine zentrale Forderung des Aktionsplans. Hyogo Framework for Action 2005 – 2015: Building the Resilience of Nations and Communities to Disasters Expected Outcome The substantial reduction of disaster losses, in lives, and in the social economic and environmental assets of communities and countries Priorities for Action 1. Make disaster risk reduction a priority: Ensure that disaster risk reduction is a national and a local priority with a strong institutional basis for implementation Quelle: UNISDR, 2005 2. Know the risk and take action: Identify, assess and monitor disaster risks and enhance early warning 3. Build understanding and awareness: Use knowledge, innovation and education to build a culture of safety and resilience at all levels 4. Reduce risk: Reduce the underlying risk factors 5. Be prepared and ready to act: Strengthen disaster preparedness for effective response at all levels K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L 3. Gemeinsamkeiten beider Handlungsfelder Die von The United Nations International Strategy for Disaster Reduction (UNISDR) entwickelte, rechts stehende Grafik (UNISDR, 2009) weist aus, dass beide Handlungsfelder unterschiedliche politische Ziele haben, aber letztendlich, wenn auch nicht deckungsgleich, so parallel in die gleiche Richtung zeigen (policy goal level). Die Überlappung beider Handlungsfelder (grün) ergibt sich durch konkrete Maßnahmen beider Handlungsfelder im Bezug auf Extremwettereignisse (programme action level). Innerhalb dieser Schnittmenge ist der Beitrag der Katastrophenvorsorge zur Anpassung an den Klimawandel dort am größten, wo die Katastrophenvorsorge bei aktuellen Risiken ansetzt, die durch die Klimaänderung in Zukunft noch größer werden. Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel zeigen dann eine vollständige Überlappung, wo im Zuge der Klimaänderungen neue Risiken entstehen oder bekannte Gefahren ihre geographische Ausdehnung verändern. Anpassung an den Klimawandel betrachtet alle, durch den Klimawandel verursachte Veränderungen. Diese können sich positiv oder negativ auf die Gesellschaft und Umwelt auswirken. Der Klimawandel kann zum einen zu graduell begrenzten Veränderungen führen. Zum anderen sind Policy goal level Climate change adaption Disaster risk reduction Programme action level Quelle: UNISDR, 2009 auch Szenarien zu erwarten, die erhebliche, in aller Regel negative Auswirkungen haben. Anpassung an den Klimawandel und Katastrophenvorsorge kommen immer da zusammen, wo die klimatischen und meteorologischen Veränderungen auf extreme Naturereignisse einwirken und so das Katastrophenrisiko ändern. Die Katastrophenvorsorge muss auf diese zukünftigen Szenarien zurückgreifen, um ihrem Mandat, die negativen Auswirkungen eines Naturereignisses vor Gefahreneintritt effizient und effektiv zu minimieren bzw. zu verhindern, gerecht werden zu können. NATURGEFAHREN KLIMAWANDEL Schnittstelle zwischen Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel Folgen Ansätze Schleichende Auswirkungen Wandel an Biodiversität, Gletscherschmelze, Ausbreitung von Krankheitserregern etc. Längerfristige, graduelle und schrittweise Anpassung an Klimarisiken Schlagartige Auswirkungen Wetterextreme Änderung von Intensität, räumlicher Ausdehnung und Häufigkeit aufgrund des Klimawandels Schlagartige Auswirkungen Geophysikalische Extreme Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüche Wirkungen Anpassung an den Klimawandel Menschenleben sind geschützt; ökonomische, soziale und ökologische Schäden werden dauerhaft vermieden oder verringert. Risikomanagement im Hinblick auf Wetterextreme Risikomanagement im Hinblick auf geophysikalische Gefahren Katastrophenvorsorge Quelle: GIZ (Sektorvorhaben „Katastrophenvorsorge in der Entwicklungszusammenarbeit“) 7 8 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Hydrologische, meteorologische und klimatologische Extremereignisse (Überflutung, Sturm, Dürre) erfahren aufgrund des Klimawandels Veränderungen in Intensität, Häufigkeit und räumlicher Ausdehnung. Hier liegen die Gemeinsamkeit und der daraus resultierende Bedarf der Zusammenarbeit beider Handlungsfelder (siehe Abbildung Seite 7 oben). Vulnerabilität Die Vulnerabilität ist ein zentraler Bezugspunkt sowohl für die Katastrophenvorsorge als auch für die Anpassung an den Klimawandel.1 Die Zielgruppen beider Handlungsfelder sind durch extreme Naturereignisse gefährdete Gesellschaften und Bevölkerungsgruppen. ist, weil Unterstützung gewährt wird und eine ausreichende Einbindung in soziale Netzwerke gesichert ist, desto besser findet sich eine Gesellschaft gerüstet für Naturereignisse. Armut und soziale Benachteiligung spielen somit eine wesentliche Rolle. Dort, wo soziale Sicherungssysteme und finanzielle Reserven nur bedingt vorhanden sind und eine schlechte Regierungsführung vorherrschend ist, erhöht sich das Risiko. Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel zielen auf die Stärkung der Vorsorge-, Anpassungs- und Selbsthilfekapazitäten aller Bevölkerungsgruppen ab und leisten so einen Beitrag zur Armutsminderung sowie zu einer sozial gerechteren Entwicklung einer Gesellschaft. Akteurslandschaft Die Vulnerabilität bezeichnet den Zustand eines Indi‑ vidums oder einer Gruppe, zum einen externen Schocks und Stressfaktoren ausgesetzt zu sein und zum anderen, Schwierigkeiten zu haben, diese zu bewältigen. (nach Robert Chambers, 1989) Die Gefährdung einer Gesellschaft durch eine Naturgefahr ist stets vorhanden. Es ist die Anfälligkeit in Abhängigkeit der sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft sowie deren Bewältigungs- und Anpassungskapazitäten, die wesentlich darüber entscheiden, ob Schäden und Verluste entstehen und das Extremereignis zur Katastrophe ausufert. Von Naturkatastrophen betroffene Gesellschaften werden in ihrer Entwicklung in mehr oder minder schwerem Ausmaß zurückgeworfen. Wie die Ereignisse in den USA (Hurrikan Katrina 2008) und Japan (Tsunami 2011) gezeigt haben, sind auch moderne, hochentwickelte Dienstleistungsgesellschaften trotz ihres ökonomischen Potenzials verwundbar, unter Umständen gerade wegen ihres technologischen Entwicklungsstandes, aber auch aufgrund unzureichender Katastrophenvorsorge und -bewältigungskapazitäten. Die Vulnerabilität ist nicht nur abhängig von materiellen Ressourcen. Je stärker die gleichberechtigte Teilhabe am allgemeinen Wohlergehen einer Gesellschaft gegeben 1 In der Regel arbeiten beide Handlungsfelder mit denselben Partnern: Umweltministerien und Katastrophenvorsorgebehörden, Stadt- und Gemeindeverwaltungen, der betroffenen Bevölkerung und deren Verbände, meteorologischen Instituten sowie Vertretern aus den unterschiedlichen Sektorministerien. Die Katastrophenvorsorge und die Anpassung an den Klimawandel umfassen ein äußerst breites Spektrum an operativen und auch wissenschaftlichen Bereichen, die nur interdisziplinär vernetzt und einvernehmlich bearbeitet werden können. Politik, Behörden, Wissenschaften, Privatwirtschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen können nur in Kooperation zu dauerhaften Problemlösungen kommen. Die Art und Intensität der Zusammenarbeit hängt vom spezifischen Risikoprofil ab und muss entsprechend angepasst werden. An die Planungs- und Umsetzungskapazitäten der be‑ drohten Länder werden daher besondere Anforderungen gestellt. Ein abgestimmtes Vorgehen der Unterstützungsleistungen der Internationalen Zusammenarbeit ist nötig, um die in den Partnerländern häufig ohnehin eng begrenzten Planungs- und Umsetzungskapazitäten nicht zu überfordern. Beide Handlungsfelder bedürfen des Mehrebenen-Ansatzes, um politische Leitlinien und sektorübergreifende Strategien auf die Bedarfe und Rahmenbedingungen vor Ort, wie Mikroklima, lokales Risikoprofil oder Leistungsfähigkeit der bedrohten Bevölkerung auszurichten. Weder Klima- Vulnerabilität wird in der Katastrophenvorsorge definiert als: „The characteristics and circumstances of a community, system or asset that make it susceptible to the damaging effects of a hazard.“ (UNISDR, 2009) In der Anpassung an den Klimawandel definiert man den Begriff ähnlich: „The degree to which a system is susceptible to, and unable to cope with, adverse effects of climate change, including climate variability and extremes. Vulnerability is a function of the character, magnitude, and rate of climate change and variation to which a system is exposed, its sensitivity, and its adaptive capacity.“ (IPCC, 2001, Appendix B) K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L wandel noch extreme Naturereignisse machen an Ländergrenzen halt, so dass in beiden Themengebieten grenzüberschreitendes Denken und Handeln erforderlich sind. plexes. Beide Handlungsfelder stehen daher nach wie vor der Herausforderung gegenüber, Vorsorge als zentrales Element gesellschaftlich und politisch stärker zu verankern. Verantwortung eines Jeden Öffentlichkeit, Behörden, Verbände, Entscheidungsträger und Bürger zunehmend für die Bedeutung präventiver Maßnahmen zu gewinnen, ist beiden Handlungsfeldern ein Anliegen. Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen sollten ein für den Bürger wahrnehmbares Thema in der Politik werden. Der einzelne Bürger, eine Gruppe oder ein Unternehmen sind gehalten, mit der eigenen Vorsorge entscheidend für ihre eigene Risikominimierung zu sorgen. Während die Anpassung an den Klimawandel und dessen Auswirkungen in der Öffentlichkeit inzwischen entsprechende Beachtung finden, erhält die Katastrophenvorsorge, solange Katastrophenereignisse und ihre Folgen nicht aktuell werden, nach wie vor eine nur eingeschränkte öffentliche Aufmerksamkeit. Trotz zunehmender Beachtung auf internationaler Ebene erlangt die Katastrophen‑ vorsorge in vielen Staaten erst allmählich eine, der Bedrohung angemessene Verankerung in der Gesellschaft. So wird noch häufig zum Beispiel der Verbesserung eines Schutzdammes oder dem Erhalt eines Schutzgebietes weniger Aufmerksamkeit entgegengebracht als dem Bau einer neuen Wohnsiedlung oder eines Tourismuskom‑ Es gilt, Investitionen zur Vorsorge und Anpassung im Staatshaushalt verbindlich festzuschreiben, innovative Finanzierungsmechanismen einzuführen sowie Wissen und Innovation aus der Privatwirtschaft stärker als bisher mit einzubinden. Myanmar: Kindermalwettbewerb anlässlich des Internationalen Tages der Katastrophenvorsorge 2011. 9 10 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L 4. Erfahrungen aus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in der Vernetzung beider Handlungsfelder Allen in diesen Kapiteln aufgezeigten Erfahrungen aus der Arbeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist die Verknüpfung von Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel gemein. Die Beispiele aus Mosambik und Nicaragua zeigen auf, wie im „klassischen“ Instrument der Katastrophenvorsorge – dem Frühwarnsystem – die durch den Klimawandel hervorgerufenen Risiken berücksichtigt werden. Während das Beispiel Mosambiks den Aufbau und das Funktionieren des ersten urbanen mosambikanischen Frühwarnsystems für die Großstadt Beira ausführlich beschreibt, wird am Beispiel Nicaraguas anschaulich geschildert, wie ein Frühwarnsystem neben seiner originären Aufgabe der Warnung vor drohenden Katastrophen auch einen Beitrag zur Minimierung von Ernteverlusten und somit zur Einkommenssicherung der bäuerlichen Bevölkerung beitragen kann. Eine auf die lokalen Bedingungen angepasste Risikoanalyse unter Einbeziehung des Klimawandels ermöglicht es dem kleinbäuerlichen Reisanbau in Sri Lanka, sich noch rechtzeitig auf die Auswirkungen des Klimawandels einzustellen. Die Maßnahmen des Vorhabens leisten so einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Lebensgrundlagen der bäuerlichen Bevölkerung. Das Beispiel aus dem Mekong-Delta Vietnams beschreibt wie Katastrophenvorsoge, Anpassung an den Klimawandel und Management natürlicher Ressourcen Hand in Hand gehen und so eine ganzheitliche Lösung für die Verbesserung der Lebensgrundlagen unter sich verändernden Bedingungen erreicht werden kann. ausführlich dargestellt. Nachfrage und Voraussetzungen für die Einführung von Versicherungspolicen für Haushalte mit niedrigem Einkommen ermittelte eine Studie, ausgeführt in vier Staaten der Karibik. 4.1 Aufbau des ersten städtischen Frühwarnsystems in Mosambik Das Nationale Institut für Katastrophenmanagement Mosambiks (Instituto Nacional de Gestão de Calamidades, INGC) prognostiziert, dass die jährliche Durchschnittsniederschlagsmenge um bis zu 15 Prozent ansteigen wird. Zudem wird ein Anstieg des Meeresspiegels um mindestens 30 cm bis 2100 erwartet (INGC, 2009). Extreme Wetterereignisse werden zunehmen und intensiver sein. Die am Indischen Ozean gelegenen Städte sind bei gleichzeitiger hoher Bevölkerungsdichte und Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten besonders verwundbar. Für die zweitgrößte Hafenstadt Mosambiks, Beira, wurde ein Verlust des BIPs um 5–9 Prozent bis 2030 errechnet, wenn keine entsprechenden Maßnahmen zur Klimaanpassung umgesetzt werden. Die erwarteten Kosten des Klimawandels könnten durch Aktivitäten zur Stärkung der Resilienz sozio-ökonomischer Systeme um 43 Prozent reduziert werden (INGC, 2009). Die Katastrophenvorsorge vor dem Hintergrund klimatischer Veränderungen bereits in der Planungsphase von urbanen, großflächigen Infrastrukturmaßnahmen ein‑ zubeziehen, führt – wie es das Beispiel aus Äthiopien in sechs Städten aufzeigt – zu einer deutlich wahrnehm‑ baren Risikoreduzierung. Seit 2009 ist Klimaanpassung fester Bestandteil der deutsch-mosambikanischen Entwicklungszusammenarbeit. Die Erfahrungen zeigen, dass mit der institutionellen Verankerung und Stärkung der Katastrophenvorsorge in Mosambik ein wichtiger Beitrag zur Klimaanpassung geleistet wird. Im Jahr 2010 und 2011 wurde damit begonnen, die im ländlichen Raum bewährten Maßnahmen der Katastrophenvorsorge erstmalig auf einige Stadtviertel in der Küstenstadt Beira pilothaft zu übertragen und an urbane Bedingungen anzupassen. Für die beteiligten Stadtviertel wurde auch das erste städtische HochwasserFrühwarnsystem Mosambiks eingerichtet. Mit der Finanzierung der Katastrophenrisikominderung (disaster risk financing) setzen sich die Beispiele aus Peru und der Karibik auseinander. Ein innovatives Vorgehen zur Integration der Katastrophenvorsorge in die nationalstaatliche Investitionsplanung wird im Beispiel aus Peru Mit der Frühwarnung in Beira wurde ein Kommunika‑ tionssystem geschaffen, durch das in angemessener Zeit alle dringendsten Aktivitäten zum Schutze der lokalen Bevölkerung eingeleitet werden können. Die Handlungsabläufe im Frühwarnsystem orientieren sich an den K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Mosambik: Das Katastrophenvorsorge-Komitee Chipangara erklärt dem Direktor des Meteorologischen Instituts das Funktionieren der einfachen Hochwassermelder. lokalen Bedürfnissen der Bevölkerung, die sich an den Problemanalysen ausrichten, die die betroffenen Anwohner im Rahmen von partizipativen Risikoanalysen selbst erarbeitet haben. Als besonders gravierend wurden von der Bevölkerung Notsituationen eingestuft, die durch Überschwemmungen ausgelöst werden. Diese Überschwemmungen sind vor allem Resultat eines Wasserrückstaus in tiefer gelegenen Stadtvierteln. Die vier Grundpfeiler des städtischen Frühwarnsystems sind im Rahmen eines Süd-Südaustausches mit Berater/innen aus weiter fortgeschrittenen lateinamerikanischen Ländern2 im Bereich Frühwarnung definiert worden: i. Die institutionelle Einbettung des Frühwarnsystems Gemeinsam haben die Stadtverwaltung und das INGC übergreifende Planungs- und Handlungsabläufe für den Katastrophenfall festgelegt. Institutionell verankert wurden die Themen Katastrophenvorsorge und Klimawandel in der Stadtverwaltung Beiras mit der Gründung der gemeinsamen Arbeitseinheit für Küstenschutz, Katastrophenvorsorge und Klimawandel (Serviço de Pro‑ tecçao Costeira, Gestao de Risco de Calamidades e Mudanças Climáticas). Mit einer neuen Gesetzgebung zur Klimaanpassung in Städten gibt es seit 2012 eine verbindliche 2 Guatemala, Honduras und Costa Rica Grundlage für die Integration lokaler KatastrophenvorsorgeAktivitäten in die Entwicklungs- und Finanzpläne der Stadtverwaltungen. ii. Informationsaufbereitung, -übermittlung und -speicherung Informationen zum Themenfeld Klimaanpassung wurden zusammengetragen und vom INGC systematisch in eine Datenbank eingespeist, die zur Frühwarnung Auskunft gibt. Diese erleichtert für die involvierten Akteure, wie das INGC, das Umweltministerium und die Stadtverwaltung, den schnellen Zugang zu Informationen. Besonders wichtig für das Funktionieren des Frühwarnsystems ist außerdem der Informationsfluss zwischen der lokalen Bevölkerung, der Stadtverwaltung und dem INGC, der allerdings noch kontinuierlich verbessert und ausgeweitet werden muss. iii. Installation und Testen von Hochwassermeldern Gemeinsam mit den 2010 gegründeten lokalen Katastrophenvorsorge-Komitees wurden kostengünstige, aus einfach zu beschaffenden Materialien hergestellte und leicht zu installierende Hochwassermelder entwickelt und installiert. Die Fakultät für Mechatronik an der örtlichen 11 12 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Universität (Universidade Zambeze) hat sich an der Herstellung und Wartung beteiligt. Beim Erreichen eines kritischen Wasserstands wird automatisch ein Alarm im Haus eines Freiwilligen ausgelöst, der das lokale Katastrophenvorsorgekomitee alarmiert. Diese warnen die gefährdete Bevölkerung. iv. Organisation und Ausbildung Risikoanalysen werden auf verschiedenen institutionellen Ebenen durchgeführt, wobei die nationale Ebene, die Stadtverwaltung und die Gemeinden beteiligt sind. Dies schafft eine gemeinsam abgestimmte Grundlage für eine lokal angepasste Katastrophenvorsorge. Entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren des Warnsystems ist die Ausbildung und Betreuung der städtischen Katastrophenvorsorge-Komitees. Sie müssen die Anwohner sensibilisieren, rechtzeitig Vorsorgemaßnahmen treffen wie z. B. die Säuberung der Entwässerungskanäle durch‑ führen und wissen, was im Notfall zu tun ist. Fazit In Beira wurde durch Aufklärung und bessere Vorbereitung der lokalen Bevölkerung sowie die institutionelle Einbettung des Frühwarnsystems die Anpassungskapazität nachweislich erhöht. Katastrophenschutzübungen haben gezeigt, dass die Reaktionsfähigkeit der lokalen Bevölkerung in den beteiligten Stadtvierteln verbessert und damit das Katastrophenrisiko deutlich verringert wurde. Die Erfahrungen zeigen, dass Katastrophenvorsorge und Klimaanpassung thematisch und institutionell auf kommunaler Ebene eng miteinander verknüpft sind. Kontakt: [email protected] 4.2 Frühwarnung und sein vielfältiger Nutzen am Beispiel Nicaraguas Basierend auf dem 4. Sachstandsbericht des IPCC (IPCC, 2007) ermittelte die UNO-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL), dass voraussichtlich im Zuge des Klimawandels in Zentralamerika bis 2100 die Temperaturen um 1,8 Grad ansteigen, die Niederschlagsmengen um mindestens 11 Prozent abnehmen und die extremen Wetterereignisse um bis zu 10 Prozent zunehmen werden. Der daraus entstehende ökonomische Schaden wird auf 32 Prozent des BIP von 2008 geschätzt (CEPAL, 2010). Seit 2001 unterstützt die Welthungerhilfe Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge im Umfeld der Einzugsgebiete der Flüsse Río Coco und Río Estelí. Das Konzept zielt auf den Aufbau dauerhafter, lokaler Selbsthilfestrukturen sowie lokal tätiger Institutionen zur Vorsorge und Bewältigung von Naturkatastrophen, insbesondere Überflutungen. Dank installierter telemetrischer Niederschlags- und Pegelmesser im Mittellauf des Río Estelí werden gesicherte hydrologische Daten aus diesem Gebiet per Funk an die Bezirkskomitees für Katastrophenvorsorge und weiter an staatliche Institutionen übermittelt. Auf dieser Datenbasis werden mittels Computermodellierungen Warnstufen festgelegt und kommuniziert. Die beschafften und mit Solarstrom betriebenen Funkgeräte, die ganztägig meist von Frauen vor Ort betrieben werden, sind in das Kommunikationsnetz des Zivilschutzes integriert. Nationale, staatliche Stellen interpretieren Klimaphänomene und Wetterereignisse per Satellitenbild und geben bei Bedarf die Informationen mit Empfehlungen bezüglich der Warnstufen weiter. Über den Zivilschutz gelangen diese Warnungen an die Bezirkskomitees. Dank erarbeiteter Notfallpläne können so Maßnahmen zur Bewältigung einer sich abzeichnenden Katastrophe rechtzeitig eingeleitet werden. Rettungsteams vor Ort wurden in Erster Hilfe und der Rettung von Verletzten ausgebildet und ausgestattet. Die erhobenen Niederschlagsdaten, weitergegeben an das Agrarministerium, dienen auch der Dürrevorhersage. K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L So können für die Landwirte gezielt Empfehlungen zur Auswahl geeigneter Sorten sowie zur Bodenbearbeitung und Bewässerung gegeben werden. Die Gefahr von Ernteverlusten wird verringert und ein wichtiger Beitrag zur Einkommenssicherung der Landwirte sowie zur Ernährungssicherung geleistet. Als Grundlage für Landnutzungsplanung und Notfallpläne wurden für die Gemeinden Gefahren- und Anfälligkeitskarten erstellt. Erfasste Daten werden zu einem computergestützten Informationssystem zur Vorsorge und Bewältigung von Notfällen aufbereitet, in dem u. a. die Lage der bestehenden Infrastrukturen (z. B. Notunterkünfte, Trinkwasserversorgung, Evakuierungsrouten) sowie die Organisationsstrukturen und Mechanismen aufgezeigt sind, die im Falle eines extremen Naturereignisses aktiviert werden. Durch Schulungsmaßnahmen wurden die Fachkräfte der Bezirksverwaltung und die Mitglieder der kommunalen Komitees in die Lage versetzt, das Gefährdungspotential zu erkennen und bei extremen Wetterereignissen so zu agieren, dass ein solches Ereignis bestenfalls nicht zur Katastrophe führt. Bei Überschwemmungen hat sich in den vergangenen Jahren das geschaffene System bewährt. Kontakt: [email protected] Nicaragua: Kontrolle des Niederschlagsmessers durch ein Mitglied des Bezirkskomitees. 13 14 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L 4.3 Risikoanalyse als Ausgangspunkt für Katastrophenvorsorge und Ernährungssicherung im Kontext des Klimawandels in Sri Lanka Für Sri Lanka wird ein Temperaturanstieg von 0,9 Grad bis zu 4 Grad Celsius für 2100 prognostiziert (Eriyagama, 2010). Das nationale meteorologische Institut Sri Lankas bezieht sich auf das IPCC und erwartet aufgrund einer höheren Niederschlagsvariabilität eine Zunahme an extremen Wetterereignissen (Überflutungen und Dürren) (Department of Meteorology, 2011). Vor allem die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere bei Tee und Reis, wird in hohem Maße betroffen sein. tropische Wirbelstürme. Der Reisanbau stellt häufig die einzige Einkommensquelle dar. Der Klimawandel und die damit prognostizierte Zunahme von Extremwettereignissen wirken sich negativ auf die Lebensbedingungen und landwirtschaftliche Produktion der Bevölkerung aus. Die Lebensgrundlagen der Bevölkerung sind zunehmend gefährdet. In die Risikoanalyse, erarbeitet zu Beginn des Programms, wurden auch die von der lokalen Bevölkerung bereits wahrgenommenen Klimaveränderungen und daraus resultierende Klimarisiken aufgenommen. Bauern und die Landwirtschaftsbehörde berichteten übereinstimmend über Veränderungen der Regenzeit. Von besonderer Be‑ deutung war hierbei die Unsicherheit über ihre Dauer und Kontinuität bei einer kürzer werdenden Regenzeit. Da in der verkürzten Zeit jedoch die gleiche Menge Niederschlag fällt, steigt das Risiko von Überschwemmungen. Darüber hinaus konnte belegt werden, dass die Regenzeit plötzlich unterbrochen wird und dann eine unerwartete Trockenheit folgt. In Folge werden Reisernte und Saatgut zunehmend durch Überschwemmungen oder Trockenheit zerstört. Lokale Katastrophenmanagement-Komitees und Einsatzgruppen wurden entsprechend ausgebildet. Diese Gruppen sind eng mit dem staatlichen Katastrophenmanagement vernetzt, welches die zukünftige Betreuung dieser Gruppen gewährleistet. An Schulen wurden Lehrer und Schüler für zukünftige Klimarisiken sensibilisiert und Notfallpläne für die Schulen erarbeitet. Sri Lanka: Mitglied eines Katastrophenvorsorge-Komitees im Ampara Distrikt mit angepasstem Saatgut. Er selbst erzielte eine Ertragssteigerung von knapp 20 Prozent. Seit 2008 konzentriert sich das Deutsche Rote Kreuz zu‑ sammen mit dem Sri Lankanischen Roten Kreuz auf Maß‑ nahmen der Katastrophenvorsorge und Klimaanpassung im östlichen Distrikt Ampara, welcher zu den katastrophen‑ anfälligsten Regionen des Landes zählt. Die hier lebende Bevölkerung wird in der Regenzeit regelmäßig von Über‑ schwemmungen betroffen und leidet in der Trockenzeit auch unter Dürren. Hinzu kommt die Gefahr durch In den eingerichteten bäuerliche Feldschulen (Farmer Field Schools) lernen ausgewählte Reisbauern auf Grundlage der Klima-Risiko-Analyse, wie sie sich den Veränderungen der Regenzeiten besser anpassen können und geben dieses Wissen an ihre Nachbarn weiter. Die Bauern erproben, wie mit Hilfe von Kompost mehr Feuchtigkeit im Boden gehalten werden kann. Sie bauen einheimische Reissorten an, die schneller wachsen und zugleich bei stärkeren Über‑ schwemmungen als auch Trockenheit noch ertragreich sind. Seit Beginn des Programms sind die Ernteerträge durchschnittlich um 20 Prozent im Vergleich zu den vorherigen drei Jahren gestiegen. Dank des Aufbaus von lokalen Saatbanken erzielen die Bauern durch den Verkauf des angepassten Saatguts zudem ein zusätzliches Einkommen. Kontakt: [email protected] 15 Vietnam: Mangrovenwälder schützen Deich und dahinter liegende, intensiv genutzten Flächen. 4.4 Küstenzonenschutz am Beispiel von Vietnam Seit 1993 steigt der Meeresspiegel um durchschnittlich 3,1 mm pro Jahr (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation, CSRIO, 2012). Eine Ursache des Anstiegs ist die globale Erwärmung. Als wahrscheinlichste Prognose ergeben die Messreihen der geodätischen Ozeanografie einen mittleren Anstieg von 40 cm bis 2100 (National Oceanography Centre (UK), NOC, 2012). Der Meeresspiegelanstieg bedroht besonders Inselstaaten und Länder mit breiter Küstenfläche. Die Kosten für Küstenschutz sind deutlich geringer – in den meisten Fällen weniger als 0,1 Prozent des BIP –, als die Schäden zu beseitigen, die aus Inaktivität resultieren (Nicholls et al., 2006). Die Zunahme extremer Wetterereignisse erhöht in der Küstenzone in Vietnam das durch den Klimawandel bedingte Katastrophenrisiko. Die Provinzregierung von Soc Trang setzt mit Mitteln des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), seit 2007, unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammen‑ arbeit (GIZ) Maßnahmen des Küstenschutzes im MekongDelta um. Die Maßnahmen umfassen: (i) die Aufforstung, die Rehabilitierung sowie den Schutz und das Management von Mangrovenwäldern durch Co-Management, (ii) die Stabilisierung von Ufern und die Rehabilitierung von Stränden oder Flachufern durch Verbauungen oder Wellenbrecheranlagen und (iii) die nachhaltige Nutzung von Muschelbänken und die Beschränkung auf bestimmte Nutzungsmethoden beim Fischfang. Der Erfolg der Arbeit in Soc Trang beruht auf der Bewusstseinsbildung, der Entwicklung und dem Ausbau von Kompetenzen der Mitarbeiter/innen in Behörden, Gemeinden und Kooperativen sowie der Einführung neuer Bewirtschaftungsmethoden in Form des Co-Managements. Besitzrechte wurden an lokale Kooperativen vergeben, Schutzzonen ausgewiesen und Schonzeiten in der Fischerei eingeführt. Heute stehen Mangrovenwälder unter nachhaltiger Bewirtschaftung und schützen die nachgelagerten Deiche. Das Pro-Kopf-Einkommen pro Tag der lokalen Bevölkerung hat sich mehr als verdoppelt. Der Brennholzbedarf ist durch die Einführung brennholzsparender Herde um 50 Prozent gesunken. Die Provinzregierung von Soc Trang setzt das Modell in weiteren Gemeinden um. Andere Provinzregierungen übernehmen das Modell. Seit 2011 unterstützen Australian 16 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Agency for International Development (AusAID) und das BMZ die Ausweitung des erfolgreichen Modells aus Soc Trang. Die Erarbeitung und Umsetzung nationaler politischer Leitlinien für die nachhaltige Bewirtschaftung der Küstenökosysteme zur Anpassung an den Klimawandel und zur Armutsminderung sind die zentralen Bestandteile dieses Programms. Im Jahr 2011 berichteten Mitglieder der Co-Manage‑ ment Gruppe in Soc Trang dem BBC: „In 2007 we got VND 15,000 per day. Today we get VND 50 – 60,000 daily because of co-management and partly due to increase in market prices. Now we have to go less far to catch or collect resources and there are fewer out-siders entering our area.“ Zusammenfassend kann festgehalten werden: 1) Die Auswirkungen des Klimawandels erfordern Änderungen der Nutzungsmethoden des Mangroven waldes. Diese Änderungen berücksichtigen stets die Rehabilitierung des Ökosystems Mangrovenwald, damit dessen Umweltleistungen erhalten bzw. gestärkt werden. 2) Eine Anpassung der Bewirtschaftungsmethoden an die sich ändernden Bedingungen kann die Einkom menssituation der Bevölkerung verbessern. Maß nahmen des Küstenschutzes zur Vorsorge gegen Naturkatastrophen tragen zur Wahrung der Lebens- grundlagen bei. 3) Die Entwicklung von Kompetenzen auf allen Ebenen, orientiert an praxisrelevanten Maßnahmen, die sich in einem replizierbaren Modell manifestiert, führt zu einer Verbreitung des Modells. Kontakt: [email protected] 3 4.5 Anpassung der städtischen Infrastruktur zur Katastrophenvorsorge im Rahmen des Dezentralisierungsvorhabens in Äthiopien Verschiedene Prognosen weisen daraufhin hin, dass sich in Äthiopien der jährliche Niederschlag stark erhöhen wird. So wird ein durchschnittlicher landesweiter Anstieg von 10 – 70 Prozent erwartet, wobei die Zahl der Starkregenereignisse um bis zu 18 Prozent steigen kann (McSweeney, 2009; Weltbank, 2011). Neben Dürrekatastrophen richten in den letzten Jahren vermehrt auftretende Starkregenereignisse große Schäden in Äthiopien an. Die ungewöhnlich heftig ausgefallene Regenzeit im Jahr 2006 verursachte die bisher höchsten Verluste und Schäden: Nach offiziellen Angaben starben 1.000 Menschen und ca. 280.000 Menschen wurden obdachlos. Die meisten äthiopischen Städte sind infrastrukturell nicht auf solche Extremwetterereignisse vorbereitet. Drainagesysteme sind oft gar nicht oder aufgrund fehlender Wartung nur mangelhaft vorhanden, was mittlerweile jährlich zur Überschwemmung ganzer Stadtteile3 führt. Die Bedeutung der Katastrophenvorsorge im urbanen Bereich spiegelt sich mittlerweile folgerichtig auch in den nationalen Politiken wieder. So entwickelte die äthiopische Regierung in Vorbereitung auf den Nationalen Anpassungsplan (National Adaptation Plan of Action, NAPA) u. a. natio‑ nale Strategien zum Umgang mit Wasser, die, neben den klassischen Versorgungsthemen, auch die Prävention von starkregenbedingten Überflutungen zum Thema haben. Wie urbane Katastrophenvorsorge mit einfachen Mitteln praktisch umgesetzt werden kann, zeigt das folgende Stadtentwicklungsvorhaben, welches die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW Entwicklungsbank, seit 2007 mit Mitteln des BMZ unterstützt. Ziel der Vorhaben ist es, die Städte in die Lage zu versetzen, Infrastrukturmaßnahmen selbstständig planen, überwachen und unter Berücksichtigung des Klimawandels instand halten zu können. Dem Bau der Infrastrukturvorhaben vorgeschaltet hat die GIZ in den Programmstädten durch die Einführung von Verwaltungs- und Planungsverfahren wichtige Grund‑ lagen dafür gelegt, dass Vorhaben den Bedürfnissen der „URAdapt“, ein laufendes Vorhaben des International Water Management Institut (IWMI), analysiert derzeit sowohl den hydrologischen, als auch den sozioökonomischen Einfluss von Klimaveränderung auf die Entwicklung äthiopischer Städte (Weltbank, 2011). K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Vorher Nachher Äthiopien: Vor und nach dem Bau eines einfachen Drainagesystems in Hawassa. Bevölkerung entsprechen und der Betrieb der bereitgestellten Infrastruktur in städtischen Haushaltsplanungsprozessen verankert werden konnte. Die Vergabe von Mitteln zur Finanzierung von Infrastrukturvorhaben wurde wiederum an die verpflichtende Erstellung von tragfähigen Betriebs- und Wartungskonzepten geknüpft, die durch die Städte selbst organisiert werden und den nachhaltigen Betrieb der Anlagen sicherstellen sollen. Sechs der elf Programmstädte entschieden sich für den Bau von Drainagesystemen – eine Auswahl, die sehr gut deutlich macht, welchen Stellenwert Klimaanpassungsmaßnahmen auch aus Stadtentwicklungssicht haben. Gespräche mit den Anwohnern belegen, dass ein effektiver Beitrag zur Minderung des Katastrophenrisikos geleistet werden konnte. Sie berichten, dass seit Bau der einfachen Leitungssysteme, die jährlichen Überschwemmungen ausgeblieben seien. Auch sei die Zahl der Malariaerkrankungen nach Auskunft der Anwohner/innen spürbar zurückgegangen, da es dank der Drainageleitungen weitaus weniger stehende Gewässer gäbe, die den Mücken als Brutplätze dienten. Auch in der aktuell laufenden zweiten Phase des Vorhabens, die in acht neuen Städten durchgeführt wird, zeichnet sich ab, dass die Katastrophenvorsorge große Priorität hat und in Zukunft haben wird. Kontakt: [email protected]; [email protected] 4.6 Integration in die öffentliche Haushaltsplanung von Peru Nach einer Studie des Tyndall Centre for Climate Change Research ist Peru das drittempfindlichste Land gegenüber den klimabedingten Veränderungen (Rosenberger, 2006). Die Naturkatastrophen haben sich zwischen 1990 und 2000 versechsfacht. Laut dem Consejo Nacional del Ambiente waren sieben von zehn dieser Naturkatastrophen klimabedingt. Die CEPAL geht davon aus, dass Peru eine Zunahme an extremen Wetterereignissen wie Fluten oder Dürren erfahren wird und der Anstieg des Meeresspiegels massive Küstenerosion verursacht. Auch dürfte der Klimawandel dazu beitragen, dass im Jahre 2100 über 60 Prozent der Landesfläche degradiert sein könnten (CEPAL, 2010a). Öffentliche Strategien können für ein Land entscheidend sein, wenn es gilt, neue Risiken zu vermeiden und bestehende Risiken zu minimieren. In Partnerschaft mit der GIZ, beauftragt durch das BMZ im Verbund mit UNISDR, hat das peruanische Ministerium für Wirtschaft und Finanzen damit begonnen, bei staatlichen Investitionsentscheidungen sowohl Kriterien der Katastrophenvorsorge als auch Überlegungen zur Anpassung an den Klimawandel systematisch zu berücksichtigen. Die Bewertung eines öffentlichen Investitionsvorhabens erfolgt in drei Schritten: Risikoanalyse, Identifizierung 4 Neben dem Bau von Drainageleitungen wurden vor allem Mülldeponien, Straßen, Busstationen und Märkte finanziert. Parallel finanziert die Weltbank Infrastrukturvorhaben in anderen Städten Äthiopiens. 17 18 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Schritte der Bewertung zur Verringerung von Katastrophenrisiken Analysis of project costs without measures of risk reduction: Investment, operation and maintenance (see formula above) Additional social costs in case of disasters: a) Health-care in emergencies, rehabilitation and refurbishment b) Reduction of project benefits for users during the period of emergency, rehabilitation and refurbishment Analysis of project costs with measures of risk reduction: Inclusion of „avoided costs“ (= costs which are not generated in case of disasters, thanks to risk reduction measures) nach Alberto Aquino, Verena Bruer und Julio García (2010) von Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge und Beurteilung des Nutzens der Maßnahmen. Die Risikoanalyse ist unverzichtbar, um zu ermitteln, welche und in welcher Höhe Schäden und Verluste durch Naturkatastrophen verursacht werden können. Es werden ferner die relevanten Stakeholder und deren Vulnerabilität bestimmt sowie die Vulnerabilitätsfaktoren des Investitionsvorhabens ermittelt. Auf Grundlage dieser Informationen kann abgeschätzt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit durch Naturkatastrophen verursachte Schäden und Verluste unterschiedlichen Schweregrads zu Lasten des Investitionsvorhabens auftreten können. Nach der Risikoanalyse ist nach geeigneten Risikominderungsmaßnahmen zu suchen. Mögliche Maßnahmen zur Risikominderung sind beispielsweise eine Veränderung des Projektstandorts, der infrastrukturellen Besonderheiten, des Zeitplans für die Projektumsetzung sowie der für den Betrieb vorgesehen Technik. Im letzten Schritt wird der Nutzen der vorgesehenen Risikominderungsmaßnahmen bewertet. Zu diesem Zweck werden die Kosten und Vorteile der Maßnahmen einander gegenübergestellt. Jede Option wird anhand einer Kosten-Nutzenbzw. anhand einer Kostenwirksamkeitsanalyse beurteilt, um herauszufinden, welche Maßnahmen den größten Nutzen bringen bzw. mit den geringsten Kosten verbunden sind. Bei der Beurteilung privatwirtschaftlicher Investitionen gilt der Kapitalwert als Hauptkriterium für die KostenNutzen-Analyse. Die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt einer Naturkatastrophe wurde bisher nicht berücksichtigt. Eine soziale Bewertung dagegen berücksichtigt auch Überlegungen in Bezug auf die Katastrophenvorsorge. Das peruanische Wirtschafts- und Finanzministerium hat seit 2004 Erfahrung mit der Berücksichtigung von Kriterien der Katastrophenvorsorge im öffentlichen Investitionssystem des Landes (Sistema Nacional de Inversión Pública – SNIP) sammeln können. Für jedes öffentliche Investitionsvorhaben ist in der Planungsphase eine Risikoanalyse vorgeschrieben. Im November 2011 wurde unter Rückgriff auf die bei der Katastrophenvorsorge gesammelten Erfahrungen ein ähnliches Verfahren auf den Weg gebracht, um künftig auch Überlegungen im Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel in öffentliche Investitionsentscheidungen einfließen zu lassen. Precondition: Existence of a SNIP Raising awareness of stakeholders Ministries: Economy and Finance, Environment, Agricultre; regional goverments; international cooperation Building a national consensus Preparing conceptual and methodological tools Initially, their consideration in the Formulation and evaluation of new public investment projects is on a voluntary basis Dissemination and capacity building Capacity building courses with technical staff at national and regional level Formalizing regulations and methodologies Improved versions are formalized and made obligatory Monitoring, evaluation and feedback Regular monitoring and adjustments to changed circumstances nach Alberto Aquino, Verena Bruer und Julio García (2010) Kontakt: [email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected] K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L 4.7 Studie zu Mikroversicherung für wetterbedingte Gefahren in der Karibik 5 Die Länder in der Karibik sind von einer Reihe zunehmend auftretender wetterbedingter Gefahren wie Trockenperioden, Überschwemmungen und Hurrikane betroffen. Für Belize, Grenada, Jamaika und St. Lucia zeigen die Daten des Zentrums zur Erforschung der Epidemiologie von Katastrophen (CRED) der Weltgesundheitsorganisa‑ tion, dass in den letzten 30 Jahren 1,5 Millionen Menschen unmittelbar von Schäden durch Überschwemmungen und tropische Stürme betroffen waren, deren Gesamtkosten sich auf über 5 Milliarden US-Dollar beliefen. Die Kosten des Klimawandels für die Karibik bis 2050 werden auf fast 6 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt (Bueno et al., 2008). Rasmussen (2004) schätzt, dass die Schäden durch Hurrikane, die etwa alle 2,5 Jahre auftreten, ca. 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des betroffenen Landes ausmachen. Für die Untersuchung über Menschen mit niedrigem Einkommen in den Sektoren Landwirtschaft und Tourismus in Belize, Grenada, Jamaika und St. Lucia wurde eine Stichprobe von 275 Personen je Land (Gesamtstichprobengröße 1.100) untersucht. Der durchschnittliche Haushalt erwirtschaftete ein Einkommen, das nur um 13 Prozent über der Armutsgrenze liegt und somit als vulnerabel gilt. Insgesamt antworteten 49 Prozent der Befragten, dass sie stark oder sehr stark von der Landwirtschaft abhängig seien, 41 Prozent sagten aus, dass sie stark oder sehr stark vom Tourismus in ihrem Land abhängig seien und bei 14 Prozent bestand eine große Abhängigkeit von beiden Sektoren. Fast 70 Prozent der Befragten übten in der einen oder anderen Form eine selbständige Tätigkeit aus, wobei, als Indiz der Höhe der Informalität, 61 Prozent der Unternehmen nicht registriert waren. Menschen mit niedrigem Einkommen sind mit großen Wetterrisiken konfrontiert: 42 Prozent der in der Untersuchung Befragten haben seit dem Jahr 2000 Verluste auf Grund extremer Wetterereignisse erlitten, einige sogar 5 mehrfach. Darüber hinaus wurden die Häuser von 26 Prozent der Befragten schon durch Überschwemmungen oder starken Wind beschädigt und 38 Prozent haben dadurch Kunden oder Beschäftigung verloren. Der Hauptbewältigungsmechanismus der Befragten nach einer Katastrophe ist die Verwendung von Ersparnissen (36 Prozent), gefolgt von Geldleihen (12 Prozent) und staatlicher Unterstützung (9 Prozent). Am problematischsten bei diesen Ergebnissen sind die Antworten: „keine Reparatur oder Ersatz“, „nicht wissen was tun“ oder „abwarten“. Die Anzahl dieser Antworten (ca. 25 Prozent) zeigt eine implizite Nachfrage für Versicherungsleistungen. Die heutigen Bewältigungsstrategien haben langfristig den Effekt, dass die finanziellen Reserven aufgebraucht werden, sich die Verschuldung erhöht und das Familienleben beeinträchtigt wird. Staatliche Unterstützung verschärft bei den Betroffenen eine Kultur der Abhängigkeit. Die Befragten wurden zudem gebeten, das Risiko einzuschätzen, dass sie von bestimmten Szenarien betroffen sein könnten. Das augenfälligste Risiko war der Verlust von Kunden oder der Beschäftigung, das von 33 Prozent als hoch und von 30 Prozent der Befragten als sehr hoch eingeschätzt wurde. Eine weitere Problematik war, dass 28 Prozent das Risiko, dass ihre Häuser durch starken Wind beschädigt werden könnten als moderat bis sehr hoch einschätzten. Diese Ergebnisse zeigen, dass in der Region ein impliziter Bedarf an Mikroversicherungen für wetterbedingte Risiken besteht. Nachfrage nach Mikroversicherungen für wetterbedingte Risiken in der Karibik (in Prozent) Nachfrage Grenada St. Lucia Jamaika Belize Durchschnitt Keine 16,2 16,3 27,318,5 19,6 Sehr niedrige 11,0 8,8 12,912,4 11,3 Niedrige 15,8 15,0 8,311,2 12,6 Moderate 38,6 31,3 22,340,6 33,2 Hohe 14,3 24,6 16,314,9 17,4 Sehr hohe 4,0 4,2 12,9 2,4 6,0 Quelle: Munich Climate Insurance Initiative (MCII) und GIZ, 2011 Die Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) von der GIZ in Zusammenarbeit mit der United Nations Universität Bonn und der Munich Climate Insurance Initiative (MCII) durchgeführt. Eines ihrer Hauptmerkmale ist die Beteiligung des MCII, der Carribean Catastrophe Insurance Facility (CCRIF), MicroEnsure und Munich Re – Organisationen mit ausgezeichneten Erfahrungen in den Bereichen Anpassung an den Klimawandel, Risikomanagement, Mikroversicherungen und Rückversicherung. 19 20 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E und A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Die Studie zeigt, dass ein hohes Maß an impliziter Nachfrage und eine moderate explizite Nachfrage nach Mikroversicherungen für wetterbedingte Risiken bestehen. Insgesamt sagten 23 Prozent der Befragten, dass ein hoher bzw. sehr hoher Bedarf für das Produkt bestehe, während 33 Prozent einen moderaten Bedarf nannten. Die Ergebnisse der Studie dienen inzwischen als Grund‑ lage für die Einführung von zwei Versicherungspolicen für Menschen mit niedrigem Einkommen, die von einer Partnerschaft zwischen Munich Climate Insurance Initia‑ tive (MCII), Carribean Catastrophe Risk Insurance Facility (CCRIF), MicroEnsure und MunichRe in Kooperation mit den Regierungen von Jamaika, Belize, St. Lucia und Grenada aufgelegt werden. Bei der Gestaltung des Produkts müssen einige Aspekte berücksichtigt werden: Einfachheit für die Kunden, schnelle und problemlose Abwicklung der Versicherungsfälle, Produkte, die dem Bedarf einer breiten Gruppe von Menschen mit niedrigem Einkommen entsprechen sowie Frühwarnsysteme und Informationen, um einen Anreiz zu setzen, Verluste und Schäden gering zu halten. Kontakt: [email protected]; [email protected] K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E und A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Quellenverzeichnis Aquino, A.; Bruer. V.; García, J., 2010: Inversión Pública para la Reducción del Riesgo de Desastres: una propuesta conceptual y metodológica. Caracas. BMZ, 2010: Informationsbroschüre 3/2010. Katastrophenvorsorge, Beiträge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Bonn und Berlin. Bueno et al., 2008: The Caribbean and Climate Change: the costs of inaction. Stockholm. Chambers, Robert, 1989: Vulnerability: How the Poor Cope. IDS Bulletin Volume 20 Nr 2. Institute of Development Studies.Sussex. CEPAL, 2010: La Economia del Cambio Climatico en Centroamerica, Síntesis 2010. Naciones Unidas. CEPAL, 2010a: Economics of Climate Change in Latin America and the Caribbean, Summary 2010. United Nations. 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IPCC, 2011: Climate Change 2001: Synthesis Report, Annex B. Glossary of terms. http://www.ipcc.ch/ipccreports/tar/vol4/index.php?idp=204 IPCC, 2007: Fourth Assessment Report: Climate Change 2007. Synthesis Report. WMO/UNEP. IPCC, 2012: Summary for Policymakers. In: Managing the Risks of Extreme Events and Disasters to Advance Climate Change Adaptation. A Special Report of Working Groups I and II of the IPCC. Cambridge (UK) and New York (USA). McSweeney, C. et al, 2009: UNDP Climate Change Country Profiles: Ethiopia http://www.geog.ox.ac.uk/research/climate/projects/undp-cp/index.html?country=Ethiopia&d1=Reports Munich Climate Insurance Initiative (MCII), Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), 2011: Demand for Weather-Related Insurance and Risk Management Approaches in the Carribean. UN University Bonn. Munich Re (Münchener Rückversicherungsgesellschaft) 2012: Natural catastrophes worldwide 1980-2011. Geo Risks Research, NatCatServices. München. 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Climate Risk and Adaptation Country Profile. http://go.worldbank.org/BD449R1HY0 21 22 K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Abkürzungsverzeichnis BMZ CCRIF CEPAL CSIRO DFID GIZ INGC IPCC MCII UNISDR Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Caribbean Catastrophe Risk Insurance Facility Comisíon Económica para América Latina y el Caribe Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation Department for International Development (UK) Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH Instituto de Gestão de Calamidades (National Disasters Management Institute, Mozambik) International Panel on Climate Change Munich Climate Insurance Initiative United Nations International Strategy on Disaster Reduction K AT A S T R O P H E N VO R S O R G E u n d A N PA S S U N G A N D E N K L I M AWA N D E L Impressum Herausgeber Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Sektorvorhaben „Katastrophenvorsorge in der Entwicklungszusammenarbeit“ Sitz der Gesellschaft Bonn Friedrich-Ebert-Allee 40 53113 Bonn Tel.: +49 (0) 228 44 60 - 0 Fax: +49 (0) 228 44 60 - 17 66 Eschborn Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5 65760 Eschborn Tel.: +49 (0) 61 96 79 - 0 Fax: +49 (0) 61 96 79 - 11 15 [email protected]@giz.de www.giz.dewww.giz.de/disaster-reduction Autor/innen Wolfgang Lutz Michael Siebert Eva Wuttge Gestaltung Eva Hofmann, W4 Büro für Gestaltung, Frankfurt am Main Druck Top Kopie GmbH, Frankfurt am Main Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier Bildnachweis Titelseite: UN Photo/UNICEF/Marco Dormino Seite 9: UNISDR Photo Gallery Seite 11: PRO-GRC/GIZ Seite 13: Welthungerhilfe Seite 14: DRK Seite 15: GIZ Seite 17: Ethiopian Ministry of Urban Development and Construction Die GIZ ist für den Inhalt der vorliegenden Publikation verantwortlich. Stand Oktober 2012 Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; Referat „Entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfe, WEP, Krisenstab“ Postanschriften der Dienstsitze BMZ Bonn Dahlmannstraße 4 53113 Bonn Tel.: +49 (0) 228 99 535 - 0 Fax: +49 (0) 228 99 535 - 3500 BMZ Berlin | im Europahaus Stresemannstraße 94 10963 Berlin Tel.: +49 (0) 30 18 535 - 0 Fax: +49 (0) 30 18 535 - 2501 [email protected] | www.bmz.de 23