4 VOL/A 2009 Rahmenvereinbarungen
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4 VOL/A 2009 Rahmenvereinbarungen
§ 4 VOL/A 2009 §4 jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss VOL/A 2009 Rahmenvereinbarungen (Fassung vom 20.11.2009, gültig ab 11.06.2010) (1) Rahmenvereinbarungen sind Aufträge, die ein oder mehrere Auftraggeber an ein oder mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bedingungen für Einzelaufträge, die während eines bestimmten Zeitraumes vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere über den in Aussicht genommenen Preis. Das in Aussicht genommene Auftragsvolumen ist so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben, braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden. Die Auftraggeber dürfen für dieselbe Leistung nicht mehrere Rahmenvereinbarungen abschließen. Die Laufzeit darf vier Jahre nicht überschreiten, es sei denn der Auftragsgegenstand oder andere besondere Umstände rechtfertigen eine Ausnahme. (2) Die Erteilung von Einzelaufträgen ist nur zulässig zwischen den Auftraggebern, die ihren voraussichtlichen Bedarf für das Vergabeverfahren gemeldet haben und den Unternehmen, mit denen Rahmenvereinbarungen abgeschlossen wurden. Dokument wurde zuletzt aktualisiert am: 26.03.2012 Gliederung A. Allgemeines Rn. 1 B. Begriff und Mindestinhalt der Rahmenvereinbarung (Absatz 1 Sätze 1 und 2) Rn. 6 I. Mindestinhalt Rn. 6 II. Angaben zum Preis Rn. 12 III. Mehrzahl von Unternehmen Rn. 17 C. Verbot des Abschlusses mehrerer Rahmenvereinbarungen (Absatz 1 Satz 3) Rn. 24 D. Maximale Vertragslaufzeit (Absatz 1 Satz 4) Rn. 27 E. Mehrzahl von Auftraggebern (Absatz 2) Rn. 31 F. Abnahmeverpflichtung des Auftraggebers Rn. 34 G. Ausblick Rn. 38 A. Allgemeines 1 Rahmenvereinbarungen sind bei vielfach wiederkehrenden gleichartigen Beschaffungen zu empfehlen. Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der tatsächliche Bedarf (Auftragsvolumen und Zeitpunkt) noch nicht konkret bekannt ist, sich aber die Größenordnung (maximaler oder minimaler Umfang der Leistung, Anfang und Ende des Leistungszeitraums) eingrenzen lässt. 2 Die Rahmenvereinbarung gemäß § 4 VOL/A ist keine eigenständige Vergabeverfahrensart, wie etwa die öffentliche Ausschreibung bzw. das offene Verfahren. Vielmehr handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren: • Auf der ersten Stufe wird die Rahmenvereinbarung durch eine der üblichen Verfahrensarten (i.d.R. durch öffentliche Ausschreibung) vergeben. © 2011 juris GmbH 1 www.juris.de § 4 VOL/A 2009 • jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss Auf der zweiten Stufe werden die Einzelbeschaffungen vorgenommen, wobei die Rahmenvereinbarung als Grundlage dient. 3 Im Jahr 2009 wurde mit § 4 VOL/A erstmals auch für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte eine Regelung für Rahmenvereinbarungen geschaffen. Es verwundert, dass diese Regelung erst so spät geschaffen wurde. In der Beschaffungspraxis spielen Rahmenvereinbarungen nämlich eine herausragende Rolle, insbesondere für sich ständig wiederholende Beschaffungsvorgänge, was die folgenden Beispiele zeigen: • Rahmenvereinbarungen über die Beschaffung von Softwarelizenzen (z.B. Microsoft-SelectVerträge), • Rahmenvereinbarungen über Wartung von Fahrzeugen, Kopierern oder EDV-Anlagen, • Rahmenvereinbarungen über die Belieferung mit Ausstattung, Verbrauchsmaterialien und Zubehör (z.B. Auftausalz, Papier, Toner, Uniformteile, Munition, Medikamente, Treibstoffe), • Rahmenvereinbarungen über Beförderungsleistungen (z.B. Brief- und Paketbeförderung), • Rabattverträge über die Beschaffung von Arzneimitteln nach § 130a Abs. 8 SGB V. 4 Parallelnorm oberhalb der Schwellenwerte ist § 4 EG VOL/A. Im Sektorenbereich gilt § 9 SektVO. 5 In der VOB/A gibt es (noch) keine entsprechende Regelung. Dort können jedoch die Definition, Mindestvorgaben und Verfahrensregelungen aus § 4 VOL/A, § 4 EG VOL/A und § 9 SektVO als allgemeine Grundsätze entsprechend herangezogen werden. © 2011 juris GmbH 2 www.juris.de § 4 VOL/A 2009 jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss B. Begriff und Mindestinhalt der Rahmenvereinbarung (Absatz 1 Sätze 1 und 2) I. Mindestinhalt 6 § 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A enthält die Legaldefinition der Rahmenvereinbarung. Die Rahmenvereinbarung ist ein Vertrag zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer (bzw. den Auftraggebern und den Auftragnehmern) darüber, innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein soweit wie möglich konkretisiertes Auftragsvolumen einer konkret beschriebenen Leistung abzunehmen. 7 Zwar brauchen bei der Rahmenvereinbarung das Auftragsvolumen, der Leistungszeitpunkt und der konkrete Leistungsort nicht schon abschließend in den Vergabeunterlagen festgelegt zu werden. Jedoch gilt auch für Rahmenvereinbarungen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (§ 7 Abs. 1 VOL/A). Daher darf der Auftraggeber die Rahmenvereinbarung nicht als Vorwand dazu missbrauchen, das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung zu verletzen. Es müssen daher auch bei der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung alle maßgeblichen Umstände angegeben werden. Dies bringt – bezogen auf das Auftragsvolumen – § 4 Abs. 1 Satz 2 VOL/A deutlich zum Ausdruck: „Das in Aussicht genommene Auftragsvolumen ist so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben, braucht aber nicht ab1 schließend festgelegt zu werden.“ 8 Was heißt „so genau wie möglich“? Dies hängt von dem konkreten Beschaffungsvorhaben ab. Immer müssen möglichst genaue Angaben gemacht werden. In der Regel müssen z.B. Mindestabnahmemenge und maximale Abnahmemenge festgelegt werden. Wenn jedoch das Auftragsvolumen nicht näher zu definieren ist, weil der Bedarf von externen Faktoren abhängt, auf die der Auftraggeber keinen Einfluss hat, reicht es auch, bisherige Erfahrungswerte aus einem Referenzzeitraum zugänglich zu machen. Dabei müssen den Bietern möglichst präzise Daten aus der Vergangenheit an die Hand gegeben werden, damit die Bieter selbst den Umfang der in der Zukunft erfolgenden Einzelaufträge hinreichend sicher prognostizieren können. 9 Dazu einige Beispiele: • So brauchen bei einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Auftausalz (Natriumchlorid) nicht die Mindest- und Maximalabnahmemengen angegeben zu werden. Wie viel Auftausalz konkret notwendig ist hängt im Wesentlichen von der Witterung, also einem externen Faktor ab, auf den der Auftraggeber keinen Einfluss hat. Daher reicht es in diesem Fall, wenn den Bietern die Erfahrungswerte der vergangenen Jahre zugänglich gemacht werden. • 2 Auch bei einem Arzneimittelrabattvertrag brauchen nicht die Mindest- und Maximalabnahmemengen angegeben zu werden. Der Beschaffungsbedarf hängt von externen Faktoren ab, auf die der Auftraggeber keinen Einfluss hat, wie etwa Grippewellen. Daher ist es auch in diesem Fall ausreichend, den Bietern die Verbrauchswerte der vergangenen Jahre (z.B. der letzten drei Grippesaisons) zugänglich zu machen. 3 1 Hervorhebung durch den Verfasser. 2 Vgl. VK Thüringen v. 10.06.2011 - 250-4003.20-2151/2011-E-003-EF - Auftausalz. 3 LSG Nordrhein-Westfalen v. 12.02.2010 - L 21 SF 38/10 Verg - Arzneimittelrabattvertrag Grippemittel. © 2011 juris GmbH 3 www.juris.de § 4 VOL/A 2009 jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss 10 Entsprechend der vorstehenden Maßstäbe muss die Rahmenvereinbarung insbesondere folgende Angaben enthalten: im Vergabeverfahren und im Vertrag Beispiel Leistungsgegenstand (möglichst eindeutig und erschöpfend „Lieferung und Montage von …“ zu beschreiben, vgl. § 7 Abs. 1 VOL/A). Nur bei Auftragsvolumen, Leistungszeitpunkt sowie konkretem Leistungsort ist eine abschließende Festlegung noch nicht notwendig). Menge bzw. Auftragsvolumen (möglichst genaue Angaben, „... mindestens 300, maximal 600 z.B. Mindestabnahmemenge, maximale Abnahmemenge; aus- Stk. …“ nahmsweise reichen auch Erfahrungswerte). Auftragsvolumen braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 VOL/A). Leistungsort (möglichst eindeutig und erschöpfend zu be- „… im Landkreis L…, in den Ge- schreiben, vgl. § 7 Abs. 1 VOL/A; braucht wegen der Besonder- meinden A…, B…, …“ heiten der Rahmenvereinbarung aber noch nicht abschließend bestimmt zu werden). Vertragslaufzeit/Leistungszeitpunkt (möglichst eindeutig und „… im Zeitraum vom 01.01.2013 erschöpfend zu beschreiben, vgl. § 7 Abs. 1 VOL/A; wegen der bis 31.12.2015 …“ Besonderheiten des Rahmenvertrages reichen aber Angaben zum Anfang und Ende der Vertragslaufzeit aus). Die Laufzeit darf in der Regel vier Jahre nicht überschreiten (§ 4 Abs. 1 Satz 4 VOL/A). alle Auftraggeber (vgl. hierzu Rn. 31). „… für das Land …, den Landkreis … und die Gemeinden A…, B…, …“ Wenn beabsichtigt ist, die Rahmenvereinbarung mit mehreren „Es ist beabsichtigt die RahmenUnternehmen abzuschließen, muss die Anzahl der Unter- vereinbarung mit drei Unter- nehmen angegeben werden, mit denen der Abschluss der nehmen abzuschließen.“ Rahmenvereinbarung geplant ist. Angaben zum Preis, also z.B. Abrechnung nach Stunden, Ab- „… bei Abnahme von bis zu 150 rechnung nach Stück. Hier ist auch der Platz, um Staffelpreise Stk. soll der im Folgenden einzuabzufragen und damit ungewöhnlichen Wagnissen vorzubeugen tragende Preis gelten [Feld zum (vgl. hierzu Rn. 12). Eintragen des Preises], Bei Abnahme von mehr als 150 Stk. soll …“ 11 Nach den Maßstäben des Vertragsrechts enthält eine Rahmenvereinbarung noch nicht alle wesentlichen Bestandteile (essentialia negotii). Bevor aufgrund einer Rahmenvereinbarung ein wirksamer Vertrag zustande kommt, bedarf dieser jeweils einer Konkretisierung. Diese Konkretisierung erfolgt im Rahmen der konkreten Einzelbeschaffung aufgrund des Rahmenvertrages, entweder im Rahmen des Wettbewerbs (bei mit mehreren Bieten abgeschlossener Rahmenvereinbarung) oder im Rahmen der Beauftragung (wenn die Rahmenvereinbarung mit nur einem Bieter abgeschlossen wurde). © 2011 juris GmbH 4 www.juris.de § 4 VOL/A 2009 jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss II. Angaben zum Preis 12 Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SektVO werden in einer Rahmenvereinbarung die „Bedingungen für Einzelaufträge …, insbesondere über den in Aussicht genommenen Preis“ festgelegt. Mit dieser schwer verständlichen Formulierung soll klargestellt werden, dass nicht immer der Preis bereits in der Rahmenvereinbarung festgelegt werden kann. In bestimmten Fällen genügt es, wenn die Berechnungsmethode (z.B. Abrechnung nach Stunden, Abrechnung nach Stück) bestimmt wird. Der Preis für die späteren Einzelaufträge braucht dann noch nicht abschließend angegeben werden. 13 Insbesondere wenn eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen abgeschlossen wird, wäre eine abschließende Abfrage des Preises zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rahmenvereinbarung in einigen Fällen auch nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Die Entscheidung, welches Unternehmen den konkreten Einzelauftrag erhält, kann nämlich erst nach einem Preiswettbewerb betreffend den konkreten Einzelauftrag getroffen werden. 14 Auch wenn Staffelpreise abgefragt werden, ist eine abschließende Klärung des Preises eines konkreten Einzelauftrags zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrages nicht möglich. Der Preis des konkreten Einzelauftrags wird schließlich erst anhand der nachgefragten Mengen und der vereinbarten Staffelpreise ermittelt. 15 Praxistipp: Rahmenvereinbarungen werden insbesondere dort geschlossen, wo sich nur minimales und maximales Auftragsvolumen vorhersagen lassen. Vor diesem Hintergrund kann es empfehlenswert sein mit dem Angebotsvordruck Staffelpreise abzufragen. Dies erschließt dem Auftraggeber die Chance bei höherer Nachfrage günstigere Einzelpreise zu erzielen, weil der Auftragnehmer konkreter kalkulieren kann (Beispiel: Der Stückpreis bei 400 PC wird in der Regel günstiger ausfallen, als der Stückpreis beim Bezug von 200 PC). 16 Staffelpreise können insbesondere auch dort geboten sein, wo Rahmenvereinbarungen mit mehreren Unternehmen geschlossen werden. Schließlich muss jedes beteiligte Unternehmen das Risiko tragen, dass die konkreten Einzelaufträge an die anderen Unternehmen erteilt werden und sogar – „worst case“ – die Gefahr besteht selbst gar keinen Auftrag zu erhalten. Die mit diesem Risiko verbundenen Kalkulationsschwierigkeiten können durch die Abfrage von Staffelpreisen 4 zumindest gemindert werden. III. Mehrzahl von Unternehmen 17 Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A darf der Rahmenvertrag ausdrücklich mit mehreren Unternehmen geschlossen werden. Es ist also nicht erforderlich, sich mit einem Rahmenvertrag exklusiv an nur ein Unternehmen zu binden. Es ist vielmehr zulässig, über eine Leistung auch Rahmenvereinbarungen mit einer Mehrzahl verschiedener Unternehmen zu schließen. 18 Ein Beispiel für derartige Rahmenvereinbarungen mit mehreren Auftragnehmern bieten die Rabattverträge für generische Arzneimittel. Bei diesen nicht mehr patengeschützten Arzneimitteln stehen den Krankenkassen mehrere Anbieter zur Verfügung. Um die Versorgungssicherheit zu erhöhen und gleichzeitig die ärztliche Therapiefreiheit zu gewährleisten, werden dabei Rabattver5 träge mit mindestens drei Auftragnehmern abgeschlossen. 4 VK Bund v. 24.06.2011 - 2 - 58/11 - Arzneimittelrabattverträge. 5 VK Bund v. 24.06.2011 - 2 - 58/11 - Arzneimittelrabattverträge. © 2011 juris GmbH 5 www.juris.de § 4 VOL/A 2009 jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss 19 Entsprechend dem auch unterhalb der Schwellenwerte geltenden Wettbewerbsprinzip (vgl. § 2 Abs. 1 VOL/A) müssen die konkreten Einzelleistungen dann jeweils im Wettbewerb vergeben werden. In der Regel wird hier ein Preiswettbewerb ausreichen. Schließlich müssten die anderen Modalitäten (bis auf ggf. konkreten Leistungszeitpunkt und Leistungsort) bereits durch die Rahmenvereinbarung festgeschrieben sein. 20 Praxistipp: Für den Wettbewerb um den konkreten Einzelauftrag ist kein förmliches Verfahren geregelt – und es ist auch keines erforderlich. Daher reicht in der Regel meist auch eine einfache Preisabfrage aus. Auch die Ergebnisse eines derartigen nicht förmlichen Wettbewerbs sollten aber zumindest dokumentiert werden. 21 Legt man die vorstehenden Maßstäbe zugrunde, erweist sich die gegenwärtige Praxis der Krankenkassen beim Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen betreffend generischer Arzneimittel als problematisch: Nach dem sog. Mehr- oder Drei-Partner-Modell schließen die Krankenkassen Rahmenvereinbarungen mit den drei bestplatzierten Anbietern des jeweiligen Produktes ab. D.h., es wird die Rahmenvereinbarung nicht nur mit dem günstigsten, sondern auch mit beiden nächst platzierten Unternehmen geschlossen. Welches Arzneimittel im konkreten Einzelfall an den Patienten herausgegeben wird, entscheiden Arzt und Apotheker, ohne dass dabei nochmals ein Preiswettbewerb stattfindet. D.h., dass es keinesfalls gesichert ist, dass die Arzneimittel bei dem günstigsten Anbieter abgenommen werden. Das LSG Nordrhein-Westfalen sah dies im Jahr 2009 6 vergaberechtlich als nicht problematisch. Seit dem 01.01.2011 sind aber die Landesozialgerichte nicht mehr zuständig (zum Zuständigkeitswechsel vgl. die Einleitung VergR Rn. 37.1). VK Bund tendiert jedoch in einem Beschluss aus dem Sommer 2011 dazu, dies als vergaberechtlich unzu7 lässig einzuordnen. Doch dieser Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Klarheit wird daher erst eine Entscheidung des OLG Düsseldorf bringen. Im Rahmen der Kommentierung zu § 4 EG VOL/A wird ein Vorschlag für eine vergaberechtlich rechtssichere Lösung unterbreitet, die zugleich die ärztliche Therapiefreiheit gewährleistet (vgl. die Kommentierung zu § 4 EG VOL/A 2009 Rn. 28). 22 Nicht zulässig ist es, die Rahmenvereinbarung mit allen in Betracht kommenden potentiellen 8 Auftragnehmern abzuschließen. 23 Praxistipp: Der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen hat Auswirkungen für die Abnahmeverpflichtung (vgl. hierzu Rn. 36). Dem Vorwurf, den Unternehmen ein ungewöhnliches kalkulatorisches Risiko aufzuerlegen, weil die Abnahme in einem Mehr-Partner-Modell nicht gesichert ist, kann durch die Abfrage von Staffelpreisen vorgebeugt werden. 9 C. Verbot des Abschlusses mehrerer Rahmenvereinbarungen (Absatz 1 Satz 3) 24 Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VOL/A dürfen nicht mehrere Rahmenverträge über die gleiche Leistung geschlossen werden. Eine derartige Konstellation zeigt das folgende Beispiel: Eine Gemeinde will insgesamt 50 PCs beschaffen. Sie schließt dazu jeweils einen Rahmenvertrag „über bis zu 50 PC“ mit den beiden örtlichen EDV-Systemhäusern. 6 LSG Nordrhein-Westfalen v. 03.09.2009 - L 21 KR 51/09 SFB - Arzneimittelrabattverträge. 7 VK Bund v. 24.06.2011 - VK 2 - 58/11 - Arzneimittelrabattverträge. 8 VK Bund v. 06.07.2011 - VK 3 - 80/11 - Arzneimittelrabattverträge mit allen Herstellern. 9 VK Bund v. 24.06.2011 - VK 2 - 58/11 - Arzneimittelrabattverträge. © 2011 juris GmbH 6 www.juris.de § 4 VOL/A 2009 jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss 25 Bei § 4 Abs. 1 Satz 3 VOL/A handelt es sich um eine besondere Ausgestaltung des Transparenzprinzips und des Verbots, den Bietern ungewöhnliche Wagnisse aufzuerlegen, deren Auswirkungen sie nicht für ihre Kalkulation einschätzen können. Würde nämlich der Auftraggeber betreffend die gleiche Leistung mehrere Rahmenverträge abschließen, würde der Auftraggeber zumindest gegenüber einem Unternehmen seine Abnahmeverpflichtung verletzen (vgl. hierzu Rn. 34). Im Beispiel der beiden EDV-Systemhäuser hat nämlich jedes einen Anspruch darauf, dass „bis zu 50 PC“ bei ihm erworben werden. Eine Beschaffung einer Teilmenge der 50 PCs bei einem der beiden Unternehmen würde zugleich die Abnahmeverpflichtung zugunsten des anderen Unternehmens verletzen. 10 26 Praxistipp: Freilich kann es – z.B. wegen der Versorgungssicherheit – geboten sein, mehrere Vertragspartner zur Verfügung zu haben. In diesem Fall dürfen aber nicht mehrere Rahmenverträge abgeschlossen werden, sondern es ist zulässig, einen Rahmenvertrag mit mehreren Auftragnehmern abzuschließen (vgl. hierzu Rn. 31). D. Maximale Vertragslaufzeit (Absatz 1 Satz 4) 27 In Rahmenvereinbarungen dürfen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 VOL/A in der Regel keine Laufzeiten von über 4 Jahren vereinbart werden. 28 Längere Vertragslaufzeiten dürfen nur in seltenen Ausnahmefällen vereinbart werden, wenn dies durch den „Auftragsgegenstand oder besondere Umstände“ gerechtfertigt ist. Denkbar kann dies sein, wenn für die Vertragsdurchführung zwingend erhebliche Investitionen erforderlich sind, deren Amortisation innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren nicht erwartet werden kann. Gerade im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 4 VOL/A – unterhalb der Schwellenwerte – sind solche investitionsintensiven Aufträge kaum zu erwarten. 29 Praxistipp: Insbesondere bei Vertragslaufzeiten von über zwei Jahren kann die Notwendigkeit einer Preisanpassung auftreten. Wenn Vertragslaufzeiten über zwei Jahre nicht zu vermeiden sind, sollte daher eine Preisgleitklausel vereinbart werden (vgl. die Kommentierung zu § 9 VOB/A 2009 Rn. 156 ff. und die Kommentierung zu § 4 VOB/A 2009 Rn. 53). 30 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es auch spezialgesetzliche Vorschriften zu den zulässigen Vertragslaufzeiten gibt. Ein Beispiel bieten die Arzneimittelrabattverträge, für die eine Vertragslaufzeit von zwei Jahren festgeschrieben wird (§ 130a Abs. 8 Satz 6 SGB V). E. Mehrzahl von Auftraggebern (Absatz 2) 31 Bereits § 4 Abs. 1 Satz 1 VOL/A stellt ausdrücklich klar, dass die Rahmenvereinbarung auch von mehreren Auftraggebern mit mehreren Unternehmen abgeschlossen werden kann. Daher sind auch gemeinschaftliche Beschaffungen durch eine Mehrzahl von Auftraggebern (z.B. zur Beschaffung von Softwarelizenzen: Microsoft Select Verträge auf Bundes- oder Landesebene; gemeinsame Beschaffung von Schutzwesten durch mehrere Polizeibehörden) aus vergaberechtlicher Sicht ausdrücklich zulässig. 10 LSG Nordrhein-Westfalen v. 03.09.2009 - L 21 KR 51/09 SFB - Arzneimittelrabattverträge; VK Bund v. 24.06.2011 - VK 2 - 58/11 Arzneimittelrabattverträge. © 2011 juris GmbH 7 www.juris.de § 4 VOL/A 2009 jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss 32 In § 4 Abs. 2 VOL/A wird festgeschrieben, dass die „Erteilung von Einzelaufträgen nur zulässig zwischen den Auftraggebern die ihren voraussichtlichen Bedarf für das Vergabeverfahren gemeldet haben und den Unternehmen, mit denen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen 11 wurde“. Praktisch bedeutet dies, dass jeder Auftraggeber hinreichend deutlich namentlich ge12 nannt werden muss. 33 Praxistipp: Jede gemeinschaftliche Beschaffung einer Mehrzahl von Auftraggebern ist eine Einkaufgemeinschaft. Dies gilt in besonderem Maß auch für gemeinsam abgeschlossene Rahmenvereinbarungen. Denn Rahmenvereinbarungen wohnt schon aufgrund der Bündelung einer Vielzahl von Einzelbeschaffungen über einen längeren Zeitraum eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung inne. Daher muss insbesondere beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen durch eine Mehrzahl von Auftraggebern das allgemeine Wettbewerbsrecht (insbesondere §§ 19, 20 GWB) beachten werden. Wenn die Einkaufsgemeinschaft aus öffentlichen Auftraggebern ein Nachfragekartell 13 bildet, kann sie gegen das Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen verstoßen. F. Abnahmeverpflichtung des Auftraggebers 34 Manche Auftraggeber gehen davon aus, dass es keine Abnahmeverpflichtung aufgrund eines Rahmenvertrages gäbe. In den Vergabeunterlagen finden sich dann Formulierungen wie „eine 14 Abnahmeverpflichtung besteht nicht“. Dies stimmt in dieser Allgemeinheit jedoch nicht. Ganz klar ist dabei die Rechtslage, wenn die Rahmenvereinbarung nur mit einem Unternehmen geschlossen wurde und eine Mindestabnahmemenge bestimmt wurde: Der Auftraggeber ist verpflichtet bis zum Ende der Vertragslaufzeit die Mindestabnahmemenge abzunehmen. Erfüllt der Auftraggeber diese Verpflichtung nicht, hat der Unternehmer einen Schadensersatzanspruch (§§ 280, 281 BGB). 35 Wenn ausnahmsweise keine Mindestabnahmemenge definiert wurde, weil der Bedarf durch externe Faktoren, z.B. Wetter oder Grippewellen, bestimmt wird, gibt es auch keine Abnahmever15 pflichtung. Allerdings ist der Auftraggeber verpflichtet, genaue Daten zu den Erfahrungswerten vergangener Referenzzeiträume herauszugeben, um den Bietern eine Prognose des Bedarfs zu ermöglichen (vgl. hierzu Rn. 8). 36 Komplizierter wird die Rechtslage, wenn die Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen abgeschlossen wird. Auch in diesem „multilateralen“ Vertragsverhältnis ist der Auftraggeber verpflichtet, bis zum Ende der Vertragslaufzeit in der Summe die Mindestabnahmemenge abzunehmen. Jedoch besteht gegenüber einem einzelnen Unternehmen keine Abnahmeverpflichtung. Es ist also theoretisch denkbar, dass bei einer Rahmenvereinbarung, die mit mehreren Unternehmen abgeschlossen wird, ein Unternehmen „leer“ ausgeht, also keinerlei Einzelauftrag erhält. Dieses Unternehmen hat grundsätzlich keine Ansprüche auf Abnahme oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung gegen den Auftraggeber. 11 Hervorhebung durch den Verfasser. 12 Zeiss, Sichere Vergabe unterhalb der Schwellenwerte, 2010, S. 116 f. 13 BGH v. 12.11.2002 - KZR11/01 - BGHZ 152, 347 - Feuerlöschzüge. 14 VK Thüringen v. 10.06.2011 - 250-4003.20-2151/2011-E-003-EF - Auftausalz. 15 VK Thüringen v. 10.06.2011 - 250-4003.20-2151/2011-E-003-EF - Auftausalz; LSG Nordrhein-Westfalen v. 12.02.2010 - L 21 SF 38/10 Verg - Arzneimittelrabattvertrag Grippemittel. © 2011 juris GmbH 8 www.juris.de § 4 VOL/A 2009 jurisPK-VergR 3. Aufl. / Zeiss 37 Notwendig ist aber, dass die Kriterien, nach denen ein Einzelauftrag vergeben wird, nichtdiskriminierend und transparent sind. Jedes Unternehmen muss wissen, warum es den konkreten Einzelauftrag nicht erhält. Diese notwendige Transparenz gewährleistet ein (nichtförmlicher) Wettbewerb um den Einzelauftrag (vgl. hierzu Rn. 21). Die Zuschlagskriterien betreffend den Einzelauftrag sollten schon im Rahmen der Ausschreibung der Rahmenvereinbarung bekannt gemacht werden. G. Ausblick 38 Die Regelungen für Rahmenvereinbarungen (§ 4 VOL/A, § 4 EG VOL/A, § 9 SektVO) sollten oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte in ihrem Wortlaut weiter angeglichen werden, weil es keine sachliche Begründung für die teilweise unterschiedlichen Formulierungen und die differenzierte Regelungstiefe gibt. © 2011 juris GmbH 9 www.juris.de