Magnetooptische und Transport

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Magnetooptische und Transport
Universität Würzburg
Fakultät für Physik und Astronomie
Lehrstuhl für Experimentelle Physik III
AG Optische Spektroskopie Prof. Dr. W. Ossau
Magnetooptische und Transport-Untersuchungen
an Spinfilterelementen auf Basis
semimagnetischer II-VI-Halbleiter
Diplomarbeit
Steffen Bieker
Würzburg, Dezember 2010
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1
1 Einleitung
3
2 Physikalische Grundlagen
2.1 Semimagnetische II-VI-Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Elektronische Eigenschaften von (Zn,Mn)Se . . . . . . .
2.1.2 Magnetische Eigenschaften von (Zn,Mn)Se . . . . . . .
2.2 Mikroskopische Theorie der dielektrischen Funktion . . . . . . .
2.3 Der magnetooptische Kerr-Effekt und Faraday-Effekt . . . . . .
2.4 Röntgenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Resonantes Tunneln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.1 Kohärentes Tunneln in Halbleiterstrukturen . . . . . . .
2.5.2 IV-Kurven von RTDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5.3 Sequentielles Tunneln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Spin-Injektion in Halbleitermaterialien . . . . . . . . . . . . . .
2.6.1 Ferromagnetische Kontakte und Conductivity-Mismatch
2.6.2 Magnetowiderstand eines DMS/NMS-Kontaktes . . . .
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
3.1 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Aufbau des Kerr-Experiments . . . . . . . . . . . .
3.3 Berechnung der erwarteten Signalfunktion . . . . .
3.4 Transportaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.5 Messungen mit zweifacher Modulation . . . . . . .
3.6 Zeitliche Stabilität der verwendeten Komponenten
3.7 Inbetriebnahme des Kerr-Aufbaus . . . . . . . . .
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5
5
5
6
9
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15
18
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21
22
23
23
24
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27
27
27
30
33
34
35
38
4 Kerr-Messungen
4.1 (Zn,Mn)Se-Schicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.1 Vergleich von Photolumineszenz- und Kerr-Messdaten
4.1.2 Simulation der Messdaten . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Einzelbarrieren-Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1 Probendesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.2 Messergebnisse und Abschätzung der Signalgröße . . .
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43
43
43
45
52
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5 Herstellung der Transmissionsprobe
55
5.1 Die Poliermaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
III
Inhaltsverzeichnis
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
5.7
Entwicklung des Schleifprozesses . . .
HRXRD-Messung 1 . . . . . . . . . .
Weiterentwicklung des Schleifprozesses
HRXRD-Messung 2 . . . . . . . . . .
Optimierung des Schleifprozesses . . .
Kontaktierungsroutine . . . . . . . . .
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6 Faraday- und Transportmessungen an Transmissionsproben
6.1 Transportmessungen an Transmissionsproben . . . . . . . . . .
6.1.1 Vergleich zwischen unbehandelter und abpolierter RTD
6.2 Erklärungsansätze für die Erhöhung des PVR . . . . . . . . . .
6.2.1 Formation von Quantenpunkten an Wachstumsgrenzen
6.2.2 Nullfeldaufspaltung in Quantenpunkt-RTDs . . . . . . .
6.2.3 Übertragung der Erkenntnisse auf Quantentrog-RTDs .
6.3 Faraday-Messung an abpolierter Einzelbarriere . . . . . . . . .
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56
59
62
67
68
68
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71
71
71
74
74
74
75
76
7 Zusammenfassung und Ausblick
79
Prozessparameter zur Herstellung der Transmissionsproben
83
Literaturverzeichnis
85
Danksagung
91
Erklärung
93
IV
Abkürzungsverzeichnis
2DEG . . . . . . . . . . . . .
CAIBE . . . . . . . . . . . .
DIC . . . . . . . . . . . . . . .
DMS . . . . . . . . . . . . . .
FWHM . . . . . . . . . . . .
GaAs . . . . . . . . . . . . . .
GMR . . . . . . . . . . . . . .
hh . . . . . . . . . . . . . . . . .
HMDS . . . . . . . . . . . . .
HRXRD . . . . . . . . . . .
lh . . . . . . . . . . . . . . . . . .
MBE . . . . . . . . . . . . . .
MOKE . . . . . . . . . . . .
NDR . . . . . . . . . . . . . .
NIC . . . . . . . . . . . . . . .
NMS . . . . . . . . . . . . . .
PEM . . . . . . . . . . . . . .
PL . . . . . . . . . . . . . . . .
PVR . . . . . . . . . . . . . .
RTD . . . . . . . . . . . . . . .
SO . . . . . . . . . . . . . . . .
ZnSe . . . . . . . . . . . . . .
twodimensional electron gas
chemically assisted ion beam etching
differential interference-contrast microscopy
diluted magnetic semiconductor
full width at half maximum
Galliumarsenid
giant magnetoresistance
heavy hole band
Hexamethyldisilazan
high resolution X-ray diffraction
light hole band
molecular beam epitaxy
magneto-optical Kerr effect
negative differential resistance
negative impedance converter
non-magnetic semiconductor
Photoelastischer Modulator
Photolumineszenz
peak-to-valley-ratio
resonant tunneling diode
split off band
Zinkselenid
1
1 Einleitung
In unserer modernen Welt spielt die effiziente Verarbeitung elektronischer Daten eine
herausragende Rolle. Während herkömmliche elektronische Bausteine zur Ausführung
von Rechenoperationen auf dem Transport elektrischer Ladungen in Halbleiterstrukturen basieren, werden zur Speicherung von Daten häufig die magnetischen Eigenschaften
von Festkörpern ausgenutzt. Durch fortschreitende Miniaturisierung kann seit Beginn
des digitalen Zeitalters eine immer kompaktere Bauweise integrierter Schaltkreise und
Speicherelemente erreicht werden, die bei gleichem Platzbedarf zunehmend mehr Rechenleistung und Speicherkapazität zur Verfügung stellen. Zeitgleich werden neuartige
innovative Konzepte erdacht, erforscht und auf ihre Eignung überprüft, langfristig eine
weitere Erhöhung von Rechenleistung und Speicherkapazität zu sichern. Ein Forschungsfeld, welches sich in diesem Zusammenhang in den 1990er Jahren entwickelt hat, ist die
Spintronik, deren konzeptionelle Grundidee im Folgenden kurz umrissen sei.
Neben seiner elektrischen Ladung weist das Elektron einen intrinsischen quantenmechanischen Freiheitsgrad auf, welcher sich bezüglich seiner Kommutatorrelationen formal
analog zu einem quantenmechanischen Drehimpuls verhält [Sak94] und als Spin bezeichnet wird. Der Spin-Operator eines Elektrons besitzt zwei Eigenzustände |± 12 i, für die
sich ferner die Nomenklatur Spin-up |↑i und Spin-down |↓i etabliert hat. Die Spintronik verfolgt das langfristige Ziel, den Spin-Freiheitsgrad des Elektrons für neuartige
elektronische Bauelemente auszunutzen, die möglicherweise in der Lage sind, bestimmte Operationen effizienter auszuführen. Während herkömmliche elektronische Bauteile auf eine binäre Logik mit nur zwei Schaltzuständen ( Strom an“, Strom aus“) zu”
”
rückgreifen, wäre im Falle dreier zugänglicher Zustände ( Spin-up Strom“, Spin-down
”
”
Strom“, kein Strom“) die Implementierung andersartiger Logik-Familien denkbar. Da
”
mit dem Spin des Elektrons ferner ein magnetisches Moment verknüpft ist, könnte in
Spintronik-Bauelementen auch eine Zusammenführung von elektrischer Datenverarbeitung und magnetischer Datenspeicherung möglich werden.
Um Spintronik-Bauelemente einer technologischen Nutzung zugänglich zu machen, müssen mindestens drei Bedingungen erfüllt sein. Erstens die kontrollierbare Erzeugung einer
Spin-Ungleichgewichtsverteilung, welche die Information trägt. Zweitens das Vorhandensein von Materialien, in denen sich diese Spin-Information ohne zu zerfallen über relevante Distanzen transportieren lässt (im Gegensatz zu elektrischer Ladung ist Spin“ keine
”
Erhaltungsgröße). Drittens ein Mechanismus für das Auslesen der Spin-Information. Umfassende Darstellungen mit zahlreichen Querverweisen zum Themenkomplex Spintronik
lassen sich in einschlägigen Übersichtsartikeln [Zut04], [Fab07] finden.
3
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Untersuchung eines neuartigen Konzeptes zur
elektrischen Injektion einer Spin-Ungleichgewichtsverteilung in einen nichtmagnetischen
Halbleiter. Der Spininjektor besteht aus einer semimagnetischen Heterostruktur, welche
für Elektronen im Leitungsband eine Tunnelbarriere darstellt. Abhängig vom angelegten
Magnetfeld entstehen für die beiden Spin-Spezies |↑i , |↓i unterschiedliche Transmissionswahrscheinlichkeiten durch die Barriere. Ein elektrischer Strom sollte demnach konzeptionell in der Lage sein, eine Spin-Information in den nichtmagnetischen Halbleiter
zu transportieren.
Während reine Transportmessungen lediglich in der Lage sind, über Vergleiche mit
Modellrechnungen indirekte Hinweise auf eine erfolgreiche Spininjektion zu liefern, lassen
sich mittels optischer Methoden prinzipiell direkte Nachweise führen. Eine Möglichkeit
besteht darin, den Zirkular-Polarisationsgrad der Elektrolumineszenz injizierter Elektronen in einem angrenzenden Quantentrog auszuwerten [Fie99]. Um die Einflüsse parasitärer Effekte infolge von Bandverbiegungen zu unterdrücken, empfiehlt sich ein möglichst
flacher Verlauf des Leitungsbandes zwischen Spininjektor und Quantentrog-Detektor.
Als nachteilig an einer solchen Struktur erweist sich jedoch die intensive HintergrundLumineszenz jener Elektronen aus der Umgebung, welche in das Potentialminimum des
Quantentroges fallen, strahlend rekombinieren und mit ihrer unpolarisierten Lumineszenz den Polarisationsgrad der spin-injizierten Elektronen maskieren. Das Wachstum
von Heterostrukturen, welche beiden Anforderungen gerecht werden, gestaltet sich als
eine immense technologische Herausforderung. Eine alternative Methodik zum optischen
Nachweis einer Spin-Ungleichgewichtsverteilung greift auf den magnetooptischen KerrEffekt zurück, der in der Vergangenheit bereits erfolgreich zur Visualisierung räumlicher
Diffusionsprofile von spinpolarisierten Strömen in Halbleiterstrukturen eingesetzt werden
konnte [Hof06], [Cro05].
Die initiierende Zielvorgabe dieser Diplomarbeit besteht darin, einen experimentellen
Aufbau zu konzipieren, welcher den direkten Nachweis einer Spin-Injektion mittels einer
semimagnetischen Einzelbarriere ermöglicht.
4
2 Physikalische Grundlagen
2.1 Semimagnetische II-VI-Halbleiter
Die Spinfilter-Strukturen, welche in der vorliegenden Arbeit untersucht werden, greifen
auf die besonderen Eigenschaften sogenannter semimagnetischer oder verdünnt magnetischer Halbleiter (engl. diluted magnetic semiconductors, Abk. DMS) zurück. Hierunter
versteht man Halbleiterverbindungen, auf deren Gitterplätzen einige magnetisch neutrale Atome durch solche mit magnetischem Moment substituiert sind. Eine gut verstandene Gruppe semimagnetischer Halbleiter bilden die ternären Verbindungen vom Typ
IV
AII
1−x Mnx B . Es handelt sich um II-VI-Halbleiter, bei denen der Bruchteil x der TypII-Untergitterplätze mit Mn-Atomen besetzt ist. Durch Variation der Zusammensetzung
können relevante Parameter wie Gitterkonstante und Bandlücke gezielt angepasst werden. Aufgrund der zufällig verteilten, lokalen magnetischen Momente der Mn2+ -Ionen
besitzen diese Materialien interessante magnetische Eigenschaften.
2.1.1 Elektronische Eigenschaften von (Zn,Mn)Se
Im Bereich 0 < x ≤ 0.30 kristallisiert Zn1−x Mnx Se in der Zinkblende-Struktur [Fur88]
und erhält damit die kristalline Ordnung des Ausgangsmaterials ZnSe. Infolgedessen reproduzieren sich für Zn1−x Mnx Se im Bereich kleiner Mangangehalte x auch die wesentlichen elektronischen Eigenschaften von ZnSe. Abb. 2.1 zeigt die schematische Darstellung
einer ZnSe-Einheitszelle. Die Kristallstruktur besteht aus zwei flächenzentriert-kubischen
Untergittern, welche um 41 der Raumdiagonalen der Einheitszelle gegeneinander verschoben sind. Die Gitterkonstante a0 von Zn1−x Mnx Se hängt vom Mangangehalt x der
ternären Verbindung ab und kann nach dem Vegard-Gesetz aus einer linearen Interpolation zwischen den Gitterkonstanten der Materialien ZnSe und MnSe berechnet werden
[Fur88]. Für T = 4.2K beträgt sie [Lan99]
a0 (Zn1−x Mnx Se) = (5.668 + 0.262x)Å.
(2.1)
Abb. 2.1 zeigt die resultierende E(k)-Dispersionsrelation von Zn1−x Mnx Se in der Umgebung des Γ-Punktes ohne angelegtes Magnetfeld. Zu erkennen ist die für ZinkblendeHalbleiter typische Bandstruktur: Es handelt sich um Materialien mit direkter Bandlücke, d. h. die Extrema treten am Γ-Punkt, dem Zentrum der Brillouin-Zone, auf. Die
Bandlücke von Zn1−x Mnx Se hängt nichtlinear vom Mangangehalt des Materials ab und
berechnet sich für T = 4.2K über die Beziehung [Kel04]
EgΓ (x) = 2.82 − 0.145x + 4.073x2 eV.
(2.2)
5
2 Physikalische Grundlagen
6
Grundlagen semimagnetischer II-VI Halbleiter Heterostrukturen
CB
Γ6
z [001]
y [010]
a0
Abbildung 1.1: Einheitszelle
der
Eg
Γ8 Die GitterkonZinkblendestruktur.
hh
∆SO
Offene
stante ist mit a0 bezeichnet.
bzw. geschlossene
Γ7 Kreise repräsentielh
ren jeweils die Atome eines Teilgitters
(Anionen bzw. Kationen).
SO
x [100]
L
[111]
Γ
[100]
X
Abb. 2.1: Links: Einheitszelle des Zinkblende-Gitters. Schwarze und weiße Punkte repräDie Symmetrie
wird durch[Kel04].
die Td Punktgruppe
beschrieben.DarstelDiese
sentierender
z. Zinkblendestruktur
B. Zink- bzw. Selen-Atome
Rechts: Schematische
Untergruppe der
vollen
sphärischen
Gruppe
O(3)
enthält
die
24
eigentlichen
und
uneigentlichen
lung der wichtigsten Valenz- und Leitungsbänder eines II-VI-Halbleiters in der
Drehungen, die
Kristall in sich
selbst überführen.werden
Im Gegensatz
zu monoatomaren
Halblei1. den
Brillouin-Zone.
Energiedifferenzen
nur qualitativ
korrekt abgebildet.
tern mit Zinkblendestruktur, wie Silizium oder Germanium, besitzen Kristalle mit zweiatomiger
Basis wie ZnSe keine Inversionssymmetrie.
Die Kristallstruktur
bleibt
bei den
ternären Materialien (Zn,Mn)Se
und
Die energetische
Abfolgevon
der ZnSe
Bänder
lautet
in gruppentheoretischer
Notation Γ
7 , Γ8 ,
bei
denen
ein
geringer
Anteil
x
der
Zn-Kationen
durch
die
ebenfalls
zweiwerti-Zuständen,
das
Leitungsband
Γ(Zn,Be)Se,
,
wobei
man
sich
die
Valenzbänder
Γ
aus
den
P
3
1
6
7,8
,
2 2
Mn- bzw. Be-Kationen ersetzt wird, erhalten. BeSe kristallisiert
ebenfalls in ZinkblendeΓgen
6 aus den S 1 -Zuständen der beteiligten Atome entstanden denken kann. Der s-artige
struktur, MnSe2 jedoch
in
NaCl-Struktur.
Ab
einer
Mn-Konzentration
von etwa 0.3 erfolgt die
1
der Zustände
im Γ7 -BandDie
führt
dazu, dass diese
im Gegensatz
zu den
Charakter
(J =
Kristallisation
von2 )(Zn,Mn)Se
in Wurzitstruktur.
Gitterkonstante
der
ternären
Materialien
3
p-artigen
Zuständen
des Γ8’schen
-Bandes
(J =als2 )lineare
keinerInterpolation
Spin-Bahn-Wechselwirkung
unterlieGesetz
zwischen den Werten
der
lässt sich nach
dem V EGARD
gen.
Infolgedessen
liegen
beide
Bänder
um
eine
Energie
∆
von
ca.
430meV
[Wör97]
SO
entsprechenden binären Halbleiter gewinnen. Für die in dieser Arbeit relevanten Materialien
voneinander
erhält man: getrennt. Das energetisch tiefer liegende Γ7 -Band, welches auch als split off
band (Abk. SO) bezeichnet wird, ist bei tiefen Temperaturen vollständig besetzt. Auf
die Mehrzahl der optischen Übergänge, welche im Bereich k = 0 stattfinden (vgl. Ka: es
a0 /keinen
Å = 5.6676
+ 0.262x [LB99],
Zn(2.29)),
pitel 2.2, Gleichung
hat
nennenswerten
Einfluss. Die beiden(1.1)
Zweige
1−x Mnx Se
des Γ8 -Bandes, die Zn
sich
durch
die
z-Komponente
des
Gesamtdrehimpulses
unterscheiBe
Se
:
a
/
Å
=
5.6676
−
0.516y
[LB99].
(1.2)
1−y
y
0
den, sind am Γ-Punkt entartet, spalten für k 6= 0 hingegen auf und zeigen ein unterDie Bandstruktur
von ZnSe ist in Aufgrund
Abb. 1.2 gezeigt.
ZnSe istresultierenden
ein direkter Halbleiter,
d.h.
schiedliches
Krümmungsverhalten.
der hieraus
verschiedenen
der als
Mitte
der B RILLOUIN
-Zone.
optidie fundamentale
Bandlücke
E0 liegt am Γ-Punkt
effektiven
Massen
der Ladungsträger
werdenin sie
Leichtloch(engl.
lightAlle
hole
band,
schenlh,
Übergänge
finden in der Nähe
vonheavy
k = 0 hole
am Γ-Punkt
Abk.
mz = ±in12dieser
) bzw.Arbeit
Schwerlochband
(engl.
band, statt.
Abk.Die
hh,elektronimz = ± 32 )
schen Zustände im s-artigen Γ6 -Leitungsband haben einen Gesamtdrehimpuls von 1/2 und sind
bezeichnet.
zweifach spinentartet. Das hauptsächlich aus p-artigen atomaren Zuständen hervor gehende Valenzband spaltet bei k = 0 aufgrund der Spin-Bahn-Wechselwirkung in ein Γ8 -Quartett und ein
auf, die jeweils
bezüglich des Gesamtdrehimpulses
Γ7 -Duplett
2.1.2
Magnetische
Eigenschaften
von (Zn,Mn)Se J = 3/2 bzw. J = 1/2 entartet
sind. Für k = 0 spaltet das Γ8 -Valenzband in zwei Bänder mit unterschiedlichen Krümmungen
auf, die aufgrund ihrer effektiven Massen als Leichtlochband
(z-Komponente
des GesamtdrehDie
magnetischen
Eigenschaften
der Gruppe
AII
Mnx BIVwerden.
-Verbindungen
liegen in
1−x
und Schwerlochband
(mj = der
±3/2)
bezeichnet
Da das Γ7 -Band
impulses
mj = ±1/2)
5 4s2 , begründet. Die halbgefüllte dder
Elektronenkonfiguration
des
Mn-Atoms,
[Ar]3d
in ZnSe energetisch etwa 430 meV tiefer liegt, als das Γ8 -Band [Wör97], ist es bei tiefen TemSchale
führt
Hundschen
Regeln
[Hak04]
zu einem
Gesamtspin
desoptischen
freien Mnperaturen
fast nach
immerden
vollkommen
besetzt
und hat
somit keine
Auswirkungen
auf die
Atoms
von S im
= 25Bereich
, sowieder
einem
Gesamtbahndrehimpuls
von
= 0. der
Diefundamentafür DMS chaEigenschaften
fundamentalen
Bandlücke. Wegen
derLGröße
len Bandlücke besteht nur eine schwache Kopplung zwischen Leitungs- und Valenzband. Die
6
2.1 Semimagnetische II-VI-Halbleiter
rakteristischen magnetischen Eigenschaften lassen sich auf zwei verschiedene Austauschwechselwirkungsprozesse zurückführen.
Paramagnetismus und d-d-Austauschwechselwirkung
Im Bereich kleiner Mangankonzentrationen x und großer Temperaturen T können die
magnetischen Momente der Manganionen als unabhängig voneinander betrachtet werden; das semimagnetische Material befindet sich in der paramagnetischen Phase. Das
magnetische Moment µ eines einzelnen Mn2+ -Ions beträgt
µ = −gM n µB S,
(2.3)
wobei gM n = 2 [Kel01] den Landé-Faktor des Mn-d-Zustandes, µB das Bohrsche Magneton und S = 25 den Spin des Manganions bezeichnen. Im Magnetfeld B = (0, 0, B)1
beträgt die Energie des magnetischen Momentes E = −µ · B, seine Projektion auf die
Magnetfeldrichtung unterliegt der Quantisierungsbedingung [Hak04]
µz = −gM n µB mj ,
5
5
mj = −|S|, · · · , +|S| = − , · · · , + .
2
2
(2.4)
Im paramagnetischen Grenzfall hoher Verdünnung (x ≤ 0.01) berechnet sich der Erwartungswert der Magnetisierung des Materials zu [Fur88]
!
5
g
µ
B
M
n
B
.
(2.5)
hMz i = xN0 SgM n µB B 5 2
2
kB T
Dabei beschreibt
2S + 1
coth
BS (x) =
2S
2S + 1
1
1
x −
coth
x
2S
2S
2S
(2.6)
die sogenannte Brillouin-Funktion [Ash01], S = 52 den Gesamtspin der Mn2+ -Ionen und
xN0 deren Dichte pro Volumeneinheit. Bei zunehmender Dichte x können die einzelnen
Manganionen nicht mehr als voneinander unabhängig betrachtet werden. Zwischen ihnen
beginnt sich eine Superaustausch-Wechselwirkung zu manifestieren, infolge derer sich antiferromagnetische Cluster von Manganionen bilden [Fur88], [Lar88]. Gemäß J. A. Gaj
et al. [Gaj79] lässt sich die Magnetisierung des DMS-Materials auch für höhere Mangangehalte x weiterhin qualitativ korrekt beschreiben, wenn in Gleichung (2.5) zwei
Ersetzungen vorgenommen werden:
!
5
2 g M n µB B
hMz i = xN0 Seff gM n µB B 5
.
(2.7)
2
kB Teff
Aufgrund der antiferromagnetischen Kopplung der Mn2+ -Spins reduziert sich der effektive Gesamtspin der Manganionen auf den Wert Seff ≤ S, die effektive Temperatur
1
Die Richtung des Magnetfeldes soll für alle folgenden Betrachtungen mit der z-Achse identisch sein.
7
2 Physikalische Grundlagen
Teff = TM n + T0 korrigiert die Temperatur TM n um die antiferromagnetische Temperatur
T0 des Mangansystems. Empirisch zeigt sich, dass die Funktionen Seff (x) und T0 (x) für
jede Familie semimagnetischer Halbleiter durch einfache Zusammenhänge interpoliert
werden können. Für Zn1−x Mnx Se gilt [Kel01]
0.364
x − 0.109
T0 (x) = 47.2x − 281x2 + 714x3 .
Seff (x) = −0.804 +
(2.8a)
(2.8b)
sp-d-Austauschwechselwirkung und Giant Zeeman Effekt
Die magnetooptischen Eigenschaften semimagnetischer Halbleiter werden dominiert durch
die Austauschwechselwirkung der s- und p-Bandelektronen mit den Elektronen der Mn3d5 -Zustände. Diese kann formal durch einen Kondo-artigen Hamiltonoperator
Hex =
X
Ri
Jsp−d (r − Ri )Si · σ
(2.9)
beschrieben werden, wobei Si und σ die Spinoperatoren des Manganions bzw. des Bandelektrons, Jsp−d die Austausch-Kopplungskonstante, sowie r und Ri die Ortsvektoren
des Bandelektrons bzw. des Manganions beschreiben [Fur88]. Die Summation erstreckt
sich über jene Plätze des fcc-Untergitters, welche mit Mn2+ -Ionen besetzt sind. Aufgrund der starken Delokalisierung der elektronischen Wellenfunktionen lassen sich zwei
Näherungen in Hex rechtfertigen: Erstens die Ersetzung von Si durch den thermischen
Erwartungswert hSz i (Magnetfeld liegt in z-Richtung an) über alle Mn2+ -Ionen, welcher
eng verknüpft ist mit der Magnetisierung des Materials hMz i, vgl. Gleichung (2.7). Zweitens die Ersetzung von Jsp−d (r − Ri ) durch xJsp−d (r − R), wobei die Summation nun
über alle Gittervektoren R des fcc-Gitters zu erfolgen hat. Der Hamiltonoperator nimmt
somit die vereinfachte Form
Hex = σz hSz i x
X
R
Jsp−d (r − R)
(2.10)
an. Ein immenser Vorteil in der Darstellung von Hex gemäß Gleichung (2.10) besteht
darin, dass der Operator nun die Periodizität des Bravais-Gitters aufweist. Er kann
somit in derselben Basis diagonalisiert werden wie auch der Hamiltonoperator H0 ,
welcher alle Eigenschaften der Bandstruktur enthalten soll, die nicht auf den sp-dAustauschmechanismus zurückzuführen sind. Das Auftreten des Operators σz in Hex
hat zur Folge, dass sich die sp-d-Austauschwechselwirkung hinsichtlich ihres Einflusses
auf die Energieniveaus der Spin-up- und Spin-down-Elektronen unterscheiden wird. Für
8
2.2 Mikroskopische Theorie der dielektrischen Funktion
das Γ6 -Leitungsband lassen sich letztere unter
laufes am Γ-Punkt berechnen zu [Fur88]
1
El (↑) = Eg + l +
~ωc +
2
1
~ωc −
El (↓) = Eg + l +
2
Annahme eines parabolischen Bandver
1
g ∗ µB B +
2
1
g ∗ µB B +
2
α hMz i
g M n µB
α hMz i
.
g M n µB
(2.11a)
(2.11b)
Eg bezeichnet die Bandlücke am Γ-Punkt, ωc die Zyklotronfrequenz, g ∗ den g-Faktor des
Volumenmaterials ohne Austauschwechselwirkungs-Beiträge und
α = hS|Jsp−d |Si /VEZ
(2.12)
ist das Austauschintegral für die s-artigen Zustände des Γ6 -Bandes. VEZ beschreibt das
Volumen der Einheitszelle. Die beiden letzten Beiträge in (2.11) werden häufig durch die
Definition eines effektiven g-Faktors
geff = g ∗ +
α hMz i
gM n µ2B B
(2.13)
zusammengefasst. geff kann für semimagnetische Materialien abhängig von Temperatur, Mangankonzentration und Magnetfeld leicht Werte in der Größenordnung von 100
annehmen. Die Landau-Quantisierung der Energieniveaus sowie die normale ZeemanAufspaltung (g ∗ liegt in der Größenordnung von 1) sind dann gegen die Auswirkung
der sp-d-Austauschwechselwirkung vernachlässigbar. Da sich letztere formal wie eine
normale Zeeman-Aufspaltung mit modifiziertem g-Faktor geff beschreiben lässt, spricht
man häufig vom Giant Zeeman Effekt. Die sp-d-Austauschwechselwirkung beeinflusst natürlich nicht nur die Energieniveaus der Leitungsband-Elektronen, sondern in analoger
Weise die Valenzband-Elektronen (das zugehörige Austauschintegral der p-artigen Γ8 Elektronen wird dann als β bezeichnet) sowie beispielsweise Störstellen und exzitonische
Energieniveaus.
2.2 Mikroskopische Theorie der dielektrischen Funktion
Die Wellenfunktion eines einzelnen Elektrons, das sich in einem perfekt periodischen
Kristall bewegt, erfüllt die stationäre Schrödingergleichung
2
p
H0 ψ(r, t) =
+ V (r) ψ(r, t) = E ψ(r, t).
(2.14)
2m
Aufgrund der Periodizität des Bravaisgitters ergibt sich für das Kristallpotential V (r)
die Transformationseigenschaft V (r + R) = V (r), sofern R ein Gittervektor des Bravaisgitters ist. Die Translationssymmetrie des Hamiltonoperators H0 vererbt sich auf
die Wellenfunktion ψ(r, t). Nach dem Blochschen Satz [Ash01] bestehen die stationären
9
2 Physikalische Grundlagen
Zustände der Kristallelektronen immer aus einem Produkt einer ebenen Welle mit einer
Funktion un,k (r), welche die Periodizität des Gitters besitzt:
ψn,k (r) = eikr un,k (r).
(2.15)
Der Index n bezeichnet den sogenannten Bandindex. Um der quantenmechanischen Natur der Elektronen im Festkörper Rechnung zu tragen, werden die Elektronen in der
folgenden semiklassischen, mikroskopischen Herleitung der dielektrischen Funktion als
Bloch-Wellen behandelt, während das elektromagnetische Strahlungsfeld klassisch behandelt wird2 . Die Bloch-Zustände der Elektronen im Valenz- bzw. Leitungsband des
Halbleiters lassen sich in der üblichen Dirac-Notation darstellen als
|vi = uv,kv (r)eikv r
|ci = uc,kc (r)eikc r .
(2.16a)
(2.16b)
Die Integration eines elektromagnetischen Feldes in den Hamiltonoperator H0 gelingt
durch die Ersetzung des Impulsoperators p → p + ec A, wobei A das Vektorpotential
des elektromagnetischen Feldes bezeichnet. In der Coulombeichung gelten für das Vektorpotential A, das skalare Potential Φ, sowie für das damit verknüpfte elektrische bzw.
magnetische Feld die Beziehungen
∇A = 0 , Φ = 0
1 ∂A
B=∇×A , E=−
.
c ∂t
(2.17a)
(2.17b)
Der gesamte Hamiltonoperator lautet in der gewählten Eichung
H =
1 e 2
p + A + V (r).
2m
c
(2.18)
Ausmultiplizieren des ersten Summanden liefert
e 2
e
e
e 2
p + A = p2 + A · p + p · A +
A2 .
c
c
c
c
(2.19)
Mithilfe der Definition des Impulsoperators p = −i~∇ sowie unter Ausnutzung der
Divergenzfreiheit des Vektorpotentials in Coulombeichung lässt sich der Ausdruck p · A
durch Anwendung auf eine ortsabhängige Funktion ξ(r) folgendermaßen umformen:
(p · A) ξ(r) =
~
~
~
∇ · A ξ(r) = (∇A) ξ(r) + A (∇ξ(r))
i
i | {z }
i
=0
(2.20)
= (A · p) ξ(r).
2
Die folgende Herleitung der dielektrischen Funktion ist angelehnt an die Darstellung in [Yu99].
10
2.2 Mikroskopische Theorie der dielektrischen Funktion
Der in A quadratische Term in (2.19) kann unter der Annahme, dass es sich nur um ein
schwaches elektromagnetisches Feld handelt, vernachlässigt werden, sodass der Hamiltonoperator H dann lautet
p2
e
+
A · p + V (r)
2m mc
e
= H0 +
A · p.
mc
H =
(2.21)
Unter der Annahme, dass der zweite Term in H klein im Vergleich zum ungestörten
Hamiltonoperator H0 ist, kann die Übergangswahrscheinlichkeit eines Elektrons vom
Valenz- in das Leitungsband mithilfe zeitabhängiger Störungstheorie in erster Ordnung
berechnet werden. Die stationären Zustände des Elektrons im Valenz- bzw. Leitungsband
werden dabei gemäß Gleichung (2.16) als Bloch-Zustände beschrieben. Für die folgenden
Berechnungen erweist sich die Darstellung des Vektorpotentials als Produkt aus skalarer
Amplitude A und Einheitsvektor ê in Richtung von A als hilfreich. Die Amplitude A lässt
sich dann in folgender Form durch die Amplitude des elektrischen Feldes E ausdrücken
A=−
E(ω) i(q·r−ωt)
e
+ e−i(q·r−ωt) ,
2q
(2.22)
wobei q den Wellenvektor der elektromagnetischen Welle, q dessen Betrag und ω die
Frequenz des entsprechenden Wechselfeldes bezeichnet. Die Übergangsrate Γcv des Elektrons zwischen dem Valenz- und Leitungsband lässt sich gemäß Fermis Goldener Regel
für ein harmonisches Störpotential der Form V (t) = V eiωt + V † e−iωt [Sak94] berechnen
durch
2
2π X e
Γcv =
hc|
A
·
p|vi
(2.23)
δ (Ec (kc ) − Ev (kv ) ± ~ω),
~
mc
kc ,kv
wobei sich das Pluszeichen in δ (Ec − Ev ± ~ω) auf die stimulierte Emission eines Photons
beim Übergang |ci → |vi des Elektrons bezieht, das Minuszeichen auf den umgekehrt
ablaufenden Absorptionsprozess. Die Deltafunktion garantiert die Energieerhaltung während dieser Übergänge. Da für die folgenden Überlegungen nur die Photonenabsorption
relevant ist, wird das Pluszeichen in der Deltafunktion nicht weiter berücksichtigt, die
Amplitude des Vektorpotentials A in Gleichung (2.22) vereinfacht sich auf den ersten
Summanden, welcher ausschlaggebend für den Absorptionsprozess ist. Zur Berechnung
des Übergangsmatrixelementes hc|A · p|vi wird zunächst in Gleichung (2.22) die elektrische Dipolnäherung eingeführt. Der ortsabhängige Teil von A kann durch eine TaylorEntwicklung dargestellt werden:
ei(q·r) = 1 + i(q · r) + ...
(2.24)
Vernachlässigt man im Folgenden alle q-abhängigen Beiträge zu ei(q·r) , erhält man nur
jene optischen Übergänge, welche mit der Absorption elektrischer Dipolstrahlung verknüpft sind. Diese Näherung rechtfertigt sich aus der Abschätzung, dass für Wellenlängen im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums und typische interatomare
11
2 Physikalische Grundlagen
Abstände in Festkörpern das Produkt q · r größenordnungsmäßig Werte im Bereich 10−3
annimmt. In der elektrischen Dipolnäherung lässt sich das Übergangsmatrixelement
E(ω)
hc|A · p|vi = −
2q
Z
dr u∗c,kc (r)e−ikc r ê(−i~∇) uv,kv (r)eikv r
(2.25)
weiter vereinfachen. Anwendung des Impulsoperators auf die rechts von ihm stehenden
Terme im Integral liefert unter Berücksichtigung der Produktregel
[−i~∇ uv,kv (r)] eikv r + uv,kv (r) ~kv eikv r .
(2.26)
Das Integral über den gesamten Raum verschwindet für den zweiten Summanden in
(2.26), da die gitterperiodischen Funktionen der Blochzustände uc,kc , uv,kv ein Orthogonalsystem bilden. Zur Berechnung des restlichen Teils des Matrixelementes hc|A · p|vi
wird der Ortsvektor r in einen Gittervektor Rm und einen Vektor r0 innerhalb der Einheitszelle des Kristalls aufgespalten:
r = Rm + r0 .
(2.27)
Wegen der Gitterperiodizität der Funktionen uc,kc , uv,kv zerfällt die Integration im Matrixelement in eine Summation über alle Gittervektoren Rm und eine Integration über
die Einheitszelle des Kristallgitters:
E(ω)
hc|A · p|vi = −
2q
X
e
i(kv −kc )·Rm
! Z
EZ
m
0
dr0 u∗c,kc ei(kv −kc )·r ê · p uv,kv . (2.28)
Die Summation über alle Gittervektoren in Gleichung (2.28) resultiert in einer Deltafunktion der Form
X
ei(kv −kc )·Rm ∝ δ (kv − kc ) ,
(2.29)
m
welche anschaulich die Erhaltung des k-Vektors während des Absorptionsprozesses sicherstellt. Es handelt sich um sogenannte direkte Übergänge, welche in E(k)-Dispersionsdiagrammen immer als vertikale Pfeile eingezeichnet werden. Aus diesem Grund wird von
nun an auf die Unterscheidung zwischen kc und kv verzichtet. Das Matrixelement nimmt
letztlich die einfache Form
Z
E(ω)
E(ω)
hc|A · p|vi = −
dr0 uc,k ê · p uv,k = −
· |Pcv |2
(2.30)
2q
2q
EZ
an. Die Übergangsrate Γcv kann somit unter Berücksichtigung der Beziehung ω = cq und
mit dem Impulsmatrixelement |Pcv | ausgedrückt werden als
Γcv
2π e 2 E(ω) 2 X
=
|Pcv |2 δ (Ec (k) − Ev (k) − ~ω).
~ mω
2
k
12
(2.31)
2.3 Der magnetooptische Kerr-Effekt und Faraday-Effekt
Mit wenigen kurzen Zwischenschritten lässt sich der gefundene Ausdruck für die Übergangsrate Γcv überführen in eine Darstellung des Imaginärteils der dielektrischen Funktion:
2πe 2 X
i (ω) =
|Pcv |2 δ (Ec (k) − Ev (k) − ~ω).
(2.32)
mω
k
Real- und Imaginärteil der komplexen dielektrischen Funktion e
(ω) sind miteinander
verknüpft über die Kramers-Kronig Relationen [Yu99]
Z ∞
ω0
2
dω 0 02
i (ω 0 )
r (ω) − 1 = P
π
ω − ω2
0
Z ∞
2ω
r (ω 0 )
i (ω) = − P
dω 0 02
.
π
ω − ω2
0
(2.33a)
(2.33b)
P bezeichnet dabei den Hauptwert des Integrals. Mithilfe dieser Beziehungen berechnet
sich r zu
2
2
|Pcv |2
4πe2 X
.
(2.34)
r (ω) = 1 +
2 − ω2
m
m~ωcv
ωcv
k
2.3 Der magnetooptische Kerr-Effekt und Faraday-Effekt
1877 beobachtete J. Kerr erstmals eine Drehung der Schwingungsebene linear polarisierten Lichts bei Reflexion an der Oberfläche eines Magneten [Ker77]. Der nach ihm
benannte magnetooptische Kerr-Effekt (engl. magneto-optical Kerr effect, Abk. MOKE)
findet sowohl Anwendung zur Untersuchung der magnetischen Struktur von Festkörpern
(Hysteresekurven, magnetische Domänenbildung) als auch in technischen Umsetzungen
wie der magnetooptischen Datenspeicherung. Unterschieden wird zwischen verschiedenen Geometrien des Kerr-Effektes, von denen in dieser Arbeit nur die polare Geometrie
relevant ist: Die Magnetisierung im untersuchten Material liegt parallel zur Oberflächennormalen. Beobachtet man eine Drehung der Polarisationsebene in Transmission statt in
Reflexion, spricht man vom Faraday-Effekt. Die Familie der magnetooptischen Effekte
lässt sich gut verstehen im Zuge einer Diskussion der dielektrischen Funktion, welche die
Antwort eines Festkörpers auf eine äußere Störung in Form eines oszillierenden elektromagnetischen Feldes beschreibt, vgl. Kapitel 2.2.
Eine einfallende linear polarisierte Welle lässt sich äquivalent beschreiben durch eine Linearkombination zweier zirkular polarisierter Wellen mit gegensinniger Helizität. Weist
das zu untersuchende Material einen zirkularen Dichroismus [Ber04] auf, verändert sich
nach Transmission durch das Medium, bzw. nach Reflexion an dessen Oberfläche das
relative Verhältnis der zirkularen Komponenten. Bei Darstellung in linearer statt zirkularer Basis bedeutet dies eine Drehung der Polarisationsebene sowie die Einführung einer
zusätzlichen Elliptizität der Schwingung. Das unterschiedliche Absorptionsverhalten für
13
2 Physikalische Grundlagen
rechts- bzw. linkszirkulare Strahlung resultiert nach Gleichung (2.32) und (2.34) mikroskopisch betrachtet aus einer Verschiebung der Resonanzfrequenzen ωcv für σ + und σ − Polarisation. Eine Aufspaltung der Resonanzfrequenzen ergibt sich z. B. im Magnetfeld
im Zuge des Zeeman-Effektes. Quantitativ lassen sich magnetooptische Effekte mit Hilfe
der Fresnel-Koeffizienten erfassen. Sie folgen aus den Stetigkeitsbedingungen für elektromagnetische Wellen an Grenzflächen [Ber04] und beschreiben das Reflexionsverhalten
eines Mediums. Die Amplituden-Reflexionskoeffizienten r± für rechts- und linkszirkulare
Polarisation lassen sich folgendermaßen darstellen [Bus90]:
r± = |r± |ei∆± =
n± − ik± − 1
.
n± − ik± + 1
(2.35)
n± und k± beschreiben Real- und Imaginärteil des komplexen Brechungsindex
n
e± = n± − ik± .
(2.36)
Für die Darstellung der Reflexionskoeffizienten mit reeller Amplitude und komplexer
Phase gilt die Umformung
2k±
∆± = arctan − 2
(2.37a)
2 −1
n± + k ±
q
2 − 1)2 + (2k )2
(n2± + k±
±
|r± | =
.
(2.37b)
2
2
2
(n± + 1) + k±
Der komplexe Kerrwinkel setzt sich zusammen aus einem Realteil θK , welcher die Drehung der Polarisationsebene bezeichnet, und einem Imaginärteil K , der mit einer Elliptizität des reflektierten Lichtes verbunden ist
ΦK = θK − iK .
(2.38)
Die Auswertung der Fresnel-Reflexionskoeffizienten liefert in polarer Geometrie die folgenden Verknüpfungen von Kerr-Rotation und Elliptizität mit den Amplituden-Reflexionskoeffizienten [Bus90]:
1
θK = − (∆+ − ∆− )
2
|r+ | − |r− |
K = −
.
|r+ | + |r− |
(2.39a)
(2.39b)
Neben dem reflektierten Anteil erfährt auch der transmittierte Anteil einer linear polarisierten Welle beim Durchgang durch ein Medium mit unterschiedlichen Brechungsund Absorptionskoeffizienten für σ ± -Polarisationskomponenten eine Drehung seiner Polarisationsebene sowie eine Elliptizität. In diesem Fall spricht man vom Faraday-Effekt.
14
2.4 Röntgenbeugung
Bezeichnen c und l0 Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtes und Dicke des Mediums,
berechnen sich Real- und Imaginärteil des Faraday-Winkels zu [Bus90]
ωl0
(n+ − n− )
2c ωl0
(k+ − k− ) .
F = tanh
2c
θF =
(2.40a)
(2.40b)
Gleichungen (2.39), (2.40) gelten streng nur für eine Messgeometrie, in der Einfallsund Reflexionsrichtung mit der Oberflächennormalen der Probe zusammenfallen. Ein
Korrekturfaktor für Abweichungen von der senkrechten Einfallsrichtung ist in [You96]
angegeben. Bei einem Einfallswinkel von 5◦ beträgt die relative Korrektur ca. 1%, sodass
die angegebenen Gleichungen für praktische Belange ihre Gültigkeit behalten.
Um aus einem Modell für die dielektrische Funktion mithilfe der angegebenen Beziehungen einen Verlauf des Kerrwinkels berechnen zu können, bedarf es lediglich noch der
Verknüpfung der Real- und Imaginärteile der dielektrischen Funktion und der Größen
n± , k± , welche gegeben ist durch
e
± = r± + ii± = (n± − ik± )2 .
(2.41)
Weist der Verlauf des Absorptionskoeffizienten in einem gewissen Energiebereich einen
großen Gradienten auf, hat die Verschiebung der Resonanzfrequenzen ωcv für σ ± -Strahlung für entsprechende Wellenlängen eine resonant überhöhte Kerr-Rotation zur Folge. In
einem realen Experiment wird die Wellenlänge des Laserlichtes idealerweise so gewählt,
dass sie möglichst nahe einer Resonanz im untersuchten Material liegt. Kapitel 4 wird
die Situation anhand eines konkreten Beispiels anschaulich verdeutlichen.
2.4 Röntgenbeugung
Um Beugungserscheinungen von Wellen beobachten zu können, bedarf es stets Wellenlängen, die in der Größenordnung der beugenden Struktur liegen. Die Gitterkonstanten
realer Festkörper liegen im Bereich einiger Å, sodass für Beugungsexperimente konzeptionell Röntgenstrahlung sowie Elektronen und Neutronen als beugende Teilchen zur Verfügung stehen. Elektronen eignen sich aufgrund ihrer starken Coulomb-Wechselwirkung
mit der Elektronenhülle der Gitteratome und der daraus resultierenden geringen Eindringtiefe von nur einigen Atomlagen [Hei88] ausschließlich zur Auflösung von Oberflächenstrukturen. Aus der im Gegensatz zu Neutronenquellen problemlosen Verfügbarkeit
von Röntgenstrahlung erschließt sich die große Bedeutung der Methode der hochauflösenden Röntgenbeugung (engl. High Resolution X-Ray Diffraction, Abk. HRXRD) für
die Analyse kristalliner Festkörperstrukturen. Als besonders hifreich in der Beschreibung
von Röntgenbeugungsexperimenten erweist sich das Konzept des reziproken Gitters.
15
2 Physikalische Grundlagen
Das Gitter eines einkristallinen Festkörpers lässt sich beschreiben durch eine Potentiallandschaft V (r), welche eine vollständige Translationssymmetrie V (r + R) = V (r)
bezüglich ihrer Gittervektoren R aufweist. Jeder Gittervektor lässt sich als eine Summe
aus primitiven Gittervektoren ai darstellen: R = u1 a1 + u2 a2 + u3 a3 , ui ∈ N. Im Falle
eindimensionaler periodischer Funktionen erweist es sich häufig als hilfreich, die Funktion in eine Fourierreihe zu entwickeln, deren Basisfunktionen ein Orthonormalsystem
bilden. Vollkommen analog dazu lässt sich auch die dreidimensionale Gitterstruktur in
eine Fourierreihe entwickeln, indem man einen Satz von Vektoren G findet, sodass die
Potentialfunktion in der Darstellung
X
nG eiGr
(2.42)
V (r) =
G
invariant gegenüber einer Translation um ganzzahlige Vielfache eines Gittervektors R ist
[Kit02]. Die Vektoren der Lösungsmenge {G} werden reziproke Gittervektoren genannt.
Sie lassen sich analog zu den Gittervektoren im Realraum als eine Summe primitiver
Gittervektoren des reziproken Gitters G = v1 b1 + v2 b2 + v3 b3 , vi ∈ N ausdrücken, für
welche die Konstruktionsvorschrift
bi = 2π
aj × ak
ai · aj × ak
(2.43)
gilt. Zwischen den primitiven Vektoren des reziproken und des Realraumgitters besteht
des Weiteren die Beziehung ai · bj = 2πδij .
Wird ein Röntgenstrahl, beschrieben als eine ebene Welle der Form exp(ikr), an einer
Kristallprobe gestreut, so erfährt der Wellenvektor k eine Änderung um ∆k, sodass
k0 = k + ∆k den Wellenvektor der gestreuten Wellenfront beschreibt. Die Phasendifferenz zwischen einfallender und gestreuter Welle beträgt exp[i(k − k0 )r]. Da die Amplitude der am Kristallvolumenelement dV gestreuten Strahlung proportional zum Produkt
aus Phasendifferenz und Elektronendichte n(r) ist, gilt für die Intensität der gestreuten
Strahlung
Z
I∝
0
dV e[i(k−k )r] n(r).
(2.44)
Die Elektronendichte weist dieselbe Periodizität wie das Kristallgitter auf, sodass sich
mithilfe von Gleichung (2.42) die Darstellung
Z
I ∝ dV nG e[i(G−∆k)r]
(2.45)
ergibt, aus der sich ablesen lässt, dass die gestreute Intensität ein Maximum annehmen
wird, sobald der Streuvektor ∆k identisch einem reziproken Gittervektor G ist. Die Beugungsbedingung ∆k = G lässt sich leicht in die bereits zuvor von W. Bragg formulierte
und nach ihm benannte Bedingung
2d sin θ = n · λ
16
(2.46)
2.4 Röntgenbeugung
kz
Realraum
reziproker Raum
b
an
Sc
ω
b
(004)
bc
bc
~kr
b
2θ
ω − 2θ-Scan
b
~ki
I
~kr
b
ω
D
b
θ
kx
ω
Abb. 2.2: Links: Ewald-Konstruktion zur Veranschaulichung der Beugungsbedingung
im reziproken Raum. Die gestrichelten Pfeile deuten die Richtungen des ω −
2θ−Scans sowie des ω−Scans durch das reziproke Gitter an. Rechts: ZnSe
wächst aufgrund seiner geringfügig größeren Gitterkonstante zunächst pseudomorph verspannt (grün) auf GaAs (schwarz). Bei Überschreitung der kritischen
Schichtdicke erfolgt plastische Relaxation (rot). Die jeweils unterschiedlichen vertikalen Gitterkonstanten führen zur entsprechenden relativen Lage der reziproken Gitterpunkte (links). Die Reihenfolge der resultierenden Reflexe in einem
ω − 2θ−Scan zeigt der untere Teil der Abbildung.
überführen, die das Auftreten von Beugungsreflexen im Realraum rein geometrisch als
konstruktive Interferenz von Wellenfronten bei Reflexion an Netzebenenscharen interpretiert.
Abb. 2.2 zeigt eine Veranschaulichung der Entstehung von Beugungsreflexen, die in der
Literatur unter dem Begriff der Ewald-Konstruktion firmiert. Die Zeichenebene enthält
einen Ausschnitt des fest mit der Kristallstruktur verbundenen reziproken Gitters in kx und kz -Richtung. Zwecks Übersichtlichkeit sind nur einige Punkte des reziproken Gitters
eingezeichnet. Die Richtung des einfallenden Wellenvektors ki ist durch die Geometrie
des Experimentes vorgegeben. Der Vektor wird nun so eingezeichnet, dass sein Ende
mit dem Ursprung des reziproken Gitters zusammenfällt. Zeichnet man einen Kreis mit
Radius |kr | um den Ursprung, so ist gemäß der Beugungsbedingung ∆k = G genau dann
ein Reflex zu beobachten, wenn der Kreis einen der anderen reziproken Gitterpunkte
schneidet. Für eine zufällig gewählte Orientierung von Strahlquelle, Probe und Detektor
wird daher in der Regel kein Beugungsreflex auftreten. Die Anordnung in Abb. 2.2
ist so konstruiert, dass die Beugungsbedingung für den Reflex (004) erfüllt wird. In
Kristallen mit Zinkblende-Struktur weist dieser Reflex aufgrund des Strukturfaktors eine
besonders hohe Intensität auf und wird daher gern als Referenz zur Optimierung der
Justage verwendet.
Aus verschiedenen Scans durch den reziproken Raum können sich gegenseitig ergänzende Informationen über die Kristallstrukur des untersuchten Festkörpers extrahiert wer-
17
2 Physikalische Grundlagen
den. Zwei der wichtigsten drei Scanrichtungen sind zur Veranschaulichung ebenfalls in
Abb. 2.2 eingezeichnet und sollen im Folgenden kurz diskutiert werden. Eine eingehende
Behandlung findet sich in der einschlägigen Literatur (beispielsweise [Spi05]).
1. Rechts in Abb. 2.2 ist eine bei in MBE-Technologie gewachsenen Proben häufig auftretende Situation dargestellt. Weist das Substrat eine lateral geringfügig verschiedene Gitterkonstante als jene des aufwachsenden Materials auf, so wird letzterem
zunächst die Gitterkonstante des Substrates aufgezwungen. Die kompressive Verspannung infolge der Anpassung an die laterale Gitterkonstante hat eine tensile
Verspannung in vertikaler Richtung zur Folge. Dieser Fall wird als pseudomorphes Wachstum bezeichnet. Mit zunehmender Schichtdicke wächst die kumulierte
Verspannungsenergie im Kristall. Ab einer kritischen Schichtdicke beginnt das aufwachsende Material die Verspannungsenergie abzubauen, indem es Versetzungen
bildet und wieder mit seinen intrinsischen Gitterkonstanten wächst [Kud92]. Die
unterschiedliche Periodizität im Realraum hat aufgrund der Fouriertransformation
als Verknüpfung zum reziproken Raum eine veränderte Lage der reziproken Gitterpunkte zur Folge, die für den (004)-Reflex im linken Teil der Abb. 2.2 schematisch
wiedergegeben ist. Mittels des ω − 2θ−Scans können entsprechende Verspannungssituationen aufgelöst werden. Die Beugungsbedingung wird im Verlauf des Scans
sukzessiv für alle Punkte auf einer Geraden in kz -Richtung erfüllt (vgl. gestrichelte
Linie in Abb. 2.2). In der geschilderten Darstellung würde der zur pseudomorphen
Schicht gehörige Reflex bei kleineren Winkeln ω als jener der relaxierten Schicht
und letzterer wiederum bei kleineren ω als der Substrat-Reflex auftauchen (vgl.
Abb. 2.2 rechts unten).
2. Nur im Falle eines unendlich ausgedehnten Kristalls handelt es sich bei den reziproken Gitterpunkten um wohldefinierte Punkte im engeren Sinne. Endliche
Schichtdicken, Granularität und Mosaizität, Variationen in der Gitterfehlanpassung sowie Übergitterstrukturen erzeugen jeweils charakteristische Verbreiterungen
der Gitterpunkte im reziproken Raum [Spi05]. Mit Hilfe des angular verlaufenden
ω−Scans (häufig auch als Rocking-Curve bezeichnet, Verlauf im reziproken Raum
siehe Abb. 2.2) können Aussagen über die Verbreiterung der reziproken Gitterpunkte getroffen und damit Rückschlüsse auf die kristalline Qualität einer Probe
gezogen werden.
2.5 Resonantes Tunneln
Die Entwicklung der Molekularstrahlepitaxie (engl. molecular beam epitaxy, Abk. MBE)
in den 1970er Jahren [Cho75] bedeutete einen Schub für das Forschungsfeld der experimentellen Festkörperphysik. Das durch die MBE-Technologie ermöglichte Wachstum
von Monolagen-basierten Halbleiter-Heterostrukturen macht Modellsysteme mit einem
Confinement auf der Skala der de Broglie-Wellenlänge des Elektrons zugänglich. Beobachtungen, welche auf der Wellennatur des Elektrons beruhen, ermöglichen die Verifizierung quantenmechanischer Voraussagen. Pinoierarbeit wurde u. a. geleistet von
18
2.5 Resonantes Tunneln
L. Esaki3 und R. Tsu, welche die Idee des resonanten Tunnelns in einer Arbeit über
die Transporteigenschaften von Halbleiter-Übergittern einführten [Tsu73]. Das einfachste
Modellsystem zur Beobachtung resonanter Tunnelprozesse besteht aus einer Doppelbarrierenstruktur wie sie in den Abbildungen 2.3 und 2.4 schematisch skizziert ist. Die als
resonante Tunneldiode (engl. resonant tunneling diode, Abk. RTD) bezeichnete Heterostruktur besteht aus zwei Barrierenschichten der Dicke d, in deren Zwischenraum sich
ein zweidimensionaler Quantentrog der Breite D ausbildet. Der für eine RTD vorhergesagte und charakteristische Bereich negativen differentiellen Widerstandes (engl. negative
differential resistance, NDR) in der IV-Kennlinie konnte 1974 erstmals von L. L. Chang
et al. nachgewiesen werden [Cha74].
2.5.1 Kohärentes Tunneln in Halbleiterstrukturen
Die Tsu-Esaki-Formel
Das Modell eines globalen kohärenten Tunnelprozesses liefert das einfachste Bild zur Beschreibung des Tunnelstroms in einer Doppelbarrieren-Struktur. Senkrecht zur Wachstumsrichtung (im Folgenden sei dies die z-Richtung) weist die betrachtete Struktur vollständige Translationsinvarianz auf, die Energie eines Elektrons mit effektiver Masse m∗
lässt sich daher folgendermaßen separieren:
E(k) =
~2 (kx2 + ky2 )
+ Ez .
2m∗
(2.47)
Der gesamte Tunnelstrom J setzt sich zusammen aus einem Anteil J→ , welcher vom
Emitter in den Kollektor fließt, und einem Anteil J← mit entgegengesetzter Flussrichtung:
J = J→ + J←
X
J→ = 2
evz T (Ez )fL (k) [1 − fR (k)]
(2.48a)
(2.48b)
kx ,ky ,kz >0
J← = 2
X
kx ,ky ,kz <0
evz T (Ez )fR (k) [1 − fL (k)].
(2.48c)
In dieser in der Literatur als Tsu-Esaki-Formel bekannten Beziehung [Miz95] bezeichnet
fL,R (k) die Fermifunktion im hochdotierten Emitter- respektive Kollektorbereich der
RTD. Der von Ez -abhängige Transmissionskoeffizient wird erfasst durch T (Ez ).
3
Für seine Leistungen auf dem Gebiet der Tunnelphänomene in Halb- und Supraleitern wurde L. Esaki
1973 (zusammen mit I. Giaever und B. D. Josephson) der Nobel-Preis für Physik verliehen.
19
2 Physikalische Grundlagen
Berechnung des Transmissionskoeffizienten
Die Wellenfunktion eines Elektrons mit effektiver Masse m∗ , das sich in einem eindimensionalen konstanten Potential der Höhe V0 befindet, nimmt stets eine Struktur an,
welche aus der Linearkombination zweier ebener Wellen besteht [Sak94]:
r
2m∗ (Ez − V0 )
ikz
−ikz
ψ(z) = Ae + Be
, k=
.
(2.49)
~2
Beschreibt man eine komplexere Potentiallandschaft als Summe abschnittsweiser konstanter Potentiale V (i) , so lassen sich ebene Welle-Lösungen ψ (i) (z)4 für jeden Abschnitt
angeben. Als Anschlussbedingungen zwischen zwei benachbarten Bereichen gilt neben
der Stetigkeit der Wellenfunktion zusätzlich die Stetigkeit ihrer ersten Ableitung an der
Grenzfläche [Miz95], [Sak94] (Kontinuität des Elektronenflusses):
(i) (z) 1
∂ψ
ψ (i) (zi ) = ψ (i+1) (zi+1 ) , ∗(i)
.
(2.50)
∂z m
z=zi
Die als zweikomponentige Spaltenvektoren zusammengefassten Koeffizienten (A(i) , B (i) ),
(A(i+1) , B (i+1) ) der ebene Welle-Lösungen zweier benachbarter Potentialabschnitte lassen sich auf diese Weise jeweils durch eine 2 × 2-Matrix Tb(i) miteinander verknüpfen.
Die allgemeine Struktur dieser Transfermatizen ist in [Miz95] angegeben5 . Vergleichbar mit dem Jones-Formalismus in Kapitel 3.3 liegt die Stärke dieses TransfermatrixFormalismus darin begründet, dass sich der Zusammenhang zwischen den vier Koeffizienten in Emitter und Kollektor der in n Abschnitte diskretisierten Potentiallandschaft
durch eine einzige Matrix beschreiben lässt, welche aus der Bildung des Matrixproduktes Πni=1 Tb(i) hervorgeht. Die Transmissionswahrscheinlichkeit eines Elektrons durch die
Potentiallandschaft berechnet sich mit Hilfe der Randbedingungen (AL , B R ) = (1, 0) für
die Emitterseite und (AL , B R ) = (0, 1) für die Kollektorseite zu
T (Ez ) =
m∗L k R |AR |2
.
m∗R k L |AL |2
(2.51)
Abb. 2.3 zeigt die Verläufe der Transmissionswahrscheinlichkeit, wie sie sich aus dem
Transfermatrixformalismus berechnen, exemplarisch für eine Einzelbarriere sowie für eine
resonante Tunneldiode. Zwischen den Barrierenschichten der RTD liegen im dargestellten
Fall zwei quantisierte Energieniveaus, welche die resonante Überhöhung des Transmissionskoeffizienten für zwei Werte von Ez < V0 zur Folge haben. Für die Mehrzahl der
Betrachtungen ist vor allem der Bereich in der Umgebung der Resonanz von Interesse, in
welcher der Transmissionskoeffizient eine Lorentz-förmige Energieabhängigkeit aufweist.
4
5
Zwecks Übersichtlichkeit wird die folgende verkürze Notation verwendet: ψ (i) (z) =
b ψ
(i)
(i)
kz
(z).
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass in der genannten Quelle Gleichung (2.14d) einen Vorzeichenfehler
aufweist. Der imit Q bezeichnete Eintrag der Transfermatrix lautet korrekterweise
h
(i)
(i+1)
Q = exp i(kz + kz
)zi+1 .
20
2.5 Resonantes Tunneln
E
0.5eV
Transmissionswahrscheinlichkeit
1,0
0
E
0.5eV
0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
0,00
0,25
0,50
0,75
1,00
1,25
Energie (eV)
Abb. 2.3: Resonantes Tunneln: Transmissionswahrscheinlichkeit eines Elektrons durch eine
Einzelbarriere sowie eine resonante Tunneldiode. Die RTD weist zwei lokalisierte
Niveaus im Innern ihres Quantentrogs auf.
Es lässt sich für Ez ≈ Ez0 auch analytisch eine Näherungsformel begründen, welche in
der Literatur als Breit-Wigner-Formel bekannt ist [Miz95]:
T (Ez ) ≈
Γ2
.
(Ez − Ez0 )2 + Γ2
(2.52)
Der Parameter Γ erfasst hierbei die energetische Breite der Resonanz in der Umgebung
von Ez0 .
2.5.2 IV-Kurven von RTDs
Abb. 2.4 verdeutlicht konzeptionell das Zustandekommen der typischen Charakteristika in den IV-Kennlinien resonanter Tunneldioden. Ohne angelegte Spannung verläuft
das Profil der Leitungsbandkante flach. Da das erste unbesetzte quantisierte Energieniveau zwischen den Barrieren oberhalb des Ferminiveaus der Elektronen im Emitter
liegt (Fall a), wird der Tunnelstrom aufgrund der Energieerhaltung unterdrückt. Eine
angelegte Spannung V fällt in erster Näherung vollständig über die undotierten Barrierenschichten ab, das quantisierte Energieniveau verschiebt sich um ≈ e V2 gegenüber dem
Emitter-Ferminiveau. Sobald das Trogniveau mit der Emitter-Fermienergie zusammenfällt, beginnt der resonante Tunnelstrom zu fließen (Fall b). Die Resonanzbedingung ist
für eine maximale Anzahl an Elektronen erreicht, wenn das Trogniveau die Leitungsbandkante erreicht (Fall c). Für größere Spannungen V (Fall d) verbietet die Erhaltung
des lateralen/transversalen Impulses das Tunneln durch die Doppelbarriere [Sze07], der
Stromfluss nimmt ab und die Doppelbarrierenstruktur weist in diesem Bereich ihren charakteristischen negativen differentiellen Widerstand auf. Für Spannungswerte, bei denen
die Resonanzbedingung Ez = Ez0 nicht erfüllt ist, müssen die Elektronen im Emitter
21
a
b
EF
c
d
V
Stromstärke (willk. Einheiten)
2 Physikalische Grundlagen
c
Phonon-Replik
d
b
a
Spannung (willk. Einheiten)
Abb. 2.4: Links: Leitungsband-Profil einer RTD für zunehmende angelegte Spannung V.
Die Schraffur deutet die Lage des Ferminiveaus auf Emitter- und Kollektorseite an. Rechts: Resultierende IV-Kennlinie mit charakteristischen Punkten. Der
Quotient der Stromstärken bei c und d wird auch als Peak-to-Valley-Ratio bezeichnet.
effektiv eine Potentialbarriere der Dicke 2d+D überwinden, um in den Kollektor zu
gelangen. Die Höhe der Barriere nimmt mit zunehmender Spannung V ab, die endliche
Transmissionswahrscheinlichkeit durch die gesamte Doppelbarrierenstruktur erzeugt den
exponentiell ansteigenden Hintergrundstrom. Ein weiteres Charakteristikum in der IVKennlinie ist die Phonon-Replik, welche durch Emission eines LO-Phonons die Resonanz
bei größeren Spannungswerten reproduziert (siehe Abschnitt 2.5.3).
2.5.3 Sequentielles Tunneln
Modellierungen, welche auf dem Bild eines globalen kohärenten Tunnelprozesses beruhen, sagen wesentlich schärfere Resonanzen und größere Peak-to-Valley-Ratios voraus
als sie in experimentell ermittelten IV-Kurven tatsächlich beobachtet werden. Die Beschreibung des Tunnelvorgangs in Abschnitt 2.5.1 beruht auf der Annahme, dass die
Phasenkohärenz der Elektronen-Wellenfunktion während des gesamten Prozesses erhalten bleibt. Abhängig von der Struktur der Doppelbarriere beträgt die Aufenthaltsdauer
des Elektrons im Quantentrog bis zu einigen 100ns [Miz95]. Währenddessen erfährt das
Elektron eine Vielzahl von Streuprozessen (beispielsweise an Verunreinigungen, Kristallbaufehlern oder Phononen), die seine Phasenkohärenz zerstören. S. Luryi schlug
daher vor, eher als einen kohärenten einen sequentiellen Tunnelprozess in Betracht zu
ziehen [Lur85]. Betrachtet man den Tunnelprozess vom Emitterkontakt in den Quantentrog sowie aus dem Quantentrog in den Kollektor unabhängig voneinander und lässt
im Trog einen beliebigen Phasensprung der Elektronen-Wellenfunktion zu, nimmt der
Transmissionskoeffizient einer symmetrischen Doppelbarrierenstruktur folgende Form an
22
2.6 Spin-Injektion in Halbleitermaterialien
[Jon87]:
T (Ez ) =
Γ2tot
Γ
.
Γtot (Ez − Ez0 )2 + Γ2tot
(2.53)
Die qualitative Energieabhängigkeit verändert sich im Vergleich zur Breit-Wigner-Formel
(2.52) für den kohärenten Tunnelprozess nicht. Jeder Streuprozess erhöht jedoch die Gesamtbreite Γtot des resonanten Niveaus und trägt somit zu einer effektiven Verringerung
des Peak-to-Valley-Ratios in der IV-Kurve bei.
In polaren Halbleitersystemen stellt die Wechselwirkung zwischen Elektronen und longitudinal-optischen Phononen (LO-Phononen) den dominierenden Streumechanismus dar
[Miz95]. Sowohl die Absorption als auch die Emission eines LO-Phonons während des
Tunnelprozesses sind prinzipiell möglich, letztere jedoch aufgrund der geringen Besetzungsdichte bei tiefen Temperaturen sehr viel wahrscheinlicher. Das LO-Phonon assistierte Tunneln hat einen Satelliten-Peak in der IV-Kurve zur Folge, welcher sich bei
höherer Spannung (entsprechend Ez = Ez0 + ~ωLO ) manifestiert.
2.6 Spin-Injektion in Halbleitermaterialien
Im engeren Sinne bezeichnet die Halbleiter-Spintronik ein Forschungsfeld, in welchem
elektronische Bauelemente untersucht werden, für deren Funktionsweise der Spinfreiheitsgrad des Elektrons eine entscheidende Rolle spielt. Während einige Effekte der
Spintronik in metallischen Materialien bereits Anwendungen in der Computerindustrie
gefunden haben, für die als stellvertretendes Beispiel an dieser Stelle der Riesenmagnetowiderstandseffekt (engl. giant magnetoresistance, Abk. GMR) [Bin89] genannt sei,
treten auf dem Weg zur Implementierung von Halbleiter-Spintronik-Bauelementen noch
bislang ungelöste Schwierigkeiten auf. Eine bezieht sich auf die kontrollierbare Injektion
spinpolarisierter Ströme in nichtmagnetische Halbleitermaterialien.
2.6.1 Ferromagnetische Kontakte und Conductivity-Mismatch
In den Anfängen der Halbleiter-Spintronik in den 1990er Jahren orientierte sich der
meist verfolgte Ansatz zur Erzeugung eines Ensembles spinpolarisierter Elektronen in
einem nichtmagnetischen Halbleiter an jenem Konzept, welches sich im Forschungsfeld
der metallischen Spintronik als zielführend erwiesen hat. Von einer einfachen Injektor–
Detektor–Geometrie wurde erwartet, dass sie sich zur Erzeugung einer Spinpolarisation
eignet. Zwei ferromagnetische Metallfilme kontaktieren von beiden Seiten ein zweidimensionales Elektronengas (engl. twodimensional electron gas, Abk. 2DEG). Die konzeptionelle Idee besteht darin, dass im Ferromagneten die unterschiedlichen Zustandsdichten
an der Fermikante unterschiedliche Leitfähigkeiten der beiden Spin-Kanäle zur Folge
haben und ein elektrischer Strom infolgedessen eine Spinungleichgewichtsverteilung in
den nichtmagnetischen Halbleiter transportiert. Die Leitfähigkeit des gesamten Bauteils
hinge dann von der relativen Magnetisierung der beiden Metallkontakte zueinander ab.
23
2 Physikalische Grundlagen
magnetischer
Halbleiter
E
nichtmagnetischer
Halbleiter
µ↑
Abb. 2.5: Verlauf der chemischen Potentiale an einer DMS/NMS-Grenzfläche, über die ein
elektrischer Strom fließt. Die Spininjektion hat ein Aufspalten von µ↓,↑ im Bereich der Kontaktstelle zur Folge.
µ↑
∆µ∗
µ↓
µ↓
x
Sowohl W. Y. Lee et al. als auch P. R. Hammar et al. berichteten in ihren experimentellen Arbeiten aus dem Jahr 1999 über beobachtete Effekte, die tatsächlich Hinweise auf
die Existenz einer Spinpolarisation am untersuchten Ferromagnet/Halbleiter-Übergang
liefern. Die aus den Messdaten extrahierten Spinpolarisationen fielen jedoch mit <1%
ernüchternd gering aus [Lee99], [Ham99]. G. Schmidt et al. konnten im Jahr 2000 zeigen, dass sich Kontakte zwischen metallischen Ferromagneten und Halbleitern prinzipiell
nicht eignen, um im angrenzenden Halbleiter signifikante Spinpolarisationen zu erzeugen
[Sch00]. Die physikalische Ursache für diesen Befund hat sich in der Literatur unter dem
Begriff des conductivity mismatch etabliert. Im Regime des diffusiven Ladungstransportes lassen sich makroskopische Spinpolarisationen in einem nichtmagnetischen Material
nur dann über einen magnetischen Kontakt injizieren, wenn erstens die Leitfähigkeiten beider Materialien in derselben Größenordnung liegen und zweitens der magnetische
Teil des Kontaktes eine möglichst vollständige Spinpolarisation aufweist. Mit den in
Kapitel 2.1 vorgestellten semimagnetischen Halbleitern steht ein vielversprechendes Materialsystem zur Verfügung, das beide Anforderungen erfüllt.
2.6.2 Magnetowiderstand eines DMS/NMS-Kontaktes
2001 konnten G. Schmidt et al. zeigen, dass sich mittels eines Stromflusses durch
einen DMS/NMS-Kontakt eine Spinpolarisation im nichtmagnetischen Halbleitermaterial (NMS) erzeugen lässt. Der Nachweis erfolgt über die Messung einer positiven Magnetowiderstandsänderung, deren qualitative Magnetfeldabhängigkeit sich mit Hilfe eines
einfachen Modells erklären lässt [Sch01]. Das physikalische Bild, auf dem dieses Modell
beruht, verdeutlicht die im nächsten Kapitel beschriebene Konzeptionierung des geplanten Experimentes und sei daher an dieser Stelle kurz umrissen. Unter der Annahme, dass
Spin-Streu-Prozesse wesentlich seltener auftreten als andere Elektronen-Streu-Prozesse
[Häg98], lassen sich für die beiden Spin-Spezies ↑, ↓ zwei nicht notwendigerweise identische elektrochemische Potentiale µ↓,↑ definieren [vS87]. Die chemischen Potentiale sind
über das Ohmsche Gesetz (2.54a) sowie die Diffusionsgleichung (2.54b) mit der Leitfähigkeit σ↓,↑ , der Stromdichte j↓,↑ , einer über beide Spinrichtungen gemittelten Diffu-
24
2.6 Spin-Injektion in Halbleitermaterialien
sionskonstante D und der Spin-Flip-Rate τsf verknüpft [Sch01]:
∂µ↓,↑
ej↓,↑
= −
∂x
σ↓,↑
µ ↓ − µ↑
∂ 2 (µ↓ − µ↑ )
= D
.
τsf
∂x2
(2.54a)
(2.54b)
Im Falle einer idealisierten Grenzfläche, an der keine Spin-Flip-Prozesse stattfinden,
weisen sowohl die Stromdichten als auch die elektrochemischen Potentiale keine Unstetigkeiten auf. Löst man die Differentialgleichungen (2.54) unter der Randbedingung
µ↑ (±∞) = µ↓ (±∞), so ergibt sich eine zur Gesamtstromdichte proportionale Aufspaltung von µ↓,↑ an der DMS/NMS-Grenzfläche,
welche exponentiell auf der Länp
genskala der Spin-Flip-Länge λ =
Dτsf des jeweiligen Materials zerfällt. Derselbe
Formalismus wurde bereits zuvor von P. C. van Son et al. eingeführt, um einen verwandten Effekt, das Aufspalten elektrochemischer Potentiale an einer rein metallischen
Ferromagnet/Nichtmagnet-Grenzfläche, zu beschreiben [vS87].
Abb. 2.5 zeigt eine schematische Darstellung der räumlichen Verläufe von µ↓,↑ an einer DMS/NMS-Grenzfläche, über welche ein elektrischer Strom fließt. Die gestrichelten Linien deuten den über beide Spin-Spezies gemittelten Wert µ∗ des chemischen
Potentials an. Die Diskontinuität ∆µ∗ entspricht dem Grenzflächenwiderstand eines
Ferromagnet/Nichtmagnet-Kontaktes [vS87]. Die Injektion einer Spin-Ungleichgewichtsverteilung in den nichtmagnetischen Halbleiter äußert sich in einem Aufspalten der chemischen Potentiale, welche sich aufgrund der Stetigkeitsbedingung analog auch im magnetischen Halbraum des Kontaktes fortpflanzt. Für Distanzen größer als die Spin-FlipLänge des jeweiligen Materials laufen µ↓,↑ wieder auf denselben Wert zusammen.
An dieser Stelle lässt sich eine intuitive Begründung für die Beobachtung aus dem vorangegangenen Abschnitt 2.6.1 formulieren. Bestünde der linke Teil des Kontaktes in
Abb. 2.5 aus einem metallischen Ferromagneten statt einem magnetischen Halbleitermaterial, flössen zunächst ebenfalls bevorzugterweise Elektronen einer Spin-Spezies in
den nichtmagnetischen Halbleiter. Aufgrund der geringen Elektronendichte im Halbleiter hat bereits die Injektion weniger Überschussladungsträger einer Spinrichtung eine
Aufspaltung der chemischen Potentiale zur Folge. Die Stetigkeitsbedingung für µ↓,↑ verhindert jedoch die Ausbildung einer signifikanten Aufspaltung, da der Ferromagnet ein
um Größenordnungen umfangreicheres Reservoir an Elektronen bereitstellt. Der Transfer nur weniger Elektronen einer Spin-Spezies in den Halbleiter hat keine nennenswerte
Spinpolarisation im Ferromagneten zur Folge, sodass eine Aufspaltung der chemischen
Potentiale – auch im nichtmagnetischen Halbleiter – unterdrückt wird.
25
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
3.1 Konzept
Die Neuartigkeit in der Konzeptionierung des geplanten Experimentes bezieht sich einerseits auf die Struktur, mittels derer eine Spininjektion in einen nichtmagnetischen
Halbleiter erreicht werden soll, und andererseits auf die Methodik zum Nachweis einer
eventuell erzeugten Spin-Ungleichgewichtsverteilung. Der Spininjektor besteht aus einer
20nm dicken Schicht des semimagnetischen Halbleitermaterials (Zn,Be,Mn)Se, welche
mittels MBE-Wachstumstechnologie in eine nichtmagnetische Umgebung aus ZnSe eingebettet wird. Parallel zur Wachstumsrichtung wird mit dieser Heterostruktur ein Leitungsbandprofil erzeugt, welches für Elektronen eine einfache Tunnelbarriere darstellt.
Durch Anlegung eines magnetischen Feldes spaltet die Tunnelbarriere für die beiden
Spin-Spezies infolge des Giant Zeeman Effektes auf in zwei Barrieren unterschiedlicher
effektiver Höhe. Aufgrund der Abhängigkeit der Transmissionswahrscheinlichkeit eines
Elektrons von der Barrierenhöhe wird durch einen elektrischen Stromfluss parallel zur
Wachstumsrichtung die Injektion einer Spin-Ungleichgewichtsverteilung in den nichtmagnetischen Bereich erwartet. Mikroskopisch betrachtet hat dies ein Aufspalten der
elektrochemischen Potentiale im Bereich hinter der Barriere zur Folge. Während reine
Transportuntersuchungen, beispielsweise über Magnetowiderstandsänderungen, lediglich
einen indirekten Rückschluss auf eine Spininjektion erlauben, sind optische Messmethoden prinzipiell in der Lage, einen direkten Nachweis zu führen. 1999 demonstrierten
R. Fiederling et al. die Erzeugung einer Spin-Ungleichgewichtsverteilung in GaAs,
indem die den Grad zirkularer Polarisation der Elektrolumineszenz eines auf den Spinfilter folgenden Quantentroges als Funktion des Magnetfeldes detektierten [Fie99]. Die
Konzeption des in der vorliegenden Arbeit behandelten Experimentes stützt sich auf die
Aufspaltung der elektrochemischen Potentiale. Da sich hierdurch die Resonanzfrequenzen
ωcv für σ ± -Strahlung energetisch gegeneinander verschieben, ist für linear polarisiertes
Licht bei Reflexion an der Einzelbarriere eine Kerr-Rotation zu erwarten. Abb. 3.1 fasst
die Konzeptionierung des Experimentes nochmals graphisch zusammen.
3.2 Aufbau des Kerr-Experiments
Das Grundgerüst des Versuchsaufbaus ist in Abbildung 3.2 dargestellt. Die Probe ist in
einen 4 He-Badkryostat eingebracht, welcher mit einem supraleitenden Split-Coil-Magneten ausgestattet ist. Magnetefelder zwischen 0 und 6T können wahlweise in Faraday-
27
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
B=0
CB
µ(↓)
µ(↑)
σ+
B 6= 0
σ−
hh
lh
Abb. 3.1: Links: Schematische Darstellung des Leitungsbandverlaufs der semimagnetischen Einzelbarriere mit und ohne Magnetfeld. Gestrichelte Linien deuten qualitativ die Lage der chemischen Potentiale an. Rechts: Die chemischen Potentiale
der beiden Spinrichtungen spalten in der Umgebung der Barriere auf (Spininjektion). Es ergeben sich unterschiedliche Absorptionskoeffizienten für σ + und σ −
Polarisation.
oder Voigt-Geometrie1 angelegt werden.
Für die Auswahl einer geeigneten Laserquelle für dieses Experiment müssen zwei Randbedingungen berücksichtigt werden. Zum einen muss die Photonenenergie der Laserstrahlung unterhalb der Energie des ZnSe-1S-Exzitons liegen, um nicht einen Großteil
der einfallenden Intensität durch Absorptionen in der Probe zu verlieren. Zum anderen werden maximale Kerr-Rotationen für jene Energien erreicht, welche nahe an der
untersuchten Resonanz liegen (vgl. hierzu das Kapitel 4, speziell Abb. 4.5). Im konkreten Fall wird ein Diodenmodul der Produktreihe CUBE vom Hersteller Coherent mit
einer Emissionswellenlänge von 444nm verwendet. Das Modell erfüllt ferner auch die
Anforderung einer hohen Leistungs- und Polarisationsstabilität, da sich Schwankungen
in Ausgangsleistung oder Polarisationsgrad auf das Signal am Detektor übersetzen (vgl.
Kapitel 3.3).
Ein Glan-Thompson-Polarisator sorgt für einen definierten linearen Polarisationszustand
des einfallenden Laserstrahls. Durch die Montage des Polarisators auf einem drehbaren
Präzisions-Halter kann die Polarisationsrichtung zu Justagezwecken sehr fein variiert
werden. Der Strahl wird mit Hilfe einer Sammellinse (Linse 1 in Abb. 3.2) auf die Probe fokussiert. Dieselbe Linse garantiert ferner, dass es sich bei austretendem Licht um
Parallelstrahlen handelt. Das unter einem kleinen Winkel reflektierte Licht passiert eine
weitere Sammellinse (Linse 2 in Abb. 3.2), wodurch ein reelles Zwischenbild der Probe
erzeugt wird. Mithilfe eines Mikroskops kann so das Abbild der Probe samt Reflex der
Laserstrahlung betrachtet werden, was durch Verschieben der Linse 1 eine Positionierung
des Laserstrahls auf der Probenoberfläche erlaubt.
1
Faraday-Geometrie: Der Magnetfeldvektor steht parallel zum Normalenvektor der Probenoberfläche.
Voigt-Geometrie: Magnetfeld- und Normalenvektor stehen senkrecht zueinander.
28
CUBE
3.2 Aufbau des Kerr-Experiments
Kryostat
Mikroskop
Polarisator
Probe
PEM
Detektor
Linse 2
Input
Lock-In 1
2f
Linse 1
f
Controller
X Y
Abb. 3.2: Übersicht über den Versuchsaufbau. CUBE: Laserquelle mit Emissionswellenlänge 444nm. PEM: Photoelastischer Modulator. Beschreibung der Detektoreinheit
siehe Abb. 3.3. Als Referenzfrequenz für den Lock-In-Verstärker dient die zweifache Modulationsfrequenz.
Beim Detektor handelt es sich um einen ausbalancierten Photodiodendifferenzverstärker.
Abb. 3.3 zeigt schematisch den Aufbau der Detektoreinheit. Das von der Probe reflektierte Laserlicht trifft zunächst auf ein unter 45◦ montiertes Wollaston-Prisma. Beim
Durchtritt findet eine Zerlegung des Lichtes in zwei zueinander senkrecht polarisierte Anteile (ordentlicher und außerordentlicher Strahl) statt [Ber04]. Beide Lichtbündel
werden mit Hilfe zweier Sammellinsen auf die beiden Photodioden des Detektors fokussiert. Bei der Schaltung in der Detektoreinheit handelt es sich (vgl. rechte Seite der
Abb. 3.3) um eine analoge Addierer-Schaltung [Tie02]. Die Spannung am Ausgang des
Operationsverstärkers beträgt
UOut = RN (I1 − I2 ) ,
(3.1)
wobei I1,2 die Stromstärken durch die beiden Photodioden bezeichnen, welche in erster
Näherung proportional zur einfallenden Lichtintensität sind.
Zur Messung der Kerr-Rotation wird eine Modulationstechnik eingesetzt. Der photoelastische Modulator (Modell Hinds Instruments PEM-90, Abk. PEM) im Versuchsaufbau besteht aus einem Quarzkristall, welcher durch Piezoaktoren in mechanische Ei-
29
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
1kΩ
-10V
o
RN
Wollaston-Prisma
+
Out
1kΩ
ao
Out
+10V
Abb. 3.3: Links: Aufbau der Detektoreinheit. Die optische Achse des Wollaston-Prisma
ist um 45◦ gegen die x-Richtung gedreht. Rechts: Blockschaltbild des AnalogAddierers im Detektor.
genschwingungen einer Frequenz f von ca. 50kHz versetzt wird. Infolge der Spannungsdoppelbrechung propagieren ordentlicher und außerordentlicher Strahl mit verschiedener Ausbreitungsgeschwindigkeit durch den Kristall, sodass die linearen Polarisationszustände in x- und y-Richtung nach Austritt aus dem PEM eine Phasenverschiebung
gegeneinander aufweisen (bei Angabe in Einheiten der Wellenlänge λ spricht man von
Retardierung). Wie eine genauere Rechnung in Kapitel 3.3 zeigt, hat eine Retardierung
von λ2 eine Modulation des erwarteten Kerrsignals mit der Frequenz 2f zur Folge. Das
Ausgangssignal des Detektors wird auf den Eingang eines Lock-In-Verstärkers gegeben.
Intern findet eine Multiplikation des Eingangssignals der Frequenz f1 mit einem Referenzsignal der Frequenz f2 statt. Für das Produkt gilt [Bro00]
A0 · sin(f1 ) sin(f2 ) =
A0
[cos(f1 − f2 ) − cos(f1 + f2 )] ,
2
(3.2)
sodass bei Abstimmung der Referenzfrequenz auf die Signalfrequenz (f1 = f2 ) und nachgeschaltetem Tiefpassfilter das Signal definierter Frequenz f1 sehr effektiv vom Untergrundrauschen separiert werden kann.
3.3 Berechnung der erwarteten Signalfunktion
Zur Beschreibung polarisierten Lichtes und dessen Wechselwirkung mit polarisationsverändernden optischen Komponenten eignet sich der Jones-Formalismus [Azz77]. Polarisationszustände werden als zweidimensionale Vektoren beschrieben. Als Basissysteme
verwendet man üblicherweise entweder die Jones-Vektoren zweier linear polarisierter
30
3.3 Berechnung der erwarteten Signalfunktion
Probe
Polarisator 0◦
PEM
D
θK
Polarisator 45◦
Abb. 3.4: Schematische Darstellung der optischen Komponenten, welche in die Berechnung
des Sinalverlaufs eingehen. Die Drehung der Polarisationsrichtung um den Kerrwinkel θK findet bei der Reflexion des Laserstrahls an der Probe statt.
ebener Wellen in x- und y-Richtung oder zweier links- bzw. rechtshändig zirkular polarisierter Wellen. Nicht depolarisierende optische Elemente im Strahlengang lassen sich im
Jones-Formalismus durch 2 × 2-Matrizen beschreiben. Die Stärke des Formalismus liegt
darin begründet, dass der Einfluss beliebiger aufeinanderfolgender optischer Elemente
auf den Polarisationszustand des Lichtes durch einfache Matrixmultiplikation berechnet
werden kann.
Die wesentlichen Komponenten, welche den zeitlichen Verlauf des Messsignals erzeugen, sind schematisch in Abb. 3.4 dargesellt. Für die Berechnung der Signalform findet
die lineare Basis Verwendung. Im Strahlengang befindet sich zunächst ein unter 0◦ (in
Richtung des Basiszustandes êx ) montierter Linearpolarisator Pbx , welcher eventuell vorhandene Rest-Polarisationskomponenten in y-Richtung entfernt:
0 0 0
Ex
Ex
E0
Ex
1 0
≡
.
(3.3)
=
→
0
0
Ey
Ey
0
0
0 0
Die Drehung der Polarisationsrichtung (Kerr-Effekt) des Lichtes bei Reflexion an der
b mit nichtverschwindenden NichtdiagonalProbe lässt sich durch eine Reflexionsmatrix R
Elementen beschreiben. Die folgende Symmetrieüberlegung erlaubt, die Einträge der
b zu reduzieren: Eine Drehung der Probe um 90◦ muss ein identisches
Reflexionsmatrix R
Messergebnis liefern
E0 ! b
E0
b
b
b
R
= D90◦ R D−90◦
.
(3.4)
0
0
b ϕ beschreibt dabei die zweidimensionale Drehmatrix um den Winkel ϕ. Für die RefleD
xionsmatrix ergibt sich damit die Struktur
rxx rxy
b
R=
,
(3.5)
−rxy rxx
sodass der Polarisationszustand des Laserstrahls nach Reflexion an der Probe geschrieben
werden kann als
E0
rxx rxy
E0
rxx E0
→
=
.
(3.6)
0
−rxy rxx
0
−rxy E0
31
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
Der Realteil des Kerrwinkels θK ist definiert durch
rxy
∝ rxy .
θK = arctan −
rxx
(3.7)
Die Proportionalität gilt im Fall kleiner Kerrwinkel. Beim Durchgang durch den photoelastischen Modulator wird ein zeitabhängiger Phasenversatz zwischen x- und y-Polarisationskomponenten des Lichtes eingeführt. Bei einer Retardierung von λ2 (entsprechend einem Phasenversatz von π) bedeutet dies eine Modulation der y-Komponente
mit ω = 2π 50 kHz, welche sich folgendermaßen darstellen lässt [Cer03]:
1
0
rxx E0
rxx E0
rxx E0
→
=
.
(3.8)
−rxy E0
−rxy E0
0 eiπ cos(ωt)
−rxy eiπ cos(ωt) E0
Der unter 45◦ montierte Polarisator lässt sich äquivalent beschreiben durch eine Drehung
des gesamten Koordinatensystems um 45◦ mit anschließender Projektion auf die neue
x-Richtung:
E0 rxx − rxy eiπ cos(ωt)
rxx E0
rxx E0
b
b
→ Px D45◦
=√
. (3.9)
−rxy eiπ cos(ωt) E0
−rxy eiπ cos(ωt) E0
0
2
Da die Photodiode im Detektor nur in der Lage ist, Intensitäten zu messen, hat das
Signal am Detektor die Form
I=
∗
E02 rxx − rxy eiπ cos(ωt) rxx − rxy eiπ cos(ωt) .
2
(3.10)
Zur Vereinfachung dieses Ausdrucks bietet sich die Jacobi-Anger-Entwicklung an. Für
eine komplexe Exponentialfunktion mit oszillierendem Term im Argument gilt folgende
Entwicklung nach Besselfunktionen 1. Art [Erd53]:
eiz cos(ϕ) = J0 (z) + 2
∞
X
in Jn (z) cos(nϕ).
(3.11)
n=1
Mithilfe dieser Relation liefert Gleichung (3.10) in 2. Ordnung in Kombination mit einer
2 ) den genäherten
Kleinwinkelnäherung“ rxy rxx (Vernachlässigung aller Glieder in rxy
”
Ausdruck für die Intensität am Detektor
I≈
E02 2
rxx − rxx rxy (2J0 (π) − 4J2 (π) cos(2ωt)) .
2
(3.12)
Die Detektion des Kerrsignals muss demnach (vgl. Gleichung (3.7)) auf der doppelten
Modulationsfrequenz erfolgen, um den Anteil ∝ rxy ∝ θK zu selektieren. Gleichung (3.12)
zeigt des Weiteren, dass alternativ zum beschriebenen Differenzverstärker in Abb. 3.3
entgegen streckenweise anders lautender Warnungen in der Literatur [Dya08] auch eine
einfache Kombination aus Analysator und Photodiode durchaus geeignet ist, um Kerrwinkel zu detektieren.
32
3.4 Transportaufbau
RRef
Nanovoltmeter
Ch 2
Ch 1
1:1
In 1
Out
In 2
100 : 1
zum Probenspieß
1:1
PC
Abb. 3.5: Links: Übersicht über den Aufbau des Transportmessplatzes. Spannungen werden an die Probe mittels D/A-Wandlerkarte und Spannungsteiler angelegt. Der
Spannungsabfall über der Probe wird auf Channel 1 gemessen, der Stromfluss
auf Channel 2. Rechts: Vereinfachte Schaltskizze der Boxen (im linken Teil der
Abbildung mit 1:1“ bezeichnet) zur Reduktion zweier Innenleiter auf eine BNC”
Buchse.
3.4 Transportaufbau
Zur Injektion der Spinungleichgewichtsverteilung wird ein kontrollierter Stromfluss durch
die Probe benötigt. Der Aufbau des Kerr-Experimentes wird daher um einen TransportMessplatz erweitert. Eine schematische Übersicht über den Aufbau ist in Abb. 3.5 dargestellt.
Die Probenstücke werden in Chipcarrier eingeklebt, deren Ränder mit 18 Goldkontakten
bestückt sind. Von den Kontaktflächen auf den Proben werden durch Bonden elektrisch
leitende Verbindungen zu diesen Goldkontakten hergestellt. Dünne Kupferlitzen sind
durch das Innere des Probenspießes geführt, sodass eine Steckverbindung nach außen
entsteht. Eine Box mit 18 BNC-Buchsen2 erlaubt es, jeden Kontakt separat zu erden oder
auf das an der zugehörigen Buchse angelegte Potential zu legen. Eine D/A-Wandlerkarte
(ADLINK 6208 ) stellt Spannungen im Bereich −10V ≤ V ≤ +10V mit einer Auflösung
von 16bit zur Verfügung [Adl09]. Zur Verkleinerung der minimalen Schrittweite findet
beispielsweise ein 100:1-Spannungsteiler Verwendung, was effektiv auch den Ausgangsspannungsbereich auf ±100mV herabsetzt. Neben der Erhöhung der Auflösung hat der
Spannungsteiler eine Verringerung des Einflusses von Spannungs-Offsets am Ausgang der
Karte zur Folge sowie eine Verringerung des Rauschens (vgl. hierzu auch das Kapitel 3.6).
Die Schaltskizze zur Messung einer IV-Kennlinie ist ebenfalls in Abb. 3.5 dargestellt. Für
sämtliche gezeichnete Verbindungen finden ausschließlich rauscharme Koaxialkabel Verwendung, deren Außenleiter zwecks elektromagnetischer Abschirmung stets geerdet sind.
2
Bayonet Neill Concelman, Koaxialer Steckverbinder mit Bajonett-Verschluss nach P. Neill und
C. Concelman.
33
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
Das eigentliche Messsignal läuft nur auf den Innenleitern. Spannungen werden mithilfe
eines Nanovoltmeters des Typs Agilent 34420 A [Agi03] potentialfrei gemessen. Da das
Nanovoltmeter nur Spannungen zwischen Innen- und Außenleitern misst, werden Boxen verwendet, wie sie schematisch im rechten Teil der Abb. 3.5 gezeichnet sind. Die
Potentialdifferenz zwischen zwei Innenleitern wird auf eine BNC-Buchse reduziert, effektiv handelt es sich um eine Spannungsverstärkerschaltung mit dem Verstärkungsfaktor
1. Auf Kanal 1 des Nanovoltmeters wird der Spannungsabfall über der Probe, auf Kanal 2 der Spannungsabfall über einem bekannten Referenzwiderstand gemessen, was die
Berechnung der Stromstärke durch die Probe ermöglicht. Beide Kanäle lassen sich mit
einem geeigneten Messprogramm auf dem PC auslesen.
3.5 Messungen mit zweifacher Modulation
Mit Blick auf die semimagnetische Einzelbarriere wird ein Kerrsignal erwartet, dessen Amplitude von der über der Probe abfallenden Spannung bzw. der Stromstärke
durch die Probenstruktur abhängt. Um statische Beiträge zur Kerr-Rotation von diesem
Messsignal unterscheiden zu können, wird eine Doppelmodulations-Technik eingesetzt.
Während die Modulation auf 50kHz aus Sicht der optischen Messtechnik notwendig ist,
um die Kerr-Rotation messbar zu machen, wird zusätzlich die Probenspannung mittels eines Rechtecksignals moduliert. Abb. 3.6 zeigt eine schematische Darstellung des
Messaufbaus. Das Signal aus dem Detektor (Photodiode oder balancierter Differenzverstärker) wird auf die Eingangsbuchse des ersten Lock-In-Verstärkers gegeben und
auf der zweifachen Eigenfrequenz des Quarzkristalls demoduliert (vgl. Kapitel 3.3). Das
Ausgangssignal wird dann als Eingangssignal in den zweiten Lock-In-Verstärker eingespeist. Als Referenz für die Demodulation dient das TTL-Triggersignal des verwendeten
Funktionengenerators HP 3314A, welches mit der Modulationsfrequenz der Stromstärke
übereinstimmt. Das Ausgangssignal des zweiten Lock-In-Verstärkers kann in der Folge
mittels des Nanovoltmeters 2 auf dem PC ausgelesen werden. Nanovoltmeter 1 misst wie
bisher den Spannungsabfall über der Probe sowie über einem Referenzwiderstand. Für
die Wahl der zweiten Modulationsfrequenz müssen zwei Dinge berücksichtigt werden:
1. Um Artefakte zu vermeiden, müssen die beiden Modulationsfrequenzen möglichst
weit voneinander entfernt liegen.
2. Durch Einstellung der Integrationszeit am ersten Lock-In-Verstärker kann das Auflösungsvermögen im Kerr-Winkel beeinflusst werden. Zu berücksichtigen gilt, dass
der Lock-In-Verstärker ein Vielfaches der eingestellten Integrationszeit an Zeit benötigt, um einen neu erreichten Messwert an der Ausgangsbuchse stabil auszugeben3 . Ist die zweite Modulationsfrequenz zu hoch gewählt, verhindert die Träg”
heit“ des ersten Lock-In-Verstärkers eine Messung des Kerr-Signals.
3
Die Betriebsanleitung des Ithaco 3961 macht hierzu keine konkrete Angabe. Aus den Betriebsanleitungen anderer Lock-In-Verstärker ist jedoch zu entnehmen, dass die Erholungszeit“ ca. das vier”
bis fünffache der Integrationszeit beträgt.
34
3.6 Zeitliche Stabilität der verwendeten Komponenten
Detektor
Lock-In 1
Lock-In 2
NVM 1
In
Ref
X
Y
2 · 50kHz
In
Ref
X
Y
7Hz
Ch1
Ch2
PEM-Controller
Funktionsgenerator
siehe vorherige Abb.
Out
NVM 2
Ch1
Ch2
Out
zum PC
Abb. 3.6: Schematischer Schaltplan für die Messung mit Doppelmodulations-Technik.
Neben einer niedrigen Integrationszeit am ersten Lock-In-Verstärker wird daher zusätzlich eine niedrige Frequenz von 7Hz für die Modulation der Stromstärke verwendet.
3.6 Zeitliche Stabilität der verwendeten Komponenten
Sämtliche Komponenten des Versuchsaufbaus weisen ein gewisses Signal/Rausch-Verhältnis auf, welches letztlich das Auflösungsvermögen der Kerr-Messungen begrenzt.
Um auszuschließen, dass ein einziges (möglicherweise austauschbares) Instrument den
Flaschenhals für das Auflösungsvermögen bildet, werden alle Komponenten des Versuchsaufbaus auf ihre zeitliche Stabilität getestet. Aufgrund des bekannten Verhaltens,
dass elektronische Messgeräte nach dem Einschalten durch anfängliche Eigenerwärmung
eine gewisse Drift aufweisen können, werden sämtliche Messgeräte auch nach Beendigung
der jeweiligen Messung nicht wieder ausgeschaltet.
D/A-Wandlerkarte An Kanal 0 und 1 der D/A-Wandlerkarte wird jeweils eine Gleichspannung von 10mV bzw. 5V ausgegeben und über einen Zeitraum von drei Stunden
mittels eines Nanovoltmeters aufgezeichnet. Die Messdaten sind exemplarisch für Kanal
1 im linken Teil der Abb. 3.7 dargestellt und lassen drei wesentliche Schlüsse zu:
1. Die beiden Datensätze weisen keine Drift auf.
2. In beiden Fällen ist ein Spannungs-Offset von 0.40mV bzw. 0.37mV vorhanden.
3. Die Stabilität der gemessenen Ausgangsspannung beträgt für beide Messungen ca.
1 · 10−5 V.
35
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
5 0 0 0 ,4 3
7,211
5 0 0 0 ,4 0
1 0 ,4 2
1 0 ,4 0
Amplitude Ithaco (V)
5 0 0 0 ,3 4
N u d a q C h a n n e l 1 (m V )
7,210
5 0 0 0 ,3 7
7,209
360
365
370
375
7,208
7,207
1 0 ,3 8
1 0 ,3 6
7,206
0
3 0
6 0
9 0
Z e it (M in )
1 2 0
1 5 0
1 8 0
0
50
100
150
200
250
300
350
Zeit (Min)
Abb. 3.7: Links: Zeitliche Stabilität einer an der D/A-Wandlerkarte ausgegebenen Gleichspannung von 5V (oben) bzw. 10mV (unten). Rechts: Zeitliche Stabilität der
Ausgangsspannung am Lock-In-Verstärker bei sinusförmigem Eingangssignal.
Zwecks Optimierung der relativen Stabilität und Minimierung des Spannungs-Offsets
empfiehlt es sich, an der D/A-Wandlerkarte möglichst große Ausgangsspannungen anzuweisen und die tatsächlich benötigten Werte mittels eines Spannungsteilers zu erzeugen.
Lock-In-Verstärker Zur Charakterisierung der Stabilität des verwendeten Lock-InVerstärkers Ithaco 3961 wird eine sinusförmige Wechselspannung (Frequenz 50kHz, Amplitude 10mV, Signalquelle HP 3314A, Integrationszeit 100ms) auf den Signaleingang,
das TTL-Triggersignal identischer Frequenz auf die Eingangsbuchse des Referenzsignals
gegeben. Die Ausgangsspannung des Lock-In-Verstärkers wird ebenfalls mittels eines Nanovoltmeters über einen Zeitraum von mehreren Stunden aufgezeichnet. Die Messdaten
sind im rechten Teil der Abb. 3.7 dargestellt. Ob die auf die Signalamplitude normierte
relative Drift des Ausgangssignals von ca. 3 · 10−4 auf eine Instabilität des verwendeten
Funktionengenerators oder des Lock-In-Verstärkers zurückzuführen ist, lässt sich nicht
beurteilen. Die relative Stabilität der Ausgangsspannung im grau markierten Bereich
(vergrößerte Darstellung siehe Inset) beträgt ca. 3 · 10−5 . Beide Werte liegen unterhalb
der spezifizierten Leistungs- und Polarisationsstabilität der verwendeten Laserquelle und
werden daher das Auflösungsvermögen des Gesamtaufbaus nicht limitierend beeinflussen.
Für die geplanten Kerr-Messungen mit doppelter Modulation ist ferner interessant, wie
sich die relative Stabilität des Ausgangssignals am Lock-In-Verstärker als Funktion der
Integrationszeit verhält. Mittels des Funktionengenerators HP 3314A wird wiederum eine
sinusförmige Wechselspannung erzeugt (Frequenz 50kHz, Amplitude 100µV) und auf die
Signal-Eingangsbuchse des Lock-In-Verstärkers gegeben. Mittels eines Nanovoltmeters
wird die Spannung an der Singalausgangsbuchse 100mal ausgelesen. Die Standardabweichung der Messreihe normiert auf den Mittelwert wird als Maß für die Stabilität der
36
3.6 Zeitliche Stabilität der verwendeten Komponenten
Standardabweichung / Bestwert
8E-4
6E-4
4E-4
2E-4
1
10
t
100
int
(ms)
1000
Signal Photodiode (V)
Signal Photodiode (V)
1E-3
6,00
5,97
Polarisator
5,94
Photo CUBE
5,91
diode
5,88
0
25
50
75
100
6,84
6,80
6,76
Photo CUBE
6,72
diode
6,68
0
25
50
75
100
Zeit (Min)
Abb. 3.8: Links: Abhängigkeit der relativen Stabilität bei der Messung einer 50kHzWechselspannung als Funktion der am Lock-In-Verstärker eingestellten Integrationszeit. Rechts: Leistungs- und Polarisationsstabilität der verwendeten Laserquelle unmittelbar nach dem Einschalten. Die Oszillationen verschwinden erst
nach ca. einer Stunde Laufzeit.
Messung herangezogen. Erwartungsgemäß zeigt der linke Teil der Abb. 3.8, dass sich
die Stabilität bei Herabsetzung der Integrationszeit tendenziell verschlechtert. Selbst
beim kleinsten zugänglichen Wert von 1ms liegt sie jedoch bei einer Signalfrequenz von
50kHz noch in derselben Größenordnung wie die Stabilität bei 1000ms Integrationszeit.
Für Messungen mit zweifacher Modulation bedeutet dies, dass die Integrationszeit ohne
große Einbußen im Auflösungsvermögen auf den niedrigsten Wert gesetzt werden kann.
Laserquelle Zur Bestimmung der Leistungs- und Polarisationsstabilität der Laserquelle nach dem Einschalten wird der Strahl durch einen Glan-Thompson-Linearpolarisator
geschickt, die Intensität mittels einer Silizium-Photodiode und eines Nanovoltmeters gemessen und über einen Zeitraum von ca. 100 Minuten aufgezeichnet. Der zeitliche Verlauf
der Intensität ist im oberen rechten Teil der Abb. 3.8 dargestellt. Unmittelbar nach dem
Einschalten des Lasers treten starke Oszillationen in der gemessenen Intensität auf. Wie
eine analoge Messung ohne Linearpolarisator zeigt (vgl. Abb. 3.8 rechts unten), handelt
es sich nicht nur um eine Polarisationsinstabilität, sondern ebenfalls um Schwankungen der Ausgangsleistung. Um eine möglichst stabile Ausgangsleistung zu gewährleisten,
wird für sämtliche Kerr-Messungen die Laserquelle mindestens eine Stunde vor Beginn
der Messungen eingeschaltet.
Temperaturstabilität Um einen Einfluss von Schwankungen in der Umgebungsluft
auf die Messergebnisse (evtl. Langzeitdrift je nach Steuerungsmechanismus der im Laborraum installierten Klimaanlage) auszuschließen, wird die Temperatur der Umgebungsluft
37
R = 0.45
R = 0.50
R = 0.55
0
2
Signalverlauf Photodiode (willk. Einheiten)
Signalverlauf Photodiode (willk. Einheiten)
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
R = 0.48
R = 0.50
0
Abb. 3.9: Links: Berechnete Signalverläufe für einen PEM unter 45◦ zwischen gekreuzten
Polarisatoren mit verschiedenen Retardierungen. Rechts: Gemessene Signalverläufe für verschiedene Retardierungen. Für R=0.50 treten bereits die charakteristischen Überschwinger auf, für R=0.48 zeigen sich die Plateaus. Alle Kurven
sind zwecks besserer Erkennbarkeit vertikal gegeneinander verschoben.
über einen Zeitraum von fünf Tagen aufgezeichnet. Die gemessenen Werte schwanken
zwischen 21.1◦ C und 21.6◦ C. Aufgrund der guten Stabilität wird man keinen Einfluss
auf das Auflösungsvermögen der Kerr-Messung erwarten.
3.7 Inbetriebnahme des Kerr-Aufbaus
Kalibrierung des Modulators Am Controller des photoelastischen Modulators lässt
sich nach Eingabe der Wellenlänge des verwendeten Lichtes die gewünschte Retardierung
einstellen. Zur Überprüfung der internen Kalibrierung wird folgender Aufbau verwendet:
Der Laserstrahl durchläuft den PEM, welcher um 45◦ verkippt zwischen zwei gekreuzten
Glan-Thompson-Polarisationsprismen positioniert ist. Der zeitliche Verlauf des Signals
wird mit einer Silizium-Photodiode detektiert und mit Hilfe eines digitalen Speicheroszilloskops aufgezeichnet. Der erwartete Signalverlauf lässt sich mit dem in Kapitel 3.3
vorgestellten Formalismus berechnen. Abb. 3.9 zeigt auf der linken Seite die berechneten
Signalverläufe für Retardierungen von R=0.45, 0.50 und 0.55. Im Falle einer Retardierung von exakt λ2 ergibt sich ein charakteristisches Plateau im Signalverlauf. Für kleinere Retardierungen tritt eine Abrundung des Plateaus auf, für größere Retardierungen
ergeben sich kleine Überhöhungen im Signalverlauf. Auf der rechten Seite derselben Abbildung sind die gemessenen Signalverläufe für die eingestellten Retardierungen R=0.50
bzw. R=0.48 zu sehen. Für eine eingestellte Retardierung von λ2 ergeben sich bereits
kleine Überschwinger, die charakteristischen Plateaus treten bei einer eingestellten Retardierung von R=0.48 am deutlichsten auf. Möglicherweise liegt die von der Erwartung
abweichende Beobachtung in Vielfachreflexionen an den Grenzflächen des Quarzkristalls
im Modulator begründet. Da allerdings alle optischen Komponenten auf einer Führungsschiene montiert werden, lässt sich der Strahl nicht zur Unterdrückung von Vielfachreflexionen unter einem kleinen Winkel durch den Modulator führen. Für alle folgenden
38
3.7 Inbetriebnahme des Kerr-Aufbaus
8
12 cm
4
x
2
= 4,17 10
0
- 4
rad
(4,61 +
0
1
2
3
12cm
Kerrwinkel
K
(mV)
6
- 4
0,19) 10
4
5
µm-Schraube
rad / mV
6
7
Zeit (Min)
Abb. 3.10: Kalibrierung des Versuchsaufbaus. Mithilfe einer Mikrometerschraube lassen
sich definierte Verkippungen der schnellen Achse des PEMs erreichen, was
eine Zuordnung zwischen Drehwinkel und Ausgangsspannung am Lock-InVerstärker ermöglicht. Die Graphik zeigt das Kerr-Signal für verschiedene Drehwinkel des PEMs.
Messungen wird am PEM daher die Einstellung R=0.48 für eine gewünschte Retardierung von λ2 gewählt.
Bestimmung der Apparatefunktion Neben der Reflexion an der Probenoberfläche kann auch der Durchgang durch die Kryostatenfenster eine Drehung der Polarisationsrichtung des Laserstrahls erzeugen. Thermische Verspannungen im Glas infolge des
Abkühlens sowie der Faraday-Effekt bei angelegtem Magnetfeld sind hierfür verantwortlich. Um eine Missinterpretation später gemessener Kerr-Signale zu verhindern, wird die
Apparatefunktion des Versuchsaufbaus vermessen. Hierzu wird als optisch inaktive Referenzprobe ein Aluminium-Spiegel im Probenraum montiert und bei schrittweiser Erhöhung des Magnetfeldes die Drehung der Polarisationsrichtung des Lichtes gemessen. Um
die Ausgangsspannungen des Lock-In-Verstärkers in einen Winkel umrechnen zu können, wird bei jeder Messreihe folgende Kalibrierungsprozedur durchgeführt: Der Kopf
des Modulators ist drehbar um die z-Achse gelagert, über einen Hebelarm lassen sich
mithilfe einer Mikrometerschraube kleine Verkippungswinkel gegenüber der ursprünglichen Ausgangsposition einstellen (vgl. rechte Seite der Abb. 3.10). Über die einfache
Beziehung
δx
δx
γ = arctan
≈
(3.13)
12cm
12cm
kann der Versatz der Schraube δx in einen Drehwinkel γ umgerechnet werden. Abb. 3.10
zeigt die zeitliche Entwicklung des Signalverlaufs am Detektor, wenn der PEM um
kleine Winkel γ gedreht wird. Deutlich sind die entstehenden Stufen im detektierten
39
3 Konzeption und Aufbau des Experiments
0,175
0,80
Messwerte
0,150
Linearer Fit
Magnetfeld (T)
(rad)
0,75
0,125
Kerrwinkel
0,100
0,075
0,050
(2,77 +
0,025
- 2
0,11) 10
0,70
0,65
rad / T
0,60
0,000
0
1
2
3
4
5
6
0
1
2
3
4
5
Zeit (Min)
Magnetfeld (T)
Abb. 3.11: Links: Faraday-Effekt der Kryostatenfenster. Als Referenzprobe ist ein
Aluminium-Spiegel montiert. Rechts: Stabilisierung des Magnetfeldes. Am
Controller wurde eine Erhöhung der Feldstärke von 0.5T auf 0.75T angewiesen.
Der Nullpunkt der Zeitskala fällt mit dem angezeigten Erreichen des Endwertes
von 0.75T zusammen.
Kerr-Signal zu erkennen. Aus den gewonnenen Wertepaaren werden die Quotienten
Drehwinkel/Spannungshub berechnet. Durch Mittelwertbildung erhält man so einen Kalibrierungsfaktor zur Umrechnung der Ausgangsspannung am Lock-In-Verstärker in einen
Kerrwinkel. Im konkreten Fall ergibt sich dieser zu
(4.61 ± 0.19) · 10−4
rad
.
mV
(3.14)
Der relative Fehler von ≈ 4% entsteht durch die endliche Einstellgenauigkeit der Mikrometerschraube, sodass die Stufen im Signal trotz nominell gleichen Versatzes δx unterschiedlich hoch ausfallen. Abb. 3.11 zeigt die Rotation der Polarisationsebene als
Funktion des Magnetfeldes bei Reflexion am erwähnten im Probenraum montierten
Aluminium-Spiegel. Die lineare Abhängigkeit des Faraday-Effektes vom Magnetfeld lässt
sich durch lineare Regression berechnen zu
(2.77 ± 0.11) · 10−2
rad
,
T
(3.15)
wobei sich der relative Fehler aus der Ungenauigkeit der Kalibrierung ergibt. Wird an einer Probe die Magnetfeldabhängigkeit des Kerr-Effektes vermessen, muss entsprechender
Faraday-Beitrag der Fenster jeweils vom erhaltenen Signalverlauf subtrahiert werden4 .
Anmerkung zum Magnetfeld-Sweep Um die Magnetfeldstärke im Probenraum des
Kryostaten zu verändern, wird die Stromstärke durch die supraleitenden Spulen langsam erhöht bzw. erniedrigt. Eine Beobachtung des zeitlichen Verlaufs des Kerr-Signals
4
Da zusätzlich zu den Kryostatenfenstern auch der zylindrische Glaspin des Probenraums eine Drehung
der Polarisationsrichtung erzeugt, welche vom konkreten Strahlengang abhängen kann, empfiehlt es
sich, die Apparatefunktion nach jeder neuen Justage des Aufbaus erneut zu bestimmen.
40
3.7 Inbetriebnahme des Kerr-Aufbaus
am Detektor zeigt, dass das Messprogramm das Erreichen des nominellen Zielwertes
für das Magnetfeld deutlich verfrüht anzeigt. Abb. 3.11 zeigt rechts die Entwicklung des
Kerrsignals, nachdem der Wert von B = 0.75T angeblich erreicht sei. Durch Verwendung
derselben Messkonfiguration wie zur Bestimmung des Faraday-Effektes der Kryostatenfenster im vorangegangenen Kapitel lässt sich mithilfe der Gleichung (3.15) vom gemessenen Kerr-Signal auf die tatsächlich vorhandene Magnetfeldstärke zurückrechnen.
Deutlich ist zu erkennen, dass der Sättigungswert erst nach einigen Minuten erreicht
wird. Bei allen magnetfeldabhängigen Messungen wird daher nach Veränderung des Magnetfeldes vor Beginn der Messung ca. zwei Minuten gewartet, um eine Stabilisierung
der Feldstärke zu gewährleisten.
Einfluss der Laserleistung auf das Auflösungsvermögen Erwartungsgemäß zeigt
sich keine Abhängigkeit des Kerrwinkels von drei verschiedenen stichprobenartig eingestellten Leistungen.
41
4 Kerr-Messungen
4.1 (Zn,Mn)Se-Schicht
Bei Untersuchung komplexer Heterostrukturen wie resonanter Tunneldioden oder semimagnetischer Einzelbarrieren ist es durchaus denkbar, dass neben einer injizierten SpinUngleichgewichtsverteilung, auf deren Nachweis das Experiment abzielt, durch Stromfluss und elektrische Felder eine Vielzahl von Effekten die gemessenen Kerr-Rotationen
beeinflussen und eine Interpretation von Signaturen in den Messdaten erschweren. Als
Beispiel sei an dieser Stelle auf den Franz-Keldysh-Effekt verwiesen: Bereits das sich
an einer Grenzfläche der Heterostruktur ausbildende elektrische Feld ist in der Lage eine Bandverbiegung zu erzeugen, welche den detektierten Kerr-Winkel extrem sensitiv
auf Änderung der Temperatur und Wellenlänge reagieren lässt [Ver09]. Um Missinterpretationen vorzubeugen, wird zunächst die Magnetfeldabhängigkeit der Kerr-Rotation
an einer 40nm dicken (Zn,Mn)Se-Schicht mit einem nominellen Mangangehalt von 4%
untersucht.
4.1.1 Vergleich von Photolumineszenz- und Kerr-Messdaten
An genannter Probe wird zunächst eine Photolumineszenz-Messung (Abk. PL) durchgeführt. Die hierbei ablaufenden Prozesse sind in Abb. 4.1 schematisch skizziert. Mit
Laserlicht, dessen Photonenenergie größer als die Energie der fundamentalen Bandlücke
des Materials gewählt ist, werden Elektronen vom Valenz- ins Leitungsband angeregt.
Beide Ladungsträger erfahren eine Energie- und Impulsrelaxation zur jeweiligen Bandkante durch Aussendung zunächst longitudinal optischer, dann longitudinal akustischer
Phononen. Typische Zeitskalen für diese Relaxationsprozesse liegen in der Größenordnung von 1 bis 100ps [Sha99]. Vom Γ-Punkt der 1. Brillouin-Zone aus findet strahlende
Rekombination der gebildeten Exzitonen statt. Durch Detektion des ausgesandten Lumineszenzlichtes lässt sich auf die energetische Struktur des Halbleiters in der Umgebung
des Γ-Punktes zurückschließen.
Als Quelle für die Anregung ins Leitungsband dient ein Diodenlaser mit Emissionswellenlänge von 405nm, die Anregungsleistung beträgt lediglich 100µW, um das Mangansystem der untersuchten Probe nicht zu überheizen [Kel01]. Die Rekombinationsstrahlung
(Lumineszenz) wird mithilfe eines Objektivs auf den Eingangsspalt eines Einfachspektrometers vom Typ Jobin Yvon HR1000 mit 1m Fokuslänge fokussiert. Die Detektion der
spektral zerlegten Lumineszenz erfolgt mittels einer Stickstoff-gekühlten CCD-Kamera
(Princeton Instruments CCD-1100-PF/UV ).
43
4 Kerr-Messungen
mj
Γ6
+ 12
Γ6
− 12
Relaxation
σ−
Rekombination
Anregung
σ+
− 32
Γ8
− 12
Γ8
+ 12
+ 32
B=0
B 6= 0
Abb. 4.1: Links: Zustandekommen des PL-Signals. Durch optische Anregung werden Elektronen vom Valenz- ins Leitungsband gehoben und erfahren Energie- und Impulsrelaxation über Phononen-Emission. Die Exzitonen am Γ-Punkt rekombinieren
unter Aussendung von Photonen. Rechts: Aufspaltung der Γ6,8 -Bänder semimagnetischer II-IV-Halbleiter im Magnetfeld. Die energetische Abfolge der durch
mj indizierten Niveaus begründet sich aus dem Vorzeichen der Austauschintegrale α, β [Fur88], [Goe88]. Die Pfeile deuten dipol-erlaubte optische Übergänge
(∆mj = ±1) in Faraday-Geometrie an. In Voigt-Geometrie wären zusätzlich πPolarisationskomponenten mit ∆mj = 0 zu beobachten. Aufgrund thermischer
Besetzungsverhältnisse dominiert der rot markierte Übergang.
Die vom Magnetfeld abhängige Energie jener Exzitonen, deren Rekombinationsstrahlung in Faraday-Geometrie beobachtet werden kann, berechnet sich für semimagnetische
Halbleiter nach den in Kapitel 2.1.2 dargestellten Aufspaltungen der Bänder zu [Goe88]
hMz i
1
,
EX (B) = EX (B = 0) ± xM n N0 (α − β)
2
g M n µB
(4.1)
wobei EX (B = 0) die Exzitonen-Energie für verschwindendes Magnetfeld bezeichnet.
Abb. 4.1 zeigt auf der rechten Seite die energetische Abfolge der im Magnetfeld aufgespaltenen Valenz- und Leitungsbänder von (Zn,Mn)Se. Eingezeichnet sind des Weiteren die
gemäß der optischen Auswahlregel ∆mj = ±1 erlaubten Übergänge für σ ± -Polarisation.
Aufgrund des thermischen Besetzungsverhältnisses nach Boltzmann der für B 6= 0 energetisch getrennt liegenden Äste beobachtet man nur σ + -Polarisationskomponenten im
detektierten PL-Signal.
Die energetischen Positionen der Übergänge werden aus den PL-Spektren herausgelesen und als Funktion des Magnetfeldes aufgetragen. Das Ergebnis ist in Abb. 4.2 graphisch dargestellt. Deutlich erkennbar ist die Verschiebung der Energieniveaus gemäß
einer Brillouin-Funktion, vgl. Kapitel 2.1.2. Der Verlauf der Messwerte lässt sich mit
Gleichung (4.1) unter Ausnutzung der in (2.7), (2.8) angegebenen Relationen fitten. Die
Anpassung an die Messdaten liefert in Übereinstimmung mit dem nominellen Wert einen
Mangangehalt von x = 4.3%.
44
4.1 (Zn,Mn)Se-Schicht
0,25
2,86
T
=
1.8K
x
=
4.3%
Mn
hh
0,20
(rad)
2,82
lh
+
2,80
lh
444nm
0,15
K
-
Kerrwinkel
PL - Peak (eV)
2,84
2,78
0,10
0,05
+
hh
2,76
0,00
0
1
2
3
Magnetfeld
4
5
(T)
6
0
1
2
3
4
5
6
Magnetfeld (T)
Abb. 4.2: Links: Energetische Position der im PL-Spektrum erkennbaren Übergänge einer
40nm dicken (Zn,Mn)Se-Schicht mit Brillouin-Fit. Die gestrichelten Kurven deuten die Lage der energetisch höher liegenden optischen Übergänge an. Rechts:
Magnetfeldabhängigkeit der gemessenen Kerr-Rotation derselben Probe. Stimmt
+
die Energie der Laserstrahlung (λ =444nm) mit der Übergangsenergie des σhh
Übergangs überein, beobachtet man eine resonante Überhöhung des Kerrsignals.
An derselben Struktur wird ferner der Kerrwinkel bei Reflexion an der Probenoberfläche
in Abhängigkeit des Magnetfeldes gemessen. Hierzu wird der im vorangegangenen Kapitel 3 beschriebene experimentelle Aufbau genutzt, die Emissionswellenlänge der verwendeten Laserquelle beträgt λ = 444nm. Die um den Faraday-Effekt der Kryostatenfenster
bereinigten Daten sind im rechten Teil der Abb. 4.2 dargestellt. Deutlich erkennt man
eine resonante Überhöhung des Kerrsignals, wenn die Laserwellenlänge energetisch mit
dem Übergang Γ8,hh → Γ6 übereinstimmt, vgl. linke Seite der Abb. 4.2. Der Resonanz
überlagert ist ein mit wachsendem Magnetfeld nichtlinear ansteigender Untergrund.
4.1.2 Simulation der Messdaten
Um die magnetfeldabhängige Entwicklung des Kerr-Signals mittels des in Kapitel 2.3
angegebenen Formelapparates zu simulieren, bedarf es der Kenntnis der dielektrischen
Funktion von (Zn,Mn)Se. Gleichung (2.32) zeigt deutlich, dass e
(ω) eng verknüpft ist
mit dem Verlauf der Energiebänder im reziproken Raum. Der Imaginärteil der dielektrischen Funktion i (ω) nimmt dann große Werte an, wenn Valenz- und Leitungsband
über einen gewissen Bereich des k-Raumes parallel verlaufen: Die Summation über die
Deltafunktion δ (Ec (k) − Ev (k) − ~ω) sorgt in einem solchen Fall dafür, dass die Beiträge eines Kontinuums von k-Werten derselben Übergangsenergie ~ω zugeschlagen werden
und sich eine ausgeprägte Resonanz in i (ω) ergibt. Solche Bereiche der Bandstruktur
werden als kritische Punkte bezeichnet und charakterisieren die optischen Eigenschaften eines Festkörpers. Stellt man den Verlauf Ecv (k) in der Umgebung eines kritischen
Punktes an der Stelle k = 0 als eine Reihenentwicklung zweiter Ordnung in den Komponenten des Wellenvektors k = (k1 , k2 , k3 ) dar (für den Gradienten gilt am kritischen
45
4 Kerr-Messungen
Abb. 4.3: Bandstruktur
von
ZnSe,
berechnet
von
J. R. Chelikowsky et al.
mittels einer PseudopotentialMethode [Che76]. Die eingezeichneten Pfeile deuten die
Lage jener kritischer Punkte
an, welche in das Modell
der dielektrischen Funktion
eingehen [Ada91].
Punkt definitionsgemäß ∇Ecv (k) ≡ 0)
Ecv (k) = E(0) + c1 k12 + c2 k22 + c3 k32 ,
(4.2)
so besteht eine Möglichkeit der Klassifizierung kritischer Punkte in der Anzahl negativer
Koeffizienten ci , welche die Entwicklung (4.2) aufweist. M0 bezeichnet ein Minimum
in Ecv (k), keiner der Koeffizienten ci ist negativ. Im Falle eines M1 oder M2 kritischen
Punktes ergibt sich ein Sattelpunkt. Sind an einem M3 kritischen Punkt alle Koeffizienten
negativ, entspricht dies einem Maximum im Bandabstand Ecv (k) [Yu99].
Abb. 4.3 zeigt den Verlauf der Bandstruktur von ZnSe im reziproken Raum, wie er
von J. R. Chelikowsky et. al. mittels einer Pseudopotentialmethode berechnet wurde
[Che76]. Die senkrechten Pfeile deuten qualitativ die Lage dreier kritischer Punkte E0 ,
E1 , E2 an, an denen der Gradient ∇Ecv (k) verschwindet. S. Adachi et al. geben in
[Ada91] die dielektrische Funktion e
(ω) = r (ω) + ii (ω) von ZnSe als Summe analytischer Funktionen an, welche sie den eingezeichneten kritischen Punkten zuordnen. In die
Modellfunktion gehen die folgenden Beiträge ein:
• E0 und E0 + ∆0 Übergänge
Die energetische Differenz zwischen Leitungs- und Valenzbändern nimmt am ΓPunkt ein Minimum an. Dieser kritische Punkt gehört zum Typ M0 [Yu99] und
beschreibt eine direkte Absorptionskante. Sein Beitrag zur dielektrischen Funktion
46
4.1 (Zn,Mn)Se-Schicht
e
(ω) lässt sich folgendermaßen modellieren:
"
#
3/2
E0
A
1
e
(ω) = 3/2 f (χ0 ) +
f (χs.o. )
2 E0 + ∆0
E0
p
p
1 f (χ) = 2 2 − 1 + χ − 1 − χ
χ
~ω + iΓ
~ω + iΓ
, χs.o. =
.
χ0 =
E0
E0 + ∆0
(4.3a)
(4.3b)
(4.3c)
E0 bezeichnet die direkte Bandlücke des Materials, ∆0 jene Energiedifferenz, um
welche das Γ7 von den Γ8 -Bändern getrennt liegt (vgl. Kapitel 2.1.1). Die Breite
des Übergangs wird durch die Größe Γ erfasst. Energetisch unterhalb der direkten
Absorptionskante existieren exzitonische Übergänge, deren Beiträge zu e
(ω) durch
Lorentz-förmige Linien erfasst werden. G0 bezeichnet die Exzitonen-Bindungsenergie.
"
!#
∞
X
A0x
1
1
1
e
(ω) =
+
(4.4)
0
0
n3 E0 − G
− ~ω − iΓ 2 E0 + ∆0 − G
− ~ω − iΓ
n2
n2
n=1
• E1 und E1 + ∆1 -Übergänge
Die zugehörigen kritischen Punkte liegen entlang der h111i-Richtung in der Brillouinzone und gehören zum Typ M1 [Ada87]. Aufgrund der hyperboloiden Form der
Flächen konstanter Energie in der Umgebung von M1 kritischen Punkten [Yu99]
bezeichnet man die zugehörigen Exzitonen als hyperbolische Exzitonen. Die im
Vergleich zu den transversalen deutlich größere longitudinale effektive Masse in
entsprechender Kristallrichtung erlaubt jedoch die Näherung, die genannten Exzitonen als solche eines zweidimensionalen kritischen Punktes vom Typ M0 zu behandeln. Ihr Beitrag zur dielektrischen Funktion wird dann wiederum durch eine Serie
Lorentz-förmiger Linien erfasst. G1 bezeichnet die Exzitonen-Bindungsenergie, Γ1
ihre spektrale Breite.
!
∞
X
1
B1x
B2x
e
(ω) =
+
G1
G1
(2n − 1)3 E1 − (2n−1)
E1 + ∆1 − (2n−1)
2 − ~ω − iΓ1
2 − ~ω − iΓ1
n=1
(4.5)
• E2 -Übergänge
Dieser kritische Punkt lässt sich keiner Kategorie der wohldefinierten Punkte M0-3
zuordnen. Ein Vergleich mit empirischen Daten zeigt jedoch, dass sich zur Modellierung seines Beitrages zur dielektrischen Funktion der Ansatz eines gedämpften
harmonischen Oszillators mit Dämpfungskonstante γ eignet.
e
(ω) =
C
(1 −
χ22 )
− iχ2 γ
, χ2 =
~ω
E2
(4.6)
47
4 Kerr-Messungen
• Jede Resonanz im Imaginärteil der dielektrischen Funktion erzeugt gemäß der
Kramers-Kronig-Relationen (2.33) eine Erhöhung des Realteils r (ω) für Frequenzen ω, welche unterhalb der jeweiligen Resonanzfrequenz liegen. Sämtlichen energetisch höher liegenden Übergängen wird durch eine Konstante ∞ = 1.2 Rechnung
getragen, deren Wert sich aus dem Vergleich mit experimentellen Daten (siehe
unten) ergibt.
Die von S. Adachi et al. berücksichtigten Beiträge zu e
(ω) lassen sich zwar aus der
in Abb. 4.3 gezeigten Bandstrukturrechnung motivieren, ihre konkrete Ausformulierung
orientiert sich jedoch an einer möglichst guten Anpassung der Modellfunktion an experimentell ermittelte Ellipsometrie-Daten1 , mittels derer sie auch die numerischen Werte der Parameter festlegen. Bereits geringfügige Oberflächenunreinheiten (beispielsweise Oxidschichten von lediglich 10Å Dicke [Yu99]) beeinflussen bei dieser Messmethode
den ermittelten Verlauf der dielektrischen Funktion enorm. Kryostatenfenster, welche
infolge des Abkühlprozesses mechanische Verspannungen im Glas aufweisen, verändern
den Polarisationszustand des einfallenden Lichtes und verfälschen die Ergebnisse einer
Ellipsometrie-Messung ebenfalls. Aus diesem Grund liegen Ellipsometrie-Daten in der
Regel nur für Messungen bei Raumtemperatur vor.
Um eine Modellfunktion für e
(ω) zu erhalten, welche die optischen Eigenschaften von
(Zn,Mn)Se bei 1.8K reproduziert, werden die in [Ada91] für reines ZnSe bei 300K angegebenen Parameter als Ausgangswerte herangezogen. Die an der Probe gemessenen
magnetfeldabhängigen Kerr-Rotationen reagieren besonders sensitiv auf den Verlauf der
dielektrischen Funktion in unmittelbarer Nähe der verwendeten Laserwellenlänge. Die
Festlegung der in die Simulation eingehenden Parameter orientiert sich daher soweit möglich an zugänglichen Primärdaten. Speziell für die Übergänge des E0 kritischen Punktes
können diese aus den PL-Daten extrahiert werden. Für die energetisch weiter entfernt
liegenden kritischen Punkte E1,2 werden die Parametersätze aus [Ada91] übernommen.
Der Wert der direkten Bandlücke von (Zn,Mn)Se bei 2K lässt sich für die ermittelte
Mangankonzentration von 4.3% gemäß Gleichung (2.2) berechnen, der Wert für ∆0 ist
ebenfalls in Kapitel 2.1.1 angegeben. Abb. 4.4 zeigt exemplarisch das PhotolumineszenzSpektrum der untersuchten (Zn,Mn)Se-Schicht bei einem angelegten Magnetfeld von 6T.
Die geringe Signalqualität erklärt sich aus der niedrigen Anregungsleistung von lediglich
100µW sowie der geringen Schichtdicke der Probe von 40nm. Die Linienbreite, welche sich
aus einem Lorentz-Fit der Messdaten ergibt, beträgt 3.5meV und legt damit die spektrale Breite Γ der zum E0 kritischen Punkt gehörigen Exzitonen-Übergänge fest. Zusätzlich
zur Exzitonen-Bindungsenergie von G0 = 19.5meV [Lan99] müssen zur korrekten Beschreibung der energetischen Lage der Übergänge die Verspannungsverhältnisse in der
1
Die spektroskopische Ellipsometrie ist eine Standard-Methode, um die dielektrische Funktion eines
Festkörpers auszumessen. Monochromatisches linear polarisiertes Licht fällt unter einem beliebigen
Winkel auf die Probenoberfläche und erfährt aufgrund der unterschiedlichen Reflexionskoeffizienten für s- und p-Polarisationskomponenten eine Elliptizität. Mittels einer Kompensator/AnalysatorKombination können die Reflektivitäten für s- und p-Polarisationskomponenten ermittelt werden und
bei bekanntem Einfallswinkel lässt sich mit Hilfe der Fresnel-Formeln auf den komplexen Brechungsindex n
e(ω) und damit auf e
(ω) zurückrechnen [Azz77], [Yu99].
48
4.1 (Zn,Mn)Se-Schicht
T = 1.8K
E
Intensität PL (willk. Einheiten)
B = 6.0T
E
Ec
∆Elh
Ehh
∆Ehh
Elh
kz
2,745
2,750
2,755
2,760
kz
2,765
(eV)
Abb. 4.4: Links: Photolumineszenz-Spektrum der (ZnMn)Se-Schicht bei 6T. Ein Lorentzförmiger Fit der Messdaten ergibt eine spektrale Linienbreite Γ des Übergangs
von 3.5meV. Rechts: Schematische Darstellung der Γ6,8 -Bänder eines Halbleiters mit Zinkblende-Struktur in der Umgebung von k = 0 ohne Verspannung
(Symmetriegruppe Td , rechts) sowie unter biaxialer kompressiver Verspannung
(Symmetriegruppe D2d , links) [Loz91].
Probe berücksichtigt werden. Die (Zn,Mn)Se-Schicht wurde ohne Pufferschichten auf ein
GaAs-Substrat aufgewachsen. Durch die unterschiedlichen Gitterkonstanten von GaAs
und (Zn,Mn)Se ergibt sich eine biaxiale kompressive Verspannung in der Ebene senkrecht zur Wachstumsrichtung (vgl. Kapitel 2.4). Die Zinkblende-Symmetrie Td in der
(Zn,Mn)Se-Schicht wird auf die Symmetriegruppe D2d reduziert [Kud92]. Während sich
die energetische Lage des Γ6 -Leitungsbandes aufgrund seines s-artigen Charakters nicht
verändert, wird die Valenzband-Entartung am Γ-Punkt aufgehoben und die p-artigen
hh- und lh-Subbänder erfahren eine energetische Verschiebung (Skizze siehe rechte Seite
der Abb. 4.4), welche sich gemäß [Kud92] berechnet zu
a(Zn,M n)Se − aGaAs
aGaAs
C11 − C12
C11 + 2C12
+b
= −2a
C11
C11
C11 + 2C12
C11 − C12
= −2a
−b
.
C11
C11
=
∆Ehh
∆Elh
(4.7a)
(4.7b)
(4.7c)
Die zusätzliche Verspannung, welche aus den unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten der beteiligten Materialien resultiert, dominiert den Wert für , sobald das aufwachsende Material seine kritische Schichtdicke erreicht und zu relaxieren
beginnt. Für ZnSe auf GaAs beträgt diese kritische Schichtdicke ca. 150nm [Kud92] und
ist im vorliegenden Fall demnach nicht erreicht. Eine zusätzliche thermische Verspannung
49
4 Kerr-Messungen
E
10
1
(Zn,Mn)Se
E +
5
E
r
0
E +
0
1
1
0
i
0
(E )
B > 0
0,05
2
0,00
K
-0,05
0
1
2
3
4
5
6
(eV)
Abb. 4.5: Real- und Imaginärteil der dielektrischen Funktion von (Zn,Mn)Se sowie zugehörige kritische Punkte. Anmerkung zu den verwendeten Parametern siehe Text.
Im unteren Teil der Abbildung ist der berechnete Verlauf des Kerrwinkels θK
als Funktion der Probe-Wellenlänge gezeigt, wie er sich in (Zn,Mn)Se bei angelegtem Magnetfeld ergibt. Maximales Signal erhält man für Wellenlängen knapp
unterhalb der zum E0 kritischen Punkt gehörenden Exzitonen-Übergänge.
muss für die hier untersuchte Probe daher keine Berücksichtigung finden. Mithilfe der
Gleichungen (4.7) berechnet sich ∆Ehh zu ca. 5meV. Der Verlauf des Real-und Imaginärteils der dielektrischen Funktion, der sich als Summe der diskutierten Beiträge ergibt,
ist im oberen Teil der Abb. 4.5 dargestellt. Für die Breite der Exzitonen-Übergänge Γ
wurde zwecks besserer Übersichtlichkeit in der Darstellung ein Wert von 10meV statt
3.5meV eingesetzt. Mittels der in Kapitel 2.3 angegebenen Beziehungen lässt sich aus der
Modellfunktion für e
(ω) der Verlauf der Kerr-Rotation bei nichtverschwindendem Magnetfeld B als Funktion der Probe-Energie (d. h. Photonenenergie ~ω der zur Messung
verwendeten Laserwellenlänge) berechnen. Hierfür werden die dielektrischen Funktionen
für σ ± -Polarisation energetisch gemäß der Fitfunktion (4.1) gegeneinander verschoben.
Das Ergebnis der Simulation ist im unteren Teil der Abb. 4.5 dargestellt. Das Signal
fällt für jene Energien groß aus, bei denen die gegensinnigen Helizitäten σ ± stark unterschiedliche Absorptionskoeffizienten aufweisen. Dies ist speziell im Bereich der zum
E0 kritischen Punkt gehörenden Exzitonen-Übergänge zu beobachten. Abb. 4.6 verdeutlicht damit nochmals die getroffene Wahl der Laserwellenlänge bei der Konzeption des
Versuchsaufbaus.
Um den Verlauf der Messdaten als Funktion des Magnetfeldes zu simulieren, wird die
Probe-Energie auf die Laserwellenlänge von 444nm festgesetzt und der zu erwartende
Verlauf der Kerr-Rotation berechnet. In Abb. 4.6 ist das Ergebnis der Simulation dargestellt, wenn nur die Beiträge der Schwerlochübergänge zur dielektrischen Funktion
berücksichtigt werden (gestrichelte Linie). Die Annahme erscheint zunächst gerechtfer-
50
4.1 (Zn,Mn)Se-Schicht
0,25
Messwerte
Beitrag
Beitrag
8,lh
6
8,hh
6
Gesamt-Fit
0,15
Kerrwinkel
K
(rad)
0,20
0,10
0,05
0,00
0
1
2
3
4
5
6
Magnetfeld (T)
Abb. 4.6: Links: Magnetfeldabhängige Kerr-Rotation an einer (Zn,Mn)Se-Schicht mit Fitfunktion (vgl. Text). Die Beiträge des hh- und lh-Subbandes zum Kerrwinkel sind
unterbrochen eingezeichnet.
tigt, da die entsprechenden Übergänge auch im PL-Spektrum auftreten. Der Vergleich
mit den Messdaten zeigt, dass die Simulation die energetische Lage des Maximums korrekt reproduziert. Der nichtlinear ansteigende Untergrund für größere Magnetfelder wird
hingegen nicht erfasst. An dieser Stelle wird ein fundamentaler Unterschied zwischen
Photolumineszenz- und Kerr-Messungen deutlich. Während in PL-Spektren aufgrund
thermischer Besetzungsverhältnisse nur energetisch begünstigte Übergänge beobachtet
werden können, tragen in einer Kerr-Messung auch solche Zustände zum Signal bei,
die höhere Übergangsenergien aufweisen. Im hier betrachteten Fall liegt neben dem
Γ8,hh → Γ6 Übergang auch der Γ8,lh → Γ6 Übergang energetisch nahe genug an der
Laserwellenlänge, um signifikante Beiträge zum Kerrwinkel zu produzieren. Berücksichtigt man den genannten Übergang in der Simulation, so erreicht man die beste Anpassung
an die gemessenen Datenpunkte, wenn eine Verspannungsenergie der Leichtlöcher von
∆Elh = 22.5meV angenommen wird. Gleichung (4.7) sagt für ∆Elh einen theoretischen
Wert von 23.7meV voraus.
Bemerkenswert an diesem Ergebnis ist, dass die Simulation nicht nur den qualitativen
Verlauf der Messdaten korrekt reproduziert, sondern dass die berechneten Kerrwinkel
auch quantitativ mit den Messdaten übereinstimmen. Bei hinreichend detailliert bekanntem Verlauf der dielektrischen Funktion im Bereich der verwendeten Laserwellenlänge
lassen sich im direkten Vergleich mit den Messdaten sogar Aussagen über die individuelle
Verspannungssituation der Heterostruktur treffen. Der in die Simulation aus Abb. 4.6
eingegangene Parametersatz findet sich nochmals in Tabelle 4.1 zusammengefasst.
51
4 Kerr-Messungen
Parameter
Wert
Quelle
Anmerkung
E0
∆0
A
Γ
A0x
G0
B1x
B2x
Γ1
E1
∆1
G1
E2
γ
C
∞
C11
C12
a
b
2.821eV
430meV
23.4
3.5meV
0.035
19.5meV
2.31
1.16
370meV
4.984eV
292meV
234meV
6.7eV
200meV
1.6
1.2
88.8GPa
54.0GPa
-5.0eV
-1.15eV
[Kel04]
[Wör97]
[Ada91]
PL-Messung
Fit θK (B) an Messdaten
[Lan99]
[Ada91]
[Ada91]
[Ada91]
[Kvi04], [Ada91]
[Kvi04], [Ada91]
[Ada91]
[Ada91]
[Ada91]
[Ada91]
[Ada91]
[Lan99]
[Lan99]
[Lan99]
[Lan99]
konsistent mit PL-Messung
Linienbreite Lorentz-Fit
vgl. [Ada91]: 0.03
konsistent mit PL-Messung
[Ada91] nicht eindeutig
[Ada91] nicht eindeutig
Wert
Wert
Wert
Wert
für
für
für
für
ZnSe
ZnSe
ZnSe
ZnSe
übernommen
übernommen
übernommen
übernommen
Tabelle 4.1: Zusammenfassung des für die Simulation verwendeten Parametersatzes.
4.2 Einzelbarrieren-Struktur
4.2.1 Probendesign
Abb. 4.7 zeigt im linken Teil die epitaktische Schichtfolge der semimagnetischen Einzelbarriere mit der Probennummer CB3502. Im rechten Teil derselben Abbildung sind ein
schematischer Schnitt parallel zur Wachstumsrichtung sowie eine Ansicht der Probenoberfläche nach erfolgter lateraler Strukturierung dargestellt. Mittels optischer Lithograhie (vgl. hierzu die Darstellung in Abb. 5.7) und einem trockenchemischen Ätzverfahren (engl. Chemically Assisted Ion Beam Etching, Abk. CAIBE) zur Materialabtragung
werden die Türmchen (engl. Pillars) erzeugt, durch welche der Stromfluss stattfindet.
Nach der Freilegung der hochleitenden Schicht werden hierauf Ringkontakte aus Titan/Gold aufgedampft (Bottom-Kontakt). Die in situ-Metallschicht auf der Probenoberfläche (Top-Kontakt) wird ebenfalls mit zusätzlichem Metall verstärkt, um später mittels
Ultraschallbondens Kontaktdrähte anbringen zu können. In den Top-Kontakt der Pillars werden ferner Fenster mit 250µm Durchmesser strukturiert. Die Entfernung der in
situ-Metallisierung im Innern soll verhindern, dass später ein Großteil der einfallenden
Strahlungsintensität am Metallkontakt reflektiert wird.
52
4.2 Einzelbarrieren-Struktur
Structure of CB3502
10nm Al / 10nm Ti / 30nm Au
30
15
10
20
10
10
100
300
20
50
20
50
20
50
20
50
20
50
200
Material
ZnSe
ZnBe(3%)Se
ZnSe
ZnBe(7%)Mn(8%)Se
ZnSe
ZnBe(3%)Se
ZnSe
ZnBe(3%)Se
ZnBe(10%)Se
ZnSe
ZnBe(10%)Se
ZnSe
ZnBe(10%)Se
ZnSe
ZnBe(10%)Se
ZnSe
ZnBe(10%)Se
ZnSe
ZnBe(3%)Se
GaAs
Subst. GaAs:Si
n
2E+19
1E+18
i
i
i
1E+18
2E+19
2E+19
i
i
i
i
i
i
i
i
i
i
2E+19
i
1-5e18
(Zn,Be,Mn)Se
(Zn,Be,Mn)Se
(Zn,Be)Se
(Zn,Be)Se
GaAs-Substrat
GaAs-Substrat
850µm
500µm
250µm
d / nm
Abb. 4.7: Schematische Darstellungen des Aufbaus einer der verwendeten semimagnetischen Einzelbarrieren. Links: Epitaktische Schichtfolge. Rechts oben: Querschnitt durch einen kontaktierten Pillar mit Fenster im oberen Metallkontakt.
Rechts unten: Draufsicht auf die Probenstruktur. Der blaue Bereich deutet
eine mögliche Lage des Laserspots an.
4.2.2 Messergebnisse und Abschätzung der Signalgröße
Für die Kerr-Messung werden die Proben auf ca. 1.8K abgekühlt und ein Magnetfeld von 6T in Faraday-Geometrie angelegt. Mittels der in Kapitel 3.5 beschriebenen
Doppelmodulations-Technik werden Rechteckspannungen verschiedener Amplitude zwischen Top- und Bottom-Kontakt angelegt und das Signal der Photodiode nacheinander auf 100kHz und 7Hz mit Integrationszeiten von 3ms respektive 10s demoduliert.
Im Rahmen des Auflösungsvermögens des Versuchsaufbaus kann jedoch an den untersuchten Strukturen keine Abhängigkeit des Kerr-Signals von der angelegten Spannung
gefunden werden. Eine mögliche Ursache für diesen Negativ-Befund besteht darin, dass
die Intensität des an der interessierenden Grenzfläche ZnSe/(Zn,Be,Mn)Se reflektierten
Laserlichtes zu gering ist, um Kerr-Rotationen in messbarer Größe zu erzeugen. Um hierüber eine quantitative Abschätzung zu erhalten, wird die im vorangegangenen Abschnitt
beschriebene e
(ω)-Modellfunktion herangezogen und soweit möglich an die auftretenden
Materialien angepasst.
53
4 Kerr-Messungen
Für die Berechnung der Brechungsindices der (Zn,Be,Mn)Se- und ZnSe-Schichten sind
besonders die energetische Lage der Exzitonen-Resonanzen in der Umgebung der verwendeten Laserwellenlänge ausschlaggebend. Um den unterschiedlichen Materialien Rechnung zu tragen, werden für E0 bei 4.2K folgende Werte eingesetzt:
E0 (ZnSe) = 2.8200eV [Kel04]
E0 (ZnBe(7%)Mn(8%)Se) = 3.0305eV [Gra05].
(4.8a)
(4.8b)
Die Werte für die Gitterkonstanten zur Berechnung der Verspannungsenergie können
ebenfalls der umfassenden Tabellierung in [Gra05] entnommen werden. Für die Exzitonenbindungsenergien und Übergangsbreiten der ternären Verbindung (Zn,Be,Mn)Se
sind keine detaillierten Abhängigkeiten von Beryllium- und Mangangehalt bekannt. Die
Annahme, dass die Abschätzung durch Übertragen der ZnSe-Werte nicht wesentlich
verfälscht wird, erscheint in erster Näherung gerechtfertigt. Des Weiteren wird in der
Modellfunktion nur der Beitrag der Schwerloch-Übergänge berücksichtigt. Unter den
genannten Annahmen berechnet sich der Brechungsindex der ZnSe-Schicht für eine Laserwellenlänge von 444nm bei angelegtem Magnetfeld von 6T zu nZnSe = 2.82, derjenige
der ZnBe(7%)Mn(8%)Se-Schicht zu n(Zn,Be,Mn)Se = 2.70. Für die ZnSe/(Zn,Be,Mn)SeGrenzfläche bedeutet dies einen Intensitäts-Reflexionskoeffizienten von ca. 4.4·10−4 . Unter Berücksichtigung des zusätzlichen Intensitätsverlustes an der L4 He/ZnSe-Grenzfläche
entfällt nach dieser Abschätzung nur ein relativer Anteil von ca. 1 · 10−4 auf jenes Licht,
welches an der interessierenden (Zn,Be,Mn)Se-Schicht reflektiert wurde. Selbst eine unrealistisch hohe Kerr-Rotation von 1rad bei Reflexion an der semimagnetischen Einzelbarriere fiele größenordnungsmäßig in den Grenzbereich des experimentellen Auflösungsvermögens dieses Versuchsaufbaus. Erschwerend kommt ferner hinzu, dass der Durchmesser des Laserspots den Durchmesser des Fensters im Top-Kontakt übersteigt und
sich mittels des Justage-Mikroskops zudem nur grob auf dem Fenster zentrieren lässt.
Tritt eine Situation wie im unteren rechten Teil der Abb. 4.7 dargestellt ein, wird bereits
ein Großteil der Intensität des einfallenden Laserstrahls aufgrund seines gaußförmigen
Intensitätsprofils am Metallkontakt reflektiert.
Weder der Versuchsaufbau bietet im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ausrüstung
Optimierungspotential hinsichtlich seines Auflösungsvermögens noch lässt sich die Reflektivität der ZnSe/(Zn,Be,Mn)Se-Grenzfläche (beispielsweise durch eine Erhöhung des
Berylliumgehaltes) hinreichend steigern. Der Kerr-Effekt erweist sich damit als ungeeignet, um den Nachweis einer Spininjektion an der untersuchten semimagnetischen Einzelbarriere zu führen. Die einzig verbleibende Möglichkeit, das Aufspalten der elektrochemischen Potentiale über einen magnetooptischen Effekt nachzuweisen, besteht in der Ausnutzung des Faraday- statt Kerr-Effektes. Da in dieser Messgeometrie sämtliche auf den
Detektor fallende Intensität notwendigerweise die Einzelbarriere durchdrungen hat, verliert die obige Abschätzung ihren limitierenden Charakter. Eine erhöhte Signalamplitude
lässt sich ferner erwarten, da für das Faraday-Signal die Differenz der elektrochemischen
Potentiale über den gesamten Bereich der Aufspaltung aufintegriert wird.
54
5 Herstellung der Transmissionsprobe
Der vollständige epitaktische Aufbau der Probe CB3502 ist im linken Teil der Abb. 4.7
dargestellt. Mit Ausnahme des GaAs-Substrates liegen die fundamentalen Bandkanten
aller auftretender Halbleiterverbindungen (einschließlich des ZnSe/ZnBeSe-Übergitters
zur Gitteranpassung an das GaAs-Substrat) energetisch oberhalb der Photonenenergie der verwendeten Laserstrahlung. Um eine Probe zu präparieren, die eine Messung
des Faraday-Effektes (in Transmission) erlaubt, muss lediglich das GaAs-Substrat durch
einen geeigneten Prozess entfernt und der Film auf ein durchsichtiges Substrat aufgebracht werden. Für die Planung des Prozesses müssen ferner einige Randbedingungen
berücksichtigt werden.
• Für den Wachstumsprozess mittels Molekularstrahlepitaxie stellt die Temperatur
des Substrates einen kritischen Parameter dar. Um einen guten thermischen Kontakt und optimale Kontrolle über die Substrattemperatur zu gewährleisten, werden
die GaAs-Wafer mit Hilfe von Indium auf die verwendeten Substrathalter geklebt.
Beim Ablösen der Wafer nach abgeschlossenem Wachstumsprozess bleiben Reste
des Indiums an der Unterseite der Proben kleben. Um bei den späteren Schritten eine gleichmäßige Materialabtragung zu erreichen, werden die Indiumreste zunächst
mit Hilfe von Salzsäure entfernt. Infolge der für Indium charakteristischen Eigenschaft, bis zu einem gewissen Grad in das GaAs-Substrat hinein zu diffundieren,
zeigt sich die Oberfläche des Substrates nach dem Entfernen der Indiumreste auf einer Größenskala von 10µm aufgerauht. Das Entfernen des GaAs-Substrates mittels
einer selektiven Ätzlösung hätte keine gleichmäßige Verringerung der Schichtdicke
zur Folge. An den Stellen der Vertiefungen im Substrat würde die Ätzlösung verfrüht die ZnSe-Schichten erreichen und aufgrund der nur endlichen Selektivität
auch diese angreifen. Um die Dicke des GaAs-Substrates bereits vor Beginn des
Ätzens drastisch zu reduzieren und eine glatte Oberfläche zu erzeugen, die einen
isotroperen Ätzprozess ermöglicht, soll ein Prozess entwickelt werden, der es erlaubt, das Substrat kontrolliert abzuschleifen.
• Zur Detektion eines Faraday-Signals müssen auf der späteren Probe notwendigerweise Kontakte zur Stromzuführung vorhanden sein. Der Prozess muss daher so
gestaltet werden, dass der Probenfilm letztlich mit der Seite des in situ-Metalls
nach oben zeigend auf einem Glassubstrat zu liegen kommt. Dies bedeutet, dass
der Probenfilm zu einem Zeitpunkt gedreht werden muss ohne dabei aufgrund
seiner sehr geringen Dicke von lediglich ca. 1.2µm zu zerreißen.
• Ein weiteres Problem stellt sich mit der Frage, wie der Probenfilm auf dem späteren
Glassubstrat befestigt werden kann.
55
5 Herstellung der Transmissionsprobe
②
④
①
③
⑤
1 Rotierender Schleifteller 2 VorratszyAbb. 5.1: Die verwendete Poliermaschine PM4. 3 Chuck mit Unterdruck 4 Messuhr 5 Exzenterarm.
linder mit Schleifmittel 5.1 Die Poliermaschine
Ein Foto der verwendeten Poliermaschine Logitech PM4 Precision Lapping and Polishing
1 wird kontinuierlich mit dem SchleifmitMachine ist in Abb. 5.1 gezeigt. Ein Glasteller tel (im konkreten Fall Aluminiumoxid-Pulver mit Partikelgröße 9µm gelöst in Wasser)
2 benetzt. Zum Schleifen wird die Probe
aus einem drehbar gelagerten Vorratszylinder mit dem GaAs-Substrat nach oben auf einen Glasträger geklebt, welcher mittels Unter3 angesaugt wird. Am genannten Chuck ist ferner eine Messuhr 4
druck am Chuck montiert. Hier kann die Federvorspannung eingestellt werden, mit der die Probe auf den
Schleifteller gedrückt wird. Mittels des Federmechanismus ermöglicht die Messuhr ferner
eine mikrometergenaue Kontrolle über die abgetragene bzw. verbliebene Schichtdicke
5 geführt. Neben der
der Probe. Die gesamte Vorrichtung wird von einem Exzenterarm Rotationsgeschwindigkeit des Glastellers kann auch die Geschwindigkeit der Exzenterbewegung eingestellt werden, um lateral eine möglichst homogenene Materialabtragung
zu erreichen. Abb. 5.2 zeigt zwecks Verdeutlichung des Aufbaus eine schematische Darstellung des Probenhalters.
5.2 Entwicklung des Schleifprozesses
Von der zu untersuchenden Einzelbarriere CB3502 liegen nur endliche Mengen an Probenmaterial vor. Während der ersten Schleif- und Ätzversuche, die der Identifikation be-
56
5.2 Entwicklung des Schleifprozesses
Vakuum
Abb. 5.2: Schematischer Schnitt durch den Probenhalter: Mittels Unterdruck wird der
Glasträger (grau) angesaugt, auf dem die
Probe (rot) aufgeklebt ist. Die gespannten Federn drücken die Probe auf den
Schleifteller.
Schleifteller
sonders kritischer Schritte im Prozess und Optimierung der beteiligten Handgriffe dienen,
wird daher auf verwandtes Probenmaterial mit größeren Reserven zurückgegriffen. Der
Einzelbarriere im strukturellen Aufbau sehr ähnlich sind resonante Tunneldioden. Bis
auf die Tatsache, dass hier nicht nur eine, sondern zwei Tunnelbarrieren getrennt durch
einen Quantentrog aufgewachsen sind, unterscheiden sich die Proben nicht. Ein Prozess,
der es ermöglicht, an den genannten RTD-Proben (CB3389, CB3246) das GaAs-Substrat
kontrolliert zu entfernen, wird sich identischerweise auf die Einzelbarriere CB3502 anwenden lassen.
Ein ca. 4×4mm2 großes Probenstück (CB3389) wird mit der in situ-Metallseite nach
unten auf den Glasträger aufgeklebt. Verwendung findet ein Wachs, welches vom Hersteller der Poliermaschine mitgeliefert wurde. Der Schmelzpunkt des Wachses liegt bei
ca. 50◦ C. Nach dem Abkühlen werden die überschüssigen Wachsreste zunächst grob mit
Hilfe einer Rasierklinge abgeschabt, die noch verbliebenen Reste mit einem in Aceton
getränkten Wattestäbchen entfernt. Ein gründliches Säubern der Probe von Wachsresten ist notwendig, um die Entstehung von Schmierfilmen während des Schleifens zu
verhindern. In einem Bad aus 37%iger Salzsäure lösen sich die oben beschriebenen Indiumreste auf. Die restlose Entfernung des Indiums lässt sich durch das Ende der charakteristischen Bläschenbildung leicht erkennen. Beim anschließenden Schleifen werden
ca. 300µm des GaAs-Substrates abgetragen. Der Glasträger wird im Anschluss in eine
selektive Ätzlösung aus 5%iger Natronlauge und Wasserstoffperoxid (31%) im VolumenMischungsverhältnis NaOH:H2 O2 = 84:16 gelegt. Sobald die verbliebene GaAs-Schicht
vollständig aufgelöst ist, kommt das in situ-Metall mit einem charakteristischen grünlichen Schimmer aufgrund der darüber liegenden ZnSe-basierten Schichten zum Vorschein.
Das Ablösen des Probenfilms lässt sich durch ein Bad in einem ebenfalls vom Hersteller
der Poliermaschine mitgelieferten Lösungsmittel erreichen. Bei Erhitzung des Lösungsmittels auf ca. 60◦ C löst sich der Probenfilm nach 3 bis 6 Minuten vom Schleifteller
ab und liegt am Boden des verwendeten Gefäßes auf. Durch vorsichtiges Schwenken
des Gefäßes lässt sich erreichen, dass sich der abgelöste Film ohne zu zerreißen auf die
gewünschte Seite dreht (in situ-Metall nach oben). Das Auffangen des Films aus dem
Lösungsmittel erfordert einige Fingerfertigkeit und Übung. Die geringe Dicke des Pro-
57
5 Herstellung der Transmissionsprobe
Abb. 5.3: Zwei Filme der Probe CB3389, die durch den im Text beschriebenen Schleifprozess entstanden sind. Links: Aufbringung auf ein Glassubstrat und trocknen
lassen bei Raumtemperatur. Es bildet sich eine kissenförmige Aufwölbung der
Oberfläche aus. Rechts: Aufbringung auf ein Glassubstrat und Verdampfung
des Lösungsmittels bei ca. 60◦ C. Die entstehende Oberflächenstruktur ist sehr
zerklüftet und feingliedrig aufgefaltet. Außerdem sind sowohl auf dem Probenfilm als auch auf dem Glassubstrat Rückstände des verwendeten Lösungsmittels
zu erkennen.
benfilms hat zur Folge, dass dieser schon bei leichtester seitlicher Berührung in mehrere
kleine Fetzen zerreißt. Folgendes Vorgehen hat sich als zielführend erwiesen: Durch leichtes Schwenken des Gefäßes entstehen Verwirbelungen im Lösungsmittel, infolge derer der
Film etwas aufschwimmt. Im kurzen Moment des Aufschwimmens kann ein Stückchen
Glassubstrat unter den Probenfilm bewegt werden, mit dem sich dieser auffangen lässt.
Abb. 5.3 zeigt das Mikroskopbild zweier Probenfilme, die mittels des oben beschriebenen
Schleif- und Ätzprozesses hergestellt wurden. Der Film links in Abb. 5.3 wurde nach dem
Aufbringen auf das Glassubstrat bei Raumtemperatur getrocknet. Die Verwendung einer
Nomarski-Optik1 erlaubt ein deutliches Hervortreten des Höhenprofils der betrachteten
Probe und deckt auf, dass der Film nicht plan auf dem Glassubstrat aufliegt, sondern eine
kissenförmige Wölbung aufweist. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn der Film unmittelbar
1
Bei der verwendeten Mikroskopie-Technik handelt es sich um eine Form der so genannten differenti”
ellen Interferenz-Kontrast Mikroskopie“ (engl. Differential Interference-Contrast Microscopy, Abk.
DIC). Linear polarisiertes Licht wird so durch ein Nomarski-Prisma (abgewandeltes WollastonPrisma, benannt nach G. Nomarski) geführt, dass mit Hilfe einer weiteren Linse zwei räumlich
versetzte, orthogonal zueinander polarisierte Lichtbündel auf die Probenoberfläche fokussiert werden.
Verläuft die Oberflächennormale parallel zur optischen Achse des Mikroskops, befindet sich die gesamte Apparatur in einem Zustand der Selbstkompensation: durchlaufen die reflektierten Lichtbündel auf
Ihrem Rückweg das Nomarski-Prisma zum zweiten Mal, addieren sich alle Phasenverschiebungen zu
Null. Weist die Oberfläche lokal abweichende Verkippungswinkel auf, sammeln die reflektierten Lichtbündel beim zweiten Durchgang durch das Nomarski-Prisma verschiedene Phasendifferenzen auf. Die
Lichtbündel werden bedingt durch die charakteristische Bauform nach Austritt aus dem NomarskiPrisma überlagert und mit Hilfe eines unter 45◦ montierten Analysators zur Interferenz gebracht. Der
Kontrast des erzeugten Bildes codiert somit den lokalen Gradienten des Oberflächenprofils [Har80].
58
5.3 HRXRD-Messung 1
nach dem Auffangen aus dem Lösungsmittel bei ca. 60◦ C auf eine Heizplatte gelegt wird:
Es bildet sich dann eine sehr viel feingliedriger zerklüftete Höhenlandschaft aus (vgl.
rechte Seite der Abb. 5.3).
Das Fazit der ersten Versuche, das GaAs-Substrat zu entfernen, fällt vielschichtig aus
und liefert eine Vielzahl von Ansätzen zu notwendiger Optimierung des Prozesses.
• Positiv bleibt zunächst festzuhalten, dass durch Kombination aus mechanischem
Polieren und selektivem Ätzen das GaAs-Substrat von der ZnSe-basierten Schicht
rückstandslos entfernt werden kann und ein anschließender Transfer des Probenfilms auf ein Glassubstrat einschließlich Drehung des Film möglich ist.
• Der abgelöste Probenfilm liegt jedoch nicht sehr plan auf dem Glassubstrat auf.
Dass bei Verwendung eines polierten Silizium-Wafers zum Auffangen aus dem Lösungsmittel dieselben Verformungen der Oberfläche auftreten, lässt den Schluss
zu, dass sich das Aufwölben des Films nicht durch die Rauhigkeit des unpolierten
Glassubstrates begründet. Unabhängig von der genauen Topographie der Oberfläche wird es nicht möglich sein, in den Film nachträglich die für Transportuntersuchungen notwendigen Pillars und Kontakte zu strukturieren.
• Das verwendete Lösungsmittel ist zähflüssig, sehr klebrig und hinterlässt auf der
Probenoberfläche grobe Verunreinigungen, die ein späteres Kontaktieren der Probe mindestens erschweren werden. Vermutlich liegt hier auch ein Grund für das
Aufwölben der Probenfilme: Lösungsmittelreste befinden sich ebenfalls zwischen
Glassubstrat und Film. Trocknen sie langsam, bleibt die Tropfenstruktur der Reste erhalten. Beim Erhitzen bilden sich mehrere kleine Tröpfchen, welche das zerklüftete Profil erzeugen. Die Reste lassen sich nicht durch vorsichtiges Spülen mit
Aceton oder Isopropanol entfernen. Die Verwendung einer anderen Kombination
aus Wachs und Lösungsmittel, welche weniger Spuren hinterlässt, ist daher erstrebenswert.
• Die Probenfilme weisen an den Rändern häufig Risse und kleine Falten auf. Um
zu klären, ob die kristalline Struktur im Inneren des Materials erhalten bleibt oder
durch die mechanischen Belastungen des Schleifens völlig zerstört wird, bietet sich
eine exemplarische HRXRD-Messung an einem der Probenfilme an.
5.3 HRXRD-Messung 1
Die HRXRD-Messungen werden in einem Röntgendiffraktometer der Modellserie PANanytical X’Pert durchgeführt. Als Röntgenquelle dient die charakteristische Kα1 -Strahlungslinie einer Kupfer-Anode. Das Gerät ist ferner mit einem Germanium-Vierfachmonochromator sowie einer Spalt-Optik vor dem Detektor ausgestattet, um die nötige
Winkelauflösung zu erreichen.
Die Grundlagen zur Interpretation von HRXRD-Messungen sind in Kapitel 2.4 beschrieben. Zur Beurteilung der kristallinen Qualität der mittels obigem Prozess abpolierten
59
5 Herstellung der Transmissionsprobe
7
10
6
10
6
5
Zählereignisse
5
4
10
4
10
7
3
10
2
10
3
1&2
1
10
-6000
-4000
-2000
0
2000
4000
6000
8000
10000
('')
Abb. 5.4: ω − 2θ−Diffraktogramm einer resonanten Tunneldiode vor (schwarze Kurve) und
nach Entfernung des GaAs-Substrates (rote Kurve, zwecks besserer Darstellbarkeit mit einem Faktor 10 skaliert). Die nummerierten charakteristischen Signaturen sind im Fließtext erläutert.
Probe sind die Messergebnisse des ω − 2θ−Scans den Ergebnissen, wie sie bei einer identischen Messung an identischer Probe vor dem Schleifprozess aufgenommen wurden, in
Abb. 5.4 gegenübergestellt. Der ω − 2θ−Scan weist die typischen Signaturen einer RTDStruktur auf. Die wichtigsten Charakteristika, welche vielschichtige Rückschlüsse auf die
Probenstruktur erlauben, werden im Folgenden anhand der Daten in Abb. 5.4 qualitativ
erläutert.
1| (004)-GaAs-Reflex Der extrem scharfe Reflex (in Abb. 5.4 mit der Ziffer 1 gekennzeichnet) stammt von der Netzebenenschar mit den Millerindizes (004) des GaAsSubstrates und definiert als Referenzpunkt die Nulllage der Winkelskala (Achsenbeschriftung in Bogensekunden).
2| ZnBe(3%)Se Unmittelbar auf dem GaAs-Substrat befindet sich eine 200nm dicke
ZnBe(3%)Se-Schicht, deren Gitterkonstante der GaAs-Gitterkonstante entspricht. Der
Peak überlagert den GaAs-(004)-Reflex und lässt sich trotz identischer Position im
Spektrum daran erkennen, dass der GaAs-Reflex im unteren Bereich eine unnatürliche Verbreiterung aufweist. Sie lässt sich anschaulich verstehen, wenn man bedenkt,
60
5.3 HRXRD-Messung 1
kz
b
kz
endliche Schichtdicke
laterale Granularität
Abb. 5.5: Links: Das Beugungsbild einer dünnen Schicht entspricht im reziproken Raum
qualitativ dem Beugungsbild eines Einfachspaltes. Mit zunehmender Schichtdicke
geht es in ein Lorentzprofil über (beide Kurven sind im logarithmischen Maßstab
gezeichnet). Rechts: Nur im Falle eines unendlich ausgedehnten Gitters sind die
Punkte im reziproken Raum scharf definiert (schwarz). Endliche Schichtdicken
haben eine Verbreiterung des Reflexes in Normalenrichtung zur Folge und lassen
sich mittels eines ω − 2θ−Scans aufdecken (rot). Laterale Granularitäten verbreitern den reziproken Gitterpunkt in Parallelrichtung (grün). Zum Nachweis
eignet sich ein ω−Scan [Spi05].
dass Realraum und reziproker Raum durch eine Fouriertransformation miteinander verknüpft sind. Handelt es sich bei der untersuchten Probe um eine sehr dünne Schicht,
so nimmt die Fouriertransformierte (analog zum Beugungsbild eines Einzelspaltes) eine Form ∝ |sin x/x|2 an. Mit wachsender Schichtdicke verschmälert sich der Reflex im
reziproken Raum kontinuierlich, die Nebenmaxima werden zunehmend gedämpft und
für hinreichende Schichtdicke ist das Beugungsbild nicht mehr von einem lorentzförmigen Profil zu unterscheiden (vgl. Abb. 5.5). Im Grenzfall des unendlich ausgedehnten perfekt periodischen Kristallgitters geht die Lorentzkurve letztlich in einen Dirac-δförmigen Reflex über. Die dünnere ZnBe(3%)Se-Schicht weist daher im Diffraktogramm
eine größere Breite und kleinere Intensität auf und lässt sich so trotz überlagerten GaAsSubstratreflexes von letzterem unterscheiden.
3| ZnSe-Reflex ZnSe weist eine etwas größere Gitterkonstante als GaAs auf. Der
zugehörige (004)-Reflex erscheint daher im ω−2θ−Diffraktogramm zu kleineren Winkeln
verschoben (siehe auch Abb. 2.2), in Abb. 5.4 tritt er bei ca. −100000 auf.
4| in situ-Metallschicht Empirisch zeigt sich, dass die spektral breite Struktur im
Diffraktogramm bei ca. −250000 der in situ-Metallschicht zuzuordnen ist.
5| ZnBe(10%)Se Superlattice Buffer Unter der Doppelbarriere der RTD befindet
sich eine Pufferschicht aus 50nm ZnSe und 20nm ZnBe(10%)Se in alternierender Abfolge. Dieses Übergitter stellt einen künstlichen Kristall“ mit einer Dicke von lediglich 5
”
Gitterkonstanten dar, welcher den entsprechenden Reflex erzeugt.
61
5 Herstellung der Transmissionsprobe
6| Si-Reflex Der extrem scharfe Reflex bei 500000 ist nicht der RTD-Struktur zuzuordnen, sondern rührt vom Probenhalter der Röntgenapparatur her. Der Wafer, auf welchen
die zu untersuchenden Proben aufgeklebt werden, besteht offensichtlich aus Silizium.
7| Doppelbarrierenstruktur Eine besonders charakteristische Signatur einer RTDStruktur sind die Oszillationen, welche in Abb. 5.4 im Bereich von 400000 bis 800000
auftreten. Bestünde die resonante Tunneldiode aus einer Einzel- statt Doppelbarriere,
würde das Diffraktogramm eine Einhüllende der Oszillationen bilden. Durch die Doppelbarrierenstruktur entstehen Interferenzen zwischen den beiden Schichten, wodurch
sich das typische Beating ergibt [Fre10]. Die Doppelbarrierenstruktur verhält sich wie
ein Übergitter mit lediglich 1.5 Perioden. Dass das Feature aufgrund der geringen Zählrate (wenig Streuvolumen) trotzdem im Diffraktogramm erkennbar ist, ist der hohen
Gitterkonstante“ des Übergitters geschuldet. Sie hat zur Folge, dass das zugehörige
”
Beugungsbild im Diffraktogramm bei stark abweichenden Winkeln auftaucht und daher nicht von anderen Signaturen der Probe überlagert wird. Phase und Periodizität
des Beatings hängen von der Breite des Quantentroges und der Barrierenschichten sowie ihrer Material-Zusammensetzungen ab. Neben einer qualitativen Aussage lassen sich
hieraus auch quantitative Werte für die genannten Größen extrahieren. Eine Anleitung
zur Auswertung ist ebenfalls in [Fre10] gegeben.
Im Vergleich zum Diffraktogramm vor dem Schleifprozess weist die abpolierte Probe signifikante Abweichungen auf. Erwartungsgemäß tritt der (004)-Reflex des GaAsSubstrates nicht mehr auf. Die Zählraten fallen über den gesamten Winkelbereich um
Größenordnungen niedriger aus. Sämtliche beschriebene Charakteristika treten spektral verbreitert auf. Die Doppelbarrieren-Signatur ist nicht erkennbar. Ein ω−Scan des
ZnBe(3%)Se-Reflexes liefert einen Peak mit Full Width at Half Maximum-Breite (Abk.
FWHM) von 266400 . Zum quantitativen Vergleich möge die Information dienen, dass
ZnSe-Schichten bei hoher kristalliner Qualität für diese Messung FWHM-Breiten von
ca. 6000 erreichen.
5.4 Weiterentwicklung des Schleifprozesses
Zwei Ursachen für den Befund der HRXRD-Messung erscheinen naheliegend.
1. Die zerklüftete Oberfläche des Probenfilms könnte zur Folge haben, dass die Röntgenstrahlung diffus an der Probe gestreut wird. Statt wie zuvor bei fest definierten Winkeln träten die charakteristischen Signaturen nun auch bei abweichenden
Winkeln auf. Aus der spektralen Verbreiterung folgten zwanglos die niedrigen beobachteten Zählraten.
2. Möglicherweise ergänzend kommt zudem folgende Interpretation in Frage: ZnSe
weist eine geringere Härte als GaAs auf. Durch das direkte Aufkleben der Probe
62
5.4 Weiterentwicklung des Schleifprozesses
Glasträger
Glasträger
ZnSe
Si
GaAs
Schleifteller
GaAs
Schleifteller
Abb. 5.6: Links: Bei direktem Aufkleben der Probe auf den Glasträger wird das im Vergleich zum GaAs-Substrat weichere II-VI-Material durch die auftretenden Scherkräfte stark beansprucht. Rechts: Zwecks Reduzierung der Scherkräfte wird in
einem gewissen Bereich bis auf das GaAs-Substrat herunter geätzt und die Probe
mittels eines Silizium-Rahmens direkt auf das GaAs-Substrat geklebt.
mit der in situ-Metallseite übersetzen sich die beim Schleifen auftretenden Scherkräfte im Wesentlichen in die II-VI-basierte Schicht (Illustration siehe Abb. 5.6).
Denkbar ist ein Zerbrechen des II-VI-Materials in mikroskopische Kristallite, welche durch die in situ-Metallschicht zusammen gehalten werden. Die aus der unterschiedlichen Orientierung der einzelnen Bruchstücke zur Oberfläche resultierende
Mosaizität hätte ebenfalls eine massive Verbreiterung des ω-Peaks und ein spektrales Verschmieren der Signaturen im ω − 2θ-Scan zur Folge.
Um die kristalline Qualität der Probe zu erhöhen, müssten die Scherkräfte beim Schleifen
auf ein Minimum reduziert werden. Die Idee besteht darin, bis auf einen kleinen Bereich
die gesamte II-VI-basierte Schicht zu entfernen und die Probe mittles eines Rahmens
aus Silizium direkt auf das GaAs-Substrat aufzukleben (vgl. Abb. 5.6). Die auftretenden
Scherkräfte würden in der Folge von der ZnSe-Schicht entkoppelt.
Die gewünschte Strukturierung der Probe erfolgt mittels optischer Lithographie. Eine
konzeptionelle Darstellung der Technik findet sich in Abb 5.7. Für tiefer gehende Erläuterungen sei an dieser Stelle auf die einschlägige Literatur verwiesen [Mah99].
Zur Herstellung des benötigten Rahmens wird ein Siliziumwafer mit einer 200nm dicken
Schicht aus SiO2 verwendet. Ein 5×5mm2 großes Quadrat wird auf die Oberfläche strukturiert, innerhalb dessen sich mit verdünnter Flusssäure die SiO2 -Schicht wegätzen lässt.
Der entstehende Rahmen dient wiederum als Maske, um mittels 80◦ C heißer 20%iger
Kalilauge das Quadrat komplett herauszuätzen. Auf die Oberfläche der zu schleifenden
Probe wird ferner ein Rechteck mit maximaler Größe von 4×4mm2 strukturiert. Zur
Freilegung des GaAs-Substrates im belichteten Bereich erfolgen drei Ätzschritte.
1. Entfernen der in situ-Goldschicht mittles einer Ätzlösung aus jeweils 10%iger Natriumsulfat-, Thioharnstoff- und Kaliumhexacyanoferrat(III)-Lösung im Volumenverhältnis 1:1:1.
2. Entfernen der in situ-Aluminium- und in situ-Titanschicht mittels 1:200 verdünnter
Flusssäure.
63
5 Herstellung der Transmissionsprobe
①
②
③
④
⑤
⑥
Abb. 5.7: Konzeptionelle Beschreibung der wichtigsten Prozesse für die optische Litho1 Auf die Probe (hellgrau: GaAs-Substrat, dunkelgrau: II-VI-basierte
graphie. Schicht) wird eine dünne Schicht Photolack aufgeschleudert. Der Lack besteht
aus einem in alkalischem Milieu löslichen Harz, einer photoaktiven Komponente
und einem Lösungsmittel. Beim Ausbacken verdampft letzteres, der Lack här2 Durch Bestrahlung mit UV-Licht wird eine chemische Reaktion der
tet aus. photoaktiven Komponente getriggert. Eine Maske schützt selektiv einen Teil des
Lacks vor der Belichtung, durch welche sich die Löslichkeit im belichteten Be3 Bei der Entwicklung in einem geeigneten alkalischen
reich drastisch erhöht. Lösungsmittel bleiben nur die unbelichteten Regionen des Photolacks stehen.
4 Mithilfe geeigneter Ätzlösungen können nun die Strukturinformationen der
5 Nach dem Entfernen des restlichen
Maske auf die Probe übertragen werden. 6 Frei stePhotolacks bleibt eine lateral strukturierte Probenoberfläche zurück. hende II-VI-Schicht. Der Silizium-Rahmen (Schraffur) liegt direkt auf dem GaAsSubstrat auf.
3. Wegätzen sämtlichen ZnSe-basierten Materials auf dem GaAs-Substrat mittels
1%iger Lösung von Brom in Ethylenglycol.
Die vollständige Entfernung der Gold- und Aluminium/Titan-Schichten lässt sich zweifelsfrei durch das Verschwinden der charakteristischen Farbigkeit der Oberfläche erkennen. Die Brom-basierte Ätzlösung erweist sich als sehr aggressiv gegenüber allen in der
Probe vorhandenen Materialien. Ist das genannte Rechteck nicht durch die Lackschicht
geschützt, lösen sich bereits nach nur kurzem Kontakt mit der Ätzlösung die Metallschichten vollständig ab (vgl. Abb. 5.8 oben links).
Eine weitere Schwierigkeit stellt die Tatsache dar, dass die Harz-basierten Photolacke
in organischen Lösungsmitteln wie Aceton eine hohe Löslichkeit aufweisen. Aufgrund
seiner höheren Zähigkeit als Aceton degradiert die Lackmaske unter Einwirkung von
Ethylenglycol sehr viel langsamer, wird jedoch auch hiervon angegriffen und letztlich
64
5.4 Weiterentwicklung des Schleifprozesses
Abb. 5.8: Oben links: Ist die Oberfläche nicht durch eine Lackmaske geschützt, lösen
sich bereits nach wenigen Sekunden Kontakt mit der Brom-basierten Ätze die
in situ-Metallschichten vollständig ab. Oben rechts: Zustand der Probe nach 4
Minuten Ätzzeit. Die Brom-Lösung kriecht zwischen Lackmaske und Probenoberfläche und greift die in situ-Metallschicht an. Unten: Dieselbe Situation, nur
mit Verwendung von HMDS als Haftvermittler. Die Lackmaske degradiert langsamer, in der vergrößerten Darstellung rechts ist dennoch zu erkennen wie die
Ätzlösung unter die Maske kriecht. Die deutlich hervortretenden Dünnschichtinterferenzen stammen von den II-VI-basierten Halbleiterschichten.
Abb. 5.9: Zustand der Probe nach erfolgreichem Entfernen der in situMetall- und II-VI-Schichten.
Deutlich erkennbar durch die
dunklere Abschattierung ist jener Bereich, in dem die zweite Lackmaske die eigentliche
Struktur überlappte.
65
5 Herstellung der Transmissionsprobe
aufgelöst. Nach einigen Minuten beginnt die Ätzlösung zwischen Probe und Lackmaske
zu kriechen und die in situ-Metallschicht anzugreifen (vgl. Abb. 5.8 oben links). Um
letzteres zu unterbinden, wird zunächst zusätzlich Hexamethyldisilazan (Abk. HDMS) als
Haftvermittler zwischen Probenoberfläche und Photolack eingesetzt. Wie sich im unteren
Teil der Abb. 5.8 erkennen lässt, ist bei gleicher Ätzzeit die in situ-Metallschicht weniger
stark angegriffen. Allerdings lässt sich auch durch den Einsatz des Haftvermittlers nicht
vollständig unterbinden, dass die Ätzlösung unter die Lackmaske kriecht. Um die Kanten
der Struktur zu schützen, erweist es sich als zielführend, nach dem Entfernen der in
situ-Metallschicht die verwendete Lackschicht mittels Aceton abzulösen und eine weitere
derart aufzubringen, dass die neue Maske an allen Rändern die Struktur um ca. 50 bis
100µm überlappt. Für die Verweildauer in der Brom-Ätze ist die Struktur hinreichend
geschützt. Abb. 5.9 zeigt exemplarisch eine mittels überlappender Lackmaske während
des Ätzens geschützte Struktur nach der Freilegung des GaAs-Substrates.
Das Aufkleben der so präparierten Probe stellt sich als unkritisch heraus, solange die
geätzte Struktur eine Größe von ca. 4 × 4mm2 nicht überschreitet. Durch das Loch im
Siliziumrahmen lässt sich leicht erkennen, ob die geätzte Struktur ohne Kontakt zum
6
Rahmen aufgeklebt wurde (vgl. Abb. 5.7 ),
bei Bedarf kann das Aufkleben wiederholt
werden. Für die folgenden Schritte wird zudem ein anderes Wachs verwendet, für welches sich Trichlorethylen als Lösungsmittel eignet. Durch Schleifen werden wiederum ca.
300µm des GaAs-Substrates abgetragen und der Glasträger anschließend in die übliche
Ätzlösung gelegt. An dieser Stelle treten zwei weitere Schwierigkeiten auf:
1. Es zeigt sich, dass auf einer Seite der Probe die ZnSe-Schicht während des Ätzens
sehr viel früher als auf der anderen zum Vorschein kommt. Offensichtlich hatte
der Rest des GaAs-Substrates eine Keilform, die auf eine nicht gleichmäßig dicke
Wachsschicht zurückzuführen ist.
2. Die Ätzlösung läuft in der Folge unter den Probenfilm und greift die II-VI-Schicht
an. Nach der vollständigen Entfernung der GaAs-Schicht war die Oberseite des
Probenfilms über eine Stunde der Ätzlösung ausgesetzt. Beim Auffangen des Probenfilms zeigte sich dieser sehr viel instabiler als bei vorherigen Versuchen.
Es ist daher darauf zu achten, dass beide Wachsschichten (zwischen Glasträger und
Silizium-Rahmen sowie zwischen Rahmen und Probe) möglichst über die gesamte Kontaktfläche eine einheitliche Dicke aufweisen. Erreicht werden kann dies durch ein leichtes
Verschieben der beteiligten Stücke unter sanftem Druck. Um zu verhindern, dass die
Ätzlösung in die Mulde läuft, muss zudem ein weiterer Zwischenschritt in den Prozess
eingebunden werden. Nach dem Schleifen wird die Probe mittels 60◦ C heißen Trichlorethylens abgelöst, mit einer Pinzette aus dem Lösungsmittel entnommen und mit der
in situ-Metallseite nach unten flächig wieder auf den Glasträger aufgeklebt. Das Wachs
schützt so die Metallseite der Probe gegen die Ätzlösung. Die Probe ist nach dem Schleifen aufgrund ihrer geringen Dicke extrem empfindlich gegen Zerbrechen. Werden während des Schleifens ca. 280µm des GaAs-Substrates entfernt, kann die Probe noch mit
äußerster Sorgfalt aufgenommen und gedreht werden. Bei Entfernung von 300µm des
66
5.5 HRXRD-Messung 2
7
10
800
600
6
10
400
Zählereignisse
5
10
200
0
4
10
-4000
-2000
0
2000
4000
(')
3
10
2
10
1
10
-6000
-4000
-2000
0
2000
4000
6000
8000
10000
('')
Abb. 5.10: ω − 2θ−Diffraktogramm einer resonanten Tunneldiode vor (schwarze Kurve)
und nach Abpolieren des GaAs-Substrates unter Verwendung des SiliziumRahmens (rote Kurve, zwecks besserer Darstellbarkeit mit einem Faktor 10
skaliert). Das Inset zeigt einen ω−Scan des Reflexes bei 000 .
Substrates hingegen (entsprechend 50µm verbliebener Schichtdicke) gelingt dies erfahrungsgemäß nicht mehr. Nach dem selektiven Ätzen des restlichen GaAs-Substrates kann
der Probenfilm wie bereits beschrieben abgelöst und aufgefangen werden.
5.5 HRXRD-Messung 2
An einem Probenfilm, welcher unter Zuhilfenahme des Silizium-Rahmens abpoliert wurde, wird wiederum eine HRXRD-Messung durchgeführt, die Daten zeigt Abb. 5.10. Im
Vergleich zur Messung an der Probe, die direkt auf den Glasträger aufgeklebt wurde,
treten im ω − 2θ−Scan zwei Unterschiede zu Tage. Normiert auf die Integrationszeit
weist der zentrale Reflex bei 000 in Abb. 5.4 im Maximum eine Zählrate von 520 Zählereignissen pro Sekunde auf, der Reflex in Abb. 5.10 hingegen eine Zählrate von 1343
Zählereignissen pro Sekunde. Bereits bei geringerer Integrationszeit wird in Abb. 5.4 die
Signatur der Doppelbarrierenstruktur ansatzweise sichtbar. Der ω−Scan des zentralen
Reflexes liefert eine im Vergleich zur vorangegangenen Messung reduzierte FWHM-Breite
von 199100 . Alle drei Befunde zusammen genommen deuten darauf hin, dass durch die
Verwendung des Silizium-Rahmens während des Schleifens eine erhöhte kristalline Qualität des Probenfilmes erreicht werden kann. Die Zählraten weichen jedoch weiterhin
67
5 Herstellung der Transmissionsprobe
um Größenordnungen von jenen der Referenzmessung an der unbehandelten Probe ab.
Die Ergebnisse bleiben hinsichtlich der Frage, ob die Unebenheit des Probenfilmes für
die schlechte Datenqualität verantwortlich ist, uneindeutig. Ob die RTD in ihrer mikroskopischen Kristallstruktur erhalten geblieben ist, lässt sich nur durch Vergleich der
Transportdaten einer unbehandelten Probe und einer mit abpoliertem GaAs-Substrat
beurteilen.
5.6 Optimierung des Schleifprozesses
Aufgrund dessen, dass der Probenfim nicht plan auf dem Glassubstrat aufliegt, bei kleinster mechanischer Belastung zerbricht und sich bei Kontakt mit Aceton oder anderen
Lösungsmitteln wiederum ablöst, ist eine nachträgliche Prozessierung der Probe nicht
möglich. Die Pillars werden daher vor dem Schleifprozess strukturiert, sind während des
Schleifens durch den Silizium-Rahmen geschützt und bleiben nach der Entfernung des
GaAs-Substrates ohne erkennbare Beschädigungen erhalten (vgl. Abb. 5.11).
Als weiterer Schritt zur Optimierung des Prozesses hat sich das im Folgenden beschriebene Vorgehen herausgestellt. Der Probenfilm lässt sich nach Entfernung des GaAsSubstrates einfacher als mit einem relativ dicken Glassubstrat mittels eines Stückchens
Siliziumwafer (Dicke 350µm) aus dem Lösungsmittel entnehmen. Der Film wird anschließend in ein Gefäß mit Isopropanol gebracht, einige Sekunden hierin belassen und
anschließend wiederum mittels des Siliziumsubstrates in ein Gefäß mit destilliertem Wasser überführt. Aufgrund der hohen Oberflächenspannung schwimmt der Probenfilm anstatt auf den Boden des Gefäßes abzusinken auf der Wasseroberfläche auf und lässt sich
auch mithilfe des Glassubstrates vergleichsweise einfach auffangen. Betrachtet man die
so behandelte Probe unter dem Mikroskop (siehe Abb. 5.11), fällt zudem auf, dass infolge des beschriebenen Vorgehens sich kaum noch Rückstände des Wachses und/oder des
Lösungsmittels auf der Probenoberfläche befinden.
5.7 Kontaktierungsroutine
Als weiteres Problem erweist sich in zweierlei Hinsicht die Kontaktierung der Probe. Das
Standard-Verfahren besteht in einem Bondprozess, bei dem ein dünner Golddraht mittels eines kurzen Ultraschallpulses und mäßigen Drucks sowohl mit den Goldkontakten
des verwendeten Chipcarriers sowie mit den metallischen Kontaktflächen auf der Probe
verbunden wird. Es stellt sich jedoch heraus, dass die mechanischen Beanspruchungen
infolge des Bondprozesses zur Zerstörung der Probenfilme führen. Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, dass die Kupfer-Kontaktflächen der verwendeten Chipcarrier eine
zu hohe Rauhigkeit (>1µm) aufweisen, sodass die Golddrähte auch hierauf nicht haften.
Zur Kontaktierung wurde die folgende Routine verwendet: In einem definierten Fenster
werden ca. 200nm Gold auf die Kontaktflächen des Chipcarriers aufgedampft, um die
Haftung des Bonddrahtes zu verbessern. Auf die Kontaktstelle wird ferner ein Tropfen
68
5.7 Kontaktierungsroutine
Abb. 5.11: Probenfilm, welcher unter Zuhilfenahme des Siliziumrahmens geschliffen, gemäß
im Text beschriebener Prozedur geätzt und anschließend auf ein Glassubstrat
aufgebracht wurde.
eines leitenden Epoxyd-Harz Klebers zur Kontaktverstärkung aufgebracht. Mittels einer
dünnen Nadel lassen sich unter dem Mikroskop kleine Tropfen des verwendeten Klebers
EPO-TEK® H20E 2 auf die metallischen Kontaktflächen der Pillars träufeln, in welche
anschließend die Bonddrähte hineingesteckt werden. Nach einer Ausbackzeit von mindestens 3 Stunden bei 80◦ C sind auf diese Weise mechanisch stabile und elektrisch leitende
Kontaktstellen entstanden.
2
Neben dem genannten Produkt wurden auch zwei weitere elektrisch leitende Epoxyd-Harz Kleber
getestet, namentlich CircuitWorks® CW2400 und EPO-TEK® H22. Beide ließen entweder aufgrund
ihrer hohen Zähigkeit nicht zu, hinreichend kleine Tropfen aufzubringen oder zeigten sich derart
dünnflüssig, dass der Kleber während des Ausbackens zerlief und Top- und Back-Kontakt der Probe
kurzgeschlossen wurden.
69
6 Faraday- und Transportmessungen an
Transmissionsproben
6.1 Transportmessungen an Transmissionsproben
6.1.1 Vergleich zwischen unbehandelter und abpolierter RTD
Vom Ausgangsmaterial der RTD-Wachstumsserie CB3311 werden zwei Probenstücke mit
Pillars der in Abb. 4.7 gezeigten Geometrie hergestellt. Um maximale Vergleichbarkeit
der Messdaten zu gewährleisten, werden zwei nominell identische Proben strukturiert, die
sämtliche Prozessschritte (CAIBE, Aufbringung der Metallkontakte etc.) parallel durchlaufen. Bei einer der beiden Proben erfolgt nach dem Einkleben in einen Chipcarrier
die übliche Kontaktierung mittels Ultraschallbondens (im Folgenden als unbehandelt“
”
bezeichnete Probe). Die andere Probe durchläuft die im vorangegangenen Kapitel 5 entwickelte Routine zur Entfernung des GaAs-Substrates. Der auf einem Glassubstrat aufgebrachte Probenfilm wird ebenfalls in einen Chipcarrier eingeklebt, die Kontaktierung
erfolgt mithilfe des elektrisch leitenden Epoxyd-Harz Klebers.
An beiden Proben werden im selben Kryostaten unter identischen Bedingungen (Temperatur, Ausschluss von Beleuchtung, identischer Messaufbau und Verwendung derselben Referenzwiderstände) IV-Kennlinien für Magnetfelder zwischen 0 und 6T gemessen.
Abb. 6.1 zeigt im oberen Bereich die GV-Kennlinien der unbehandelten Probe und jener mit entferntem GaAs-Substrat. Die unbehandelte Probe weist die für eine RTD
mit semimagnetischem Quantentrog typischen Signaturen auf. Das Zustandekommen
der charakteristischen GV-Kennlinie wird nochmals im unteren linken Teil der Abb. 6.1
veranschaulicht. Bei 0T ist ein näherungsweise exponentiell ansteigender Hintergrundstrom zu beobachten, dem eine deutliche Resonanz überlagert ist. Die Resonanz nimmt
ihr Maximum an, wenn die Emitter-Leitungsbandkante mit dem quantisierten Trogniveau zusammenfällt. Mit ansteigendem Magnetfeld spalten die Energieniveaus im Quantentrog aufgrund des Giant Zeeman Effektes gemäß einer Brillouin-Funktion für die
beiden Spin-Richtungen auf. In der GV-Kurve äußert sich dies durch ein Aufspalten
des Leitwert-Maximums in zwei zunehmend weiter voneinander getrennt liegende Resonanzen. Gemeinhin wird dies als Injektion einer Spin-Ungleichgewichtsverteilung in den
Kollektor gedeutet [Slo03]. Auf der höherenergetischen Seite der Resonanz ist ferner vor
allem für niedrige Magnetfeldstärken deutlich die Replik des ZnSe-LO-Phonons zu erkennen. Durch den direkten Vergleich der Datensätze können über die abpolierte Probe
zwei sehr entscheidende Aussagen getroffen werden.
71
6 Faraday- und Transportmessungen an Transmissionsproben
18
16
16
14
G (mS)
G (mS)
4T
8
3T
6
5T
10
4T
8
3T
6
2T
4
2T
4
1T
2
T = 4.2K
0T
0
-250
-200
-150
-100
-50
0
-300
0
1T
T = 4.2K
0T
-250
-200
-150
-100
-50
0
V (mV)
Stromstärke (willk. Einheiten)
V (mV)
B = 0
B > 0
0
0
Leitfähigkeit (willk. Einheiten)
6T
12
5T
10
2
14
6T
12
0
Spannung (willk. Einheiten)
0
0
Spannung (willk. Einheiten)
0
Abb. 6.1: GV-Kennlinien resonanter Tunneldioden mit semimagnetischem Quantentrog.
Oben links: GV-Kennlinie einer unbehandelten“ RTD (Erläuterung siehe
”
Text). Oben rechts: GV-Kennlinie derselben RTD unter identischen Bedingungen mit abpoliertem GaAs-Substrat. Unten links: RTD als Spinfilter-Element.
Unten rechts: Zustandekommen der Diskontinuität in den GV-Kennlinien. Die
gepunkteten Linien bezeichnen die Lastgerade des Referenzwiderstandes. Im Bereich des negativen differentiellen Widerstandes kann es zu Oszillationen kommen, wenn kein eindeutiger Arbeitspunkt definiert ist (gestrichelte Linie).
1. Zunächst ist zu beobachten, dass die abpolierte Probe mit einem exponentiell ansteigenden Hintergrundstrom und einer deutlich ausgeprägten, im Magnetfeld aufspaltenden Resonanz, qualitativ dieselben Charakteristika in ihren GV-Kennlinien
aufweist wie die unbehandelte Probe. Dieser Befund liefert einen starken Hinweis
darauf, dass die spektrale Verbreiterung der Reflexe im Röntgendiffraktogramm
nicht auf eine Polykristallinität infolge mechanischer Belastungen während des
Schleifprozesses zurückzuführen ist. In diesem Fall wäre zu erwarten, dass sich die
Probe nicht mehr wie gewohnt durch eine wohldefinierte Bandstruktur beschreiben
ließe, was sich negativ auf die Qualität der Transportdaten auswirken würde.
2. Im Gegenteil weisen die Kennlinien der RTD mit entferntem GaAs-Substrat Abweichungen auf, die auf eine Verbesserung der Transporteigenschaften der Struktur
hinweisen. Zur Verdeutlichung dient die Darstellung unten rechts in Abb. 6.1. Bei
dem verwendeten Messaufbau handelt es sich um eine Serienschaltung aus einem
Ohmschen Referenzwiderstand und dem nichtlinearen Widerstand der RTD (vgl.
hierzu auch Abb. 3.5), an denen jeweils ein Bruchteil der angelegten Spannung
72
6.1 Transportmessungen an Transmissionsproben
5
GaAs-Substrat abpoliert
Probe unbehandelt
4
Abb. 6.2: Vergleich der GV-Kurven der
unbehandelten und abpolierten Probe. Letztere weist ein
größeres Peak-to-Valley-Ratio
auf, zeigt schmalere Resonanzen und die Phonon-Replik
tritt deutlicher hervor.
G (mS)
3
2
1
T = 4.2K
B = 6T
0
-250
-200
-150
-100
-50
0
V (mV)
abfällt. Der Arbeitspunkt ergibt sich für jeden Wert der angelegten Spannung aus
dem Schnittpunkt der RTD-Kennlinie mit der Lastgerade des Referenzwiderstandes. Im negativen differentiellen Widerstands-Bereich der RTD kann die Situation
eintreten, dass Lastgerade und RTD-Kennlinie mehr als einen Schnittpunkt aufweisen. Die Schaltung befindet sich dann in einem instabilen Zustand und kann zwischen beiden Arbeitspunkten oszillieren [Coo89]. Bei diesem Spannungswert treten
dann die Diskontinuitäten in der GV-Kennlinie auf. Sie lassen sich unterdrücken
durch die Verwendung eines kleineren Referenzwiderstandes, was in Abb. 6.1 einer
steileren Lastgerade entspräche. Dass bei der abpolierten Probe bei Messung mit
identischem Widerstand solche Sprünge in der Kennlinine auftreten, bei der unbehandelten Probe jedoch nicht, ist gleichbedeutend mit einer steileren Flanke der
Resonanz. Des Weiteren tritt die Phonon-Replik bei der Struktur mit entferntem
GaAs-Substrat deutlicher zu Tage.
Die beobachteten Diskontinuitäten verhindern es, die beiden Kennlinien-Sätze für alle
Magnetfeldstärken quantitativ miteinander zu vergleichen. Im konkreten Fall lässt sich
ihr Auftreten auch nicht durch die Verwendung eines geringeren Referenzwiderstandes
unterdrücken. Die Erklärung hierfür besteht darin, dass auch die Kontaktflächen einen
Widerstand aufweisen, der zum Widerstand der eigentlichen RTD und dem Referenzwiderstand hinzukommt. Jener Kontaktwiderstand skaliert mit der Fläche der Pillars
und reicht selbst bei verschwindendem Referenzwiderstand aus, um einen instabilen Arbeitspunkt zu erzeugen. Abb. 6.2 zeigt exemplarisch die Gegenüberstellung der GVKennlinien für beide Proben bei 6T. Zusätzlich zur schmaleren Resonanz zeigt sich im
direkten Vergleich, dass sich das Peak-to-Valley-Ratio der Probe mit entferntem GaAsSubstrat um 20% von 1.07 auf 1.29 erhöht.
73
6 Faraday- und Transportmessungen an Transmissionsproben
6.2 Erklärungsansätze für die Erhöhung des PVR
6.2.1 Formation von Quantenpunkten an Wachstumsgrenzen
1994 demonstrierten A. Zrenner et al., dass sich an den Grenzflächen von mittels MBETechnologie gewachsener Heterostrukturen infolge lokaler Fluktuationen der Schichtdicke quantenpunktartige, nulldimensionale Zustände ausbilden können [Zre94]. Die von
ihnen untersuchte Probe besteht aus einer in Al0.48 Ga0.52 As eingebetteten gekoppelten AlAs/GaAs-Quantentrogstruktur, deren X- und Γ-Leitungsbänder zwei benachbarte Tröge ausbilden. Durch Anlegen eines elektrischen Feldes lassen sich die Niveaus
des X-Minimums infolge des linearen Stark-Effektes energetisch gegenüber denen des ΓMinimums verschieben. Im Photolumineszenz-Spektrum bei angelegter Spannung VB =
−0.2V (X-Minimum liegt energetisch unterhalb des Γ-Minimums) beobachtet man im
Falle eines flächenmäßig großen Anregungsspots (∅ ≈ 100µm) verbreiterte Übergänge beider Potentialminima. Wird der Anregungsspot drastisch verringert (∅ ≈ 2µm),
treten extrem schmale, getrennt voneinander liegende Linien im Bereich des indirekten Übergangs auf, welche auf ein vollständig quantisiertes System wie einen einzelnen
Quantenpunkt hinweisen. Durch Wahl einer geeigneten Vorspannung VB kann folgende
Situation erreicht werden: Elektronen vom Γ-Minimum gehen in das energetisch tiefer
liegende X-Minimum über, in dem sie eine um mehrere Größenordnungen erhöhte Lebensdauer aufweisen. Jene Elektronen bilden ein Reservoir, aus dem einzelne Elektronen
abhängig von der jeweiligen Vorspannung resonant in lokalisierte Niveaus unterhalb des
Γ-Minimums injiziert werden können. Während bei kleinen negativen Spannungen eine
Vielzahl diskreter Linien im PL-Spektrum zu beobachten ist, reduziert sich deren Anzahl
für betragsmäßig größer werdende negative Werte, da nun nur noch wenige, besonders tief
liegende Niveaus bevölkert werden. Auch die charakteristische Magnetfeldabhängigkeit
der energetischen Position der diskreten Linien weist auf quantenpunktartige Zustände
an den Grenzflächen hin.
6.2.2 Nullfeldaufspaltung in Quantenpunkt-RTDs
Wird in einer resonanten Tunneldiode der zweidimensionale Quantentrog durch ein Ensemble selbstorganisierter Quantenpunkte ersetzt, weisen die GV-Kennlinien der RTD
ein fundamental abweichendes Verhalten auf. Für eine RTD mit semimagnetischen Barrieren und Quantenpunkten aus nichtmagnetischem Material beobachteten C. Gould
et al. folgendes Verhalten [Gou06]: Während die Aufspaltung der beiden Resonanzen für
hohe Magnetfelder erwartungsgemäß einer Brillouin-Funktion folgt, ergibt sich für kleine
Magnetfelder ein qualitativ abweichender Verlauf. Obwohl das paramagnetische Material
bei Nullfeld keine makroskopische Magnetisierung aufweist, beobachtet man kein vollständiges Zusammenlaufen, sondern weiterhin eine Aufspaltung der beiden Resonanzen.
Diese Beobachtung ist folgendermaßen zu verstehen: Obwohl die geometrischen Maße der
Struktur viele Millionen Quantenpunkte umfassen, wird der Transport durch einige wenige Quantenpunkte dominiert, welche bei niedriger Spannung in Resonanz kommen. Die
74
6.2 Erklärungsansätze für die Erhöhung des PVR
Wellenfunktionen der Elektronen weisen eine hinreichende räumliche Ausdehnung auf,
um mit Mn-Ionen in den Barrierenschichten zu überlappen. Der Gesamtspin eines Quantenpunktes nimmt für fast jede Elektonen-Population einen endlichen Wert an. Es lässt
sich zeigen, dass die Wechselwirkung zwischen dem Gesamtspin des Quantenpunktes mit
dem Spin eines Mn-Ions ein effektiv ferromagnetisches Verhalten aufweist, welches die
antiferromagnetische Kopplung benachbarter Mn-Spins zu kompensieren vermag. Elektronen im Quantenpunkt vermitteln somit eine lokal ferromagnetische Wechselwirkung
zwischen Mn-Spins in der Umgebung des Quantenpunktes, die eine endliche Aufspaltung
der Resonanzen in der GV-Kurve bei Nullfeld erzeugen.
6.2.3 Übertragung der Erkenntnisse auf Quantentrog-RTDs
2010 zeigten M. Rüth et al. [Rüt10], dass das etablierte Bild der Spin-Injektion über eine
RTD mit semimagnetischem Quantentrog einer Revision bedarf. Drei Beobachtungen
lassen sich mit dem hergebrachten Bild nicht erklären:
• Eine genauere Auswertung zeigt, dass die beiden Resonanzen auch bei Nullfeld
nicht auf exakt den gleichen Wert zusammen laufen.
• Die Energie des ZnSe-LO-Phonons von 31.7meV [Lan99] lässt sich nutzen, um
durch Gleichsetzung mit dem energetischen Abstand e∆V zwischen Resonanz bei
Nullfeld und Phonon-Replik die Spannungsachse in eine Energie-Achse zu übersetzen. Die Halbwertsbreite der Nullfeld-Resonanz entspricht der Fermi-Energie des
Emitter-Kontaktes. Der so bestimmte Wert fällt jedoch höher aus als erwartet und
erweist sich als inkonsistent mit den Erkenntnissen anderer Bestimmungsmethoden.
• Die Linienform der Resonanz weicht weit von einem Lorentz-Profil ab und lässt
sich wesentlich besser durch eine Gauß-Funktion beschreiben.
Diese Beobachtungen lassen sich konsistent erklären, wenn man annimmt, dass sich
an den Grenzflächen der Heterostruktur quantenpunktartige Zustände ausbilden. Der
Transport durch die Struktur wird damit stark beeinflusst von der Transmission durch
diese nulldimensionalen Zustände. Gemäß Abschnitt 6.2.2 ließe sich damit die beobachtete Nullfeldaufspaltung der Resonanz erklären. Werden die tunnelnden Elektronen nicht
nur von den zweidimensionalen quantisierten Trogniveaus beeinflusst, sondern findet der
Transport durch ein Ensemble lokalisierter Zustände statt, verliert die Annahme eines
Lorentz-förmigen Transmissionskoeffizienten seine Gültigkeit. Vielmehr muss eine Überlagerung einer Vielzahl von energetisch getrennt liegenden Transmissionskoeffizienten
berücksichtigt werden, die sich wiederum in Übereinstimmung mit der experimentellen
Beobachtung als eine Gauß-Funktion beschreiben lässt.
Die einzige offensichtliche Veränderung, die mit der Entfernung des GaAs-Substrates einhergeht, betrifft die Verspannungssituation in der Probe. Die Frage, wie der Zusammenhang zwischen der Entfernung des Substrates und den ausgeprägteren Resonanzen mi-
75
6 Faraday- und Transportmessungen an Transmissionsproben
kroskopisch zu interpretieren ist, lässt sich an dieser Stelle jedoch nicht abschließend beantworten. Fest steht aber, dass eine systematische Untersuchung der durch den Schleifprozess induzierten Veränderungen in den Transporteigenschaften zur Vervollständigung
des physikalischen Bildes resonanter Tunnelprozesse in semimagnetischen QuantentrogRTDs beitragen wird. Hierfür wird es in erster Linie notwendig sein, die Aufspaltung
der Resonanzen in den IV-Kurven durch eine geeignete Verstärkerschaltung über den
gesamten Spannungsbereich und für sämtliche Magnetfeldstärken ohne Diskontinuitäten
aufzulösen. Eine Möglichkeit bildet die Verwendung eines negative impedance converter
(Abk. NIC). Diese Operationsverstärker-Schaltung verhält sich wie ein negativer Widerstand [Mar94]. Durch eine Reihenschaltung mit dem Referenzwiderstand und der RTD
wird eine effektiv größere Steigung der Lastgerade in Abb. 6.1 erreicht. Bei korrekter
Dimensionierung des NIC wird der Verlauf der IV-Kurve auch im Bereich ihres negativen differentiellen Widerstandes einer Messung ohne Bistabilitäten zugänglich gemacht.
Eine denkbares (Teil-) Ergebnis einer umfassenden Analyse von energetischer Lage und
Linienform der Resonanzen in den IV-Kurven könnte beispielsweise sein, dass nach Entfernung des GaAs-Substrates die Nullfeldaufspaltung der Resonanzen geringer ausfällt.
Da die energetisch höher liegende Resonanz hierdurch stärker aus dem Hintergrundstrom hervorträte, ließe sich zumindest die Beobachtung des erhöhten Peak-to-ValleyRatios zwanglos auf eine geringere Nullfeldaufspaltung zurückführen. Eine schematische
Darstellung ist im linken Teil der Abb. 6.3 gezeigt.
6.3 Faraday-Messung an abpolierter Einzelbarriere
Nachdem sich der Nachweis einer potentiellen Spininjekion über eine semimagnetische
Einzelbarriere mittels des Kerr-Effektes aus konzeptionellen Gründen als nicht möglich erwiesen hat (vgl. Kapitel 4.2.2), wird nun der Versuch eines Nachweises über den
Faraday-Effekt unternommen. Gemäß der Beschreibung in Kapitel 3 wird eine mit 7Hz
rechteckförmig modulierte Spannung variabler Amplitude an die Einzelbarriere angelegt
und die beschriebene Doppelmodulations-Technik eingesetzt. Die Integrationszeit des
ersten Lock-In-Verstärkers wird auf den niedrigst möglichen Wert von 3ms gesetzt, die
Integrationszeit des zweiten Lock-In-Verstärkers beträgt 10s. Der Faradaywinkel wird
für jede angelegte Spannung fünfzig Mal gemessen, Abb. 6.3 zeigt die berechneten Mittelwerte als Funktion der jeweiligen Ausgangsspannung des Funktionengenerators. Der
eingezeichnete Fehlerbalken reflektiert die Standardabweichung der fünfzig Einzelmessungen.
Die extrem großen Fehlerbalken erklären sich durch eine unerwartete experimentelle
Schwierigkeit. Dreht man den Polarisator vor Linse 1 im Versuchsaufbau (vgl. Abb. 3.2)
um einen kleinen Winkel und betrachtet den Signalverlauf auf der Photodiode mittels
eines Oszilloskops, so zeigt sich ein qualitativ ähnlicher Signalverlauf wie in Abb. 3.9, der
allerdings massive Verzerrungen aufweist. Schwankungen in der durch die Struktur transmittierten Intensität sind bereits mit bloßem Auge deutlich zu erkennen. Sie übersetzen
76
6.3 Faraday-Messung an abpolierter Einzelbarriere
T = 1.8 K
B = 6T
8
6
L
e i t f ä h
i g
k
Faradaywinkel
e i t
F
( w
i l l k
.
E
i n
h
e i t e n
)
(willk. Einheiten)
10
S p a n n u n g (w illk . E in h e ite n )
4
2
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
Amplitude (V)
Abb. 6.3: Links: Im Falle reduzierter Nullfeldaufspaltung (unten) ergibt sich automatisch
ein größeres Peak-to-Valley-Ratio, da die energetisch höher liegende Resonanzdeutlicher aus dem Hintergrundstrom hervortritt. Rechts: Gemessene FaradayWinkel für angelegte Rechteckspannungen verschiedener Amplituden. Die großen
Fehlerbalken erklären sich aufgrund schwankender Intensität auf dem Detektor
infolge mechanischer Instabilitäten.
sich nach Gleichung (3.12) 1:1 auf Instabilitäten des Signalverlaufs. Das Auflösungsvermögen der Apparatur wird drastisch reduziert. Die Ursache hierfür ist ein Wandern des
Laserstrahls auf dem Metallfenster in der Probenstruktur. Mechanische Erschütterungen (Trittschall, Vibrationen durch Pumpstände etc.) übersetzen sich über Wellschläuche
auf den ungedämpften Magnetkryostaten. Für sämtliche Messungen, wie sie bisher im
selben Labor durchgeführt wurden (Magneto-Photolumineszenz und PhotolumineszenzAnregungsspektroskopie sowie Reflexionsspektroskopie), hatten mechanische Vibrationen keine Auswirkungen, da sie erstens die Anregungsbedingungen nicht signifikant änderten und zweitens zur Detektion hohe Integrationszeiten zum Einsatz kamen. Eine
eigens angefertigte Bronze-Feder, welche auf dem Probenspieß angebracht wurde, um
mittels mechanischen Kontaktes den zuvor frei hängenden Probenspieß zu stabilisieren,
brachte nicht den erwünschten Erfolg. Der Aufbau in seiner derzeitigen Konfiguration
erscheint nicht geeignet, um die vorgeschlagene Faraday/Kerr-Messung durchzuführen,
welche eine Stabilität des Laserspots auf der Probenoberfläche im µm-Bereich erfordert.
Um eine Stabilisierung der transmittierten Intensität zu erreichen, stehen zwei offensichtliche Ansatzpunkte zur Verfügung:
1. Der Kryostat müsste mittels eines Dämpfungssystems so aufgestellt werden, dass
sich weder Trittschall noch Vibrationen durch Pumpstände auf eine mechanische
Bewegung der Probe übersetzen können.
2. Zwecks verlässlicherer Justage des Laserspots auf dem Fenster der Probenstruktur
wäre eine bessere Fokussierung des Laserstrahls wünschenswert.
77
6 Faraday- und Transportmessungen an Transmissionsproben
Während der erste Ansatzpunkt realisierbar ist, erscheint die Realisierung des zweiten
aufgrund der großen Distanz zwischen Außenfenster und Probenebene sowie des zylindrischen Glaspins jedoch fraglich. Mit einer besseren Fokussierung müsste zusätzlich eine
bessere Kontrollmöglichkeit der Justage eingerichtet werden, was notwendigerweise mit
der Neuanschaffung eines höherwertigen Mikroskops einherginge.
78
7 Zusammenfassung und Ausblick
Die initiierende Aufgabenstellung dieser Diplomarbeit bestand darin, einen Versuchsaufbau zu konzipieren, der es mittels des magnetooptischen Kerr-Effektes ermöglicht, den
direkten Nachweis einer Spin-Injektion über eine semimagnetische Einzelbarriere zu führen. Der implementierte experimentelle Aufbau ist optimiert auf das Materialsystem
(Zn,Mn)Se und ermöglicht die Messung von Faraday- und Kerr-Rotationen mit einer
Winkelauflösung von besser als 10−4 rad. Im Gegensatz zur üblichen Praxis der Angabe gemessener Rotationen der Polarisationsebene in willkürlichen Einheiten lassen
sich mithilfe der vorgestellten Kalibrierungsroutine Kerr- und Faradaywinkel quantitativ bestimmen. Der Versuchsaufbau wurde des Weiteren um einen Transportmessplatz
ergänzt. Sowohl magnetooptische als auch Transportuntersuchungen mit konkurrenzfähiger Auflösung und Stabilität lassen sich separat sowie in Kombination durchführen. Die
Zusammenführung beider Messplätze gelingt durch eine Doppelmodulations-Technik.
Der neue Versuchsaufbau wurde genutzt, um die Kerr-Rotation an einer (Zn,Mn)SeSchicht bekannter Zusammensetzung als Funktion des Magnetfeldes zu vermessen. Qualitativ lässt sich die Entwicklung des Kerrwinkels θK (B) bereits aus einem direkten
Vergleich mit Photolumineszenzdaten nachvollziehen. Darüber hinausgehend wurde exemplarisch für die untersuchte (Zn,Mn)Se-Schicht eine Routine entwickelt, welche die
Simulation von Kerr- und Faraday-Rotationen sowie der zugehörigen Elliptizitäten sowohl als Funktion eines angelegten Magnetfeldes als auch der zur Messung verwendeten Laserwellenlänge ermöglicht. Es konnte gezeigt werden, dass unter Berücksichtigung
der Schwer- und Leichtlochübergänge sowie der individuellen Verspannungssituation im
Kristall die Simulation den Verlauf der Kerrwinkel als Funktion des Magnetfeldes im
Detail reproduziert. Hervorzuheben ist ferner, dass die Simulation quantitative Aussagen über Signalverläufe macht, die im Falle der untersuchten (Zn,Mn)Se-Schicht mit den
Messdaten quantitativ übereinstimmen. Publikationen mit einer vergleichbar umfassenden quantitativen Analyse von Kerr-Rotationen an Halbleiterstrukturen sind dem Autor
nicht bekannt. Mittels der Simulations-Infrastruktur lässt sich zudem eine Abschätzung
über die zu erwartende Signalgröße bei Reflexion an der Einzelbarriere gewinnen. Es zeigt
sich, dass die Reflektivität der ZnSe/(Zn,Be,Mn)Se-Grenzfläche zu gering ist, um mit der
bestehenden Apparatur die Kerr-Rotation infolge einer Spin-Ungleichgewichtsverteilung
nachzuweisen.
Mit dem Ziel, die semimagnetischen Einzelbarrieren einer Faraday-Messung zugänglich
zu machen, wurde ein neues Verfahren entwickelt, welches mittels einer Kombination aus
mechanischem Schleifen und nasschemischem Ätzen die Entfernung des GaAs-Substrates
und einen Transfer der entstehenden Probenfilme auf Glassubstrate erlaubt. Durch Verwendung eines Silizium-Rahmens lassen sich die Proben vor der Einwirkung von Scher-
79
7 Zusammenfassung und Ausblick
kräften während des Schleifens schützen, sodass mittels optischer Lithographie erzeugte laterale Strukturierungen den gesamten Prozess unbeschadet überstehen. Während
hochauflösende Röntgendiffraktogramme an den abpolierten Probenfilmen verbreiterte Reflexe aufweisen, konnte durch Transportmessungen nachgewiesen werden, dass die
kristalline Struktur der epitaktischen Schichten erhalten bleibt. GV-Kennlinien resonanter Tunneldioden weisen entgegen ursprünglicher Erwartungen nach der Entfernung des
GaAs-Substrates schmalere Resonanzen und erhöhte Peak-to-Valley-Ratios auf als identische Referenzstrukturen mit GaAs-Substrat. Diese Beobachtung fügt sich zwanglos ein
in die neueste Entwicklung eines revidierten Verständnisses der Transportmechanismen
in resonanten Tunnelstrukturen.
Unerwarteten experimentellen Schwierigkeiten in Form mechanischer Vibrationen des
Versuchsaufbaus ist es geschuldet, dass der Nachweis einer Spininjektion über eine semimagnetische Einzelbarriere letztlich nicht geführt werden konnte. Ansatzpunkte zur
Optimierung des Versuchsaufbaus wurden vorgeschlagen, die notwendigen Umbauten
erfordern jedoch zeitliche und finanzielle Investitionen.
Die vorgestellte Simulationsroutine lässt sich auf verwandte Materialsysteme übertragen, liefert quantitative Abschätzungen über die spektrale Lage sowie die zu erwartende
Intensität von Faraday- und Kerr-Signalen und wird sich damit als Instrumentarium
für die Vorausplanung zukünftiger Experimente als hilfreich erweisen. Darüber hinaus
lässt sich aus der vorliegenden Arbeit ein breites Spektrum an vielversprechenden Fragestellungen für zukünftige Projekte entwickeln, von denen an dieser Stelle stellvertretend
einige genannt seien.
• Die Simulation lässt eine ausgeprägte Resonanz in semimagnetischen Strukturen
für Wellenlängen nahe des Γ7 → Γ6 Übergangs erwarten. Eine Messung würde
erstmalig die direkte Bestimmung der energetischen Position des Split-Off-Bandes
ermöglichen.
• Eine Weiterentwicklung der Simulationsroutine, welche auch die Entstehung einer Kerr-Rotation aufgrund einer Spin-Ungleichgewichtsverteilung korrekt erfasst,
wird die nötige Infrastruktur bereitstellen, um eine optisch induzierte Spinpolarisation quantitativ ortsaufgelöst auszumessen.
• Eine systematische Untersuchung der durch die Entfernung des GaAs-Substrates
induzierten Veränderungen in den Transporteigenschaften resonanter Tunneldioden
wird möglicherweise wertvolle Hinweise auf die Natur der zugrunde liegenden Tunnelprozesse liefern.
• Des Weiteren lässt sich der entwickelte Prozess zur Entfernung des GaAs-Substrates
auf die überwiegende Mehrzahl der an unserem Institut gewachsenen Strukturen
übertragen und macht diese damit einer Vielzahl bisher unanwendbarer Untersuchungsmethoden zugänglich. Von besonderem Interesse könnten in diesem Zusammenhang Transmissionsmessungen an selbstorganisierten Quantenpunkten sein,
welche an ein räumlich nahe gelegenes zweidimensionales Elektronengas koppeln.
80
Durch Anlegung eines elektrischen Feldes ließen sich die Energieniveaus der Quantenpunkte gegenüber der Fermienergie des 2DEG verschieben und deren Wechselwirkung über eine optische Transmissionsmessung mit hoher Genauigkeit verfolgen.
81
Prozessparameter zur Herstellung der
Transmissionsproben
Die folgende Tabelle enthält eine Übersicht über sämtliche Prozessschritte, welche nach
der Strukturierung der Pillars notwendig sind, um das GaAs-Substrat der Proben zu
entfernen.
Schritt
Prozessparameter
0
Herstellung des Silizium-Rahmens
Lithographie (Parameter siehe Schritt 1) eines Quadrates auf einen Siliziumwafer mit
200nm SiO2 -Beschichtung. Ätzen der SiO2 -Schicht mittels 1:200 verdünnter Flusssäure.
Durchätzen des Si-Substrates mittels 80◦ C heißer 20%iger Kalilauge. Die verbliebene
SiO2 -Schicht am Rand dient als Maske.
1
Lithographie des Rechtecks
Probe mittels Spincoating-Verfahrens belacken. Vorbehandlung: HMDS 5” @ 4000 rpm,
dann Photolack AR-U 4040 20” @ 4000 rpm. 2’ ausbacken bei 80◦ C. 20” UV-Belichtung.
20” Entwickeln in Entwicklerlösung AR-300-26:H2 O = 1:4.
2
Entfernen der in situ-Goldschicht
Ätzlösung: Natriumsulfat, Thioharnstoff und Kaliumhexacyanoferrat(III) (jeweils 10%ige
Lösung) im Volumenverhältnis 1:1:1. Ätzdauer: 75”. Charakteristische Goldfärbung der
Probenoberfläche verschwindet.
3
Entfernen der in-situ-Ti/Al-Schichten
Ätzlösung: 1:200 verdünnte Flusssäure. Ätzdauer: 20”. Schritte 2 und 3 werden jeweils
nacheinander so lange wiederholt, bis alle Metallreste entfernt sind (Probenoberfläche
schwarz).
4
Lithographie
Alte Lackmaske entfernen durch Bad in Aceton, Isopropanol und Wasser. Neue Lackmaske aufbringen mit ca. 50-100µm Überlappung über zu erhaltende Struktur. Parameter
siehe Schritt 1.
5
Entfernen der II-VI-Schichten
Ätzlösung: 1%ige Lösung von Brom in Ethylenglykol. Ätzdauer: ca. 10’. Dünnschichtinterferenzen der II-VI-Schichten verschwinden, wenn die gesamte II-VI-Schicht entfernt ist.
Die Probenoberfläche erscheint dann einheitlich dunkel. Alternativ Kontrolle der Ätztiefe
mittels DekTak.
83
7 Zusammenfassung und Ausblick
6
Aufkleben der Probe
Probe gemäß Abb. 5.7 rechts unten so auf den Siliziumrahmen kleben, dass die II-VISchicht ohne Kontakt frei steht. Schmelzpunkt des Wachses ca. 50◦ C. Auf gleichmäßige
Dicke der Wachsschicht achten.
7
Entfernen der Indiumreste
Bad in 37%iger Salzsäure. Ätzdauer: ca. 10’ - 30’. Alle Indiumreste sind aufgelöst, wenn
die charakteristische Bläschenbildung ausbleibt.
8
Abpolieren der Probe
Schleifmittel: 9µm-Aluminiumoxid Partikel gelöst in Wasser. Mittels Schleifen ca. 280µm
des GaAs-Substrates abtragen.
9
Probe erneut aufkleben
Trichlorethylen auf mind. 60◦ C erhitzen, den Glasträger mit abpolierter Probe hineinlegen und warten, bis sie sich von selbst ablöst. Probe vorsichtig mit einer Pinzette aus
dem Lösungsmittel entnehmen und mit der metallisierten Seite nach unten wieder mittels
Wachs auf den Glasträger kleben.
10
Ätzen des GaAs-Substrates
Ätzlösung: Natronlauge:Wasserstoffperoxid = 84:16 (Volumenverhältnis). Glasträger hineinlegen, bis die Goldschicht der Probe durchscheint. Ätzdauer je nach verbliebener Substratdicke mindestens 60’.
11
Aufbringung der Probe auf ein Glassubstrat
Probenfilm wiederum in erhitztem Trichlorethylen ablösen, mittels eines Siliziumsubstrates zunächst in ein Gefäß mit Isopropanol, dann in Wasser überführen (Beschreibung
siehe Text). Probenfilm drehen und mittels eines Stückchens Glassubstrat aufnehmen.
12
Probe kontaktieren
Auf den Kontaktflächen des Chipcarriers mittels optischer Lithographie kleine Rechtecke
strukturieren und 200nm Gold mit 10nm Titan als Haftvermittler aufdampfen. Glassubstrat mit Probenfilm auf den Chipcarrier aufkleben (zwei Komponenten-ExpoxydharzKleber). Bolddrähte von den Kontakflächen zu den Kontakten der Probe führen und
mittels Zwei-Komponenten-Kleber befestigen. Kleber mindestens 3 Stunden bei 80◦ C
aushärten.
84
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Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei Dr. Tobias Kießling bedanken für
die hervorragende Betreuung der Diplomarbeit sowie für zahlreiche Diskussionen und
Erklärungen, von denen ich im Laufe des letzten Jahres profitieren durfte.
Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Wolfgang Ossau, der es auf unnachahmliche Weise schafft, ein gleichsam produktives und ungezwungenes Klima innerhalb der
Arbeitsgruppe zu erzeugen und einem Diplomanden das Gefühl zu geben, nicht nur
akzeptiert, sondern willkommen zu sein.
Prof. Dr. Laurens Molenkamp danke ich für die beständige Unterstützung unserer Arbeitsgruppe im Gefüge des Lehrstuhls für Experimentelle Physik III.
Ein Dankeschön gilt ferner Dr. Charles Gould für die Möglichkeit, die Diplomarbeit in
enger Kooperation mit seiner Arbeitsgruppe anzufertigen. Bei Philip Hartmann möchte
ich mich für die gute Zusammenarbeit und seine bereitwillige Hilfestellung bei der Durchführung und Interpretation von Transportmessungen bedanken. Ein weiteres Wort des
Dankes möchte ich an Dr. Claus Schumacher für seine Hilfe bei der Durchführung der
Röntgen-Messungen richten sowie an Volkmar Hock und Petra Wolf-Müller, die mir
während der Arbeiten im Reinraum mit Ratschlägen und Hilfestellungen zu sämtlichen
Technologie-Fragen zur Seite standen.
Für die einzigartige Atmosphäre in unserem Büroalltag möchte ich allen Insassen“ von
”
C134a sagen: Danke Christoph, Franz, Tobias, Andreas, Jan-Henrik und Tobi!
Herzlich möchte ich mich bei meinen Eltern, meinen Großeltern und Schwestern bedanken, die alle ihren eigenen, ganz besonderen und wichtigen Teil zu meinem Studium
beigetragen haben.
Von Herzen danke ich meiner Freundin Sara Anna für ihre unvergleichlich liebevolle Art,
mit der sie mir die Augen öffnet für die wirklich wichtigen Dinge außerhalb der Physik.
91
Erklärung
Gemäß §33 Absatz 2 der Prüfungsordnung für den Diplom-Studiengang Physik an der
Julius-Maximilians-Universität Würzburg in der Fassung vom 15.09.2004.
Hiermit erkläre ich, dass ich die Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen Hilfsmittel als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.
Würzburg, 15. Dezember 2010
Steffen Bieker
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