Hamburg Soul Weekender 2007 // John Manship Interview // Rare

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Hamburg Soul Weekender 2007 // John Manship Interview // Rare
THE SOUL-BOWL MAGAZINE · No. 1 · Okt. 2007 · 1,50 Euro
Hamburg Soul Weekender 2007 // John Manship
Interview // Rare Soul in Hamburg // Soul-O-Poly
Terry Callier // Soul-Plattencover im Wandel // Reviews
Soul und House // Soul-Gymnastik // Ada’s Shake Out1
INHALT
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Rare Soul in Hamburg – wie alles begann
Terry Callier – It’s got to be a good song
SPECIAL: Hamburg Soul Weekender 2007
Interview mit John Manship
Soul-O-Poly
Voices in my mind – Soul und House
Soul-LP Cover-Art aus den 60ern und 70ern
Soul-Gymnastik
Reviews
Ada’s Shake Out
Termine + Impressum
EDITORIAL
Liebe Soul-Gemeinde,
zum ersten Mal in der langen und abwechslungsreichen Geschichte der Hamburger Soulszene findet dieser
Tage der Hamburg Soul Weekender statt. Grund genug für uns, Soul-Federn aus ganz Deutschland zu
vereinen und dieses Heftchen herauszubringen.
Vor gut einem Jahr gründete sich in Hamburg die Brüder- und Schwesternschaft der „Rare Soul Assis“
(„not cool but active“). Um die 30 Soul-Plattendreher sind locker zusammengeschlossen – was allerdings bei
weitem nicht alle hanseatischen DJs dieses Genres sind. Die Idee, mit- und nicht gegeneinander unser aller
Leidenschaft für Soul zu leben, hat Früchte getragen: Aus ihr entstanden der Weekender, dieses Heft und
unzählige Soul-Veranstaltungen und Kneipenabende, bei denen die DJs getauscht, geliehen und geladen
werden. Für die meisten von uns bedeutet Soul weit mehr, als nur Platten – und Wissen über diese – zu sammeln.
Soul ist eine musikalische Leidenschaft und zugleich ein Lebensstil, dem wir mit viel Spaß nachgehen. Und
genau das spiegelt Strike! wieder.
Strike! ist kein normales Fanzine: Es ist Programmheft, Fanzine und irgendwie auch Magazin. Neben Artikeln über Hamburg Mod, die Geschichte von Plattencovern in der Soulmusik, einem John Manship Interview und Rezensionen findet ihr entsprechend einen Unterhaltungsteil mit Fotos, Soul-O-Poly, Ada’s
Shake Out und unserer Soul-Gymnastik. Da Soul als musikalischer Einfluss nicht nur in den 60er und
70er Jahren zu finden ist, geben wir auch Artikeln einen Platz, die im Hier und Jetzt angelangt sind: Voices
In My Mind tippt auf den Soul im House, und Terry Callier berichtet im Interview von seinen heutigen
Projekten als Musiker.
Mit seinen Worten schließen wir auch dieses Editorial und wünschen Euch
viel Spaß beim Lesen und ... tanzen: „It’s got to be a good song!“
Ada Loveshake & Holly Holzwarth
3
RARE SOUL IN
HAMBURG – WIE
ALLES BEGANN
Right back where we started from ...
Einer der ersten Rollerfahrer mit Fans ca. 1980 (feat. Oach „links“ + The Jan „Kopf Mitte“)
4
R
are Soul in Hamburg ist
längst salonfähig geworden.
Es gibt kaum eine Stadt in
Deutschland, die über derart viele DJs, Sammler und aktive Clubs
verfügt. 60s / 70s Soul und FunkBeschallungen in den Kiez-Bars
sind eher alltäglich als die Ausnahme. Der harte Kern der beteiligten DJs aus der Elbmetropole
gehört heute mit zu den richtungsweisenden Charakteren auf
den bundesweiten Veranstaltungen der eingeweihten Rare Soul
In-Crowd. Ein Standard, der sich
aus einer nunmehr gut 25-jährigen Tradition entwickelte.
Am Anfang stand, wie für viele
andere Entwicklungen der europäischen Club-Geschichte auch,
das Mod-Revival der späten
Siebziger und frühen Achtziger
Jahre. Im urbanen Hamburg meldeten sich schnell Gefolgsleute,
als “The Jam”, “Quadrophenia”
und Ska Bands wie “Madness”
und “Specials” auf den Plan traten. Und Hamburg lieferte alles
live: “The Jam”, etliche Ska Bands
und viel gemässigten Punk auf
Augenhöhe in der Markthalle;
“Quadrophenia” im Klick Kino
im Karo-Viertel oder als Doppelprogramm mit “The Wanderers”
im Magazin; Hunderte Mods an
den Wochenenden vorm “Phono”
am Stadtpark. Und, und, und.
Rein zahlenmässig stellte Hamburg die größte Fraktion in der
BRD. Ein Umstand, der es später
unnötig erscheinen ließ, dass sich
die Hamburger Mods vor der eigenen Haustür umsehen mussten.
Zunächst brauchte es ein paar
Jahre, bis kritikloser Rudeltrieb
und die Einheitskostümierung
mit Parka und billigem Carnaby
Street Outfit, mit neuem Fachwissen und Wiederentdeckungen
der Sixties Originale optisch und
musikalisch aufgewertet wurden.
Ohne Zuhilfenahme von Internet
und MP3-Format begann eine
Entdeckungsreise in die Wunderwelt hipper Sixties Kultur. Es
begann das muntere Ausschlachten eines schier unerschöpflichen
Fundus an Fashion, Sound und
Design.
Musikalisch lösten vornehmlich weiße Bands wie die “Small
Faces”, “Artwoods” und “The
Action” die britischen Neo-Mod
und Ska Bands ab. Nach und
nach erreichten auch amerikanische Garage-PunkBands und der Psychedelic Pop der späteren
Sechziger große Beachtung. Die Mode kam
jetzt nicht mehr ausschließlich aus Carnaby
Street Importen, sondern
wurde häufig in 2nd Hand
Läden und auf Flohmärkten
‘geschossen’. Aktive Köpfe begannen die Stadt mit Konzerten,
Früher oder
später wurde
klar, SOUL
ist und war
das DING.
Tanzveranstaltungen und Fanzines zu versorgen. Gleichzeitig
schworen die Massenmedien ein
generelles Nostalgie-Comeback
herauf. Selbst Mainstream-Geschichten wie die “Neue Deutsche Welle” suhlten sich im
Charme und Kitsch der 50er und
60er Jahre. UK Bands wie “The
Smiths” und “The Housemartins” schossen mit ihrem leichten 60s Understatement aus dem
Underground an die Spitze kultureller Interessen. Unabhängig
von der Mod-Kultur entstand
eine Szene rund um Neo-Psychedelic und Neo-Garage Bands.
Kurz, ein ganzes Jahrzehnt, das
gerade in seiner musikalischen
Entwicklung
unvergleichbar
bleibt, wurde als Ganzes zum
Trend ausgerufen. Und die
Hamburger Mods forschten
munter weiter nach Relikten der
britischen Ur-Szene der zweiten
Hälfte der 60s. Früher oder später wurde klar, SOUL war und
ist das Ding. Dabei dünkelte die
große Masse der Revival Fraktion der britischen Insel auf einem nicht enden wollenden 79er
Kontext. Von hier aus wurden die
Aktivitäten der Mitstreiter auf
dem europäischem Festland argwöhnisch betrachtet. Deutsche
Marktführer wie die Hamburger
Band “The Chocolate Factory”
wurden als Hippies abgetan. Sixties-Mod-Club-Kultur, wie sie
heute auf der Insel propagriert
wird, kam über den Umweg Spanien, Italien, Belgien, Deutschland, usw. zurück nach England.
Das aber ist eine andere Geschichte.
>>>
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Von links nach rechts:
Besuch aus Düsseldorf und Berlin
vor der Markthalle ca. 1983
Verewigung mit Edding „Mods“ /
U-Bahnhof 1979
Publikum beim STUNDE X
Konzert 1984 Allnighter im Klecks
Theater
Anfang der Achtziger Jahre war
also klar, dass 60s Soul in all seinen Spielarten wie Northern,
Boogaloo, R&B und Club-Soul
unmittelbar mit dem Modern
Way of Life verwoben war! Wie
aber an den Stoff, sprich die Platten, gelangen? Wonach suchte
man eigentlich? Was waren die
Grenzbereiche neben den vielen Motown und Atlantic (Stax)
Platten, die man ohne weiteres
finden konnte? Im erweiterten
Beat-Musik-Bereich war das
noch relativ einfach gewesen, da
allein schon durch die alte Star
Club-Fraktion “Altlasten” hier
und dort zum Verkauf auftauchten. Aber Soul? Wer um Himmelswillen hatte im Deutschland
der Sechziger Jahre schon Rare
Soul konsumiert? Nicht mal eben
Google befragt oder bei Ebay
vorbei geschaut. Für diejenigen,
die sich explizit der Musik im
Allgemeinem verschrieben hatten, war Original-Vinyl schon
damals das Nonplusultra. Quellen
waren auch hier Flohmärkte und
die vielen 2nd Hand Plattenläden
der Stadt. Diese Quellen waren
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jedoch schnell versiegt, nachdem
sich etliche Bewerber durch die
Single-Boxen der Vinyl-Dealer
gehört hatten. Abhilfe schafften
dann ziemlich rasant LP-Sampler
von Inferno, Casino Classics und
vor allem dem von ACE-Records
neu ins Leben gerufenen Tochter-Label KENT. Endlich tauch-
WIE ABER AN
DEN STOFF,
SPRICH DIE
PLATTEN,
GELANGEN?
ten Namen und Labels in
den Liner-Notes der entsprechenden Platten auf.
Vereinzelt brachen Interessierte
nach England auf, um sich auf
Spurensuche zu begeben. Aber
Hallo! Was diese Herren dort für
ihre Platten aufriefen, war geradezu unverschämt. Zwar gab es
einige Wiederveröffentlichungen
einzusammeln, die in Deutschland nicht angeboten wurden,
aber die Seifenblase, sich mal nett
einzudecken, zerplatzte rasch angesichts der Preise von 10 UK-P
aufwärts, bei einem damaligen
Umrechnungskurs von 1 zu 4,70
(oder so). Also galt es, die Augen auf heimischen Plattenbörsen aufzuhalten und sich hauptsächlich auf die angesprochenen
Compilations und Wiederveröffentlichungen zu konzentrieren.
Die SAMPLERMANIA war
geboren und die KENT-Sampler
das Maß aller Dinge. Bis
1982 hatte es keine regelmäßigen Mod-, 60soder gar Soul-Clubs
in Hamburg gegeben.
Getanzt wurde fast ausschließlich auf privaten
Parties. Die erste Veranstaltung,
auf der wie beiläufig so etwas wie
ein 60s Rare Soul Kult entstand,
war eine Festivität des Fanzines
“Modern Boys” (Pre “Hi-Fab”),
in einem im Stadteil Berne angemieteten Jungendzentrum. Zu
späterer Stunde liefen an diesem
Abend der Inferno Sampler “Out
On The Floor Tonight” und die
Island/Sue UK Jubiläums 10inch
“Dance Watcha Wanna” non-stop.
Nach dieser denkwürdigen Nacht
entwickelte sich Soul immer
mehr zur Party Musik Nr. 1 unter
den Hardcore-Mods. Innerhalb
der Szene kursierten Pläne, einen
eigenen Club zu eröffnen oder
zumindest regelmäßige Tanzveranstaltungen in ansprechenderen
Läden als irgendwelchen Jugendzentren zu organisieren. Zu dieser
Zeit brannte die Disco Zitrone,
im Volksmund “die Dröhne”, vor
den Toren der Stadt aus und der
Betreiber wechselte in den Stadtteil Altona und eröffnete das Kir.
Das Kir und die angrenzenden
Bars “Subito” und “Luxor”, alle
zusammen das Bermuda Dreieck, etablierten sich schnell zur
zentralen nächtlichen Wirkungsstätte der Hamburger Subkultur.
Die DJs im Kir spielten an den
Wochenenden auch vereinzelt
Mod-relavante Platten und auf
der Bühne des “Schuhkartons” an
der Max-Brauer-Allee standen
Bands wie “The Prisoners”, “The
Milkshakes” und einige neuformierte deutsche 60s Bands. Angesichts der vielen Kir-Besucher
aus der 60s Szene war es nur eine
Frage der Zeit, bis hier die erste
reine Mod-Tanznacht mit Musik
vom Plattenteller abgehalten werden sollte. Der Slogan “Soul Allnighter” als Medium für eine wild
tanzende Horde, die eine Nacht
lang zu Soul und nichts als Soul
tanzt, schwirrte in den Köpfen
vieler Charaktere der smarten Innung herum, ohne dass auch nur
einer von ihnen jemals wirklich
einen solchen besucht hatte. Leif
Nüske klopfte den Kir-Besitzer
Clemens Grün solange weich, bis
der erste ureigenste Hamburger
Soul Allnighter auf neudeutsch
gelauncht werden konnte. So
stand ich dann irgendwann mit
butterweichen Knien hinter den
Plattenspielern im Kir und durfte
den Programmgestalter mimen.
Die Veranstaltung entwickelte
sich prächtig und ging in Serie.
Ohne irgendwelche Unterbre-
chungen läuft das Ganze noch
immer. Nächstes Jahr werden es
dann 25 Jahre sein.
Im Laufe der Jahre kamen einige
weitere Clubs dazu. Neben den
vielen DJs in den Clubs und Bars
sowie den Veranstaltern einzelner
Events möchte ich vor allem den
“Shelter Club”, “Spellbound”,
“For Dancers Only”, “Classic
Soul Night” und den MOJO
Club (Mandarin Kasino) nicht
unerwähnt lassen. Eine umfassende Geschichte über die Entwicklung der Rare Soul Szene in
Hamburg, mit all ihren Strömungen, Anekdoten, Impressarios,
Lieblingsplatten und Verschleiß
an Mensch und Material, könnte
mühelos ein Buch füllen. ❧
Olaf “Oach” Ott
7
Von Basil Hunt
Terry Callier
It’s got to be
a good song
S
heperd’s Bush London,
April 2007. Terry Callier
bereitet sich auf seine
Show im Jazz Café in Camden
Town vor. Die Sonne scheint,
die Stimmung ist gut und der
Songwriter aus Chicago trifft
sich zum Gespräch mit Strike!.
Auf die Fragen nach musikalischer Kontinuität, langjährigen
Mitstreitern und den authentischen Song gibt er gelassene,
weitsichtige Antworten.
Dabei lässt Terry Calliers
Tourplan eigentlich kaum
Zeit zum Durchatmen. Daten
in Deutschland und Frankreich wurden bereits gespielt,
nach England sollen Spanien,
Finnland und zwei Shows in
der Türkei folgen. Das klingt
nach Tourstress, doch für Terry
ist eine Europareise immer ein
Wiedersehen mit Freunden: „Ich
lebe zwar noch immer in Chica-
8
go, denn meine Familie ist dort,
doch ich liebe London, aber es
ist so teuer! Ich mag Europa generell, zum Beispiel Paris, es gibt
hier ein besseres Publikum für
mich. Die Zeit wird kommen,
wo ich einfach umziehen muss.
Die Option halte ich mir schon
lange offen.“
Europa ist mehr denn je
ein Thema für ihn. Die britischen Protagonisten, die den
1951 geborenen Terry Callier
zu Beginn der neunziger Jahre
wieder ins Musikgeschäft zurückholten, sind ständig präsent.
Der Name Eddie Piller fällt,
der die 1982er-Single „I Don’t
Want To See Myself (Without
You)“ 1991 auf Acid Jazz wieder
veröffentlichte. Auch in der
Wahl seiner Band zeigt Callier
Kontinuität, mit dem britischen
Jazz-Funk-Urgestein Jim Mullen
als musikalischem Leiter: „Die
Gruppe wurde eigentlich schon
1995 gegründet, als ich wieder
zur Musik zurückkehrte und
Konzerte spielte. Russ Dewberry
und Gilles Peterson halfen mir,
die originale Band zusammenzustellen, nur der Schlagzeuger
und der Keyboarder wechselten
zwischenzeitlich.“
Es ist eine skurrile Situation, in der sich Terry Callier
befindet. Fest im Kanon der
Coolness aufgenommen, trat er
nie als bekennender Teil einer
Szene auf. Calliers Sozialisation
als Autor und Musiker passierte
in seiner Heimatstadt Mitte
der sechziger Jahre zwischen
Folk-Clubs und dem Umfeld
der Hitmaschine des Chess-Labels. Er startete in Jerry Butlers
„Chicago Songwriters Club“,
produzierte mit Charles Stepney,
schrieb mit Larry Wade oder
Phil Upchurch, nahm später mit
den Voices Of East Harlem und
Leroy Hutson sowie unter der
Obhut von Don Mizell auf. „Ich
höre immer noch am liebsten die
Musiker aus den vierziger Jahren
– Charlie Parker und Dizzy
Gillespie. Oder Bud Powell und
Thelonious Monk. Natürlich
auch Miles und Coltrane. Meistens Jazz, aber es gibt auch einige
zeitgenössische Künstler, die ich
gerne höre, wie zum Beispiel
Massive Attack.“ Mit denen war
er gerade auf Tour: „Das war
wirklich aufregend!“ Wie kommt
es zu solchen Begegnungen, wie
zum Beispiel mit Hardkandy
oder The JuJu Orchestra? „Oft
kontaktieren mich Leute und
bitten mich, Texte für ihren
Track zu schreiben oder einfach
zur Musik zu performen. Ich
mag das. Dadurch bleibt man
offen für alles, das bereitet mir
Freude.“
Was beliebig klingen könnte,
ist für Terry Callier eine eher
entspannte und souveräne Situation. 2007 steht er nicht mehr
unter Zwang, ein Produktionsbudget durch Plattenverkäufe
einspielen oder als fest angestellter Autor seinen Vorschuss mit
dem Komponieren von Hit-Singles kompensieren zu müssen.
Heute genießt er die Freiheit des
erfahrenen Bandleaders: „Ich lasse die Musiker entscheiden. Sie
kennen die Akkorde, wissen wie
man einen Uptempo-Song oder
eine Ballade behandelt. Sie spielen so, wie sie sich gerade fühlen,
das gefällt mir. Es funktioniert
einfach besser, wenn die Band
aus dem Moment heraus entscheidet. Wir spielen von „Time
Peace“ oder „Lookin’ Out“. Die
neuen Stücke sind natürlich
schwer zu ignorieren. Aber wir
achten darauf, dabei die alten
Stücke nicht zu vergessen, denn
die Leute freuen sich darüber.“
Der humanistische Ansatz ist
die Konstante in Terry Calliers
Musik. Politisch konkret wurde
er fast nie, dafür emotional umso
intensiver. „Es fiel mir leichter
einen Song zu schreiben als ein
Gespräch zu führen,“ erinnerte
er sich 1999 an die sechziger
Jahre. Anfang der siebziger Jahre,
zum Release von „Occasional
Rain“ und „What Color Is Love“
sowie Calliers erstem R’n’B-Top10-Hit als Autor, „The Love
We Had (Stays On My Mind)“
von den Dells, war Callier fest
im Business etabliert. Musik
und Politik gehörten zu dieser
Zeit inhaltlich eng zusammen.
Gleichzeitig konnten politische
und soziale Attitüde aber auch
schnellen Erfolg bedeuten. So
wuchs der Druck, kommerzielle Aspekte mit künstlerischen
Ambitionen in Einklang zu
bringen: „In den sechziger und
siebziger Jahren gab es in den
USA eine bestimmte Gruppe von Musikern die daran
glaubten, dass Du ernsthaft die
Welt verändern kannst, wenn
Du die richtigen Akkordfolgen
benutzt und die richtigen Texte
dazu hast. Bis zu einem gewissen
Punkt traf das auch zu, weil es
zur damaligen Zeit Künstler gab,
deren Songs wirklich die Art und
Weise veränderten, wie man mit
Musik umging und Musik hörte.
Sie schrieben über ihre eigenen
Erfahrungen und verbanden das
mit einem Somg. Bob Dylan
zum Beispiel hat als Komponist
das ganze Singer- & Songwriter-Genre begründet. Jetzt
ist es schwieriger, chaotischer.
Die Leute haben insgesamt
weniger Zeit zum Zuhören und
achten weniger auf Sachen, die
außerhalb ihrer eigenen Sphäre
passieren. Es ist schwierig, die
Dinge heute auf die gleiche
Weise anzugehen. Ich glaube,
wenn ein Song einen inneren
Fokus und unterschiedliche
Bedeutungsebenen besitzt, dann
kann man allerdings immer noch
Inhalte transportieren.“
Fühlt sich Terry Callier 2007
in einem digitalisierten, kleinteiligen Umfeld wohler als in den
sechziger und frühen siebziger
Jahren mit analogem Equipment,
großen Arrangements, Orchester-Partituren und Major-Strukturen? Er wehrt strikt ab, ihm
geht es um die Authentizität
in seiner Musik: „Ich denke es
war immer gleich. Für mich
war Musik stets ein Mittel zur
Kommunikation. Nicht nur mit
meinen eigenen Musikern, sondern auch für das Publikum. Ich
versuche immer, ein möglichst
großes Publikum zu erreichen.
Man kann die Menschen nicht
belehren wollen. Es geht darum,
einen guten Song zu schreiben
und ihn so gut wie möglich auf
die Bühne zu bringen. Dann
nehmen die Dinge von alleine
ihren Lauf.“ Soul, Jazz oder Folk
sind also nicht wirklich relevante
Kategorien? „Nein, wir wollen
nicht kategorisieren,“ betont Terry Callier. „Wenn es noch Songs
in meinem Programm geben
sollte, die die damalige Soul-Bewegung reflektieren, ist das ok.
Wenn es mehr Jazz wird, ist das
auch ok. Wir wollen einfach die
bestmögliche Musik machen. Als
Künstler bist Du immer von der
Musik beeinflusst, die gerade um
Dich herum passiert. It’s got to
be a good song!“ ❧
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HALLO...
...und ein „Herzlich Willkommen“ in der schönsten aller Hansestädte zum HAMBURG SOUL WEEKENDER 2007!
Nachdem im Süden unseres Landes mittlerweile seit etlichen
Jahren Soul Weekender mehr als erfolgreich durchgeführt
werden, scheint die Zeit gekommen zu sein, einer solchen
Veranstaltung auch „up north“ ihren Platz einzuräumen.
Zehn Monate Arbeit liegen hinter uns.
Zehn Monate, in denen wir mit Anfragen potentieller Besucher überhäuft wurden, in denen geplant und organisiert,
geschrieben, wenig geschlafen, gepostet und verschickt wurde.
Zehn Monate, in denen das Privatleben viel zu kurz kam und
selbst König Fußball manchmal nur zur Nebensache degradierte ...
... aber eben auch zehn Monate voller Vorfreude auf ein Wochenende und die erfrischende Erkenntnis, mit Freunden etwas Schönes geschaffen zu haben.
Unser Dank gilt im voraus unseren Gast DJs Dave Rimmer,
John Weston, Malayka Erpen, Dave Thorley, Lars Bulnheim,
Thorsten Wegner, Marc Forrest, Stefan Krapf, Finn Johannsen, Stefan Kubernus und Markus Gora, weil wir wissen, dass
jeder von ihnen seinen/ihren Job gut machen wird. Danke
auch an Tolbert und die DJs des Alldayers.
5.-7. OKTOBER
Weiterhin werden von uns Oliver Korthals vom Mandarin
Kasino, Andreas Schnoor und seine süße MS Hedi, das Riverside Five für den Alldayer, der Komet für das Warm-Up, die
Kogge, Copasetic- und Moskito-Mailorder, die “More Soul
Show” auf Tide Radio sowie “Soulstew” auf FSK 93.0 und
jeder Veranstaltungsmultiplikator mit weiß-rosa Kirschblüten
überschüttet.
Ein besonderer Dank gilt Ada Loveshake und Holly Holzwarth
für ihren unglaublichen Einsatz und ihr Können bei der Erstellung dieses Heftes und der Website und für alles andere
und und und ...
Ohne Euch ... ihr wisst schon!!!
Ralf und Jan
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Finn Johannsen
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(Berlin / de:bug, Groove)
Finn Johannsen geht so langsam auf die 40 zu und
hat einen beträchtlichen Teil seines Lebens damit
verbracht, Platten vornehmlich tanzbarer Art anzuhäufen, welche er seit geraumer Zeit in Clubs laut
anderen Leuten vorspielt. Über das, was damit so
zusammenhängt, schreibt er auch, in Zeitschriften
wie der de:bug oder der Groove.
> www.finn-johannsen.de
1. Mystic Merlin - Just Can’t Give You Up (Capitol)
2. Dennis Mobley - I’d Do Anything For Your Love (P&P)
3. Ronnie Dyson - So In Love With You (Columbia)
4. Jeree Palmer - Late Night Surrender (Reflection)
5. Take Three - Can’t Get Enough (Of Your Love) (Elite)
Marc Forrest
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(Berlin / Hip City Soul Club)
Marc Forrest legt seit einem eher zufällig geborenen Engagement im damaligen Berliner Mod Keller Sigmundshof zum Silvesterfest 1986 regelmäßig
und ausschließlich Soul auf. Seit 1990 veranstaltet
er den Hip City Soul Club Berlin. 1990 trieb er sich
beinahe mit dem ersten deutschen Soul Weekender
in den Ruin. Bereits Ende der achtziger bis in die
neunziger Jahre hinein kamen noch Fanzine Projekte wie etwa „r&b time“ und „grapevine“ wie auch
eigene wöchentliche Radiosendungen wie „soulful
shoes“ (radio 100) und „Harlem shuffle“ (MDR)
hinzu. Nach dem ersten Gig in London 1991 hat
er bereits erfolgreich in steter Folge in Manchester,
Londons 100 Club und den skandinavischen SoulNationen Schweden und Norwegen aufgelegt.
„gimme two blocks line ’cause baby it’s r&b time“
Current top 5 Northern spins
1. Soul Inc. - „My Proposal“ (Coconut Groove)
2. Jimmy Radcliffe - „A Clock That Got No Hands“ (unrel.
acetate)
3. Trey J’s - „I Found It All In You“ (Tee Gem)
4. Psychedelic Frankie - „Putting You Out Of My Life“ (Hi
Speed)
5. Patrinell Staten - „Little Love Affair“ (Sepia)
Current top 5 Modern spins
1. New World - „We Gonna Make It“ (Polydor)
2. „King For A Day“ (unrel. acetate)
3. Hamilton Movement - „We’re Gonna Party“
4. Harvey Scales - „Trying To Survive“
5. Vibrations - „Shake It Up“ (Chess)
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Malayka Erpen
(U.K. / Soul Shakers Weekender Bamberg)
Malayka veranstaltete ihren ersten Club 1998 in
Bamberg, unter den Namen „Sweetest Songs In
Town“ und „Sunday Soul“. Ein paar Jahre später
gründete sie mit Martin Walgenbach den „Soulshakers“ Rare Soul Club, welcher immer noch regelmäßig im Morph Club in Bamberg stattfindet. Neben
diesem regelmäßigen Soulclub veranstaltet sie auch
den „Bamberg Weekender“. Nach ihrem Umzug
nach Großbritannien begann sie mit Dave Torley
die englische Version der „Soulshakers“ – „Soulshakers International“, zu etablieren, welcher im Solihull Football Club in Birmingham stattfindet. Malayka legt bei einer Vielzahl von Soulclubs sowohl in
Großbritannien als auch Deutschland auf. Ihr Herz
schlägt für 70er, 80er und 21st Century Soulmusic.
Top 5 spinners:
1. Topics - Man (Token)
2. Douglas & Lonero - Don’t Let Yourself Get Carried Away
(RCA)
3. Softouch - After Loving You (Prodigal)
4. Sergeant Malone - Love Message (Halfmoon)
5. Brand New - Thousand Years (Du-Vern)
Dave Rimmer
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(U.K. / soulfulkindamusic.net)
Dave kam erstmals im zarten Alter von 12 mit Soul
Musik in Berührung, damals entdeckte er Northern Soul durch die älteren Brüder seiner Kumpel.
35 Jahre sind vergangen, und er liebt diese Musik
immer noch. In Großbritannien hat er so gut wie
überall aufgelegt, und auch europäische Auftritte
hat er bereits mehr als ein Dutzend im Gepäck. Die
Kombination von großartiger Musik und großartigen Menschen ergibt für ihn die beste Szene der
Welt. Obwohl er noch nie zuvor in Hamburg war,
weiß er von anderen Deutschland-Trips, dass „es ein
großartiges Wochenende wird“.
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Stefan Krapf
(Nürnberg / Nürnberg Soul Weekender)
Als jungem Scooterboy eröffnete sich ihm erstmals
die wunderbare Welt der Soulmusik. Nach anfänglicher Begeisterung für eingängige Discohits wuchs
schnell das Verlangen, nach verborgeneren Schätzen im Ozean der schwarzen Musik zu forschen.
Heute erstreckt sich sein Interesse auch weit über
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den tanzbaren Soul hinaus, bis hin zu den Wurzeln
afro-amerikanischer Musik vom Anfang des 20.
Jahrhunderts. Seine DJ Sets sind zu weiten Teilen
geprägt von seiner Vorliebe für male vocalgroups
im mid-tempo. „Die beste Band der Welt sind die
T.S.U. Toronados.“
John Weston
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(U.K.)
John begann um 1990 herum aufzulegen, als er ungefähr ein Jahr lang jeden Sonntag eine Soul Nacht
in Birmingham veranstaltete. Danach legte er mal
hier, mal da auf. Schließlich bekam er regelmäßige
Termine in einem Club namens ‚Lea Manor’, dieser
Ort war damals gerade dabei, sich einen Namen damit zu machen, „etwas andere“ Soulmusik zu spielen,
denn in den meisten Clubs wurden eigentlich nur
durchschnittliche Standard-Oldies gespielt. Letztes
Jahr wurde John gefragt, ob er einer der Residents
beim Middleton Allnighter werden wolle.
Andere Clubs, in denen er aufgelegt hat, sind unter
anderem: Spiders Webb-Edinburgh / GreatstoneManchester / Bretby Allniter / Lowton / Lea Manor-Albrighton.
„Es ist großartig, nach Deutschland zu fahren. Ich
komme jetzt seit 7 Jahren zum Nürnberg Weekender, und wir hatten immer eine großartige Zeit. Es
macht Spaß, für Leute aufzulegen, die das zu schätzen wissen.“
Here are my fave top plays at the mo:
The Traditions - Twinkle Little Star (Abet)
The Divines - I Gotta Make It (A.O.A)
Roy Smith - Very Strong On You (Delphi)
Lil Gray - Are You Fooling (Jerma)
The Dynamites - Frenchy The Tickler (Deep City)
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Dave Thorley
(U.K. / Soul Shakers International)
Begann in den 70ern in Yate und Wigan aufzulegen.
Gründete in den frühen 80ern den legendären „Top
Of The World“ Soulclub in Stafford.
Nach Stafford war er Resident DJ bei erfolgreichen
Veranstaltungen wie in Bretby und im Manchester
Ritz. Er liebt jegliche Art von Blackmusic und
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machte diese Leidenschaft auch zu seinem Beruf.
„Beatstreet Records“ verkauft Blackmusic aller Genres. Zur Zeit veranstaltet Dave Thorley gemeinsam
mit Malayka Erpen „Soulshakers International“.
Sein Wissen über Soulmusik und Soulkünstler ist
beinahe unendlich.
Stefan Kubernus
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(Münster)
Seit fast 2 Jahrzehnten ist Stefan Kubernus nicht
nur ein treuer Fan klassischer Soulmusik, sondern
auch ein unverbesserlicher Vinyljunkie. Überall, ob
in Frankfurt, Nürnberg, Hamburg oder in Bamberg
wird er als DJ eingeladen. Seine Sammlung gilt als
eine der besten hierzulande. Damit die Platten nicht
einstauben, teilt er seine Schätze mit uns als DJ. Sein
Repertoire reicht dabei von ausgewählten NorthernSoul-Tunes bis zu 70s Modern und Crossover. Es
gibt immer etwas, was man noch nie vorher gehört
hat in seinen Sets. Seine Qualität als DJ zeigt sich in
der Ausgewogenheit, mit der er den Klassiker neben
den unbekannten Song stellt.
Bobby Story - Let’s Do Something Different (Proud LP)
Grover Mitchell - What Hurts (Vanguard)
Eugene Smiley - Yes, It’s You (K-City)
The Tams - This Precious Moment (Sounds South LP)
Alex Brown - I’m Not Responsible (Sundi)
Markus Gora
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(HH / Spellbound)
name: markus gora
legt auf: seit er 12 ist
rauchen: ja gerne
derzeit aktiv: spellbound / the big squeeze
Top Sounds Ever:
01. George Hughley - That’s Why I Cry (Buddah)
02. We the people - Making My Daydream Real (Lion)
03. The Del-Arks - Job Opening (Queen City)
04. Jackie Wilson - Just Be Sincere (Brunswick)
05. Vivian Copeland - Chaos In My Heart (Duo)
06. The Specials - I Can’t Find Another (Satch)
07. Fitz Major - Our Country Needs Love (Ashanti)
08. Sheer Coincidence - I Didn’t Lie (Wright)
09. Ray Alexander Techniques - The whole LP! (Lu Jun)
10. Wee - Try Me (Owl)
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Thorsten Wegner
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(HH / www.puresoul.de)
Thorsten, unser Lieblings-Plattenhändler aus Hamburg, eine Hälfte von www.puresoul.de, ist auch dabei. Da er sowieso als Gast gekommen wäre, haben
wir ihn ermuntert ein paar seiner tollen Platten
mitzubringen und in seiner sehr eigenen Art aufzulegen. Kommentare: „Er wirkt stets etwas verhuschelt“ oder aber „He can barely use the equipment“
Ich würde sagen: Tanzbar auf jeden Fall!
Fortson & Scott - Sweet Lover (Pzazz)
Leon Gardner - You Don’t Care (Igloo)
Vikki Styles - The Tears Won’t Stop Falling (Odex)
Stacy Lane- No Ending (Bar)
Sity & James - You Needn’t Tell Me (Sprout)
Lars Bulnheim
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(HH / Shelter Club)
Der Hamburger Lokalmatador Lars Bulnheim
bringt seit vielen Jahren als Resident DeeJay und
Veranstalter des ‚Shelter Clubs‘ und ‚Soul at the
Mandarin Casino‘ seine einzigartige Plattensammlung zum Rotieren. Aber auch überregional ist Lars
seit langem eine feste Größe, regelmäßig findet man
ihn im Line Up anspruchsvoller Soul Events wie
dem Nürnberger und dem Rimini Soul Weekender,
um nur zwei zu nennen. Der musikalische Schwerpunkt liegt bei Lars auf Seventies Soul, Ausflüge
zu den Sixties gehören aber selbstverständlich auch
mit zum Programm. Das glückliche Händchen bei
der Auswahl seiner Platten und das Gespür für den
Dancefloor garantieren genau das, was man sich als
Soul Fan wünscht: tanzbare, mitreißende beseelte
Musik!
Chain Reaction - Search For Tomorrow (Blue Wave)
Rokk - Patience (Tollie)
New World - We’re Gonna Make It (Polydor)
Rivage - Strung Out On Your Love (Tempus)
Willie Tee - Teasin’ You Again (Gatur)
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Ralf Mehnert (HH)
1986 tanzte ein Mini-Mod eher schlecht als recht
auf Olaf Otts und Leif Nüskes Weihnachts-Soul
Allnighter im Kir herum und besorgte sich die ersten Kent und Soul Supply Sampler. Dass aus dieser
teeniesk-romantischen Liaison eine nun schon 20
Jahre andauernde feste Beziehung wurde, konnte
Ralf Mehnert damals nicht erahnen. Ersten DJ-
16
Bemühungen auf dem Kieler Scooterrun 1987 folgten über die Jahre Sets auf diversen Scooterruns und
Allnightern in Deutschland sowie dem Cleethorpes
Soul Weekender und beim These Old Shoes Niter
in London. Ralf legte bis 2003 regelmäßig auf dem
Turnin’ Your Heartbeat Up Weekender in Nürnberg
auf. 2006 beschloss er mit The Jan, nun endlich auch
in Hamburg den ersten Soul Weekender vom Stapel
zu lassen.
The Jan
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(HH / For Dancers Only)
The Jan ist Hamburger Mod der ersten Stunde.
Bereits in den frühen 80er Jahren gründete er mit
Olaf Ott (Soul Allnighter) das Mod Fanzine „Modern Boys“. Mittlerweile ist er Band-Booker im
Hafenklang. Und einmal im Monat bringt The Jan
bei „For Dancers Only“ sein Publikum mit (bevorzugt mid-tempo) Northern Soul und R’n’B Perlen
zum Kreiseln. Seiner unausgelebten Leidenschaft
für Modern Soul wird er möglicherweise an diesem
Wochenende nachgeben ...
TOP Neun
TOP TEN by the Jan
01. Sandra King - Leave It Up To The Boys (Bell)
02. The Whispers - The Dip (Dore)
03. Eric Lomax - Seven The Loser (Columbia)
04. Viola Wills - The First Time (A Bem Sole)
05. Anna Raye - Will You Love My Child (Quality Sound)
06. Clara Hardy - I Dream Of You (Tuna)
07. Shelley Fisher - Girl, I Love You (Dalya)
08. Andrea Henry - I Need You Like A Baby (MGM)
09. Ann Byers - Here I Am (Academy)
10. Bob Meyer - I Only Get That Feeling (Blue Soul)
More Info:
The Locations
Mandarin Kasino
Reeperbahn 1
20359 Hamburg - St.Pauli
www.mandarin-kasino.de
MS Hedi
Landungsbrücke 10 - Innenkante
20359 Hamburg - St. Pauli
www.frauhedi.de
Riverside Five
Fischmarkt 5
22767 Hamburg
www.riversidefivehamburg.de
www.loveshake-music.com/weekender
und
www.myspace.com/hamburgsoulweekender
17
Interview MIT John Manship
Von Ralf Mehnert
W
enn man mit einer Wahnsinnsdüserakete durch ein
Soul-Universum fliegen würde, dürften sich in der
Nähe der wärmenden Sonne Städte wie Chicago,
Philadelphia und Detroit befinden. Lässt man sich
10.000 Jahre via Supermaschine einfrieren und
durch das All treiben, könnte man hinter dem Pluto das beschauliche, nordenglische Städchen Melton Mobray entdecken. Sehr groovy
geht es dort nicht gerade zu. Der Bäcker backt Brot und der Schneider
flickt Grobmaschiges. Die Einwohner dieses Dorfes wissen allerdings
nur in Ausnahmefällen, dass in der Melton Road die Nabelschnur zur
Sonne endet, da in der Nr. 15 einer der bekanntesten Plattenhändler
schwarz-amerikanischer Musik sein Domizil aufgeschlagen hat. Das
Strike!-Team verfügt natürlich über jegliche Wundertechnik und besuchte diesen Plattenhändler, dessen Name John Manship lautet.
Mr. Manship, sollten wir je
wieder mit unserem Raumschiff
zurückkehren können, möchten
unsere Leser sicherlich etwas
über Sie erfahren. Wie begann
ihre Geschichte als Soulfan?
Wie bei so vielen anderen Soulfans, erwischte mich die Musik,
als ich praktisch noch ein Kind
war. Einige ältere Jungs legten in
unserem Jugendclub in Melton
Mobray Motownhits auf und es
war einfach das Ding für jeden
Teenager. Das muss so 1968
oder 1969 gewesen sein. Es war
halt die Zeit der Skinheads. Ben
Sherman Hemden, Lambrettas
… na ja, ihr wisst schon. Ich
begann dann im Alter von 15
Jahren, Platten zu sammeln und
es ließ mich nie wieder los. Da
es sich herumsprach, dass ich
eine ganz gute Sammlung hatte,
begann ich ebenfalls in diesen
Jugendclubs meinen Freunden
Platten vorzuspielen. Es muss
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1973 oder ’74 gewesen sein, als
man meinen Kumpel Pok fragte,
ob er auf einem Allnighter in
der Halle des Cleethorpes Piers
auflegen will. Natürlich wollte
er und nachdem er zurückkam,
schwärmte er von der fantastischen Atmosphäre, die es dort
gab. Nachdem ich ihn beim
zweiten Besuch begleitete, stellte
er mich den Organisatoren vor
und erzählte ihnen, dass ich eine
gute Sammlung habe, und sie
buchten mich für die nächsten
Allnighter.
Den meisten europäischen Soul
Fans sind Clubs wie das Casino
in Wigan oder der Torch Club
in Stoke bekannt. Allerdings
wissen wenige etwas über die
Allnighter in Cleethorpes.
Das ist der große Fehler der
englischen Medien. Northern
Soul war lange vor Eröffnung
des Casinos das Ding in Nord-
england. Du hattest in den
späten 60ern das Twisted Wheel
in Manchester und in den frühen
Siebzigern die Allnighter im Catacombs Club in Wolverhampton oder eben im Torch in Stoke
On Trent. Bevor das Casino ’73
überhaupt öffnete, verließen
hunderte Northern Soul Fans
die Szene schon wieder und
kamen nie zurück. Es war eben
die vorherrschende Jugendkultur und 1973 fühlten sich viele
der Soulies einfach schon zu alt
und legten eben mehr Wert auf
Familie und Job. Als das Casino
öffnete, sind wir lieber auf den
Leeds Central Allnighter gefahren. Da war einfach wesentlich
mehr los.
Die Allnighter auf dem
Cleethorpes Pier waren sehr
cool. Die Leute kamen aus dem
ganzen Nordosten Englands
zusammen, um zu tanzen. Musikalisch kann man Cleethorpes
vielleicht als Mischung aus dem
19
Casino und dem Blackpool Mecca bezeichnen. Wir spielten eben
nicht die ganzen erprobten Oldies, sondern überwiegend sehr
rare 60`s Platten und unglaublich
viele aktuelle Erscheinungen
der frühen 70`s und eine Menge
neuer LP Tracks aus den Staaten.
Die ganzen DJs, wie Soul Sam,
Pok, Ginger, Ian Dewhurst, Rick
Scott und ein Typ, den ich nur
als Frank kannte, verfügten alle
über unglaubliche Platten und
legen z.T. auch heute noch auf.
Es waren um die 10 Leute und
keinen von ihnen hat die Musik
seitdem wieder losgelassen. Wir
Du konntest Dir
das Land ansehen
und die ganzen
Platten einfach
einsammeln.
alle haben es eben in unserem
Blut und selbst wenn Du es
schaffst, mal einige Jahre auszusetzen … irgendwann fängst Du
wieder an zu sammeln.
Du bist einer der bekanntesten
Plattenhändler der Welt, wenn
es um schwarze Musik geht.
Kannst Du etwas darüber erzählen, wie Du zu Deinem Job
gekommen bist?
Ich begann noch als Schuljunge
Platten mit meinem Freund
20
Danny zu tauschen, der damals
besser informiert war als ich. Er
sammelte die ganzen Sachen
vom Sue Label und hatte immer
gutes Zeug, das er loswerden
wollte. Später, mit 16, machte ich dann eine Ausbildung
als Gasmann und arbeitete
in Leicester. Ich klapperte in
jeder Mittagspause die ganzen
Plattenhändler ab und fand
damals unglaublich viele gute
Singles. Als ich 20 wurde, hatte
ich so viele Platten zusammen,
dass ich meine erste Verkaufsliste
verschickte. Naja, es ging dann
eben immer so weiter und als ich
1976, ich war 23 Jahre alt, dass
erste Mal nach Amerika reiste,
wollte dort keiner die alten Soulplatten haben. Das waren gute
Zeiten und man fand Megararitäten für 50 Cent. Für mich,
der ich alleine als junger Mann
nach Chicago fuhr, war das ein
Riesenabenteuer und es folgten
unzählige weitere Reisen. Du
konntest Dir das Land ansehen
und die ganzen Platten einfach
einsammeln.
Fährst Du heutzutage noch auf
Allnighter?
Nein nein, ich habe dafür durch
das Geschäft mit der Website
und die ganzen Plattenlisten
und Record Guides, die ich
erstelle, einfach keine Zeit mehr.
Manchmal lege ich allerdings
noch zum Spaß auf Frühveranstaltungen auf. Ich spiele dann
wirklich nur absolute Megararitäten, die kaum jemand kennt.
Für die richtigen Allnighter
Wenn ich anfangen würde, zerkratzte Platten für viel Geld
zu verkaufen, spräche sich das in ein paar Wochen herum
und ich könnte mein Geschäft aufgeben.
fühle ich mich einfach zu alt. Ich
weiß, dass viele ältere englische
DJs mittlerweile in Spanien,
Skandinavien und bei Euch in
Deutschland auflegen und immer
begeistert zurückkommen, aber
für mich wäre das aus Zeitgründen einfach nicht machbar.
Du wurdest oftmals in Soulfanzines und in Soulforen des
Internets von Leuten für Deine
hohen Plattenpreise kritisiert,
aber trotzdem scheint Dein
Geschäft gut zu laufen…
Nun ja, manchmal kann ich diese
Leute verstehen. Allerdings biete
ich jedem Kunden die Möglichkeit, mir die erworbenen Platten
innerhalb von 7 Tagen zurückzuschicken, ohne dafür Gründe anzugeben. Wenn die Leute meine
Preise bezahlen, warum sollte ich
die Platten günstiger verkaufen?
Das ist eben mein Geschäft und
ich habe genug Lehrgeld bezahlt.
Wir wollen gar keine Platten
billig verkaufen. Es ist heutzutage hart genug, die alten Platten
in einem sauberen und guten bis
sehr guten Zustand zu finden.
Wenn ich anfangen würde,
zerkratzte Platten für viel Geld
zu verkaufen, spräche sich das in
ein paar Wochen herum und ich
könnte mein Geschäft aufgeben.
Ich mag diese Kritiker, weil sie
mich anspornen, meine hohen
Standards einzuhalten.
Du musst über die letzten
Jahrzehnte so ziemlich jede
rare Soulplatte in den Händen
gehabt haben, die es gibt. Sammelst Du eigentlich noch für
Dich selbst? Gab es mal Zeiten
in denen Du von der Musik
genervt warst und nichts mehr
damit zu tun haben wolltest?
Naja, so 95% der ganzen Raritäten dürfte ich schon hier gehabt
haben. Neben den Ultrararitäten
sammele ich aber für mich selbst
auch viele günstige Platten, die
mir einfach gefallen. Ich höre
eben auch viel Sweet Soul, Jazz,
Hammond Instrumentals und
Funk und finde immer noch
Sachen, die ich noch nie gehört
habe. Das hört einfach niemals
auf und ich finde wirklich jeden
Tag neues Zeug, das mich
begeistert. Ich liebe einfach Male
Group 60’s Soul wie die T.S.U.
Toronados. Ich könnte allerdings
nie eine persönliche Top Ten
Liste erstellen, da ich einfach zu
viele Platten liebe. Ich meine,
Frank Wilson hat mit „Do I
Love You” vielleicht die beste
Motown Nummer herausgebracht, die es gibt, aber ich will
dieses Lied eben nie wieder
hören. Du weißt, was ich meine.
Wenn Du deinen perfekten Allnighter organisieren würdest,
welche DJs würdest Du dafür
buchen?
Es sind die Leute, die die Musik
leben, die es verstehen, aus
einzelnen Platten ein Set zusammenzustellen, das die Tänzer
berührt. Die es verstehen, gute
Gefühle zu wecken. Soul Sam,
Butch, Arthur Fenn, Keb Darge,
im Oldies Bereich Ginger Taylor
und Kev Roberts – oh ja, und
Mick Smith. Der weiß, was er
tut.
Im Gegensatz zur europäischen
Szene, in der sich eben viele
jüngere Leute auf der Tanzfläche einfinden, scheint die Northern Soul Szene in England
wirklich zu vergreisen. Was
glaubst Du, wird in den nächsten 10 - 15 Jahren passieren?
Da hast du wohl recht. Allerdings realisieren die alten Leute
hier drüben nicht, dass es un-
On” von den Marvelettes kaufen
wollte. Ich fragte sie, ob ihr
Vater Geburtstag hat. Sie war
wirklich sauer und sagte, dass sie
18 Jahre alt sei und sie die Single
für sich braucht, da sie mit einer
Freundin auf Studentenpartys
Northern Soul, Hip Hop und
Funk auflegt. Sie erzählte mir,
dass sie nichts mit der Northern
Soul Szene zu tun hat, aber eben
Northern Soul liebt und auflegt.
Ich glaube auch, das dies die
Zukunft unserer Musik ist, wenn
junge Leute Northern Soul mit
aktueller Musik mischen und
sich nicht an die alten, längst
überholten Standards der alten
Soul-Szene halten, sondern
ihr eigenes Ding machen. Es
ist gut, wenn sie sich das Beste
aus den 50’s, 60’s, 70’s und 80’s
heraussuchen und damit andere
begeistern können. Nach den
Ich glaube auch, dass dies die Zukunft
unserer Musik ist, wenn junge Leute
Northern Soul mit aktueller Musik
mischen…
glaublich viele junge Soul Fans
gibt. Ich habe da eine nette Anekdote: Vorgestern rief mich ein
wirklich sehr junges Mädchen
an, die „I’ll Keep On Holding
80ern wird es allerdings schwer,
da seitdem kaum gute Musik
erschienen ist. ❧
>>> www.raresoulman.co.uk
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Alle Arme in die Luft!
Voices In
My Mind
Ein paar Worte zum
Thema Soul & House
Von Finn Johannsen
I
rgendwann Anfang der 90er, Unit am Nobistor
in Hamburg, eine dieser von einer Sprudel-,
Zigaretten- oder Sportschuhmarke gesponserten Parties, die damals regelmäßig durch das Land
zogen. Im Aufgebot: als DJs einige lokale Technohelden, dazu Deee-Lites Wunderrusse Dmitry
sowie ein Liveauftritt des Sängers Ce Ce Rogers,
dem einige Freunde und ich unseren Respekt zollen wollen. Obwohl House zu dieser Zeit längst
im Konsens angelangt war, ist der Ort nicht gut
gewählt. Dementsprechend erlahmt die Mitarbeit
auf der Tanzfläche vom Stammpublikum des Ladens schon merklich, als Supa DJ Dmitry sein Set
beginnt. Die Pillentypen können mit den Houseplatten überwiegend New Yorker Herkunft offensichtlich nicht viel anfangen. Zuviel Groove, zuviel
Stimmen, zuwenig Druck. Das Pillengrinsen wird
schmallippig, die ersten gehen. Unser Blick wandert
schon gelegentlich auf die kleine schmucklose Bühne, wo wenig verheißungsvoll ein kleines Keyboard
steht, wie es auch Spiegelglassonnenbrillentastentypen beim ZDF-Sommergarten gerne benutzen. Mit
Trademarksympathie und gutem Gespür stemmt
sich Dmitry gegen die verschränkten Arme auf der
Tanzfläche, doch es scheint an der Zeit, dass Ce
Ce Rogers diesem müden Haufen am Mikro einen tüchtigen Schrecken einjagt, solange überhaupt
24
noch Leute da sind. Und tatsächlich, man tippt mir auf
die Schulter, „da ist er ja“,
und er nestelt verstohlen im
Halbdunkel der Bühne an
den Kabeln des Keyboards
herum. Allerdings wirft der
Mann immer nervösere Blicke
ins Rund, irgendwas scheint nicht zu
funktionieren, und zwar ganz und gar nicht. Die
Plattentaschen Dmitrys gehen langsam zur Neige,
das Publikum sowieso und die Technikabteilung des
Clubs scheint alle Balljungen abgezogen zu haben.
Als wenig später die Musik ausläuft und irgendjemand peinlich „Mr. Cey Cey Rojäs frohm Nuh
Jörsi“ ins Mikro schmettert, passiert: nichts. Rogers
kann nicht mal seinem Unmut übers Mikro Luft
machen, es funktioniert ja ebenfalls nicht. Frustriert
schmeißt er sein Jackett in die Ecke und stürmt ins
Off. Hastig füllt Dmitry mit beachtlich würdevollem
Improvisationstalent die entsetzte Stille und trotzig
kommt tatsächlich etwas Bewegung auf, aber neben
enttäuschten Ravern ziehen jetzt auch enttäuschte
Housefans ab und es ist auch nicht abzusehen, ob
hier noch irgendetwas passiert. Wir haben uns schon
fatalistisch in Trotztrinkerei ergeben und diskutieren das weitere Vorgehen für den Rest der Nacht. Es
ist immerhin schon halb 4 Uhr morgens, als jemand
bemerkt, dass Ce Ce Rogers wieder auf der Bühne
ist. Und tatsächlich, er hockt da, im Hemd, Ärmel
hoch, und frickelt mit einem Techniker an der Anlage herum. Ein schneller Blick in den Rest des Clubs
kann vielleicht noch einen harten Kern von vierzig
Getreuen ausmachen, die sich im Dunkel ziemlich
verlieren. Von diesen sind jetzt aber Anfeuerungen
zu hören, „Ce Ce“-Sprechchöre kommen auf,
Rührung greift um sich und ein „Jetzt erst
recht“-Gefühl stellt sich ein. Es dauert
noch eine schier endlose Dreiviertelstunde, bis Rogers endlich dem
erschöpften Dmitry ein Zeichen
gibt, die Musik auslaufen zu
lassen. Zu diesem Zeitpunkt
ist die Erwartungshaltung des
verbliebenen Publikums am
Anschlag, die Solidarität hat
das Potential, politische Systeme zu stürzen, der Glaube ist
rein und unerschütterlich. Alle
sind sehr betrunken. Als der Applaus verebbt, sind es noch einige Momente, dann rückt sich Rogers das Mikro
zurecht und spielt auf dem erstaunlich
massiv klingenden Keyboard das
Intro mit dem typischen Marshall
Jefferson-Basslauf seines ersten
Hits „Someday“ (1987/Atlantic). Dann diese Akkorde! Alle
Anwesenden sind sofort eingenommen, Augen geschlossen,
scheinbar in direkter Erinnerung an Momente, zu denen
diese simple aber unvergessliche
Pianoakkordfolge gehörte. Ce Ce
Rogers singt, erst behutsam einsetzend, dann die erste Strophe mit zunehmender Intensität. Dann der Refrain:
“Someday, we live as one family in perfect harmony. Someday, when we all together, we will all be
free. Someday...” In diesem Moment hätte ich mich
für Kreuzzüge anwerben lassen, auf Seelenverkäufern angeheuert, wäre in einem Denim-Overall von
Edwin quer über St. Pauli krakeelt, hätte alles getan,
damit dieser Song nicht aufhört. Ein schneller Blick
auf die Leute um mich bestätigt meinen emotionalen
Höhenflug: alle fliegen mit mir. Danach: tosender
Applaus, Soul Clapping, Sprechchöre. Kleine Zwi-
scheneinwände im Kopf („Ist das jetzt so gut, oder
bin ich so einfach/betrunken/unvernünftig“) werden
spätestens als totaler Unsinn verworfen, als ein von
dieser Nibelungentreue sichtlich bewegter Rogers in
„All Join Hands“ (1990/Atlantic) übergeht, wie die
Hymne davor endlos ausgedehnt, die Atmosphäre
in sich saugend und als Regen von Glück wieder auf
uns niederprasselnd. Alle Arme in die Luft! Umarmungen! Rogers hat jetzt feuchte Augen, alle
anderen sowieso. Dann „Brothers & Sisters“(1992/Big Beat). Als nach dem
wunderschönen, Larry Heards
„Can You Feel It“ entlehnten,
Intro die Bassdrum reinkickt,
brechen alle Dämme. Die Tänzer sind jetzt nicht mehr nur
kollektiv ekstatisch, sondern
eine verschworene Gemeinde,
ein vollends aus den Fugen geratener Gottesdienst, aus dem
die Kollekte säckeweise raus getragen werden könnte.
Wenig später ist alles vorbei, immer noch taumeln alle enthusiastisch durcheinander, der Star geht zaghaft durch die Menge, wird umarmt,
beklopft, bejubelt, eingeladen. Es
macht überhaupt nichts, dass
es vorbei ist, es hätte gar nicht
länger dauern können. Niemand hätte das verkraftet. Es
ist auch völlig egal, dass das
irritierte Management schon
wenig feinfühlig das Putzlicht
einschaltet, die Gladiatoren
sind so von Sinnen, dass sie das
beim Verlassen der Arena schon
nicht mehr mitbekommen, und
irren anschließend glückselig in die
Dämmerung.
Diese Nacht war nicht die erste und auch
nicht die letzte, die mir gezeigt hat, dass Soul bei
House genauso heimisch ist wie bei anderen Arten von Tanzmusik. Demzufolge hat mich Häme
aus dem Puristenlager auch kaum angefochten, als
House noch als kalte Computerversion von Disco
verpönt war, wobei Disco ja schon davor als kalte
Unterhaltungsversion von 70’s Soul verpönt war,
und davor 70’s Soul als Verglättung von 60’s Soul.
I can feel it! ❧
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Ein paar weitere essentielle House-Sänger:
Robert Owens
Dieser Mann ist ein Phänomen. Er ist immer noch
aktiv, seit nunmehr über 20 Jahren, doch seine helle und immer etwas melancholische Stimme altert
nicht und hat immer noch diese einnehmende Signalwirkung, zu hören auf zahllosen Platten mit seiner Beteiligung. Bekannt wurde er als Mitglied von
Larry Heards Fingers Inc., wo er subtile Produktionen wie „Never No More Lonely“ (1989/Jack Trax)
graziös interpretierte. Fantastisch auch „I’m Strong“
(1987/Alleviated) und sein Evergreen „Tears“ (1989/
FFRR). Er ist ein Sänger, der bei mittelmäßig bis
guten Songs den entscheidenden Mehrwert ausmacht und wirklich großartige Songs zu legendären
macht. Und das ist nicht mal übertrieben.
Paris Brightledge
Paris Brightledge wurde vor allem wegen zwei Platten auf Rosen gebettet in die House Hall of Fame
geleitet, die er als Sänger für Sterling Void machte:
„It’s Allright“ (1987/DJ Interantional), später als
Coverversion von den Pet Shop Boys in die Charts
bugsiert, und „Runaway Girl“ (1987/DJ International). Weniger legendär, aber ähnlich gut ist eine
weitere Sterling Void-Kollaboration, „Set Me Free“
(1989/DJ International). Diese Veröffentlichungen
sind ganz im Geiste vieler früher House-Produktionen aus Chicago: ungehobelte Groovebolzen
mit geradezu primitiver Rhythmusausstattung, die
einzigen Details sind eine gnadenlose Bassline und
tonnenweise Handclaps. Wenn dann allerdings der
Gesang einsetzt, mit diesen funktional-falschen
Pianos und billigen Synthieflächen, ist es einfach
umwerfend. Eher der klassische Gastsänger, hat es
unter seinem eigenen Namen nur zu einer Veröffentlichung gereicht, aber „Learn To Love“ (1988/
DJ International) ist dafür umso schöner und muss
unbedingt für immer vor der Vergessenheit bewahrt
werden.
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Ricky Dillard
Die erste Platte, die Dillard mit seinem wuchtigen
Prachtorgan adelte, war „Feel The Fire“ (1986/DJ
International), eine echt brutale Nummer, mit der
man sehr vorsichtig umgehen muss. Sie ist aber
auch wirklich beeindruckend. Ähnlich roh sind seine Gastauftritte auf Farley Jackmaster Funks Stevie
Wonder-Coverversion „As Always“ (1988/Trax) und
Frankie Knuckles’ Billy Paul Coverversion „Only
The Strong Survive“ (1987/DJ International). Tatsächlich ist von der Opulenz dieser beiden Originale
gar nicht viel übrig geblieben, Dillard singt das in
Grund und Boden. Unsterblich geworden ist er aber
mit „Let The Music Move You“ von den Nightwriters (1987/Danica), einer weiteren Frankie Knuckles-Produktion. Dieses Stück scheint aus nichts
anderem zu bestehen als aus übersteuerter Percussion und eindringlichen Keyboardflächen, die nicht
mehr aus dem Kopf zu kriegen sind. Dazu singt sich
Dillard um Kopf und Kragen. Gleich bei der ersten
Zeile, „This song is from my heart, it wasn’t easy
from the start“, bin ich schon verloren.
27
Oguzhan Çelik
Soul-LP Cover-Art aus den 60ern und 70ern
Folgender Beitrag ist die Zusammenfassung eines Vortrages vom Verfasser am 30.04.2007 im K4/Nürnberg im
Rahmen der Ausstellung „Das Runde muss ins Eckige – LP Cover-Art“
I. Was ist Soul?
Die ersten Stücke in Richtung
Soul entstanden in den späten 50er und frühen 60er Jahren aus einer großen Mischung
aus Rhythm and Blues aus den
Tanzhallen (damals DIE populäre Musik der Schwarzen in den
USA), Gospelchören aus den
Kirchen (die natürlich stets besucht wurden), DooWop von den
Straßenecken der Großstädte im
Norden (in die es gerade zu dieser Zeit die verarmten Schwarzen
aus dem Süden auf der Suche
nach Arbeit zog) und eine Spur
Jazz als abschließende Note aus
den Bars und Studios.
Bis damals innovativ tätige R’n’B
Künstler wie Ray Charles oder
James Brown nahmen auf ihren
Stücken, die den Weg zum Soul
mitebneten, zu dieser Zeit die
ungehobelte, rauhe Härte des
Rhythm and Blues heraus und
ersetzten sie durch die bis dahin
nur im Gospelgesang und DooWop verwendeten glatten Choralharmonien. Gleichzeitig wurden die teilweise doch äußerst
obszönen Texte des R’n’B, in denen es vornehmlich um schnellen
Sex und berauschte Nächte ging,
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durch die säkularisierten Themen
des Gospel, die sich mit Liebe,
Verantwortung und Seelenheil
beschäftigen, ersetzt. Es ging nun
also vornehmlich darum, seinen
inneren Gefühlen, seiner Seele
Ausdruck zu verleihen, weswegen
folgerichtig diese neu erschiene Musikform SOUL genannt
wurde.
Selbstverständlich veränderte
sich neben dem Gesang und
den Ausdrucksformen auch die
zu Grunde liegende Musik. Die
brachiale ungeschliffene Härte des
R’n’B wurde aus obigen Harmoniegründen in kontrollierte
Bahnen gelenkt und an Stelle
der bisherigen rauhen Energieausbrüche des R’n’B ein mit Harmonien geschliffenes Musikwerk
erstellt. Wie sich dieser Unterschied auswirkt, läßt sich sehr gut
an dem von vielen als erstes Soulstück überhaupt bezeichneten
Song „For your precious love“ von
den Roosters (später sehr
bekannt geworden als Impressions) aus dem Jahre 1959,
komponiert von Curtis Mayfield (der damit nicht nur den
Chicago Soul, sondern
gleichzeitig auch die Ära des SOUL
überhaupt einläutete) erkennen.
II. Soul LPs
Zu Beginn der Soul-Ära in den
frühen 60ern war die LP mit ihrem dazugehörigen Cover noch
ein neues Medium. Die gewöhnliche Veröffentlichung von SoulStücken erfolgte als Single mit
einem Hauptstück auf der A- und
normalerweise einer dubiosen
Zugabe auf der B-Seite. Die Vinylsingle hatte in den 50ern die
Schellack 10“ Scheibe als Tonträger abgelöst und konnte auch
bei geringeren Auflagen relativ
kostengünstig produziert werden. Die Singles hatten jedoch
durchweg, und vor allem in den
60ern, keinerlei Cover. Sie wurden höchstens von den größeren
Labels, besonders Motown,
in bedruckte Company Sleeves
der jeweiligen Label gesteckt.
Hatte ein Soul-Künstler im
Laufe seiner mehr oder minder
erfolgreichen Karriere schon einige Singles auf den Markt gebracht, gingen manche Labels
einen Schritt weiter und veröffentlichten dann auch Langspielplatten ihrer Interpreten. Dies
blieb jedoch im ganzen Verlauf
der 60er ein Privileg der größeren Plattenfirmen, zumeist aus
29
den großen Zentren wie Detroit,
Chicago und New York, denn die
Produktion einer LP erforderte
nicht nur eine genügende Anzahl
von Songs, sondern auch wesentlich mehr Geld als die Produktion
einer Single. Deshalb sind auch
kaum LPs von den unzähligen
kleinen Soul-Labels aus dieser
Zeit vorhanden, denn sie konnten es sich in der Regel überhaupt
nicht leisten.
Der Soul-LP-Markt war somit fest in den Händen der großen Labels wie MOTOWN aus
Detroit, OKEH und ABC aus
Chicago oder ATLANTIC aus
New York. Als einzige Ausnahme
zu den Großstädten des Nordens
brachte auch das STAX Label
aus Memphis aus dem Süden
der USA, als erfolgreichstes SoulUnternehmen neben MOTOWN,
LPs heraus. In der Regel beinhalteten diese LPs zumeist nur eine
Zusammenstellung von schon
erschienen Single-Veröffentlichungen und firmierten unter
den mittlerweile nicht mehr wegzudenkenden „Greatest Hits“ Alben. Erst nach und nach gestanden die Labels den LP-Käufern
auch speziell für die LP aufgenommene Songs als Bonus zu.
Im Laufe der Zeit, und zunehmend während der 70er,
wurde es auch für kleinere Labels
und immer mehr Künstler geradewegs zu einer Pflicht, nach ein
oder zwei Singles eine LP mit
weiteren Stücken herauszubringen, da neben dem Single- der
LP-Markt eine immer wichtigere Rolle spielte. Dem Ganzen
wurde dann aber gegen Ende der
70er mit dem einsetzenden Disco-Boom und der 12“ Maxi der
Boden entzogen, was für die goldene Soul-Ära auch gleichzeitig
das Ende bedeutete. Soul als DIE
30
Tanzmusik des schwarzen Amerikas wurde erbarmungslos von
Disco abgelöst.
III. Coverart
Da die Soul-Ära nahezu gleichzeitig mit dem Erscheinen der
LP als neues Medium begann,
waren die stilistischen Mittel zur
Covergestaltung von Soul-Platten ein ebenso neues Feld. Allen
war aber gemein, dass in den
Anfangstagen stets die Interpreten vor einer mehr oder weniger
gelungenen Kulisse abgebildet wurden. Als ein klassisches
Cover aus dieser Zeit kann die
„Greatest Hits of the Impressions“ aus dem Jahre 1963 auf
ABC PARAMOUNT gezählt
werden. MAYFIELD und seine
zwei Mitsänger posieren als elegantes Trio in stilvollen Anzügen
und adretter Kurzhaarfrisur als
vollendete Gentlemen, was auch
hervorragend zum Klang der mit
komplexen Streicher- und Bläserarrangements geschliffenen LP
paßt. Auch visuell sollte damit die
Eleganz des Soul im Vergleich
zum R’n’B dokumentiert werden,
dessen Interpreten zu Anfang als
Bilderbuch-Schwiegersöhne oder
-töchter durchgegangen wären.
Das benannte IMPRESSIONSCover diente in der Folgezeit
als Vorlage für weitere Gruppen,
unter anderem auch für BOB
MARLEY und die WAILERS
auf ihrer ersten LP 1965 (?).
Durch die Möglichkeit der
Covergestaltung konnten erstmals auch die schwarzen Interpreten als Afroamerikaner ihr
Gesicht auf ihren Veröffentlichungen präsentieren. Bis dahin
waren, wie schon ausgeführt,
Cover völlig unüblich, so dass
der Käufer nicht-weißer Musik (in den USA bis in die 60er
als „Race-Music“ bezeichnet)
mangels sonstiger Präsentationsmöglichkeit nicht wußte, wie die
Künstler aussahen.
Während die Cover der Labels
aus den Großstädten des Nordens
ihre Künstler stets in ein urbanes
Umfeld mit glitzernden Großstadtlichtern und noblen Autos
setzten, setzte sich STAX aus dem
ruralen Süden dadurch ab, dass es
die Interpreten eher in der freien
Natur oder auf Feldern darstellte. Beiden Richtungen war aber
bis in die späten 60er anzusehen,
dass die afrikanischen Wurzeln
ihrer Interpreten nicht zu sehr
in den Vordergrund gelangen
sollten. Durch ihre größere Kaufkraft bestimmte eine weiße Käuferschicht zunehmend die Verkaufszahlen der LPs, die deutlich
mehr Geld kosteten als die gewöhnliche Single. So ist es doch
sehr auffallend, dass eigentlich
alle Sängerinnen auf den Covern
der 60er ihre Haare glätten und
wie bei weißen Künstlerinnen frisieren ließen, während die männlichen Kollegen neben adretten
Kurzhaarschnitten, die keinen
Afro erahnen ließen, gerne auch
zu Pomade und Tollengestaltung
auf Rock’n‘Roll-Art zurückgriffen. Vor allem MOTOWN unter
Berry Gordy, paradoxerweise das
bis heute erfolgreichste schwarze
Unternehmen der USA, schielte
verstärkt auf den weißen Mainstream-Markt und verordnete
den Künstlern, gut zu ersehen auf
den LPs vor allem der SUPREMES und TEMPTATIONS aus
den 60ern, ein derartiges Auftreten auf den LP-Hüllen.
Neben der fotografischen Wiedergabe waren auch gemalte Cover der Interpreten im Stile der
gemalten Kinoplakate der 50er
sehr populär, da es damals noch
günstiger war, ein komplettes Cover zu malen als die Fotoarbeiten
zu bezahlen, wie z.B. „Easy“ von
MARVIN GAYE & TAMMI
TERRELL. Häufig wurden für
die Vorderseite auch in Form und
Farbe modifizierte Buchstaben
verwendet, während die Interpreten auf der Rückseite abgebildet
wurden, wie z.B. auf „Monkey
Time“ von MAJOR LANCE.
Leider wurden auf den LPs
in den 60ern die beteiligten Studiomusiker, die ja den Sound des
Soul prägten, so gut wie nie erwähnt, geschweige denn auf der
Hülle abgebildet. Ausnahmsweise machte gerade MOTOWN,
das wie die anderen Labels mickrige Löhne für die Studiomusiker
zahlte (obwohl gerade diese der
Garant für den Erfolg waren),
mit ihren Instrumentalalben von
JR.WALKER, wie z.B. „Soul
Session“ eine Ausnahme. Dieses
waren einmalige Möglichkeiten,
Musiker bei der Arbeit zu betrachten und keine posierenden
Sänger/Sängerinnen vor fiktiven
Hintergründen, die mit dem
schwarzen Alltag nichts gemein
hatten.
Im Laufe der 60er und zunehmender Politisierung durch
die Bürgerrechtsbewegung vor
allem in der schwarzen Community, zeichnete sich auch in
der Gestaltung der LP-Cover
ein verändertes Selbstbewußtsein
der Schwarzen ab. Die bis dahin
verschmähte Afro-Frisur trat immer stärker in den Vordergrund.
Teilweise in verspielt gemalter
Popart wie auf „Tighten Up“
von ARCHIE BELL & THE
DRELLS von 1968, zeigten jedoch auch bisher stets freundlich
dreinblickende apolitische Acts
wie die FOUR TOPS auf Platten wie „On Top“ von 1969 unter
strengen bis aggressiven Blicken,
dass sie nicht mehr gewillt waren,
die rassistische Unterdrückung
in den USA hinzunehmen. An
Stelle eines Anbiederns an die
weiße Gesellschaft wurde der
neue Stolz auf die afrikanische
Herkunft zur Schau getragen und
das „Schwarz-Sein“ nicht mehr
als Makel, sondern als etwas Positives betrachtet, dem vor allem
der Slogan BLACK POWER
gerecht wurde.
Im Zuge dieses neu erstarkten
Selbstbewußtseins zeigten sich
auch die Sängerinnen verstärkt
als selbstbewußte Persönlichkeiten, die es sich nicht mehr bieten
ließen, schlechter als ihre männlichen Pendants behandelt zu
werden. Man nehme nur einmal
„Black Magic“ von MARTHA
REEVES & THE VANDELLAS zur Hand, um zu sehen,
dass die Damen nicht zu Späßen
aufgelegt waren.
31
In dieser Phase nahm man
für die Cover auch außerhalb der
schwarzen Community liegende
künstlerische Tendenzen in Design und Gestaltung auf. So sieht
man beispielsweise bei „The sly,
slick and the wicked“ von LOST
GENERATION auf der Vorderseite eine durch psychedelische
Farben und Buchstaben modifizierte Straßenszene, während auf
der Rückseite die vier Künstler
ohne den Hauch einer freundlichen Geste neben einem Baum
posieren. Interessanterweise besteht die LP aus 10 lupenreinen
Lovesongs ohne weitere politische Aussage.
In der Folgezeit kamen neben Abbildungen der Interpreten immer mehr Darstellungen
vom häßlichen Alltagsleben der
Schwarzen auf die Vorderseite
der LPs, in denen schonungslos
die Armut und gleichzeitige Verwahrlosung der schwarzen Viertel
durch Drogenhandel, Gangwesen
und Prostitution dargestellt wurde (in melodramatisch gelungener Manier auf „Preacher Man“
von den IMPRESSIONS).
Bizarrerweise zeigten aber
gleichzeitig die Künstler, beispielsweise AL WILSON, abgebildet im Nadelstreifen mit zwei
anschmiegsamen aufgedonnerten
Damen und 30er Jahre Nobelkarosse auf „Show and Tell“, dass sie
es als Farbige in der rassistischen
Gesellschaft der USA zu etwas
gebracht hatten. Zunehmend gerieten dabei aber die politischen
Aussagen in den Hintergrund
und es verblieb dann gegen Mitte der 70er bei der materialistischen Erfolgsaussage, die aber
mit gewohnten Mitteln wie z.B.
gemalten Covern weitergestal-
tet wurde. Kurz vor dem endgültigen Durchbruch von Disco
waren die LP Cover von SoulActs der Mittsiebzieger wie den
TAVARES nur noch zu Abbildungen von Unterhaltungsmusikern ohne politische Aussage
verflacht, denn das Tragen von
Afros wie auf der „Sky High“ von
TAVARES ist nichts weiter mehr
als ein Modemerkmal. So ist es
auch nicht weiter verwunderlich,
dass sich in dieser Spätphase die
Soul-Covergestaltung eigentlich
kaum noch von den Covern der
Disco-Scheiben unterschied und
die große Zeit des Soul und der
dazugehörigen Plattengestaltung
damit zu Ende ging. ❧
Neulich auf der Raststätte
Soul-Gymnastik
Auf der Fahrt zum Weekender oder Nighter wird Sie diese
Art von Pausen-Gymnastik begeistern! Drehen Sie den
Autokassettenrekorder auf und los geht’s!
Backdrop: Diese Übung bietet zwei Ausführungsmöglichkeiten.
a) Gehen Sie in die Knie und lassen Sie sich
langsam nach hinten auf eine Hand fallen.
Den gegenläufigen Arm heben Sie an, um das Gleichgewicht zu
halten. Mit einem kleinen Schwung geht es zurück in die Senkrechte! Achtung: Diese Variante sollte man nur bei gut durchtrainierter Gesamtmuskulatur und aufgewärmt anwenden!
b) Setzen Sie sich auf den Boden, stellen Sie die Arme hinter
sich auf, und heben Sie den Rumpf in die Höhe. Dann einen Arm
vom Boden lösen und nach oben strecken. Trick: b) ist weniger
gefährlich, sieht aber genauso gut aus wie a)!
01
Clap-Hands: Gehen Sie leicht in die Kniebeuge. Schwingen Sie ein Bein in die Höhe und
schlagen Sie die Hände unter den Knien zusammen. Dadurch entsteht ein klatschendes
Geräusch, das Sie ausgezeichnet an den Rhythmus der Musik
aus Ihrem Autokassettenrekorder anpassen können.
02
32
Tipp: Gönnen Sie sich nach dem Ausführen der Übungen
einen Snack – Sie haben etwas für Ihren Körper getan!
33
REVIEWS
SOUL
ALLNIGHTER
(25 Records, 250 003-2)
34
marshmallows, platforms and high-fly fashions
CURLING IMPORTS,INC. 320 Fifth Avenue (Suite 7289) New York, N.Y. 10001
Photo by Nina Kolle www.multimaedel.de
a
whole
new way
of
walking
This music can seriously damage
the leather of your shoes! (Harboro
Horace)
...aus den Liner Notes „ ... Gesucht: nicht der Kanon der Hits
dieser Ära, auch kein puristisches
Potpourri rarster B-Seiten. Gefunden: zeitlose Musik mit zeitgemäßer Coolness … ”
Ugh, da gibt es seit 1983 in
steter Verlässlichkeit zweimal
jährlich den Hamburger ‚SOUL
ALLNIGHTER’ von Olaf Ott
und Leif Nüske. 24 Jahre Tanzschaffe und damit oftmals reifer
als so mancher heutiger Besucher.
Rituale die eingehalten werden,
nachdem der Osterhase mit leerem Körbchen seines Weges
hoppelt und Rudolf das Rentier
längst auf dem Weg gen Nordpol dahinsaust. Das KIR war
IMMER knallvoll. Nach dem
Wechsel in den Waagenbau ist es
noch schlimmer geworden ...
Im April dieses Jahres erschien
der Soundtrack zum Film.
Wie den Liner Notes zu entnehmen ist, versteht sich die
SOUL ALLNIGHTER CD
sicherlich nicht als Angeberprodukt Anorak tragender Record
Nerds, das die Welt von der Genialität achtklassiger Musiker aus
Detroits Hinterzimmern überzeugen will. Vielmehr bekommt
man das, was man erwartet. Eine
saugute Melange, ein Heimsieg
im Sonnenschein, ein neuer Partner, der Küssen kann ... und das
alles an einem Tag!
Im Gegensatz zu anderen Soul
Samplern lässt sich SOUL ALLNIGHTER wunderbar durchhören und bietet auch ganz normalen Menschen jenseits der ‘Szene’
die Möglichkeit, Soul kennen
und lieben zu lernen.
Maxine Brown geleitet den
Hörer nonchalant mit ihrem ‘Just
Give Me One Good Reason’ in
19 weitere Stücke, die einem ein
Lächeln auf die Lippen zaubern.
Groovige 70’s Nummern reichen
in der Folge verräuchertem R’n’B,
poppigem 60’s Soul und sha-kalakschem Latin-Sound die Hand
und vertragen sich.
Der Silberling mit eindeutiger Kaufempfehlung ist seit dem
01.04.2007 im Handel oder direkt über 25records.de zu bekommen. (rm)
THE ASHFORD &
SIMPSON SONGBOOK
(Expansion Records (UK) / CDEXP28)
Wer keinen Spaß daran hat, das
Kleingedruckte auf Plattenhüllen
zu lesen, der wird beim Namen
„Ashford & Simpson“ wahrscheinlich an diesen mittleren
Hit aus den 80ern denken:
„Our love is solid – solid as a
rock“.
Doch damit tut man dem Musiker-Ehepaar keinen Gefallen.
Denn Valerie Simpson und Nickolas Ashford haben weitaus
Größeres geleistet. Und das will
die neue Compilation auf dem
Expansion-Label beweisen.
Getroffen haben sich die beiden
Anfang der 60er in einer Kirche
in Harlem. Die Begeisterung für
die kleinen Soul-Operetten von
Dionne Warwick ließ sie es auch
selbst versuchen. Als „Valerie &
Nick“ veröffentlichten sie drei
Singles auf Glover, zusammen
mit einer anderen Soul-Legende,
Joshie „Jo“ Armstead, schrieben
Sie dann auch Songs für andere,
die zunächst (als Demos) von
Maxine Brown und Chuck Jackson aufgenommen worden. Das
Label Wand/Scepter veröffentlichte daraus zwei Alben.
Darauf unter anderem „The
Real Thing“, das in Versionen
von Betty Everett oder Tina Britt
auch heute noch die Tanzflächen
füllt, sowie „Let’s go get stoned“,
ein Song, der – zunächst unveröffentlicht – von Ray Charles
aufgegriffen wurde und in die
Charts einstieg.
Parallel versuchte Nick Ashford noch eine Solokarriere – mit
Songs wie „I don’t need no doctor“ und „California Soul“, die
aber zuvor schon von Brother
Ray oder der Fifth Dimension
erfolgreich veröffentlicht waren.
Das Angebot, als Songschreiber für Motown zu arbeiten, kam
da gerade recht: Nach dem Weggang von Holland-Dozier-Holland wurden neue Hitschreiber
35
REVIEWS
gebraucht. Neben Songs für die
Supremes, die Vandellas oder
Gladys Knight waren die beiden
verantwortlich für den Erfolg von
Tammi Terrell und Marvin Gaye.
Val und Nick konnten die Zuneigung, die die beiden Interpreten
füreinander empfanden, in keusche und zugleich überschwängliche Lieder fassen. Trauriger
Höhepunkt der Zusammenarbeit
war das dritte und letzte Album
„Easy“, bei dem Tammi bereits
so geschwächt war, dass Valerie
in ihrem Namen die weibliche
Stimme aufnahm. An diese Zeit
wird auf dieser Zusammenstellung mit einem exklusiven Remix
von „Aint’t No Mountain High
Enough“ erinnert.
Leider ist dies (fast) die einzige
Aufnahme aus den 60ern, die es
auf diese Zusammenstellung geschafft hat. Keine Glover-Single,
keine Betty Everett oder Mitty
Collier-Aufnahme, obwohl Liner-Notes-Autor David Nathan
auch von dieser Zeit spricht.
Aber wahrscheinlich war es nicht
möglich, die Rechte für eine Veröffentlichung aufzutreiben – ein
anderer Grund wäre schwer zu
akzeptieren.
„The Ashford Simpson Songbook“ featured hautpsächlich
Aufnahmen der 70er und 80er
von Main Ingredient, Chaka
Khan, Sylvester, Teddy Pendergrass oder den Dynamic Superiors.
Vieles davon ist schön anzuhören wie „Hit and Run Lover“ von
den Superiors, die „California
Soul“-Version von Marlena Shaw
und natürlich der Modern-SoulKlassiker „Top of the Stairs“ in
der Aufnahme von Collins and
Collins. Manches aber auch nur
überdurchschnittliches
Handwerk von Angela Bofill oder
36
REVIEWS
Jennifer Holliday, bei dem der
Einsatz von damaliger aktueller
Studiotechnik eher störend wirkt.
Das Songbook bildet die späte
Phase der Songschreiber Nickolas Ashford und Valerie Simpson
ab. Wir warten jetzt einfach aufs
„Prequel“. (mg)
COME ON SOUL!
VOL.2
(Légère Recordings, LEGO 006)
Two in a row … some more to
go! Kurz vor Redaktionsschluss,
erhielt ich das erste Mal in meinem Leben eine pre-release CD
zur Besprechung. Ada James und
Basil Hunt, die Superagenten des
Légère-Imperiums, können es
einfach nicht lassen, aktuelle Soulstücke mit alten Northern Soul
und Funk Geschichten zu einem
überaus gelungenen Sampler zusammenzustellen. Konnte Come
on Soul Vol. 1 schon durchaus
Überzeugungsarbeit leisten, wird
die am 16.11.2007 erscheinende
Vol. 2 schiere Begeisterung bei
den Käufern auslösen.
Die Reise beginnt mit der
gänzlich unbekannten Lindy
Stevens und ihrem „Pennygold”,
das ältere Semester sicherlich
noch von dem Kent Sampler
„Floorshakers” kennen. Jimmy
Macks unbezahlbarer Northern
Oldie „My World Is On Fire”
erschien damals auf dem Palmer
Label, schließt sich nahtlos an
und überreicht den Wimpel an
die süße Tammi Terrell, die den
Isley Brothers Biggie „This Old
Heart Of Mine” vor 39 Jahren
auf ihre feminine Weise interpretierte.
Da ich nie ein großer Acid Jazz
Anhänger war, kann ich mit der
ersten aktuellen Nummer, Smoove
feat. John Turrell – „I Can’t Give
You Up” nicht so viel anfangen,
obwohl ich mir sicher bin, dass
dieses Stück seine Liebhaber finden wird. Nach den Sapphires
mit ihrem Oldie „Evil One”, folgen die Showstoppers mit ihrem
Bubble-Gum-Soul-Stück „Eeny
Meeny”. Über die Four Tops
(„Sweet Understanding Love”)
und die Whispers („In Love Forever”) brauche ich nicht mehr
schreiben als ‚cheer class’.
Das der lange finnische Winter
lokalen Musikern viel Zeit zum
Frickeln bietet, wird bei Tuomos
„Don’t Take It Too Hard” deutlich. Konnte bereits die Wahlfinnin Nicole Willis mit ihrem
souligen Debutalbum Kritiker
zeitgenössischer Soul-Musik läutern, so lässt mich Tuomo glatt
aus den Latschen kippen. Feinster 70’s Soul, mit wunderbaren
Arrangements, großem Orchester und einem fähigen Background-Chor. Unglaublich, das es
heutzutage möglich ist, derartige
Muzak zu veröffentlichen.
Nach Pat Lundis „Party Music”, einer 1974 erschienenen
Disco/Modern Soul Nummer,
folgt Chuck Jacksons ScooterrunMonster „I Only Get This Feeling”. Aus Down-Under, genauer
gesagt aus Melbourne, kommen
die Bamboos feat. Kylie Auldist
mit „I Don`t Wanna Stop”, einer
Auskopplung ihres zweiten Al-
bums „Rawville” daher und mir
fällt nur ein grooviges `WOW`
ein. Eine schöne Ballade einer
ansonsten als Deep-Funk Band
bekannten Combo.
Der alte, weiße Northern Soul
Held Dean Parrish, verantwortlich für Stücke wie „Determination” und vor allem „I’m On My
Way” ist wieder da. Zusammen
mit dem Acid Jazzer Lord Large, dem Wigan Casino DJ Russ
Winstanley, Ocean Colour Scene
Gitarrist Steve Cradock und
Curduroy Bassist Richard Searle ...
naja, und Paul Weller, der dieses
Lied als 15jähriger geschrieben
haben soll, kann man gute Stücke produzieren. „Left, Right &
Centre” ist Northern Soul, Pop
und alles andere auch.
Die Festivals, vor allem für
ihre Veröffentlichungen auf dem
Smash Label bekannt, bringen
uns mit ihrer Colossus Single
„You’re Gonna Make It”, einer
netten Crossover Nummer, direkt
zu Sharon Stone & The DapKings. ”I Just Dropped In To See
What Condition My Condition
Is In” hört sich stark nach Nina
Simone an und wird demnächst
live im Mandarin Kasino zu hören sein.
Nach zwei funkigen Stücken
von Baby Charles und Marva
Whitney folgen die Big Boss
Man, eine orgellastige Mod-Kapelle, mit ihrem „The Hawk”.
Nr. 19: The Sweet Vandals
„What`s Going On”. Die sonst
überaus funkigen Madrilenen
versuchen sich an Marvin Gayes
All Time Classic und können
durchaus bestehen.
Come On Soul! … WE WANT
VOL. 3!!! (rm)
Ebony Alleyne:
Never Look Back…
(Expansion Records (UK), XECD53)
Vor fünf Jahren erschienen erst
eine, dann noch eine, schließlich
eine dritte Single auf dem OkehLabel. „Ewiggestrige“ rieben sich
verwundert die Augen, denn außer ein paar inoffziellen Veröffentlichungen (und einer Platte
einer Blues-Folk-Band in den
90ern), war das legendäre Chicago-Label und der zugehörige
Schriftzug seit über 35 Jahren
mausetot.
Doch diesmal war alles ganz
legal. Dahinter steckte einer der
bekanntesten – und umstrittensten – DJs der Soul-Scene: Ian
Levine. Der hatte sich diese Reminiszenz ausgedacht, um seine
neue Entdeckung Ebonye Alleyne,
damals 19 Jahre jung, adäquat
zu promoten. Aber als beim
Vertragspartner und Eigner von
Okeh - Sony – die oberste Etage
neu gemischt wurde – war auch
der Vertrag futsch. Nach einem
R’n’B-Beitrag für den Soundtrack
„Honey“ wurde es still um die
Sängerin. Jetzt hat sich Expansion-Labelchef Ralph Tee stark gemacht und die Bänder von 2002
mit weiteren Aufnahmen zum
Debüt der jungen Londonerin
zusammengestellt.
„Never Look Back“ setzt also
stilistisch das fort, was mit den
Okeh-Veröffentlichungen
begonnen wurde. Und Ian Levine strickt hier weiter an seiner
Version eines Update-Northern
Soul Sounds. Wie schon bei seinen Motorcity-Projekten aus den
80ern (alte Soulsänger covern alte
Soulsongs begleitet von neuartiger Studiotechnik) stören auch
hier ab und zu die Instrumente –
die Bläser und die Drums klingen
nicht immer analog. Die Songs
sind aber diesmal deutlich besser
arrangiert. Um das genießen zu
können, muss man allerdings bereit für poppigen Soul sein. Dass
hier Dionne Warwick Patin ist,
kann man hören – genauso wie
Anleihen an 80er Soul. Aber das
scheint ja im Moment wieder hip
zu sein – siehe Tuomo.
Die Cover-Version von „Hello Stranger“ (Original: Barbara
Lewis) ist sehr charmant und der
Titelsong „Walk away and never
look back“ hat sogar das Zeug
zu einem Evergreen. Und wenn
man den Oldie-Aspekt beim 60s
Soul weglässt und sich erinnert,
dass Motown – zumindest in den
USA - Mainstream-Pop war,
dann klingt dieses Album heute
so, wie Northern Soul in der Zeit
seines Entstehens. (mg)
37
REVIEW
Ordinary Joe
Wie fasse ich ein Konzert in
Worte, dass das Publikum in einen glückseligen Rausch versetzte? Ein Wohlbefinden, in dem
alle, von Wärme, Musik und
Rhythmus durchströmt, sich nur
eines wünschten: Dieser Zustand
möge nicht aufhören! Wirkliche
Worte gibt es dafür nicht, ich
kann nur beschreiben und versuchen, die Sinnlichkeit und
Emotionalität dieses Abends zu
bannen.
Den ganzen Tag hatte ich Zweifel, ob die Entscheidung, zu Joe
Bataan ins Mandarin Kasino zu
gehen, die Richtige war. In Spanish Harlem aufgewachsen, war
der musikalische Autodidakt Joe
Bataan in den späten 60er Jahren
einer der ersten, der latein-amerikanische Musik mit Rhythm
and Blues mischte - seine frühen Alben, „Gypsy Woman“ und
„Subway Joe“ werden zu recht als
Klassiker des Latin Soul gesehen.
Wie oft habe ich es schon erlebt, dass Musiker, die vor vielen
Jahren einmal großartige Platten
eingespielt haben, mit einer mittelmäßigen Studioband auf die
Bühne zurückkehrten, um Konzerte zu geben, die ich gar nicht
38
Sonntag, 09.09.07, Mandarin Kasino:Joe Bataan & Band
hören wollte? Ich hatte Angst,
dass einer, den ich in meiner Bewunderung in göttliche Sphären
erhob, plötzlich hinab fallen sollte in die schwelende Unterwelt.
Nach den ersten drei Takten
wusste ich: Meine Sorgen waren
umsonst! Es stand eine Band auf
der Bühne, die nicht allein musikalisches Können zeigt, sondern
viel mehr Musiker, die sich leidenschaftlich bis zur Erschöpfung verausgaben und darüber
hinaus das, was sie selbst beim
Spielen und Singen empfinden,
ins Publikum übertragen. - That’s
when you got soul!
Joe Bataan selbst besitzt diese
Gabe wie kaum ein anderer. Und
er ist sich dessen bewusst. Wenn
er auf der Bühne steht, will er mit
dem Publikum verschmelzen. Er
verteilt Farbdrucke seiner selbst,
gibt den Leuten die Hand, führt
eine Polonaise an, und spricht, ja
vor allem spricht mit dem Publikum. Er erzählt von sich selbst,
und warum er sich so freut hier
und heute, 2007, das erste Mal
seit 1980 in Hamburg auf der
Bühne zu stehen. Er beschreibt
seine Begegnung mit dem Tod
vor einigen Jahren und seine
Dankbarkeit, dass er weiter lebt.
„ And that’s why I wish everybody
of you gets home safely tonight!“
Alles, was Joe Bataan auf der
Bühne tut, dient dem Ziel, die
Grenze zwischen sich und dem
Publikum aufzulösen. Er sieht
sich nicht als Star, sondern auch
nach so vielen Jahren immer noch
als den einfachen Kerl aus New
Yorks Stadtteil „El Barrio“.
„I am happy if I should have reached one of you at the end of this
show!“ Ich bin sicher, er hat 103%
des Publikums erreicht: Am Ende
hat wohl kaum ein Fuß mehr
still gestanden, es wurde mitgeklatscht, -gesungen, -getanzt und
alle hatten dieses benommene,
aber glückliche Lächeln im Gesicht.
Und mich, mich hat der 65jährige Sänger und Pianist Joe
Bataan wirklich berührt: Mit seinen Worten, seinem charmanten
und unprätentiösen Auftreten
und dieser unglaublichen, melancholisch-schönen Stimme. Joe,
you’ve got the magic touch! (al)
39
ADA’s SHAKE OUT
Ich gebe bei Popsike.com einen meiner liebsten UptempoBurner ein: The Hamilton Movement – She’s gone (Look Out).
Auktioniert am 22/10/06 für 3096 Dollar.
M
ein Drei-Euro-Mittagessen formt sich
im Magen zu einem Drei-Tonner-Vinylklumpen. Dann wohl doch nicht. Ich
widme drei bis fünf Sekunden der Überlegung, ob
ich nicht vielleicht doch besser eine Liaison eingehen
sollte, in der eine Aufwendung von 3000 Dollar für
Haushaltsgegenstände nicht weiter auffällt.
Nach einer kurzen Kosten-Nutzen-Analyse entscheide ich mich, den digitalen Spürhund von der
Leine zu lassen. Mit Erfolg. Bereits der fünfte Eintrag bringt mich meinem Ziel näher. Offensichtlich
ist die Nummer als Re-Issue auf dem amerikanischen Label Soul Mafia erschienen. Die Frage, ob
es sich um ein anständig gemastertes Vinyl oder ein
halbgares Bootleg handelt, kann mir allerdings auch
Google nicht beantworten. Nichtsdestotrotz: 14 €
bei Moskito klingt irgendwie besser als 3096 $ bei
Ebay. Letztendlich interessiert es schließlich fast
niemanden, ob ich beim Auflegen ein Original oder
eine Neupressung spiele, vorausgesetzt natürlich, das
Stück hört sich an, wie es sich anhören soll.
Mehr noch: handelt es sich um eine legal erworbene Lizenz, besteht sogar eine winzig kleine
Chance, dass ein paar Cent meiner Investition am
Ende im Künstler-Portemonnaie klimpern! Mein
Selbstrespekt erklimmt kathartische Höhen: Das
Bild der kümmerlichen Heiratsschwindlerin verwandelt sich in das einer großzügigen Wohltäterin.
Wären da nur nicht diese beiden bohrenden Fragen, die meinen Aufstieg unschön relativieren: Wie
hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Künstler
a) noch leben?
b) einen Plattenvertrag unterschrieben haben, der
ihnen auch heute noch die Rechte an ihren eigenen
Aufnahmen gewährt?
In beiden Fällen liegt die ernüchternde Antwort
im unteren Drittel der Richterskala.
Zumindest in einer Hinsicht regen sich in mir
keinerlei Zweifel: Eine zu Schwindel erregenden
Preisen versteigerte Single bringt den Künstlern nicht
mehr als Ruhm und Ehre. Und dem Auktionator die
Miete für ein halbes Jahr. Oder die Aussicht auf eine
andere ultra-rare Perle.
Diese Art von Plattenhandel lässt in mir äußerst
widersprüchliche Gefühle aufkeimen. Einerseits ist
mir unbegreiflich, wieso man für eine round about
50 g wiegende Plastikscheibe Summen ausgibt, von
40
denen eine mehrköpfige Familie
länger als einen Monat leben kann.
Ganz abgesehen davon, dass das Auktionsgeschäft mit Hierarchien verbunden ist, die für
uneingeweihte kaum verständlich sind und nur in
einer globalisierten und digitalisierten freien Marktwirtschaft solche Blüten tragen können. „Rare“ steht
für Original (in der Regel gleichzusetzen mit Erstpressung), „rare“ ist das Beste, und je „rarer“, umso
teurer. Aber, an „rare“ kommt nur derjenige, der über
jede Menge Kapital verfügt. Sprich: Entweder über
Geld oder andere Rarities, die er selbst zu hohen
Preisen verscherbeln oder tauschen kann. Wer da
nicht mitspielen kann oder will, steht außen vor.
Andererseits bin ich natürlich genauso fasziniert von den oftmals wirklich guten Nummern, die
manche teuer erwerben und horten. Und zugegeben,
eine Original-Single macht sich schon besser in der
Sammlung als ein Re-Issue, auch wenn sie nicht
zwangsläufig besser klingt. Ein Hauch von Nostalgie schwebt über diesen kleinen Scheiben - man
ist der Zeit, in der sie entstanden, allein durch das
Material näher. Und noch zugegebener, so manche
Single gibt es einfach nur als Original. Insbesondere
bei denen, die in geringer Auflage gepresst wurden,
und/oder über die Jahre zu einer winzigen Stückzahl
geschrumpft sind, treibt das den Preis in die Höhe,
sobald sie „angesagt“ sind.
In den Momenten der Versuchung liefern sich in
mir Verlangen und Vernunft wilde Kämpfe bei der
Erörterung der Frage, ob der Besitz einer Scheibe
wirklich notwendig ist. Das Ergebnis ist eigentlich
stets wiederkehrend: Sammeln gehörte nie zu meinen Leidenschaften – am Ende geht die Vernunft mit
ihrem schönsten Siegeslächeln aus diesen (in gewisser
Weise überflüssigen) inneren Disputen hervor. Aber
nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich betrachte die
Ultra-Rare-Soul-Sammler dieser Welt mit Neid und
mit Unverständnis, aber auch mit Respekt und last
but not least mit Dankbarkeit. Denn: Das, was ich nie
könnte, tun sie, und häufen auditive Reichtümer an,
von denen ich nur träume. Ohne diejenigen, die ihre
Schätze auf Bootlegs oder offiziell lizensierten Tonträgern in Umlauf bringen, oder aber auf Nightern
und Weekendern auf den Plattentellern rotieren lassen, würde ich diese Perlen nie zu Gehör bekommen.
Und das wäre eine Sünde! ❧ Von Ada Loveshake
41
November 2007
➽ Sa. 3.11. Berlin, Oscar Wilde Pub:
Hip City Soul Club
www.myspace.com/hipcitysoulclubberlin
➽ 23. - 25.11. Frankfurt am Main:
Uptight – The Frankfurt Soul Weekend
www.uptight.org
Photos by Nina Kolle www.multimaedel.de
TERMINE
Dezember 2007
➽ 1. 12. Hamburg, Hafenklang-Exil:
For Dancers Only – 4th Anniversary
www.myspace.com/fordancersonlysoulclub
➽ 7. - 8. 12. Nürnberg, K4:
Nürnberg Soul Weekender
www.raresoul.net
➽ 25.12. Hamburg, Waagenbau:
Soul-Allnighter
www.myspace.com/soulallnighter
Mai 2008
➽ 2. - 4.5. Bamberg, Haas Säle:
The Soul Shakers Weekender
www.soul-shakers.de
DANKE!
Den Autoren Oguzhan Celik, Martin Giese (mg),
Basil Hunt, Finn Johannsen, Ralf Mehnert (rm),
Olaf Ott, Alexander Weißner; den Interview-Partnern
Terry Callier & John Manship; der Fotografin Nina
Kolle; den soulful Models Martin Crout und
Alexander Laarmann; der Lektorin Barbara Schulz;
allen Weekender DJs; der Druckerei Baldauf;
allen, die eine Anzeige geschaltet haben und allen,
die uns sonst noch geholfen haben.
Ein besonderer Dank an: Jan Drews, Ralf Mehnert
und Alexander Weißner für Input und Support.
IMPRESSUM
Auflage: 500 Stück
Redaktion: Ada Loveshake (al), Holly Holzwarth
Grafik: Holly Holzwarth (www.kokong.de)
Kontakt: Loveshake Music, Lindenallee 19,
20259 Hamburg (www.loveshake-music.com)
42
Strike! hat keine Gewinnerzielungsabsichten und
versucht lediglich, kostendeckend zu sein. Namentlich
gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion wieder.
Wer in einer Welt der Beliebigkeit Stil beweisen
will – als Liebhaber edler Tropfen, Connaisseur
erlesener Musik oder als Genießer lukullischer
Freuden – sollte sich in der Auswahl seiner Bekleidung nur mit dem Besten zufrieden geben.
Maßkonfektion ist eine der letzten Privilegien des
gepflegten Mannes. Leben Sie Ihre Gelüste aus,
seien es die von Hand genähten Knöpfe aus Steinnuss, das Innenfutter aus Bemberg-Baumwolle
oder dem edelsten Tuch der Welt: Tasmanischer
Merinowolle. Unterstreichen Sie Ihre Persönlichkeit durch
unsere Maßkonfektion.
43
See you out on the floor …
44