MALLORCA MALLORCA
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▼ MALLORCA AKTUELL 10 Palma soll auch sonntags Shoppingstadt werden 8 Ummelden oder nicht? Neues zum Kennzeichen D „Ich hoffe, dass sie jetzt aufhorchen” Fritz Seikowsky, dessen Haus in Llucalcari nach einem höchstinstanzlichen Urteil abgerissen wird, hat seine Drohung wahrgemacht: Er mobilisiert die deutschen Medien. „Bild” schreibt bereits vom „Häuserkrieg auf Mallorca”. Jetzt will der wütende Hausbesitzer auch noch eine Sammelklage gegen Besitzer von Häusern mit ähnlicher Rechtslage anstreben VO N ANJA MARKS F ritz Seikowsky steht vor den Trümmerteilen seines Hauses, im Hintergrund weht ein großes Laken mit den Worten „GOB y Fiol – pare esta injusticia!“ – stop- „Die kriegen mich so nicht klein”: Fritz Seikowsky auf der Terrasse seines halb zerstörten Hauses bei Deià. Fotos: privat pen Sie diese Ungerechtigkeit! Kameraleute des Fernsehsenders Sat1 laufen über das Gelände und filmen, Bildreporter waren schon dort, RTL Exklusiv und das ZDF haben sich angekündigt, Spiegel Online ist interessiert. „Die kriegen mich so nicht klein“, sagt Seikowsky kampfbereit. Jetzt ist er richtig wütend und hat seine erste Ankündigung schon wahr gemacht: Falls es hier tatsächlich zum Abriss kommen sollte, dann werde es einen richtigen Medienrummel geben. „Häuserkrieg auf Mallorca” titelte „Bild” in der Ausgabe vom Dienstag und fügte – in sehr freier Auslegung der Tatsachen – hinzu: „Spanier wollen 900 deutsche Immobilien abreißen.” „Ich hoffe natürlich, dass nun auch die spani- schen Medien aufhorchen und die Umweltgruppe GOB, Richter Fiol und die Inselregierung endlich aus ihren Schneckenhäusern herauskommen müssen.“ Und noch eine zweite Drohung will Seikowsky wahrmachen, und darauf bezieht sich der Zusatz in der Bildzeitung. Rund 800 bis 1000 Häuser, die unter den selben Bedingungen gebaut wurden wie die Llucalcari-Villen, gebe es seines Wissens alleine im Tramuntana-Gebirge. Zu ▼ Mallorca Magazin 5/2012 „Stoppen Sie diese Ungerechtigkeit” hat Fritz Seikowsky auf ein Laken gepinselt. Die Nachricht ist an die Umweltgruppe GOB und den zuständigen Richter in Palma adressiert. Unterdessen gehen die Abrissarbeiten weiter. mindest gegen einen Teil werde er eine Sammelklage anstreben. „Das könnte für uns der Weg zum Ziel sein. Wenn auch nur einer dieser Hausbesitzer angezeigt und auf Abriss verklagt wird, ist sein Besitz ab dann zumindest unverkäuflich.” Außerdem: „So viele Abrisse kann Mallorca nicht finanzieren. Dann müssen diese Häuser endlich legalisiert werden. Und in der Folge auch unsere. Selbst wenn wir sie dann nochmal aufbauen müssen.“ Allerdings gebe es unter den besagten Hausbesitzern wohl auch Mitglieder des GOB und der Inselparteien. „Kein Wunder, dass die das nicht anfassen.” Dabei ist es Seikowsky wichtig zu betonen, dass es hier nicht um den Auf- schrei eines deutschen Villenbesitzers geht, der laut rechtmäßigem Urteil sein Haus verliert und nun auf die mallorquinischen Behörden eindrischt. Vielmehr ist er verzweifelt über ein Kapitel „absurder Rechtsgeschichte” auf Mallorca, das nun schon seit mehr als 20 Jahren andauert (siehe auch MM 03/11). Bereits vor Monaten habe er auf Anraten seiner Anwälte offiziell Klage gegen den Abrissplan für sein Haus eingelegt. „Nachdem wir die Abrisspläne und das Ergebnis der Zerstörung der beiden anderen Häuser gesehen haben, war klar: Diese Arbeiten erfüllen in keiner Weise das Urteil, welches eine vollständige Renaturierung verlangt. Wir haben umfangreiche Gutachten darüber vorge- 7 MALLORCA AKTUELL legt, wie dieser ökologische Rückbau erfolgen müsste. Da diese Renaturierung mehrere Millionen Euro kosten würde – Geld, das die Gemeinde nicht hat – ist es natürlich unsere Hoffnung, dass der verantwortliche Richter Fiol und der Kläger GOB endlich zur Besinnung kommen und sich für eine konstruktive Lösung öffnen.“ Eine Antwort auf die Klage gab es bis heute nicht, statt dessen begann die Abrissfirma unter Aufsicht von Deiàs Bürgermeisters Jaume Crespi vergangene Woche mit den Abrissarbeiten. Und sie haben es scheinbar sehr eilig: „Das muss man sich mal vorstellen, die haben sogar am Samstag und Sonntag gearbeitet, so, als müsse alles ganz schnell gehen, bevor am Ende doch noch ein Einspruch des Richters kommt.“ Ob das trotz Urteils in letzter Instanz tatsächlich rechtens ist, will Seikowsky noch mehrfach prüfen lassen. Der GOB hatte Ende der 80er Jahre gegen den Bau der Häuser geklagt, weil der für die Baugenehmigung notwendige Flächennutzungsplan nicht vorlag. Dieser „Plan de Protección Territorial“ wurde allerdings 1999 von der Gemeinde Deià genehmigt, woraufhin der damalige Bürgermeister im Namen der Hausbesitzer Einspruch gegen das 1992 erteilte Abrissurteil einlegte. Ein Skandal sei es, dass bis heute die Genehmigungen nicht nachträglich wieder erteilt wurden. „Unter diesen Umständen ist Spanien – ein Kernland der EU – für mich kein Rechtsstaat und kein Land, in dem man sich als Deutscher in seinen Eigentums- und Bürgerrechten geschützt fühlen kann”, meint Sei kowsky. Viele Artikel auf dem Samstags-Flohmarkt in Palma stammen aus dem Müll. Foto: J. Aguirre Armut wird zur „Volkskrankheit” Studie: Ein Viertel der Inselbevölkerung ist von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht J eder vierte Balearen-Bewohner ist von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Europäischen Netzwerks gegen Armut (EAPN), die am Montag in Madrid vorgestellt wurde. Die Daten stammen aus dem Jahr 2010. Gegenüber dem Jahr 2009 ist der genannte Personenkreis um 2,2 Prozent auf insgesamt 271.148 angewachsen. Der prozentuale Anstieg entspricht dem nationalen Durchschnitt. Allerdings gibt es nach wie vor deutliche regionale Unterschiede: Die meisten von Armut Bedrohten gab es 2010 in der Extremadura (41,5 Prozent der Bevölkerung), die wenigsten in Aragón (15,9 Prozent). Insgesamt sind laut EAPN 11,5 Millionen Spanier von Armut betroffen oder bedroht, 25,5 Prozent der Gesamtbevölkerung und eine Million mehr als im Jahr 2009. Die Balearen liegen im Negativ-Ranking der Regionen an siebter Stelle. Dem Netzwerk zufolge leiden 50.000 der genannten 271.148 Inselbewohner unter starken Entbehrungen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der „Zuwachs der von Armut bedrohten um eine Million ein Indikator dafür ist, welche verheerenden Konsequenzen die Krise auf den Wohlstand der Spanier hat”. Die Autoren betonen daher die Dringlichkeit von Reformen zum Schutz der Bürger. Dass es auf Mallorca vielen Menschen schlecht geht, sieht man auch auf dem Samstags-Flohmarkt im Industriegebiet Son Fuster. Eine Reportage in der MM-Schwesterzeitung „Ultima Hora” machte deutlich, dass der „Rastro” eine Art Gradmesser der Armut ist. Immer mehr Menschen versuchen, ihre klamme Haushaltskasse wenigstens um ein paar Euro aufzubessern. Etwa die arbeitslose Versicherungskauffrau Pilar, die sich bei den Marktständen für die „Neuen” eingereiht hat, um abgetragene Kleidungsstücke zu verkaufen, die ihr Familienangehörige oder Freunde hinterlassen. Auch das Angebot des Flohmarkts zeugt vom sozialen Wandel. Antiquitäten sind seltener geworden, dafür wird mehr Krimskrams zum Kauf angeboten; nicht wenigen Artikeln sieht man an, dass sie aus dem Müllcontainer gefischt wurden.