Latino-Zeitungen im Aufwind - WAN-IFRA

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Latino-Zeitungen im Aufwind - WAN-IFRA
Marketing
Randy Woods
März 2004
zeitungstechnik
Spanischsprachige Zeitungen in den USA
Latino-Zeitungen im Aufwind
nischen Tageszeitungen des Landes – El Diario/La Prensa von CPK Medias in New
York (Auflage: 52 000 Exemplare) und La
Opinión der Lozano-Familie in Südkalifornien (125 865 Ex.) – eine Partnerschaft zur
Gründung des ersten spanischsprachigen
Zeitungsunternehmens des Landes: Impremedia LLC (www.impremedia.com). Die
beiden Zeitungen werden sich nach Aussage des Unternehmens Impremedia weiterhin auf regionale Themen konzentrieren
und in redaktioneller Hinsicht als getrennte
Geschäftseinheiten weitergeführt werden.
Die Partnerschaft ermöglicht es jedoch, auf
überregionaler Basis neue Anzeigenkunden
anzuwerben.
Solche Fusionsentwicklungen werden
von allen Verlagen begrüßt, erklärt Kirk
Whisler, Präsident von Latino Print Network. „Die Anzeigenkunden wollen eine
höhere Auflage“, sagt er. „Seit 1960 ist die
tägliche Leserzahl der Zeitungen in den
USA um 1,5 Millionen gesunken. Die etablierten Blätter beginnen, auf die Veränderungen in ihren Gemeinden aufmerksam zu
werden. Dieser Konsolidierungstrend ist ein
Schritt zur Stärkung der hispanischen Zeitungen.“
Unter dem starken Einfluss der
amerikanischen Kultur hat sich
die englische Sprache in Europa
und großen Teilen der Welt de
facto zu einer Universalsprache
entwickelt. In den Vereinigten
Staaten selbst hingegen erfreut
sich auf den Straßen – und nicht
zuletzt in den Zeitungen – eine
andere Sprache wachsender
Beliebtheit: das Spanische.
Die 39 Millionen hispanischen Bürger
der USA bilden mit einem Bevölkerungsanteil von über 13 Prozent die größte Minderheit des Landes. Nach Angaben des Latino
Print Networks (www.latinoprintnetwork.
com), eines in Kalifornien ansässigen Forschungsunternehmens, das Trends in hispanischen Printpublikationen verfolgt,
wächst die Latino-Gemeinde nach wie vor
rasant und ihr Anteil an der US-Bevölkerung wird im Jahre 2050 mindestens 25
Prozent betragen. Dem Forschungsunternehmen zufolge betrug der potenzielle
Wert des hispanischen Marktes der USA im
Jahr 2002 rund 524 Milliarden US-$.
Solche Zahlen üben auf die Verleger
der traditionellen englischsprachigen Zeitungen, die nach Wegen zur Verbesserung
ihrer sinkenden Auflagenzahlen suchen,
einen unwiderstehlichen Reiz aus. In den
vergangenen sechs Monaten gaben zwei
der größten amerikanischen Verlagsfirmen
die Markteinführung von drei neuen spanischsprachigen Tageszeitungen bekannt.
Belo (www.belo.com) begann Ende September 2003 mit der Produktion der Zeitung Al
Día, einem spanischsprachigen Ableger der
Dallas Morning News, und zu Beginn desselben Monats trat die Tribune Company
(www.tribune.com) mit einer Chicago-Ausgabe ihrer erfolgreichen New Yorker Tabloid-Tageszeitung Hoy auf den Markt. Im Januar 2004 erklärte der Verlagskonzern, er
plane, in der Region von Los Angeles, dem
größten Latino-Markt der USA mit über 4,2
Millionen hispanischen Einwohnern, eine
weitere Ausgabe von Hoy zu starten.
Darüber hinaus schlossen die Besitzer
der beiden ältesten und beliebtesten hispa-
Urbane Expansionen
Mit dem Wachstum der hispanischen
Bevölkerung wächst auch die Zahl der spanischsprachigen Zeitungen, belegen die
Zahlen von Latino Print Network. Im Jahre
2002 verzeichnete man 35 hispanische Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von
1,7 Millionen Exemplaren. Im Jahre 1990
hingegen gab es nur 14 Tageszeitungen mit
einer Gesamtauflage von 440 000 Exemplaren. Die Zahl spanischsprachiger Wochenzeitungen oder von Zeitungen mit
noch seltenerer Erscheinungsweise liegt
zwar viel höher (über 600 mit einer
Gesamtauflage von 14,5 Millionen Exemplaren), doch sind diese nicht annähernd so
gewinnträchtig wie die Tageszeitungen, auf
die im Jahre 2002 fast die Hälfte der gesamten Anzeigeneinnahmen im LatinoMarkt entfiel.
Die Zeitung Al Día, die seit nunmehr
sechs Monaten besteht, konnte ihre Ziele
hinsichtlich der Auflagen und der Anzeigeneinnahmen bisher erfüllen, sagt Miko
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Cano, Geschäftsführer der neuen Tageszeitung in Dallas. Al Día setzt für die Produktion ihrer Auflage von 40 000 Exemplaren
dieselben Druckmaschinen ein wie ihre
Mutterzeitung Dallas Morning News, verfügt jedoch über ein vollständig separates
57-köpfiges Redaktionsteam, das größtenteils nicht aus den Reihen der Dallas Morning News rekrutiert wurde, sagt der Geschäftsführer.
„Es ist eine sehr themenbezogene
Zeitung, die vollständig getrennt von der
Morning News besteht“, sagt M. Cano.
„Unser großer Vorzug liegt in der lokalen
Berichterstattung über Themen aus den
Bereichen Bildung, Gesundheit, Immigration.“ Die Zeitung wird an sechs Tagen der
Woche gedruckt, und bald könnten eine
Sonntagsausgabe und segmentierte Ausgaben für unterschiedliche Wohngegenden
hinzukommen, so M. Canon.
Er erklärt, Al Día sei (nach der El
Nuevo Herald aus Miami) erst die zweite
Latino-Zeitung, die die Möglichkeit der
Hauszustellung biete, von der rund die
Hälfte der Abonnenten Gebrauch machten.
Die übrigen Leser können die Zeitung für
25 Cent an den 4600 Verkaufsstellen im
Großraum Dallas erwerben.
Im Gegensatz zu Al Día handelt es
sich bei der von der Tribune Company in
Chicago eingeführten Zeitung Hoy nicht
um ein von Grund auf neues Produkt, sondern um eine Erweiterung einer bereits etablierten Tabloid-Zeitung. In New York, dem
mit 2,4 Millionen Bürgern lateinamerikanischer Herkunft zweitgrößten hispanischen
Markt der USA, wurde Hoy bereits im Jahre
1998 eingeführt und Ende des Jahres 2003
mit einer Reichweite von täglich 93.900
Haushalten zur zweitbeliebtesten LatinoZeitung der Nation (hinter La Opinión).
Um diesen Erfolg fortzuschreiben,
wandte sich die Tribune Company der Stadt
Chicago zu, dem mit 1,6 Millionen hispanischen Bürgern drittgrößten Markt, und
ersetzte ihre zehn Jahre alte Unterhaltungswochenzeitung ¡Éxito! durch das täglich erscheinende Tabloid-Produkt Hoy,
sagt Digby Solomon, Geschäftsführer der
Zeitung.
Sämtliche Anzeigenmitarbeiter von
¡Éxito! sowie die meisten der Anzeigen-
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großkunden aus dem Einzelhandel wechselten zu Hoy über, sagt D. Solomon. Das
aus 34 Personen bestehende Team arbeitet
getrennt von der Tribune Company, und
der gesamte Umbruch erfolgt digital in der
New Yorker Verlagszentrale.
Seit ihrem Start im September 2003
verzeichnet die Tabloid-Zeitung an Wochentagen eine Auflage von durchschnittlich 17 000 verkauften Einzelexemplaren.
Doch in diesem Jahr plane Hoy die Einführung eines Hauszustelldienstes, erklärt der
Geschäftsführer. „Bisher haben wir unsere
Einnahmenziele um 50 Prozent übertroffen“, sagt er.
Kulturelle Unterschiede
Die Herausgeber von Latino-Zeitungen müssen auch erkennen, dass die hispanischen Leser keineswegs einen homogenen Block darstellen. Obwohl die Mehrzahl
der hispanischen Bürger der USA mexikanischer Abstammung sind, beträgt ihr Anteil an der gesamten Latino-Bevölkerung
weniger als 60 Prozent. Mehr als 15,5
Millionen Latinos der USA kommen aus
Puerto Rico, Kuba und vielen anderen Ländern Mittel- und Südamerikas, die alle ihre
eigenen Kulturen haben.
Bei einigen hispanischen Zeitungen,
insbesondere den kapitalschwachen Zeitungen im Besitz englischsprachiger Zeitungsverlage, trägt die Berichterstattung
bisweilen nicht den Bedürfnissen der Community Rechnung und das Produkt kann
recht „nutzlos“ erscheinen“, sagt K. Whisler
vom Latino Print Network.
„Manchmal liegt es daran, dass keine
gute Marktforschung betrieben wurde. Es
gibt Fälle, in denen eine Zeitung aus Florida einen mexikanischen Redakteur einstellt
und eine texanische Zeitung einen Kubaner
anheuert.“ In Miami stellten die Verleger
des El Nuevo Herald, der beliebten spanischensprachigen Schwesterzeitung des Miami Herald, fest, dass nicht jeder Latino in
Südflorida aus Kuba kommt. Annähernd 60
Prozent der Bevölkerung Miamis ist lateinamerikanischer Herkunft, doch nur rund
die Hälfte davon stammt aus Kuba.
„Es gibt einen starken Zustrom aus
Argentinien, Kolumbien, Venezuela und
anderen lateinamerikanischen Ländern“,
erklärt César Pizarro, Verlagsleiter der Zeitung El Nuevo Herald, die eine tägliche
Auflage von 89 000 Exemplaren und sonntags von 93 000 Exemplaren verzeichnet.
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Um den Bedürfnissen der im Ausland geborenen Leser besser gerecht zu werden,
sagt er, publiziere der El Nuevo Herald
täglich eine „América Latina“-Sektion, die
kurze Pressemeldungen aus vielen Ländern
Lateinamerikas beinhalte.
Auch englischsprachige Tageszeitungen in Städten mit hohem hispanischen
Immigrantenanteil könnten langfristig profitieren, da die Leser älter werden und sich
stärker an das amerikanische Leben gewöhnen, sagt Pizarro. Nicht jeder Einwanderer,
erklärt er, werde für immer spanischsprachige Zeitungen lesen.
„Die hispanischen Bürger durchlaufen bei ihrer kulturellen Eingliederung in
das amerikanische Leben verschiedene
Phasen. Viele Leser beginnen mit spanischen Publikationen, durch die sie mit
anderen Menschen aus ihren Heimatländern in Kontakt treten, und wohnen in
denselben Vierteln wie ihre Landsleute.
Doch letztendlich wenden auch sie sich
den traditionellen englischsprachigen Zeitungen zu.“
Ein Aspekt hingegen, der für nahezu
alle hispanischen Kulturen zutrifft, ist das
mangelnde Interesse an Sonntagsausgaben.
„Es hat wirklich etwas mit der Kultur zu
tun“, sagt D. Solomon. „Der Sonntag wird
als echter Familientag betrachtet. Die hispanischen Bürger verbringen die Zeit mit
ihren Kindern und gehen in die Kirche,
statt zu faulenzen und Zeitung zu lesen.“
Deshalb, fügt er hinzu, werden die meisten
in den USA so beliebten Coupon-Beilagen
in die Samstagsausgabe eingesteckt.
Ansicht von D. Solomon in der Bildung
überregionaler Allianzen zwischen Zeitungen, durch die sich die Zeitungswerbung,
wie im Fall von Impremedia, effizienter gestalten lässt.
„Die Schaffung größerer, professionell geführter Zeitungen wird sich als
größter Trend in der Branche abzeichnen“,
sagt er. „In einer wachsenden Anzahl von
Städten wird zu beobachten sein, dass sich
zwei bis drei Dutzend kleine Wochenzeitungen in Publikationen großer Verlagsgesellschaften verwandeln. Die hispanischen
Zeitungen unterliegen einem raschem
Wachstum, doch sie erhalten nur einen so
geringen Teil an den gesamten Werbedollars.“
Ein weiterer entscheidender Faktor
für den Erfolg der Latino-Zeitungen in den
USA sei die Steigerung der Qualität, erklärt
M. Cano von Al Día. „Der Markt wächst
enorm“, sagt er. „Eine Zeit lang waren
hispanische Produkte unterentwickelt und
nicht viel mehr als spanische Übersetzungen der amerikanischen Mutterzeitungen.
Nun geben die Verlage sehr gute Produkte
heraus.“
Zurzeit kommen immer neue hispanische Zeitungen auf den Markt, doch sicherlich wird es bald vermehrt Konsolidierungen geben. „Ich weiß, dass nicht alle Tageszeitungen, die wir heute haben, überleben
werden“, sagt K. Whisler. „Wenn mal wieder die Budgets gekürzt werden, dann werden einige Verleger auf die hispanische
Zeitung schielen. Da es sich bei ihr nicht
um das Hauptprodukt handelt, fällt sie den
Kürzungen meistens als Erstes zum Opfer“,
so K. Whisler.
„Der allgemeine Markt wird auch
weiterhin wachsen, nicht jedoch unabhängige Verlage“, sagt M. Cano. „Der allgemeine Markt ist ständig auf der Suche nach
Möglichkeiten zur Auflagensteigerung.“
Auch von Seiten der englischsprachigen
Zeitungen sei mit Wettbewerb zu rechnen,
fügt M. Cano hinzu. „In den Redaktionen
ist der Trend zu beobachten, dass die traditionellen Zeitungen hispanische Mitarbeiter
anwerben“, sagt er. „Wir bilden zwar einen
Anteil von 13 Prozent an der Bevölkerung,
doch sind immer noch nicht mit demselben
Anteil in den Redaktionen vertreten. Das
muss sich ändern.“
Scharfe Konkurrenz
Wenn auch zwischen den neuen
Tageszeitungen in den drei größten LatinoMärkten ein harter Wettbewerbskampf bestehen mag, so ist dieser nichts im Vergleich zu dem wahren Hindernis für den
Erfolg der hispanischen Tageszeitungen:
das Fernsehen.
„80 Prozent der Dollars, die in Werbung für den hispanischen Markt investiert
werden, fließen den Fernsehnetzen wie
dem Spanish Broadcasting System (SBS),
Telemundo oder Univision zu“, sagt C. Pizarro. „Wir brauchen mehr Tageszeitungen,
die mit dem Fernsehen konkurrieren, damit
wir die größten Märkte im Land erreichen
können.“
Die beste Möglichkeit zur Erlangung
eines größeren Marktanteils besteht nach
Randy Woods ([email protected]) schreibt
gelegentlich als freier Autor für newspaper techniques.
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