Ausführungen und Aufbau

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Ausführungen und Aufbau
Orgel
Die Orgel (griechisch ὄργανον órganon „Werkzeug, Instrument, Organ“) ist ein
über Tasten spielbares Musikinstrument. Der Klang wird durch Pfeifen erzeugt,
die durch einen Orgelwind genannten Luftstrom angeblasen werden. Zur
Abgrenzung gegenüber elektronischen Orgeln wird sie daher auch Pfeifenorgel
genannt. Sie gehört zu den Aerophonen. Die meisten Orgeln enthalten
mehrheitlich Labialpfeifen, bei denen die Luftsäule im Innern durch Anblasen
eines Labiums (Schneidentöne) zum Schwingen gebracht und damit der Ton
erzeugt wird. Sie werden durch Lingualpfeifen ergänzt, bei denen die
Tonerzeugung durch ein schwingendes Zungenblatt erfolgt.
Von einem Spieltisch aus kann der Organist einzelne Pfeifenreihen verschiedener
Tonhöhe und Klangfarben (Register) ein- oder ausschalten, sodass sich
verschiedene Klangfarben erzeugen lassen. Die Pfeifen werden über eine oder
mehrere Klaviaturen, Manuale und gegebenenfalls das Pedal, angesteuert,
denen die Register jeweils fest zugeordnet sind. Dabei wird der Druck auf die
Taste über die Traktur mechanisch, pneumatisch oder auch elektrisch zu den
Ventilen unter den Pfeifen geleitet.
Orgeln sind seit der Antike bekannt und haben sich besonders im Barock und zur
Zeit der Romantik zu ihrer heutigen Form entwickelt.
Ausführungen und Aufbau
Prospekt der Holzhey-Orgel in der Klosterkirche Weißenau
Orgeln finden sich in unterschiedlichen Ausführungen und Größen meist in
Kirchen, aber auch in Konzertsälen und Privathäusern (Hausorgel). Eine kleine,
einmanualige Orgel ohne Pedal bezeichnet man als Positiv oder – bei
entsprechend kompakter Bauweise – als Truhenorgel. Tragbare Kleinstorgeln
bezeichnet man als Portativ. Eine Spezialform hiervon ist das nur mit
Zungenpfeifen disponierte Regal.
Aufstellung und Akustik
Der Orgelbauer hat die schwierige Aufgabe, das Instrument akustisch, optisch
und funktional möglichst optimal aufzustellen, was jedoch oftmals durch bauliche
Gegebenheiten nur begrenzt möglich ist. Idealerweise sollte der Orgelklang in
jedem Punkt des Raumes ausgeglichen und transparent sein. Der Nachhall sollte
das Klangbild nicht zu sehr verschleiern.
In Kirchen verrät die Aufstellung einer Orgel oft viel über ihre liturgische
Bestimmung und ihre Einsatzmöglichkeiten. Während die ältesten Instrumente
oftmals in der Nähe des Chores oder als Schwalbennestorgeln erscheinen, so
wird ab dem 17. Jahrhundert die Orgel an der Westwand gebräuchlich.
Traditionell war die Chororgel (oder in Italien/Spanien das Evangelien/EpistelOrgelpaar) für eine katholische Liturgie bestimmt, die sich großteils im Chorraum
der Kirche abspielte. Als nach der Reformation der Gemeindegesang an
Bedeutung gewann, wanderte die Orgel an die Westwand und wurde auch
tendenziell größer und lauter, denn nun musste sie eine in einer gefüllten Kirche
singende Gemeinde führen können. In kleinen Kirchenräumen oder solchen mit
besonderen architektonischen Eigenheiten muss die Orgel oft unabhängig von
ihrer liturgischen Bedeutung an die Architektur angepasst aufgestellt werden.
Die Größe der Orgelempore sagt viel über die Bestimmung der Orgel aus. So war
es beispielsweise in den großen Kirchen Mitteldeutschlands im 18. Jahrhundert
oft üblich, auf der Orgelempore Chor und Instrumentalensemble zu platzieren,
wodurch die Hauptorgel auch als Begleitinstrument zu ihrem Recht kam.
In Konzertsälen ist die Orgel meist an der Wand über dem Orchesterpodium
angebracht.
Erscheinungsbild
Große Orgeln bestimmen mit der Gestaltung ihres Gehäuses und der Front
(Orgelprospekt) die Wirkung des Raumes, in dem sie aufgestellt sind. In der
Renaissance, mehr noch in der Zeit des Barock, zeigte sich die Bedeutung, die
dem optischen Aspekt beigemessen wurde, daran, dass nicht selten die Kosten
für das Orgelgehäuse (mit Skulpturenschmuck, Ornamentschnitzwerk, Gemälden
und Vergoldung) jene des eigentlichen Orgelwerkes überstiegen. Der
Orgelprospekt diente oft zusammen mit der weiteren skulpturalen und
malerischen Ausstattung und Ausgestaltung der Kirche einem architektonischen
Gesamtkonzept.
Technische Anlage
Ein vereinfachter Funktionsquerschnitt einer kleinen einmanualigen Orgel mit
mechanischer Spieltraktur und zwei Schleifladen: Manual und Pedal (gelb), Traktur (rot),
Windladen (grün), Schleifen in den Windladen (orange), Pfeifen (blau), Windwerk (oliv).
Nicht dargestellt sind der Balg und die Registersteuerung.
Funktionsprinzip und Bezeichnungen
Windwerk
Die zugeführte komprimierte Luft, der so genannte Wind, wurde bis gegen Ende
des 19. Jahrhunderts durch große Blasebälge (Schöpf- und Keilbälge) erzeugt,
die mit den Füßen getreten wurden. Je nach Orgelgröße benötigte man bis zu
zwölf Kalkanten (Balgtreter). Danach wurden zunehmend elektrische Gebläse
(Winderzeuger) eingesetzt. Dazu ist aber in jedem Fall ein Magazinbalg zur
Regulierung und Stabilisierung des Winddrucks nötig. Von diesem Balg aus wird
der Wind durch meist hölzerne Windkanäle weiter in die Windladen geleitet. Auf
einen Magazinbalg kann bei Orgeln mit Falten- oder Keilbälgen unter Umständen
auch verzichtet werden (bei Nachrüstung mit elektrischem Winderzeuger), oder
wenn (bei kleineren Orgeln) die Stabilisierung des Spielwindes durch Ladenbälge
unter den Windladen erfolgt.
Im gegenwärtigen Orgelbau werden weiterhin elektrische Gebläse verwendet. Bei
Restaurierungen vormoderner Instrumente und bei Neubauten in einem
vormodernen Orgelstil finden zunehmend auch die dem jeweiligen
Instrumententypus historisch entsprechenden Balganlagen Verwendung. Dabei
besteht die Möglichkeit, zusätzlich ein elektrisches Gebläse einzubauen oder die
Bälge über einen Elektromotor statt eines Bälgetreters zu bewegen. Für ältere
Musik wird die so erzielte Lebendigkeit und Ruhe (Wirbellosigkeit) des
Orgelwindes – oft als Atmen der Orgel beschrieben – geschätzt, für Musik seit
dem fortgeschrittenen 19. Jahrhundert hingegen absolute Windstabilität.
Spieltisch
Organist am Spieltisch
Eine Orgel wird vom Spieltisch aus gespielt. Größere Orgeln setzen sich aus
Teilwerken zusammen, denen meist jeweils eine eigene Klaviatur zugeordnet ist.
In großen Orgeln sowie iberischen Barockorgeln gibt es aber oft mehr Teilwerke
als Manuale. Die nicht fest mit einem Manual ausgestatteten Teilwerke werden
dann an ein Manual mittels Sperrventilen oder Koppeln angeschaltet. Im
englischsprachigen Raum werden solche Teilwerke als floating divisions (kurz:
floating) bezeichnet. Der Organist bedient die Manual genannten Klaviaturen mit
den Händen, während das Pedal mit den Füßen gespielt wird.
Die Manuale heutiger Orgeln haben meist einen Tonumfang von C bis g3 (bei
Neubauten nur noch selten bis f3), aber gelegentlich auch bis a3 oder c4. Das
Pedal weist in der Regel einen Tonumfang von C bis f1, manchmal auch bis g1
oder a1 auf. Orgeln der vergangenen Jahrhunderte haben oft einen kleineren
Tonumfang. So ist bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ein Tonumfang
im Manual bis c3 oder d3, im Pedal bis c1 oder d1 die Regel. In der Basslage ist bei
alten Orgeln häufig die kurze oder die gebrochene Oktave zu finden. Bis Anfang
des 19. Jahrhunderts wurde oft noch auf das tiefe Cis verzichtet. Die Manuale
werden in der Regel mit römischen Zahlen abgekürzt und von unten nach oben
durchgezählt. Kleine Orgeln haben ein oder zwei Manuale, mittlere Orgeln zwei
oder drei sowie große Orgeln drei bis fünf (vereinzelt auch sechs oder sieben)
Manuale. Iberische Barockorgeln mittlerer Größe verfügen gelegentlich nur über
ein Manual. Ein Pedalwerk ist in sehr kleinen Orgeln nicht immer vorhanden. Im
historischen Orgelbau (z. B. Niederlande, 17. und 18. Jahrhundert) gab es auch
große, mehrmanualige Instrumente ohne selbstständiges Pedal.
Windlade
Querschnitt einer gewöhnlichen Schleiflade mit Windkanal (unten), Tonkanzelle (Mitte)
und Registerschleifen (oben)
Das Herz der Orgel bilden die Windladen, auf denen die Pfeifen stehen. Vom
Spieltisch aus werden die Bewegungen der Tasten mechanisch, pneumatisch
oder elektrisch über die Traktur an die Windlade geleitet. Dort befinden sich unter
den Pfeifen Ventile, die sich entsprechend öffnen oder schließen. Wird eine Taste
gedrückt, kann der Wind aus der Windlade durch das Ventil in die Pfeife strömen
und diese zum Klingen bringen. Zusätzlich gibt es noch einen Absperrschieber
oder ein Ventil mit der Aufgabe, den Wind für die nicht gezogenen Register zu
blockieren.
Es gibt verschiedene Bauformen von Windladen. Grundsätzlich unterscheidet
man – je nach Reihenfolge der Ventile für Ton und Register – zwischen
Tonkanzellenladen (Schleiflade, Springlade) und Registerkanzellenladen
(Kegellade, Taschenlade, Membranlade) und Kastenladen (ohne Kanzellen). Bei
einer Tonkanzellenlade stehen alle zu einer Taste gehörenden Pfeifen auf einer
Kanzelle, bei der Registerkanzellenlade alle, die zu einem Register gehören, und
bei der Kastenlade stehen alle Pfeifen auf einer nicht in Kanzellen geteilten
Windlade. Die älteste Windladenbauform mit einzeln registrierbaren Pfeifenreihen
ist die Schleiflade, die wegen ihrer Robustheit und klanglichen Vorteile
inzwischen auch bei modernen Orgeln wieder nahezu ausschließlich zum Einsatz
kommt.
Werkstoffe
Der traditionelle Hauptwerkstoff für den Bau einer Orgel ist Holz. Aus Holz
werden das Gehäuse, die Windladen, die Tasten und ein Teil der Pfeifen
gefertigt. Bei mechanisch gesteuerten Instrumenten findet Holz oft auch für die
Mechanik Verwendung. Für die Metallpfeifen kommen meist Zinn-BleiLegierungen zum Einsatz (sogenanntes Orgelmetall), seit dem 19. Jahrhunderts
auch Zink und im 20. Jahrhundert Kupfer (vereinzelt auch Porzellan, Plexiglas
und Kunststoffe). Die weißen Tasten der Klaviatur wurden meist mit Blättchen aus
Rinderknochen belegt, bei wertvollen Orgeln auch mit Elfenbein, die schwarzen
sind oft aus massivem Ebenholz oder geschwärztem Birnbaum, heute oft
Grenadill. Alte Orgeln haben oft schwarze Untertasten und weiß belegte
Obertasten, später war es umgekehrt. Bei neuen Orgeln finden sich beide
Bauweisen.
Register
Verschiedene Register einer Orgel: Mixtur, Gemshorn 2′, Gedacktflöte 4′, Gedackt 8′
(v.l.n.r.)
Eine Orgel hat mehrere Pfeifenreihen, die jeweils aus Orgelpfeifen gleicher
Bauart und Klangfarbe bestehen. Eine Pfeifenreihe (manchmal auch mehrere)
wird zu einem Register zusammengefasst, das vom Spieltisch aus an- und
abgeschaltet werden kann. Die Bedienung der Register erfolgt meist über
Registerzüge oder Manubrien genannte Knäufe, die man zum Einschalten
herausziehen und zum Abschalten wieder hineinschieben muss (mechanische
Traktur); daher rühren die alten Bezeichnungen „Ziehen“ und „Abstoßen“ für das
Ein- und Ausschalten von Registern.
Durch planvolles Kombinieren verschiedener Register, die so genannte
Registrierung, können unterschiedliche Klangfarben und Lautstärken eingestellt
werden. Die Kunst des Organisten besteht darin, aus dem vorhandenen
Klangbestand eine Registrierung zu finden, die der zu spielenden Musik am
besten entspricht. Jede Epoche bevorzugte ein jeweils eigenes, spezielles
Klangbild, das man als Organist kennen sollte. Man kann daher nicht auf jedem
Instrument jedes Stück wirklich gut interpretieren. Trotz der Möglichkeit einer
gewissen „Typisierung“ gibt es keine zwei gleichen Orgeln, da jedes Instrument in
Größe und Ausführung an seinen Aufstellungsraum angepasst bzw. vom
Geschmack der Zeit seiner Entstehung abhängig ist.
Die Zusammenstellung der Register einer Orgel einschließlich der Spielhilfen
(Koppeln etc.), nennt man die Disposition einer Orgel. Sie wird vom Orgelbauer
beim Erstellen des Instrumentes mit dem Auftraggeber abgesprochen und
bestimmt die Einsatzmöglichkeiten der Orgel.
Unterscheidung nach Tonhöhe
Obertonsynthese der Orgel: gespielte Töne (oben), erklingende Töne (unten)
Die Register können verschiedene Tonhöhen haben, wobei die Tonhöhe durch
die sogenannte Fußtonzahl angegeben wird. So bezeichnet man ein Register in
Normallage (d. h. die Taste c1 bringt den Ton c1 zum Klingen) als 8′-Register, da
die Länge der tiefsten Pfeife, groß C, eines offenen Labialregisters ungefähr
8 Fuß beträgt (1 Fuß = ca. 32 cm). Ein um eine Oktave tieferes Register ist ein
16′-Register, 4′ bezeichnet ein um eine Oktave höheres Register. Quinten haben
die Fußtonzahlen 22/3′ oder 11/3′, Terzen zum Beispiel 13/5′.
Die verschiedenen Tonlagen bilden die Obertonreihe ab. Durch Kombination
eines Grundregisters (in der Regel 8′-Lage) mit einem oder mehreren
Obertonregistern (z. B. 22/3′ oder 13/5′) werden fehlende Obertöne hinzugefügt
oder vorhandene verstärkt, wodurch sich die Klangfarbe ändert.
Unterscheidung nach Bauart
Die Register unterscheiden sich neben der Tonhöhe (Fußlage) auch durch ihre
Bauart und damit durch Tonansatz, Obertonanteil (Klangfarbe) und Lautstärke.
Nach der Art der Tonerzeugung unterscheidet man zwischen Lippenpfeifen oder
Labialen (Tonerzeugung wie bei der Blockflöte) und Zungenpfeifen oder
Lingualen (Tonerzeugung wie bei einer Klarinette). Labialpfeifen können offen
oder gedackt sein, die gedackten Pfeifen klingen bei gleicher Länge eine Oktave
tiefer. Weitere Unterschiede gibt es bei Materialien, Pfeifenform und der Mensur
(den Verhältnissen der verschiedenen Pfeifen-Abmessungen). Daneben gibt es
die gemischten Stimmen. Dabei handelt es sich um Register, bei denen für jede
Taste mehrere Pfeifen erklingen. Dazu gehören z. B. die Klangkronen (oder
Mixturen) und Farbregister wie die Sesquialtera.
Die physikalischen Erklärungen zum Einfluss der Bauform der Pfeifen auf die
Klangfarbe sind im Artikel Orgelpfeife genauer ausgeführt.
Nebenregister
Bei den Registerzügen eingeordnet ist der Tremulant. Er verändert periodisch
den Winddruck und sorgt so für ein Schwingen des Tones, meist kombiniertes
(Tremolo bzw. Vibrato). In Orgeln neuerer Zeit ist die Geschwindigkeit der
Schwingung mitunter einstellbar. Der Tremulant wirkt auf alle Register des
Werkes, in dem er eingebaut ist. Bei alten Orgeln gibt es manchmal einen
Tremulanten für die gesamte Orgel, bei manchen Orgeln auch einen nur auf ein
bestimmtes Register wirkenden (z. B. Schwebeflöte, Vox humana).
Spezielle Effektregister, wie Glockenspiele oder Pauken, ergänzen bei manchen
Orgeln die Disposition.
Spielhilfen
Spielhilfen an einem Spieltisch
Spielhilfen sind zusätzliche Funktionen, die dem Organisten das Spiel erleichtern,
indem sie beispielsweise schnelles Umregistrieren ermöglichen.
Koppeln
Koppeln erlauben das gleichzeitige Spiel von verschiedenen Werken auf einem Manual
oder das Spiel der Manualregister im Pedal. So ist es möglich, die Register verschiedener
Manuale zugleich zu spielen und eine größere Lautstärke, aber auch zusätzliche
Kombinationsmöglichkeiten zu erreichen. Durch sogenannte Suboktav- bzw.
Superoktavkoppeln werden die Töne mitbetätigt, die eine Oktave unter bzw. über den
gespielten liegen. Sogar Quintkoppeln wurden zeitweise gebaut.
Koppeln werden bezeichnet, indem zuerst das hinzugekoppelte Manual
angegeben wird und dann das Manual, auf das die Koppel wirkt, z. B. „II – I“
(zweites Manual wird an das erste gekoppelt) oder „HW/Ped“ (Hauptwerk wird an
das Pedal gekoppelt). Bei Oktavkoppeln kann die Versetzung in Fußzahlen
angegeben werden, z. B. „III – I 4′ “ (drittes Manual wird eine Oktave höher
spielend an das erste gekoppelt).
Registrierhilfen
Als Registrierhilfen bezeichnet man Einrichtungen an der Orgel, die dem
Organisten die Möglichkeit bieten, Registrierungen flexibel zu ändern. Vor allem
Orgeln der Romantik verfügen häufig über feste Kombinationen. Damit lassen
sich vom Orgelbauer festgelegte Registerkombinationen auf Knopfdruck abrufen.
Feste Kombinationen sind meist nach Lautstärkegraden abgestuft, etwa p, mf, f,
ff.
Zur gleichen Zeit kamen die einstellbaren freien Kombinationen auf. Größere
pneumatische Orgeln bieten in der Regel zwei oder drei freie Kombinationen,
moderne Orgeln haben oft elektronische Setzer, auf denen eine größere Anzahl
an Registrierungen einprogrammiert werden kann. Die Registerfessel blockiert
die sofortige Änderung der Registrierung, so dass der Spieler eine neue
Registrierung vorbereiten kann, die dann auf Knopfdruck realisiert wird.
Für romantische Orgelmusik gibt es den Registerschweller (Generalcrescendo,
Walze, Rollschweller), der die Register der Reihe nach einschaltet (nach
Lautstärke geordnet), bis alle Register erklingen (Tutti). Damit ist bei großen
Orgeln ein nahezu stufenloses Crescendo und Decrescendo zwischen
Pianopianissimo und Fortefortissimo möglich.
Weitere Registrierhilfen sind die vor allem im französischen Orgelbau der
Romantik vorkommenden Einführungstritte bzw. Gruppentritte, mit denen sich
bestimmte Gruppen von Registern gemeinsam zu- oder abschalten lassen.
Sperrventile finden sich schon in alten Orgeln um die Windzufuhr zu ganzen
Werken abzustellen. Im deutschen romantischen Orgelbau finden sich Abschalter
wie z. B. „Zungen ab“ oder „Crescendo ab“, um einzelne Registergruppen oder
Spielhilfen abstoßen zu können.
Schwellkasten
Orgel mit geöffnetem Schwellkasten unterhalb des Hauptwerks (Detailansicht)
Schwellkästen können den Ton der in ihnen aufgestellten Register (Schwellwerk)
durch das Schließen von Jalousien oder Klappen stufenlos dämpfen. Diese
Einrichtung wurde in der Zeit der Romantik vor allem in größere Orgelwerke
eingebaut, um eine dem Orchesterklang angepasste Möglichkeit des Crescendo
und Decrescendo zu erhalten. Ein Vorläufer des Schwellwerkes waren die
Echokästen spanischer Orgeln des 18. Jahrhunderts. Schwellkästen befinden
sich meistens innerhalb der Orgel, selten sind sie wie auf dem Bild im Prospekt
angebracht, dies kommt aber auch nur bei modernen Prospekten vor. Schwellen
und Schwellkästen sind in der Regel aus Holz gebaut, selten werden auch andere
Materialien verwendet, um eine höhere Wirkung zu erhalten, Beispiel: RiegerOrgel der Basilika Vierzehnheiligen (Quarzsand)
Geschichte
Die Entwicklung der Orgel gliedert sich in die Gesamtanlage der Orgel
(Disposition), in die künstlerische Gestaltung des Orgelgehäuses (siehe auch
Prospekt), in die klangliche Gestaltung und in die technische Anlage (siehe
Windlade, Traktur und Spieltisch).
Antike
Das erste orgelartige Instrument wurde um 246 v. Chr. von Ktesibios, einem
Ingenieur in Alexandrien, konstruiert. Der Name des Instrumentes war „Hydraulis“
(von altgriechisch ὕδωρ (hydor) „Wasser“ und (aulos) „Rohr“), da mit Hilfe von
Wasser ein gleichmäßiger Winddruck erzeugt wurde und Metallröhren aus
Bronze die Spielpfeifen bildeten. Die Winderzeugung durch Blasebälge kam erst
später auf. Die Römer übernahmen die Orgel von den Griechen als rein profanes
Instrument und untermalten Darbietungen in ihren Arenen mit Orgelmusik. Von
den frühen Christen wurde die Orgel noch nicht verwendet.
Bei archäologischen Ausgrabungen in der Nähe von Budapest, dem früheren
römischen Aquincum, Provinz Pannonien, wurden Reste einer Orgel aus dem
Jahr 228 n. Chr. gefunden. Außerdem wurden Teile einer Orgel aus
spätrömischer Zeit in Avenches (damals Aventicum) entdeckt. Im makedonischen
Dion ausgegrabene Fragmente scheinen sogar von einer Orgel aus dem 1.
Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zu stammen.
Mittelalter
Im weströmischen Reich der Völkerwanderungszeit (um 400 n. Chr.) ist der
Gebrauch von Orgeln nicht belegt. Das byzantinische Reich erhob die Orgel
jedoch zu einem wichtigen Instrument für die kaiserlichen Zeremonien. Damit
rückte sie auch in die Nähe der kirchlichen Feierlichkeiten. In den karolingischen
Chroniken wird berichtet, dass in den Jahren 757 und 811 jeweils eine
Gesandtschaft vom byzantinischen Kaiserhof an den fränkischen Hof kam und für
Pippin den Jüngeren bzw. für dessen Sohn und Nachfolger Karl den Großen eine
Orgel mitbrachte. Den Reichsannalen zufolge ließ der Sohn Karls des Großen,
Kaiser Ludwig der Fromme, 826 eine Orgel für seine Pfalz in Aachen von einem
aus Venedig stammenden Priester namens Georg anfertigen, vermutlich seit
mehreren Jahrhunderten die erste in Westeuropa hergestellte Orgel. [1]
Im Laufe des 9. Jahrhunderts begannen die ersten (Bischofs-)Kirchen in
Westeuropa, sich Orgeln anzuschaffen, Klosterkirchen wohl erst ab dem 11.
Jahrhundert. Die Kirchenorgel war zunächst ein Statussymbol, erst mit der Gotik
entwickelte sie sich allmählich zum Hauptinstrument der christlichen Liturgie. Die
früh- und hochmittelalterlichen Orgeln waren sogenannte Blockwerke, d. h. man
konnte noch nicht einzelne Register ab- und zuschalten: Wenn man einen Ton
auslöste, erklangen automatisch alle Pfeifen, die diesem Ton zugeordnet waren.
Es gab auch noch keine Tastaturen oder Manuale. Ein Ton wurde ausgelöst,
indem man mit der ganzen Hand eine Holzlatte, die sogenannte „Schleife“,
herauszog und so die Windzufuhr zu den Pfeifen für diesen Ton freigab.
Im Mittelalter entstand auch die erste Kleinorgel, das Portativ.
Renaissance
Das 14. und 15. Jahrhundert brachte wichtige Neuerungen: Nun kamen einzeln
wählbare Register, Manual-Tastaturen und einzelne (Teil-)Werke auf. Durch den
Ausdruck „die Orgel schlagen“ festigte sich die Annahme, diese Instrumente
seien schwer zu spielen gewesen und die Tasten wären mit viel Kraftaufwand,
manchmal sogar mit Fäusten wie bei Glockenspielen betätigt worden. Die aus
jener Zeit erhaltene Orgelmusik lässt jedoch den Schluss zu, dass auch
verhältnismäßig leichtgängige Orgeln existierten, die ein schnelles Spiel
erlaubten. In der Tat gibt es Abbildungen von Tasten dieser Orgeln, die
vermutlich wirklich mit der ganzen Hand bedient wurden, was aber nicht auf ein
kräftiges Schlagen mit den Fäusten hinweisen muss. Z. B. zeigen die
Abbildungen im Syntagma musicum des Michael Praetorius die Klaviaturen der
Domorgel zu Halberstadt von 1361 mit solchen Tasten. Das „Schlagen“ bezieht
sich vielmehr auf „anschlagen“; so wird etwa auch die Laute „geschlagen“. Die
Orgeln der Frührenaissance erinnern noch an die Zeit der Wiedereinführung der
Register im ausgehenden Mittelalter (Stimmscheidung). Sie enthalten recht
wenige Register (z. B. Prästant, Oktave, Hintersatz und Zimbel aus dem
gotischen Blockwerk, dazu ein bis zwei Flöten, Trompete und das Regal) und
verfügen oft nur über ein Manual und ein angehängtes Pedal. Ein vorhandenes
Regalregister wird oft leicht zugänglich über dem Spieltisch angeordnet, da
dessen Pfeifen häufig nachgestimmt werden müssen. Aus dieser Anordnung
entwickelte sich später das Brustwerk, in dem die Regalpfeifen immer noch leicht
zugänglich ganz vorn stehen. In dieser Zeit entstanden auch die beiden
Kleinorgeltypen Positiv und Regal.
In der Hochrenaissance entwickelten sich voll ausgebaute Orgeln. Das Klangideal
orientiert sich an der damals üblichen Ensemblemusik auf gleichartigen
Instrumenten. So stehen Prinzipale, Mixtur und Zimbel für den eigentlichen
„Orgelklang“. Dazu kommen zahlreiche Register, die den Klang der damals
üblichen Instrumente, vor allem Blasinstrumente, nachahmen sollen. Bei den
Lingualregistern sind dies z. B. Trompete, Posaune, Zink, Schalmei, Dulzian,
Ranckett, Krummhorn und Sordun, bei den Labialregistern z. B. Blockflöte,
Querflöte (meist nicht als überblasendes Register) und Gemshorn. Die
Manualzahl liegt zwischen eins und drei, jedes mit einem eigenen Werk, dazu
kommt in der Regel ein eigenständiges Pedalwerk. Auf solchen Orgeln lässt sich
neben Sakralmusik auch sehr gut die weltliche Musik der Renaissance
wiedergeben. In der Spätrenaissance begannen sich erste regionale
Unterschiede im Orgelbau heraus zu bilden.
Barock
Im 17. und 18. Jahrhundert erreichte der Orgelbau in einigen europäischen
Ländern eine große Blüte. Für Orgeln aus der Barockzeit kann man die Register
je nach Klangfarbe und Verwendung in drei funktionelle Gruppen einteilen, die
aber gleichermaßen auf die gesamte Orgel verteilt werden:
Die erste Gruppe bildet mit dem typischen „Orgelklang“ hervortretende
Stimmen, die auf einen kräftigen Gesamtklang, das so genannte Plenum,
ausgelegt sind. Hierzu gehören die Prinzipale, Oktaven, Quinten in
Prinzipalmensur und Mixturen, aber auch vollbecherige Zungenstimmen, die
zum Plenum gezogen werden oder ein eigenständiges Lingualplenum bilden.
Die zweite Gruppe hat eher sanfte, flötenartige Töne, die sich
hervorragend mischen lassen. Es sind die weiten offenen, die konischen, die
Gedackten Stimmen in all ihren Variationen.
Die dritte Gruppe sind die Stimmen, die am besten solistisch zu verwenden
sind, wie Aliquotregister, Zungenstimmen und einzelne Streicher.
Werkaufbau
Ein typisches Merkmal barocker Orgeln einiger Kulturlandschaften, besonders
des norddeutsch-hanseatischen Raumes, ist das sogenannte Werkprinzip: Jedes
Teilwerk der Orgel (z. B. Hauptwerk, Rückpositiv, Oberwerk, Brustwerk,
Pedalwerk) ist als selbstständige und gegenüber den anderen Teilwerken
gleichwertige Orgeleinheit konzipiert. Jedes Teilwerk verfügt über ein Plenum und
erlaubt Solo- und grundstimmige Begleitregistrierungen; die Teilwerke
unterscheiden sich nur durch die Klangcharakteristik. Eine weitere dynamische
oder funktionelle Unterteilung (Hauptwerk, Schwellwerk, Nebenwerk, Echowerk)
oder Vermischung (mehrere Werke in einem Gehäuse) entwickelt sich erst in der
Romantik.
Aufgrund der rein mechanischen Spieltraktur kommt es zu weiteren
Besonderheiten:
Manualanordnung: Bei einer dreimanualigen Orgel mit Rückpositiv,
Hauptwerk und Brustwerk ist das Hauptwerk immer das mittlere Manual, da
sich anderenfalls die Spieltrakturen der Werke kreuzen würden.
Werkgröße: Jedes zusätzliche Register auf einer Windlade erhöht bei der
damals verwendeten mechanischen Traktur das Spielgewicht der Taste.
Dadurch sind hier natürliche Höchstgrenzen gesetzt, da eine Orgel sonst nicht
spielbar wäre. Im norddeutschen Barock findet man daher zum Beispiel nur
sehr wenige Orgeln mit mehr als zehn bis zwölf Registern auf einer Windlade.
Koppeln: Bei einer dreimanualigen Orgel beschränken sich die
Manualkoppeln vom III. auf das II. sowie vom I. auf das II. Manual. Eine
Koppel zwischen dem III. und dem I. Manual war technisch noch nicht
realisierbar, da meist Schiebekoppeln verwendet wurden.
In den Barockorgeln auf der iberischen Halbinsel wird das Werkprinzip oft anders
realisiert. Diese auf Schleifladen stehenden Instrumente haben oft nur ein
Manual, immer mit Schleifenteilung bei c1/cis1. Die verschiedenen Werke (üblich
sind: organo mayor (Hauptwerk), cadereta exterior (Rückpositiv), cadereta interior
(inneres Positiv im Schwellkasten), Trompeteria (Horizontalzungenbatterie)
werden in diesem Fall über Sperrventile angeschaltet. In diesen Orgeln sind bis
zu 15 Register auf einer Windlade keine Seltenheit. Das Stummel- oder
Knopfpedal ist angehängt oder verfügt nur über wenige Register in 16′- und 8′Lage, vereinzelt auch in 32′-Lage. Kleinere Instrumente verzichten auf eine
Unterteilung in mehrere Werke.
Im Vordergrund der barocken Orgel steht die Durchsichtigkeit des Klanges. Daher
waren hohe Register sowie Aliquotregister als Soloregister weit verbreitet. Bei
den Aliquoten war allerdings bei der großen Terz (Fünftelfußmaß) Schluss. Im
Klangideal sollten sich die einzelnen Pfeifen nicht angleichen, was sich vor allem
bei polyphoner Musik positiv auswirkte.
Klangbeispiel einer spanischen Barockorgel mit mitteltöniger Stimmung
(1765) ?/i
Orgellandschaften
Orgel von Arp Schnitger in der Hamburger St.-Jacobi-Kirche von 1688–1693
Die Orgel in ihrer klassischen Ausführung ist aufgrund ihrer Größe und ihrer
konstruktiven wie akustischen Abstimmung auf den Aufstellungsraum
ortsgebunden. Auch war das Wirken der Orgelbauer meist auf eine Region
begrenzt. Da zudem der Austausch von Klangvorstellungen vor der elektrischen
Aufzeichnung von Musik nur durch mündliche oder schriftliche Beschreibungen
möglich war, unterscheiden sich Orgeln regional sehr stark. Da eine große Anzahl
von Orgeln oder zumindest von Dispositionen seit dem Barock erhalten sind,
können anhand nationaler oder regionaler Eigenheiten sogenannte
Orgellandschaften unterschieden werden:
England: In England gab es nur kleine Orgeln, meist ohne Pedal, da bis
1660 die Benutzung der Orgel im Gottesdienst verboten war (puritanischer
Calvinismus). Erste Schwellwerke bilden sich hier bereits im 18. Jahrhundert
heraus.
Norddeutschland/Niederlande/Dänemark: Diese Orgeln sind vor allem
durch den konsequenten Werkaufbau und den klar gegliederten Prospekt
(genannt „Hamburger Prospekt“ nach der Arp-Schnitger-Orgel in St. Jacobi,
Hamburg) geprägt. Es wurden viele Register (Zungenstimmen und Flöten) der
Hochrenaissanceorgel übernommen. Die Klangkronen bestehen überwiegend
aus Quinten und Oktaven, was den „Silberglanz“ des Mixturplenums
unterstreicht. Ein typisches Soloregister ist die Terzzimbel, alle Manuale
wurden plenumfähig gebaut. Bekannte Orgelbauer sind Hans Scherer,
Gottfried Fritzsche und Arp Schnitger. In den Niederlanden verbot der
Calvinismus lange die Verwendung der Orgel im Gottesdienst, später war sie
nur zur Unterstützung des Psalmengesangs erlaubt. Die repräsentativen
Orgeln in den Hauptkirchen niederländischer Städte waren daher
hauptsächlich weltliche Instrumente der Stadtgemeinde, auf denen zur
Unterhaltung gespielt wurde.
Mitteldeutschland/Polen: In den Dispositionen sind schon sehr früh
Quintaden und Streicher zu finden, Zungenstimmen wurden zunächst im
Pedal gebaut. Silbermann bringt Mitte des 18. Jahrhunderts Einflüsse des
französischen Orgelbaus nach Mitteldeutschland. Bekannte Vertreter sind
Tobias Heinrich Gottfried Trost, Gottfried Silbermann und Zacharias
Hildebrandt.
Süddeutschland/Österreich: Charakteristisch sind die vollständig
ausgebauten Prinzipalchöre; im Verhältnis zum norddeutschen Orgelbau sind
die Instrumente wesentlich weicher im Klang. Die Klangkronen sind oft
terzhaltig („Goldglanz“ des Prinzipalplenums), freistehende Spieltische sind
möglich. Typisch sind außerdem die gebrochene oder kurze Oktave und ein
18-Tasten-Pedal. Bekannte Vertreter sind Johann Christoph Egedacher,
Joseph Gabler und Johann Nepomuk Holzhey.
Frankreich: In Frankreich setzt relativ früh eine Vereinheitlichung der
Disposition ein. Das Hauptwerk enthält einen vollständigen Prinzipalchor, oft
auf 16′-Basis, mit Mixturen in verhältnismäßig tiefer Lage (plein jeu) sowie
vollbecherige Zungenstimmen, die zusammen mit dem Cornet ein eigenes
Lingualplenum (grand jeu) bilden. Jedes Werk enthält zudem einen Weitchor
mindestens bis zur Terz (jeu de tierce). Das Pedalwerk enthält nur einige
Grundstimmen sowie eine sehr kräftige Trompette 8′ für Tenor-cantus firmi,
die sich gegen das Plein Jeu des Hauptwerks durchsetzen kann (Plein chant).
Die Pedalklaviatur hat nicht selten bis zu 30 Tasten. Klassische Solostimmen
sind Trompette, Cromorne und Cornet. Die Klangkronen enthalten nur Quinten
und Oktaven. Die Vereinheitlichung der Disposition führte zur Komposition von
Orgelstücken für bestimmte Registrierungen. Bekannte Orgelbauer sind
François Thierry, Robert Clicquot (1645–1719), Claude Parisot (1704–1784)
und François-Henri Clicquot (1732–1790).
Italien: Die italienischen Orgeln bestanden fast nur aus offenen Pfeifen mit
Prinzipalmensur. Mehrchörige Klangkronen waren unüblich, stattdessen
waren Einzelregister (Oktaven und Quinten) bis in die höchsten Lagen
vorhanden (unter anderem auch repetierende Einzelregister). Terzhaltige
Register und Zungenstimmen kommen selten vor. Typisches Register sind die
Voce umana oder das Fiffaro (schwebend gestimmter Prinzipal). Bekannte
Orgelbauer waren Graziadio und sein Sohn Costanzo Antegnati.
Iberische Halbinsel: Üblich war die chromatische Schleiflade, häufig mit
kurzer großer Oktave. Typisch ist die Teilung in Bass und Diskant einheitlich
bei c1/cis1. Die Pedalwerke sind eher rudimentär und nur zur Ausführung
einzelner langgehaltener Töne (Orgelpunkt) geeignet. Echokästen (keine
Schwellwerke!) zur Klangbeeinflussung einzelner Register (Echokornett,
Echotrompete) waren üblich. Weitere typische Merkmale sind die
Horizontalzungenbatterien („Spanische Trompete“, Chamade), die auch als
„Trompetería“ oder „Lengüetería“ bezeichnet werden sowie halbe Register
und unsymmetrische Register. Die einheitliche Teilung in Bass und Diskant
führte zur Komposition von speziellen Orgelstücken (Tiento de medio registro).
Bekannter Vertreter ist Jordi Bosch.
Die meisten alten Orgeln Südeuropas und vereinzelt auch der süddeutschen
Orgellandschaft befinden sich im Gegensatz zu denjenigen des Nordens und
Frankreichs nicht auf einer Westempore, sondern im Chorraum beidseits des
Altars, und zwar vom Kirchenschiff aus gesehen links die Epistelorgel und rechts
die Evangelienorgel. Englische Orgeln wurden dagegen meistens auf dem Lettner
aufgestellt.
Romantik
Nachdem die Orgel in der Zeit der frühen Klassik zunehmend an Aufmerksamkeit
verlor (bekannte Komponisten der Klassik wie Mozart und Beethoven haben
äußerst wenig für Orgel komponiert), entstand im 19. Jahrhundert mit der
romantischen Orgel ein neues, vollkommen anderes, orchestrales Klangideal, das
auch zu einer Art Globalisierung im Orgelbau führte. Im Gegensatz zur
Barockorgel ist hier die 8′-Lage, im Pedalwerk auch die 16′-Lage, mehrfach mit
verschiedenen, Orchesterinstrumente nachahmenden Stimmen besetzt, die
höheren Lagen treten dafür deutlich zurück. Im Vordergrund stand das Ideal der
„Vermischung“ – die Orgel sollte wie ein Orchester klingen, es sollten keine
Brüche im Klang mehr erkennbar sein. Daher tauchen in romantischen Orgeln
gehäuft Streicher und überblasende Flöten auf. Streicherstimmen sind sehr eng
mensurierte Pfeifen, in deren Obertonspektrum der zweite Teilton (die Oktave)
vorherrscht. Streicher können auch eine Schwebung bilden, Vox coelestis
(„himmlische Stimme“) genannt, bei der bewusst zwei leise Pfeifenreihen leicht
gegeneinander verstimmt werden, wodurch ein schwebender Ton entsteht.
Überblasende Flöten sind weit mensurierte offene Lippenpfeifen, die doppelt so
lang sind wie normale offene Pfeifen derselben Tonhöhe. Ihr Klang ist besonders
füllig. Auch Lingualregister tauchen immer häufiger auf, in größeren romantischen
Orgeln besonders des angelsächsischen Kulturkreises trifft man auch oft
sogenannte Hochdruckregister an wie z. B. Tuba mirabilis, Stentorgambe oder flöte oder Royal Trumpet.
Klangbeispiel einer barocken Orgel (Bader, II/25, um 1750) ?/i
Klangbeispiel einer romantischen Orgel (Rensch, III/28, historisch
orientierter Nachbau von 1992) ?/i
Es handelt sich bei dem Beispiel um den Beginn der ersten Sonate d-Moll op. 11
von August Gottfried Ritter (1811–1885).
Zu den größten Meistern des romantischen Orgelbaus zählen der Franzose
Aristide Cavaillé-Coll, sein deutsch-belgischer Konkurrent Merklin&Schütze sowie
die Orgelbauer und Orgelbaufirmen Eberhard Friedrich Walcker, Friedrich
Ladegast, Wilhelm Sauer, Henry Willis, Steinmeyer, Gebr. Link, P. Furtwängler &
Hammer, Harrison & Harrison, Norman & Beard, Fa. Weigle und viele andere.
In der Romantik fanden oftmals Umbauten älterer Orgeln statt. Barocke Orgeln,
die als zu „schreiig“ empfunden wurden, wurden romantisiert, in dem dort
streichende oder andere romantische Register anstelle hoher Aliquoten eingebaut
und die Intonation verändert wurde. Bis in die 1930er Jahre wurden wertvolle
ältere Orgeln „pneumatisiert“ oder elektro-pneumatisch umgebaut.
Spielhilfen der Romantik und der Spätromantik
Außerdem verfügen alle größeren romantischen Orgeln über zahlreiche
Spielhilfen und technische Besonderheiten. Typisch ist das so genannte
Schwellwerk: Ein Teil der Pfeifen befindet sich innerhalb der Orgel in einem
Kasten mit jalousieartigen Schwelltüren, die mittels eines Fußtrittes am Spieltisch
geöffnet oder geschlossen werden können. Dies macht erstmals eine stufenlose
Veränderung der Dynamik möglich. Viele romantische Orgeln verfügen zudem
über eine Crescendowalze, die es ermöglicht, mittels einer mit dem Fuß zu
bedienenden Walze oder eines Balanciertritts nach und nach alle Register der
Orgel zuzuschalten, ohne die entsprechenden Registerknöpfe einzeln von Hand
bedienen zu müssen. Viele romantische Komponisten und deren Orgelwerke
setzen eine Crescendowalze voraus (z. B. Max Reger). Außerdem verfügt die
romantische Orgel häufig über Sub- und Superoktavkoppeln.
20. Jahrhundert
Orgeln außerhalb von Sakralbauten
Spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden vermehrt Orgeln in
Konzertsälen und Anfang des 20. Jahrhunderts auch in den mit dem Stummfilm
aufkommenden Lichtspielhäusern, dort als Kinoorgel bezeichnet, gebaut. Die
Orgeln für Konzertsäle zeigten bereits erste Tendenzen der Universalorgel. Die
Kinoorgel hingegen orientierte sich noch am Klangbild der romantischen Orgel.
Hinzu kamen aber vermehrt Zungenstimmen, die trotz ihrer teilweise alten
Bezeichnungen mitunter neu oder erheblich umkonstruiert wurden, und vor allem
diverse Effektregister (Trommeln, Glocken, Klingeln, Xylophon und weitere
Geräusche, wie zum Beispiel auch „Telefonklingeln“) die sich in anderen, vor
allem in Sakralbauten stehenden Orgeln, nicht finden.
Spieltisch der Wanamaker-Orgel im Lord & Taylor Department Store in Philadelphia
Zahlreiche technischen Neuerungen (Pneumatik, Elektrik und neue
Baumaterialien) machten es möglich, immer größere Instrumente und auch
Fernwerke zu bauen. In diese Zeit fällt auch der Bau einiger Riesenorgeln, die
teilweise an recht ungewöhnlichen Orten zu finden sind. So entstanden in dieser
Zeit die beiden bis heute größten Pfeifenorgeln der Welt in einer
Veranstaltungshalle und einem Kaufhaus. Es seien hier als Beispiele genannt:
Die Steinmeyer/Eisenbarth-Orgel des Domes zu Passau (erbaut 1924 bis 1928,
1981 von Eisenbarth größtenteils erneuert, heute 239 Register, die berühmte
Wanamaker-Orgel in Philadelphia (Lord & Taylor Department Store, erbaut 1904
bis 1930, 357 Register) und die nominell größte Orgel der Welt, die BoardwalkHall-Orgel, in der Boardwalk Hall (erbaut 1929 bis 1932, jedoch bis heute nicht
vollständig funktionstüchtig) mit 337 Registern bei 449 Pfeifenreihen (ranks) und
rund 32.000 Pfeifen.
Ein selbstständiger nordamerikanischer Orgelbau ist erst im 20. Jahrhundert zu
finden. Besonders die Konzert- und Kinoorgeln heben sich vom Klang der
europäischen Sakralorgeln ab. In Großorgeln sind Kino- und Sakralorgel vom
Registerbestand her oft in einem Instrument vereint. Insgesamt neigt der
nordamerikanische Orgelbau zu Extremen (skurrile Prospektgestaltungen,
Riesenorgeln, 64′-Register im Pedal und 32′-Register im Manual, extrem laute
Hochdruckregister, Spieltische mit bis zu sieben Manualen).
Multiplexorgeln
Gleichzeitig wurde mit sogenannten Multiplexorgeln versucht, Kosten und Platz
beim Orgelbau zu sparen. Dieses Prinzip finden wir bei vielen Kinoorgeln der
1920er und 1930er Jahre. Da hier aus einer Pfeifenreihe im Transmissions- und
Extensionsverfahren verschiedene Register erzeugt wurden, konnte das Konzept
musikalisch nicht überzeugen, weil die Eigencharakteristik der einzelnen Register
nicht mehr gegeben war. Zudem bestand das Problem, dass bei mehrstimmigem
Spiel bei Oktavzusammenklängen und bei Quintextensionen aus der selben
Pfeifenreihe auch bei Quintzusammenklängen weniger Pfeifen gleichzeitig als bei
anderen Intervallzusammenklängen erklangen, wodurch der Gesamtklang dünn
und unausgewogen erschien.
Das Extensionsverfahren kommt heute noch bei sehr tiefen Pedalregistern (64′,
32′, 211/3′) aus Platz-, Gewichts- und Kostengründen zur Anwendung. Da in
solchen Fällen baugleiche, eine Oktave höher klingende Register ohnehin
vorhanden sind, müssen nur die zwölf Pfeifen für die tiefste Oktave des Registers
hinzugefügt werden, der Rest des Registers nutzt die vorhandenen Pfeifen des
eine Oktave höher klingenden Registers. In diesen extrem tiefen Lagen kann man
das Problem des Verlustes der Eigencharakteristik der Register vernachlässigen.
Die Orgelbewegung
Die sogenannte Orgelbewegung hat ihren Vorläufer in der ElsässischNeudeutschen Orgelreform des frühen 20. Jahrhunderts. Diese kritisierte die
Orgelneubauten im Deutschland der Gründerzeit und in Mitteleuropa als
unkünstlerisch in der Klanggestaltung, dazu mit Spielhilfen überladen
(„Fabrikorgel“). Positiv bewertet wurden hingegen die Orgeln der französischen
Spätromantik (Aristide Cavaillé-Coll), aber auch deutsche und englische
Instrumente bis etwa um 1860. Ausgelöst wurde die Reform zudem wesentlich
durch die Wiederentdeckung der Qualitäten der Barockorgeln, beispielsweise der
Instrumente von Johann Andreas Silbermann im Elsass. Führende Köpfe der
elsässischen Orgelreform waren Albert Schweitzer, Émile Rupp und Franz Xaver
Matthias. In Deutschland wurde die Idee einer Rückbesinnung auf die
frühbarocke (norddeutsche) Orgel in den 1930er Jahren aufgegriffen, unter
anderem von Hans Henny Jahnn und vor allem von Karl Straube. Instrumente
romantischen Klangcharakters wurden nun meist grundsätzlich als „Fabrikorgeln“
abgewertet. Gleichzeitig begann jedoch die Beschäftigung mit den in
Vergessenheit geratenen barocken Klangidealen und Prinzipien des Orgelbaus,
was zur Entwicklung „neobarock“ ausgerichteter neuer und zum Erwachen des
Interesses an der Restaurierung alter Orgeln führte.
In den 1930er bis 1950er Jahren waren die Mensuren zum Teil übertrieben weit,
jedoch fanden sich wieder barocke Register in den Dispositionen. Die Intonation
entsprach noch der der Romantik, und die Rückkehr zur mechanischen
Schleiflade war noch nicht vollzogen, auch wenn der Orgelbauer Paul Ott sich
bereits wieder dieser Technik zuwandte.
In den 1950er bis 1970er Jahren (Neobarock) mussten viele romantische Orgeln
neuen Instrumenten mit steiler Disposition (wenig Grundton, viel Oberton)
weichen. Da außerdem im Krieg viele Instrumente verloren gegangen oder
unbrauchbar geworden waren und die beiden großen Konfessionen vermehrt
Kirchenneubauten unternahmen, setzte in Westdeutschland ein regelrechter
„Orgelboom“ ein, der teilweise in einer tatsächlich „fabrikmäßigen“
Serienproduktion unter Verwendung von minderwertigen Materialien (Windladen
aus Sperrholz, Spieltrakturen unter Verwendung von Aluminium oder Plastik)
mündete. Viele romantische, ja auch spätbarocke Werke, deren Disposition nicht
barock genug erschien, wurden in dieser Zeit zunehmend „barockisiert“. Ihre
Disposition wurde z. B. dadurch verändert, dass die verpönten Streicherstimmen
durch hohe Aliquote ersetzt wurden. Oft sind Methode und Erfolg als fragwürdig
zu bezeichnen. (Ein typisches Beispiel ist das „Absägen“ eines Violoncello 8′ im
Pedal zum Choralbass 4′.) Stellenweise wurden in dieser Zeit hohe Aliquote
(Septime, None) verwendet, die in originalen Barockdispositionen nicht
vorhanden waren. Die Mensuren waren deutlich, wenn nicht sogar in
übertriebenem Maße enger als die der Vorbilder. Die Intonationsweise war völlig
neu und hatte mit der barocken nicht mehr viel gemein.
Die daraus resultierenden Orgeln zeichnen sich im Gegensatz zu denen des
Barock oft durch Spitzigkeit, schwaches Bassfundament und fehlende Kraft in der
Mittellage aus. Die Orgelbewegung ist somit aus heutiger Sicht zwar über ihr Ziel
hinaus geschossen, hat aber auch die historische Aufarbeitung der
Orgelgeschichte erheblich beeinflusst und teilweise überhaupt erst initiiert.
Prinzipalplenum einer Orgel des Spätbarock (Euler, 1845) ?/i
Prinzipalplenum einer neobarocken Orgel (Steinmann, 1966) ?/i
Deutlich von der Orgelbewegung geprägt war vor allem der deutschsprachige
Raum. Demgegenüber hielt man im anglo-amerikanischen Bereich lange an der
registerreichen, sinfonisch-orchestralen Orgel mit elektrischen Trakturen fest. In
Frankreich bildete sich in den 1920er Jahren der neoklassizistische Orgeltypus
heraus (l’orgue néoclassique), der bei elektrischen Trakturen die
Registerausstattung der französischen Spätromantik mit Einzelaliquoten und
Mixturen sowie teilweise historisierenden Zungenstimmen anreicherte. Damit
glaubte man ein universelles Instrument für Bach und die alten deutscher Meister
wie für die gesamte französische Schule gefunden zu haben. Erst mit den 1970er
Jahren traten in Frankreich verstärkt Instrumente auf, die sich an der
französischen Klassik oder am norddeutschen Barock zu orientieren suchten.
Universal- und Stilorgel
Beispiel einer Universalorgel: Die Rieger-Orgel der Frankfurter Katharinenkirche (1990,
Disposition)
Die Ausweitung des Organistenrepertoires, die vertiefte Beschäftigung mit
Instrumenten anderer Länder und die nostalgische Wahrnehmung des 19.
Jahrhunderts führten seit den 1970er Jahren zu einer Kritik der von der
Orgelbewegung geprägten Instrumententypen.
Wert und Berechtigung romantischer Orgeln und ihrer spezifischen Musik sind
wieder stärker ins Bewusstsein gekommen. In neuester Zeit geht der Trend
dahin, bei Generalüberholungen von „barockisierten“ Orgeln des 19. und frühen
20. Jahrhunderts diese in den Originalzustand zurückzuführen. Auch ist die
Anzahl der Neubauten zum Ende des 20. Jahrhunderts angestiegen, da viele
übereilt gebaute oder schlechte Nachkriegsinstrumente langsam ersetzt werden.
Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass auch bedeutende Orgeln aufgegeben
werden.
Seit den 1980er Jahren wird bei Neubauten vermehrt mit einer Art
„Universalorgel“ experimentiert, die für alle Arten und Stile von Orgelliteratur
bestmöglich geeignet sein soll. Bei größeren Orgeln (ab drei Manualen und ca. 40
Registern) kommt man zu brauchbaren musikalischen Ergebnissen, indem man
ein neutrales Hauptwerk zum Beispiel mit einem barocken Rückpositiv und einem
französisch-romantischen Schwellwerk verbindet. In der Disposition erinnert das
Ergebnis an die Elsässisch-neudeutsche Reform oder den französischen
Neoklassizismus. Allerdings lassen sich die technischen und die klanglichen
Eigenschaften verschiedener Zeit- oder Regionalstile nur bedingt in einem
Instrument vereinen. Bei kleineren Orgeln erweist sich die Vermischung von
Stilelementen verschiedener Epochen als noch problematischer.
Dem in Deutschland vorherrschenden Ideal einer Orgel der stilistischen Synthese
tritt mit der wachsenden Bedeutung der historischen Aufführungspraxis
zunehmend das des stilgetreuen Instruments gegenüber. Detaillierte
wissenschaftliche Kenntnisse über den älteren Instrumentenbau und stetig
gewachsene Erfahrungen durch sorgfältige Restaurierungen bieten dem heutigen
Orgelbau die Möglichkeit, neue Instrumente nach Vorbildern aus verschiedenen
Epochen und Kunstlandschaften anzubieten. Ein Beispiel für den Neubau im Stil
einer spanischen Barockorgel ist die „Spanische Orgel“ in der Hof- und
Stadtkirche St. Johannis in Hannover. Auch Rekonstruktionen untergegangener
Instrumente werden versucht (Orgel von Johann Andreas Silbermann in VillingenSchwenningen). Die gegensätzlichen Positionen – stilreine Orgel oder
Universalorgel – prallten besonders deutlich beim Streit um die Gestaltung der
Orgel in der wieder aufgebauten Dresdener Frauenkirche aufeinander.
21. Jahrhundert
Nennenswerte technische Fortschritte gibt es im Bereich der Spielhilfen und der
elektrischen Traktur. Die Elektronik hat größere Setzeranlagen ermöglicht,
teilweise sind auch schon Kirchenorgeln midifiziert worden, so dass diese mit
einem PC verbunden und über diesen gesteuert werden können. Auch die
Verbindung mit externen Klangerzeugern wie Synthesizern ist so möglich,
wodurch sich neue Impulse für Komposition und Improvisation ergeben. Weiterhin
wird geforscht, wie sich eine Art „Anschlagsdynamik“ auf der Orgel realisieren
und wie sich das interaktive Verhalten einer mechanischen Traktur mechatronisch
bei elektrischen Trakturen nachbilden lässt. Wo sich mechanische Trakturen nicht
errichten lassen, verdrängen Lichtwellenleiter die elektrischen Trakturen in
Orgelneubauten.
In kleinen Orgeln (bis etwa 15 Register) wird vermehrt die Wechselschleife
eingesetzt, die es ermöglicht, Register eines Werkes von diesem unabhängig auf
einem anderen spielbar zu machen.
Digitalorgeln
Eine weitere Variante, die sich mit dem Fortschritt der Digitaltechnik zunehmend
ihren Platz erobert hat, ist die Digitalorgel (oder digitale Konzert- und SakralOrgel). Sie ist vor allem als Übungsinstrument in Privathäusern sowie in kleinen
Kirchen und Kapellen zu finden. Die mittlerweile überzeugende Klang- und
Reproduktionsqualität macht digitale Sakralorgeln auch zunehmend zu einer
ernstzunehmenden Alternative für größere Kirchen und Konzertsäle. Allerdings
kann eine Pfeifenorgel in ihrer Interaktion mit dem Spieler und in ihrer
„natürlichen“ Ungleichmäßigkeit von einer Digitalorgel nicht erreicht werden.
Besonders nahe am Instrument verliert eine Digitalorgel an räumlicher Tiefe und
Plastizität, was diese vielfach bei Organisten nicht zur ersten Wahl macht. Auf
Aufnahmen lassen sich aktuelle Digitalorgeln jedoch kaum noch von klassischen
Pfeifenorgeln unterscheiden.
2006 wurde im Berliner Dom eine Digitalorgel während der viermonatigen
Renovierungsarbeiten an der „echten“ Orgel als Gottesdienst- und
Konzertinstrument eingesetzt.[2] Selbst bekannte Organisten wie zum Beispiel
Matthias Eisenberg spielen mittlerweile Konzerte auf Digitalorgeln.[3]
Versuche, „echte“ Orgeln mit Digitalorgeln zu kombinieren („Kombinationsorgel“),
haben sich bis jetzt aufgrund naheliegender Probleme (Stimmung,
Vermischungsfähigkeit) nicht durchsetzen können. Besonders in den USA
werden jedoch des Öfteren teure Bassregister und Lingualregister digital
ausgeführt.
Historische Orgeln
Valeria-Orgel in Sion (Schweiz) aus spätgotischer Zeit, um 1435
Es gibt nur wenige ältere Instrumente, die in ihrer originalen Substanz im
Wesentlichen erhalten sind. Orgeln wurden in der Vergangenheit immer wieder
umgebaut, erneuert und dem jeweiligen Zeitgeschmack (Disposition, Intonation,
Stimmung, Technik) angepasst. Manchmal sind nur noch Spuren der
ursprünglichen Technik zu entdecken, und oft sind überhaupt nur Teile des
Pfeifenwerks erhalten – womöglich in modifizierter Form. Äußerst selten wurden
Werke in ihrer historischen ungleichstufigen Stimmung belassen. So kommt es
beispielsweise häufig vor, dass sich hinter einem barocken Orgelprospekt
Technik des 20. Jahrhunderts verbirgt.
Bei der Wiederherstellung historischer Orgeln spricht man entweder von
Restaurierung (wenn das vorhandene Material den angestrebten Zustand noch
erkennen lässt) oder von Rekonstruktion (wenn große Teile des Werkes der
Zielvorstellung entsprechend neu gebaut werden müssen). Regelmäßig
entstehen dabei Konflikte mit dem Grundsatz des Denkmalschutzes, dass die
Erhaltung des vorhandenen „gewachsenen“ Zustandes der Rückgewinnung eines
verlorenen vorzuziehen ist.
Zu den ältesten noch spielbaren Orgeln der Welt zählt die Valeria-Orgel in Sion
(Schweiz) aus spätgotischer Zeit (um 1435) sowie die Orgeln in Rysum,
Ostönnen[4] und St. Dionysius und Valentinus in Kiedrich; ferner die Epistelorgel
(linkes Instrument des Orgelpaares) der Basilika San Petronio in Bologna. Sie
enthalten jedoch jeweils nur Teile aus der ältesten Epoche ihrer Baugeschichte.
Selbst bestimmte Orgeln aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts können
schon als historisch und erhaltenswert angesehen werden. Diskutiert wird zur Zeit
in Einzelfällen, ob sogar Orgeln des Neobarock als erhaltenswert gelten können
und sollten.
Stimmungen
Es ist davon auszugehen, dass die ersten Orgeln die Pythagoreische Stimmung
genutzt haben. Erst durch die zunehmende musikalische und technische
Entwicklung der Orgel konnte sich eine modifizierte reine Stimmung durchsetzen.
Dabei führte man, um dem syntonischen Komma aus dem Weg zu gehen, leicht
verkleinerte Quinten ein, von denen vier aufeinander geschichtet eine reine große
Terz bilden. Die mitteltönige Stimmung entstand im 16. Jahrhundert und wurde
bis ins 18. Jahrhundert als Orgelstimmung verwendet.
Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde die Beschränkung auf zentrale Tonarten
zunehmend als störend empfunden. Es entstanden die sogenannten
Wohltemperierten Stimmungen. Beispiele hierfür sind die Stimmungen von
Andreas Werckmeister, insbesondere die so genannte Werckmeister-IIITemperatur oder die Stimmungen des Orgelbauers Gottfried Silbermann.
Dennoch waren viele Orgeln bis weit ins 18. Jahrhundert hinein mitteltönig
gestimmt. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich die gleichstufige Temperatur
schließlich allgemein als Standard durch.
Heute gibt es wieder vermehrt Diskussionen darüber, wie Orgeln gestimmt
werden sollen. Viele historische Kompositionen gehen von unterschiedlichen
Klangeigenschaften verschiedener Tonarten und Akkorde aus, die auf gleichstufig
gestimmten Instrumenten nicht reproduzierbar sind; dieses ist insbesondere für
die historische Aufführungspraxis von Bedeutung. Orgeln werden daher heute oft
– als Kompromiss – in einer gemäßigten Temperierung gestimmt.
Die Stimmtonhöhe war zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen
Regionen Europas sehr verschieden. Eine Tendenz zur Vereinheitlichung setzte
im 17. Jahrhundert ein. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Orgeln
meist entweder im Kammerton (etwa einen Halbton tiefer als heute), im Chorton
(bis zu einer kleinen Terz höher als heute) oder im dazwischen liegenden CornetTon gebaut und gestimmt. Seit 1858 galt als Standard a1 = 435 Hz. 1935 wurde
die heutige Stimmtonhöhe von a1 = 440 Hz (bei 18 °C) festgesetzt.
Die Stimmtonhöhe der Orgel ist auch abhängig von der Lufttemperatur. Die
Verstimmung beträgt zwar nur wenige Cent pro Grad Celsius, kann aber unter
Umständen sogar einen Viertelton betragen. Selbst die Wärmeabgabe des
Gebläsemotors, Sonneneinstrahlung oder Berührung (zum Beispiel beim
Stimmen) können zu Verstimmungen der Orgelpfeifen führen. Auch Luftdruck und
Luftfeuchtigkeit spielen dabei eine Rolle.