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Angststörung – Depression – Trauma
Was ist das und wie hängt es zusammen?
Leichte Herzrhythmusstörungen stellen häufig kein grundsätzliches Krankheitsproblem dar. Erst die psychische Verarbeitung der Herzrhythmusstörungen kann zu hohem Leidensdruck, Angst und somit zur Behandlungsbedürftigkeit führen.
Herzrhythmusstörungen sind ein körperliches Problem, welches unseren
Lebensmotor betrifft. Da liegt es auf der Hand, dass wir sensibel reagieren,
wenn sogar nur kleine Symptome spürbar sind. Viele Menschen meinen,
sie müssten aufkommende Ängste „aushalten“ und es sei vielleicht unangenehm, darüber zu sprechen. Jedoch ist es bedeutsam zu lernen, diese
Ängste anzunehmen, zu lernen, wie sie verringert werden können und wie
mit ihnen umzugehen ist. Ängste, die immer wieder hochkommen, stark
belasten und zur ständigen Angstempfindung oder andererseits zu einer
Panik werden können, können wiederum depressive Symptome auslösen.
Der Alltag kann zu einer großen Belastung werden, die nicht mehr zu bewältigen ist. Die Informationen, wie mit eigens erlernten Übungen die Kontrolle über die Ängste wiederzuerlangen ist, sind vielen Patienten nahezu
unbekannt.
Nicht viele Patienten erwägen, psychologische oder psychokardiologische
Hilfe in Anspruch zu nehmen, handelt es sich ja grundsätzlich um ein medizinisches Herzproblem und nach Meinung des Patienten nicht um ein psychisches. Jedoch kann professionelle Hilfe hier entscheidend dazu beitragen, dass psychische Symptome wie Ängste, depressive Verstimmungen
oder Trauma-Erlebnisse sinnvoll behandelt werden können.
Begleitet von einer Depression oder Angst wird ein Herzrhythmus-Patient
deutlich in seinem alltäglichen Leben eingeschränkt. Schwere Herzrhythmusstörungen stellen hingegen ein größeres Krankheitsproblem dar und
können zu Leistungsminderung, Schwindel oder auch Schlaganfällen führen. Diesen Rhythmusstörungen liegt meist eine genetische oder strukturelle Herzerkrankung zugrunde.
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Stationäre Aufenthalte, erlebte Rhythmusstörungen unterschiedlichster Art
sowie mögliche erlebte Panikanfälle werden oft intensiv wahrgenommen
und von vielen Patienten sogar als traumatische Erfahrungen beschrieben.
Medikamente, die in einer Krisensituation stationär eingesetzt werden
müssen, können intensive Alpträume und damit einhergehende Furcht auslösen, die sich einem Patienten noch lange innerlich „einbrennen“. In speziellen Trauma-Abbau-Übungen können diese Erinnerungen an die akuten
Träume so behandelt werden, dass sie ihren Schrecken verlieren. Oft reicht
bereits die Information, dass diese Träume als Nebenwirkung akuter medikamentöser Behandlung auftreten und eine Wiederholung Monate nach
dem akuten stationären Aufenthalt nicht ständig befürchtet werden muss.
Angst, Stress und Depression werden häufig in Studien als einleitender
Faktor oder Auslöser für Herzrhythmusstörungen beschrieben. Sogar bei
Patienten, die keine dokumentierte Herzerkrankung aufweisen, konnten
durch Belastungsfaktoren im Umfeld vorübergehende Störungen nachgewiesen werden. Herzrhythmusstörungen können zu einer großen Angst vor
dem Alltag und vor Aktivitäten führen. Daraus resultiert, dass diese Angst
zu Vermeidungsverhalten (Schonverhalten) und Depression führen kann.
Über der Angst, dem Vermeidungsverhalten und der Depression entsteht
ein Teufelskreis, der die Störung aufrechterhalten kann und dazu beiträgt,
dass der Patient seinen Alltag nicht mehr wie gewohnt meistern kann.
Die Therapie kann aus mehreren Säulen bestehen.
Neben den im Kapitel „Grundlagen zum Verständnis der Herzrhythmusstörungen“ ausführlich beschriebenen körperlichen Behandlungsmöglichkeiten ist es wichtig, die Psyche der Patienten nicht aus dem Blick zu verlieren. Verschiedenste körperliche Behandlungen haben Einfluss auf das Körper- sowie Selbstbild der Patienten und können Ängste und Depressionen
auslösen.
Stressfaktoren können das Auftreten einer Störung begünstigen. In einigen
Studien konnte nachgewiesen werden, dass bei chronischem Stress, Angst
und Depression ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen besteht.
Psychische Reaktionen auf Herzrhythmusstörungen sind sehr unterschiedlich. Oft lösen die Rhythmusstörungen eine hohe Angst aus. Die Patienten
suchen häufiger den Arzt auf. Die entstandene Angst kann ein Mitauslöser
neuer Herzrhythmusstörungen sein. Unter Patienten mit bekannten Herz-
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rhythmusstörungen oder überlebtem plötzlichen Herztod weisen bis zu
50 % Symptome einer Angsterkrankung und/oder Depression auf.
Am besten kann nach bisherigem Forschungsstand daher eine Therapie
wirken, die aus der Kooperation zwischen Kardiologen, Hausarzt und Psychotherapeuten besteht. Es ist sehr wichtig, dass diese Kooperation reibungslos funktioniert, da sich körperliche und psychische Faktoren gegenseitig beeinflussen können. Somit wäre eine einseitige Behandlung nicht
zielorientiert. Bei der psychologischen Betreuung sollten alle Fragen des
Patienten geklärt werden. Hier kann die Angst der Patienten deutlich werden. Idealerweise wird gemeinsam ein Krankheitsmodell erstellt. Dieses
kann auch mit den Angehörigen besprochen werden, die ebenso viele Fragen haben und verunsichert sind.
Angststörungen
Was bedeutet „Herzangst“?
Die Herzangst (wir sprechen hier nicht von der Herzphobie – hier geht es
um Angst bei vorliegenden organischen Herzstörungen) ist ein häufig auftretendes, belastendes Gefühl bei diagnostizierten Herzerkrankungen.
Ich habe Angst um mein Herz und wegen meines Herzens. Angst und Panikgefühle ähneln den Herzsymptomen sehr, daher ist es oft schwer, zu
unterscheiden, ob diese Symptome einem Herzanfall gleichen oder eher
einem Angstanfall. Schwindel, Herzrasen, Beklemmungsgefühl, Luftnot,
Kribbelgefühle, Kontrollverlust, Angst vor dem Sterben und Katastrophengedanken sind übereinstimmende Symptome. Gerade todesangstähnliche
Gefühle legen uns lahm und lassen uns jede Kontrolle verlieren. Dies fühlt
sich sehr belastend an.
Angstverlauf
In einem Angstanfall mit den beschriebenen Symptomen ist die Empfindung des Herzpatienten, dass etwas Gefährliches oder sogar Lebensbedrohliches im Körper vorgeht und dass sofortige ärztliche Hilfe notwendig
ist. In der Regel dauert eine Panikattacke zwischen 10 und 20 Minuten,
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sie kann aber auch nur 2 Minuten oder über eine Stunde anhalten – dann
verläuft sie allerdings „wellenförmig“. Das bedeutet, dass die Symptome
zuerst stark spürbar sind und nach bis zu 20 Minuten (längstens) wieder
abflachen. Dann können sie sich wieder aufbauen und dies geschieht im
Wechsel.
Herzproblem oder Angstgefühl?
Es ist aufgrund der Ähnlichkeit der Symptome schwierig, selbst zu erkennen, ob es sich um Ängste oder um einen Herzanfall handelt. Eine einfache
Methode, um dies genauer zu erkennen ist, beim schnellen Herzschlag ein
wenig darauf zu achten, ob er akut und plötzlich beginnt – also SOFORT
und aus dem Stand auf beispielsweise 140 Schläge wechselt – oder ob er
sich nach und nach immer schneller werdend aufbaut. Der akute Aufbau ist
eher einer möglichen Herzsymptomatik zuzuordnen (das bedeutet nicht,
dass diese lebensbedrohlich ist, es kann ein sogenannter tachykarder Anfall mit schnellem Herzschlag bei gutartigen Rhythmusstörungen sein), der
langsam ansteigende Aufbau dagegen eher der Angst und Panik.
Was können Sie tun?
Versuchen Sie, zunächst einzuordnen, ob der Beginn schleichend oder abrupt verläuft. Im ersten Fall: mit kontrollierten Zählübungen (wird in diesem
Kapitel später genau beschrieben) und etwas Bewegung können Sie einen
Angstanfall nach 10 bis 20 Minuten wieder abschwächen. Es ist natürlich
nicht einfach, erfordert Vertrauen in sich selbst und Übung, aber je öfter Sie
üben, desto besser wird es Ihnen gelingen, die Angst wieder zu kontrollieren. Bei einem abrupten oder stark wechselnden, unrhythmischen Verlauf
besprechen Sie bitte mit Ihrem Facharzt für Kardiologie, was zu tun ist. Er
gibt Ihnen für Sie passende Tipps und Hinweise, wann ein Arzt zu rufen ist
oder wann Sie sich mit weiteren Übungen einfach selbst helfen können.
Was sagt die Forschung?
Studienergebnisse zeigen, dass ca. 50 Prozent der Menschen, die einen
implantierten Defibrillator tragen, unter Ängsten, Anpassungsstörungen
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und Depressionsformen leiden. Im akuten Infarkt, bei invasiven Eingriffen
und Herzoperationen sind Ängste ebenfalls sehr häufig. Im akuten Stadium
haben 50 Prozent der Patienten klinisch bedeutsame Ängste, im weiteren
Verlauf der Herzerkrankung zeigen ca. 20 Prozent der Patienten auffällige
Angstwerte (Herrmann-Lingen, 2008). Auch bei anderen Rhythmusstörungen tritt oft ein krankhaftes Ausmaß der Angst auf. Es kommt oft zu wiederholten ärztlichen Untersuchungen, da die Angst mit einem Herzsymptom verwechselt wird. Daher ist es für Herzpatienten sinnvoll, nicht nur
ärztlichen, sondern auch psychologischen Rat zu suchen, wenn die Symptome zu sehr belasten und verunsichern, damit auch zu den Ängsten eine
Diagnose gestellt werden und daraus resultierend geholfen werden kann.
Das Erlebte wirkt auf den Körper
Unser Leben ist von vielfältigen Erfahrungen geprägt. Wir erleben besondere Ereignisse, die mit Freude verbunden sind (Geburten, Hochzeitstage)
genauso wie Erlebnisse, die uns traurig machen oder die wir mit weiteren
unangenehmen Gefühlen (Trauer um uns nahe stehende Menschen, Wut
über zerbrochene Freundschaften) verbinden. Gesundheit und Krankheit
wechseln sich in unserem Leben ab: zumindest empfinden wir das so.
Richtig ist, dass unser Lebenslauf von sehr abwechslungsreichen und vielfältigen Erfahrungen geprägt ist. Diese werden von unserem Gehirn und
Körper laufend gespeichert und verarbeitet.
Ganzheitlich erfahren
Wenn uns etwas belastet, merkt dies nicht nur ein Teil von uns, sondern
der gesamte Körper und Geist sind daran beteiligt. Erfahrungen sind durch
Bruchlinien des Lebens gekennzeichnet. In diesen Rissen kann Lernen beginnen. Dies bedeutet, durch eine Krankheitserfahrung hat der Alltag Risse
bekommen und Lernprozesse können angestoßen werden. Der Aufenthalt
in einer Rehaklinik zum Beispiel kann durch die komplette Veränderung
des Alltags zu einem sehr positiven Erlebnis werden, obwohl eine Erkrankung die Ursache für den Aufenthalt ist. Gesunde Veränderungen im oft
überlasteten Alltag werden durch eine „Auszeit“ erst möglich, weil sich Gehirn und Körper auf sich selbst konzentrieren können. „Unser Leben ist ein
fortwährender Prozess der Wandlung … voller Überraschungen. Lust, Glück
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und Pech, Angst und Mut, Hoffnung, Abschied, Verzweiflung, Gelingen und
Scheitern stehen wie Gesundheit und Krankheit auf der Tagesordnung, die
wir nicht ändern, aber begreifen und lernen können.“ (Keil, 2011, Buchtipp
unter „Ausgewählte Literatur für Herzrhythmuspatienten“ im Anhang).
Aktives Handeln ist bedeutsam
Eine Erkrankung kann eine Brucherfahrung und Neuorientierung sein. Bedeutsam ist die Dynamik zwischen der Leidenserfahrung und dem möglichen, nach vorn schauenden Handeln: wenn der Patient das Gefühl hat, auf
die Erkrankung einwirken zu können, kann er sich besser auf sein Handeln
konzentrieren und so aktiv zu seiner Gesundung beitragen. Natürlich spielt
die Schwere der Erkrankung eine große Rolle. Wenn ich das Gefühl habe,
dem Krankheitsverlauf ausgeliefert zu sein, ist dies eine Erfahrung, die
deutlich schwerer zu verarbeiten ist als die, einwirken zu können und sich
aktiv mit der Krankheit auseinanderzusetzen. Aktives Handeln bringt neue
Lebenserfahrungen, die nach einigen Wochen für unser Gehirn und unseren Körper als neue Verhaltensweise regelhaft aufgenommen werden.
Wie gelingt das?
Dies gelingt in wirklich jeder Lage – sollte es momentan nicht möglich sein,
sich ausreichend zu bewegen, weil die Herzerkrankung die eigene Kraft
eingeschränkt hat, können auch liegend auf einem Sofa (beispielsweise
mit Hilfe einer Physiotherapeutin) Bewegungen geübt werden. Ziele und
Pläne sind immer positiv für die Herzerkrankung: Sie selbst lernen dabei
die Erfahrung der Hoffnung, die sich gut anfühlt. Setzen Sie sich kleine Ziele, fangen Sie bei „winzigen“ Zielen an und steigern Sie sich sehr langsam
zu den größeren. Wenn Sie schnell aus der Puste geraten, gehen Sie jeden
Tag nur wenige Schritte, mehrfach am Tag, und genießen Sie dabei jedes
Mal, dass diese Strecke möglich war und Sie nicht erschöpfen konnte.
Nach einigen Tagen werden Sie merken, dass eine etwas längere Strecke
tatsächlich möglich wird. Wir raten also dazu, so viele gute (kleine) Erfahrungen zu machen, wie Sie nur schaffen können – in jedem Lebensbereich.
Arbeiten Sie beispielsweise an einer Partnerschaft, die Sie lange „gelähmt“
hat und Ihnen jeden Tag ein Stückchen „das Herz bricht“. Überlegen Sie,
was Sie brauchen und was Sie sich wünschen – und nicht überwiegend,
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was der andere will und erwartet. Was tut Ihnen gut? Achten Sie darauf!
Täglich! Nehmen Sie positive Erlebnisse deutlich wahr! Sehen Sie nicht nur
das, was Sie belastet. Dies hilft Ihnen dabei, gesund zu werden.
Angst und Extrasystolen
Stolperschläge (Extrasystolen) sind in der Regel gutartig
Die meisten Menschen haben irgendwann in ihrem Leben Stolperschläge
des Herzens. Nicht jeder bemerkt sie, weil die Wahrnehmung der Individuen sehr unterschiedlich ist. Das Herz schlägt nicht starr wie eine Quarzuhr
sondern passt sich in jeder Sekunde psychischen, körperlichen und äußeren Einflüssen an (z. B. Freude, Ärger, Kälte, Hitze, Anstrengung, auch im
Schlaf und im Traum). Die Stolperschläge sind in der Mehrzahl der Fälle
gutartig, das heißt nicht bedrohlich. Das gleiche gilt für das Herzklopfen,
bei dem häufig nur ein mäßig schnellerer, aber deutlich kräftigerer Herzschlag wahrgenommen wird.
Welche Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind auszuschließen?
Trotz dieser überwiegend harmlosen Abweichungen vom ruhigen und harmonisch empfundenen Herzschlag können Stolperschläge und Palpitationen (bewusste Wahrnehmung des Herzschlags) von dem Betroffenen als
sehr störend und sogar beängstigend eingestuft werden. In bestimmten
Fällen können Extraschläge insbesondere aus den Herzkammern auch
ein Warnsignal sein. Deshalb ist es wichtig, dass eine behandelbare HerzKreislauf-Erkrankung ausgeschlossen ist. Hierzu gehören beispielsweise ein erhöhter Blutdruck, eine Durchblutungsstörung des Herzens (sog.
Koronare Herzkrankheit), eine Herzschwäche, ein Herzklappenfehler oder
auch ein angeborener Herzfehler.
Was können Sie tun?
Bei Ungewissheit und im Zweifel sollte ein Arzt aufgesucht werden, der
mittels Krankengeschichte, EKG in Ruhe und unter Belastung sowie Ultra-
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schall des Herzens (Echokardiographie) eine Grunderkrankung ausschließen oder nachweisen und gegebenenfalls behandeln kann. Im Falle von
vollständiger Regellosigkeit des Pulses (absolute Arrhythmie) kann es sich
um die häufigste behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung, nämlich
Vorhofflimmern, handeln, bei der der Arzt nach Diagnosestellung eine entsprechende Therapie einleiten wird.
Extrasystolen sind also meist harmlose Herzrhythmusstörungen (Stolperschläge). Diese Stolperschläge hat jeder Mensch und sie werden mal mehr
oder weniger bemerkt. Der Ursprung liegt in psychischen, körperlichen und
äußeren Einflüssen (wie z. B. Freude, Ärger, körperliche Anstrengung). Es
werden die supraventrikulären und die ventrikulären Extrasystolen unterschieden. Die supraventrikulären Extrasystolen beinhalten das Auftreten
von einzelnen hinzukommenden normalen Herzaktionen. Bei einer Untersuchung ist eine Vorhofaktion erkennbar. Die Patienten beschreiben das
Auftreten als „Herzstolpern“. Die ventrikulären Extrasystolen werden von
den Patienten auch als „Herzstolpern“ beschrieben. Hierbei treten auffällige Herzaktionen auf, die nicht im Vorhof, sondern in den Herzkammern
entstehen. Daraus kann auch eine seltene Form der Extrasystolen resultieren, die beim Kardiologen abzuklären ist (siehe Kapitel „Grundlagen zum
Verständnis der Herzrhythmusstörungen“).
Angstabbau-Strategien: wie Sie selbst etwas tun können
Gedankenspiralen können auch oft von Ängsten begleitet oder von Ihnen
ausgelöst werden. Ängste entstehen oft durch negative (oder vielleicht
sogar traumatische) vergangene Erfahrungen. Unterschiedliche Formen
von Ängsten sind daher bei einer Herzrhythmusstörung häufige Begleitsymptome, welche als unangenehm erlebt werden. Angst ist jedoch ein natürliches und wichtiges Gefühl, welches in erster Linie die Funktion eines
Schutzes hat.
Wenn Sie sich jetzt einmal vorstellen, Sie könnten in einer Situation im
Straßenverkehr keinerlei Ängste spüren – diese Folgen wären unter Umständen lebensbedrohend. Daher ist es wichtig, sich von dem Wunsch zu
verabschieden, nie mehr Ängste haben zu müssen. Kein Mensch könnte
ohne Angst überleben. Möglich ist jedoch, dass Sie sich von einigen Angstformen befreien lernen, die Ihr Befinden verschlimmern und Sie vieles ver-
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meiden lassen, was Ihnen eigentlich Spaß machen würde. Da Angst ein
umfassendes Thema ist, wird an dieser Stelle etwas angeboten, was Ihnen
in vielen Situationen helfen kann. Angst hat grundlegend mit dem Verlust
der Selbstkontrolle zu tun, daher ist es immer sinnvoll, zu wissen, wie Sie
diese Selbstkontrolle wiedererlangen können.
Die folgenden Übungen sind bespielhafte Angebote, mit denen Sie Ängste
kontrollieren lernen können. Diese haben sich in der Praxis als sehr wirksam und leicht zu erlernen bewährt.
Zählübungen
Nehmen Sie sich bitte ein Buch und schlagen Sie es irgendwo auf. Nun
zählen Sie bitte zunächst die Wörter der untersten Zeile von rechts nach
links. Behalten Sie die Zahl im Kopf und verfahren Sie mit dem Zählen der
nächsthöheren Reihe genau wie beschrieben. Nun addieren Sie die Zahlen
der zuerst gezählten untersten Zeile dazu. So machen Sie bitte weiter bis
genau 15 Minuten vergangen sind. Versuchen Sie, sich nur auf das Zählen
der Wörter zu konzentrieren. Wenn Sie nun an einem Tag besonders viele
Ängste verspüren, führen Sie mehrfach am Tag diese einfache Zählübung
durch. Variieren Sie das Zählen von Wörtern mit dem Zählen des Inhaltes
Ihrer Küchenschränke, dem Muster auf Teppichböden oder der Pflanzen
in Ihrem Garten. Wichtig ist, dass Sie die Dauer von 15 Minuten nicht unterschreiten und nicht nur einfach etwas abzählen (1, 2, 3, 4 …), sondern
Zähloperationen durchführen (Addieren von mehreren Zeilen, Multiplizieren Ihrer Tassen etc.). Diese Übung funktioniert bei Ängsten sehr gut, weil
Ängste oft ein lebensbedrohliches Gefühl vermitteln – und, vereinfacht
ausgedrückt, eine kontrollierte Zählübung unserem Gehirn tatsächlich beweisen kann, dass wir nicht in akuter Lebensgefahr schweben. In der Folge
schwächt der Körper seine Alarmfunktionen im Verlauf der Übung deutlich
ab. Achtung: 15 Minuten sind in dieser Übung tatsächlich lang – aber es ist
sehr wichtig, diese Zeit durchzuhalten, damit der erwünschte Effekt eintreten kann!
Des Weiteren können Sie „Sudokus“ lösen, Rechenaufgaben machen oder
auch beim Spazierengehen etwas zählen, was Sie umgibt. Wichtig ist, dass
Sie es mindestens 15 Minuten ununterbrochen tun und addieren, subtrahieren, multiplizieren oder dividieren – nicht nur von 1 – 100 abzählen, das
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kann das menschliche Gehirn automatisch tun und wird weiterhin in der
Lage sein, akute Angst zu empfinden.
Diese Zählübungen hören sich vielleicht im ersten Moment merkwürdig an,
aber wenn Sie diese durchführen – regelmäßig und genau nach Anleitung –
können Sie aufkommende Angst und Panikgefühle wirksam drosseln.
Das Zuhause verändern
Die Räume, mit denen wir uns umgeben, haben einen wichtigen Bestandteil: Erfahrung. Ihr Wohnraum vermittelt Ihnen Sicherheit, wenn es Ihnen
in dieser Umgebung häufig gut geht, und Unbehagen, wenn Sie sich zum
Beispiel alleine zu Hause ängstlich fühlen. Wenn Sie beispielsweise einmal
eine starke Angst im Schlafzimmer verspürt haben (vielleicht weil Sie öfter
bereits befürchteten, Sie könnten eines Nachts eine schwere Erkrankung
bekommen), werden Sie künftig eher ungerne dort schlafen gehen. Ähnlich
verhält es sich mit anderen Räumen. Die Lösung: Es ist sinnvoll, die Räume, die Ihnen Unbehagen bereiten, umzugestalten! Ändern Sie die Farben,
die Anordnung der Möbel, die Beleuchtung nach Ihren Wünschen. Verändern Sie vielleicht auch das, was Sie in diesen Räumen tun (eine „kreative“
Ecke, in der Sie etwas basteln, in der Küche? Wenn es Ihnen gefällt, warum
nicht?). Diese Aktivität bewirkt eine Stärkung der Selbstkontrolle und eine
Veränderung vermindert häufig Ängste. Was möchten Sie in Ihrem Wohnraum verändern? Tun Sie es einfach!
Ein Patientenbericht
Tabellarische Aufstellung der Herzerkrankung sowie psychosomatische
Erfahrungen und Selbsthilfe
Am Anfang der Erkrankung waren unerklärlicher Schwindel sowie Ohnmachtsanfälle an der Tagesordnung.
Nach vielen Untersuchungen bei mehreren Fachärzten wurde das sogenannte „Brugadasyndrom“ (plötzlicher Herzstillstand) diagnostiziert.
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Nach der Diagnose wurde sofort eine Operation durchgeführt, wobei ein
Defibrillator implantiert wurde.
Nach der Operation fingen somatische Beschwerden an. Sie machten sich
durch folgende Symptome bemerkbar: Luftnot, Druck auf der Brust, Kurzatmigkeit, Panikattacken, Herzschmerzen usw.
Diese Symptome waren mal mehr oder weniger am Tag vorhanden.
Abhilfe bekam ich durch psychologische Hilfe und durch mehrere Psychologen und Ärzte.
Was mir sehr geholfen hat, sind folgende Maßnahmen:
–Bei Frau Dr. Muth-Seidel in Bremen habe ich die Zähltechnik erfahren,
was mir immer besser gelingt und mir auch sehr viel hilft. Aber auch die
Gespräche und Tipps sind sehr hilfreich, z. B. Wohnungsumgestaltung
und vieles mehr.
–Bei heftigen Attacken hilft mir aber auch, dass ich bei Tag und Nacht an
die frische Luft gehe und Spaziergänge mache.
–Des Weiteren hilft der Austausch in einer Selbsthilfegruppe sehr.
–Es gibt viele Techniken, die sehr helfen, z. B. Tresortechnik, Entspannung usw.
Hinrich Nannen
Depression als Volkskrankheit: Ursachen und Auslöser
Depressionen – zunächst ganz unabhängig von Herzerkrankungen betrachtet – können in jedem Lebensalter auftreten. Das Bundesgesundheitsministerium nimmt an, dass derzeit in Deutschland mindestens vier Millionen
Menschen von einer Depression betroffen sind. Dabei ist die Dunkelziffer
hoch: Nach den Ergebnissen einer Studie der Weltgesundheitsorganisation
werden depressive Erkrankungen in etwa der Hälfte der Fälle nicht als solche diagnostiziert, da viele Betroffene keinen Arzt oder Psychologen aufsuchen oder die Symptome nicht als die einer Depression erkannt werden.
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Die Diskussion um die möglichen Ursachen und Auslöser einer Depression ist eine seit Jahrzehnten lebhaft geführte, die sich im Spannungsfeld
zwischen genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen wie traumatischen
Erlebnissen und belastenden Ereignissen aus der Gegenwart oder Vergangenheit abspielt. Diskutiert werden als mögliche Ursachen dabei u. a.:
1. Stress durch akute oder zurückliegende Belastungen
2. chronische körperliche Erkrankungen und Schlafstörungen
3. erlernte negative Denkmuster
4. erbliche Veranlagungen
5. Ungleichgewichte von Botenstoffen im Nervensystem sowie
6. Nebenwirkungen von Medikamenten.
Akute Trennungs- oder Verlusterlebnisse, wie das Ende einer Beziehung
oder der Verlust des Arbeitsplatzes, können Auslöser einer Depression
sein. Auch privater und beruflicher Stress oder lang andauernde, belastende Erfahrungen in der Lebensgeschichte sowie traumatische Erlebnisse in
der Kindheit können eine Rolle spielen.
Was die genetischen Einflüsse angeht, so konnten Untersuchungen aufzeigen, dass bei Verwandten von depressiven Patienten ein erhöhtes Risiko
besteht, selbst an einer Depression zu erkranken. Obwohl somit offensichtlich die Gene eine Rolle spielen, besteht nach dem aktuellen Forschungsstand keine Klarheit darüber, welche Gene an der Auslösung der Krankheit
beteiligt sind. Vermutlich führen genetische Besonderheiten auch nicht unmittelbar zur Depression sondern sie erhöhen das Risiko, unter ungünstigen Umweltbedingungen eine Depression zu entwickeln (sogenannte GenUmwelt-Interaktion).
Forschungen im Bereich der Neurobiologie wiederum unterstützen die Theorie, dass bei Menschen mit Depressionen eine Fehlregulation bestimmter
Botenstoffe im Gehirn vorliegt. Bei Betroffenen führt dies zu einer Verminderung der Interessen und des Antriebs sowie zu einem Mangel an Freude.
Für die Forschung sind vor allem die Botenstoffe Serotonin, Noradrenalin
und Dopamin relevant. Ob allerdings diese veränderte Zusammensetzung
eine Frage der Veranlagung ist oder ebenfalls durch äußere Einflüsse mit
gesteuert wird und letztlich nur ein Symptom einer tiefer liegenden Problematik ist, bleibt ebenfalls noch Gegenstand der Forschung.
Was die Rolle chronischer Erkrankungen angeht, so stellen die meisten davon eine dauerhafte Belastungssituation für die Betroffenen dar und erhöhen das Risiko, an einer Depression zu erkranken. Im weiteren Sinne fällt
dies unter die Kategorie belastender Lebensereignisse. Insbesondere ist
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dies bei Patienten mit Morbus Parkinson, Schlaganfall, Epilepsie, Herzerkrankungen, Krebserkrankungen, chronischen Darm- und anderen Autoimmunerkrankungen sowie Diabetes der Fall.
Erlernte negative Denkstrukturen
Unsere Denk- und Verarbeitungsmuster entstehen in der Regel in der Kindheit und können, wenn sie z. B. besonders pessimistisch und unflexibel
sind, eine Depression verursachen oder zumindest begünstigen. Betroffene zeigen häufig eine negative Sicht auf sich und ihre Umgebung und sind
ohne Hoffnung in Bezug auf die Zukunft. Auch übermäßige Selbstkritik und
der Fokus auf generell negative Interpretationen von Ereignissen sind Bedingungen, welche die Entstehung einer Depression begünstigen können.
Die Diskussion um das Vorherrschen innerer oder äußerer Ursachen einer
Depression ist wie erwähnt eine unter Ärzten und Psychologen lang andauernde. Je differenzierter unser Wissen und die Forschungsergebnisse aber
werden, desto mehr ist anzunehmen, dass am Ende ein für den jeweiligen
Patienten spezifisches Zusammenspiel der oben erwähnten und vielleicht
anderer, noch unbekannter Faktoren zur Entwicklung einer Depression
führt.
Depression – die Zeichen lesen
Depression bezeichnet einen längeren Zustand deutlich gedrückter Stimmung, Interesselosigkeit und Antriebsschwäche. Zu den typischen Symptomen depressiver Störungen gehören Störungen der psychischen Befindlichkeit ebenso wie eine Vielzahl verschiedener möglicher körperlicher
Beschwerden, die wir hier aufgrund der Fülle von Beschwerden in tabellarischer Form aufführen wollen:
Psychische Symptome
ƒƒdepressive Stimmung
ƒƒVerlust von Interesse und Freude
ƒƒverminderter Antrieb / erhöhte Ermüdbarkeit
ƒƒverminderte Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit
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ƒƒvermindertes Selbstwertgefühl (Gefühl von Wertlosigkeit)
ƒƒSchuldgefühle und Selbstvorwürfe
ƒƒnegative oder pessimistische Sicht auf die Zukunft
ƒƒVerlust von Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen
ƒƒinnere und körperliche Unruhe
ƒƒGedanken an Selbstmord
Körperliche Symptome
ƒƒallgemeine körperliche Abgeschlagenheit und Kraftlosigkeit
ƒƒSchlafstörungen (Ein- und/oder Durchschlafstörungen), im Sinne von
Schlaflosigkeit oder auch vermehrtem Schlafbedürfnis
ƒƒAppetitstörungen, Magendruck
ƒƒGewichtsverlust oder -zunahme
ƒƒVerdauungsprobleme wie Verstopfung oder Durchfall
ƒƒKopfschmerzen oder andere Schmerzen, häufig Rückenschmerzen
ƒƒDruckgefühl in Hals und Brust, Beengtheit im Hals
ƒƒStörungen von Herz und Kreislauf (Herzrhythmusstörungen, Herzrasen) oder Atemnot
ƒƒSchwindelgefühle, Flimmern vor den Augen, Sehstörungen
ƒƒMuskelverspannungen, plötzlich einschießende Schmerzen
ƒƒVerlust des sexuellen Interesses, Aussetzung der Monatsblutung,
Impotenz, sexuelle Funktionsstörungen
ƒƒGedächtnis- und Konzentrationsstörungen
Medizinische Klassifikationssysteme wie das ICD-10 oder DSM-IV (speziell
für psychische Erkrankungen) unterscheiden noch je nach Anzahl der auftretenden Symptome verschiedene Schweregrade einer depressiven Episode oder führen Kriterien zur Dauer der Symptomatik an. So wird beispielsweise eine Phase depressiver Verstimmung, in der Betroffene mindestens
zwei typische Symptome zeigen und die länger als zwei Jahre anhält, als
Dysthymie bezeichnet.
Depressive Störungen treten oft in Verbindung mit anderen psychischen
Erkrankungen auf. Häufigste Begleiter von Depressionen sind Angst- und
Zwangsstörungen sowie der Missbrauch von Alkohol oder Drogen. Auch
Wahnzustände (Psychosen) können im Rahmen einer Depression auftreten
und gerade bei jüngeren Patienten ist auch das gemeinsame Vorkommen
mit Essstörungen nicht selten.
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Ebenfalls häufig zu finden sind Fälle, in denen depressive Symptome und
Angst gleichzeitig vorkommen, ohne für sich genommen je ausreichend
stark ausgeprägt zu sein, um die entsprechende Diagnose Depression
oder Angststörung zu stellen.
Ein Herz und eine Seele – Depression bei Herzerkrankungen
Depressionen können im Zusammenhang mit vielen körperlichen Erkrankungen auftreten. Bei den meisten Menschen ruft die Diagnose einer
ernsthaften oder chronischen körperlichen Erkrankung Ängste und Sorgen
hervor. Bei lang andauernden körperlichen Erkrankungen entstehen Depressionen meist als eine Reaktion der Psyche auf die konstante Belastung
der Betroffenen und die Veränderung ihrer Lebensumstände.
So sind auch bei einer vorliegenden Herzrhythmusstörung depressive Symptome häufig. Das Gefühl, dem eigenen Körper bzw. den Medikamenten
oder einem technischen Gerät ausgeliefert zu sein, kann zum Verlust von
Lebensfreude und zur Resignation führen. Immer wieder spürbare Körpersymptome lassen die Gedanken um eine scheinbar ungewiss gewordene
Zukunft kreisen und negative Szenarien entwerfen. Die neuen Einschränkungen, die die Patienten entweder durch das Auftreten der Rhythmusstörung selbst oder durch implantierte Defibrillatoren oder Schrittmacher
erleben, verringern Sozialkontakte und Freizeitaktivitäten. Dazu kommt,
dass Herzrhythmusstörungen nicht selten auf dem Boden einer anderen
organischen Herzerkrankung entstehen, die wiederum stärkere körperliche Leistungseinbußen mit sich bringt. Verstärkte Müdigkeit, schnelle Erschöpfbarkeit und viele der für die Depression beschriebenen körperlichen
Symptome werden also durch die Grunderkrankung des Herzens noch potenziert. Auf der pathophysiologischen Ebene liegt dieser ungünstigen
Interaktion zwischen beiden Erkrankungen eine ähnliche Fehlregulation
körperlicher Regelkreise zugrunde, die bei beiden zu einer stärkeren Ausschüttung von Stresshormonen, Entzündungsmediatoren und negativ in
den Stoffwechsel eingreifenden Botenstoffen führt.
Diagnostik der Depression
Die Diagnostik einer Depression erfolgt über ein ausführliches Gespräch
mit einem Arzt oder einem Psychologen. Dabei wird dieser sich an bestimmten Beispielfragen oder Fragebögen orientieren, die sich in der Forschung als zuverlässig und aussagekräftig erwiesen haben.
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Dieses Gespräch ist das wichtigste Mittel des Experten, um herauszufinden, ob jemand an einer Depression erkrankt ist und wie stark diese ausgeprägt ist. Deshalb ist wichtig, dass Betroffene dem Arzt oder Psychologen vertrauen können und möglichst offen antworten.
Man unterscheidet zwischen leichter, mittelgradiger und schwerer Depression. Die Behandlungsmöglichkeiten für alle drei Schweregrade sind verschieden, weshalb alle Krankheitsanzeichen so genau wie möglich erfasst
werden sollten. Die Einteilung nach Schweregraden wird von Fachleuten
vorgenommen, indem sie das Vorhandensein bestimmter Symptome prüfen und sich einen klinischen Eindruck verschaffen.
ƒƒVon einer leichten depressiven Episode spricht man, wenn zwei Kernund höchstens zwei Nebensymptome vorliegen.
ƒƒBei zwei Kern- und drei bis vier Nebensymptomen spricht man von
einer mittelgradigen Depression.
ƒƒMindestens drei Kern- und vier oder mehr Nebensymptome kennzeichnen eine schwere Depression.
Während für die endgültige Diagnosestellung und -einteilung Fachärzte
zuständig sind, liegt es häufig am Arzt in der Hausarztpraxis oder in der
Klinik, den ersten Verdacht auf eine vorliegende Depression zu äußern. In
deren schnelllebigem Alltag, in dem der Fokus der Aufmerksamkeit meist
auf den körperlichen Beschwerden der Patienten liegt, kommt der Blick auf
die Psyche oft zu kurz – auch das ein Grund für die hohe Dunkelziffer an
unerkannten Depressionen.
Die Möglichkeit zur einfachen und schnellen Abschätzung bieten folgende
zwei Fragen. Sie sind schnell gestellt und filtern zuverlässig gefährdete Patienten heraus:
1. Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
2. Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?
Schon wenn nur eine der beiden Fragen mit ja beantwortet wird, liegt mit
mehr als 50 %iger Wahrscheinlichkeit eine Depression vor. Die Überweisung zu einem Facharzt und eine entsprechende weitere Abklärung ist
dann dringend angeraten.
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Angststörung – Depression – Trauma
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