Master - Archive ouverte UNIGE

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Master - Archive ouverte UNIGE
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Shit happens - Zur Uebertragung von Vulgarität in der Untertitelung
Analyse am Beispiel des Films "The Departed" von Martin Scorsese
BRUNNENMEISTER, Catia
Abstract
Vulgarität ist verpönt - auch in der Forschung, und das obwohl Vulgarität eine wichtige
Funktion in der Sprache erfüllt. Diese Funktion wirk analysiert, um die mit dem Phänomen
verbundenen Schwierigkeiten für die Uebersetzung darzustellen sowie anschliessend
spezifisch das Problem der Vulgarismen in der Untertitelung zu erläutern und anhand
ausgewählter Szenen des Films "The Departed" zu untersuchen. Im Zentrum steht dabei nicht
die Frage, ob bei diesem Transfer ein Verlust von Vulgarität festzustellen ist, da dieser in der
Untertitelung unumgänglich ist, sondern inwiefern dieser Verlust problematisch ist. Die
Analyse zeigt, dass der Verlust von Vulgarität in der Untertitelung auf zahlreichen Ebenen
negative Auswirkungen haben kann: von der Verschiebung der Stilniveaus auf lexikalischer
Ebene zur Verzerrung der Dynamik zwischen Charakteren auf interpersonaler Ebene und der
Verringerung der Kohärenz auf Handlungsebene bis hin zur Abschwächung der Effektivität
des Films als sprachlicher Handlung. Ausgehend von diesen Feststellungen werden mögliche
Gründe für den Verlust aufgezeigt, um so den [...]
Reference
BRUNNENMEISTER, Catia. Shit happens - Zur Uebertragung von Vulgarität in der
Untertitelung Analyse am Beispiel des Films "The Departed" von Martin Scorsese.
Maîtrise : Univ. Genève, 2011
Available at:
http://archive-ouverte.unige.ch/unige:18410
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CATIA BRUNNENMEISTER
Shit happens – Zur Übertragung von
Vulgarität in der Untertitelung
Analyse am Beispiel des Films „The Departed“
von Martin Scorsese
Mémoire présenté à l’École de traduction et d’interprétation pour l’obtention
de la Maîtrise en traduction, mention traductologie
Directrice de mémoire: Gunhilt Perrin
Juré: Ian MacKenzie
Université de Genève, 2011
Inhaltsverzeichnis
0.
1.
Einleitung......................................................................................................................... 1
Slang & Vulgarität in der Sprache ...................................................................................... 2
a) Begriffsbestimmung: Sprachsystem vs. Sprachvarietäten ..................................................... 2
b) Slang als Sprachvarietät ......................................................................................................... 4
c) Funktion der Vulgarität in der Sprache .................................................................................. 8
d) Ursprung der Vulgärsprache ................................................................................................ 13
e) Vulgarität in der anglo-amerikanischen Sprache & Kultur ................................................... 16
f)
Vulgarität in der deutschen Sprache & Kultur ..................................................................... 18
g) Filmzensur ............................................................................................................................ 19
h) Bedeutung für die Übersetzung ........................................................................................... 22
2.
Untertitelung ................................................................................................................. 26
a) Definition .............................................................................................................................. 26
b) Geschichte ............................................................................................................................ 28
c) Theoretische Ansätze ........................................................................................................... 30
d) Zukunft ................................................................................................................................. 33
e) Untertitelungsspezifische Schwierigkeiten .......................................................................... 35
f)
3.
Untertitelungsspezifische Übersetzungsverfahren .............................................................. 44
Vulgarismen in der Untertitelung .................................................................................... 46
a) Aus soziolinguistischer Perspektive ..................................................................................... 46
b) Aus psycholinguistischer Perspektive .................................................................................. 48
c) Aus audiovisueller Perspektive ............................................................................................ 51
i.
Aspekte von Slang und Vulgärsprache in der Untertitelungswissenschaft ..................................................... 51
ii.
Vulgärsprache in der Synchronisationswissenschaft ...................................................................................... 55
iii. Vulgärsprache in der Untertitelungswissenschaft .......................................................................................... 56
4.
Analyse von Vulgarismen am Beispiel des Films „The Departed“ von Martin Scorsese ...... 61
a) Makrotextuelle Analyse des Ausgangstextes ....................................................................... 61
i.
Objekt der Analyse.......................................................................................................................................... 61
ii.
Besondere Merkmale ..................................................................................................................................... 64
iii. Funktion von Vulgärsprache im Film .............................................................................................................. 68
b) Mikrotextuelle Analyse von Ausgangs- und Zieltext ............................................................ 73
i.
Überblick über den Ausgangstext ................................................................................................................... 73
ii.
Ausgangslage & Vorgehensweise ................................................................................................................... 81
iii. Szene 1: Eröffnungssequenz ........................................................................................................................... 83
iv. Szene 2: Colins Beförderung vs. Billys Degradierung ...................................................................................... 88
v.
Szene 3: Queenans Tod ................................................................................................................................ 101
c) Feststellungen .................................................................................................................... 104
d) Problematik ........................................................................................................................ 105
e) Erklärungsversuche ............................................................................................................ 108
i.
Technische Faktoren ..................................................................................................................................... 108
ii.
Kulturelle Faktoren ....................................................................................................................................... 111
iii. Sprachliche Faktoren .................................................................................................................................... 114
iv. Pragmatische Faktoren ................................................................................................................................. 116
v.
Multimediale Faktoren ................................................................................................................................. 118
vi. Berufliche und wirtschaftliche Faktoren ....................................................................................................... 121
vii. Persönliche Faktoren .................................................................................................................................... 126
f)
5.
Fazit: Ansatz für eine Übersetzungsstrategie ..................................................................... 128
Bibliographie.................................................................................................................133
a) Quellenverzeichnis ............................................................................................................. 133
b) Analysematerial.................................................................................................................. 139
6.
Anhang: Niederschrift einzelner Szenen .........................................................................140
Szene 1……………………………………………………………………………………………………………………….…141
Szene 2………………………………………………………………………………………………………….………………145
Szene 3………………………………………………………………………………………………………………………….153
~ Danksagung
An erster Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Betreuerin, Frau Gunhilt Perrin, für
das grosse Engagement, die Flexibilität und die tatkräftige Unterstützung bedanken – und
dafür, dass sie sich auf dieses Thema eingelassen hat. Auch meinem Experten, Herrn
MacKenzie, danke ich, dass er bereit war, sich ein paar Stilniveaus tiefer zu begeben, und mir
mit seinem Sprachgefühl und Humor zur Seite stand.
Frau Marlene Hall Ashour und ihren Kollegen der Untertitelungsagentur Titra bin ich für die
Einblicke in den Untertitleralltag sowie ihre Bereitschaft, mir alle Unterlagen zu The Departed
zur Verfügung zu stellen, zu grossem Dank verpflichtet. Dankbar bin ich auch Prof. Ian Mason
für die bibliographischen Angaben, welche mir den Blick für andere Sichtweisen geöffnet
haben.
Mein Dank geht schliesslich auch an meine „Mémoire-Leidensgenossen“, welche auf
Durststrecken mit Solidarität und Kaffee stets zur Stelle waren, insbesondere Patrizia Werlen,
deren Blick von aussen und die gemeinsamen Diskussionen immer sehr bereichernd waren.
Für die technische Unterstützung danke ich Garry Jeromson.
Last but not least gilt mein Dank meiner Familie, welche mich nicht nur in vulgärsprachlichen
Angelegenheiten, sondern in allen Belangen des Lebens stets unterstützt hat. Merci!
~ Vorwort
Es liegt einem auf der Zunge, kitzelt, man schwankt, zögert und dann schluckt man es doch
wieder herunter. Weil man das ja nicht sagen sollte. Wurde einem gesagt.
Sobald ein Kind zu sprechen beginnt, geben seine Eltern Acht, dass es auch ja keine „falschen“
Wörter lernt. Doch diese schnappt es komischerweise trotzdem auf und gibt sie dann, in den
unpassendsten Momenten natürlich, zum Besten. Wieso man aber diese ach so schön
farbigen Wörter nicht verwenden darf, ist einem zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Erst in
der Jugend wird einem die Bedeutung solcher Ausdrücke bewusst. Mit diesem Bewusstsein
geht aber auch die Verlockung einher, vulgäre Ausdrücke und Fluchwörter gezielt
einzusetzen: um Eltern zu schockieren, Lehrer zu provozieren oder in der Gruppe
Gleichaltriger dazuzugehören. Der Austausch ist rege, das Vokabular wächst, stets kritisch
beäugt von der Erwachsenenwelt. So wird Vulgärsprache auch im Fremdsprachenunterricht
aussen vor gelassen und stellt gewissermassen die letzte Hürde und zugleich das ultimative
Zeichen sozialer Integration dar: Man ist gewappnet für alle Lebenslagen, auch die
unangenehmsten. Erwachsenen ist sie aber oft nur in genau jenen Momenten, den
unangenehmsten, jene, die einen wütend machen, verletzen oder erschüttern, vorbehalten.
Dass ihre Verwendung in den meisten anderen sozialen Situationen unangebracht ist, damit
findet man sich irgendwann ab. Ausleben kann man sie aber trotzdem, par procuration,
indem man ins Kino geht, sich von der Sprechweise der Charaktere im Film beeindrucken
lässt, über besonders originelle Kreationen lacht oder auch ein bisschen schockiert ist.
So geht es zumindest mir. Die Lebendigkeit, Originalität, Expressivität und Leichtigkeit von
Slang und Vulgärsprache haben mich schon immer beeindruckt. So habe ich mich für dieses
Thema denn auch aus rein egoistischen Gründen entschieden: um Kultur, Zensur und Tabus
nachzuspüren, mehr über den spannenden Beruf des Untertitlers herausfinden, mich in ein
filmisches Werk monatelang vertiefen und mich selbst in einem solch seriösen Rahmen wie
einer Masterarbeit verbal austoben zu können. Vielleicht aber auch ein bisschen in der
Hoffnung, dieser Form von Sprache aus dem Schatten sogenannt höherer Sprachebenen zu
verhelfen und die Faszination dafür auf den Leser übertragen zu können. Wie schon der USamerikanische Dichter Carl Sandburg (1878-1967) sagte: „Slang is a language that rolls up its
sleeves, spits on its hands and goes to work“. An die Arbeit!
Genf, August 2011
0. Einleitung
Diese Arbeit gliedert sich in vier grosse Teile. Im ersten Kapitel soll der Frage nachgegangen
werden, was Vulgarität ist, welche besonderen Merkmale sie aufweist und welche Funktion
sie in der Sprache allgemein und in verschiedenen Einzelsprachen erfüllt. Im zweiten Teil soll
näher auf das Medium, die Untertitelung, eingegangen werden, um nachvollziehen zu können,
inwiefern es den Übersetzer1 in seiner Arbeitsweise und Prioritätensetzung beeinflusst.
Nachdem beide Themen einzeln abgehandelt worden sind, geht es in Kapitel 3 darum,
herauszufinden, wie sich die beiden Phänomene zueinander verhalten und wie die Forschung
zu diesem Problem steht. Theorien der Übersetzungs- und Untertitelungswissenschaft, aber
auch Ansätze anderer Forschungsgebiete sollen herangezogen werden in der Hoffnung, die
intuitive Annahme, Vulgarität falle in der Untertitelung tendenziell weg, lasse sich dadurch
rationalisieren – oder verwerfen. In Kapitel 4 soll dann die aufgestellte Arbeitshypothese am
konkreten Beispiel, dem Film The Departed von Martin Scorsese, überprüft und folgende
Fragen beantwortet werden: Fällt Vulgarität in der Untertitelung weg? Wenn ja, wie
manifestiert sich dieser Verlust? Welche Auswirkungen hat er? Inwiefern kann er
problematisch sein? Worauf kann er im vorliegenden Fall zurückzuführen sein? Aber vor
allem: Wie könnten diese Probleme zukünftig vermieden werden?
Das methodische Vorgehen besteht einerseits aus der vorgängigen Analyse der
bestehenden Fachliteratur im Bereich der Übersetzungs- und Untertitelungswissenschaft
sowie angrenzender Forschungsgebiete wie den Filmwissenschaften, der Sozio- und
Psycholinguistik. Diese theoretischen Ansätze werden anhand von Informationen aus der
schweizerischen Untertitelungspraxis sowie einer qualitativen Analyse von aussagekräftigen
Szenen eines Films, welcher aufgrund seiner Quantität und Vielfalt an Vulgarismen
ausgewählt wird, überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder angepasst. Die ausgewählten
Szenen werden sowohl als Teil des Ganzen auf ihre Makrostruktur und Textfunktion als auch
im Detail auf ihre Mikrostruktur und die Funktion der im Ausgangs- und Zieltext bestehenden
Vulgarismen hin untersucht. Ziel dieser Arbeit ist es, rekurrente Muster bei der Übertragung
oder Nicht-Übertragung von Vulgarität in der Untertitelung zu erkennen und gestützt auf
diese Feststellungen die allgemeine Problematik zu umreissen, mögliche Gründe für einen
Verlust aufzuzeigen und den Handlungsspielraum des Untertitlers in Bezug auf die
Übertragung von Vulgarität abzustecken, um schliesslich konkrete Lösungsansätze zu
entwickeln.
1
Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsneutrale Differenzierung verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten
im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für beide Geschlechter.
1
1. Slang & Vulgarität in der Sprache
Um
nachvollziehen
zu
können,
warum
Vulgarismen
in
der
Untertitelung
ein
Übersetzungsproblem darstellen, müssen zuerst einige linguistische Grundbegriffe definiert
und voneinander abgegrenzt werden. Mithilfe dieser Terminologie soll Slang als Subsystem
des Sprachsystems eingegrenzt werden. In einem weiteren Schritt sollen die kulturellen
Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielsprache in Bezug auf dieses Subsystem beleuchtet
und deren Bedeutung für die Übersetzung herausgeschält werden.
a) Begriffsbestimmung: Sprachsystem vs. Sprachvarietäten
Was versteht man unter Sprache?
Der Duden definiert Sprache folgendermassen:
1. <o. Pl.> Fähigkeit des Menschen zu sprechen; das Sprechen als Anlage, als Möglichkeit des Menschen sich
auszudrücken: die menschliche S.; S. u. Denken; jmdm. bleibt die S. weg, verschlägt es die S.; jmdm. die S.
verschlagen/rauben. 2. <o. Pl.> (meist in bestimmten Wendungen) Das Sprechen; Rede: Die S. auf etw.
bringen/etw. zur S. bringen; mit der S. (nicht) herausrücken, herauswollen; heraus mit der S.!; zur S. kommen.
3. a) Art des Sprechens; Stimme, Redeweise: eine flüssige S.; ihre S. klingt rau; man erkennt ihn an der S.; der
S. nach stammt sie aus Berlin; b) Ausdrucksweise, Stil: eine schlichte, gehobene, bilderreiche, poetische,
geschraubte, gezierte, (un)verständliche S. […]. 4. a) (historisch entstandenes u. sich entwickelndes) System
von Zeichen u. Regeln, das einer Sprachgemeinschaft als Verständigungsmittel dient; Sprachsystem: die
lateinische, englische S.; lebende und tote, neuere und ältere –n; die afrikanischen –n; verwandte,
indogermanische –n; Französisch ist eine schöne, klangvolle S.; Deutsch gilt als schwere S.; diese S. ist schwer,
leicht zu lernen; mehrere –n sprechen, beherrschen; sie unterhalten sich in englischer S.; etw. in eine andere S.
übersetzen; die S. des Herzens, der Liebe, der Leidenschaft; die S. (Verständigung mithilfe bestimmter Signale)
der Bienen, der Buckelwale; dieselbe/die gleiche S. sprechen; eine andere S. sprechen, reden; in sieben –n
schweigen; b) System von Zeichen (das der Kommunikation o.Ä. dient): Programmiersprachen und andere
formalisierte –n; die S. der (formalen) Logik. (Duden Deutsches Universalwörterbuch 2007:1585)
Sprache ist somit ein vielschichtiges Konzept, dessen Definition je nach Kontext variiert. Im
Folgenden soll auf den systemischen Charakter von Sprache eingegangen werden, so wie er
in der vierten Definition des Dudens zu finden ist.
Um zu verstehen, wie sich dieser systemische Charakter der Sprache in der Forschung
herauskristallisiert hat, muss man zurückgehen an den Anfang des letzten Jahrhunderts, als
Ferdinand de Saussure (s. posthume deutsche Ausgabe von 1931) mit seinen Vorlesungen
über allgemeine Sprachwissenschaft den Grundstein für die Linguistik legte. Bei de Saussure
(1931:78f.) wird die Sprache als ein System von bedeutungstragenden Zeichen betrachtet,
wobei ein Zeichen immer zwei Seiten hat: die Vorstellung (das Bezeichnete, frz. signifié) und
das Lautbild (die Bezeichnung, frz. signifiant). Tatsächlich unterscheidet de Saussure drei
Aspekte der Sprache: langue (das abstrakte Regelsystem), langage (die menschliche
Redefähigkeit) und parole (den Sprachgebrauch). Die langue stellt das theoretische Gefüge
dar, so wie es in Grammatiken oder Wörterbüchern aufzufinden ist, während die parole
dessen praktische Anwendung ist. Langage wiederum bezeichnet die eigentliche Fähigkeit
2
des Menschen, zu sprechen – das Merkmal, welches ihn vom Tier unterscheidet. De Saussure
untersuchte ausschliesslich die Sprache im Sinne der langue. Sprache als abstraktes System
manifestiert sich aber in unzähligen Einzelsprachen, die unterschiedlichen Regeln folgen und
die die Realität unterschiedlich abdecken. Auch innerhalb einer Einzelsprache gibt es
zahlreiche Möglichkeiten, um zum Beispiel ein und denselben Sachverhalt zu beschreiben
oder Gefühle zu äussern. Der Gliederung dieser verschiedenen Sprachverwendungen hat sich
ab den 1970er Jahren die Soziolinguistik gewidmet und insbesondere die gesellschaftliche
Bedeutung des Sprachsystems und des Sprachgebrauchs erforscht (Dittmar 1997:21). Sprach
de Saussure noch von dem Sprachsystem, distanzierte sich die Forschung nach und nach von
dieser Auffassung der Sprache als homogenes System und richtete ihren Fokus auf die Vielfalt
innerhalb einer Einzelsprache, die sogenannten Subsysteme. Denn die deutsche oder die
englische Sprache gibt es nicht: Die Ausdrucksweise ist nicht nur abhängig vom Sprecher,
sondern auch vom jeweiligen Umstand, Zeit und Ort – diese Varianten einer Sprache
bezeichnet man in der Linguistik als Sprachvarietäten oder auch sprachliche Varietäten. Im
gleichnamigen Buch werden diese von Kirsten Nabrings folgendermassen definiert:
[…] bezeichne ich mit dem Begriff „sprachliche Varietät“ die verschiedenen in sich mehr oder weniger
geschlossenen, konventionellen und sozial verbindlichen Typen der Sprachverwendung innerhalb einer
Sprachgemeinschaft. (Nabrings 1981:17)
Jede Sprache ist ein Konglomerat von Sprachen, zwischen denen jederzeit Koexistenz und
Interferenz herrscht (Pelz 2007:219). Essentiell bei Sprachvarietäten ist somit die
Sprachverwendung, das Augenmerk wird auf Sprache in einem bestimmten Kontext
gerichtet. Ein hoher Grad an Geschlossenheit, Konventionalität und sozialer Verbindlichkeit
vereinfachen die Kategorisierung. In Wirklichkeit sind die Grenzen von Sprachvarietäten
allerdings meist fliessend. Grob eingeteilt werden sie üblicherweise nach drei Kriterien
(Dittmar 1997:181-232): diatopisch, diaphasisch, diastratisch. Bei gewissen Autoren
kommen
zu
den
drei
Hauptkategorien
auch
noch
die
personale
Dimension
(Dittmar 1997:181) oder die diachrone Dimension (Nabrings 1981:36) hinzu. Die personale
Dimension bezieht sich auf die unverwechselbare Sprache eines Individuums (Idiolekt). Diese
wird jedoch bei anderen Autoren (vgl. Pelz 2007:222) zu den diastratischen Varietäten
gezählt mit dem Argument, dass jeder Sprachteilnehmer per se einen anderen Sprachbesitz
aufweist und ein Soziolekt somit lediglich einen Deckungsbereich verschiedener Idiolekte
innerhalb einer Gruppe darstellt. Die diachrone Dimension bezieht sich auf die verschiedenen
Stadien einer Sprache, der Fokus liegt auf dem Aspekt der Zeit. Wenn man nun aber von den
drei Hauptkategorien diatopisch, diaphasisch und diastratisch ausgeht, bezieht sich die
diatopische Dimension auf sprachliche Variationen, die geographisch bedingt sind, während
sich die diaphasische Dimension auf die Kommunikationssituation bezieht und die
diastratische Dimension Aufschluss gibt über die sprachlichen Unterschiede je nach
3
Zugehörigkeit des Sprechers zu einer Gesellschaftsschicht oder Gruppe (Soziolekt). Somit
gehören Dialekte, bedingt dadurch, dass sie kleinräumig, nicht kodifiziert und nur gesprochen
sind (Dittmar 1997:211), der diatopischen Varietät an, während ein Register, bedingt
dadurch, dass es wissensbezogen und situations- und rollengebunden ist (ibid.:212), der
diaphasischen Varietät angehört. Ein Register bezeichnet eine Rede- und Schreibweise, die
charakteristisch ist für einen bestimmten Kommunikationsbereich, ohne jedoch eine lokale
oder regionale Prägung aufzuweisen. Es gibt allerdings auch Varietäten, die sich sowohl
durch eine diatopische wie auch durch eine diastratische Dimension auszeichnen (ibid.:193201), so zum Beispiel Stadtsprachen (Urbanolekte), Umgangssprachen (Regiolekte) oder der
Substandard (dazu gleich mehr).
b) Slang als Sprachvarietät
Das Sprachsystem lässt sich also in Subsysteme gliedern. Innerhalb der diastratischen
Varietäten, der sogenannten Soziolekte – das heisst jener Sprachen, die von bestimmten
Gruppen oder Gesellschaftsschichten gesprochen werden – lassen sich die Sondersprachen
ausmachen. Unter diesen Begriff fallen alle Standes-, Berufs-, Fach- und Gruppensprachen
(Dittmar 1997:189). Gruppen haben spezifische Interessen und Bedürfnisse, was zur
Entwicklung eines Sonderwortschatzes führt, der die Eingeweihten vom übrigen Teil der
Gesellschaft abhebt. Auch Argot, Jargon und Slang verfügen über einen solchen
Sonderwortschatz. Die drei Begriffe sind fast deckungsgleich. Argot wurde zuerst zur
Bezeichnung des Soziolekts der Bettler und Gauner im Frankreich des Mittelalters verwendet.
Später wurde der Begriff dann ausgeweitet auf andere Soziolekte. Ähnlich definiert wird nach
Anatoli Domaschnev auch Jargon:
In Gemeinschaft von Menschen, die eine gemeinsame berufliche oder ausserberufliche Betätigung ausüben,
die ständig miteinander verkehren oder enger zusammenleben, entstehen Wörter und Wendungen, mit
welchen die Sprechenden die gewöhnlichen Ausdrücke ersetzen. Man nennt ihre Gesamtheit Jargon. […] Das
Gefühl der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe und zugleich eine gewisse Absonderung zu den übrigen
Teilen der Gesellschaft spielen dabei bewusst oder unbewusst eine Rolle. (Domaschnev 1987:313)
Domaschnev grenzt Jargon von Argot dadurch ab, dass Argot eine Geheimsprache sei, Jargon
jedoch nicht. Diese Abgrenzung ist inzwischen problematisch, da sich die Begriffe
weiterentwickelt haben und heute zusätzliche Bereiche umfassen. So beinhaltet Argot je nach
Definition auch andere Soziolekte als die ursprüngliche Geheimsprache und der Begriff
Jargon wird nicht mehr nur für Fachjargon verwendet, sondern umfasst unter anderem auch
Szenejargon.
Auch der Begriff Slang überschneidet sich inhaltlich mit Argot und Jargon. Karl Sornig zum
Beispiel definiert Slang wie folgt:
4
Slang is, as it were, a language in statu nascendi, a language (or at least a lexicon) in the making. Slang is
essentially an experimental language. Spoken language is unhampered by considerations of its graphic
notation (as is true for dialects), so that one reason for its instability may be sought in its whole (dialogical)
character. (Sornig 1981:20)
Slangausdrücke bezeichnet er weiter als Slangismen. Hervorgehoben werden in Definitionen
des Begriffs Slang dessen Umgangssprachlichkeit, niedrige Stilstufe und das spielerische
Element, so auch bei Walter Porzig:
Da legen die Sprechenden scheinbar Wert darauf, gerade nicht die alltäglichen Wörter und Wendungen zu
gebrauchen, sondern sich ungewöhnlich, gesucht, parodistisch scherzhaft und oft geradezu absichtlich
albern auszudrücken. (Porzig 1957 zitiert nach Nabrings 1981:171)
Und weiter:
Der Slang entschärft den Ernst der Wirklichkeit, er ist gesellschaftliches Spiel. […] So erweist sich also der
Slang doch als eine Erscheinung innerhalb der Alltagssprache, nämlich als der Versuch, das Alltägliche und
Langweilige an ihr zu überwinden. (ibid.)
Werner Veith (2002:80) unterstreicht bei Argot und Slang zusätzlich die lexikalische
Innovation, Schnelllebigkeit, Expressivität und Spontaneität. Inhaltlich gesehen, sind die
Begriffe Argot und Slang vergleichbar, aber da Argot eher in der Romanistik und der Begriff
Slang eher in der anglophonen Soziolinguistik zu finden sind, wird im Folgenden der
Ausdruck Slang verwendet. Slang wird von vielen Autoren (u.a. Norbert Dittmar und Kirsten
Nabrings) in den diastratischen Varietäten angesiedelt. Auch Connie Eble (2004) sieht Slang
als gruppenspezifisch an, sie fasst die Definition einer Gruppe allerdings sehr weit. Oftmals
gehen Slangausdrücke aus einer Subkultur und ihrer spezifischen Sprechweise (primary
slang) hervor und verbreiten sich in anderen, grösseren Gruppen bzw. Gesellschaftsschichten
(secondary slang). Ein Beispiel dafür ist der Ghetto-Slang der Afroamerikaner, welcher dank
dem kommerziellen Erfolg der Rap-Musik weltweite Verbreitung fand (Eble 2004:263). So
steht bei Slang denn auch nicht der inhaltliche, sondern der soziale Aspekt im Vordergrund.
Slang kann aufgrund seiner sozialen Konsequenzen identifiziert werden, aufgrund der
Auswirkungen, die der Gebrauch von Slangausdrücken anstelle von neutralem Vokabular auf
die Beziehung zwischen Sprecher und Publikum hat (ibid.:262). Die Zugehörigkeit zu einer
Gruppe bedingt auch, dass die Mitglieder Entwicklungen ihres Slangs verfolgen und ihr
Vokabular aktualisieren (ibid.:263). Dieser Wille, sprachlich auf dem letzten Stand zu sein,
verliert sich mit den Jahren. So könnte die Definition einer Gruppe auf eine ganze Generation
ausgeweitet werden, da eine jede ihr eigenes Vokabular an Slangausdrücken hatte und immer
noch hat. Alter und Lebenseinstellung lassen sich denn auch bis zu einem gewissen Grad
daran ablesen, wie aktuell der Slang einer Person ist (Andersson/Trudgill 1990:16). Im
Gegensatz zu Dittmar, Nabrings und Eble zählen Porzig und Domaschnev Slang nicht zu den
Gruppensprachen, mit dem Argument, dass die Verwendung von Slang im Gegensatz zu
verschiedenen Sondersprachen (Argot, Jargon) in der freien Entscheidung des Sprechers
liege (Porzig 1957:254 zitiert nach Domaschnev 1987:312). Somit solle der Terminus Slang
5
nur auf den nicht fachspezifischen Wortschatz angewendet werden, welcher „eine in
humoristischer, spöttischer oder gar verächtlicher Weise ‚herabgesetzte‘ Färbung aufweist“
(Domaschnev 1987:312).
Für
Domaschnev
stellt
Slang
„die
Gesamtheit
allgemeinverständlicher und weit verbreiteter Wörter und Ausdrücke vorwiegend
humoristischen Charakters“ dar, „die bewusst als Ersatzwörter für die üblichen literarischen
Ausdrücke verwendet werden“ (Domaschnev 1987:311). Wenn sich aber ein Slangausdruck
durch seine inneren Vorzüge (nicht nur durch Ungewöhnlichkeit, sondern auch durch
Ausdruckskraft oder die Fähigkeit, eine spezielle Bedeutungsnuance zu vermitteln) bei der
breiten Masse durchsetzen kann, so wird er Teil der familiären Umgangssprache (z.B. pub)
oder wird sogar ein stilistisch neutrales Wort (ibid.). Was Slang auszeichnet, ist die Fülle an
Synonymen, welche Domaschnev zufolge darauf zurückzuführen ist, dass die Originalität
eines Ausdrucks nur kurzfristig bestehen kann, da er durch eine breite Verwendung schnell
banal wird. Ob Gruppensprache oder nicht, einig sind sich alle, dass die soziale Komponente
bei Slang von grundlegender Bedeutung ist. Zusätzlich zu beachten sind aber auch regionale
Unterschiede
(diatopische
Dimension)
sowie
der
Fakt,
dass
Personen
je
nach
Gesprächssituation ein anderes Register verwenden (diaphasische Dimension). Slang als
Sprachvarietät zu bezeichnen, erscheint folgerichtig, auf welcher der drei Ebenen diese
allerdings genau einzugliedern ist, ist umstritten und hängt in erster Linie von der Definition
der einzelnen Begriffe ab. Dafydd Gibbons multidimensionaler, funktionalistischer Ansatz
schafft Abhilfe. Indem Sprachvarietäten auf einem dreidimensionalen Würfel gemäss den
Kriterien der sozialen, regionalen und funktionalen Variation eingezeichnet werden, können
einzelne Varietäten untereinander in Bezug gesetzt und die Unterschiede visualisiert werden.
Abb. 1: Language Variety Space (Gibbon 1998)
Die Autoren des Werkes Sprachlicher Substandard (Holtus/Radtke 1986) umgehen das
Problem der Abgrenzung geschickt, indem sie Slang zur Sprachvarietät des Substandards
zählen. Der Terminus Substandard steht im Gegensatz zur Standardvarietät: Standardvarietät
ist Sprache, wie sie zum Beispiel in Grammatiken vorkommt (Soll-Norm), wohingegen
Substandard (Ist-Norm) Sprache ist, wie sie real gesprochen wird (Albrecht in
6
Holtus/Radtke 1986:66). Der Substandard stellt demnach eine Abweichung von sprachlichen
Normen dar, worunter auch Slang fällt. Wichtig ist aber, anzumerken, dass Slang weder
stilistisch einheitlich ist, noch isoliert betrachtet werden kann. So ist Slang ohne
standardsprachliche Elemente und die gesprochene Hochsprache der Gegenwart ohne
Slangelemente undenkbar (Domaschnev 1987:312). Viele ursprüngliche Slangwörter steigen
zur Standardsprache auf (Viereck 1986:225). Die Verschriftlichung von Slang, welcher primär
mündliche Sprache ist (Domaschnev 1987:312), stellt denn auch ein grundlegendes Problem
für die Übersetzung und insbesondere die Untertitelung dar (mehr dazu in Kapitel 3ci. unter
„Mündlichkeit“).
In diesem bereits sehr diffusen Wortfeld des Slangs existieren aber weiter noch der Begriff
des Vulgarismus und jener der Vulgärsprache (nicht zu verwechseln mit Vulgärsprache im
Sinne der von der Masse des Volkes gesprochenen Sprache, s. unterschiedliche Bedeutungen
von Vulgärsprache im Duden 2007 sowie Viereck 1986:224 zur Evolution des Begriffs
Vulgärenglisch). Diese finden sich bei Nabrings (1981:168-173) im Kapitel der Stilniveaus.
Stil zählt die Autorin zur diasituativen Dimension. Die diasituative Dimension entspricht in
etwa
Dittmars
diaphasischer
Dimension
(vgl.
hierzu
Nabrings 1981:140
mit
Dittmar 1997:206), wozu beide Autoren auch den Stil zählen. Der Stilbegriff wird heutzutage
gemeinhin nicht mehr primär ästhetisch definiert, sondern funktional als die „spezifische
sprachliche Gebildetheit“ eines Textes (Nabrings 1981:161). Der Wertungsaspekt von Stil
(höhere – niedere Ausdrucksweisen) wurde mit dem Aufkommen der Soziolinguistik fallen
gelassen. In Wörterbüchern werden oftmals stilistische Schichten von Lexemen angegeben,
wobei nicht gekennzeichnete Lexeme die neutrale Schicht darstellen. Unterschieden wird
dabei nach dem Kriterium der Formalität oftmals in vulgär, familiär, umgangssprachlich,
gehoben und literarisch, wobei vulgär auf Situationen mit minimalem Formalitätsgrad
hinweist (ibid.:165-167). Nabrings erfasst Argot, Vulgärsprache, Slang und Jargon als
Sprachvarietäten niedriger Stufe. Die Vulgärsprache, auch Gossensprache genannt,
bezeichnet gemeinhin einen Sprachstil, der von der Sprachgemeinschaft als in abstossender
Weise derb und ordinär wahrgenommen wird. Welcher Gesellschaftsschicht er zuzurechnen
ist, ist allerdings umstritten. Wird die Vulgärsprache von einigen Autoren als spezifisch für
die unteren Gesellschaftsschichten eingestuft, so erachten sie andere hingegen als nicht
gruppen- und schichtgebunden (vgl. Zitate in Nabrings 1981:169-171). Einig scheinen sich
hingegen alle, dass die Vulgärsprache ein Teilbereich von Slang ist. Während die
Vulgärsprache Tabus verletzt, ist dies beim Slang nicht zwingend der Fall. Da Slangausdrücke
aber oft eine gezielte Attacke auf Konventionen oder Formen der Autorität darstellen, ist es
nicht verwunderlich, dass sie Bezug nehmen auf Tabuthemen (Eble 2004:264-265). Als
Vulgarismen bezeichnet man Lexeme, „die auf der niedrigsten Stufe der ethischen Skala der
7
sich abstufenden Lexik liegen“ (Domaschnev 1987:314) und kann sie in zwei Kategorien
gliedern: lexikalische und stilistische Vulgarismen. Lexikalische Vulgarismen drücken
Begriffe aus, die man nicht gerne oder kaum im Gespräch erwähnt, sogenannte Tabuwörter,
welche man normalerweise umgeht, indem man einen Euphemismus („eine beschönigende,
verhüllende, mildernde Umschreibung für ein anstössiges oder unangenehmes Wort“,
Duden 2007) oder aber den entsprechenden wissenschaftlichen Terminus verwendet.
Stilistische Vulgarismen hingegen haben an sich nichts Anstössiges. Der unpassende
Gebrauch besteht in ihrer stilistischen Färbung, welche die Geringschätzung des Sprechers
zum Gegenstand der Äusserung verstärkt zum Ausdruck bringt (z.B. old bean für alter
Knacker oder darned, dashed als Ersatzwörter für damn, verdammt, ibid.). Ein Vulgarismus
muss nicht zwingend ein Schimpfwort sein (pisswarm) und ein Schimpfwort nicht unbedingt
ein Vulgarismus (Rabenmutter). Als Fluchwörter bzw. Kraftausdrücke werden jene
Vulgarismen bezeichnet, welche dem Ausdruck von Ärger oder Überraschung dienen.
Einfach gesagt, wird im Folgenden von der Annahme ausgegangen, dass ein jeder Sprecher
die Möglichkeit hat, sich in einer gegebenen Gesprächssituation der Vulgärsprache oder des
Slangs zu bedienen, Slang und Vulgärsprache aber auch Charakteristika spezifisch für ein
Individuum (idiolektisch) oder eine Gruppe (soziolektisch) sein können. Slang als
Ausdrucksform stellt dabei eine Abweichung von sprachlichen Normen dar, seine
Ausprägung manifestiert sich von Person zu Person unterschiedlich und ist bedingt durch
Faktoren wie Herkunft, Alter, Gruppenzugehörigkeit und Situation. Dass verschiedene
Komponenten das, was im anschliessend analysierten Film als Slang wahrgenommen wird,
bestimmen, ist ein Hauptgrund, warum sich die Suche nach einem Pendant für die
Übersetzung als sehr schwierig erweist.
Bevor wir aber zur eigentlichen Übersetzung von Vulgarismen kommen, soll in diesem ersten
Kapitel, das sich dem Thema Slang widmet, besonderes Augenmerk auf den Aspekt der
Vulgarität gerichtet werden. Diese Funktion von Sprache soll allgemein beschrieben und ihre
Bedeutung im Hinblick auf die Übersetzung spezifisch in der Ausgangs- und Zielkultur näher
erläutert werden.
c) Funktion der Vulgarität in der Sprache
In der traditionellen Linguistik werden Slang und Vulgärsprache in erster Linie unter dem
Aspekt der Sprachvarietäten auf lexikalische Spezifitäten hin untersucht. Slang und
Vulgärsprache haben aber weit mehr zu bieten als einen Sonderwortschatz: Sie erfüllen eine
wichtige Funktion in der menschlichen Kommunikation. Um dies aufzuzeigen, lohnt sich ein
kurzer Exkurs in die Pragmatik. Die Pragmatik, eine Teildisziplin der Linguistik, versteht
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Sprache als Handlung, welche in einen gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist. Auf diesen
Grundsatz stützt sich auch das Zeichenmodell von Charles Sanders Peirce, welches eine
Weiterentwicklung
des
obengenannten
dyadischen
Saussureschen
Zeichenmodells
(signifiant-signifié) zu einer triadischen Relation ist:
Abb. 2: Das Peirce’sche Zeichenmodell (Pelz 2007:242)
Neu ist die Bedeutung, welche dem Sprecher zugeschrieben wird. Denn was als Zeichen für
welches Objekt gilt, beruht auf Vereinbarung zwischen den Kommunikationspartnern
(Wagner 2001:25) – kurz: ohne Sprecher keine Sprache. Eine Kommunikationssituation
besteht immer aus mindestens zwei Personen, wobei beide eigene Interessen vertreten und
durch sprachliche und nicht-sprachliche Mittel beim anderen etwas zu bewirken
beabsichtigen (Pelz 2007:243). Um denselben kommunikativen Effekt zu erzielen, sind je
nach Situationskontext unterschiedliche Äusserungen gefragt; die gleiche Äusserung
wiederum kann je nach Kontext anders aufgefasst werden.
Was wo wann wie gesagt werden sollte, ist Thema der Sprechakttheorie. Der Grundstein
dieser Theorie wurde von John Langshaw Austin gelegt und die Problematik von seinem
Schüler John Searle anschliessend vertieft. Bei Austin besteht ein Sprechakt aus drei, bei
Searle aus vier Teilakten:
Abb. 3: Sprechakt-Modelle (Wagner 2001:88)
Bei Austin bedeutet Lokution „das Gesagte“, Illokution „das, was der Sprecher in/mit dem
Gesagten beabsichtigt“ und Perlokution „das, was der Sprecher beim Hörer durch das Gesagte
erreicht“ (Wagner 2001:88). Searles Kritik richtete sich vor allem gegen die Gliederung des
lokutiven Teilaktes in einen phonetischen Akt (lautliche, akustische Seite der Äusserung),
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einen phatischen Akt (Verknüpfung der Laute des phonetischen Aktes zu Wörtern und
Sätzen) sowie einen rhetischen Akt (Bedeutung der im phatischen Akt geäusserten Wörter
und Sätze). Searle bringt das Argument vor, der rhetische sei nicht vom illokutiven (auch
illokutionären) Akt zu unterscheiden, und ersetzt ihn deswegen durch den propositionalen
Akt, den er wiederum in Referenzakt und Prädikationsakt unterteilt. So würde beim Beispiel
„die Rose ist rot“ „Rose“ die Referenz und „rot“ die Prädikation der Proposition bilden.
Searles Äusserungsakt umfasst Austins phonetischen und phatischen Akt, also das
Hervorbringen von Äusserungen nach den Regeln der Phonologie und Grammatik. Demnach
besteht bei Searle die Lokution als Ganzes aus den Komponenten der Äusserung
(Äusserungsakt) und der lokutiven Bedeutung, die mit den geäusserten Wörtern/Sätzen
verbunden ist (propositionaler Akt). Wie Austin, unterscheidet auch Searle den lokutiven und
perlokutiven Akt vom illokutiven. Bei der Äusserung „Hier zieht’s!“ ist die propositionale
Bedeutung „hier/in diesem Raum“ (Referenz) „herrscht Zugluft“ (Prädikation), während die
illokutive Bedeutung des Satzes eine Aufforderung an den Hörer ist, die Tür oder das Fenster
zu schliessen (ibid.:89). Ziel des Sprechers ist es, seine Intention so zu formulieren, dass die
Illokution des Gesagten glückt, d.h. der Hörer die Illokution erkennt und befolgt und damit
die Perlokution eintritt. Der perlokutive Akt vollzieht sich nur dann, wenn die Intention des
Sprechers mit der tatsächlich eingetretenen Wirkung beim Hörer übereinstimmt (hier: er
schliesst Tür oder Fenster). Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass der Hörer versteht,
was der Sprecher will, sich aber entschliesst anders zu handeln. Seine Reaktion ist nicht
vorhersehbar. Da der perlokutive Akt nicht regelbar ist, kann die Handlung nur vom Sprecher
ausgehend analysiert werden. Den Zweck einer Handlung definiert Searle als illokutiven
Punkt. Dieser konkretisiert die illokutive Kraft zu fünf speziellen illokutiven Kräften, die dann
die klassenbildenden Merkmale der illokutiven Klassen abgeben:
1.Der direktive Punkt besteht darin, zu versuchen, andere Leute dazu zu bringen, dass sie etwas tun.
2.Der kommissive Punkt besteht darin, dass der Sprecher sich verpflichtet, etwas zu tun.
3.Der deklarative Punkt besteht darin, die Welt durch Sagen zu verändern. […]
4.Der assertive Punkt besteht darin, zu sagen, wie die Dinge sind.
5.Der expressive Punkt besteht darin, Gefühle und Einstellungen auszudrücken.
(Wagner 2001:109)
Dazu kommen nach Wagner und Poding zwei semi-illokutive Punkte: der emotive Punkt,
welcher darin besteht, dass der Sprecher, unabhängig von der Anwesenheit eines Hörers,
seine Gefühle zum Ausdruck bringt, und der akkompagnierende Punkt, welcher darin besteht,
dass der Sprecher sein Tun mit Worten begleitet (ibid.). Diese zwei Klassen werden deshalb
als semi-illokutiv bezeichnet, weil sie auf den Sprecher begrenzt sind, dem Hörer allerdings
Auskunft über den Sprecher geben können. So gehört zum Beispiel Angst-Äussern zur Klasse
der Emotiven, Angst-Machen hingegen zu den Expressiven. Die illokutiven Klassen setzen
sich aus einer Reihe illokutiver Typen zusammen. In Wagners Lexikon der illokutiven Typen
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fallen vulgärsprachliche Sprechakte in erster Linie in die Klassen der Emotiven (z.B. ÄrgerÄussern oder Sich-Aufregen) und der Expressiven (z.B. Aggression-Zeigen oder Verhöhnen).
Die Unterscheidung zwischen emotiv und expressiv ist wichtig, um die unterschiedlichen
Funktionen von Vulgärsprache zu verstehen. So können Vulgarismen der rein persönlichen
oder aber der an jemand anderen gerichteten Gefühlsäusserung dienen. Allen sogenannten
primären
Gefühlen
(Furcht,
Ärger,
Freude,
Ekel,
Überraschung,
Schmerz,
s.
Wagner 2001:159) kann mithilfe von Vulgarismen Ausdruck verliehen werden. Gewisse
vulgärsprachliche Äusserungen, die nicht der reinen Gefühlsäusserung dienen, können aber
auch in die Klasse der Direktiven fallen (z.B. Auffordern oder Befehlen) oder Mischformen
zwischen Assertiven und Expressiven sein (z.B. Beleidigen, Verhöhnen und Reizen). Die
Sprechakttheorie ist für die Übertragung von Vulgarität deshalb von Bedeutung, weil die
Verwendung von Vulgarismen eine soziale Funktion hat und als sprachliche Handlung die
Beziehung zwischen Sprecher und Hörer entscheidend verändern kann. So könnte die
Intention des Sprechers sein, mithilfe des Vulgarismus den Hörer zu beschimpfen, zu
provozieren, eine Situation abwertend zu beschreiben (und den Hörer so von seiner Meinung
zu überzeugen), sexuelle Anspielungen zu machen, zu unterhalten, seinem Unmut (oder
anderen Gefühlen) über einen Umstand Luft zu machen oder sich durch das gewählte
Vokabular
sprachlich
an
sein
Gegenüber
anzunähern
(wenn
Vulgarismen
zur
Gruppensprache gehören). Die Wirkung auf den Hörer könnte sein, ihn zu schocken, zu
verletzen, zu verärgern, einzuschüchtern, zum Schweigen zu bringen, zur Gegenwehr zu
veranlassen oder aber, im Gegenteil, ihn zum Lachen zu bringen oder ein Gefühl der
Verbündung
gegen
Dritte
zu
erzeugen
(bei
gleicher
Sprechweise
der
beiden
Kommunikationspartner). Studien haben gezeigt, dass Fluchen in einem gewissen sozialen
Umfeld die Zugehörigkeit stärkt und zudem hilft, Stress abzubauen und Ärger zu mildern
(Montagu 2001:87-88). Die Zusammenhänge zwischen Stress, Ärger und Fluchen hat unter
anderem Dr. Helen E. Ross der University of Hull im Rahmen einer Arktis-Expedition
untersucht. Waren die Expeditionsteilnehmer entspannt und zufrieden, erhöhte sich der
Gebrauch der Vulgärsprache spürbar; sie diente als Bindeglied zwischen den Teilnehmern.
Die Anzahl verwendeter Fluchwörter nahm auch unter leichtem Stress zu, bei Ärger und
Müdigkeit hingegen ab, was die Psychologin dazu veranlasste, soziales Fluchen (social
swearing) von verärgertem Fluchen (annoyance swearing) zu unterscheiden (in der
Begrifflichkeit von Wagner würde social swearing in die expressive, annoyance swearing in
die emotive Klasse illokutiver Sprechakte fallen). Standen die Gruppenmitglieder unter
grossem Stress, wichen Fluchwörter Schweigen, worauf Ross schloss, dass Fluchen ein
Anzeichen für die Erträglichkeit einer unangenehmen Situation ist. Es ist erwiesen (ibid.:8889), dass jemand, der flucht, weniger unter Stress leidet sowie, dass Fluchen ansteckend ist
11
(Wenig-Flucher fluchen mehr unter Viel-Fluchern), Nicht-Fluchen aber ebenso (eine
Mehrheit von Nicht-Fluchern bringt Flucher zum Schweigen). Vulgarität erstreckt sich auf ein
weites Spektrum an Funktionen und Situationen, ihre Vielfalt wurde allerdings nie
pragmatisch oder gar sprachenpaarbezogen untersucht.
Da die Literatur zum Thema Vulgarität dünn gesät ist, muss man den Blick weiter schweifen
lassen, auf der Suche nach verwandten Phänomenen. Aus pragmatischer Perspektive
betrachtet, kann Höflichkeit als Gegensatz zu Vulgarität betrachtet werden. Beide spielen eine
erhebliche Rolle bei der Beziehungsgestaltung zwischen Sprecher und Hörer. Geht man
davon aus, dass der Sprecher eine bestimmte Intention hat, er also möchte, dass seine
Äusserung eine bestimmte Wirkung auf den Hörer hat, bieten sich ihm zahlreiche
Möglichkeiten, seine Intention in Worte zu verpacken. Für welche Variante er sich
entscheidet, hängt von der Situation und seiner Beziehung zum Hörer ab. Auf der einen Seite
der Skala an Lokutionsmöglichkeiten liegt die Höflichkeit, auf der anderen die
Unhöflichkeit. Erstere impliziert, dass er seiner Intention so vorsichtig und indirekt wie
möglich Ausdruck verleiht, um den Hörer ja nicht zu brüskieren oder ihn zu verletzen.
Entscheidet er sich hingegen für eine vulgärsprachliche Äusserung, nimmt er den direkten
oder gar „überdirekten“ Weg: Entspricht diese Ausdrucksweise dem Hörer nicht oder ist sie
beleidigend (Schimpfwort), entlädt der Vulgarismus sein Gewaltpotential und übt Druck auf
den Hörer aus. Stellt die Vulgärsprache hingegen die von beiden bevorzugte Ausdrucksform
dar oder richtet sich der Vulgarismus gegen Dritte, so bindet der Sprecher den Hörer verbal
an sich und verweist auf ihre Gemeinsamkeiten. Möchte sich der Sprecher zum Beispiel mit
jemandem treffen, von dem er eine berufliche Entscheidung erwartet, könnte er ihn
(über)höflich fragen mit „Denken Sie, es wäre Ihnen möglich, dass wir uns eventuell nächsten
Dienstag treffen könnten, um uns auszutauschen?“ er kann aber auch einfach sagen „Ich muss
das jetzt verdammt noch mal wissen, Lahmarsch! Nächsten Dienstag ist dieses
Scheissproblem gelöst!“. Wie stark der Sprecher sich auf der Lokutionsskala Richtung
Höflichkeit oder Vulgarität bewegt, ist situationsabhängig. Höflichkeit hat gegenüber
Vulgarität den Vorteil, dass sie als Forschungsthema auf weitaus grösseres Interesse seitens
der Soziolinguisten stiess. So findet sich in der Bibliothek der Universität Genf in der
Abteilung für deutsche Linguistik ein ganzes Regalbrett mit Abhandlungen zur Höflichkeit in
der Sprache, zum Thema Vulgarität hingegen nur hie und da vereinzelt ein Buch, wenn nicht
nur ein Abschnitt in einem Buch. Es stellt sich nun die Frage, ob die Vulgarität als Spiegelbild
der Höflichkeit betrachtet werden kann, die Erkenntnisse aus der Forschung somit angepasst
auch auf die Problematik der Vulgarität angewandt werden können. Da es einen Artikel gibt,
welcher sich mit der Höflichkeit speziell in der Untertitelung befasst (Hatim/Mason 1997),
wird dieser Frage erst in Kapitel 3 (ci. unter „pragmatische Dimension“) nachgegangen, wo
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sprachliches Phänomen und Medium aufeinander treffen. Bevor auf die Übertragung von
Vulgarismen spezifisch in audiovisuellen Texten eingegangen werden kann, muss aber zuerst
die Situations- und Kulturgebundenheit des Phänomens der Vulgarität allgemein in der
Sprache untersucht werden. Sich der grundlegenden Unterschiede in der Verwendung von
Vulgarismen
zwischen
Ausgangs-
und
Zielkultur
bewusst
zu
werden,
ist
eine
Grundvoraussetzung für den Übersetzer, welcher sich mit der Übertragung von Vulgarität
befasst.
d) Ursprung der Vulgärsprache
Wie alt die Vulgärsprache ist, lässt sich nicht genau bestimmen. Aus schriftlichen
Vermächtnissen geht hervor, dass das Fluchen unter indigenen Völkern, den alten Ägyptern,
dem Volk der Israeliten, den alten Griechen und im alten Rom bereits gang und gäbe war
(Montagu 2001). Dies besagt schon das dritte Gebot in der Bibel „Du sollst den Namen des
Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der
seinen Namen missbrauchet“ (3. Mose 24.16 nach Luther 1545). Es darf aber angenommen
werden, dass die Entstehung der Vulgärsprache diesen ersten schriftlichen Zeitzeugnissen
vorausging. Ashley Montagu (2001) stellt zum Ursprung des Fluchens eine interessante
Theorie auf. Er behauptet, Fluchen stehe am Anfang der eigentlichen Sprache, sei
gewissermassen eine Urform unserer heutigen artikulierten Sprechweise. Denn, wie sich von
der Tierwelt ableiten lässt, wurde schon vor der Entstehung eines sprachlichen
Zeichensystems kommuniziert. Tiere und auch der Mensch produzieren Laute, um ihren
Gefühlen Ausdruck zu verleihen, womit auch das Fluchen (zumindest in seiner
lautmalerischen Form) ganz am Anfang der Geschichte der Menschheit steht. Bei Wut,
Schmerz oder Überraschung stossen Mensch wie auch Tier universelle Laute aus, welche
physiologisch bedingt sind, weshalb es sich beim Fluchen in erster Linie um ein körperliches
Bedürfnis und erst in zweiter Linie um ein psychisches handelt. Auf das Fluchen (swearing)
folgte das Verfluchen (cursing). Während Fluchen darauf abzielt, Wut zum Ausdruck zu
bringen, und eine umgehende Linderung verschafft, so mag beim Verfluchen die
Erleichterung unmittelbar sein, die Intention richtet sich jedoch auf die Zukunft und gegen
einen nicht anwesenden Feind; sie ist stärker und böswilliger als beim Fluchen. Im Deutschen
deckt das Verb fluchen heutzutage beide Aspekte sowohl des swearing als auch des cursing
ab, da das Verb verfluchen nach Duden (2007) als veraltend eingestuft wird. Montagu zufolge
geht Fluchen aber nicht auf einen Urinstinkt zurück (es gibt auch Völker, denen dieses
Phänomen nicht bekannt ist), sondern stellt lediglich eine Verhaltensform dar, welche sich
früh in der Geschichte der Menschheit entwickelt hat (ibid.:55-57). Sie ist eine kulturell
konditionierte Antwort auf das Erfahren gewisser Situationen. Während ein Säugling auf
13
Frustration mit Um-sich-Schlagen oder Weinen reagiert, gilt dies für einen Erwachsenen als
nicht angemessen, er verfügt aber im Gegensatz zum Baby über die Fähigkeit, zu sprechen,
und kann daher seiner Wut verbal Luft machen. Auch lässt sich mit der Hypothese der
kulturellen Konditionierung erklären, warum Männer mehr Fluchen als Frauen: Bei Männern
gilt Weinen als unmännlich, Fluchen als männlich, beim „schwachen“ Geschlecht hingegen
wurde die Verwendung von Kraftausdrücken lange als unfein erachtet. Franz Kiener, ein
Professor für Psychologie, welcher die verbale Aggression untersucht, spricht beim Fluchen
ganz allgemein von einem Katharsis-Effekt: Die Verschiebung physischer Aggressionsimpulse
resultiert in Ersatzhandlungen im Vorstellungsbereich, welche feindselige Erregungen
abklingen
lassen
und
damit
eine
Katharsis
(Reinigung)
herbeiführen
können
(Kiener 1983:21-26). Montagu listet einige Auslöser für eine Fluchtirade auf: erschütternde
Erlebnisse, Überraschungen, Enttäuschungen oder Demütigungen (Montagu 2001:72).
Aggression ist, wie sich bereits im Verhalten von Säuglingen zeigt, Teil des Menschen. So
bewahrte das Fluchen den Menschen seit frühester Zeit vor brutaleren Formen, seine Wut
auszudrücken. Denn wie sich am Zustand ausgegrabener Skelette und kultureller Artefakte
erkennen lässt, war der frühe Mensch ein friedliches Wesen, das in der Gruppe lebte. Am
Zustand der gefundenen Schädel zeigte sich, dass Waffen vor allem zur Jagd und gegen Feinde
(und nicht gegen Mitglieder der eigenen Gruppe) eingesetzt wurden. Auch kann
angenommen werden, dass der frühe Mensch in irgendeiner Form an übernatürliche Kräfte
glaubte und diese zugleich verehrte und fürchtete. Um ein friedliches Zusammenleben
sicherzustellen und den Zusammenhalt der Gruppe nicht zu gefährden, mussten Konflikte aus
dem Weg geräumt werden. Eine Gruppe konnte sich nur gegen andere behaupten, wenn sie
zusammenhielt. Daher scheint es plausibel, dass eines der ersten Tabus die Heiligkeit des
Lebens der Gruppenmitglieder betraf. Töten wurde mit einem Tabu belegt, dem Individuum
das Recht, selber Rache zu üben, verwehrt. So blieb ihm nur noch die Möglichkeit, sich mit
seiner Bitte um Vergeltung an übernatürliche Kräfte zu wenden in der Hoffnung, diese mögen
seine Verwünschungen wahrwerden lassen. Die Gruppe muss jedoch bald bemerkt haben,
dass auch dies für sie ein zerstörerisches Potenzial hatte, und belegte das Fluchen ebenfalls
mit einem Tabu. Nur der Gruppe war es erlaubt, notfalls Verwünschungen auszustossen; das
Individuum musste dies fortan im Geheimen tun. Diese Verhaltensmuster ziehen sich durch
die ganze Geschichte der Menschheit. Fluchen und Verfluchen wurde dem Normalsterblichen
verboten und war allein Medizinmännern und Priestern vorbehalten. Doch nur Ausdrücke,
welche stark emotional besetzt sind, eignen sich als Fluchwörter. Wie Montagu so schön sagt:
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Any word carrying an emotional charge is capable of serving the swearer as ammunition for his purposes.
The words of the swearer are shotted words, words charged with explosives, words invested with the
powers of the gods, words bearing the forbidden potencies of the obscene: words violent, and words
profanely contagious and polluting – scurrilous, rude, diminishing words, foul words, words polite and
words otherwise, so long as they all carry an idea that is, or can be, effectively applied. (Montagu 2001:90)
Oder wie Kiener (1983) sein Buch treffend bezeichnet: Das Wort als Waffe. Denn verbale
Aggression hat Vorteile gegenüber der physischen: Sie kann erlernt werden, ist dem
körperlich Schwachen verfügbar und ist richtig eingesetzt genauso effizient und ausserdem
noch weniger verpönt in der Öffentlichkeit (Kiener 1983:13). Nach Montagu erklärt dies
auch, warum untere Gesellschaftsschichten seit jeher mehr fluchen: Da sie sonst keinerlei
Macht besitzen, ist das Wort ihre einzige Waffe, um sich gegen Staat und Gesellschaft
aufzulehnen (Montagu 2001:333). Interessant ist in Bezug auf die diastratischen
Unterschiede im Fluchverhalten, dass die Verwendung des Schimpfworts nigger heute der
schwarzen Gemeinschaft vorbehalten ist. Nigger stellt eines der grössten sprachlichen Tabus
überhaupt dar, wird jedoch von Schwarzen, unter anderem von Rap-Gruppen, inzwischen als
Form des Protests zur Selbstbezeichnung verwendet. Bei einem Nicht-Schwarzen kann die
Verwendung des Worts allerdings nur rassistisch aufgefasst werden und würde nicht
toleriert (Hughes 1991:246). Montagu unterscheidet sieben Formen des Fluchens:
Swearing is the act of verbally expressing the feeling of aggressiveness that follows upon frustration in
words possessing strong emotional associations.
Cursing, often used as a synonym for swearing, is a form of swearing distinguished by the fact that it invokes
or calls down some evil upon its object.
Profanity, often used as a synonym for swearing and cursing, is the form of swearing in which the names or
attributes of the figures or objects of religious veneration are uttered.
Blasphemy, often identified with cursing and profanity, is the act of vilifying or ridiculing the figures or
objects of religious veneration. Although it has been identified by the Church, and in the past by the State,
with profanity, it is better to distinguish between them on the ground that the profane swearer intends no
blasphemy. [...]
Obscenity, a form of swearing that makes use of indecent words and phrases.
Vulgarity, a form of swearing that makes use of crude words, such as bloody.
Euphemistic swearing, a form of swearing in which mild, vague, or corrupted expressions are substituted for
the original strong ones.
(Montagu 2001:104-105)
Bei Montagu stellt die Vulgarität eine Unterkategorie des Fluchens dar, obwohl sie als
Eigenschaft auch auf jede der anderen Kategorien zutreffen würde (ausser euphemistic
swearing). In dieser Arbeit ist sie, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, umgekehrt
definiert, als Funktion von Sprache, welche sich unterschiedlich manifestieren kann, so auch
im Fluchen. Beim Fluchen wie auch in der Vulgärsprache allgemein, wird Bezug genommen
auf Tabus. Das Verhalten des Individuums wird dann eingeschränkt, wenn es
Unannehmlichkeiten, körperlichen oder psychischen (dazu zählt auch metaphysischer und
moralischer) Schaden verursachen könnte, woraus ein Tabu ensteht. Absolute Tabus gibt es
allerdings nicht: Was als Gefahr eingestuft wird, hängt von den Wertevorstellungen und
Ängsten der jeweiligen Gesellschaft ab. Allgemein ist es dem Individuum möglich, tabuisierte
Verhaltensweisen zu meiden, der Verstoss gegen ein Tabu geschieht zumeist bewusst. Keith
15
Allan und Kate Burridge (2006) gliedern die heutigen Tabus in vier Kategorien: Namen
(persönliche verbale Angriffe); Sex und Körperflüssigkeiten; Essen und Gerüche; Krankheit,
Mord und Tod. Bei Geoffrey Hughes finden sich zusätzlich noch die Kategorien der
rassistischen (Hughes 1991:126-138) und sexistischen Fluchwörter (ibid.:206-235), welche
gegen den Grundsatz der Gleichheit der Menschen verstossen. Bedingt durch die
Säkularisierung unserer westlichen Gesellschaft haben sexuelle und rassistische Fluchtrends
das ursprüngliche Verfluchen verdrängt (ibid.:237). Nur in stark katholischen Ländern wie
zum Beispiel Italien wird die Kunst des Verfluchens noch mit Inbrunst und in den
vielfältigsten Formen praktiziert (z.B. der Ausruf „porca Madonna!“), wobei auch die
Vereinigten Staaten noch über ein grosses Repertoire an profanen und blasphemischen
Fluchwörtern verfügen (z.B. der Ausruf „Jesus Christ!“). Doch auch beim Fluchen ist es so,
dass erst das Verbot das Fluchen fluchenswert macht, sei es im Hinblick auf Religion, Sex oder
andere gesellschaftliche Tabus. Werden die Regeln gelockert, verfällt auch die Versuchung,
dagegen zu verstossen. Sexuelle Vulgarismen (motherfucker, bastard, son of a bitch) sind
deshalb noch heute so mächtig, weil sie auf von der Gesellschaft seit jeher (s. ÖdipusKomplex) als abnorm eingestufte sexuelle Triebe verweisen, welche beim Subjekt starke
Ängste hervorrufen (Montagu 2001:322-326 und Allan/Burridge 2006:144-174). So ist die
Vulgärsprache gewissermassen der Spiegel einer Gesellschaft: Verändern sich die
Wertevorstellungen und die damit zusammenhängenden Tabus, verändern sich auch die
Wortfelder des Fluchwortschatzes. Das Vokabular verändert sich aber so oder so ständig,
weil sowohl Fluchwörter als auch Euphemismen kurzlebig sind: Vulgarismen werden durch
Wiederholung abgeschwächt, Euphemismen explizit (Hughes 1991:253). Die kulturellen
Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und dem deutschen Sprachraum
manifestieren sich somit auch in Bezug auf den Ausdruck von Vulgarität.
e) Vulgarität in der anglo-amerikanischen Sprache & Kultur
Um den heutigen Umgang mit Vulgarismen in den Vereinigten Staaten nachvollziehen zu
können, muss die Evolution der amerikanischen Gesellschaft näher betrachtet werden. Da
unter den Briten, die im 17. Jahrhundert Amerika kolonialisierten, der Grossteil Puritaner
waren, wurde die Organisation des Staates nach puritanischen Grundsätzen verankert:
kompromissloser
Glaube
an
Gott,
Abkehr
von
allem
Weltlichen,
Sex
nur
als
Fortpflanzungsmittel. Noch heute sind die USA eine sehr konservative und stark auf das
christliche Wertesystem ausgerichtete Nation. Wie Geoffrey Hughes in seinem Werk Swearing
beschreibt, fand in der amerikanischen Öffentlichkeit erst in den 1950er bis 1970er Jahren
ein Wandel hin zur Verwendung vulgärer Ausdrücke statt (Hughes 1991:197ff.). Zu der
Akzeptanz von Slang und Kraftausdrücken trug in den USA die Berichterstattung im Zweiten
16
Weltkrieg massgeblich bei – die authentische Wiedergabe der Sprache von Kriegsveteranen
stellte einen Meilenstein im Krieg gegen die Zensur dar. In den 1960er Jahren fand dank der
Hippie-Bewegung auch eine Auflehnung gegen Tabus statt, wobei sexuelles Vokabular rege
eingesetzt wurde als Mittel zum Protest. In den 1970er Jahren gewann die Vulgärsprache
dank dem Aufkommen der Rap-Musik zusätzlich an Popularität. Dass Gotteslästerung und
Sex in der amerikanischen Gesellschaft aber auch heute noch ein grosses Tabu darstellen,
zeigt sich zum Beispiel an den impliziten Anforderungen, welche ein US-Präsident zu erfüllen
hat. So waren bis auf Kennedy (Katholik) und Obama (Afroamerikaner) bisher alle
Präsidenten WASPs (White Anglo-Saxon Protestants). Von einem Präsidenten wird auch heute
noch erwartet, dass er seinen Glauben an Gott in regelmässigen Abständen demonstriert und
in einer festen heterosexuellen Beziehung lebt (man erinnere sich an die Lewinsky-Affäre).
Die amerikanische Prüderie zeigt sich auch an der gesellschaftlichen Akzeptanz von Wörtern
wie fuck. Fuck ist noch immer in der Öffentlichkeit verpönt, obwohl seine Verwendung im
Alltag beinahe selbstverständlich geworden ist. Fuck ist deshalb ein solch mächtiges Wort,
weil es zugleich profan und obszön ist. Es ist ein Ausdruck der Auflehnung gegen die von
Kirche und Gesellschaft unterdrückte Sexualität und taucht aus diesem Grund auch in
amerikanischen Wörterbüchern bis Mitte des 20. Jahrhunderts nur höchst selten auf. Im
amerikanischen Fernsehen wird es noch immer durch einen Piepton überdeckt, genau wie
auch andere der berüchtigten four-letter words (fuck, cunt, cock, arse, shit, piss, fart). Noch
heute schreien die Medien auf, wenn Personen des öffentlichen Lebens Vulgarismen
verwenden. Der neuste Skandal betrifft Mark Halperin, ein Politik-Experte, welcher Präsident
Obama am 30.06.11 in einer Morgensendung des TV-Kanals MSNBC als dick betitelte. Da
versäumt worden war, diesen Ausdruck mit einem Piepton zu überdecken, kosteten ihn seine
Worte den Job. Interessanterweise wird der Begriff auch im Bericht der Los Angeles Times
nicht beim Namen genannt, sondern umschrieben: „ ‚I thought he was kind of an ... yesterday‘,
Halperin said, using a crude anatomical reference“2. Doch Verbote machen auch den Reiz des
Fluchens aus, so verfügen amerikanische Subkulturen über einen reichen, blumigen
vulgärsprachlichen Wortschatz, welcher Subkulturen weltweit inspiriert und zum
Nachahmen verleitet. Obwohl oder vielleicht gerade weil das Fluchen in der amerikanischen
Kultur so verpönt ist, gibt es im allgemeinen Sprachgebrauch unzählige Ausdrücke, um diese
Sprechweise
zu
charakterisieren,
so
ist
unter
anderem
von
„vulgar
words“
(Domaschnev 1987:311), „swearing“ (Hughes 1991, Montagu 2001, Chen 2004), „profanity“
(Montagu 2001:90, Hughes 1991:246), „blasphemy“ (Montagu 2001:105, Hughes 1991:246),
2
Link: http://latimesblogs.latimes.com/washington/2011/06/white-house-complained-to-msnbc-over-inappropriate-analysis-ofobama.html [15.08.2011]
17
„obscenity“ (Hughes 1991:247), „indecency“ (Hughes 1991:248) und „bad language“
(Andersson/Trudgill 1990) die Rede.
f) Vulgarität in der deutschen Sprache & Kultur
C.J. Wells widmet in seinem Werk über die deutsche Sprachgeschichte auch einige Abschnitte
der Vulgärsprache. So drehte sich der Streit der deutschen Grammatiker im 18. Jahrhundert
über schrift- und literatursprachliche Normen unter anderem auch um Vulgarismen. Als
Vulgarismen galten zu dieser Zeit Sprachformen, die als provinziell und archaisch eingestuft
wurden und zu vermeiden waren (Wells 1990:321f.). Dialekte wurden als Medium der
niedrigen Gesellschaftsschichten angesehen und daher von Autoren, welche ernst genommen
werden wollten, nicht verwendet. Erst Ende des Jahrhunderts, als sich die Standardsprache
gefestigt hatte, wurden Dialekte wieder beliebter, teils auch aus patriotischen Gründen. Zum
Beispiel in der 2. Auflage von Johann Christoph Adelungs Grammatisch-kritischem
Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (1793-1801) sind eine ganze Reihe vulgärer Wörter
zu finden (u.a. brunzen und scheissen), jedoch mit einem Dolch-Zeichen (†) versehen, um
anzuzeigen, dass sie nicht zur Hochsprache gehören und von ihrem Gebrauch abgeraten wird
(ibid.:361). So wurde in der deutschsprachigen Literatur noch bis ins 20. Jahrhundert fast
ausschliesslich die Hochsprache verwendet, volkssprachliche Ausdrücke traten erst in
Erscheinung, als Schriftsteller begannen, mithilfe gesprochener Sprache die Lebensnähe im
sozialen Drama hervorzuheben (ibid.:396). Pioniere waren in dieser Hinsicht Fontane und
Hauptmann, welche bereits Ende des 19. Jahrhunderts Berliner Umgangssprache in ihren
Romanen einfliessen liessen. Die Umgangssprache gewann weiter an Boden mit dem
Aufkommen des Nationalsozialismus. Die charakteristische Form der nationalsozialistischen
Sprache war die gesprochene oder geschriebene Rede (so auch in Mein Kampf), wobei
Umgangs- und Vulgärsprache bewusst eingesetzt wurden, um eine Verbindung zum Volk
aufzubauen, aber auch, um durch verbale Aggressivität die Menge aufzubringen und ihre
Kritikfähigkeit zu vermindern (ibid.:441). Für Hitler stand die Vulgärsprache denn auch nicht
im Widerspruch zum christlichen Glauben und den dazugehörigen Moralvorstellungen.
Mangels einer eigenen zusammenhängenden politischen Philosophie wurde aus den
vielfältigsten Quellen geschöpft (ibid.:436). So wurden Schimpfwörter (z.B. Bezeichnung des
Juden als Schmarotzer, Parasit, ewigen Spaltpilz der Menschheit oder Schädling, ibid.:446) und
Vulgarismen (z.B. jemandem die Fresse kaputtschlagen) mit martialischen, religiösen, pseudomystischen, medizinischen, sportlichen, technischen, fremdsprachigen und euphemistischen
Termini (ibid.:443f.) zu einem eigenen Stil verschmolzen, dessen Pathos beim Publikum
Emotionen hervorrufen sollte. Somit wurde die Vulgarität von den Machthabern geradezu
beworben und nicht wie in den Vereinigten Staaten verboten. Auch auf die Religion stützt
18
sich die Identität der deutschsprachigen Länder viel weniger als die amerikanische, was dazu
führt, dass der Umgang mit Vulgarismen allgemein weitaus entspannter ist als in den
Vereinigten Staaten. In den letzten Jahren wurde die deutsche Vulgärsprache zudem
massgeblich beeinflusst durch den amerikanischen Slang, welcher sich vor allem durch von
Viva und MTV ausgestrahlte Rap-Videos verbreitet hat. Der darin porträtierte Lebens- und
Sprechstil ist von europäischen Jugendlichen übernommen worden (motherfucker, fuck, shit
usw. sind auch hierzulande gang und gäbe) und sogar Lehnprägungen haben sich langsam
eingebürgert, wie die Konstruktionen fick dich! (hau ab!/halt’s Maul!), jemanden ficken (es
jemandem zeigen bzw. jemanden fertigmachen), gefickt worden sein (schlecht behandelt oder
betrogen worden sein) zeigen.
g) Filmzensur
Unter Zensur allgemein versteht man die „von zuständiger, besonders staatlicher Stelle
vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä. [...]“
(Duden 2007). Gründe für eine Filmzensur können politischer, ethischer, religiöser oder
persönlicher Natur sein (Scandura 2004:126). Auf letzteren Grund, die Selbstzensur, soll erst
in Kapitel 4 (evii. persönliche Faktoren) eingegangen werden, hier steht die externe, durch
den Staat ausgeübte Zensur im Vordergrund. Diese kann drei Formen annehmen:
Änderungen am Titel oder an den Untertiteln, Änderungen an der Handlung (betrifft in erster
Linie die Synchronisation), Abschwächen von Kraftausdrücken (ibid.:129-131). Nach Martin
Loiperdinger kommt jede Art der Filmeinstufung einem Aufführverbot gleich, da ein Film
weder im deutschsprachigen noch im amerikanischen Raum aufgeführt werden darf, ohne
zuvor den staatlichen Institutionen zur Genehmigung vorgelegt worden zu sein
(Loiperdinger 2004:2). Von einer freiwilligen Kontrolle kann also nicht die Rede sein. Nach
welchen Kriterien diese allerdings je nach gesellschaftlichem Kontext durchgeführt wird,
schränkt den Handlungsspielraum von Filmschaffenden mehr oder weniger ein.
In den Vereinigten Staaten oblag die Zensur von Filmen den einzelnen Bundesstaaten, bis
1930 der Motion Picture Production Code (auch Hays Code genannt) eingeführt wurde, dessen
Prinzipien die moralischen Werte wahren sollten. Verboten war die explizite Darstellung von
Gewalt, Verbrechen (auch anti-nationalistische Aussagen) und Sünde (Nacktszenen,
Rassenmischung, Perversion, Homosexualität), wozu auch blasphemische und vulgäre
Ausdrücke zählten. Der Kodex war allerdings nicht rechtlich verankert und verlor deshalb
nach und nach an Wirkung. Darauf reagierte die Motion Picture of America (MPAA) mit der
Gründung der Production Code Administration. Die Verpflichtungen waren nun verbindlich,
und bei Verstössen mussten hohe Strafen gezahlt werden. Der Code bestand bis zum Ende der
19
klassischen Hollywood-Ära (Ende des Zweiten Weltkriegs): Als das Familienmedium
Fernsehen immer populärer wurde, nutzte die Filmindustrie die Chance, sich abzuheben,
indem sie die Zensur lockerte und sich verstärkt auf ein Erwachsenenpublikum ausrichtete.
Die MPAA entschied schliesslich im Jahre 1967, den Code ganz abzuschaffen und ein
„freiwilliges“
Bewertungssystem
einzuführen,
das
auch
heute
noch
besteht
(Hughes 1991:198ff.). Die Kategorien der Altersfreigabe sind:
G — General Audiences. All Ages Admitted.
PG — Parental Guidance Suggested. Some Material May Not Be Suitable For Children.
PG-13 — Parents Strongly Cautioned. Some Material May Be Inappropriate For Children Under 13.
R — Restricted. Children Under 17 Require Accompanying Parent or Adult Guardian.
NC-17 — No One 17 and Under Admitted.3
Der Film The Departed wurde ab 17 Jahren freigegeben (unter 17 nur in Begleitung eines
Erwachsenen) mit der Begründung: „Rated R for strong brutal violence, pervasive language,
some strong sexual content and drug material”4. Grossen Druck üben aber in den Vereinigten
Staaten auch private Organisationen aus, welche sich zum Beispiel für den Schutz von
Kindern vor anstössigen Filmen einsetzen (mehr dazu bezogen auf den Beispielfilm in Kapitel
4eii. kulturelle Faktoren).
In Deutschland gab es bis 1920 kein eigenes Zensurgesetz, die Erhaltung der öffentlichen
Ruhe, Sicherheit und Ordnung fiel in die Zuständigkeit der Ortspolizei (Loiperdinger 2004:3).
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden zwar die Niederlassungen der
französischen Filmkonzerne beschlagnahmt, mit der Ausrufung der Weimarer Republik
jedoch 1918 jede Form der Zensur wieder abgeschafft, wenig später allerdings um eine
Ausnahmeregelung für Lichtspiele ergänzt. Die Befugnis zur Ausstrahlung musste von der
Prüfstelle erlangt werden, Filme, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdeten,
wurden zensiert oder gekürzt. Da die Nationalsozialisten für das Darniederliegen
Deutschlands unter anderem die angeblich volksverderbende Dekadenz des Weimarer
Kulturlebens
verantwortlich
gemacht
hatten
(Loiperdinger 2004:14),
machte
sich
Propagandaminister Goebbels nach seiner Ernennung umgehend an die Arisierung des
Filmwesens. Als deutscher Film galt fortan nur noch ein Film, bei dessen Produktion alle
Mitarbeiter arischer Abstammung waren. Doch nicht nur durch Zensur, sondern auch durch
Förderung der als wertvoll eingestuften Filme drängte sich der Staat mehr und mehr in den
Vordergrund, bis 1939 der grösste Teil des deutschen Filmvermögens im „reichsmittelbaren“
Besitz war (ibid.:17). Der Nationalsozialismus war bald so eng mit der Filmbranche
verwoben, dass kaum mehr deutsche Filme verboten werden mussten. Erst mit dem
Untergang des Dritten Reichs kehrte sich die Situation um und angloamerikanische
Besatzungsmächte bestritten vorerst das Kinoprogramm mit eigenen Produktionen, bis nach
3
4
Webseite der Motion Picture Association of America: www.mpaa.org [15.08.11]
Rating-Datenbank der MPAA: www.filmratings.com [15.08.11]
20
und nach Filme aus Zeiten der Weimarer Republik wieder freigegeben wurden. Filme aus
Ostblockländern wurden hingegen von der Filmeinfuhrkontrolle bis Anfang der 1970er Jahre
blockiert (ibid.:19). Doch die Einfuhrkontrolle ist nicht die letzte Hürde: Ein Film muss, wenn
er diese passiert hat, seit 1949 der FSK, der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft,
vorgelegt werden. Die Aufgabe dieser Organisation ist, die Altersbestimmungen von Kinound Fernsehfilmen ohne Einflussnahme des Staates festzulegen. Gemäss den Kriterien der
FSK dürfen weder gewaltverherrlichende Filme noch Filme, die als Propagandamittel gegen
die demokratische Grundordnung benutzt werden könnten, gezeigt werden. Bei den Themen
Sexualität und Religion ist die FSK allerdings heutzutage tolerant. Seit 2003 sieht das
Jugendschutzgesetz folgende Kategorien vor: ohne Altersbeschränkung, ab 6 Jahren, ab 12
Jahren, ab 16 Jahren, keine Jugendfreigabe. Interessant ist, dass der Spielfilm Departed –
Unter Feinden ab 16 Jahren eingestuft worden ist, der Kino-Trailer allerdings ab 12 Jahren,
der DVD-Trailer gar ab 6 Jahren. Die Kriterien für eine Altersfreigabe ab 16 Jahren lauten wie
folgt:
Bei 16- bis 18-jährigen kann von einer entwickelten Medienkompetenz ausgegangen werden. Problematisch
bleibt die Vermittlung sozial schädigender Botschaften. Nicht freigegeben werden Filme, die Gewalt
tendenziell verherrlichen, einem partnerschaftlichen Rollenverhältnis der Geschlechter entgegenstehen,
einzelne Gruppen diskriminieren oder Sexualität auf ein reines Instrumentarium der Triebbefriedigung
reduzieren. Auch die Werteorientierung in Bereichen wie Drogenkonsum, politischer Radikalismus oder
Ausländerfeindlichkeit wird mit besonderer Sensibilität geprüft.5
Ganz so strikt scheint die FSK ihre Richtlinien allerdings nicht zu befolgen, denn Departed –
Unter Feinden verstösst gegen die meisten dieser Kriterien.
In der Schweiz werden Altersbeschränkungen nicht staatlich, sondern kantonal erlassen.
Generell verboten sind auch hier Filme, die Gewalt verherrlichen oder rassistischer Natur
sind. Nach Angaben der Untertitelungagentur Titra sei es in der Praxis zwar so, dass die
Behörden darauf bestünden, die Filme untertitelt zu sichten, die in den Untertiteln
verwendete Sprache aber noch nie in Bezug auf ihre Vulgarität beanstandet worden sei. 6
In Österreich ist die Jugendkommission des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und
Kultur (BMUKK) zuständig für das Begutachten von Filmen in allen Bundesländern ausser in
Wien, wo der Filmbeirat der Stadt diese Funktion übernimmt. Departed – Unter Feinden
wurde wie in Deutschland ab 16 Jahren freigegeben.7
Interessant ist, dass in den deutschsprachigen Ländern zu keinem Zeitpunkt die Sprache
explizit als Kriterium für eine Altersfreigabe genannt wurde, im Gegensatz zu den Vereinigten
Staaten, wo die Sprache noch heute ein wichtiges Kriterium für die Einstufung von Filmen
darstellt. Beachtet werden muss in diesem Zusammenhang auch, inwiefern Verbote zum
5
Webseite der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft: www.fsk.de [15.08.11]
Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour der schweizerischen Untertitelungsagentur Titra [29.06.11].
7
Webseite des Bundesamts für Unterricht, Kunst und Kultur : http://www.bmukk.gv.at/schulen/service/jmk/jmk-db.xml [15.08.11]
6
21
Verstoss verleiten. So war der Fluchwortschatz zu Zeiten von Repression immer besonders
vielfältig (Hughes 1991:256) und ist durch die konservative Haltung des Staates auch heute
noch reicher in den USA als in Europa. Dieser Reiz gilt auch für Regisseure wie z.B. Scorsese
oder Tarantino, deren Filme Tabubrüche verheissen und vom Publikum unter anderem
deswegen geschätzt werden. Für einen Film kann der Einsatz von Vulgärsprache also sowohl
negative Auswirkungen haben, wenn er der Zensur unterworfen wird und gewisse
Altersgruppen dadurch zumindest vom legalen Konsum ferngehalten werden, aber auch
positive, da er dem Film Publicity einbringen und Anziehungskraft verleihen kann.
h) Bedeutung für die Übersetzung
Slang als Sprachvarietät wurde meist auf seine lexikalischen Besonderheiten untersucht.
Spezielle Eigenschaften von Slang und Vulgärsprache sind deren Umgangssprachlichkeit,
Spielcharakter, niedrige Stilstufe, Expressivität und die Abweichung von sprachlichen
Normen. Die grosse Vielfalt an (auch synonymen) Slangismen ist auf ihren innovativen,
spontanen und kurzlebigen Charakter zurückzuführen. Die Schnelllebigkeit stellt denn auch
ein grundlegendes Problem für die Übersetzung dar, da sich der Wortschatz sowohl in der
Ausgangs- als auch in der Zielsprache laufend erneuert. Lexikalische Hilfsmittel sind
schneller veraltet, als sie publiziert werden können. Dies sahen Verleger auch nach der
anfänglichen Euphorie der Entdeckung des Slangs als Forschungsobjekt bald ein. Denn
Vulgarismen und auch Euphemismen nutzen sich schnell ab und müssen durch neue ersetzt
werden. Die berühmtesten Slangwörterbücher8 haben bereits heute historischen Charakter
und auch die dünn gesäten neueren Werke9 sind nicht mehr aktuell. Slang findet in schier
unendlichen Formen Ausdruck, so kann von keinem Wörterbuchautor erwartet werden, dass
er die Ausdrucksweisen aller Gesellschaftsschichten und Subkulturen, deren Zugang zudem
häufig Mitgliedern vorbehalten ist, kennt. Ausserdem werden für die Aufnahme eines Begriffs
von Wörterbuch zu Wörterbuch unterschiedliche Kriterien angewandt, da Slang und
Vulgärsprache nicht klar von anderen Bereichen (Jargon, Argot, Umgangssprache) abgegrenzt
werden können. An die Erstellung eines zweisprachigen Slangwörterbuchs hat sich nur
höchst selten jemand gewagt10. In zwei Kulturen Entsprechungen zu finden, ist doppelt
schwierig, da gesellschaftliche Entwicklungen erstens nicht parallel verlaufen und es einer
Person zweitens gar nicht möglich ist, ausreichend mit dem Slang zweier Einzelsprachen
8
Für die englische Sprache: Partridges Wörterbücher „Slang“ (1936), „Origins“ (1958), „A Dictionary of the Underworld“ (1949);
Wentworth und Flexners „Dictionary of American Slang“ (1960); Chapmans „New Dictionary of American Slang“ (1986), Lighters
„Random House Historical Dictionary of American Slang“ (1994, das umfangreichste Projekt, allerdings ohne Eintrag zu fuck).
9
Für die deutsche Sprache: das Duden „Wörterbuch der Szenesprachen“ (2000); Langenscheidts „Hä?? Jugendsprache“ (2005)
Zum amerikanischen Slang: „McGraw-Hill's essential American slang dictionary“ (2007); „The concise new Partridge dictionary of slang
and unconventional English” (2008); „The Oxford dictionary of modern slang“ (2010).
10
Leitner und Lanens „Dictionary of French and American Slang“ (1965); Brunet und Mc Cavanas „Dictionnaire bilingue de l'argot
d'aujourd'hui: anglais-français, français-anglais“ (2004); Cagliero und Spallinos „Slang Americano – Italiano” (2007).
22
vertraut zu sein, wenn die Varietäten schon in einer einzigen Sprache unüberschaubar sind.
Als Übersetzungshilfe eignet sich noch am ehesten Urbandictionary11, ein englischsprachiges
Online-Wörterbuch, welches von seinen Benutzern aktualisiert wird (ähnlich Wikipedia). Die
darin aufgeführten Informationen sind aufgrund des interaktiven, nicht überwachten
Verfassens allerdings mit Vorsicht zu geniessen.
Obschon die Lexik in der Forschung der bei weitem am meisten analysierte Aspekt von Slang
ist, so wird ihre Beschreibung dem Phänomen der Vulgarität und ihren zahlreichen Facetten
kaum gerecht. Lexik ist ohne Einbezug des Kontextes für den Übersetzer nutzlos, denotative
und konnotative Äquivalenz ist utopisch (Czennia 2004:505). Im Gegensatz zu einer
diastratisch-diaphasisch gegliederten Sprache wie dem Englischen ist das Deutsche eine
immer noch relativ stark diatopisch strukturierte Sprache, welche nicht über eine
überregionale Umgangssprache verfügt, was stilistische Äquivalenz bei der Übersetzung
verunmöglicht (Schreiber 2006:105f.). Denotative, konnotative und stilistische Äquivalenz
sind unerreichbare und zugleich nicht ausreichende Ziele; was der Übersetzer anstreben
muss, ist pragmatische Äquivalenz. Denn was die Vulgärsprache ausmacht, ist in erster
Linie ihre soziale Funktion und erst in zweiter Linie die wörtliche Bedeutung der einzelnen
Vulgarismen. Fluchen, wie oben beschrieben, ist eine Verhaltensform, die sich der Mensch als
soziales Wesen bereits früh aneignen musste, um seine Aggressionen, welche potentiell fatale
Auswirkungen auf seine Gruppe haben konnten, zu kanalisieren. Durch das verbale Ausleben
von Gewalt kann bis zu einem gewissen Grad das Ausüben physischer Gewalt kompensiert
werden. Abgesehen vom Fluchen als Waffe, kann die Vulgärsprache aber auch ein
vereinendes Element unter Menschen sein. Eine Person kann sich einen bestimmten
Slangwortschatz mit Mitgliedern einer Gruppe (z.B. im engen Freundeskreis), einer Subkultur
(z.B. Rap-Szene), einer Gesellschaftsschicht (z.B. Arbeiter) oder einer Generation (z.B. heutige
Jugendliche) teilen. Ob – und wenn ja, wie und wo – dieser eingesetzt wird, liegt aber in ihrer
eigenen Entscheidung. So wird angenommen, dass die Verwendung von Slang jedem
Individuum freisteht und von ihm eingesetzt werden kann, um persönliche kommunikative
Ziele zu erreichen. Während bei Vulgarismen immer ein Verstoss gegen gesellschaftliche
Tabus erfolgt, ist dies bei Slangismen (als Oberkategorie) nicht zwingend der Fall. Seiner
Intention kann der Sprecher unterschiedlich Ausdruck verleihen, wobei ein neutraler oder
gar euphemistischer Ausdruck allgemein näher liegt, da er sozial akzeptiert ist, wohingegen
die Verwendung eines Vulgarismus einen mehr oder weniger bewussten Verstoss gegen
gesellschaftliche Tabus darstellt. Dabei kann der Sprecher die Intention haben, durch den
Tabubruch seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen (monologisch), einen Effekt auf den Hörer
zu erzielen (dialogisch) oder sich durch die gleiche Sprechweise mit dem Hörer zu verbünden
11
Link: http://www.urbandictionary.com/ [15.08.11]
23
(soziolektisch). Der Sprecher erreicht sein Ziel aber nur dann, wenn seine Intention auch zu
der gewollten Reaktion seitens des Angesprochenen führt (s. Kapitel 1c, Austin und Searles
perlokutiver Akt). Grundlegend für die Übertragung von Vulgarität in eine andere Sprache ist
deren Funktion in Ausgangs-
und Zielkultur.
Beim funktionalistischen Ansatz
(Kussmaul 2004) geht man davon aus, dass jeder Text in seine Kultur eingebettet ist und
darin einem bestimmten Zweck dient. Der Übersetzer muss sich dieses Zwecks bewusst sein,
um auf den verschiedenen Ebenen der Übertragung Entscheidungen treffen zu können. Als
Referenzrahmen für seine Entscheidungen dient ihm der ermittelte allgemeine Zweck der
Übersetzung in der Zielkultur. Jedes Wort, jeder Satz und jeder Sprechakt hat eine bestimmte
Funktion, welche zusammen den allgemeinen Zweck des Textes formen (ibid.:4). Dabei zieht
der Übersetzer bei seiner Analyse der Funktionsebenen immer weitere Kreise: von der
Funktion des Wortes, zur Passage, zum Text und seinem Thema über die Situation bis zur
Kultur.
Abb. 4: Individual „functional“ steps (Kussmaul 2004:6)
Am meisten verpflichtet ist der Übersetzer, welcher pragmatische Äquivalenz zwischen
Ausgangs- und Zieltext zu erzielen sucht, dem Empfänger. Die Übersetzung kann ihre
kommunikative Funktion nur dann erfüllen, wenn sie vom Leser auf Basis seiner
Verstehensvoraussetzungen rezipiert werden kann (Koller 2004:216). Oder um es mit der
Begrifflichkeit von Austin und Searles Sprechakttheorie zu sagen: Der Übersetzer muss
versuchen, eine Äquivalenz zwischen Ausgangs- und Zieltext herzustellen, indem er jeweils
den lokutiven und illokutiven Akt so nachvollzieht, dass der Zieltext dieselbe perlokutive
Kraft hat wie der Ausgangstext, also die Gesamtwirkung des Textes dieselbe bleibt
(Hatim 2009:205). Das Hauptproblem dabei ist, dass die Reaktion des Hörers nicht
vorhergesagt werden kann und die Intention oft nicht explizit durch Wörter ausgedrückt
wird, sondern implizit ist. Der Hörer entschlüsselt das Gesagte aufgrund des Kontextes
24
mithilfe seines Weltwissens. Der Kontext wird determiniert durch die persönlichen
Eigenschaften der Kommunikationspartner (Alter, Geschlecht, Berufsstand, Herkunft, soziale
Schicht, usw.), ihre Beziehung untereinander, die Situation sowie die Kultur. Das Erfassen der
aussersprachlichen, kulturgebundenen Realität, auf welche Bezug genommen wird, ist
grundlegend, um die Funktion von Vulgarität in einem bestimmten Kontext zu verstehen. So
können mit einem solch knappen Wort wie fuck je nach Kontext unzählige, auch
gegensätzliche Nuancen ausgedrückt werden:
FRAUD: I got fucked by my insurance agent.
DISMAY: Oh, fuck it!
TROUBLE: I guess I’m fucked now.
AGGRESSION: Fuck you!
PASSIVE: Fuck me.
CONFUSION: What the fuck?
DIFFICULTY: I can’t understand this fucking business.
DESPAIR: Fucked again.
PHILOSOPHICAL: Who gives a fuck.
INCOMPETENCE: He’s all fucked up.
LAZINESS: He’s a fuck-off.
DISPLEASURE: What the fuck is going on?
REBELLION: Oh, fuck-off!
(Andersson/Trudgill 1990:60)
Auch die Wirkung auf den Hörer kann je nach soziokulturellem Kontext unterschiedlich
ausfallen. Die Effektivität eines Vulgarismus wird durch den Bezug auf gesellschaftliche
Tabus, gegen die er verstösst, determiniert. Je stärker das Verbot, desto stärker der Verstoss
ergo desto stärker das Wort als Waffe. Was in einer Gesellschaft als Tabu gilt, lässt sich mit
Blick auf deren Vergangenheit und Gegenwart erschliessen. Eingedämmt werden sollen
Triebe, welche als schädigend für die Gesellschaft erachtet werden. So vertrat der
amerikanische Staat seit jeher eine restriktive Haltung gegenüber sprachlichen Formen,
welche die Institutionen der Kirche oder der Ehe angriffen. Europa zeigte und zeigt sich in
der Hinsicht toleranter. Daher stellt die Sprache in den USA noch heute explizit ein Kriterium
für die Alterseinstufung von Filmen dar, während dies für deutschsprachige Länder nicht
zutrifft.
Dem Übersetzer müssen die Facetten, welche über die rein sprachlichen Charakteristika weit
hinausgehen, bewusst sein, um eine auf die Problematik abgestimmte Übersetzungsstrategie
erarbeiten zu können. Für den Untertitler kommt erschwerend das Medium hinzu, welchem
seinerseits eine Reihe von Einschränkungen und Spezifitäten zugrunde liegen, die es im
Folgenden zu beschreiben gilt.
25
2. Untertitelung
Die Untertitelung hebt sich durch zahlreiche Besonderheiten von der Übersetzung ab. Die
Untertitelung gilt es daher zuerst zu definieren und von anderen Übersetzungszweigen
abzugrenzen, um dann ihre Spezifitäten zu analysieren und deren Auswirkungen auf den
Übersetzungsvorgang aufzuzeigen. Auch soll kurz auf die Geschichte der Untertitelung
eingegangen werden, um die Entwicklung dieser Disziplin nachvollziehen zu können.
Anschliessend soll der Forschungsverlauf aufgezeigt werden, um die für die spätere
Beispielsanalyse relevanten Theorien einzuführen und mögliche Zukunftsszenarien daraus
ableiten zu können. Ziel ist, ein Bewusstsein für die allgemeinen Problematiken der
Untertitelung zu schaffen, um im dritten Kapitel dann auf die spezifischen Schwierigkeiten,
welche sich bei der Übertragung von Vulgarität in der Untertitelung ergeben, eingehen zu
können.
a) Definition
Die Untertitelung ist, wie der Name sagt, das Übersetzen eines Films in Form von kurzen
Sätzen (Untertiteln), welche am unteren Bildschirmrand eingeblendet werden, oder präziser
gesagt:
Als Untertitel bezeichnet man die gekürzte Übersetzung eines Filmdialoges, die synchron mit dem
entsprechenden Teil des Originals auf dem Bildschirm bzw. auf der Leinwand zu sehen ist.
(Hurt/Widler 2006:261)
Die Definitionskriterien dabei sind:
Übertragung in eine andere Sprache (1) von verbalen Aussagen (2) in filmischen Medien (3) in Form von
ein- oder zweizeiligen Texten (4), präsentiert auf Leinwand oder Bildschirm (5) und synchron zur
Originalaussage (6). (Gottlieb 2001b:13 zitiert nach Schröpf 2008:37)
Die Untertitelung ist eine Form der Übersetzung, welche sich auf audiovisuelle Medien
beschränkt. Während Übersetzen meist impliziert, dass ein Text von einer Sprache und
Kultur schriftlich in eine andere übertragen wird, das Resultat also ebenfalls ein Text ist, so
wechselt beim Untertiteln zusätzlich zu Sprache und Kultur auch das Medium: Der
gesprochene Ausgangstext wandelt sich in einen schriftlichen Zieltext. Die Besonderheit
dabei ist, dass der Ausgangstext weiter bestehen bleibt, der Zuschauer (und Zuhörer) also
sowohl den Ausgangstext hört als auch den Zieltext liest. Dieses Phänomen wird bei Henrik
Gottlieb Diasemiotik genannt:
26
In polysemiotic texts […] the translator is constrained (or supported) by the communicative channel: visual
or auditory. If the translation uses the same channel – or set of channels – as the original, the result is an
isosemiotic translation; where it uses different channels the result is referred to as a diasemiotic translation.
(Gottlieb 1998:245)
Weiter listet Gottlieb die vier Kanäle auf, welche simultan auftreten und bei der Übersetzung
von Filmen und TV-Sendungen zu berücksichtigen sind:
(a) The verbal auditory channel, including dialogue, background voices, and sometimes lyrics
(b) The non-verbal auditory channel, including music, natural sound and sound effects
(c) The verbal visual channel, including superimposed titles and written signs on the screen
(d) The non-verbal visual channel: picture composition and flow. (ibid.)
Mithilfe dieser Kanäle lässt sich besser erfassen, welche Veränderungen zwischen Ausgangsund Zieltext stattfinden und inwiefern sich die Untertitelung von der von Laien oftmals mit
ihr
verwechselten
Synchronisation
unterscheidet.
Bei
der
Synchronisation,
dem
„Übersetzungsprozess, bei dem die Dialoge aus der Originalsprache übersetzt, von
Synchronsprechern oder Schauspielern in der Landessprache
aufgenommen und
anschliessend in das Videosignal gemischt werden“ (Cedeño Rojas 2007:94), bestehen alle
vier Kanäle weiter, wobei das in der Ausgangssprache Gesprochene durch in der Zielsprache
Gesprochenes ersetzt wird (isosemiotischer Charakter). Bei der Untertitelung hingegen
vollzieht sich eine Verschiebung von Kanal 1 zu Kanal 4 (Dialoge, Hintergrundstimmen und
gegebenenfalls gesungene Liedtexte werden als Untertitel eingeblendet). In der
Synchronisation wird also der semantische Gehalt von Kanal 1 in der Ausgangssprache durch
semantischen Gehalt in der Zielsprache ersetzt (gleicher Kanal), während bei der
Untertitelung Kanal 4 um die Informationen aus Kanal 1 ausgebaut wird. Bedingt durch die
Verschiebung respektive den Ersatz eines Kanals (Koexistenz von Originalton und
Übersetzung bei der Untertitelung vs. Ersatz bei der Synchronisation) unterscheidet sich die
Vorgehensweise bei der Untertitelung grundlegend von jener der Synchronisation (mehr zu
untertitelungsspezifischen
Schwierigkeiten
unter
Buchstabe
e).
Weitere
mit
der
Untertitelung verwandte Bereiche sind das Voice-Over, eine Überlagerung des Originaltons
mit der gesprochenen Übersetzung (Off-Ton, oft in Dokumentarfilmen verwendet), und die
Audiodeskription, bei welcher die Handlung im Film kommentiert wird, um das Verständnis
sehbehinderter Personen zu erleichtern. Bei der Audiodeskription spricht man auch von
intralingualer Untertitelung (Gottlieb 1998:247) – einem Wechsel des Modus (mündlich zu
schriftlich), nicht aber der Sprache. Dies steht im Gegensatz zur Untertitelung, welche
interlingual ist (Wechsel der Sprache) und von Gottlieb als diagonal bezeichnet wird, da der
Untertitler das in der Ausgangsprache Gesprochene umwandelt in in der Zielsprache
Geschriebenes, also sowohl ein Sprach- als auch ein Moduswechsel stattfindet
(Gottlieb 1997:107-134).
27
Um die Definition der Untertitelung in ihren Kontext einzubetten und die Dynamik in diesem
Bereich besser erfassen zu können, lohnt sich ein kurzer Blick in die Geschichte der
Untertitelung allgemein und spezifisch der Untertitelung im deutsch- und englischsprachigen
Raum.
b) Geschichte
Am Anfang war das Licht – und etwas später das elektrische Licht. Und nach dem
elektrischen Licht war dann irgendwann auch der Weg frei für die Erfindung des Films. Ende
des
19. Jahrhunderts
organisierten
die
Brüder
Lumière
die
ersten
öffentlichen
Filmvorführungen mit ihrem Cinématographen – die Idee fand Anklang. Da die Erfindung des
Tonfilms erst ein Jahrhundert später erfolgen würde, musste sich das Publikum während des
ganzen 19. Jahrhunderts mit der musikalischen Untermalung durch ein Orchester begnügen
und mit sogenannten Zwischentiteln Vorlieb nehmen, die zwischen den Bildern eingeblendet
wurden und Dialoge zusammenfassten oder die Handlung erklärten. Erst zu Beginn des
20. Jahrhunderts, als die Preise für Vorführgeräte nicht mehr so hoch waren, öffneten
Lichtspielhäuser ihre Pforten und erste Filmgesellschaften wurden gegründet. Das Medium
Kino gewann an Popularität, auch bei der breiten Masse. Da es sich um Stummfilme handelte,
war die Sprache kein Hindernis und so setzten sich Regisseure aus den verschiedensten
Ländern mit ihren filmischen Werken durch. Um sich aber gegen das ebenfalls beliebte
Medium Radio behaupten zu können, kamen Ende der 1920er Jahre schliesslich Tonfilme in
die Kinos. Da die grössten Studios in Hollywood waren, wurden die wichtigsten Filme auf
Englisch gedreht, womit sich erstmals die Frage der Übersetzung für anderssprachige
Adressatenkreise stellte. Verschiedenste Verfahren wurden angewandt: Aufführung des
Originals mit Zwischentiteln in landessprachlicher Übersetzung, stumme Aufführung des
Tonfilms mit landessprachlichen Zwischentiteln, Aufführung des unbearbeiteten Originals,
Produktion polyglotter Filme (Protagonisten sprechen in ihrer jeweiligen Landessprache),
Produktion von Mehrsprachenversionen (dasselbe Filmprojekt mehrfach mit verschiedenen
Besetzungen in den jeweiligen Landessprachen der Zielmärkte produziert), Aufführung von
Filmen mit Untertiteln, Aufführung von Filmen mit landessprachlicher Synchronisation
(Cedeño Rojas 2007:30-32). Die beiden letztgenannten Verfahren setzten sich schliesslich
durch.
Welches Verfahren – Untertitelung oder Synchronisation – heutzutage wo bevorzugt wird,
hängt vom Land ab. Allgemein lässt sich sagen, dass grössere Länder auch über grössere
finanzielle Mittel und ein grösseres Publikum verfügen und sich Synchronfassungen deshalb
für sie lohnen, während kleinere und/oder mehrsprachige Staaten oft auf die Untertitelung
28
zurückgreifen, welche kostengünstig ist und zudem die Möglichkeit bietet, gleichzeitig zwei
Sprachen anzubieten (so auch in der Schweiz üblich). Auch das Publikum hat je nach Land
oder Filmgenre andere Präferenzen und zieht das eine dem anderen vor.
In Deutschland ging die Synchronisation der Untertitelung voraus. Der erste Film wurde 1930
deutsch synchronisiert, und bereits Mitte der Dreissigerjahre liessen amerikanische Firmen
in Deutschland Synchronstudios bauen. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bereitete der
Synchronisation jedoch ein jähes Ende. Es war nunmehr verboten, ausländische Filme zu
zeigen. Erst mit dem Ende des Kriegs rollte eine regelrechte Synchronisationswelle über
Deutschland hinweg und amerikanische Produktionen dominierten alsbald den Markt. Die
Untertitelung hingegen etablierte sich erst in den 1980er Jahren mit der Entstehung des
Teletexts. Vorerst war die Untertitelung allerdings in erster Linie für Gehörlose und
Hörgeschädigte bestimmt, populärer wurde sie erst in den 1980er Jahren. Für das breite
Publikum hat die Untertitelung letztendlich mit der zunehmenden Beliebtheit von DVDs an
Bedeutung gewonnen – und dies nicht nur in Deutschland, sondern weltweit (Nagel 2009:3334). In Österreich werden zumeist die Synchronfassungen aus Deutschland gezeigt, während
in der deutschsprachigen Schweiz Filme meist in einigen Kinosälen einer Stadt als
Synchronfassung, in anderen mit Untertiteln gezeigt werden, die Wahl somit beim Zuschauer
liegt. Dadurch, dass sich deutsche Untertitel in der Schweiz den Platz mit französischen meist
teilen müssen, steht dem Untertitler weniger Platz zur Verfügung: nur eine anstatt zwei
Zeilen (welche Auswirkungen dies auf die Übertragung von Vulgarität hat, wird sich in der
Beispielsanalyse in Kapitel 4 zeigen).
In den USA machen ausländische Produktionen seit jeher nur einen Bruchteil des Marktes
aus, daher sind weder Synchronisation noch Untertitelung weit verbreitet. Auch im Rest der
anglophonen Welt sind Synchronisation und Untertitelung ob der schier unüberschaubaren
Fülle an englischsprachigen Filmen für die breite Masse eher unwichtig. Und doch finden sich
englischsprachige Untertitel auf vielen DVDs. Bei englischsprachigen DVDs richten sich diese
sowohl an hörgeschädigte Muttersprachler als auch an Nicht-Muttersprachler mit
Englischkenntnissen, denen die Untertitel eine zusätzliche Stütze zum Originalton sein
können.
Bei
nicht-englischsprachigen
Filmen,
insbesondere
bei
sogenannten
Independentfilmen, welche höhere künstlerische Ansprüche stellen, bevorzugt das Publikum
oft die Originalfassung mit Untertiteln, weil so die Authentizität des Films erhalten bleibt
(Originalton und –stimmen der Schauspieler).
Silke Nagel (2009:35-37) führt den Erfolgskurs der Untertitelung auf ökonomische,
sprachpolitische und publikumsbezogene Gründe zurück. Die Untertitelung war schon seit
jeher billiger als die Synchronisation. Diese Tendenz verschärft sich mit den laufend neuen
29
Entwicklungen der Untertitelungstechnologie weiter. Da es zudem immer schwieriger wird,
Fördergelder für Filme zu bekommen, die keine Blockbuster sind, anerbietet sich die
Untertitelung als Möglichkeit, solche Filme trotz kleinem Budget auf Festivals und dem
internationalen Markt präsentieren zu können. Mit der zunehmenden Popularität der DVD
hat sich die Untertitelung vermehrt in die Wohnzimmer geschlichen und auch bei anderen
Multimedia-Produkten etabliert. Bei Fernsehprogrammen wächst die Akzeptanz gegenüber
Untertiteln, da diese dank der gesetzlichen Verankerung einer Mindestanzahl von
untertitelten Sendungen für Gehörlose und Hörgeschädigte vermehrt in Erscheinung treten.
Sogar Musiksender wie MTV und VIVA gewöhnen ihre jungen Zuschauer bereits an Untertitel
– ohne auf Ablehnung zu stossen. Die Untertitelung wurde aber auch entdeckt als Mittel, die
Fremdsprachenkompetenz, die Lesefähigkeit der Muttersprache sowie das Lernen einer
offiziellen Amtssprache zu verbessern (s. d’Ydewalles Studien im nächsten Kapitel).
Dank der technologischen Fortschritte in diesem Bereich entwickelt sich die audiovisuelle
Übersetzung laufend weiter und bringt neue Formen hervor. Deshalb ist die Forschung
gefordert, schnell auf Veränderungen zu reagieren, um Schritt halten zu können mit der
Praxis.
c) Theoretische Ansätze
Die Untertitelung ist eine Disziplin, der von der Forschung lange Zeit wenig Beachtung
geschenkt
wurde.
So
taucht
der
Begriff
des
audio-medialen
Textes
in
den
Übersetzungswissenschaften erst 1971 in einer Arbeit von Katharina Reiss auf. Später stellt
der multi-mediale Texttyp im Rahmen ihrer Texttypologie eine eigene Kategorie dar:
Schrifttexte, die erst zusammen mit bildlichen Darstellungen [...] oder mit Musik [...] das vollständige
Informationsangebot ausmachen, weisen alle eine Interdependenz der verschiedenen Medien bei der
Textgestaltung auf. Ohne Beachtung dieser Interdependenzen können solche Texte nicht adäquat übersetzt
werden. Wir fassen solche Texte in einem eigenen Typ, dem multi-medialen Texttyp, zusammen [...]. Dieser
vierte Typ überlagert die drei Grundtypen, denn sowohl informative als auch expressive und operative
Texte können in der Gestalt des multi-medialen Texttyps auftreten. (Reiss/Vermeer 1991:211)
Das Definitionskriterium der ersten drei Texttypen ist deren Funktion (informativ, expressiv,
operativ), während beim multi-medialen Text der Kanal im Vordergrund steht. Aus diesem
Grund können multi-mediale Texte auch informative, expressive und/oder operative Züge
aufweisen.
Trotz der Hervorhebung des Aspekts der Multi-Medialität durch Reiss musste sich die
Untertitelung vorerst mit einer Nebenrolle innerhalb der Übersetzungswissenschaft
begnügen. An Bedeutung gewann sie erst Ende der 1980er Jahre, als ihre wachsende
Popularität schliesslich auch das Interesse der traductologues weckte. Damit einher ging auch
eine stetige Erweiterung des Forschungsfelds von „film translation“ 1988 bei Snell-Hornby
30
über „media translation“ 1994 bei Eguiluz hin zu „multimedia translation“ 2001 bei Gambier
und
Gottlieb
(Pérez González 2009:13).
Hie
und
da
finden
sich
in
übersetzungswissenschaftlichen Arbeiten früher schon Abschnitte zur Untertitelung, doch
Georg-Michael Luyken (1991) war einer der ersten Autoren, welcher der Synchronisation
und Untertitelung ein eigenes Buch widmete. Darin beschreibt er die Mechanismen,
Berufsbilder, wirtschaftlichen und zielgruppenspezifischen Faktoren der Synchronisation
und Untertitelung im Kontext des europäischen Fernsehens. Er stellt eine Liste von
Programmgenres auf und setzt diese in Beziehung mit einem Übersetzungstyp (Untertitelung
oder Synchronisation). Ein Jahr später befasst sich auch Jan Ivarsson mit der Thematik und
trennt die Untertitelung entschieden von der Übersetzung: „This book is about subtitling, not
translation. Translation is a different art. [...] for subtitling is very close to the work of a
conference interpreter [...].” (Ivarsson 1992:7). Im Gegensatz zu Luyken fokussiert Ivarsson
nur auf die Untertitelung, da er voraussah, dass dieser durch ihr Vordringen in TVProgramme eine grössere Zukunft bevorstehen würde. Das grösste Verdienst Ivarssons aber
ist, dass er sich mit seinem Buch für die Aufwertung der Untertitelung einsetzte, welche
damals gemeinhin als eine minderwertige Form der Übersetzung galt (Ivarsson 1992:10f.).
Neben den technischen Voraussetzungen und der Ausrüstung, den Methoden, Konventionen
und unterschiedlichen Formen der Untertitelung, betont der Autor auch die Notwendigkeit
einer angemessenen Schulung (Ivarsson 1992:22). Wie genau diese aussehen soll, lässt er
vorerst offen. Ein paar Jahre später legt er dann zusammen mit Mary Carroll
(Ivarsson/Carroll 1998) einen Code of Good Subtitling Practice vor – eine Zusammenstellung
allgemeiner Richtlinien, an die sich Untertitler zur Qualitätssicherung halten sollten. Seit
1996 setzt sich auch die European Association for Studies in Screen Translation (ESIST) für
eine engere Zusammenarbeit zwischen Lehre und Praxis ein (Gambier 2004:1048). Eine
genaue Definition dessen, was die Untertitelung ist, findet sich aber weder bei Luyken noch
bei Ivarsson – vielleicht, weil die Grenzen der Untertitelung damals offensichtlich erschienen?
Mit der Evolution des Textbegriffs in der Übersetzung und der Erweiterung der Grenzen der
audiovisuellen Translation wurde dann aber eine Ein- und Abgrenzung nötig. Dieser sollten
sich Yves Gambier und Henrik Gottlieb später annehmen. Gambiers 1996 publizierter
Sammelband befasst sich in erster Linie mit der Situation in verschiedenen Ländern und den
zahlreichen Formen der audiovisuellen Übersetzung, während sein 1998 veröffentlichter
Sammelband sich zusätzlich den Schulungsmöglichkeiten von Untertitlern widmet (vgl.
Gambier 1996 mit Gambier 1998). Gottlieb wiederum hat sich im Rahmen seiner
Doktorarbeit mit der Untertitelung auseinandergesetzt und verschiedenste Aspekte
aufgegriffen (Gottlieb 1997): didaktische (Hochschulausbildung), psychologische (Studie zum
Verhalten beim Lesen von Untertiteln) und linguistische (Untertitelung von Wortspielen). Die
31
anschliessende Zusammenarbeit der beiden Wissenschaftler zeigt sich äusserst fruchtbar
und bringt 2001 aus heutiger Sicht ein Standardwerk hervor. In (Multi)Media Translation
(Gambier/Gottlieb 2001) findet sich denn auch ein Versuch der Eingrenzung dieser Disziplin.
So umfasst die „multimedia translation“ nach Gambier und Gottlieb nebst den Formen der
Untertitelung
und
Synchronisation
auch
Voice-Over,
Bilderzählung
(narration),
Simultandolmetschen, Übertitelung und bestimmte Formen der Lokalisation und erstreckt
sich auf die Medien Radio, Fernsehen, DVD und Internet (Gambier/Gottlieb 2001:xf.). Doch
klare Grenzen zu ziehen, erscheint den Autoren unmöglich:
Indeed, with audiovisual and multimedia texts, the borders are blurred between centre and periphery in
terms of production and reception, between public and private sectors in terms of organization, between
distance and proximity in terms of space, between life and pre-recorded in terms of broadcasting, between
reality and fiction in terms of reference, between written and oral in terms of code, between verbal and nonverbal in terms of systems of signs. (Gambier/Gottlieb 2001:xi)
Die sich ständig verändernde Medienlandschaft zwingt den Untertitler, sich laufend an die
neuen Gegebenheiten anzupassen. So haben sich seit der Veröffentlichung des Buches im Jahr
2001 die Formen des Vertriebs und der Digitalisierung und die Auswahl an
Computerprogrammen enorm weiterentwickelt, was besonders in den letzten beiden
Jahrzehnten Anlass zu einer Reihe von Publikationen gegeben hat. So widmen sich zahlreiche
Sammelbände der Ergänzung der vorher genannten Standardwerke um die neuesten Trends,
zum Beispiel Chiaro et al. (2008) oder Díaz Cintas et al. (2009). Im Sammelband von Delia
Chiaro et al. wird das Augenmerk auf technologische Fortschritte (Datenbanken und
Korpora)
sowie
auf
linguistische,
empirische,
kulturelle,
psycholinguistische
und
sozioökonomische Ansätze gerichtet. Die Autoren um Jorge Díaz Cintas befassen sich eher mit
Teilaspekten, welche noch nicht abgehandelt worden sind: Fallstudien zu Dialekten
bestimmter Regionen und zu Wortarten oder Genres in bestimmten Sprachen. Auch die
Untertitelung von Humor und linguistic variation (Mündlichkeit, Fluchen, Höflichkeit) wird
diskutiert. Ebenfalls im Jahr 2009 wurde zum ersten Mal ein Werk über die Untertitelung
herausgegeben,
das
interaktiv
ist:
Audiovisual
Translation:
Subtitling
(Díaz
Cintas/Remael 2009) fasst die aktuell relevanten Untertitelungstheorien übersichtlich
zusammen und lädt den Leser am Ende jedes Kapitels ein, sich via diverser Webseiten
Informationen zu beschaffen, um sich so seine eigene Meinung zu bilden. Ausserdem verfügt
es über eine DVD, auf der sich die Untertitelungssoftware WinCAPS befindet, was dem Leser
ermöglicht, selber praktische Erfahrungen zu sammeln.
Doch ausser der Übersetzungswissenschaft fand auch die Psychologie Interesse an der
Untertitelung. Géry d’Ydewalle untersuchte mit seinem Forscherteam die Untertitelung unter
anderem unter dem Aspekt des Leseverhaltens (1991), des Fremdsprachenerwerbs bei
Kindern (2001) sowie der visuellen Wahrnehmung (2007). In Bezug auf das Leseverhalten
32
stellte d’Ydewalle fest, dass beim Schauen eines Films in einer Fremdsprache die
Sprachkenntnisse und das Ausschalten des Tons keinen Einfluss haben auf die (sehr hohe)
Gesamtlesezeit und, dass die Subjekte selbst bei einem muttersprachlichen Film viel Zeit mit
dem Lesen von Untertiteln verbringen, was sowohl auf ein Anstreben besseren
Verständnisses als auch auf die Dominanz des visuellen Kanals zurückzuführen sein könnte
(d’Ydewalle/Praet/Verfaillie/Van Rensbergen 1991). In anderen Studien (1995 mit HighSchool-Schülern und Studenten, 1997 mit holländischsprachigen belgischen Kindern im Alter
von 8-12 Jahren) zeigte sich, dass das Lesen von Untertiteln den Fremdsprachenerwerb (vor
allem hinsichtlich des Lernens neuer Vokabeln) unterstützt und dieser Effekt, je stärker ist,
desto mehr Basiskenntnisse vorhanden sind oder desto mehr Gemeinsamkeiten die
Fremdsprache mit der Muttersprache aufweist. Interessanterweise lernen Kinder die
Fremdsprache besser im Originalton mit Untertiteln in der Muttersprache, während es bei
Erwachsenen genau umgekehrt ist: Die besten Resultate wurden mit dem reversed subtitling
mode – Muttersprache im Soundtrack mit Untertiteln in der Fremdsprache – erzielt
(d’Ydewalle/Van de Poel 2001). Beim Aufzeichnen der Augenbewegungen 10-12-jähriger
Kinder, welche sich einen untertitelten Film anschauten, zeigte sich die Flexibilität des
kognitiven
Apparats,
die
Wahrnehmung
verschiedener,
gleichzeitig
bestehender
Informationsquellen (Bild, Ton und Untertitel) aufeinander abzustimmen. Auch stellte sich
heraus, dass zweizeilige Untertitel ein regelmässigeres Leseverhalten zur Folge haben als
einzeilige, da letztere oftmals Informationen enthalten, die auch aus dem Bild entnommen
werden können (d’Ydewalle/de Bruycker 2007).
Doch trotz Ivarssons Forderung einer getrennten Betrachtung von Untertitelung und
Übersetzung und der Eigendynamik, die die Forschung im Bereich der audiovisuellen
Übersetzung
in
den
letzten
Jahrzehnten
entwickelt
hat,
hat
sich
die
Untertitelungswissenschaft nie von der Übersetzungswissenschaft abgespalten. Sie stellt
heute einen wichtigen Zweig dieser dar und übertrifft sie wenn nicht an Grösse, dann
zumindest an Innovation. So wird ihr gemeinhin eine grosse Zukunft prophezeit.
d) Zukunft
Heidrun Gerzymisch-Arbogast und Mary Carroll wagten im Sammelband, der zum 20.
Jubiläum des Transforums (einem Forum zur Koordinierung der Praxis und Lehre von
Dolmetschen und Übersetzung) veröffentlicht wurde, eine Prognose zu der Entwicklung der
Untertitelung.
Die
Übersetzungswissenschaftlerin
Gerzymisch-Arbogast
richtete
ihr
Augenmerk auf die Multidimensionalisierung der Übersetzung, während Carroll sich als
„Frau der Praxis“ mit dem Berufsprofil des Multimedia-Übersetzers befasste. Bereits 2005
33
sah Gerzymisch-Arbogast grundlegende Veränderungen in der Übersetzung allgemein, deren
Grenzen – wie sie Jakobson einst in intralinguale, interlinguale und intersemiotische
Übersetzung unterteilte – mehr und mehr verschmelzen durch das Aufkommen neuer
Technologien. So bewegt sich das einst eindimensionale Übersetzen bzw. Dolmetschen hin zu
„mehrdimensionalen Kommunikationsszenarien mit multilingualen, multimodalen und
polysemiotischen Aspekten“ (Gerzymisch-Arbogast 2005:23). Dies veranlasste sie, den
Begriff der Translation neu zu definieren und ihn weiter zu fassen:
Wenn wir davon ausgehen, dass – ungeachtet möglicherweise komplexer Formen des „Materials“ – die
differentia specifica jeder Translation der „Transfer“ ist und zudem annehmen, dass Translation eine
menschliche, keine maschinelle Aktivität ist, dann können wir vorschlagen, dass es einen gemeinsamen
(theoretischen) Kern aller Translationsvorgänge gibt, der etwa wie folgt beschrieben werden kann, nämlich
dass: ein als Äusserung vorliegendes Anliegen/Interesse eines Sprechers bzw. Schreibers mithilfe eines
Zeichensystems 1 in einem Medium 1 formuliert (=Original) für einen Hörer bzw. Leser unter einem
bestimmten Zweck mithilfe eines Zeichensystems 1, 2 und/oder 3 und eines Mediums 2 oder mehrerer
Medien 3, 4, 5 (=Translat) verstehbar gemacht wird. (ibid.:24f.)
Die multidimensionale Translation macht aus, „dass ein Anliegen oder Interesse vorliegt, dass
der Transfer zweckgebunden erfolgt und einen Medien- und Zeichensystemwechsel
implizieren kann“ (ibid.:25). Die Definition scheint bewusst vage formuliert worden zu sein,
um auch komplexe Formen der Translation wie jener von Videospielen und Infotainment
einzuschliessen und Raum zu lassen für künftige Entwicklungen. Denn diese Entwicklungen
stellen Herausforderungen dar, denen sich sowohl Praxis und Lehre als auch Forschung
stellen müssen (ibid.:29). Carroll führt die Veränderungen in der Übersetzerwelt einerseits
auf die schnelle Entwicklung immer neuer Informationstechnologien und deren Invasion
unseres Alltags zurück, andererseits aber auch auf die Globalisierung, welche unter anderem
zu einer Internationalisierung des Fernsehens und Kinos und so auch zu der Lokalisation
audiovisueller Medien allgemein geführt hat (Carroll 2005:73). Die Erfindung der DVD
machte es zur Selbstverständlichkeit, dass jeder Zuschauer unter zahlreichen sprachlichen
Fassungen eines Films auswählen kann, Fernsehkanäle können mittlerweile auf der ganzen
Welt empfangen werden, und über Laptops, Bildschirme in öffentlichen und privaten
Einrichtungen sowie über Mobiltelefon ist der Durchschnittsbürger laufend konfrontiert mit
audiovisuellem Material. Carroll schätzt, dass die Downloadkultur bald überhand nehmen
wird über die traditionellen Medien und die Zukunft dem Video-on-Demand – dem
Herunterladen bzw. Streamen (fortlaufende Datenübertragung) von Videomaterial übers
Internet – gehören wird. Das Volumen interlingualer Translation nimmt dank der
Globalisierung, das Volumen intralingualer Translation bedingt durch die gestärkte rechtliche
Stellung sehbehinderter und hörgeschädigter Personen zu (ibid.:77). Carroll listet die
Berufsprofile des modernen audiovisuellen Translators auf und definiert seine Aufgaben wie
folgt:
34
Screen translators engage in a wide range of polysemiotic activities. All are attempting to communicate and
complement the content of images and sounds. Many cross between the spoken and the written word. Most
engage in cultural transfer. All must comply with temporal and/or spatial restrictions. (ibid.:78)
Jetzt, sechs Jahre später, bestätigen sich die Vermutungen von Gerzymisch-Arbogast und
Carroll. Digitale Medien sind Gegenwart und Zukunft. Der Markt für audiovisuelle Translation
ist dank dem vermehrten Konsum von Filmen und Werbung übers Internet und der
Mobiltelefonie in den letzten Jahren rasant gewachsen. So werden mehr untertitelte
Fassungen denn je produziert: von Spielfilmen für DVD-Releases, Filmfestivals oder das
Fernsehen über Werbefilme für Firmenzwecke bis hin zu Videos oder Videospiele für
Unterhaltungszwecke auf Computer und Mobiltelefon. Auch das digitale Kino (auch D-Cinema
genannt), bei welchem die Speicherung und Verbreitung von Filmen digital und nicht mehr
auf Filmrollen erfolgt, setzt sich immer mehr durch. Im Jahr 2002 haben sich die grossen
Hollywood-Studios Disney, Fox, Paramount, Sony Pictures Entertainment, Universal und
Warner Bros. Studios zusammengetan, um mit ihren Digital Cinema Initiatives12 das digitale
Kino zu standardisieren. Die qualitative Überlegenheit und die Vereinfachung der
Vertriebskette (Wegfallen des kostspieligen Transports von 30 Kilogramm schweren
Filmrollen) gegenüber dem seit über hundert Jahren als Standard geltenden 35-MillimeterFilm haben die meisten grossen US-Kinosaalketten veranlasst, sich zum Ziel zu setzen,
innerhalb der nächsten Jahre vollständig auf die neue Technologie umzustellen. Dem Druck
werden sich mittlere und kleinere Kinos unter Umständen nicht mehr lange entziehen
können. Auch der Druck auf die Untertitler wird grösser: Vermehrt finden Amateure Gefallen
an der Untertitelung ihrer Lieblingsfilme oder –serien und stellen ihre Werke zum
kostenlosen Download ins Internet. Ein Phänomen, welches durch Fansubs – der inoffiziellen
Untertitelung japanischer Anime-Produktionen für nicht-japanische Zuschauer – in den
späten 1980er Jahren aufkam und sich seither langsam auf andere Bereiche ausweitet
(Bogucki 2009:49-57, Díaz Cintas/Remael 2009:26-27). Inwiefern dies eine Gefahr für den
Beruf des Untertitlers darstellt, wird sich zeigen.
Was bei der Untertitelung trotz all dieser Entwicklungen aber weitgehend unverändert
geblieben ist, sind die Herausforderungen, denen sich der Untertitler stellen muss.
e) Untertitelungsspezifische Schwierigkeiten
Ziel einer guten Untertitelung ist es, dem Zuschauer alle Informationen zu vermitteln, die für
das Verständnis des audiovisuellen Materials von Bedeutung sind. In der Praxis ist dabei
meist irrelevant, ob das Hörvermögen oder die Sprachkenntnisse des Lesers eingeschränkt
sind, da die gleichen Untertitel oft für mehrere Zielgruppen bestimmt sind: Kinder,
12
Digital Cinema Initiatives, LLC (DCI) : http://www.dcimovies.com/ [15.08.2011]
35
Jugendliche, Erwachsene und Senioren; muttersprachliche und fremdsprachliche Personen;
hörgeschädigte und nicht-hörgeschädigte und/oder sehbeeinträchtigte Personen; Personen
unterschiedlicher Intelligenz und Lesefähigkeit (Ivarsson 1992:43). Schwierigkeiten, die bei
der Untertitelung zu den allgemeinen Problematiken des Übersetzens hinzukommen, sind in
erster Linie die Begrenzung von Zeit und Raum sowie das gleichzeitige Bestehen
verschiedener Kanäle. Bevor aber näher auf diese eingegangen wird, lohnt sich ein Blick in
die Forschung, um nachvollziehen zu können, wie das menschliche Gehirn Informationen aus
Untertiteln überhaupt verarbeiten kann. Denn daraus ergeben sich die Schwierigkeiten bei
der Untertitelung und die Richtlinien für die Praxis.
Zoé de Linde und Neil Kay (1999:59-73) liessen die Augenbewegungen hörgeschädigter und
nicht-hörgeschädigter Personen beim Schauen von untertitelten Videoclips (ohne Ton)
aufzeichnen, mit dem Ziel, Charakteristika, welche das Leseverhalten beeinflussen, zu
identifizieren und mögliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zu ermitteln. Sie
kamen zu dem Schluss, dass die Untertitelrate (Anzahl Untertitel pro Zeiteinheit), die
Synchronizität zwischen Untertitel und Bild, die Häufigkeit von Weglassungen und die
Sichtbarkeit des Sprechers grossen Einfluss auf das Leseverhalten ausüben. Bei beiden
Gruppen
wurde
das
Verständnis
der
Filmausschnitte
negativ
beeinflusst
durch
Doppeldeutigkeit oder den Mangel an Referenz, da diese dem Leser mehr Aufmerksamkeit
abverlangen und den Lesefluss durch mehrmaliges Lesen des ganzen Untertitels oder durch
die Fixierung auf bestimmte Wörter verlangsamen. Insbesondere hörgeschädigte Personen
haben Mühe, mit mehrdeutigen oder kontextfreien Aussagen umzugehen. Der Mangel an
Kontext wird auch zum Problem, wenn sich zum Beispiel bei einem Dialog nur eine Person im
Bild befindet, die Untertitelung asynchron (zu früh oder zu spät) eingeblendet wird oder
unklar ist, wer spricht. Wobei allgemein nicht-hörgeschädigte Personen im Vorteil sind, da
die Stimme des Sprechers automatisch mit dem gleichzeitig eingeblendeten Untertitel
assoziiert wird, der Blick also nicht zur Überprüfung nach oben wandern muss. Verwirrung
stiftet hingegen bei beiden Gruppen, wenn ein Filmschnitt während des Einblendens von
Untertiteln auftritt: der Blick wird auf das Bild gelenkt und der Untertitel muss danach erneut
gelesen werden. Auch das Weglassen von Wörtern stellt ein Problem dar, wenn eine zu
grosse Diskrepanz zwischen der Anzahl Mundbewegungen und der Anzahl eingeblendeter
Wörter besteht. Auch wird der Zuschauer (insbesondere der hörgeschädigte) stärker
abgelenkt, wenn der Sprecher die Handlung aus dem Off kommentiert, als wenn der Sprecher
im Bild ist und sich wenig bewegt. Denn obschon hörgeschädigte Personen in letzterem Fall
dazu neigen, den Blick zwischen Bild und Untertiteln hin und her schweifen zu lassen, um die
Lippenbewegungen zu verfolgen, ist dies für sie weniger anstrengend, als wenn sie zugleich
36
Untertitel lesen und die Handlung im Bild verfolgen müssen, um sie auf die in den Untertiteln
vorhandenden Elemente zu überprüfen.
Die Crux der Untertitelung ist folglich die Synchronizität. Idealerweise werden Untertitel
immer synchron zu Bild und Ton eingeblendet, beinhalten alle wichtigen Informationen und
ergänzen sich optimal mit den anderen Informationsquellen – denn dem Zuschauer sollte
genügend Zeit bleiben, um zwischen dem Lesen der Untertitel die Handlung zu verfolgen.
Auch sollten Untertitel weder zu kurz sein, da dem Zuschauer sonst wichtige Informationen
entfallen, noch zu lang sein, da die Untertitel sonst mehrmals gelesen werden. Zudem
impliziert die Simultaneität von Bild, Ton und Untertiteln, dass der Ausgangstext in
erheblichem Masse reduziert werden muss, da das Lesen von Untertiteln mehr
Aufmerksamkeit erfordert als das Hören eines Dialogs. Einer Studie zufolge ist der
geschriebene Zieltext allgemein um 43% kürzer als der gesprochene Ausgangstext
(de Linde/Kay 1999 zitiert nach Pérez González 2009:15). Wie lang ein Untertitel
eingeblendet werden sollte, hängt dabei auch von der Ausgangs- und Zielsprache ab und den
Konventionen, an die das Zielpublikum gewöhnt ist. Ein Gleichgewicht zu finden, ist
schwierig, da mehrere Kanäle gleichgeschaltet sind, der Mensch aber nicht fähig ist,
Sinneseindrücke
gleichzeitig
zu
verarbeiten.
Darüber
sind
sich
auch
die
Untertitelungstheoretiker einig. So umfassen die meisten Standardwerke – mehr oder
weniger
ausführlich
und
komplett
–
dieselben
Punkte
(vgl.
Ivarsson 1992,
de
Linde/Kay 1999; Pérez González 2009, Díaz Cintas/Remael 2009). Eine umfassende und
logisch angeordnete Auflistung legt Frederic Chaume im Jahr 2004 vor. Chaume (2004:167306) schlüsselt die Probleme, welche spezifisch sind für die audiovisuelle Translation,
anhand der beiden Kanäle – auditiv und visuell – auf und gliedert sie nach Codes.
37
Abb. 5: Spezifische Probleme der audiovisuellen Translation (Chaume 2004:305)
Interessant dabei ist, dass Chaume übersetzungs- und filmwissenschaftliche Theorien in
seinem Modell vereint und nicht-verbale Elemente, welche oftmals vergessen oder nur am
Rande behandelt werden, in seine Analyse mit einbezieht. Der akustische Kanal umfasst den
sprachlichen, die parasprachlichen, den musikalischen (inkl. Hintergrundgeräusche) und den
diegetischen Code, während der visuelle Kanal sich aus dem ikonographischen Code, dem
photographischen Code, dem Code der Einstellungsgrösse, den Codes der Bewegung, den
graphischen Codes sowie den syntaktischen Codes zusammensetzt. Im Folgenden wird nur
auf die für die Untertitelung relevanten Punkte eingegangen, wobei die Besonderheiten der
Untertitelung für hörgeschädigte Personen beiseitegelassen werden und nur jene Punkte
erwähnt werden, welche auch auf die deutschsprachige Untertitelungspraxis zutreffen.
Innerhalb des AKUSTISCHEN KANALS stellt der sprachliche Code (ibid.:167-186) durch den
Wechsel von mündlich zu schriftlich eine besondere Herausforderung an den Untertitler dar.
Mündlichkeit ist allgemein schwierig schriftlich zu übertragen, um so mehr bei der
Untertitelung, als dass die Leserlichkeit das oberste Gebot darstellt und das Endprodukt die
Konventionen von Länge, Unmittelbarkeit und Relevanz einhalten muss. Die Mündlichkeit im
Original ist keine echte, da es sich bei den Sprechern um Schauspieler handelt, welche einen
geschriebenen Text vortragen. Die Mündlichkeit in der Übersetzung ist ebenfalls unecht, da
38
sie kompakter ist und mehr Kohäsionsmittel eingesetzt werden. Denn der Untertitler muss
ein Gleichgewicht finden zwischen Authentizität und Informationsangebot sowie dem
Befolgen sprachlicher und stilistischer Normen. Dabei sollte er die Unterschiede von
Ausgangs- und Zielkultur berücksichtigen. Dialoge sollten natürlich und spontan wirken,
obschon sie sowohl im Ausgangs- als auch im Zieltext inszeniert sind. Als allgemeine
Übersetzungsnorm schlägt Chaume vor, in der Untertitelung auf die Standardsprache
zurückzugreifen und gleichzeitig ein Register gesprochener Sprache nachzuahmen
(ibid.:172). Dahingestellt sei, wie mit dieser Norm eine Übertragung von Vulgarismen, welche
per se im Spannungsfeld zwischen unterschiedlichen Registern und Sprachebenen stehen,
erfolgen soll. Ergänzt wird der sprachliche Code durch die parasprachlichen Codes
(ibid.:186-201). Unter dem Begriff paralingualer/paralinguistischer Phänomene versteht
man:
Solche [Phänomene], die sich zwar in der Sprache äussern, die aber an sich nicht sprachlicher Natur sind –
die also in der Saussurschen Terminologie wohl zur „Parole“ aber nicht zur „Langue“ gehören. Dabei geht es
meistens um akustisch-auditive Phänomene, die sich in den Eigenschaften der Stimme und im
Sprechausdruck zeigen, und die der nonverbalen vokalen Kommunikation dienen. (Traunmüller 2004:653)
Lange missachtet, da die Parasprache nicht im eigentlichen Sinne übersetzt wird, ist sie doch
von grundlegender Bedeutung in der Übersetzung und vor allem in der Untertitelung, da sich
der Sinn eines Films erst durch die Kombination von sprachlichen Elementen (den
Untertiteln) mit nicht-sprachlichen Elementen ergibt. Parasprachliche Informationen werden
akustisch über Stimmcharakteristika wie Intonation, Rhythmus, Tonfall, Timbre, Resonanz,
usw. übermittelt, welche beim Hörer bestimmte Emotionen evozieren. Parasprachliche
Zeichen sind aber zudem auch kulturgebunden. Während eine Pause im Sprechfluss in fast
allen Kulturen auf Zweifel oder Unsicherheit hinweist und ein Gähnen auf Müdigkeit oder
Langeweile, so ist zum Beispiel die Intonation von Sprache zu Sprache unterschiedlich.
Diesen Unterschieden kann der Untertitler bei seiner Arbeit allerdings kaum gerecht werden
– eine Möglichkeit zu Fussnoten wie in der Übersetzung besteht leider nicht. Die einzige
Übertragungsmöglichkeit ist die optische. Die wenigen parasprachlichen Elemente, welche
übertragen werden, sind Sprechpausen (gekennzeichnet durch „…“ für kurze Pausen oder
zeitliche Abstände in den Untertiteln für längere Pausen), Satzzeichen für Ausrufe und Fragen
oder der Anfang der Aussage des jeweiligen Sprechers bei Dialogen (gekennzeichnet durch
Bindestriche). Von der Möglichkeit, betonte Wörter durch Grossbuchstaben oder kursive
Schrift zu kennzeichnen oder getrennt ausgesprochene Silben durch „-“ zu markieren, wird
eher selten Gebrauch gemacht. Die musikalischen Codes (Chaume 2004:201-209) werden
manchmal untertitelt, allerdings nur dann, wenn der Liedtext als wichtig erachtet wird und
im Film nicht zeitgleich gesprochen wird. Mit dem diegetischen Code wird der polyphone
Charakter audiovisueller Texte bezeichnet. Diese Polyphonie bezieht sich sowohl auf die
39
Mehrzahl von diegetischen Figuren (in der Szene anwesende aber nicht sichtbare Personen)
oder nicht-diegetischen Figuren (Erzählstimme aus dem Off) als auch auf deren räumliche
Position während des Sprechens (ibid.:209-216). Bei der Untertitelung spielt die Diegese eine
relativ unbedeutende Rolle, lediglich Stimmen aus dem Off werden markiert, indem sie kursiv
gesetzt werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Informationen, welche von den
verschiedenen akustischen Codes übermittelt werden, nur als Ganzes analysiert werden
können, da sie erst im Zusammenspiel einen Sinn ergeben und dem audiovisuellen Text seine
Authentizität verleihen. Unter allen akustischen Codes nimmt der sprachliche Code im
semiotischen Gefüge eine vorherrschende Stellung ein, da dieser akustische und visuelle
Sinneseindrücke vereint, ergänzt oder ihnen widerspricht und so eine Kohäsion des Ganzen
sicherstellt. Somit bedarf er der besonderen Aufmerksamkeit des Untertitlers.
Der VISUELLE KANAL spielt eine grosse Rolle bei der Übersetzung von audiovisuellen Texten,
weil sich der Sinn eines Films aus der Interaktion der auditiven mit der visuellen Narration
ergibt und massgeblich das Handeln des Untertitlers beeinflussen sollte. Diese Interaktion
führt zu einem Endprodukt, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Nach Chaume stellt das
Informationsangebot von Untertiteln verglichen mit dem Informationsangebot des
Ausgangstextes denn auch eine höhere Ebene der Kohäsion dar, da die Untertitel die
Verbindung zwischen dem Gesehenen und dem Gehörten herstellen, das Ganze zu einem
kohärenten Gebilde vereinen (ibid.:225). Wichtig ist der visuelle Kanal auch deshalb, weil es
im Bild nebst vielen universellen auch viele kulturgebundene Zeichen gibt, deren
Entschlüsselung nicht vom Zielpublikum erwartet werden kann. Womit man wieder bei der
Pragmatik und dem Peirce’schen Zeichenmodell wäre. Nach Peirce stehen sprachliche
Zeichen in einer pragmatischen Dimension (s. Kapitel 1c): Sprache ohne Benutzer ist
undenkbar, da die Elemente des Zeichensystems nur dank der Sprecher auf Teile der
aussersprachlichen
Wirklichkeit
bezogen
werden
(Pelz 2007:242-243).
Die
unterschiedlichen Arten des Bezugs zwischen Zeichen und Objekt gliedert Peirce in drei
Kategorien: Ikone, Indizes, Symbole. Beim Ikon besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen
der Form des Zeichens und dem, was es ausdrückt (z.B. Piktogramme), ein Index hingegen
weist nur auf ein Objekt hin (z.B. Rauch -> Feuer), während ein Symbol keine Ähnlichkeit
aufweist, sondern willkürlich festgelegt wurde. Verstanden wird ein Symbol nur, weil seine
Bedeutung zur Gewohnheit geworden ist (z.B. das Wort Stuhl als Bezeichnung für den
Gegenstand), eine Sprachgemeinschaft sich gewissermassen geeinigt hat, ein Objekt oder
einen Sachverhalt so zu nennen. Aber auch nicht-verbale Zeichen hängen von der jeweiligen
Gesellschaft ab und werden nicht in jeder Kultur gleich interpretiert. Chaume wendet Peirces
Theorie auf audiovisuelle Texte an und befasst sich mit der Bedeutung des
ikonographischen Codes für die Übersetzung audiovisueller Texte (Chaume 2004:228-245).
40
Er bezeichnet Hintergrundgeräusche und visuelle Informationen als Indizes. Indizes werden
vom Drehbuchautoren oder Regisseur gewollt eingesetzt oder sind ungewollt präsent und
richten sich an den Zuschauer und die diegetischen Figuren. Wenn die Konnotation eines
Indexes vom Zielpublikum nicht verstanden werden kann, liegt es am Untertitler, aufgrund
des Filmgenres, des Texttyps und den Empfängererwartungen zu entscheiden, ob er die
Konnotation explizieren will. Das gleiche gilt für Ikone und Symbole, welche dem
Zielpublikum fremd sind, wobei der sprachliche Code normalerweise übersetzt wird – mit
unterschiedlicher Ausführlichkeit. Auch wenn Ikone, Indizes und Symbole nicht verbalisiert
werden, so ist es grundlegend, dass sich der Untertitler ihrer bewusst ist, da dieses
Bewusstsein auch seine Arbeitsweise bestimmt und ihm hilft, Schwerpunkte zu setzen.
Konkret problematisch sind ikonographische Zeichen, wenn sprachliche Zeichen direkt oder
indirekt auf sie verweisen. Im Gegensatz zur Übersetzung, wo entschieden werden kann,
Passagen ganz zu streichen oder durch Äquivalente in der Zielkultur zu ersetzen, ist der
Untertitler an das im Bild Gezeigte und Gesagte (zumindest in der Länge) gebunden. Macht
der Sprecher zum Beispiel ein Wortspiel zu einem im Film vorhandenen Objekt oder
Sachverhalt, sollte der Untertitler den gleichen Effekt erzielen wie beim Ausgangspublikum
(hier: Lachen), ohne sich zwingend auf dasselbe Objekt respektive denselben Sachverhalt zu
beziehen. Er kann und sollte kreativ sein, muss seine Kreativität jedoch innerhalb der
Grenzen der erzählten Welt entfalten, um die Kohärenz zwischen auditiver und visueller
Narration sicherzustellen. Die Kunst in ihrer kinematographischen Form widerspiegelt die
dreidimensionale Realität in zwei Dimensionen. Perspektive, Beleuchtung und Farben (oder
Schwarz-Weiss), welche den photographischen Code (Chaume 2004:245-253) ausmachen,
stellen wichtige Elemente für die Darstellung der filmischen Realität dar, betreffen die Arbeit
des Untertitlers aber nicht direkt, da dieser keine Änderungen am Filmmaterial vornehmen
kann. Einzig technische Konsequenzen könnten auftreten, wenn eine allzu starke
Beleuchtung die Anpassung der Farbe der Untertitel verlangen würde oder eine zu schwache
Beleuchtung in Passagen mit ähnlichen Stimmen die Simultaneität zwischen Ausgangs- und
Zieltext erschweren würde. Wichtig sind diese Codes aber in der Hinsicht, dass der
Untertitler sich ihrer bewusst sein sollte, um die Bedeutung der kinematographischen
Entscheidungen zu erfassen und den Film gemäss seiner Interpretation zu übersetzen. Dies
trifft auch auf die Übersetzung von Vulgarismen zu. Als Beispiel nennt Chaume eine Szene aus
Blind Date, einem Film von 1987 mit Bruce Willis und Kim Basinger, in dem die weibliche
Protagonistin in einer Szene „damn it“ sagt. In der Zielsprache (hier Spanisch) bieten sich
sowohl Lexeme familiärer als auch vulgärer Sprachschicht an. Aufgrund der Beleuchtung
(Kerzenlicht) und der Situation (traute Zweisamkeit) sollte der Untertitler für einen
Euphemismus optieren (¡caray!, euphemistisch für ¡carajo!). Der Code der Einstellung ist
41
vor allem für Synchronsprecher von Bedeutung, da sie Sprechweise, Lautstärke und
Genauigkeit der Lippenbewegungen an die Einstellungsgrösse (ibid.:254-260) anpassen
müssen; für die Untertitelung ist sie eher zweitrangig. Bei einer Nahaufnahme eines
beschrifteten Objekts (z.B. Partitur), dessen Bedeutung der Untertitler als wichtig für das
Verständnis des Films erachtet, sollte eine Übersetzung angeboten werden, da dies sonst
beim Zuschauer Frustration auslöst. Die Codes der Bewegung (ibid.:260-282) stehen in der
Filmwissenschaft sowohl für die Bewegung von Personen und Objekten im Bild als auch für
die Kamerabewegung. Die Distanz der Figuren zur Kamera (Proxemik) kann die
Untertitelung beeinflussen: Eine grosse Distanz zum Sprecher zeigt an, dass das Gesagte nicht
relevant ist, der Untertitler kann sich für eine Ellipse oder eine Weglassung entscheiden.
Wenn im Film ein Stimmengewirr herrscht, welches unmöglich in seiner Gesamtheit
schriftlich wiedergegeben werden kann, und sich die Kamera dabei auf nur einen
Protagonisten richtet, kann entschieden werden, in den Untertitlen nur dessen Äusserungen
zu übertragen. Auch die Kinesik (Mimik, Gestik, Pantomimik) kann verbalisiert werden,
sofern dies nötig erscheint und möglich ist (zeitlich-räumliche Begrenzungen). Wenn eine
Geste die wortwörtliche Bedeutung einer Metapher untermalt (z.B. etwas aus dem Ärmel
schütteln) oder aber, wenn die Intention des sprachlichen Codes darin besteht, durch die
Verletzung eines nicht-sprachlichen Zeichens Ironie hervorzurufen, sollte dieser Effekt auch
im Zieltext weiterbestehen. Weiter gehört zu den Codes der Bewegung auch die Artikulation,
welche bei der Untertitelung nur insofern wichtig ist, als Untertitel etwa gleichzeitig
eingeblendet werden und der Dauer der Lippenbewegungen entsprechen sollten. Dadurch,
dass
dem
menschlichen
Auge
weniger
Informationen
zugemutet
als
akustisch
wahrgenommen werden können, findet zwangsläufig eine Reduktion statt. Doch über den
visuellen Kanal werden nicht nur Bilder, sondern auch graphische Codes (ibid.:282-295)
übermittelt. So werden schriftliche Informationen in Vor- und Abspann, eingeblendete
Schriftstücke oder Texte sowie Zwischentitel oder Untertitel des Ausgangstextes in den
allermeisten Fällen übersetzt und in Form von Untertiteln eingeblendet. Bei der Übersetzung
des Filmtitels bestehen vier Möglichkeiten: 1) wortwörtliche Übersetzung, 2) Belassung in
der Ausgangssprache, 3) partielle Übersetzung, 4) werbewirksame/freie Übersetzung. Der
Film The Departed, welcher auf Deutsch unter dem Namen Departed – Unter Feinden bekannt
ist, stellt eine Sonderform dar, da ein Wort in der Ausgangssprache belassen wurde, jedoch
ergänzt wurde um eine zielsprachliche Wortgruppe, welche vermutlich zu Werbezwecken
beigefügt wurde, um dem Zuschauer anzuzeigen, dass es sich um einen Thriller/Gangsterfilm
handelt. Der letzte und alle vorherigen visuellen Codes kombinierende Code ist der
syntaktische Code (ibid.:295-306), welcher sich auf den Vorgang des Filmschnitts bezieht,
bei dem einzelne Einstellungen zu einem Ganzen vereint werden. Die Arbeit des Untertitlers
42
wird durch die Art der Verkettung von Ikonen der visuellen Narration massgeblich
beeinflusst.
Chaume
analysiert
die
verschiedenen
Codes
und
deren
Auswirkung
auf
die
Untertitelungspraxis im Detail, wobei er jeweils anhand von Beispielen mögliche
Übersetzungsverfahren aufzeigt. Doch vermeidet er meist, allgemeine Normen zu
formulieren. Es überrascht, dass sich auch bei anderen Autoren höchst selten allgemeine
Übersetzungsstrategien finden lassen, wie der Ausgangstext verdichtet werden kann, umso
mehr, als dass in fast jedem Werk zur Untertitelung seit Ivarssons Subtitling for the Media
(1992) die zeitliche und räumliche Begrenzung als wesentliche Merkmale und grundlegende
Schwierigkeiten aufgeführt werden. Die meisten Leitfäden führen in erster Linie technische
und qualitative Kriterien an und beziehen sich nicht auf die eigentliche Vorgehensweise. So
auch Díaz Cintas‘ Plädoyer für gute Spotting Lists (Díaz Cintas 2001:199-211) oder der Code
of Good Subtitling Practice von Ivarsson und Carroll (2005). Díaz Cintas’ Artikel ist für den
Untertitler nicht relevant, weil dieser auf die Qualität der Spotting List keinen Einfluss
ausüben kann. Im Code of Good Subtitling Practice von Ivarsson/Carroll werden unter
anderem die externen Grundvoraussetzungen für eine gute Untertitelung, die Aufgaben des
Untertitlers, Qualitätsansprüche und technische Bedingungen aufgezählt. Doch ausser den
Tipps, auf einfache syntaktische Strukturen zurückzugreifen oder Namen und allgemein
verständliche Sätze nicht zwingend zu untertiteln, bietet der Text keine konkrete
Hilfestellung. Wieso gibt es keine untertitelungsspezifischen Übersetzungsstrategien, wenn
doch die Schwierigkeiten seit jeher die gleichen sind? An der Forschung, welche sich zu wenig
mit der Problematik auseinandergesetzt hätte, liegt es nicht. Eher daran, dass das
Formulieren allgemeingültiger Normen für die Untertitelung aufgrund der Komplexität des
Mediums und der Ungleichheit der Ausgangsbedingungen tückisch ist. Die Komplexität der
Untertitelung ergibt sich aus dem Zusammenspiel der oben aufgeführten Codes sowie
externer Faktoren (Arbeitsprozesse, Vorgaben des Auftraggebers, Vertrieb, Publikum, usw. –
mehr dazu in Kapitel 4e, berufliche und wirtschaftliche Faktoren), welche jede Untertitelung
zum Sonderfall machen. Selbst was die technischen Aspekte anbelangt (Zeit und Raum), gibt
es keine international verbindlichen Richtlinien. Und das, obwohl der technische Standard
weltweit der gleiche ist: In Kinos kommen fast überall 35-Millimeter-Filme zum Einsatz
(ausser im D-Cinema), wobei ein Fuss Normalfilm immer aus 16 Bildern besteht und pro
Sekunde 24 Bilder über die Leinwand flimmern müssen, um dem Zuschauer den Eindruck
von Bewegung zu vermitteln. Demnach entspricht eine Filmsekunde 1.5 Fuss (oder 1 Fuss
und 8 Bildern). Als angenehme Lesegeschwindigkeit werden gemeinhin 10 Anschläge
(beinhalten Buchstaben, Leerschläge und Satzzeichen) pro Filmfuss (16 Bilder) angesehen
(Díaz Cintas/Remael 2009:72). Doch die vorausgesetzte Lesegeschwindigkeit unterscheidet
43
sich je nach Land (vgl. spanische Richtlinien in Chaume 2004:99-100 mit deutschen
Richtlinien nach Nagel 2009:63-64), aber auch nach Zeit (das Publikum hat sich mehr und
mehr an Untertitel gewöhnt und kann diese heute viel schneller verarbeiten als noch vor
zwanzig Jahren, Gottlieb 1992:164-165). So sind viele Angaben, welche Ivarsson 1992 zu
Länge, Form und Entstehung von Untertiteln macht, längst überholt. Auch das Medium spielt
eine grosse Rolle: Für Fernsehen und Video sind die Untertitel allgemein kürzer und werden
30% länger eingeblendet als für Kinofilme, weil die Untertitel im Kino dank Grösse und
Schärfe der Buchstaben besser zu lesen sind (Cedeño Rojas 2007:90). Bei Spielfilmen geht
man von 140-150 eingeblendeten Wörtern pro Minute aus gegenüber 180 Wörtern für DVDS
(Díaz Cintas/Remael 2009:96-99). Die Vorgaben der Agentur Titra, welche die Untertitel für
die schweizerische Kinofassung angefertigt hat, lauten 10 Anschläge pro Fuss13.
f) Untertitelungsspezifische Übersetzungsverfahren
Eine Übersetzungsstrategie ist nicht zu verwechseln mit einem Übersetzungsverfahren. In
dieser Arbeit wird von einer Definition der Übersetzungsstrategie als Methode, welche sich
auf einen ganzen Text bezieht und unter anderem von Texttyp und Übersetzungszweck
abhängt, und einer Definition des Übersetzungsverfahrens, welches sich auf kleinere
Textabschnitte bezieht, ausgegangen (Schreiber 1998:151). Auch wenn jeder Film ein
Spezialfall ist, es also wie im letzten Unterkapitel bemerkt nicht die untertitelungsspezifische
Übersetzungsstrategie gibt, so lassen sich gewisse Verfahren festhalten, welche vom
Untertitler angewendet werden können, um den Zieltext auf das vorgegebene Format zu
reduzieren. Ivarssons Auflistung allgemeiner Editing-Techniken liefert einen ersten
Ansatzpunkt. Auslassung, Paraphrase, Wandlung in Ellipsen, Straffung kurzer Dialoge,
Vereinfachung der Syntax und des Vokabulars werden als Mittel angeführt, den Zieltext auf
den vorgegebenen Rahmen zu reduzieren (Ivarsson 1992:90-05). In einem späteren
Kategorisierungsversuch reduziert er die Verfahren auf vier: Paraphrase, Auslassung,
Vereinfachung der Syntax und des Vokabulars, Zusammenfassung von kurzen Dialogen
(Ivarsson/Carroll 1998 zitiert nach Leissner 2009:45-48). Gottlieb erweitert diese Typologie
auf 10 Übersetzungsverfahren zur Textverkürzung:
13
Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11].
44
Abb. 6: Subtitling strategies (Gottlieb 1992:166)
Die
Verfahren
1-7
ermöglichen
eine
korrespondierende
Übersetzung
der
Ausgangstextsegmente. Bei Verfahren 7 handelt es sich nur um eine quantitative Reduktion
(Reduktion um redundante Merkmale gesprochener Sprache), während Verfahren 8 auch
eine semantische Reduktion impliziert. Sowohl bei 8 als auch bei 9 findet eine semantische
Reduktion oder eine stilistische Vereinfachung statt. Typ 10 findet sich in jeder Art von
Übersetzung, insbesondere bei der Übertragung von kulturspezifischen Elementen
(Gottlieb 1992:166-167). Fast zwei Jahrzehnte später nennt Luis Pérez González die gleichen
Stichwörter: deleting, condensing, adapting (Pérez González 2009:16). Für das Sprachenpaar
Englisch-Deutsch liefern Christina Hurt und Brigitte Widler ein paar anschauliche Beispiele:
Auslassung oder Umformulierung von Dialogteilen, die nicht unbedingt zum Verständnis notwendig sind
bzw. die aus dem dazugehörigen Bild ersichtlich sind:
O: I can’t shut this case (Koffer ist auf dem Bildschirm zu sehen)
UT: Ich krieg ihn nicht zu.
Auslassungen von Wiederholungen, die aus dem Kontext ersichtlich sind:
O: Um – stick it in the fridge. – You can’t put your pregnancy in the fridge!
UT: Geben Sie es in den Kühlschrank. – Du kannst es nicht dort hintun.
Auslassung von Füllwörtern wie „well“ oder „I say“, von Frageanhängseln wie „isn’t it?“, „don’t you“ oder
von kurzen Ausdrücken, die bereits Gesagtes noch zusätzlich betonen sollen, z.B. „you know“:
O: Well, I can’t take my foetus skiing Pandy-poos – can I…
UT: Ich kann meinen Fötus nicht zum Skifahren mitnehmen.
Zusammenfassung kurzer Dialoge zu grösseren Sinneinheiten:
O: Mrs. V. Goode? –Yes. – Of 1, The Avenue, Surrey? – Yes …
UT: Mrs. Goode? – Ja. – Avenue 1, Surrey? – Ja.
Vorschlag: Mrs. V. Goode, Avenue 1, Surrey? – Ja.
Vereinfachung der Syntax und des Vokabulars:
O: Give me your wallet or I’ll kick your head in.
UT: Geld oder Leben!
(Hurt/Widler 2006:262)
Die Verfahren zur Textverkürzung werden zwar je nach Autor anders benannt, sind aber im
Kern die gleichen. Am klarsten unterteilt und am plausibelsten erscheinen noch immer die
vier Kategorien von Ivarsson/Carroll (1998). Inwiefern Vulgarität diesen Verfahren zum
Opfer fallen kann, soll nun erörtert werden.
45
3. Vulgarismen in der Untertitelung
Wie im ersten Kapitel beschrieben, setzt sich das Konzept der Vulgarität aus zahlreichen
sprachlichen und nicht-sprachlichen Facetten zusammen und findet in der Sprache in vielen
verschiedenen
Formen
Ausdruck.
Die
sprachlichen
Formen
sind
kontext-
und
kulturgebunden, werden aber auch entscheidend durch das Medium beeinflusst. Wie im
zweiten Kapitel aufgezeigt wurde, gelten für die Untertitelung nicht die gleichen Regeln wie
für die Übersetzung. So müssen Untertitel synchron mit dem Ausgangstext eingeblendet
werden, die verschiedenen Informationskanäle optimal ergänzen, einen vergleichbaren
Effekt auf den Zuschauer ausüben und dabei die konventionellen zeitlichen und räumlichen
Begrenzungen einhalten. Beide Aspekte, sowohl Vulgarität als auch Untertitelung, bieten
spezifische übersetzerische Schwierigkeiten, durch die Kombination erhöht sich die
Komplexität des Problems weiter. Die Frage der filmischen Übertragung von Vulgarität hat
bislang noch niemand erörtert, daher müssen Theorien aus anderen Forschungsdisziplinen
sowie Theorien der audiovisuellen Übersetzung zu einzelnen Aspekten der Vulgärsprache
herbeigezogen
werden,
welche
dann,
angepasst
auf
die
Problematik,
zu
einer
Arbeitshypothese führen sollen.
a) Aus soziolinguistischer Perspektive
Allan Bell betrachtet in seinem Artikel „Language style as audience design“ (1984) Stil aus
soziolinguistischer Sicht. Anders als seine Vorgänger gilt sein Interesse jedoch nicht Stil als
interspeaker variation (unterschiedliche Sprechweise zwischen Personen), sondern als
intraspeaker variation (unterschiedliche Sprechweise einer Person je nach Situation und
Publikum). Seit William Labovs Studien in den 1960er Jahren beschäftigte sich die
Soziolinguistik intensiv mit den Unterschieden in der Sprechweise verschiedener sozialer
Gruppen (Bell 1984:145). Das Interesse galt jedoch vorrangig der sozialen Achse, während
die stilistische kaum untersucht wurde. Bell betrachtet Stil aber nicht wie andere vor ihm als
unabhängige, quantifizierbare Variable (wie Alter oder Gesellschaftsschicht), welche die
sprachliche Variation beeinflusst und erklärt, sondern als eigene sprachliche Achse
soziolinguistischer Variation, welche mit unabhängigen aussersprachlichen Variablen in
Beziehung steht (ibid:146). Doch steht die intraspeaker variation in enger Verbindung zur
interspeaker variation, da das Erlernen von Stilen den Zugang zu einer Reihe von
Gesprächspartnern ermöglicht (ibid.:158). Bell stellt die Hypothese auf, dass Stil die Antwort
eines Sprechers auf sein Publikum ist. So passt der Sprecher – bewusst oder unbewusst –
seinen Stil an seine Adressaten an. Die Unterschiede innerhalb der Ausdrucksweise des
46
Sprechers sind zurückzuführen auf den Einfluss der zweiten Person und eventuell dritter
Personen, welche zusammen das Publikum der ersten Person, des Sprechers, formen. Bell
klassifiziert das Zielpublikum in 4 audience roles nach ihrer Priorität für den Sprecher:
Abb. 7: Hierarchy of attributes and audience roles (Bell 1984:160)
Bell zufolge bestimmen vorrangig die Adressaten (addressees) den Stil des Sprechers, an
zweiter Stelle folgen die nicht direkt adressierten Zuhörer (auditors) und an dritter Stelle die
nicht-ratifizierten Zuhörer (overhearer). Die Lauscher (eavesdropper) haben hingegen keinen
Einfluss, da der Sprecher sich ihrer Anwesenheit nicht bewusst ist (ibid.:159).
Von Bedeutung ist diese Theorie deshalb, weil sie auch auf die Untertitelung angewandt
werden kann und hilft, sich einen Überblick über die Akteure im Untertitelungsprozess zu
verschaffen. Denn im Unterschied zur konventionellen Übersetzung, bei der man von einem
Autor und einem Zielpublikum ausgeht, gibt es im Film mehrere Ebenen der
Textproduktion und –rezeption. Basil Hatim und Ian Mason (1997) unterscheiden fünf
Rollen:
Text producer 1 = scriptwriter (film director, etc.)
Text producer 2 = character A on screen
Text receiver 1 = character B on screen
Text receiver 2 = cinema audience
(Text receiver 3 = other potential receivers)
(Hatim/Mason 1997:83)
In einem Filmdialog verhalten sich die Protagonisten des Films wie Adressaten (addressees)
in einer fiktiven Welt, in der das Kinopublikum die Rolle des Lauschers (eavesdropper)
übernimmt. Tatsächlich aber schreibt der Drehbuchautor den Dialog für eine Anzahl ihm
bekannter, ratifizierter aber nicht direkt angesprochener Empfänger: das Kinopublikum (das
die Rolle des auditor besetzt). Andere potentielle Empfänger wie Jurys von Filmfestspielen,
Zensurinstanzen, usw. können als overhearers betrachtet werden. Hat der Textproduzent wie
bei der Massenkommunikation keine Gewissheit darüber, wer sein Rezipient ist, so passt er
seinen Stil an sein mentales Bild jener (soziokulturellen) Gruppe an, die er als
wahrscheinliche Rezipienten einstuft (von Bell initiative style design genannt). Dadurch kehrt
sich die Hierarchie um: Allgemein ist es so, dass ein Drehbuch in erster Linie für die
Zuschauer geschrieben wird und erst in zweiter Linie für die unmittelbaren Adressaten
innerhalb des fiktiven Dialogs. So haben auch bei der Untertitelung die Zuschauer Vorrang.
Die erste Priorität des Untertitlers ist die Schaffung von Kohärenz für den Empfänger
47
(Kinopublikum), erst an zweiter Stelle kommen Kohärenz und Kohäsion innerhalb des
Filmdialogs (ibid.:83-84).
Hatim und Mason liessen jedoch die anderen Akteure, welche im Rahmen des
Untertitelungsprozesses Einfluss nehmen können, ausser Acht. In der Praxis ist ein
Untertitler nie alleine für die Übersetzung eines Films zuständig. Die Übersetzungsarbeit
erfolgt in der Gruppe, wobei jemand das Spotting (Festlegen der Ein- und Ausblendung von
Untertiteln) übernimmt, jemand übersetzt und jemand das Endprodukt revidiert. Zudem
müssen sich die Untertitler dem Willen ihres Auftraggebers fügen: Sie unterstehen ihrem
direkten Arbeitgeber, der Untertitelungsgesellschaft, erhalten aber unter Umständen auch
Anweisungen der Filmgesellschaft oder fühlen sich dem Regisseur (und der Kohärenz des
Films als künstlerisches Werk) verpflichtet. Die Rolle der einzelnen Akteure sowie die
Arbeitsbedingungen des Untertitlers können jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. Da die
Situation von Land zu Land und teilweise auch von Untertitelungsagentur zu
Untertitelungsagentur anders gelagert ist, sollen die beruflichen Faktoren, welche in Bezug
auf den analysierten Film bei der Übertragung von Vulgarität mitspielen können, erst im
Rahmen der Beispielsanalyse (4evi. Erklärungsversuche) besprochen werden.
b) Aus psycholinguistischer Perspektive
Eine weitere Theorie, welche nicht eigentlich aus dem Bereich der Übersetzungsforschung
kommt, aber auf die vorliegende Problematik angewandt werden kann, ist die politeness
theory von Penelope Brown und Stephen C. Levinson (1987). Brown und Levinson, zwei
Psycholinguisten, haben sich mit den universellen Zügen der Höflichkeit in der Sprache
befasst. Universell deshalb, weil selbst zwischen sehr unterschiedlichen Sprachen und
Kulturen Parallelen bestehen in der Formulierung höflicher Äusserungen (Brown
1987:1411). Neben sprachlichen Faktoren, welche determinieren, in welcher Form sich
Höflichkeit in einer Einzelsprache manifestiert, gibt es drei soziale Faktoren, welche
bestimmen, inwiefern der Grad der Höflichkeit an die Hörer angepasst wird: Macht,
Solidarität sowie kulturelle Normen und Werte (ibid.). Höflichkeit wird jedoch nicht wie im
allgemeinsprachlichen Sinne als gesittetes Benehmen aufgefasst, sondern bezieht sich auf alle
Aspekte des Sprachgebrauchs, welche interpersonale Beziehungen zwischen Textproduzent
und -rezipient herstellen, erhalten oder verändern. Die primäre Funktion von Höflichkeit ist,
dass sie von einem Sprecher eingesetzt werden kann, um im Gespräch seine Ziele zu
erreichen. Im Rahmen ihrer konstruktivistischen Theorie gehen die Autoren weiter von einer
idealen Gesprächssituation aus, in der der Modellsprecher (Model Person, MP) mit zwei
Eigenschaften ausgestattet ist: Rationalität und Face. Rationalität bedeutet, dass der Sprecher
48
vernunftbegabt jene Mittel wählt, die ihm ermöglichen, sein Ziel zu erreichen. Das Face (face
im Sinne von Gesicht wie in sein Gesicht verlieren) wiederum bezeichnet eine Form des Ichs,
die der Sprecher in der Interaktion mit anderen besitzt. Erving Goffman, auf den die
Definition des Begriffs zurückgeht, zog zur Erklärung eine Parallele zum Theater und
bezeichnete Face als die Maske, welche der Schauspieler je nach Publikum und sozialer
Situation aufsetzt. Der Mensch hält in sozialen Situationen an seinem erschaffenen Face fest
und baut eine emotionale Beziehung zu ihm auf: wird es gewahrt, fühlt er sich gut, verliert er
sein Gesicht, fühlt er sich schlecht (Goffman 1971:10ff.). Daraus ergeben sich zwei
Bedürfnisse:
Das negative Face beschreibt das Recht oder den Anspruch eines Mitglieds der Gesellschaft auf das Wahren
seiner persönlichen Privatsphäre, das Recht nicht gestört oder ungewollt penetriert zu werden sowie die
Freiheit zu Handeln. Das positive Face bedeutet die eigene Sicht auf seine Persönlichkeit als
integrierungswürdiges Mitglied der Gesellschaft - mit anderen Worten der Wunsch, dass das eigene
Selbstbild geachtet, gemocht und gewürdigt wird. (Grzega 2005)
In
der
Kommunikationssituation
geht
man
neben
der
Annahme,
dass
beide
Kommunikationspartner rational agieren und dabei ihr Gesicht wahren wollen, auch davon
aus, dass sie kooperieren. Unter Kooperation versteht man nach Paul Grice (1975), dass beide
Kommunikationspartner annehmen, dass das, was der andere sagt, Sinn ergibt. Ergibt die
konventionelle Bedeutung der Wörter zusammen keinen Sinn, sucht der Hörer nach
Möglichkeiten, die Bedeutung aus dem Kontext abzuleiten (Grice 1975:44). Dieses Phänomen
nennt sich konversationelle Implikatur und erklärt, wieso der Sprecher auch dann vom
Hörer verstanden werden kann, wenn er seine Intention nicht wortwörtlich zum Ausdruck
bringt, sondern sich zum Beispiel der Ironie oder im vorliegenden Fall der Höflichkeit
bedient. Kooperation bedeutet hier aber auch, dass wenn jeder sein Gesicht wahren will, es
im Rahmen einer Konversation im Interesse beider ist, das Gesicht des jeweils anderen zu
wahren (Brown/Levinson 1987:60). Es gibt allerdings auch Situation, in denen die FaceBedürfnisse nicht respektiert werden, sei es absichtlich oder unabsichtlich. Brown/Levinson
bezeichnen Sprechakte, welche per se das positive oder negative Face bedrohen, als FaceThreatening Acts (FTAs). Das negative Face des Hörers wird durch alles bedroht, was der
Sprecher äussert und so den Empfänger in seiner Freiheit auf die eine oder andere Art
einschränkt oder Handlungsdruck auf ihn ausübt (z.B. durch Befehle, Bitten, Ratschläge oder
Erinnerungen). Das positive Face des Hörers wird bedroht, wenn Kritik ausgeübt wird oder
Beschwerden, Anschuldigungen oder Beleidigungen ausgesprochen werden (Grzega 2005).
49
Abb. 8: Possible strategies for doing FTAs (Brown/Levinson 1987:60)
Die Bedrohung ist dem FTA inhärent, doch kann der Sprecher, wenn er sich entscheidet, den
Sprechakt doch auszuführen (do the FTA), den FTA indirekt ausführen (off record) oder direkt
(on record). Er wird versuchen, seine Intention entweder zweideutig zu formulieren (off
record) oder aber eindeutig, jedoch in Kombination mit Höflichkeitsstrategien (redressive
action), um den Gesichtsverlust des Hörers zu minimieren. Die Strategien können entweder
auf das positive oder das negative Face des Hörers abzielen. Positive Höflichkeit bringt Nähe
und Solidarität zwischen Sprecher und Hörer zum Ausdruck (z.B. durch das inklusive Wir),
negative Höflichkeit hingegen Distanz, Respekt und Handlungsfreiheit (z.B. durch
Passivkonstruktionen oder Modalverben, Brown 1987:1411f.). Und so kommen die oben
genannten sozialen Faktoren wieder ins Spiel: Die Entscheidung, ob und wie ein FTA
ausgeführt wird, wird beeinflusst durch die subjektive soziale Distanz zwischen Sprecher und
Hörer, die subjektive relative Macht von Sprecher und Hörer sowie die subjektive
Einschätzung der Intensität eines FTAs je nach Kultur (Grzega 2005). Wenn man jemanden
um einen Gefallen bitten möchte, sucht man sich eher einen Freund (soziale Nähe) als einen
Vorgesetzten (hierarchische Unterlegenheit) aus, da das Risiko eines FTA dann kleiner ist.
Allgemein ist es so, dass je höher die inhärente Gefahr eines Gesichtsverlustes (greater
estimation of risk of face loss) ist, desto vorsichtiger ergo höflicher wird man formulieren; ist
das Risiko zu gross, kann man entscheiden, von der Ausführung des Sprechaktes ganz
abzusehen (don’t do the FTA, Brown 1987:1412). Für die Übersetzung bedeuten die von
Brown/Levinson hervorgehobenen universellen Charakteristika von Höflichkeit, dass
Höflichkeit von einer Kultur in die andere übertragen werden kann, sofern die nötigen
sprachlichen Anpassungen gemacht werden.
Uns soll hier aber nicht die Höflichkeit interessieren, sondern die Vulgarität. Diese könnte
sich in das Schema von Brown/Levinson je nach Ausprägung der sozialen Faktoren als
Strategie
positiver
Höflichkeit
eingliedern,
wenn
Vulgärsprache
die
bevorzugte
Ausdruckweise der sozialen Gruppe ist, welcher Sprecher und Hörer angehören, und dadurch
50
soziale Nähe geschaffen werden soll. Sie könnte aber auch – wie auf der in Kapitel 1
vorgeschlagenen Lokutionsskala (S. 12 dieser Arbeit) – das Gegenteil von Höflichkeit
darstellen: nämlich in jenen Fällen, in denen der Sprecher mit seiner Äusserung absichtlich
oder unabsichtlich einen Gesichtsverlust des Hörers herbeiführt (ohne sprachliche
Zurückhaltung, baldly), zum Beispiel, indem er ihn mithilfe eines Vulgarismus beschimpft. Für
die Übersetzung sind auf diese Weise verwendete Vulgarismen deswegen von Bedeutung,
weil sie die Intensität des FTAs entscheidend beeinflussen. In einer guten Übersetzung sollte
der Grad des FTA bei der Übertragung von der Ausgangs- in die Zielkultur beibehalten
werden. In Kapitel 4, welches sich der Analyse des Films The Departed widmet, sollen die
Protagonisten und ihre Beziehung zueinander deshalb mit besonderem Fokus auf die drei
von Brown/Levinson genannten Faktoren der sozialen Nähe, der gesellschaftlichen
Hierarchie sowie der Normen und Werte von Ausgangs- und Zielkultur untersucht werden.
c) Aus audiovisueller Perspektive
i.
Eine
Aspekte von Slang und Vulgärsprache in der Untertitelungswissenschaft
Facette
der
Vulgärsprache,
die
auf
Interesse
seitens
der
Sprach-
und
Übersetzungswissenschaftler stiess, ist die Mündlichkeit. Während der Soziolinguist Anatoli
Domaschnev noch der Ansicht war, dass Slang primär mündliche Sprache sei und wie auch
die Lexik der Alltagssprache zum nicht schriftfähigen Sprachgut innerhalb der gesprochenen
Sphäre der Hochsprache (Literatursprache) gehöre (Domaschnev 1987:312), hat ihn die
Realität inzwischen eines besseren belehrt. Während Slang heutzutage auch in der Literatur
rege Verwendung findet, stellt seine Verschriftlichung in der Untertitelung als diagonale
Übersetzung (Gottlieb 1997:111) eine conditio sine qua non dar und verweist zugleich auf
einen ihrer grössten Widersprüche: Die Fiktion soll so real wie möglich wiedergegeben
werden. Denn der filmische Dialog, obwohl vom Drehbuchautor orchestriert und
verschriftlicht, zielt darauf ab, natürlich zu wirken. Ein Drehbuch ist aber nicht in Stein
gemeisselt, so weichen die Äusserungen der Schauspieler oft davon ab (so auch bei The
Departed, vgl. dazu den Film mit William Monahans Drehbuch14). Die gespielte Natürlichkeit
soll auch in den Untertiteln vermittelt werden, allerdings gelten für die Übersetzung des
gesprochenen Ausgangstextes schriftliche Normen, was Gambier als paradox einstuft:
14
Drehbuch abrufbar unter: http://www.imsdb.com/Movie%20Scripts/Departed,%20The%20Script.html [15.08.11]
51
[...] il faut souligner les spécificités paradoxales du sous-titre (passage de l’oral { l’écrit, d’une langue {
l’autre, l’original étant toujours l{): ce double passage [...] n’entraine-t-il pas (jusqu’{ quel point?) un repli
sur les conventions et les normes attachées { l’écrit – repli qui ne transgresserait pas les habitudes et
attentes du lecteur? (Gambier 2004:2054)
In der Tat mag die Verschriftlichung von gesprochener Sprache auf den Zuschauer
befremdend wirken. Doch gelten für die schriftliche Sprache andere Normen als für die
mündliche Rede. Falsche Redeanfänge, Selbstkorrekturen, Unterbrechungen, unvollendete
Sätze,
grammatikalisch
Zweideutigkeit,
Nonsens,
inkorrekte
Konstruktionen,
überlappende
Rede
Versprecher,
und
Widersprüche,
undeutliche
Aussprache
(Gottlieb 1997:112f.) sind typisch für die spontane Sprechweise, einer authentischen
Wiedergabe stehen aber die untertitelungspezifischen Begrenzungen entgegen. Da ein
Untertitel zwangsläufig kürzer ist als der Originaltext, muss er kompakt und schnell
verständlich sein. Auf phonetische oder syntaktische Exzentrik wird der Leserlichkeit zuliebe
meist verzichtet. Dadurch, dass Schriftsprache gemeinhin mit Standardsprache gleichgesetzt
wird, wandelt sich der Substandard des Ausgangstextes im Zieltext in Standardvarietät
(Assis Rosa 2001:216). Um den Zuschauer nicht durch die Eigenheiten des verbalen Modus
zu stören, fallen deshalb gerade Slangismen und Vulgarismen bei der Übertragung in die
standardisierte Schriftsprache häufig weg (Nagel 2009:58).
Doch nicht die Quantität der wegfallenden Elemente ist entscheidend, sondern die
Auswirkungen, welche deren Streichung auf die Darstellung der filmischen Realität hat.
Mündlichkeit in der Untertitelung kann nicht isoliert betrachtet werden, Dialoge finden
immer auch in einem bestimmten Kontext statt und erfüllen einen bestimmten Zweck. Eine
Analyse der pragmatischen Dimension der filmischen Realität ist notwendig, um
bestimmen zu können, ob die Übertragung von einer Sprache in die andere geglückt ist.
Dieser Problematik widmet sich Ian Mason seit den späten 1980er Jahren. So hat er
insbesondere
die
interpersonale
Dynamik
in
der
Untertitelung
untersucht
und
herausgefunden, dass die untertitelungstypischen Vereinfachungen und Verknappungen die
Dynamik zwischen den Protagonisten erheblich verändern kann. 1997 führte Mason
zusammen mit Basil Hatim einen Vergleich der lexikalischen und syntaktischen Strukturen
eines Films in Ausgangs- und Zieltext durch, um herauszufinden, ob Höflichkeit (als
Ausdrucksmittel einer Beziehung) in der Untertitelung äquivalent wiedergegeben wird. Bei
der Analyse stellte sich heraus, dass die Informationen des Ausgangstextes zwar
wiedergegeben
wurden,
nicht
aber
die
konversationellen
Implikaturen
(Hatim/Mason 1997:86). Diese fielen weg oder veränderten sich aufgrund bestimmter
lexikalischer Entschlüsse (unterschiedliche
Konnotationen, Zweideutigkeit wird zu
Eindeutigkeit) und syntaktischer Entscheidungen (Wechsel der Satzart, ganze Sätze anstelle
von unvollendeten, Betonung). Syntaktische Entscheidungen können die Sicherheit der
52
Aussagen und somit die Intensität der Face-Threatening Acts (FTAs) verändern. Wenn zum
Beispiel rhetorische Fragen plötzlich zu affirmativen Aussagen, affirmative Aussagen
hingegen zu Fragen werden, kann dies zu einer Verstärkung bzw. Abschwächung der
implikatierten FTAs führen. Bedingt dadurch, dass sich der Untertitlers in erster Linie dem
Kinopublikum verpflichtet fühlt und erst in zweiter Linie den Personen im Film, räumt er der
Schaffung von Kohärenz für den Zuschauer eine grössere Priorität ein als der getreuen
Darstellung der Dynamik zwischen den Protagonisten. Die Schaffung von Kohärenz erfolgt
aber nicht durch Kohäsion, welche in der Untertitelung durch die Begrenzung von Zeit und
Raum tendenziell eher wegfällt (z.B. durch Weglassen von Konjunktionen, Pronomen und
deiktischen Ausdrücken), sondern durch das Zusammenspiel aller Informationskanäle
(Mason 2001:23). Die Schaffung von Kohärenz für den Zuschauer kann jedoch zum Problem
werden, wenn eine vom Sprecher bewusst zweideutig gehaltene Referenz verdeutlicht wird,
da dies den Grad des FTAs erhöht (Hatim/Mason 1997:87). Im von Hatim und Mason
analysierten Film verliert sich durch die übersetzerischen Entscheidungen die provokative
Art der Protagonistin (starke FTAs, „bald on record“-Strategie) gegenüber dem Protagonisten,
welcher versucht, ihr verbal auszuweichen („off record“-Strategie). In der Untertitelung
scheint sie versöhnlicher, er bestimmter – ihre Beziehung wechselt von spannungsgeladen im
Ausgangstext zu beinahe harmonisch im Zieltext. Die Autoren schliessen aus ihrer
Beispielsanalyse, dass bei der Untertitelung allgemein Höflichkeitsstrukturen verloren gehen.
Mason führt dies in einem späteren Artikel auch auf die Arbeitsweise des Untertitlers zurück,
welcher meist Satz für Satz oder Sprechakt für Sprechakt vorgeht. Interpersonale
Beziehungen entwickeln sich jedoch über Sequenzen (Textakte) hinweg, daher ist es wichtig,
dass der Untertitler sich nicht auf einzelne Äusserungen versteift, sondern den Kontext
jederzeit im Auge behält (Mason 2001:20, 26). In Kapitel 4 sollen die ausgewählten Szenen
des Beispielfilms auch auf ihre pragmatische Dimension hin untersucht werden, um
herauszufinden, ob der deutschsprachige Zuschauer die unausgesprochenen beabsichtigten
Bedeutungen (Implikaturen) verstehen kann und die Intensität der FTAs in Ausgangs- und
Zieltext getreu wiedergegeben wird. Denn wenn in der interpersonalen Dynamik der Aspekt
der Höflichkeit wegfällt, besteht die Gefahr, dass auch die Vulgarität bis zu einem gewissen
Grad verloren geht. Diese Gefahr ist auch deshalb potentiell gross, weil Vulgarismen, wie in
Kapitel 1c besprochen, in erster Linie in die illokutiven Klassen der Emotiven und
Expressiven
fallen,
und
Analysen
(nach
Jakobsons
sechs
Sprachfunktionen,
s.
Assis Rosa 2001:216) zufolge in der Untertitelung der Fokus allgemein auf der referentiellen
Funktion liegt und expressive und phatische Funktionen weggelassen werden.
Wie bereits in Kapitel 1 angesprochen, sind Slang und Vulgärsprache stark situations- und
kulturabhängig.
Kulturspezifik
ist
denn
auch
ein
Thema,
welches
in
der
53
Übersetzungswissenschaft seit Jahrzehnten heiss diskutiert wird. Das Problem ist weniger,
dass die Zielsprache nicht über äquivalente Begriffe oder Ausdrücke verfügt, als dass
Fragmente der in der Ausgangssprache beschriebenen Realität in der Zielsprachenkultur
nicht existieren (Tomaszkiewicz 2001a:238). Die Frage, welche sich bei jeder Übersetzung
stellt
ist:
Passt
Zielsprachenkultur
man
an
kulturspezifische
(einbürgernde
Elemente
Übersetzung
der
nach
Ausgangssprache
Friedrich
an
die
Schleiermacher,
Domestication nach Lawrence Venuti), oder bringt man dem Leser die fremde Kultur näher
und konfrontiert ihn mit den kulturellen und sprachlichen Unterschieden (verfremdende
Übersetzung nach Schleiermacher 1813 in Störig 1963, Foreignization nach Venuti 1995)?
Während der Übersetzer relativ frei ist in seiner Entscheidung Domestication vs.
Foreignization, ist der Untertitler eingeschränkt durch Originalbild und –ton, welche im
Zieltext unverändert bestehen bleiben und somit unvermeidlich einen verfremdenden Effekt
haben (Schröpf 2008:76). Ramona Schröpf ist der Ansicht, dass gerade wegen dieses
verfremdenden Effekts des im Zieltext weiterbestehenden Ausgangstexts das verfremdende
Übersetzen für die Untertitelung nicht immer ratsam ist. Der Zuschauer wäre überfordert,
wenn ausgangssprachliche Kulturspezifika synchron und unerklärt aus mehreren Kanälen
(Bild, Originalton, Untertitel) auf ihn niederprasseln würden. Aber auch eine einbürgernde
Übersetzung wäre unangebracht, da ausgangssprachliche Kulturspezifika im Bild so oder so
weiterbestehen und diese dann im Widerspruch zu zielsprachlichen Kulturspezifika stehen
würden. Auch Peter Fawcett (2003) ist gegen eine einbürgernde Übersetzung, allerdings aus
dem Grund, dass sie für ihn einer Manipulation von Sprache und Kultur gleichkommt. Aus
seiner Analyse der Untertitelung französischer Filme für ein englischsprachiges Publikum
schliesst er, dass die Verunsichtbarung französischer Kultur zugunsten der bewussten oder
unbewussten Amerikanisierung des Zieltextes eine Form kultureller Repression respektive
Kolonisation ist (Fawcett 2003:154). Die Beibehaltung von kulturellen Referenzen, welche
für den englischsprachigen Zuschauer nicht verständlich sind, erscheint ihm jedoch auch
nicht ideal (ibid.:155). Sowohl Schröpf als auch Fawcett plädieren deshalb für eine erklärende
Übersetzung. Nicht-sprachliche Zeichen, welche als Informationen aus dem Bild hervorgehen
und durch ihre Kulturgebundenheit vom Zuschauer nicht entschlüsselt werden, können
jedoch nicht erklärt werden, da die Möglichkeit einer kommentierten Übersetzung
(Fussnoten, Anmerkungen) in der Untertitelung nicht besteht. Selbst die Erklärung von
kulturspezifischen sprachlichen Zeichen ist aufgrund zeitlich-räumlicher Begrenzungen in
der Praxis meist nicht möglich. Allgemeingültige Regeln gibt es nicht, der Untertitler muss
von Fall zu Fall entscheiden, ob der kulturspezifische Ausdruck vom Zuschauer verstanden
werden kann und wenn nicht, ob eine Erklärung im vorliegenden Kontext notwendig und
möglich
ist.
Teresa
Tomaszkiewicz
(2001a)
schlägt
für
die
Übertragung
von
54
kulturspezifischen Referenzen in der Untertitelung sieben Verfahren vor: Tilgung des
kulturspezifischen Ausdrucks (omission des termes), Übernahme des Ausdrucks ohne
Erklärung (transfert direct durch emprunt oder calque), Übernahme des Ausdrucks mit
Erklärung (périphrase définitionnelle), Ersatz durch einen äquivalenten Ausdruck in der
Zielsprache, Ersatz durch einen äquivalenten Ausdruck in der Ausgangssprache, Adaptation,
Ersatz einer kulturellen durch eine kontextuelle Referenz, Tilgung von Anspielungen auf
kulturelles Wissen (allusions au „déjà connu“). Andere Autoren, welche sich mit dem Thema
befasst haben, schlagen verschiedene Verfahren vor, meist genannt werden aber auch bei
ihnen: Auslassung, Übernahme mit oder ohne Erklärung, Erklärung und Anpassung (vgl.
Zitate in Leissner 2009:51). Sprechende Beispiele finden sich bei Fotios Karamitroglou:
„They were following orders from 10 Downing Street.“
Auslassung: „They were following orders.“
Übernahme: „They were following orders from 10 Downing Street.“
Übernahme mit Erklärung: „They were following orders from 10 Downing Street, the Prime Minister’s
House.“
Erklärung: „They were following orders from the Prime Minister.“
Anpassung: „They were following orders from Matignon.“
(Karamitroglou 1998)
Welches Verfahren der Untertitler einsetzt, entscheidet er im Rahmen seiner zeitlichräumlichen Möglichkeiten aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen Ausgangs- und
Zielkultur, der Finalität der Übersetzung, des vorausgesetzten Vorwissens des Zielpublikums
sowie
der
Verständlichkeit
des
kulturspezifischen
Ausdrucks
im
Kontext
(Tomaszkiewicz 2001a:238). Deshalb sollen in Kapitel 4 sowohl die bereits in Kapitel 1
diskutierten kulturellen Unterschiede bezüglich der Verwendung von Vulgärsprache verfolgt
wie auch auf makrotextueller Ebene Überlegungen zu Zielpublikum und Finalität der
Übersetzung angestellt werden. Auf mikrotextueller Ebene soll die Bedeutung der
Vulgarismen im Kontext bestimmt und Möglichkeiten der Übertragung mit Berücksichtigung
der zeitlich-räumlichen Begrenzungen aufgezeigt werden. Im Rahmen der Überlegungen zu
einer möglichen Übersetzungsstrategie für Vulgarismen in der Untertitelung soll auch im
Hinblick auf die Dichotomie Domestication vs. Foreignization Stellung bezogen werden.
ii.
Vulgärsprache in der Synchronisationswissenschaft
Die Funktion von Vulgärsprache und daher auch deren Bedeutung für die Übersetzung
wurden erst in den letzten Jahrzehnten vermehrt anerkannt. So wurden im Bereich der
Filmsynchronisation vereinzelt Fallstudien durchgeführt. Chiara Elefante (2004) untersucht
in ihrem Artikel die Übertragung von Varietäten in der Synchronisation französischer Filme
ins Italienische. Dabei gilt ihr Interesse insbesondere der typisch französischen langage des
cités, deren sowohl diaphasische als auch diastratische und diatopische Dimension eine
Einordnung und die Suche nach einer Entsprechung in der Zielsprache erschweren.
55
Standardsprachliche Abweichungen haben sich im Französischen nicht gleich wie im
Italienischen entwickelt, zudem existiert in der italienischen Sprache kein Argot nur für
Jugendliche, welches wie verlan als Mittel zur Revolte eingesetzt werden könnte. Elefante
zeigt lediglich das Problem auf, Lösungen schlägt sie – ausser die Notwendigkeit weiterer
Forschung zu betonen – keine vor. María Jesús Fernández Fernández (2009) weist in ihrer
Fallstudie über den Film zur TV-Serie South Park in erster Linie auf die Gefahren einer allzu
wörtlichen Übersetzung von Fluchwörtern vom Englischen ins Spanische hin, welche zwar
grammatikalisch korrekt, jedoch nicht gesellschaftlich, kulturell und kommunikativ
angemessen ist. Da ein Muttersprachler sich nicht spontan so ausdrücken würde, wird die
Glaubwürdigkeit des Films beeinträchtigt. Um die gleiche Wirkung auf das Ziel- wie auf das
Ausgangspublikum zu erzielen, plädiert sie daher für eine Übersetzung, welche die
ursprüngliche Bedeutung, Tonalität, Register und Intention beibehält, aber zugleich
idiomatisch klingt und sich nahtlos in den soziokulturellen Kontext der Zielsprache einfügt.
Wie diese Ziele zu erreichen sind, lässt sie aber offen. Systematischer geht Dídac Pujol (2006)
in seiner Fallstudie zum Film From Dusk till Dawn vor; er untersucht die Übertragung des
Ausdrucks fuck vom Englischen ins Katalanische auf die lexikalische, kontextuelle,
pragmatische, kulturelle und charakterisierende Dimension hin. Die Studie ist interessant, da
sie einen Überblick über die Vielfalt an grammatikalischen Möglichkeiten und
Verwendungszwecken von fuck bietet, allerdings ist sie durch ihre Ausrichtung auf das
Sprachenpaar Englisch-Katalanisch und die Synchronisation als Medium sowie ihre
Fokussierung auf einen einzigen Begriff nur bedingt hilfreich für die Übertragung von
Vulgarismen vom Englischen ins Deutsche in der Untertitelung.
iii.
Vulgärsprache in der Untertitelungswissenschaft
Auch in der Untertitelungswissenschaft sind in den letzten Jahren einige Studien zur
Übertragung von Vulgarität entstanden. Der Übersetzungswissenschaftler Chapman Chen
(2004) will mit seiner Untersuchung in erster Linie auf die schlechte Übersetzung
amerikanischer Schimpfwörter in Hong Kong aufmerksam machen. Amerikanische
Fluchwörter werden in der Regel entweder gar nicht, überformell (z.B. durch medizinische
Ausdrücke für Fluchwörter, welche Körperteile bezeichnen) oder mithilfe von Euphemismen
(z.B. mit einem Wort, welches mit einem Fluchwort reimt) übersetzt. In den seltenen Fällen,
in denen Slangwörter verwendet werden, entstammen diese dem Hochchinesischen und
nicht dem von der Mehrheit der Hongkonger gesprochenen Kantonesisch, was Effektivität
und Verständlichkeit der Aussage vermindert. Interessant ist Chens Artikel deshalb, weil er
sich auf ein Sprachenpaar bezieht (Amerikanisch -> Hongkonger Chinesisch), das sowohl
sprachlich als auch kulturell nicht unterschiedlicher sein könnte, weswegen die Faktoren,
56
welche bei der Übertragung von Vulgarität mitspielen können, zahlreicher und weitaus
evidenter sind als zum Beispiel beim Sprachenpaar des im Anschluss analysierten Films
(Amerikanisch -> Deutsch). So führt Chen die mangelnde Vulgarität in der Hongkonger
Untertitelung ausser auf sprachliche und kulturelle Unterschiede auch auf die psychosexuelle
und religiöse Verschiedenheit sowie die staatliche Filmzensur zurück. Im Vergleich dazu
weisen die Sprachenpaare, welche Anne Jäckel (2001), Lena Hamaidia (2007) und PierreAlexis Mével (2009) in ihren jeweiligen Artikeln untersuchen, weitaus mehr sprachliche und
kulturelle Gemeinsamkeiten auf. Alle drei untersuchen, wie die obengenannte Chiara
Elefante, die langage des cités im Film La Haine von Mathieu Kassovitz (1995). Elefante
analysiert die italienische Synchronfassung des Films, wohingegen Hamaidia, Mével und
Jäckel die englischen Untertitel untersuchen. Während Hamaidia nur von einer untertitelten
Fassung ausgeht, die Konnotationen des Zieltextes kritisiert und stellenweise verbessernde
Vorschläge macht, geht Mével von zwei untertitelten Fassungen aus: der ersten, welche zur
Veröffentlichung
des
Films
1995
erstellt
wurde
und
zahlreiche
Merkmale
afroamerikanischen Slangs aufweist, und der zweiten, welche zum zehnjährigen Bestehen des
Films für die Veröffentlichung einer DVD vom Regisseur aufgrund des Misserfolgs des Films
in den Vereinigten Staaten neu angefordert wurde. Interessant ist, dass Mével darauf
hinweist, inwiefern Prosodie (z.B. Wiederholung von Satzteilen als Zeichen von Unsicherheit
oder Hektik) zur Charakterisierung der Figuren beiträgt, bei der Untertitelung aber meist
wegfällt. Die erste Untertitelung des Films stellt eine der extremsten Formen einbürgernder
Übersetzung dar, da kulturelle Referenzen sowie Slang an die amerikanische Kultur
angepasst werden (z.B. „Astérix et Obélix“ -> „Snoopy and Charlie Brown“), was zwar den
Grad an Vulgarität erhält, aber eine Verschiebung der Handlung sowie der Identität der
Figuren zur Folge hat. Während aber Jäckel den Misserfolg dieser Fassung auf die geringe
Affinität des amerikanischen Publikums zu fremdsprachigen Filmen und der Untertitelung
(Jäckel 2001:233) sowie die grossen, ihr zufolge unüberbrückbaren kulturellen Unterschiede
zurückführt (ibid.:234), macht Mével dafür die Inkohärenz zwischen den Untertiteln, deren
Sprache der Zuschauer als zu seiner kulturellen Sphäre zugehörig einstuft, und dem
Ausgangstext, welcher ihm eine fremde Sprache und Kultur zeigt, verantwortlich
(Mével 2009:274). Die zweite untertitelte Fassung ist neutraler gehalten und in britischem
Englisch verfasst, welches manchmal umgangssprachliche, meist aber standardsprachliche
Züge aufweist. Folgende Frage drängt sich auf: Ist eine einbürgernde Übersetzung, bei der der
Aspekt der Vulgarität auch für das Zielpublikum verständlich ist, jedoch Referenzen der
Ausgangskultur ausgemerzt werden, einer weniger zieltextorientierten Übersetzung
vorzuziehen, bei der die Authentizität und Kohärenz durch die Beibehaltung kultureller
Elemente der Ausgangssprache gewahrt werden, aber die Vulgarität auf Kosten der
57
Anpassung an die Standardsprache verloren geht? Keiner der vier Autoren stellt sich diese
Frage; sie begnügen sich damit, Nachteile beider Fassungen aufzuzeigen.
Da in den zum Thema Slang und Vulgärsprache durchgeführten Studien, wie sich zeigt, in
erster Linie Probleme beschrieben und wenn, dann nur auf den analysierten filmischen Text
bezogen punktuell Lösungsvorschläge gemacht werden, sind sie für den Untertitler nur
bedingt von Nutzen. Konkrete Hilfe findet sich eher in den neueren allgemeinen Werken zur
Untertitelung, in denen dem Thema Slang oder Vulgarität ein Abschnitt oder gar ein paar
Seiten gewidmet werden. Die Meinungen, wie Sprachvarietäten in der Untertitelung
gehandhabt werden sollten, gehen allerdings weit auseinander: Die Mehrheit spricht sich
dafür aus, dass der Untertitler versuchen sollte, Slang und Vulgärsprache bis zu einem
gewissen Grad zu übertragen, es gibt aber auch Stimmen, welche eine Weglassung
befürworten. Zuerst zur Minderheit: Unter anderem Chaume (2004:219), Gottlieb
(2002:191f.) sowie Ivarsson/Carroll (1998:126f.) sprechen sich gegen eine Übertragung von
Vulgarismen aus. Chaume schlägt als Verhaltensnorm auf lexikalisch-semantischer Ebene vor,
ein mündliches Register zu wählen, das dem sozialen Kontext der Protagonisten gerecht wird,
jedoch ohne auf allzu vulgäre Begriffe („términos excesivamente vulgares“) zurückzugreifen.
Eine Definition von „excesivamente vulgar“ bleibt er dem Leser jedoch schuldig. Gottlieb
sowie Ivarsson/Carroll bringen als Argument für eine Streichung von Vulgarität die
drastischere Wirkung von Schimpfwörtern in geschriebener im Vergleich zu mündlicher
Sprache an. Ob der Unterschied zwischen schriftlicher und mündlicher Sprache ein legitimer
Grund ist, um Vulgarismen wegzulassen, erscheint diskutabel, gerade da sich die
Untertitelung ja auf der Schnittstelle zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit befindet.
Noch fragwürdiger erscheint es aber, den Untertitler in die Rolle des Sittenrichters zu
katapultieren, welcher entscheidet, was seinem Publikum zuzumuten ist und es so
entmündigt. Diese Vorschläge stossen aktuell auf wenig Gehör: In den letzten Jahren
zeichnete sich sowohl in der Praxis als auch in der Untertitelungstheorie die Tendenz zur
vermehrten Verwendung von Schimpfwörtern ab. Wie weit der Untertitler bei der
Übertragung von Vulgarität gehen darf, ist allerdings umstritten. Die Problematik auf den
Punkt bringt Fawcett (2003:157-161). Da Konnotationen zwischen Ausgangs- und
Zielsprache selten übereinstimmen, erfordert die Übertragung von Slang besonderes
Feingefühl. Schlechte Untertitel sind Fawcett zufolge oft auf die Ignoranz des Untertitlers
oder
eine
zu
stark
auf
die
Domestication
ausgerichtete
Übersetzungsstrategie
zurückzuführen. So kann ein französischer Soziolekt nicht einfach durch Black American
Slang ersetzt werden, da dieser auf die Klassenideologie einer amerikanischen Subkultur
verweist und zudem für Nicht-Amerikaner nur schwer verständlich ist. Bei der Vulgärsprache
weist Fawcett auf den Einfluss hin, dem der Untertitler ausgesetzt ist. So können
58
Instruktionen des Auftraggebers sowie Alter und Sensibilität des Zielpublikums eine
„Zähmung“ der Sprache zur Folge haben, was einer Homogeneisierung des Textes und der
Unterdrückung des Fremden (repressing the Otherness) gleichkommt. Das Gegenteil kann
aber auch der Fall sein, wenn der Auftraggeber oder Untertitler befindet, dass sich die
untertitelte Fassung an ein spezifisches Publikum richtet, welches Vulgärsprache mag, und
die Sprache vulgärer darstellt als sie im Ausgangstext ist. Dafür gibt der Autor allerdings nur
einzelne Sätze als Beispiel an, was vermuten lässt, dass diese Strategie in der Praxis nur
punktuell
Anwendung
findet
und
vielleicht
einfach
der
Kompensation
von
vulgärsprachlichem Verlust an anderen Stellen dient. Díaz Cintas/Remael (2009:195-200)
befinden die Übertragung von Schimpfwörtern aufgrund ihrer phatischen oder expressiven
Funktion als wichtig, betonen aber ausser der zu erzielenden Äquivalenz auch, dass von Fall
zu Fall entschieden werden müsse, ob der zielsprachliche Ausdruck äquivalenter Stärke und
konnotativer Bedeutung im Zieltext erlaubt werden dürfe (ibid.:196). Ob der Respekt
gesellschaftlicher Tabus vereinbar ist mit Wirkungsäquivalenz, scheint jedoch äusserst
fraglich. In der Praxis (zumindest im Vergleich von Díaz Cintas/Remael 2009:198) scheint es
aber durchaus so zu sein, dass die Sprache an das Medium angepasst wird und DVDFassungen sprachlich „gewagter“ sind als Video-Fassungen. Marlene Hall Ashour, eine
professionelle Untertitlerin von Kinofilmen, ist der Ansicht, dass Untertitel einerseits den
gesprochenen Sprachstil widerspiegeln und andererseits so klar und knapp wie möglich sein
sollten (Hall Ashour 2003). Insbesondere bei Action- oder Polizeistreifen sollte der Zuschauer
nur so viel lesen müssen, dass er mühelos der Handlung folgen kann. Hall Ashour spricht sich
klar gegen jede Art von Beschönigung aus, da der Stil des Films nicht verfälscht und der
Zuschauer, welcher – zumindest in der Schweiz – meist ein bisschen Englisch versteht, nicht
verärgert werden sollte. Allerdings müsse auch nicht jeder Kraftausdruck übersetzt werden;
es reiche, mit einigen präzisen, klaren Kraftausdrücken anzuzeigen, dass geflucht werde.
Gleicher Meinung ist auch Karamitroglou und stellt für die Untertitelung von Tabuwörtern
folgende Richtlinie auf: „Taboo words should not be censored unless their frequent repetition
dictates their reduction for reasons of text economy“ (Karamitroglou 1998). Heike Jüngst
(2010:50-52) ist der Ansicht, dass Dialekte und Soziolekte nur dann dargestellt werden
sollten, wenn sie für die Charakterisierung der betreffenden Figur sehr wichtig sind. Auch
Nagel (2009:73) spricht von der Charakterisierung von Figuren mithilfe von Dialekten, Slang,
Akzenten und Kraftausdrücken. Vom Ersetzen eines englischen durch einen deutschen
Dialekt rät sie ab, da Dialekte in Grossbritannien viel stärker mit Klassenzugehörigkeit
verbunden sind als deutsche, welche nur eine geographische Komponente aufweisen. Bei
Slang ist sie der Ansicht, dass eine Übertragung grundsätzlich möglich ist, da es in der
Ausgangs- wie auch in der Zielsprache soziale Gruppen gibt, welche sich durch Slang
59
definieren und als tertium comparationis dienen können. Auch diese Position erscheint
diskutabel, da Varietäten meist – wie in Kapitel 1b besprochen und durch Gibbons
dreidimensionalen Würfel veranschaulicht – ganz bestimmte soziale, regionale und
funktionale Komponenten haben, also eine ausgangssprachliche Realität abbilden, die es in
dieser Form in der Zielsprache und –kultur nicht gibt. Ganz so einfach ist es also nicht. Der
Untertitler muss sich bewusst sein, wo sich die Sprechweise einer Figur im Hinblick auf ihre
diatopische, diaphasische und diastratische Dimension eingliedert, und muss versuchen,
durch nicht regional gefärbte Umgangssprache eine ähnliche Wirkung zu erzielen. Oder wie
Mason sagt:
I believe that the expectations of cinema audiences have increased and that, whereas the search for
equivalent social dialects is unlikely to bear fruit, it is possible to represent in subtitles in some way
stigmatised or rejectionist non-standard uses of language […]. (Mason 2001:22)
Dies allein reicht aber nicht aus, um der Funktion von Vulgarität gerecht zu werden. Denn
diese sollte im Zentrum der untertitelungstheoretischen Überlegungen stehen. Die
Grundfragen, welche sich der Untertitler vorab stellen sollte sind: Welche Funktion erfüllt die
Vulgärsprache im Film? Inwiefern ist sie wichtig für die Charakterisierung der Figuren, die
Gestaltung interpersonaler Dynamik zwischen den Protagonisten und somit für die Handlung
und Tragweite des Films? Wie kann sie im Rahmen der gegebenen Arbeitsbedingungen und
unter Berücksichtigung der kulturellen Unterschiede sowie des Vorwissens des
Zielpublikums wiedergegeben werden, um eine Wirkungsäquivalenz zu erzielen?
Nachdem das Bewusstsein für die Schwierigkeiten sowohl der Übertragung von Vulgarität als
auch der Untertitelung geschärft und beide Phänomene in Kombination untersucht wurden,
soll nun der theoretische Rahmen einer praktischen Analyse weichen. Einfach gesagt ist die
Arbeitshypothese, dass bei der Untertitelung allgemein die Vulgarität verloren geht;
inwiefern, mit welchen Auswirkungen und aus welchen Gründen soll am Beispiel gezeigt
werden. Dazu sollen unter Berücksichtigung textinterner und –externer Faktoren auf
makrotextueller Ebene Überlegungen zur Finalität der Übersetzung angestellt werden. Im
Rahmen der mikrotextuellen Analyse soll anschliessend aufgezeigt werden, welche Probleme
sich konkret bei der Übertragung von Vulgarität manifestieren können, inwiefern diese durch
die oben genannten theoretischen Ansätze erklärt werden können sowie, ob und wie man sie
vermeiden könnte.
60
4. Analyse von Vulgarismen am Beispiel des Films
„The Departed“ von Martin Scorsese
a) Makrotextuelle Analyse des Ausgangstextes
i.
Objekt der Analyse
Vulgarität soll konkret am Beispiel des Films The Departed (2006) untersucht werden. Um zu
verstehen, was wichtig ist für die Übertragung von Vulgarität, muss der Ausgangstext zuerst
auf makrotextueller Ebene betrachtet werden. In diesem Unterkapitel soll in einem ersten
Schritt die Einordnung des Spielfilms in das Gesamtwerk des Regisseurs zu einer
Hervorhebung inhaltlicher und filmtechnischer Besonderheiten führen. Durch die Analyse
rekurrenter Themen in Scorseses Schaffen soll in einem zweiten Schritt dann die Aussage des
Regisseurs ermittelt und die Funktion, welche Vulgärsprache im Ausgangstext einnimmt,
bestimmt werden. Dies soll ermöglichen, im nächsten Unterkapitel, welches der
mikrotextuellen Analyse von Ausgangs- und Zieltext gewidmet ist, den Blick fürs Ganze nicht
zu verlieren.
Abb. 9: Cover der im deutschsprachigen Raum vertriebenen DVD
Departed - Unter Feinden (Special Edition, 2 Disc DVD).
Der Film The Departed, auf Deutsch auch unter dem Namen Departed – Unter Feinden
bekannt, ist ein im Jahre 2006 veröffentlichter Spielfilm des amerikanischen Regisseurs
Martin Scorsese.
61
Der heute 68-jährige Scorsese zählt zu den bedeutendsten Regisseuren des 20. Jahrhunderts
und hat in seiner über 40-jährigen Karriere über 20 Spielfilme gedreht. In Berührung mit der
Filmwelt kam der im New Yorker Stadtteil Little Italy aufgewachsene Enkel italienischer
Einwanderer schon früh. Als Asthmatiker blieben ihm viele Aktivitäten verwehrt, weshalb ihn
seine Eltern oft ins Kino mitnahmen (Schaller/Trosset 2004:8). Bedingt durch seine
angeschlagene
Gesundheit,
hielt
sich
der
kleine
Martin
aus
Raufereien
und
Bandenangelegenheiten heraus und nahm eine Beobachterposition ein – sein Auge fürs Detail
sollte ihm später bei seinen Filmen von grossem Nutzen sein, um das Klima seiner Jugend so
realistisch wie möglich wiederzugeben. Dieses Klima wurde durch die Kirche entscheidend
beeinflusst. Das Leben in seinem Quartier richtete sich stark nach der gesellschaftlichen
Struktur in Italien, mit der Kirche als indirekten und der Mafia als direkten Machtquelle.
Scorsese wurde erst später bewusst, dass es damals eigentlich nur zwei Möglichkeiten gab:
entweder Priester oder Gangster zu werden (Brion 2004:18). Da er von klein auf jeden
Sonntag mit Begeisterung in die Messe ging und als Gangster physisch zu schwach gewesen
wäre, begann er nach der Schule mit dem Priesterseminar, während viele seiner Freunde
langsam in die Kriminalität abrutschten. Weil jedoch sein Interesse für Frauen und auch für
Rock’n’Roll stetig zunahm, wurde ihm nach einem Jahr im Seminar nahegelegt, sich einen
anderen Beruf zu suchen (ibid.:20f.). Auf diesem Umweg gelangte er schliesslich an die
Universität und studierte Schauspielkunst und später Englisch und Film. Seinen ersten Erfolg
konnte er bereits mit seinem Abschlussfilm erzielen, in welchem es – wie in vielen seiner
weiteren Filme – um einen Einwanderer geht, der auf die schiefe Bahn gerät. Seine Kindheit
hat Scorsese nie losgelassen und findet bis heute Ausdruck in seinen Filmen. Als Künstler
sieht er sich sowohl in der Rolle des Gangsters als auch des Priesters (ibid.:7). Auch in seinen
grössten Erfolgen – Alice Doesn’t Live Here Anymore (1974), Taxi Driver (1976), Raging Bull
(1980), Goodfellas (1990) – dreht sich alles um Gewalt, Religion und Schuld. Denn obwohl
sein eigener Glaube inzwischen an Kraft verloren hat, ist seine Faszination für die Religion
und ihre Symbole sowie deren Einfluss auf das Denken und Handeln des Menschen bis heute
ungebrochen. Die meisten seiner Filme weisen zudem autobiographische Züge auf, sei es,
wegen der Präsenz religiöser Symbolik in seinen Filmen oder, weil deren Hauptfiguren
italienische Immigranten sind, welche dem American Dream nacheifern. So fand Scorsese im
Laufe der Jahre drei Schauspieler, welchen die Rolle als sein Alter Ego zuteil wurde
(Sotinel 2007:25): Zuerst der ebenfalls aus New York stammende Sohn jüdischer
Einwanderer Harvey Keitel (zu sehen in Mean Streets (1973), Alice Doesn’t Live Here Anymore
(1974), Taxi Driver (1976), The Last Temptation of Christ (1988)), dann der
italienischstämmige Robert de Niro (u.a. in Mean Streets (1973), Taxi Driver (1976), Raging
Bull (1980) und Goodfellas (1990)) und schliesslich, in den letzten Jahren, Leonardo DiCaprio
62
(Gangs of New York (2002), The Aviator (2004), The Departed (2006) und Shutter Island
(2010)). Scorseses Filme beruhen meist auf Gegensätzen. Seine Protagonisten sind hin- und
hergerissen zwischen Gut und Böse, zwischen irdischen Verlockungen wie Geld und Sex und
dem Streben nach Erlösung und Freiheit. Ihre Absichten sind gut, doch früher oder später
werden sie eingeholt von der Realität – ein Happy End ist selten. Was Scorsese an den meist
auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichten fasziniert, ist, wie ein Mensch, der nur
Gutes will, durch gesellschaftliche Umstände verdorben werden kann. Dieser innere Kampf
und seine äusseren Erscheinungsformen sind Gegenstand von Scorseses Überlegungen. Sein
Ansatz ist, die Realität in all ihren Facetten abzubilden, und seien diese noch so grausam. Die
Gewalt in seinen Filmen dient denn auch nur der Feststellung und wird keineswegs
glorifiziert (s. DVD-Special Crossing Criminal Cultures). Denn Gewalt, sei sie physischer oder
psychischer Natur, bestimmt den Alltag des Menschen seit jeher, Scorsese zeigt sie nur in
ihren extremeren Formen (Brion 2004:64). Auch kann sich der Zuschauer leicht mit
Scorseses Anti-Helden identifizieren, was Nicolas Schaller und Alexis Trosset treffend
formulieren: „Combien de ses anti-héros, courant frénétiquement vers un destin inéluctable,
reflètent nos propres errements existentiels?“ (Schaller/Trosset 2004:5). Die Kluft zwischen
den moralischen Werten des Protagonisten und seinem amoralischen Umfeld bringt ihn oft in
letzter Instanz dazu, seiner Verzweiflung durch Gewalt Ausdruck zu verleihen (z.B. in Taxi
Driver (1976)). Die Gegensätze äussern sich aber nicht nur in der Handlung, sondern auch in
der Umsetzung der Geschichte, welche Thomas Sotinel auf Mean Streets (1973) bezogen eine
neue Grammatik der Gewalt nennt (Sotinel 2007:27). Actiongeladene Momente in Kontrast
zu ruhiger Musik oder Bildsprache (Zeitlupe oder statische Kameraführung) zu stellen, war
damals revolutionär und ist bis heute eines der Markenzeichen von Scorsese. Um es mit
Chaume zu sagen (s. Kapitel 2e): Die Diskordanz zwischen den Themen wird durch das
Aufeinanderprallen
gegensätzlicher
Informationen
aus
den
verschiedenen
Informationskanälen (akustisch, visuell) weiter verstärkt, die Spannung steigert sich. Das
Interesse des Regisseurs gilt aber nicht den Gegensätzen an sich, sondern der Grauzone
dazwischen. Denn, wie er selber sagt, ist die Realität nicht schwarz oder weiss: „Wenn
Menschen etwas Gutes tun wollen und am Ende furchtbare Dinge tun. [...] Wo ist die Grenze?
Wo beginnt die Grauzone? Wie grau kann es im Hinblick auf die Moral werden?“ (Scorsese in
Toennies/Phillips 2007). Das Porträtieren dieses Absturzes, also die Grauzone, steht im
Zentrum von Scorseses Schaffen. Der Protagonist, welcher nach und nach in die Kriminalität
abrutscht, ist zugleich Opfer der Gesellschaft und Täter. Einerseits ist er gnadenlos
unmoralisch, andererseits hält er sich penibel an die Wertvorstellungen der Mafia. Scorseses
Ziel ist es, durch die Ambivalenz der Charaktere die Faszination und gleichzeitige Abscheu,
63
welche er in seiner Kindheit seinem Umfeld gegenüber empfunden hat, auf den Zuschauer zu
übertragen und ihn dadurch zum Nachdenken anzuregen (Schaller/Trosset 2004:178).
ii.
Besondere Merkmale
Die oben genannten typischen thematischen und filmtechnischen Grundzüge teilt auch The
Departed (2006). So sind die porträtierten Gegensätze, denen sich die Protagonisten zu
stellen haben, Wahrheit und Lüge, Loyalität und Verrat und, in letzter Instanz, Gut und Böse.
Der Film dreht sich dabei, wie viele andere Filme Scorseses, um die Themen der Korruption
und Gewalt in Mafiakreisen sowie dem Verfolgen von Zielen, die nicht im Einklang mit dem
sozialen Konsens stehen. Der daraus resultierende Absturz des Protagonisten und seine
Reaktionen stehen im Mittelpunkt. Neu für Scorsese ist aber, dass er das Geschehen auch aus
der Perspektive der Polizei zeigt. Seine kritische Auseinandersetzung mit dem Staatsapparat
macht The Departed zu Scorseses politischstem Film überhaupt (Sotinel 2007:85f.). Ebenfalls
innovativ ist, dass Scorsese in diesem Film die irische Gemeinschaft in New York genauer
unter die Lupe nimmt und nicht die italienische, aus welcher er stammt. Sein Interesse für die
Geschichte der irischen Immigration wurde als Kind geweckt, als ihm bewusst wurde, dass
die Kirche, welche er Woche für Woche besuchte, einem irischen Heiligen gewidmet war (St.
Patrick) und ihm seine Eltern, auf seine Frage nach dem Warum, erklärten, dass dieser
Stadtteil früher den Iren gehört hatte (Brion 2004:19). Diesem geschichtlichen Aspekt – der
Entstehung des heutigen Amerikas dank der Einwanderer sowie der damit verbundenen
Frage nach Identität und Werten der Nation – ging er dann 2002 im Film Gangs of New York
nach (Sotinel 2007:73). Der Film, von dem The Departed inspiriert wurde, entspringt aber
einem anderen Kulturkreis: Infernal Affairs (2002) stammt von den Hongkonger Regisseuren
Andrew Lau und Alan Mak und spielt im Triaden-Milieu. Die Idee, diesen Gangsterfilm auf
amerikanische Begebenheiten umzumünzen und ihn in Boston anzusiedeln, stammt von
Drehbuchautor William Monahan, welcher in South Boston aufgewachsen ist. The Departed
ist aber kein simples Remake von Infernal Affairs, in dem die chinesischen Triaden einfach
durch irische Mafiosi ersetzt werden, sondern die ganze Handlung wurde in den kulturellen,
sozialen, geschichtlichen und religiösen Kontext Bostons versetzt und so realitätsnah wie
möglich inszeniert. Authentizität hat denn auch in jedem von Scorseses Filmen oberste
Priorität. Um den Zuschauer überzeugen zu können, muss die Handlung glaubwürdig
dargestellt werden – umso mehr, wenn sie an sich schon stranger als fiction erscheint (s.
gleichnamigen Dokumentarfilm über Scorseses Inspirationsquellen). Der Glaubwürdigkeit
wegen orientiert sich der Film an der Geschichte von James Joseph „Whitey“ Bulger, einem
Mafiaboss, welcher in den 1970er und 1980er Jahren ganz Boston unter Kontrolle hatte.
Trotz des Wissens um seine zahlreichen Delikte wurde nie gegen ihn Anklage erhoben,
64
wodurch sich das Gerücht verbreitete, er sei ein FBI-Informant. In den 1990er Jahren
bestätigte sich dieses Gerücht und Bulger tauchte ab. Über zehn Jahre lang war er nach
Osama Bin Laden die Nummer 2 auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher des FBI, lange
ohne Erfolg. Am 22. Juni 2011, konnte er schliesslich doch noch gestellt werden15.
Faszinierend ist, dass trotz aller Medienberichte und Beweise selbst heute noch Menschen in
South Boston an das von ihm verbreitete Märchen des Saubermanns, welcher versucht,
Drogen von der Stadt fernzuhalten, glauben (Toennis/Phillips 2007). Der Grund dafür könnte
kultureller Natur sein: Die Menschen in South Boston (im lokalen Slang Southie genannt)
bildeten damals eine Art Parallelgesellschaft irischer Einwanderer. Die Grundpfeiler der
Gesellschaft waren Familie, Kirche, die irischen Wurzeln und die Gemeinschaft. So wurde
jedes Mitglied gegen aussen verteidigt und die Aussenwelt als Bedrohung empfunden. So
erklärt sich William Monahan, der Drehbuchautor von The Departed, das Ansehen, welches
Bulger in seiner Gemeinschaft genoss, aber auch den Rassismus in den 1970er Jahren (ibid.).
Ein Gericht entschied damals, dass Bostoner Schulbusse Kinder fortan nicht mehr auf
verschiedene Schulen verteilen durften, um eine Durchmischung ethnischer Gruppen zu
erwirken. Die Busfahrer reagierten darauf mit einem Streik, welcher als busing strike
landesweit für Aufmerksamkeit sorgte. Auf diesen Vorfall wird in der Eröffnungssequenz
angespielt (mehr dazu in Kapitel 4biii.). Scorsese recherchierte die historischen
Begebenheiten akribisch, befragte Zeitzeugen und heuerte einen Ex-Polizisten an, welcher
sich jahrelang mit dem Fall Bulger befasst hatte, um Handlung und Dialoge in
Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor und den Schauspielern so realistisch wie möglich
zu gestalten (in Toennies/Phillips 2007). Er will mit seinem Remake zeigen, dass Gangster
verschiedener ethnischer Gruppen alle gleich agieren, was Verbrechen anbelangt, dabei aber
ihre Ethnizität ins Spiel bringen (s. DVD-Special Crossing Criminal Cultures).
Die Handlung, kurz zusammengefasst, ist, dass der irische Mafiaboss Frank Costello (Jack
Nicholson) die Massachusetts State Police mithilfe seines Spitzels Colin Sullivan (Matt
Damon) infiltriert. Dieser arbeitet offiziell unter der Führung von Captain Ellerby (Alec
Baldwin) für die Spezialermittlungseinheit gegen organisiertes Verbrechen, versorgt aber
inoffiziell Costello mit Informationen. Parallel dazu wird der ebenfalls aus South Boston
stammende Billy Costigan (Leonardo DiCaprio) von der Undercoverabteilung unter Leitung
von Captain Queenan (Martin Sheen) und Staff Sergeant Dignam (Mark Wahlberg)
angeheuert, um über die Machenschaften von Costello zu informieren. Als Costello durch
Colin erfährt, dass ein Spitzel seine Organisation unterwandert, und die Polizei von Billy
informiert wird, dass sich in ihren Reihen ein Spion eingenistet hat, beginnt das Katz-und15
Artikel im Daily Telegraph: http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/northamerica/usa/8594919/James-Whitey-Bulgercaptured-after-16-years-on-the-run.html [15.08.11]
65
Maus-Spiel. Während Colin beauftragt wird, die Ratte – also sich selbst – zu finden, versucht
Billy mit aller Macht, den Verdacht, er sei der Spitzel, von sich zu lenken, und zugleich die
Polizei weiter auf dem Laufenden zu halten. Da beide Spione wissen, dass ihre Informationen
auch an den anderen Spion gelangen, wird versucht, den anderen durch Desinformation zu
entlarven. Costello streut gezielt falsche Informationen, um zu testen, ob diese über Billy bis
zur Polizei (also Colin) dringen, während Queenan und Dignam versuchen, den Kreis der
Verdächtigen in ihrer Einheit dank Billys Hinweisen einzugrenzen. Jede der Hauptfiguren
(Colin, Billy, Costello) spinnt sich ein immer grösseres und komplexeres Lügengebilde, dessen
Aufrechterhaltung mehr und mehr Energie kostet. Costellos Fassade bekommt erste Risse, als
sich die Indizien mehren, dass er als Informant fürs FBI tätig ist. Dadurch wird vielen anderen
(Freunden wie Feinden) die Grundlage für ihr Agieren entzogen, sie sehen sich konfrontiert
mit der Sinnlosigkeit ihrer Handlungen. Als Colin und Billy sich schliesslich gegenüber stehen,
kommt es zur verbalen und physischen Abrechnung, wobei nur einer bzw. keiner überleben
kann.
Die Beziehungen im Film sind komplex dadurch, dass viele Protagonisten mehrere soziale
Rollen erfüllen, zwischen denen sie hin und her wechseln müssen.
Abb. 10: Beziehungsnetzwerk der Protagonisten in The Departed
66
Zwischen den Fronten stehen Madolyn Madden, eine Psychiaterin, welche mit Colin liiert ist,
aber Billy als Patienten betreut und schliesslich eine kurze Affäre mit ihm hat, sowie Costello,
der mit beiden Hauptfiguren in stetigem Kontakt ist. Auch Costellos Crew (Mr. French,
Delahunt, Fitzy), die man anfangs ihrem Anführer zuordnet, wechselt teilweise im Verlauf des
Films die Fronten. Im ganzen Film geht es um Macht: Macht, andere physisch zu kontrollieren
oder verbal zu manipulieren, um das eigene Ziel zu erreichen. Jeder der Charaktere verfolgt
dabei seine eigenen Interessen, die er zu vertuschen sucht. Da niemand der ist, den er vorgibt
zu sein, aber seine Intention umzusetzen versucht, indem er sich ausmalt, was andere wollen
und wie sie reagieren könnten, laufen viele Aktionen ins Leere. Als sich herausstellt, dass
Costello fürs FBI arbeitet, bricht eine Welt zusammen für all jene, die glaubten, gegen das
Böse zu kämpfen, aber auch für all jene, die sich ihm anschlossen in der Hoffnung, zumindest
er vertrete klare Positionen, halte sich an seinen Ehrenkodex und schütze seine Männer. Die
Sache, für die man kämpfte, stellt sich plötzlich als Fata Morgana heraus. Billy wird sich im
Laufe seiner Tätigkeit als Undercoveragent immer mehr der Realität, in der keine klare
Grenze zwischen Gut und Böse besteht, bewusst, kann sich ihr aber nicht entziehen, da er
schon zu stark involviert ist. Obwohl er sich der Zwecklosigkeit seiner Mission bewusst ist,
macht er weiter und wird so zu einer Art moderner Märtyrer. Der Titel des Films ist denn
auch religiös zu deuten: mit „the departed“ sind die Verstorbenen gemeint. Der Begriff taucht
erstmals im Gebet, welches der Priester an der Beerdigung von Billys Mutter spricht, auf, kurz
darauf in der Beileidskarte von Costello an Billy und im weiteren Verlauf des Films bei all
jenen, die gerade verstorben sind (Jackie Costigan, Myles Kennefick, Frank Costello, Billy
Costigan). Es handelt sich dabei um einen Euphemismus (s. Definition auf S. 8 dieser Arbeit),
denn genau genommen waren die Toten ja eher Ermordete denn Verstorbene. Auch andere
Euphemismen für den Tod ziehen sich durch den Film, was darauf hindeutet, dass es sich um
ein Tabu handelt. Dieses könnte auf den katholischen Glauben zurückzuführen sein, welcher,
wenn er auch von den Protagonisten abgelehnt wird, sie doch indirekt prägt. Ausser Queenan
haben alle ihren Glauben an die Kirche, den Rechtsstaat und das Gute im Menschen verloren.
Da sich die Verheissungen des American Dream, welche ihre Vorfahren veranlasst hatten, ihre
Heimat zu verlassen, als Scheinbild entpuppten, flüchteten sie sich von der Kirche und
Gesellschaft in ihr eigenes Wertesystem mit ihrer Hierarchie. Die Mafia stellt daher eine Art
Parallelgesellschaft dar, deren Wertvorstellungen sich die Mitglieder zu fügen haben. Dies
erklärt auch, wieso die Bemühungen Billys, die Welt zu verbessern, zum Scheitern verurteilt
sind. Bei der Polizei wird er aufgrund seines sozialen Hintergrunds nicht aufgenommen; ihm
bleibt nur die Rolle zwischen den Fronten (als Spitzel der Polizei in Costellos Crew), den Weg
aus dem mafiösen System findet er hingegen nie. Die Drohung, seine Identität aus der
Polizeidatenbank zu löschen (von Dignam ausgesprochen, von Colin später ausgeführt), zeigt,
67
wie unbedeutend Intentionen sein können. Für einen Aussenstehenden, welcher nicht weiss,
dass Billy seine Taten nur begeht, um nicht als Agent aufzufliegen, sieht es aus, als sei er
einfach einer von Costellos Männern. Womit sich schliesslich die Frage stellt, ob der Zweck
die Mittel heiligt. Und was es braucht, damit jemand seine Seele an den Teufel (hier Costello)
verkauft. Doch wie immer kann Gut nicht klar von Böse unterschieden werden, so hätte selbst
Held Billy seinen Bandenkumpan Delahunt ohne Zögern umgebracht, um sich zu schützen,
wäre dieser nicht von selber gestorben, während sich herausstellt, dass selbst der grausame
Costello menschliche Züge hat und der unsympathische Dignam schliesslich zum Ritter der
Gerechtigkeit mutiert.
The Departed ist einer von Scorseses grössten kommerziellen Erfolgen und wurde auch von
Kritikern bejubelt (z.B. The Guardian16) und als ein Wiederaufblühen von Scorseses Kunst
bezeichnet. Unter anderem wurden der clevere verbale Schlagabtausch, die schnelle, präzise
Kameraführung und die glaubwürdige Performance der Schauspieler gelobt. Jack Nicholson
verleiht der Figur des Frank Costello mit seinem „numéro baroque“ (Sotinel 2007:86) eine
Exzentrik, die stark kontrastiert mit den anderen Protagonisten. Diese bewegen sich unter
anderem dank der angsteinflössenden Undurchdringlichkeit in Matt Damons und der
Zerrissenheit und Verzweiflung in Leonardo DiCaprios Spiel in der Kulisse eines Film Noir
(ein Filmgenre, welches sich durch eine pessimistische Weltsicht und düstere Bildgestaltung
auszeichnet).
iii.
Funktion von Vulgärsprache im Film
Waltraud Kolb hebt in ihrem Artikel zur Übersetzung von Sprachvarietäten hervor, dass diese
in literarischen Texten, Theaterstücken und Filmen der Charakterisierung von Protagonisten,
zur Markierung des soziokulturellen Hintergrunds und zur Verstärkung des Lokalkolorits
dienen (Kolb 1998:278). In The Departed ist Vulgärsprache aber nicht nur ein punktuell
eingesetztes Stilmittel, um Figuren lebendiger und facettenreicher zu gestalten. Der Film ist
regelrecht gespickt mit Vulgarismen, was ihm einen Platz unter den Filmen mit der
häufigsten Verwendung von fuck einbringt17. Vielfalt und Zweck von Vulgarismen gilt es
daher genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Handlung kann erst in Zusammenspiel mit Einstellung, Schnitt, Hintergrundmusik, und
der passenden Sprache kohärent umgesetzt werden und eine Aussage vermitteln. Im
Ausgangstext ergänzt der auditive Kanal die anderen Informationskanäle perfekt. Die
inhaltlichen Gegensätze werden einerseits filmtechnisch umgesetzt, so unterlegt Scorsese
16
Kritik von The Departed in The Guardian vom 06.10.2006: http://www.guardian.co.uk/film/2006/oct/06/thriller.mattdamon
[15.08.11]
17
Wikipedia-Artikel „List of films that most frequently use the word fuck“:
http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_films_that_most_frequently_use_the_word_%22fuck%22 [15.08.11]
68
zum Beispiel Bilder von Gewaltorgien mit Opernmusik, springt zwischen zwei
gegensätzlichen Handlungssträngen hin und her oder kombiniert eine statische
Kameraführung mit einer spannungsgeladenen Szene. Andererseits lassen sich die
Gegensätze auch in der Sprache finden: Der Wortlaut steht oft in starkem Kontrast zur
Intention des Sprechers, sodass der Hörer nur durch seine Fähigkeit, Körper- und
Parasprache des Sprechers zu entziffern, die implikatierte Bedeutung der Aussage erfassen
kann. So manifestiert sich Dignams Zynismus im Telefongespräch mit Billy dadurch, dass er
ihn durch Kosenamen, welche ja eigentlich positiv konnotiert sind, herabsetzt. Costello
wiederum ist je höflicher er sich ausdrückt, desto verärgerter. Seine Drohungen verpackt er
meist in nette Worte. Auch wird im Film eine Art von Codesprache verwendet. Wenn Colin
mit Costello telefoniert, um ihn über Neuigkeiten im Ermittlungsverfahren zu informieren,
spricht er zu ihm, als wäre er sein Sohn. Während Costello dabei die Vaterrolle einnimmt,
spielt seine rechte Hand, Mr. French, die Mutter. Als Fitzy, ein Gangmitglied Costellos, ihn aus
der Untersuchungshaft anruft, um ihn zu warnen, spricht er ihn mit „mum“ an. Das
Gesprächsthema zwischen den Mafiabossen und ihren Untergebenen ist dabei immer das
Essen. Informieren Colin oder Fitzy, dass sie nicht zum Essen zuhause sind, wissen die
Gangster, dass ihnen etwas (eine Razzia resp. eine Verhaftung) dazwischen gekommen ist.
Sagt Colin, seine Freunde kämen trotzdem zum Abendessen, meint er damit seine
Polizeikollegen, die im Anmarsch sind. Dass sich Mafiosi als Mitglieder derselben Familie
bezeichnen, rührt daher, dass die Mafia in gewisser Weise ein Ersatz der traditionellen
Familie mit ihren Werten und Normen darstellt. Doch nicht nur der Einsatz von Codesprache
macht es schwierig, zu verstehen, was mit dem Gesagten gemeint ist, auch die verschiedenen
Identitäten, die ein und dieselbe Person haben kann, tragen dazu bei. Dadurch, dass jede
Figur ihre eigenen Ziele verfolgt, diese aber den anderen nicht preisgeben will, müssen
Intentionen geschickt in Worte gehüllt werden, um den Gesprächspartner zu manipulieren.
So besteht neben der interspeaker variation, also der unterschiedlichen Sprechweise
zwischen den Protagonisten, auch eine intraspeaker variation, da ein Sprecher seine
Ausdrucksweise an Publikum und Ziel anpasst (s. Bells „audience design“-Theorie in
Kapitel 3a). Die drei von Brown/Levinson (1987) aufgezählten sozialen Faktoren – soziale
Nähe, Macht und Kultur – spielen dabei in The Departed eine grosse Rolle. Da jeder
vorgaukelt, jemand anderes zu sein, in dieser Rolle aber echt erscheinen will, ist es umso
wichtiger, die Zugehörigkeit zu seiner Gruppe durch sprachliche Anpassung zu markieren. So
schafft Vulgärsprache Nähe, sei es unter Polizisten, welche gemeinsam ihre Rugby-Gegner als
Schwule betiteln, oder unter Gangstercousins, die sich anerkennend als „corrupt fuck“
bezeichnen. Eingesetzt als Waffe, kann sie aber auch Distanz schaffen.
69
Hierarchie wiederum bestimmt (sowohl in der Polizei als auch in der Mafia), wer wen
beschimpfen darf (z.B. Dignam Billy). Die intraspeaker variation zeigt sich am deutlichsten bei
Colin: Als Polizist wählt er eine ungeschliffene Sprache, um Macht und den Willen, die Ratte
zu fangen, zu demonstrieren; als Mann, der eine Frau (die Psychiaterin Madolyn) mit seiner
Intelligenz und Charme verführen will, drückt er sich weitaus gewählter aus; mit Costello,
den er aus frühester Kindheit kennt, spricht er meist Slang und verwendet viele Vulgarismen,
um seine Entschlossenheit und Coolness zu unterstreichen. Seine Macht demonstriert er
verbal gegenüber ihm untergeordneten Polizisten; in Costellos Crew ist er hingegen der
Untergebene und muss sich verbal von Costello dominieren lassen. Zu Billy pflegt er ein
gespaltenes Verhältnis: Während er beim ersten Kontakt noch versucht, soziale Nähe
herzustellen, um sein Vertrauen zu gewinnen, markiert er am Ende seine hierarchische
Überlegenheit und die damit einhergehende höhere Glaubwürdigkeit, um Billy von seinem
Vorhaben, ihn an die Polizei auszuliefern, abzubringen. Auch kulturelle Aspekte
determinieren die Verwendung von Vulgärsprache entscheidend. Während der deutsche
Polizist eher als Hüter von Recht und Ordnung wahrgenommen wird, entspringt der
amerikanische Cop dem Klischee nach einer sozial schwächeren Schicht und kämpft oft mit
einer schwierigen Vergangenheit. Der Umgangston unter Cops ist dementsprechend rau,
rassistische und sexistische Äusserungen werden toleriert. Obwohl Vulgarismen von allen
Figuren eingesetzt werden, ist interessant zu sehen, dass die Pole der Lokutionsskala
Höflichkeit vs. Unhöflichkeit (S. 12 dieser Arbeit) unterschiedlich ausfallen. Über die kleinste
Bandbreite verfügen Queenan und Dignam. Queenan als gläubiger Katholik drückt sich
allgemein äusserst höflich aus und lässt sich nur in Ausnahmezuständen (z.B. in Todesangst)
zu einem Vulgarismus hinreissen. Dieses Verhaltensmuster steht in Kontrast mit der
Sprechweise seines Assistenten Dignam: Selbst in positiver oder neutraler Stimmung
verwendet dieser unzählige Vulgarismen, bei extremer Wut reiht sich dann Schimpfwort an
Schimpfwort und die Fäuste fliegen. Über die grösste Bandbreite verfügt, wie bereits
erwähnt, Colin, bedingt durch die sehr unterschiedlichen sozialen Rollen, in die er schlüpfen
muss. Nicht nur die kulturellen Unterschiede zwischen dem sozialen Status von Polizisten
spielt eine Rolle. Auch die Ansiedelung der Handlung in Boston determiniert die Sprache der
Protagonisten. Sie alle sprechen Boston English, einen Dialekt, der sich durch schwache Rs
(non-rhotische Varietät) und breite As kennzeichnet18. Dieser Dialekt wird vorwiegend von
irischen und italienischen Immigranten der Bostoner Arbeiterklasse gesprochen. Somit gibt
der Akzent sowohl über die geographische Herkunft als auch über das soziale Umfeld
Auskunft. Typisch amerikanisch ist auch der Polizeijargon, welcher rege Verwendung findet
18
The Language Samples Project der University of Arizona: http://www.ic.arizona.edu/~lsp/Northeast/BostonEnglish/bosintro.html
[15.08.11]
70
(SIU, the Staties, Homeland Security) und auf ein System verweist, das dem amerikanischen
Zuschauer bekannt sein dürfte, dem deutschsprachigen aber nicht. So gliedert sich der
amerikanische Polizei-Apparat in zahlreiche Hierarchiestufen: von den lokalen Sheriffs, zur
Metropolitan-Police, welche für eine ganze Stadt zuständig ist, über die Highway Patrols, die
Autobahnpolizei,
bis
zu
den
State
Troopers
(auch
State
Police
genannt)
auf
Bundesstaatenebene. Der State Police von Massachusetts gehören im Film alle Protagonisten
an. Die State Police teilt sich allerdings in verschiedene Abteilungen, wozu die Special
Investigation Unit (kurz SIU), eine Sonderermittlungseinheit für besonders wichtige
Angelegenheiten, zählt. Im Film stehen Captain Ellerby und Captain Queenan beide auf
derselben hierarchischen Stufe, genau wie Staff Sergeant Colin Sullivan und Staff Sergeant
Sean
Dignam.
Während
Ellerby
für
die
SIU
zuständig
ist,
hat
Queenan
die
Undercoverabteilung unter sich und hält die Daten seiner Informanten gegenüber seinem
Kollegen strikt geheim. Assistiert werden Ellerby und Queenan von ihren Staff Sergeants,
welche ihrerseits die Troopers (z.B. Colins Freund Barrigan und Billys Kumpel Brown) unter
sich haben. Der Begriff Trooper bezeichnet einen Polizisten unterster Stufe bei der Polzei des
Bundesstaats, also jemanden, der die Police Academy, die amerikanische Polizeischule,
erfolgreich abgeschlossen hat. Auf höchster Ebene, jener der US-Regierung, gibt es noch eine
Reihe weiterer polizeilicher Einrichtungen, wozu das Federal Bureau of Investigation (kurz
FBI), das Department of Justice (DOJ) sowie das Department of Homeland Security (DHS)
zählen. In Amerika ist die Rivalität unter den verschiedenen Stellen gemeinhin bekannt,
daher dürfte es einen muttersprachlichen Zuschauer auch nicht verwundern, dass der FBIKollege Frank Lazio von der SIU eher als Konkurrent denn als Verbündeter im Kampf gegen
Verbrecher wahrgenommen wird. Durch die Verankerung des Films in der amerikanischirischen Kultur ist auch die Religion eine Determinante. Die Protagonisten sind alle in einem
religiösen Umfeld aufgewachsen, was sich sowohl in ihrer Sprache als auch in ihrem
Verhalten zeigt. Wirklich gläubig scheint nur Queenan, welcher sich kurz vor seinem Tod
noch bekreuzigt, der Rest der Protagonisten hat sich vom Glauben entfernt und sein System
um einen neuen Gott, verkörpert von Frank Costello, gebildet. Der Mafiaboss wird von
anderen als solcher bezeichnet (von Billys Cousin als „God“, von seiner Geliebten Gwen wird
er – ironisch – mit „your highness“ angesprochen) und hält sich auch selber dafür, aufgrund
seiner Macht, über Leben und Tod anderer entscheiden zu können. Merkwürdigerweise
zeigen die Gangster im Film, obwohl sie alle gegen das Gebot „Du sollst nicht töten“
verstossen, grossen Respekt vor dem Tod. Von ihm sprechen sie fast ausschliesslich mithilfe
von Euphemismen. Das weist darauf hin, dass sie trotz ihrer Abkehr vom Glauben in gewisser
Weise kulturell konditioniert sind – Verstösse gegen gesellschaftliche Tabus werden auch im
Kreise von Gangstern als solche wahrgenommen. Diese Tabus hängen in erster Linie mit der
71
Sexualität (der Geschlechtsakt als Triebbefriedigung, Impotenz, Homosexualität), der
respektlosen Verwendung von Gottes Namen (Gotteslästerung), der Erwähnung von
Krankheit, Mord und Tod sowie des Verstosses gegen den biblischen Grundsatz, dass alle
Menschen vor Gott gleich sind (Rassismus und Sexismus), zusammen. Auch tiefliegende
sexuelle Komplexe beschäftigen die Protagonisten, so legt Ellerby Colin nahe, zu heiraten, um
dem Rest der Welt zu zeigen, dass er nicht schwul ist und sein Penis funktioniert. Costello
und Colin wiederum bezeichnen immer wieder Feinde als Schwule, als handle es sich bei
Homosexualität um eine ansteckende Krankheit, vor der man Angst haben müsste. Auch sind
die Protagonisten sehr auf ihre Kultur zentriert und äussern sich pejorativ über andere
ethnische Gruppen (Italiener, Inder, Chinesen). Kulturgebunden ist auch der Humor. Dieser
ergibt sich in The Departed einerseits aus dem teilweise makabren Kontrast von Bild und
Sprache (z.B. Costellos besorgte Ausdrucksweise, als er French damit beauftragt, die
abgehackte Hand eines Ermordeten an dessen Frau zu schicken, s. dazu auch Besprechung
von Chaumes ikonographischem Code, S. 40-41 dieser Arbeit) und andererseits aus
vulgärsprachlichen Wortspielen. Wenn Colin meint, Feuerwehrmänner hätten zum ersten
Mal eine „pussy“ gesehen, kann damit sowohl das weibliche Geschlechtsteil als auch eine
Katze gemeint sein. Als Ellerby zu Colin sagt „you’ll rise fast“, meint er dies anerkennend.
Dignam dreht ihm allerdings das Wort im Mund um und zieht eine Parallele zum
Geschlechtsteil eines 12-Jährigen, um Colin zu beleidigen.
Aus all diesen Facetten setzt sich der Fluchwortschatz von The Departed zusammen.
Zusammenfassend lässt sich seine Funktion auch hier, wie bereits im theoretischen Teil
angesprochen (s. Kapitel 1c), grob in zwei Kategorien einteilen: der Klasse emotiver
Sprechakte (oder annoyance swearing nach Ross) und der Klasse expressiver Sprechakte
(social swearing nach Ross). Sie finden aber auch in Kombination mit assertiven oder
direktiven Sprechakten Verwendung mit der Funktion, den Wahrheitsgehalt der Aussage
oder den Willen des Protagonisten zu unterstreichen. Im Film verwenden die Protagonisten
in Situationen grossen Stresses oder Ärgers vermehrt Vulgarismen, die oft nur dem Ablassen
von Druck dienen und an niemanden gerichtet sind (z.B. Billy als er Queenans Leiche sieht).
Im sozialen Kontext kann Vulgärsprache sowohl Nähe als auch Distanz schaffen. Wie bereits
erwähnt wurde, können sowohl vulgärsprachliche als auch höfliche Äusserungen gezielt
eingesetzt werden, um das Gegenüber für seine Zwecke zu gewinnen. Beide können dem
Ausdruck von Respekt dienen: Höflichkeit durch die Anerkennung des Hörers als Person,
seiner Lage und Gefühle, Vulgärsprache durch die Betonung von Gemeinsamkeiten und somit
der Zugehörigkeit zur selben Gruppe. Vulgärsprache kann aber auch mit dem gegensätzlichen
Ziel eingesetzt werden: als bald, on record strategy zur Ausübung eines Face-Threatening Acts
(s. Brown/Levinsons politeness theory unter Kapitel 3b). Jemanden mithilfe von Vulgarismen
72
zu beschimpfen und ihn gesellschaftlich, ethnisch oder sexuell herabzusetzen, stellt eine
Form des gezielten Angriffs dar. Als humoristisches Mittel kann Vulgärsprache als Neckerei,
Nähe, als Angriff (den Hörer lächerlich machen) jedoch Distanz schaffen. Erfolgt ihre
Verwendung in Situationen extremer Wut, ist sie ein Zeichen des Sprechers an den Hörer, ihn
nicht weiter zu provozieren. Durch die verbale Äusserung von Wut kann deren physische
Manifestierung unterdrückt werden. Reicht verbale Gewalt jedoch nicht mehr aus, um der
wachsenden Wut Ausdruck zu verleihen, oder nimmt der Hörer den Sprecher nicht ernst,
greifen viele Protagonisten auf physische Gewalt zurück und verprügeln ihr Gegenüber (oft in
Kombination mit einem Schwall an Beschimpfungen).
b) Mikrotextuelle Analyse von Ausgangs- und Zieltext
i.
Überblick über den Ausgangstext
Nach dieser allgemeinen Betrachtung des Films, sollen nun konkrete sprachliche Beispiele
gegeben werden, um die obengenannten Muster zu illustrieren. Da die Länge des Films und
der Rahmen dieser Arbeit eine gründliche Analyse, das heisst die Untersuchung jedes
Vulgarismus in seinem ausgangs- und zielsprachlichen Kontext (mit Einbezug des
Übersetzungsverfahrens), verunmöglicht, soll auf mikrotextueller Ebene erst anhand der
Kategorisierung der Vulgarismen im Ausgangstext ein Überblick über die sprachlichen
Merkmale des Films als Ganzes verschafft werden, um anschliessend die Untertitelung
einzelner Schlüsselszenen im Detail zu betrachten.
Wie sich bereits bei der makrotextuellen, thematischen Analyse im vorhergehenden
Unterkapitel gezeigt hat, lassen sich Regelmässigkeiten bei der Verwendung von Vulgarismen
feststellen, welche durch deren Funktion und kulturelle Verwurzelung bedingt sind. Die
Vulgarismen, welche im Film vorkommen, können nach ihrem Verweis auf gesellschaftliche
Tabus gegliedert werden (angelehnt an die in Kapitel 1d erwähnte Tabu-Kategorisierung von
Allan/Burridge und die in Kapitel 3cii. angesprochene Auflistung der grammatikalischen
Formen von fuck durch Pujol):
Tabu
Lexem
Wortart
Syntagma (Beispiel)
Funktion
Konnotation
Sex &
Körperflüssigkeiten
fucking/fuckin’
Adjektiv
Adverb
Infix
I’m no fucking cop
I fucking kill you.
whoopdie fucking do; la di
fucking da; Sigmund fucking
Freud; guaran-fucking-teed;
contra-fucking-band; abrafucking-cadabra; Jesus
fucking Christ
fucking what?
friggin’ bow
friggin’ crazy
Betonung der Aussage
Betonung der Aussage
Negative Betonung der
Aussage (auch der Ironie)
111
51
7
Betonung einer Frage
Euphemismus für fucking
(abgeschwächter
1
1
2
frigging/friggin’
Kollokation
Adjektiv
Adverb
& Okkurrenz
73
fuck
Substantiv
the/a fuck
Substantiviertes
Verb
all that fucking
Kollokation: V +
the fuck + Adv.
get the fuck down; shut the
fuck up; get the fuck out of
here; wake the fuck up
what/where/when/why/who
/how the fuck(?)
Kollokation:
Fragewort + the
fuck
Kollokation: V +
for the fuck of it
to lie for the fuck of it
Kollokation: V + a (not) to give a fuck
fuck
to fuck
Verb
fuck you!; fuck yourself
fuck it/this
I’m tired from fucking your
wife.
fuck with someone
fuck around
fuck off
fucked
Partizip
fuck sth up
to be fucked
fucked up
How fucked up are you?
fucked out
The car’s fucked out with
graffiti on the side
fuck
Interjektion
Fuck!
fuckhead
Substantiv
motherfucker
Substantiv
Hey, fuckhead, that’s Jackie’s
nephew.
Shoot this motherfucker!
whore
Substantiv
son-of-a-bitch
Substantiv
bastard
Substantiv
pussy
Substantiv
money-grubbing whore
At least somebody can stand
the son-of-a-bitch.
the poor bastard
Firemen getting pussy
(rescuing it from a tree)
You lace-curtain Irish fuckin’
pussy!
Vulgarismus) -> leichte
Betonung der Aussage
Pejorative Bezeichnung
für eine Person
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für den
Geschlechtsakt)
Verstärkung des
Imperativs
4
1
9
Betonung einer direkten
oder indirekten Frage
36
Nichts (Betonung der
Grundlosigkeit der
eigenen Handlung)
Nichts (Betonung des
eigenen Desinteresses,
der Unbedeutsamkeit
einer Sache)
Äusserung von Wut /
Respektlosigkeit
gegenüber einer Person
Äusserung von Wut /
Respektlosigkeit
gegenüber einer Sache
Ursprüngliche Bedeutung
(pejorativ für
Geschlechtsverkehr)
Pej. für jemanden
respektlos (als wäre er
nichts) behandeln (z.B.
durch anlügen, hänseln,
herabsetzen)
Nichts machen (Betonung
der Unbedeutsamkeit)
Äusserung von Wut
gegenüber eine Person
(unhöfliche Aufforderung
zu gehen)
Zunichte machen
Betonung der
Aussichtslosigkeit der
Lage / Bez. einer Person
als Lügner
Pej. Bez. für psychischen
Zustand einer Person
Pej. Bez. für den Zustand
eines abgenutzten
Gegenstands / Person
Äusserung von
Überraschung/Wut
Pej. Bez. f. eine Person
1
Pej. Bez. f. einen Mann
(Ursprung s. ÖdipusKomplex)
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für eine
Prostituierte)
Pej. Bez. für eine Frau
Pej. Bez. für einen Mann
(Herabsetzung durch
Beleidigung dessen
Mutter)
Ursprüngliche Bedeutung
(pussycat=Katze)
Pej. Bez. für einen Mann
(Vergleich zu einer Katze
6
11
4
3
1
1
1
3
2
1
1
5
1
7
-
1
1
4
2
1
74
Firemen getting pussy
(getting women/sex)
cunt
Adjektiv
Substantiv
Kollokation
douchebag
Substantiv
fuck stick
Substantiv
pecker
Substantiv
dick
Substantiv
prick
Substantiv
dickhead
Substantiv
cock
Substantiv
I don’t need pussy anymore
either.
cunt cop
that shrink cunt / We [people
of the undercover section]
would be cunts.
to get cunt
You’re a fucking douchebag.
Kollokation
Look it, fuck stick.
little boys sucking on their
peckers
like a twelve-year old’s dick
I’m gonna find the prick.
Who forged your transcript,
dickhead?
They know your cock must
work.
to suck on one’s cock
cocksucker
Substantiv
nuts
Substantiv
(Plural)
Kollokation
to go nuts
Substantiv
(Plural)
Substantiv
Verb
Don’t get your balls in an
uproar.
I get a blow job again.
Blow me.
balls
blow job
to blow someone
[Costello zu den pädophilen
Priestern] Enjoy your clams,
cocksuckers.
You fucking cocksucker!
Blow me.
to shoot in one’s
pants
jerk off
Kollokation
Adjektiv
Verb
ass(hole)
Substantiv
Kollokation
Calm down, or you’ll shoot in
your pants.
jerk-off cousin
the hand he jerked off with;
jerking off in a theatre
the ass of a camel; wipe my
ass; looking up their own ass;
a whiff of my ass; crawling up
asses
What’s the matter, smart
ass?
sth is a pain in the ass
-> impliziert schwach und
effeminiert)
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für das weibliche
Geschlechtsteil)
Pej. Bez. für den
Geschlechtsakt
Betonung der Aussage
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für das weibliche
Geschlechtsteil)
Pej. Bez. für eine Frau /
einen Mann
2
1
1
-
2
Pej. für Frauen finden, um
Geschlechtsverkehr zu
haben
Wortwörtliche Bedeutung
(vaginale Saugpumpe)
Pej. Bez. für einen Mann
Wortwörtliche Bedeutung
(pej. für das männliche
Geschlechtsteil)
Pej. Bez. f. einen Mann
Pej. für das männliche
Geschlechtsteil
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für das männliche
Geschlechtsteil)
Pej. Bez. für einen Mann
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für das männliche
Geschlechtsteil)
Pej. Bez. für einen Mann
Pej. Bez. für einen Mann
1
Pej. für das männliche
Geschlechtsteil
Wortwörtliche Bedeutung
(pej. für Fellatio)
Wortwörtliche Bedeutung
(pej. für Homosexuelle, s.
Tabu-Kategorie „Namen“)
Pej. Bez. für einen Mann
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für Hoden)
Pej. für den Verstand
verlieren
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für Hoden)
Pej. für Fellatio.
Wortwörtliche Bedeutung
(pej. für praktizieren einer
Fellatio)
Äusserung von Wut
gegenüber einer Person
Vulgärsprachlich für
ejakulieren.
Pej. Bez. einer Person (im
Sinne von nichtsnutzig)
Pej. für masturbieren
3
Wortwörtliche Bedeutung
(pej. für Anus / Gesäss)
5
Pej. Bez. für eine Person
1
Pej. für Probleme
1
3
-
1
1
2
-
9
1
1
1
6
1
1
2
1
2
1
1
2
75
shit
Namen
(persönlicher
verbaler Angriff)
Substantiv
He talks like his shit don’t
stink.
We’re not even supposed to
be doing this shit.
piece of shit
to be up shit’s creek
to be full of shit
to know shit; to feed
someone shit; to give a shit
to be hot shit
You’re shitting me?
shit!
Ursprüngliche Bedeutung
(pej. für Exkremente)
Pej. Bez. für eine Sache
1
Pej. Bez. für eine Person
Pej. für Probleme (haben)
Pej. Bez. für einen Lügner
Nichts (Betonung der
Unbedeutsamkeit)
Pos. Bez. für eine Person
Pej. für Belügen
Äusserung von
Überraschung / Wut
personal bullshit
Pej. für Probleme (haben)
no bullshit; psychiatry bullshit Pej. für Lügen / Nonsens
3
1
1
3
This shithole has more
fucking leaks than the Iraqi
navy.
He’s scared shitless.
You do not want to miss it if
Costello takes a dump.
Pej. Bez. für einen Ort
1
Betonung der Aussage.
Pej. Bez. für das
Ausscheiden von
Exkrementen
Pej. Bez. für einen Mann
Rassistische Bez. für Pers.
italienischer Herkunft
Rassistische Bez. für
Afroamerikaner
1
1
to shit someone
shit
Kollokation
Kollokation
Kollokation
Kollokation:
V +( a) shit
Kollokation
Verb (transitiv)
Interjektion
bullshit
Substantiv
shithole
Substantiv
shitless
to take a dump
Kollokation
Kollokation
pissant
guinea
Substantiv
Substantiv
that Irish pissant
true guineas
nigger
Substantiv
black chappy
Substantiv
mick
Adjektiv
That’s what the niggers don’t
realize.
If I got one thing against the
black chappies, it’s this.
mick cops
Rican
Substantiv
Babu
Chinaman
Substantiv
Substantiv
chink
Substantiv
queer
homo
Substantiv
Substantiv
cocksucker
Substantiv
faggot
girl
sister
Substantiv
Substantiv
Substantiv
prom queen
Substantiv
hump
Substantiv
donkey
Substantiv
lace-curtain
Adjektiv
shrink
Substantiv
little Miss Freud
Kollokation
moron
Substantiv
jerk
lox (kurz für
Substantiv
Substantiv
Fucking Ricans think they
know everything.
Come on, Babu.
I’m concerned about a
Chinaman....
If these Chinks want to nuke
Taiwan...
Fucking queers.
Hey, go save a kitten in a
tree, you fucking homos.
[Costello zu den pädophilen
Priestern] Enjoy your clams,
cocksuckers.
you two-faced faggot
You, girls, have a good day.
I hope you’re not turning into
one of them sob sisters.
Look who’s here. The prom
queen.
Your old man was a fucking
hump.
with your daddy, the fucking
donkey
lace-curtain motherfucker;
lace-curtain Irish fuckin’
pussy
See a court-ordered shrink
Some other guy will be
putting his fat cock up Little
Miss Freud’s ass.
Oh, come on, you fucking
moron.
Jerk ass!
He’s a lox.
2
1
1
2
1
3
1
5
2
1
Rassistische Bez. für
Personen irischer
Herkunft
Rassistische Bez. für
Puerto Ricaner
Rassistische Bez. für Inder
Rassistische Bez. für einen
Chinesen
1
2
3
2
1
Pejorative Bez. für
Homosexuelle
1
3
1
Pej. Bezeichnung für
Männer
1
2
1
1
Pej. Bez. für einen
Arbeiter
1
1
Pej. Bez. für Personen der
oberen Mittelschicht
2
Pej. Bez. für eine(n)
Psychiater(in)
Pej. Bez. für eine
Psychiaterin
3
Pej. Bez. für Personen mit
eingeschränktem Intellekt
1
1
1
1
76
Religion
lummox)
Jesus Christ
Jesus
Christ
jeez
chrissake
for Christ’s sake
hell
Interjektion
Interjektion
Jesus fucking Christ
Kollokation:
Fragewort + the
hell
Interjektion
goddamn
damn
Adjektiv
Adverb
Jesus Christ!
Jesus!
Christ!
Jeez!
For chrissake, be smart!
Eat something, for Christ’s
sake!
Where the hell’s Frank?
Äusserung von
Überraschung /
Verzweiflung
Betonung einer Frage
1
Jesus fucking Christ!
Blasphemische Äusserung
von Überraschung / Wut
Negative Betonung der
Aussage
1
goddamn standards
damn bad; damn near found
him
Betonung des Imperativs
3
1
1
1
1
1
3
2
Bereits auf den ersten Blick offenbart sich die quantitative und qualitative Fülle an
Vulgarismen in The Departed, wobei die meisten Bezug nehmen auf sexuelle Tabus. Darunter
befinden sich der Geschlechtsakt als Triebbefriedigung (fuck und seine Varianten sowie
damit verbundene Aktivitäten wie to blow, to jerk off), Bezeichnungen für Geschlechtsteile
(pussy, cunt, fuck stick, pecker, dick, prick, cock, nuts, balls) und deren Flüssigkeiten (shit, piss)
sowie Verweise auf gesellschaftliche Tabus wie den ausserehelichen Geschlechtsakt (whore,
bitch, son-of-a-bitch, bastard) oder tiefer liegende innere Konflikte wie den Ödipus-Komplex
(motherfucker). Der persönliche verbale Angriff kann abzielen auf die Verletzung einer
Person durch deren Reduzierung auf ihre Nationalität (rassistische Bezeichnungen für
Italiener, Schwarze, Iren, Puerto Ricaner, Inder und Chinesen), Sexualität (Homosexuelle und
Frauen), Gesellschaftsschicht (Arbeiter, obere Mittelschicht), Intelligenz oder Berufsstand
(z.B. Psychiater). Unter den religiösen Begriffen wird vor allem der Name von Christus in all
seinen Variationen verwendet, aber auch dessen Widersacher der Teufel in seinem Umfeld
(hell, goddamn, damn). Interessant zu sehen ist, dass viele der Vulgarismen zwar ihrer
Etymologie nach in direktem Bezug stehen zu Tabus, ihre Bedeutung sich aber weit davon
entfernt hat. So beinhaltet fuck in phrasal verbs (fuck around, fuck off, fuck sth up; to be fucked,
to be fucked up, to be fucked out) lediglich die negative Konnotation der Triebbefriedigung
ohne Fortpflanzung, als etwas, das sinnlos ist, und unterstreicht die Nichtigkeit im Sinne von
jemanden anlügen (ihm nichtige, inkorrekte Informationen geben, to fuck with someone),
nichts machen (to fuck around), zunichte machen (fuck sth up), jemanden ins Nichts, in die
Wüste schicken (to fuck off). In passivischen Konstruktionen dient fuck der Bezeichnung des
Zustands einer Person oder Sache als nichtig (to be fucked, to be fucked up, to be fucked out).
Fucking konnte sich gar seiner negativen Konnotation entledigen. Obwohl der Begriff durch
seinen Verweis auf ein Tabu noch immer geringe gesellschaftliche Akzeptanz erfährt (fuck
wird auch weiterhin am amerikanischen Fernsehen mit einem Piepton überdeckt), kann er
durchaus zur positiven Hervorhebung eines Sachverhalts oder einer Person verwendet
werden (z.B. „Wow, what a fucking great car!“) – und das nicht nur in Gangsterkreisen. Auch
77
motherfucker ist inzwischen so geläufig, dass der Sprecher wohl kaum Freud und seinen
Ödipus-Konflikt damit verbinden dürfte (Achtung aber, wenn ein geläufiger Begriff als
gezielter Angriff mit Verweis auf seine wortwörtliche Bedeutung eingesetzt wird, wie
cocksucker von Costello zur Bezeichnung pädophiler Priester). Die Unterschiede zwischen der
ursprünglichen Bedeutung eines Begriffs, seiner vulgärsprachlichen Verwendung und
eventuellen Entwicklung müssen beachtet werden. So hatten viele Begriffe, welche der
Tierwelt entlehnt wurden, ursprünglich nichts Anstössiges an sich (pussy für Katze, pecker für
Schnabel und prick für Stachel). Erst durch ihre Analogie zu einem Geschlechtsteil erhielten
sie eine vulgärsprachliche Konnotation. In einem ersten Schritt wurden sie verwendet als
Ersatz für die medizinischen Begriffe von Geschlechtsteilen, inzwischen haben viele aber eine
weitere Entwicklung durchgemacht und finden vermehrt Einsatz als allgemeines
Schimpfwort für eine Person. Dabei wird eine Person auf ihr Geschlechtsteil (Männer
manchmal auch auf das weibliche, wie bei cunt oder pussy) reduziert, der Begriff steht somit
für das Ganze (rhetorische Figur des Pars pro toto). Die negative Konnotation entsteht
einerseits aus dieser Reduzierung eines Menschen auf einen Aspekt, andererseits aus dem
gesellschaftlichen Konsens, dass Sexualität etwas Schmutziges ist und dadurch negativ
behaftet ist. Dieser gesellschaftliche Konsens geht auf das christliche Wertesystem zurück,
welches die westliche Gesellschaft, trotz des Machtverlustes der Kirche im letzten
Jahrhundert, immer noch stark bestimmt. Wie in Kapitel 1e besprochen, verfügt die Kirche als
Institution in den Vereinigten Staaten auch heute noch über grossen Einfluss, weswegen auch
religiöse Vulgarismen einen Teil ihrer Aussagekraft beibehalten konnten. Ausrufe wie Jesus
Christ! dienen aber heutzutage lediglich der Äusserung von Überraschung, blasphemisch
aufgefasst würde höchstens noch Jesus fucking Christ!. Auch for Christ’s sake oder what the
hell dienen nur mehr der Betonung und sind nicht zwingend negativ, während damn und
goddamn auch heute noch negativ aufgefasst werden – als abschätzige Äusserung über eine
Person, Sache oder Situation. Blasphemisch ist im Film nicht die Lexik, sondern eher der
Kontext. Für einen streng gläubigen Katholiken wäre es wahrscheinlich ziemlich
schockierend, wenn ein amoralischer Gangster wie Costello Kirchenlieder singt, biblische
Zitate als Rechtfertigung für seine Taten verwendet oder sich selber als Gott bezeichnet. Doch
nicht nur blasphemische, auch rassistische Bezeichnungen haben sich weiterentwickelt, wie
bereits am Begriff nigger, dessen Entwicklung auf Seite 15 dieser Arbeit beschrieben ist,
aufgezeigt wurde. Wie nigger wird auch queer von den ursprünglich Beschimpften
inzwischen zur Selbstbezeichnung verwendet. Doch wenn auch alle aufgelisteten Begriffe
vulgär sind, so sind sie nicht alle gleich vulgär. Bedingt durch den Ursprung bzw. die
individuelle Evolution der Begriffe bestehen Unterschiede hinsichtlich der Konnotation. Auf
die Lexik bezogen lässt sich nicht pauschal eine Hierarchie aufstellen, da ein Lexem immer
78
erst in seinem Kontext die volle Bedeutung entfalten kann. Allgemein kann gesagt werden,
dass fuckhead, motherfucker und cunt als sehr anstössig erachtet werden, wohingegen
dickhead, douchebag und pussy gesellschaftstauglicher sind. So ist cunt das einzige Wort,
welches im britischen Fernsehen bis heute zensiert wird. Auch bestehen Unterschiede
zwischen amerikanischem und britischem Englisch: So wird dick vorwiegend in Amerika und
prick im Vereinigten Königreich verwendet, durch den medialen Einfluss der amerikanischen
Kultur wird inzwischen aber auch dick benutzt. Pussy ist ebenfalls ein amerikanischer Begriff,
der sich auf dem europäischen Kontinent eingebürgert hat. Bastard wiederum ist die
britische Version des amerikanischen son-of-a-bitch. Pecker ist ein schwacher Vulgarismus,
beinahe schon verniedlichend – zumindest nach Empfinden eines befragten Briten19. Denn
nicht nur Kontext, sondern auch Faktoren wie Region, Bildung und soziale Position des
Sprechers, Gesprächssituation, Gesprächsgegenstand oder Zweck der Kommunikation sowie
Art und Grad der Inferenz mit anderen Sprachen (hier Sprachvarietäten) können
Auswirkungen
auf
die
Sensibilität
einer
Person
gegenüber
Vulgarismen
haben
(Viereck 1986:219 gliedert nach diesen Faktoren die synchronischen Varietäten des
Englischen). Im Falle der Vulgärsprache können auch Geschlecht, Alter und religiöser
Hintergrund der Kommunikationspartner sowie soziale Nähe, Hierarchieunterschiede und
Kultur (Brown/Levinson 1987) einen Einfluss haben. Einig wären sich jedoch wahrscheinlich
die meisten Muttersprachler, dass motherfucking eine Steigerung von fucking ist, frigging
dagegen eine Abschwächung ist. Frigging aber auch black chappies sind gewissermassen
„Zwittererscheinungen“. Sie befinden sich zwischen Euphemismus und Vulgarismus und
werden von denen verwendet, die zwar fluchen respektive sich abschätzig äussern wollen,
jedoch ohne allzu stark gegen Tabus zu verstossen. So wird mit frigging zwar das Tabuwort
fucking umgangen, dem Hörer ist aber klar, was gemeint ist. Colin zum Beispiel setzt frigging
ein, als er zum ersten Mal auf Madolyn trifft und seinen Äusserungen Ausdruck verleihen,
jedoch nicht das Risiko eingehen will, seine neue Bekanntschaft zu schockieren oder gar zu
vergraulen. Andererseits können einzelne Vulgarismen aber auch gesteigert werden, indem
man sie kombiniert. So sind Komposita möglich (cunt cop, jerk ass, cop prick, IRA
motherfucker, shrink cunt, rat bastard, rat fuck), aber auch die Addition von einem
vulgärsprachlichen
Adverb
und
einem
vulgärsprachlichen
Substantiv
(goddamn
motherfucker, fucking queers, homos, douchebags usw.) oder sogar noch stärker in
zusätzlicher Kombination mit einem negativ behafteten Adjektiv (stupid fucking asshole). Den
Rekord stellt Dignam mit „you lace-curtain Irish fuckin’ pussy“ auf. Doch auch positiv
behaftete Begriffe können mit Vulgarismen kombiniert werden, meist um Ironie oder
Sarkasmus zu verdeutlichen (Mr. fucking genius, fucking smart). Ironie stellt denn auch eine
19
Schriftliche Kommunikation von Herrn Ian MacKenzie [01.08.11].
79
Form verbalen Angriffs dar; auf sie kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht vertieft
eingegangen werden, besprochen werden soll sie im Anschluss nur im Hinblick auf ihre
Auswirkungen auf die interpersonale Dynamik zwischen den Figuren im Film. Das gleiche gilt
für Euphemismen. Krankheit, Mord & Tod bilden, wie beschrieben in Allan/Burridge 2006,
ein starkes gesellschaftliches Tabu, dessen Macht sich allerdings nicht in erster Linie im
Fluchwortschatz, sondern in der Verwendung von Euphemismen widerspiegelt. Doch auch
Euphemismen sind nicht Thema der Arbeit und sollen deswegen, wie auch Humor und Ironie
nur in Bezug auf ihre pragmatische Dimension analysiert werden. Denn grundlegend für die
Übersetzung ist nicht der eigentliche Wortlaut, sondern die Intention, die der Sprecher zum
Ausdruck bringen will. So kann ein simpler Ausdruck wie fucking zahlreiche Funktionen
haben. Er kann sowohl zur illokutiven Klasse der Emotiven (fuck!) und Expressiven (fuck
you!), als auch zu den Assertiven (I’m no fucking cop!) und Direktiven (fucking do it!) gehören
– je nach Kontext. Einzig dem Wortlaut folgen darf der Untertitler nicht, so werden im Film
oft gerade besonders höfliche Formulierungen zum Ausüben von Druck verwendet. Entweder
durch das Herstellen emotionaler Bindung oder aber gar als unterschwellige Drohungen oder
verbale Angriffe, wie in der Szene, in welcher zwei italienische Gangster einen indischen
Laden überfallen und der eine Gangster mithilfe von Höflichkeitsstrategien, der andere
mithilfe von Gewalt das gemeinsame Ziel, nämlich die Zahlung von Schutzgeld, erwirken
wollen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vulgarismen in The Departed direkt oder indirekt
auf die gesellschaftlichen Tabus der Sexualität, des respektlosen Gebrauchs von Namen sowie
der Religion verweisen. Verwendung finden sie in zahlreichen und immer zahlreicher
werdenden Formen, welche sich mehr und mehr von der ursprünglichen Bedeutung
entfernen. So kann ein Vulgarismus als Substantiv zur pejorativen Bezeichnung einer
Person, Sache oder Handlung verwendet werden (ursprünglicher Zweck des Vulgarismus),
als Interjektion durch seine Emotionsgeladenheit der Äusserung von Gefühlen (an sich
selber oder den Hörer gerichtet) dienen oder als Adjektiv bzw. Adverb die Betonung einer
Aussage, einer Frage oder eines Befehls verstärken, wobei die Betonung nicht zwingend
negativ ausfallen muss (s. Entwicklung des Begriffs fucking). Als phrasal verb kann ein
vulgärsprachliches Substantiv in Kombination mit einer Präposition in bestimmten Fällen
seine eigene Bedeutung verlieren und nur mehr die negative Konnotation des
ursprünglichen Begriffs tragen.
80
ii.
Ausgangslage & Vorgehensweise
Für den Ausgangstext – und somit auch für die Übersetzung – hat Glaubwürdigkeit oberste
Priorität. Denn in The Departed geht es Scorsese nicht in erster Linie um die Handlung,
sondern um die Darstellung der Psychologie der einzelnen Figuren (s. DVD-Special Crossing
Criminal Cultures). Der Film kann also nur effizient sein, wenn er auch in der Übersetzung
authentisch erscheint. Dies gilt aber nicht nur für Filme von Scorsese, sondern dem
Übersetzungswissenschaftler Chaume zufolge für die Untertitelung aller Filme: Der Skopos
eines fiktiven Textes ist, das Publikum durch die Wiedergabe und Darstellung einer
glaubhaften Situation zu unterhalten (Chaume 2004:225). Daher muss der Untertitler der
Wahrung der Authentizität der individuellen Sprechweise der Charaktere besondere
Aufmerksamkeit zukommen lassen. Doch Authentizität hängt nicht nur von der individuellen
Sprechweise ab: Der Film – wie jedes Werk – kann erst als Ganzes seine Bedeutung entfalten.
Nachdem in Kapitel 3 bereits die Wichtigkeit der interpersonalen Dynamik hervorgehoben
wurde, soll diese nun mit Schwerpunkt auf Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien
untersucht werden. Da die interpersonale Dynamik nicht isoliert Untertitel für Untertitel
betrachtet werden kann und sollte, sondern sich meist über einen Textakt hinweg entwickelt
(Mason 2001:20, 26, angesprochen in Kapitel 3ci.), werden im Folgenden einzelne Szenen
analysiert, wobei Kotext (vor- und nachhergehende Szenen), Kontext (intra- und
extratextuell) sowie Zusammenspiel mit anderen Informationskanälen (Originalton und –
bild) trotz mikrotextueller Perspektive mit einbezogen werden sollen.
Nach einer kurzen Situierung der Szene in ihrem Kotext (was vorher bzw. nachher geschieht)
soll analysiert werden, wie sich die interpersonale Dynamik im Text entfaltet. Bei der Analyse
wird vom Wortlaut im Film ausgegangen, gestützt auf die Spotting List. Eine Spotting List zu
definieren ist schwierig, da sie je nach Produktionsfirma mehr oder weniger detailliert
ausfällt. So kann sie minimalistisch sein und sich auf die schriftliche Wiedergabe von Dialogen
beschränken (idealerweise genau wie diese im Film vorkommen, weniger idealerweise wie
sie ursprünglich im Drehbuch standen, Ivarsson 1992:84) oder kann aber, wie im
vorliegenden Falle, neben Beschreibungen der Handlung im Bild auch Anmerkungen zu
sprachlichen Besonderheiten (u.a. zu Slangismen und Vulgarismen) sowie Kommentare zu
Kulturspezifika beinhalten. Die Firma Warner Bros., Auftraggeber von The Departed, hat
unter Untertitlern den Ruf, sehr ausführliche Spotting Lists zu liefern20. Dass die Spotting List
von der Filmgesellschaft in house redigiert wird, hat den Vorteil, dass der Verfasser im
Zweifelsfalle beim Produktionsteam nachfragen kann – oder gar beim Regisseur. So
beinhaltet die Spotting List von The Departed auch Anweisungen von Scorsese, zum Beispiel:
20
Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11].
81
„TRANSLATORS PLEASE NOTE: MR. SCORSESE DOES NOT WANT ANY OF THE GREEK
DIALOGUE TRANSLATED EITHER FOR DUBBED VERSIONS OR FOR SUBTITLED VERSIONS”.
Diese Bemerkung bezieht sich auf die Konversation im Restaurant bei der Festnahme von
Jimmy Pappas’, das Gleiche gilt aber auch für Chinesisch in der Mikroprozessoren-Szene
sowie für Punjabi in der Szene, in welcher zwei italienische Gangster in einem indischen
Laden versuchen, Schutzgeld zu erpressen. Auch werden in der Spotting List punktuell
sogenannte alternate titles, zusammengefasste Untertitel, vorgeschlagen, wenn der
Ausgangstext zu lang für eine ausführliche Übersetzung scheint. Die Spotting List ist, wie aus
Scorseses Kommentar zu entnehmen ist, Ausgangspunkt sowohl für die untertitelte als auch
die synchronisierte Fassung. Wenn sie qualitativ hochstehend ist, stellt sie eine grosse Stütze
dar (Díaz Cintas 2001:199-211) und beeinflusst die Arbeitsweise des Untertitlers
massgebend.
Den
extratextuellen
Faktoren
(Arbeitsabläufe,
Akteure
im
Untertitelungsprozess, externe Vorgaben, usw.) muss auch im Rahmen dieser Analyse
Rechnung getragen werden. Wie eine Analyse von Untertiteln nicht ohne Beachtung der
anderen Informationskanäle durchgeführt werden darf, stünde sie auch ohne die
Miteinbeziehung der Arbeitsbedingungen im luftleeren Raum. Ursprünglich sollte einzig von
der DVD-Fassung der Firma SDI Media Group ausgegangen werden. Da diese aber für
Auskünfte nicht erreichbar war, ging die Suche nach einer anderen Fassung, zu der auch
Informationen zum Arbeitsprozess eingeholt werden können, weiter. Eine geeignete Fassung
fand sich schliesslich in der Genfer Untertitelungsagentur Titra, welche The Departed für das
schweizerische Kino-Publikum 2006 auf die Leinwand brachte. Beim ersten Durchlesen
hinterliess diese Fassung jedoch einen ganz anderen Eindruck als jene der SDI Media Group.
Daraus entstand die Idee, beide Fassungen in die Analyse mit einzubeziehen und sie zu
vergleichen, in der Hoffnung, Unterschiede auf übersetzungsstrategische Entscheidungen der
Untertitler zurückzuführen und eine rationale Erklärung für die eigene intuitive
Wahrnehmung zu finden. Da für die DVD-Fassung keine Informationen zu den Umständen
ihrer Entstehung vorliegen, können nur vorsichtig Mutmassungen angestellt werden.
Eindeutig ist, dass der Zieltext von SDI sich an deutschsprachige Zuschauer aller drei Länder
richtet, da die DVD sowohl in Deutschland, Österreich als auch der Schweiz vertrieben wird.
Während Titra von den meisten Kunden die Vorgabe erhält, ihre Untertitel schweizerisch zu
gestalten, Helvetismen also ausdrücklich erwünscht sind21, wurde die DVD-Fassung bedingt
durch die Heterogenität ihres Zielpublikums bewusst „neutral“ gehalten. Aufgrund der
sprachlichen Merkmale im Text sowie dem Fakt, dass die SDI eine Niederlassung in
Deutschland hat, darf aber von einem deutschen Untertitler ausgegangen werden. Ins Auge
fällt auch, dass die Fassung von Titra um einiges kürzer ist als jene von SDI. Dies ist darauf
21
Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11].
82
zurückzuführen, dass sich in der Schweiz der deutschsprachige Untertitler den verfügbaren
Platz mit dem französischsprachigen Untertitler teilen muss. So zeigt die erste Zeile jeweils
die deutschen, die zweite Zeile die französischen Untertitel, wobei beide gleichzeitig und mit
dem Ausgangstext synchron eingeblendet werden müssen. Da in der Forschung oft von den
zeitlich-räumlichen Begrenzungen als unantastbare Bedingung der Untertitelung, deren
Kriterien weltweit vergleichbar sind (s. Besprechung dieser Problematik unter Kapitel 2e,
S.43-44), ausgegangen wird, könnte es besonders interessant sein, den Sonderfall Schweiz
mit seinen halb so langen Untertiteln mit dem Fall Deutschland zu vergleichen, um
herauszufinden, inwiefern die Zeichenquantität Auswirkungen auf die Untertitelqualität hat.
Ausschnitte der beiden Zieltexte sowie des Ausgangstextes (in Szenen gegliedert) befinden
sich aus Platzgründen im Anhang dieser Arbeit, wobei der Ausgangstext auf der Spotting List
basiert (stellenweise ergänzt oder um zusätzliche Kommentare gestrafft), Zieltext 1 für die
DVD-Fassung und Zieltext 2 für die Kino-Fassung stehen. Doch genug der theoretischen
Worte, die Praxis wartet!
iii.
Szene 1: Eröffnungssequenz
The Departed katapultiert den Zuschauer nicht wie in Gangsterfilmen üblich direkt ins
Geschehen, sondern konfrontiert ihn zu Beginn des Films mit der Lebensphilosophie von
Mafiaboss Frank Costello. Dieser spricht aus dem Off, das heisst von ausserhalb der
Kameraeinstellung, über seine Einstellung zu anderen ethnischen Gruppen und dem Leben
allgemein. Untermalt wird seine Stimme durch Filmausschnitte aus der Zeit des Bostoner
Rassenkriegs in den 1970er (s. busing strike, S. 65 dieser Arbeit) sowie dem Song Gimme
Shelter der Rolling Stones. Die Stimme aus dem Off wird von Scorsese oft und gerne
eingesetzt, seine Funktion beschreiben Schaller/Trosset folgendermassen:
L’utilisation fréquente de la voix off – certains films en sont parcourus de bout en bout – participe également
{ l’intensité spirituelle dont l’œuvre scorsesienne est empreinte. Le réalisateur affectionne la présence de
cette entité invisible qui couvre le drame, offrant au héros cette grandeur rédemptrice qui l’obsède. Au-delà
d’accroître l’implication personnelle du spectateur, la voix off enrichit le film d’une seconde lecture plus
documentaire, généralement prodiguée par les protagonistes eux-mêmes qui, par le biais de ce discours,
font œuvre d’introspection. (Schaller/Trosset 2004:163)
Diese spirituelle Intensität wird dadurch verstärkt, dass Costello sich in der ersten Minute
nicht im Bild befindet und während weiterer zwei Minuten nur an seinem Umriss zu
erkennen ist.
83
Screenshot des Schattens von Mafiagott Costello [00:01:10]
Die „entité invisible“ von der Schaller/Trosset sprechen verkörpert Costellos Schatten,
welcher das Geschehen, ähnlich Gott, lenkt. Durch den Einsatz des Off-Kommentars
verschmelzen in gewisser Weise die Ebenen zwischen Adressaten in der fiktiven Welt und
Adressaten in der realen Welt, da Costello sich aus dem Off an beide richtet (s.
Hatim/Mason 1997 in Kapitel 3a). So klärt Costello den Zuschauer, und wie später aus dem
Bild entnommen werden kann, auch Colin über seine Beweggründe auf. Der Schluss, den
Costello persönlich aus der Geschichte der Einwanderer in Boston zieht, ist, dass einem nichts
geschenkt wird, man es sich also selber nehmen muss. Die Schwarzen sind seines Erachtens
selber schuld an ihrer Situation, weil sie sich nicht genug gewehrt haben. Dies erklärt auch,
wieso sich im Film die italienische und die irische Mafia bekriegen: Beide sind bereit, ihre
Ziele notfalls auch mit Gewalt zu erreichen. In dieser kurzen Sequenz offenbart sich dem
Zuschauer nicht nur Costellos negatives Weltbild, sondern auch seine Homophobie. Obschon
er durch seine irischen Wurzeln strenggenommen auch kein „richtiger“ Amerikaner ist,
scheut er sich nicht, andere ethnische Gruppe herabzusetzen und von Amerika als seinem
Land zu sprechen. Sotinel sieht in diesem Prolog eine grausame Feststellung des Versagens
der amerikanischen Gesellschaft – ein Beweis dafür, dass sich die amerikanische Gesellschaft
nach den Tumulten der 1960er-1970er Jahren weiter gespalten hat (Sotinel 2007:85). Wie
Costello selber sagt, kann auch die Kirche den Menschen nicht mehr helfen. Früher förderte
sie den Zusammenhalt in der Gemeinschaft, heute aber hat sie keine Macht mehr. Gefolgt
wird der beinahe dokumentarische Prolog von einem Flashback, einer filmischen Rückblende,
die Costellos erste Begegnung mit Colin zeigt. Colins Wirken als Messdiener (nächste
Einstellung) und der religiöse Hintergrund, auf den angespielt wird, halten ihn aber nicht
davon ab, Costello in der L Street zu besuchen. So sieht man anschliessend Costello in einer
Garage, wie er Colin und anderen Kindern predigt, dass man sich der Kirche nicht
unterwerfen, sondern nach seinen eigenen Massstäben handeln sollte und sich von anderen
nichts gefallen lassen muss. Auf die Andeutung, was jenen geschehen kann, die seine Macht
84
nicht respektieren, sagt Costello, dass es im Angesicht des Todes sowieso nicht darauf
ankomme, ob man Polizist oder Verbrecher sei. Die Szene endet, nach einer Rückblende, in
der der angetönte Mord an zwei italienischen Bandenmitgliedern gezeigt wird, mit einem
visuellen Sprung vom Kind zum erwachsenen Colin, der jetzt dank Costello den Weg in die
Polizeischule gefunden hat.
In dieser Szene ist die Beibehaltung der konnotativen Intensität von Vulgarismen umso
wichtiger, als dass der deutschsprachige Zuschauer mit den Archivbildern nicht viel
assoziieren dürfte. Da eine Fussnote, welche die Bostoner Krawalle und deren Verweis auf
den grassierenden Rassismus in Boston näher erläutern würde, in der Untertitelung nicht
möglich ist, entgeht dem deutschen Zuschauer unter Umständen anfangs die rassistische
Färbung von Costellos Aussagen. Der Untertitler muss deshalb besonders Acht geben, dass in
seinen Formulierungen das Ausmass von Costellos Rassismus durch scheint.
Die Szene ist auch in Bezug auf die interpersonale Dynamik zwischen den Charakteren
interessant, da sie die Entwicklung der Beziehung zwischen Costello und Colin im
Schnelldurchlauf zeigt. Macht demonstriert Costello den Zuschauern gegenüber in seinem
Monolog und dem Ladenbesitzer Vin durch unterschwellige Drohungen, Colin gegenüber
verhält er sich allerdings väterlich und versucht ihn durch Geschenke (Esswaren) sowie
durch Sprache für sich einzunehmen. Die Andeutung eines Vater-Sohn-Verhältnisses
zwischen Costello und Colin durch Verwendung des Possessivs „my boy“ ist äusserst wichtig
für den späteren Verlauf des Films. Denn kurz vor seinem Tod stellt sich heraus, dass der
sonst so herzlose Costello in Colin einen Sohn sah. Woraus Colin schliesst, dass Costellos
ultimative Triebfeder für „all that murdering and fucking“ seine Impotenz ist. Auch
Erektionsprobleme stellen im Film ein grosses Tabu dar. Nach einer gemeinsamen Nacht
spricht Madolyn Colin auf seine Erektionsschwierigkeiten an, dieser blockt aber ab. Als
Ellerby ihm später nahelegt zu heiraten, um dem Rest der Welt zu zeigen, dass sein
Geschlechtsteil funktioniere, brüstet sich Colin damit, dass es Überstunden leiste. In den
Kreisen, in denen sich Colin und Costello bewegen, scheint sich die Identität über die
Männlichkeit ergo über die Funktionstüchtigkeit der Sexualorgane zu definieren. Bleibt diese
aus, wird kompensiert – bei Costello tätlich mit „murdering and fucking“, bei Colin verbal.
Leider fällt die Andeutung von Costellos Sehnsucht nach einem Sohn in ZT 2 („braver Junge“)
aber weg, dem Zuschauer entgeht somit eine interpretative Spur. Auch sonst erhält man
einen leicht anderen Eindruck von Costello in der Übersetzung als im Original. Costellos
Sprechstil wirkt im Prolog abgehackter, weil die Sätze teilweise kürzer und semantisch
kompakter ausfallen. Die rhetorischen Mittel der Wiederholung („I don’t want“ im
Gegensatz zu „I want“, hier Form der Antithese) oder der deiktischen Determinative („that
85
was“, „that’s what“, „it’s this“), welche Costellos Prolog Rhythmus und Schwere (Macht)
verleihen, fallen teilweise weg. Auf rein lexikalischer Ebene beeinflussen ausser Vulgarismen
auch andere mit Vulgarität in Zusammenhang stehende sprachliche Besonderheiten wie
Slang und Polizeijargon, aber auch Höflichkeitsformen, Formen der Anrede einer Person
sowie indirekte Verweise auf gesellschaftliche Tabus die interpersonale Dynamik. Aus diesem
Grund wurde diese in den Szenen jeweils ebenfalls farbig markiert (s. Erklärung der
Markierungen im Anhang, S. 140). Denn obwohl Höflichkeit eigentlich positiv konnotiert ist,
werden Euphemismen oder überhöfliche Formulierungen stellenweise gezielt als Angriff
eingesetzt. So fasst der Ladenbesitzer Costellos Bemerkung „Carmen’s developing into a fine
young lady“, gepaart mit ihr zugeflüsterten Obszönitäten (die der Zuschauer zwar nicht hört,
jedoch an Costellos dreckigem Lachen erahnen kann) und der anschliessenden Frage nach
deren Periode keineswegs als Kompliment auf, sondern eher als Drohung Costellos, sich an
ihr zu vergreifen. Nicht am eigentlichen Wortlaut, sondern erst durch den Kontext (Situation,
Körpersprache, Betonung) lässt sich die Intention erkennen. Bei den Vulgarismen ist der
Angriff offensichtlich, da diese im klassischen Sinne eingesetzt werden, zur negativen
Bezeichnung von Personen, insbesondere von Personen anderer Herkunft. Wichtig für die
Übertragung sind hier, wie sich im Folgenden zeigt, die vulgärsprachliche Konnotation
(+=stärker; -=schwächer, ≈=vergleichbar mit AT) sowie der Kontext, in dem ein Begriff
Verwendung findet:
AT
ZT 1
2x guineas
fucking job
niggers
black chappies
Jeez!
2x Itaker
Scheissjob
Neger
Negerlein
Ist ja ‘n Ding!
Vulgärspr.
Konnotation
≈
≈
≈
+
0 (banal)
Kontext
ZT 2
2. Weltkrieg
≈
≈
≈
0
2x Spaghettifresser
0
Neger
Neger
Mensch!
Vulgärspr.
Konnotation
≈
0
≈
+
0 (banal)
Kontext
≈
0
≈
≈
0
Problematisch ist Übersetzung von „guinea“ in ZT 1. „Itaker“ ist eine Abkürzung von
Italienischer Kamerad und wurde im 2. Weltkrieg von deutschen und österreichischen
Soldaten verwendet. In den 1960er und 1970er Jahren fand der Begriff mit einer –er Endung
dann seinen Weg in die Umgangssprache, wobei er negativ behaftet war22. Mal abgesehen
davon, dass der Begriff der heutigen Generation nicht mehr so geläufig sein dürfte, schwingt
bei seiner Verwendung der Kontext des 2. Weltkriegs mit. Dieser hat aber so gar nichts mit
den geschichtlichen Begebenheiten, auf die Costello Bezug nimmt, zu tun, weshalb Itaker hier
unpassend
erscheint.
Auch
„black
chappies“
stellt
eine
grosse
übersetzerische
Herausforderung dar. In der Spotting List wird zu dem Begriff „chappies“ vermerkt, er sei
„condescending for ‚fellows‘“. Da „black“ aber eigentlich ein Euphemismus ist (vergleichbar
mit „Schwarzer“ im Deutschen), bewegt sich die Kollokation „black chappies“ zwischen
22
Wikipedia-Artikel „Itaker“: http://de.wikipedia.org/wiki/Itaker [15.08.11].
86
Euphemismus und Vulgarismus und ist weder sehr rassistisch noch politisch korrekt. „Neger“
ist dafür zu stark, „Negerlein“ vermittelt zwar durch das Diminutiv die gleiche Idee der
Überheblichkeit, ist aber ebenfalls zu stark. Da aber Costello, wäre er deutschsprachig,
durchaus von „Negern“ oder „Negerlein“ sprechen könnte, bleibt die Glaubhaftigkeit der
Aussage erhalten. Bei der Interjektion „Jeez!“ stellt sich ein kulturelles Problem. Wie in
Kapitel 1 besprochen, ist die Verwendung von Gottes Namen in Amerika ein viel grösseres
Tabu als im deutschsprachigen Raum, was erklären könnte, wieso sich keiner der Untertitler
für eine wörtlichere Übersetzung à la „Oh mein Gott!“, „Ach du meine Güte!“ oder „Grosser
Gott!“ entschieden hat, da diese heutzutage nur mehr in katholischen Regionen (Bayern oder
Wallis zum Beispiel) oder von älteren Personen verwendet werden. Sowohl „Ist ja ’n Ding“
wie auch „Mensch!“ vermitteln Costellos Überraschung, wenngleich sie auch weitaus banaler
sind. Mit dem Wegfallen der religiösen Komponente fällt aber auch die Blasphemie und
der Humor der Aussage weg, welche daraus entstehen, dass Costello den Ausruf „Jeez!“
verwendet, nachdem er jemanden ermordet hat. Blasphemie und Ironie werden durch den
Kontrast von Bild und Text verstärkt: Die beiden Erschossenen fallen zu Boden und bilden
eine Art makabres Stillleben von Mann und Frau beim Geschlechtsakt, wobei die Rollen
vertauscht sind. Dies findet Costello „funny“, was wiederum Mr. French veranlasst, ihm einen
Besuch beim Psychiater nahezulegen.
Makabrer Bild-Text-Humor [00:04:18]
Dass Costello ganz offensichtlich nichts von der Kirche hält, aber trotzdem sagt, John F.
Kennedy „möge in Frieden ruhen“, verleiht der Aussage in ihrem Kontext einen etwas
zynischen Beigeschmack. Auch mit seinem Zitat von James Joyce, „non serviam“, bringt
Costello seine Respektlosigkeit der Kirche gegenüber zum Ausdruck. Der Spotting List zufolge
wird „non serviam“ in Joyces Werk A Portrait of the Artist as a Young Man von Satan
ausgesprochen, als Verweigerung, Gott zu dienen. Für die Untertitelung ist diese Form von
87
Intertextualität jedoch nicht relevant, da eine erklärende Übersetzung durch Medium sowie
zeitlich-räumliche Begrenzungen verunmöglicht wird.
iv.
Szene 2: Colins Beförderung vs. Billys Degradierung
Szene 2 wird mit einer filmtechnischen Spielerei eröffnet. Colin taucht in einem Kreis auf,
welcher von schwarz umgeben ist, und sich nach und nach weitet, bis man das ganze
Polizeigebäude sieht. Dadurch entsteht eine Illusion des Zoom-In. Doch diese Spielerei erfüllt
einen ganz bestimmten Zweck: Es scheint, als komme Colin aus einem Tunnel – oder einem
Rattenloch. So kennt man dieses Verfahren aus Tom-und-Jerry-Filmen, in welchen sich Tom,
die Katze, und Jerry, die Maus, bekriegen, und das Mäuseloch heran- bzw. herausgezoomt
wird. Der Regisseur deutet mit einem Augenzwinkern die Entwicklung der Geschichte, das
Katz-und-Maus-Spiel zwischen Mafia und Polizei, an. Wie in Szene 1 ist auch diese Okkurrenz
von Intertextualität für die Untertitelung irrelevant (hier weil sie sich nicht in der Sprache
niederschlägt), der Untertitler sollte sich ihrer trotzdem bewusst sein.
Ratte infiltriert Polizei [00:08:12]- [00:08:16]
Colin marschiert in das Polizeihauptquartier, genauer ins Büro von Queenan und Dignam.
Ersterer beglückwünscht ihn zu seiner Beförderung zum Staff Sergeant, letzterer macht ihn
lächerlich. Colin zeigt sich überrascht ob so viel Feindseligkeit, bleibt allerdings höflich. Als er
das Büro verlässt, kreuzen sich seine und Billys Wege, da dieser nach ihm einen Termin hat.
Billy erwarten jedoch keine Glückwünsche: Trotz Bestehen der Polizeiakademie steht ihm
keine Karriere in der State Police bevor, er soll als Undercoveragent arbeiten. Um ihn
dahingehend zu manipulieren, versucht Dignam ihn erst kleinzumachen, bevor Queenan ihm
das Angebot unterbreitet.
Im Verlaufe des Gesprächs folgt Beschimpfung auf Beschimpfung, wobei Billys
Defensivstrategien
bedingt
durch
seine
hierarchisch
schwache
Position
äusserst
eingeschränkt sind. Nachdem seine Illusion vom Polizist-Sein in alle Einzelteile zerlegt ist,
macht ihm Queenan, welcher sich sonst zurückhält, den Vorschlag, undercover zu ermitteln.
Queenan und Dignam geben dabei, wie man es aus Kriminalfilmen kennt, das klassische
Polizistenduo bestehend aus good cop vs. bad cop. Bei dem Verhör von Verdächtigen spielt
der eine den „Bösen“, welcher den Verdächtigen bedroht, beschimpft oder anderweitig unter
88
Druck setzt, während der „Gute“ vorgibt, seinen Kollegen besänftigen und so den Verhörten
schützen zu wollen. Dadurch fühlt sich der Verhörte zum good cop hingezogen und gibt sich
kooperativ. So übt Dignam mithilfe von Beschimpfungen und rhetorischen Fragen, Queenan
hingegen durch die Betonung seiner Solidarität und seines Vertrauens in Billy Druck auf
diesen aus. Die Gesprächsstrategie zeigt sich an der Körpersprache der Protagonisten sowie
an ihren verbalen Äusserungen. Billy wird zu Beginn des Gesprächs von Queenan gefragt, ob
er wisse, was Aufgabe ihrer Einheit sei. Bevor Billy aber eine höfliche, vorsichtige Aussage
machen kann („Sir, yes, sir, I have an idea...“) unterbricht ihn Dignam und unterstellt ihm, sie
beleidigen zu wollen. Die Frage “are you calling us cunts?” ist rein rhetorisch. Obwohl Dignam
keine ernsthafte Antwort auf eine solche Frage erwarten kann, wartet er ab und bringt Billy
in Verlegenheit. Beim ersten Mal rettet Queenan Billy, indem er sich indirekt für die Art
seines Kollegen entschuldigt („Staff Sergeant Dignam has a style of his own“) und Billy die
Antwort erspart. Anschliessend zieht Queenan sich jedoch aus der Konversation zurück,
studiert Dokumente und überlässt Billy Dignams rhetorischen Fragen.
Bad cop greift an, good cop wartet erstmal ab [00:13:12]
Dignam konfrontiert Billy mit seiner Meinung, formuliert diese aber nicht als Aussage,
sondern als Frage, um von Billy ein Eingeständnis zu erwirken. Während sich Dignam
drohend vor Billy aufbaut und vorgibt, auf eine Antwort zu warten, nestelt Billy sichtlich
verlegen an seiner Krawatte. Als sich dieses Gesprächsmuster einige Male wiederholt und
Dignam die schwarze Vergangenheit von Billys Familie genüsslich in ihre Einzelteile zerlegt
und zu jedem Detail eine rhetorische Frage stellt, um dessen Wahrheit bestätigt zu
bekommen, sieht man, wie sich Billys anfängliche Verlegenheit in blanke Wut wandelt. Liest
man das Skript aber, ohne vorher den Film gesehen zu haben, könnte man seine
Aggressionen leicht unterschätzen. Da Billy weiss, dass er Dignam durch dessen Wissen über
ihn und die hierarchische Überlegenheit ausgeliefert ist, versucht er seine Wut zu
unterdrücken und die Demütigungen über sich zu ergehen lassen. Der Wortlaut sagt darüber
89
nichts aus. Erst an seinem Tonfall, wenn er spricht, und seinen angespannten Kiefermuskeln,
wenn er versucht rhetorische Fragen zu ignorieren, merkt man ihm jedoch an, wie viel
Anstrengung es ihn kostet, nicht körperlich aggressiv zu werden. Seine Aussagen würden
hors contexte höflich erscheinen, doch im Film, durch das Zusammenspiel von Bild und Text,
erschliesst sich dem Zuschauer, wie wütend er eigentlich ist, und, dass er nur schwer seinen
sarkastischen Unterton unterdrücken kann (z.B. in „and one priest, since you seem to know
everything“, der Frage „you a psychiatrist?“ oder dem ironischen „I’m all set without your
own personal job application, right, Sergeant”). Dieser Unterton wird in ZT 2 abgeschwächt,
da „since you seem to know everything“ mit „ordnungshalber“ wiedergegeben wird. Dignam
lässt sich von Billys Sarkasmus nicht beirren und macht so lange weiter, bis dieser sich
verzweifelt an Queenan wendet und ihn fragt, was das Ganze eigentlich soll, worauf ihm
dieser dann ein Angebot unterbreitet. So hat Dignam mit seinen Sticheleien gute Vorarbeit
geleistet: Billy hat vor Augen geführt bekommen, dass er nichts ist und deswegen auch kein
Polizist werden kann. Das bestätigt ihm auch Queenan, was Billy wahrscheinlich bedingt
durch Queenans „good cop“-Rolle und die Hoffnung, die Billy in ihn gesetzt hatte, weitaus
mehr zu treffen scheint, als Dignams Angriffe. Als er nachfragt („you sure of that?”) bricht
seine Stimme, er ringt kurz um Fassung. Queenan bemerkt mit einem Blick auf Billys Akte,
dass dieser nicht viel Familie habe. Obwohl er das in einem netten Tonfall und mit einem
besorgten Blick sagt, verfolgt er auch da eine Strategie. Indirekt will er Billy damit sagen, dass
er alleine ist und nichts zu verlieren hat. Die Einzigen, die bereit sind, ihn aufzunehmen, sind
sie, die Undercoverabteilung. Nach einem Flashback zum Tod von Billys Mutter und der
parallelen Entwicklung von Colin, welcher in ein Luxusappartment zieht und so seinen
gesellschaftlichen Aufstieg zementiert, geht die Kamera zurück in Queenans Büro. Der Ton
hat sich geändert: Queenan klärt Billy sachlich über seine Aufgabe und Arbeitsbedingungen
auf, während Dignam seinen Job getan hat und entspannt ans Fenster gelehnt wartet. Gegen
Ende des Gesprächs schlägt er sogar kameradschaftliche Töne an. Bei „we need you, pal“ stellt
das „we“ eine Verbindung zwischen Sprecher und Hörer her, „pal“ implikatiert, dass Billy,
wenn er das Angebot annimmt, aufsteigt und den Status eines Kollegen erhält. Der soziale
und berufliche Aufstieg vom Sprössling einer Verbrecherfamilie zum ehrenwerten Agenten
wird ihm dadurch indirekt schmackhaft gemacht. Auch Queenan betont die soziale Nähe
abschliessend mit „do it again...for me”. Billy, der bis anhin nichts war und niemanden hatte,
könnte plötzlich für jemanden etwas wert sein – die Strategie ist erfolgreich, er willigt ein.
Billys Einstellung als Undercoveragent wird in Kontrast gesetzt zu Colins Aufstieg, filmisch
durch das Hin- und Her-Zappen zwischen den beiden Handlungssträngen und sprachlich
durch die machtbedingten unterschiedlichen Kommunikationsmöglichkeiten und -strategien.
Während sich Billy aufgrund seiner Vergangenheit und niedrigen Hierarchiestufe vieles
90
gefallen lassen muss, kann Colin seine neue Macht voll auskosten. Sein Ansehen erlaubt ihm,
auszusuchen, mit wem er soziale Nähe herstellen will (z.B. „thanks, hon“ zur Sekretärin) oder
wen er schlecht behandelt. So kann er sich erlauben, das Hinterteil einer Arbeitskollegin zu
mustern und anerkennend zu pfeifen, ohne dass diese wütend wird, oder seinen ehemaligen
Kollegen Barrigan von oben herab zu behandeln („do you like coming to work dressed like
you’re gonna invade Poland?”). Humoristische Mittel wie Ironie, Spott und Witz werden
denn auch im Film in erster Linie als Machtinstrument eingesetzt, zum Ausdruck von
Überlegenheit oder als subtile Form der Auflehnung gegen den Überlegenen. Entsprechend
seiner Funktion im Ausgangstext sollte Humor auch im Zieltext wiedergegeben werden. Denn
ein als Witz getarnter Angriff ermöglicht dem Sprecher, Toleranz und Belastbarkeit des
Hörers zu testen, und fordert diesen heraus. Dem Opfer bleiben nur zwei unattraktive
Reaktionsmöglichkeiten: es dem Sprecher gleich zu tun und auf der humoristischen Ebene zu
bleiben oder aber diese zu verlassen und zum direkten Angriff überzugehen (s. hierzu
Chaimowicz 2011:84). So oder so erhöht diese Art von Humor den Druck auf den Hörer, wie
sich am Beispiel von Dignam und Billy zeigt.
Die subtile Manipulation durch Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien in der Übersetzung
beizubehalten und die interpersonale Dynamik treu wiederzugeben, ist weder in ZT 1 noch in
ZT 2 ganz geglückt. Um die Unterschiede klarer erkennen zu können, wurden im Text
zusätzlich zu Vulgarismen, Slangismen und Höflichkeitsformen auch rhetorische Fragen
(grau) und Empathie-Strategien (weiss auf schwarz) markiert. Zuerst zu den rhetorischen
Fragen: Im Ausgangstext finden sich 22, in ZT 1 nur 17 und in ZT 2 gar nur 12 davon. Hier
eine Auflistung der Verluste:
AT
If you had an idea about what
we do, we would not be good
at what we do, would we?
Why don’t you tell us about
your Uncle Jackie.
You tell anybody up at
Deerfield, that is, before you
got
kicked out for whaling on a
gym teacher with a folding
chair...
...you had an uncle met his
demise like that?
What you got? Staff
Sergeant?
ZT 1
Wenn Sie ’ne Ahnung hätten,
wären wir nicht gut in dem,
was wir tun, oder?
Erzählen Sie von Ihrem Onkel
Jackie.
Und, wusste das irgendwer in
Deerfield?
Haben Sie deswegen einen
Lehrer verprügelt und sind
rausgeflogen?
Dass Sie ’nen Onkel hatten,
der so abgetreten ist?
Right?
Richtig?
≈
0
2x , huh?
2x , was?
≈
2x 0
You did, didn’t you, you little
fucking snake.
Ja, und wie Sie die kennen,
Sie verlogene kleine Ratte.
≈
Bestimmt, du
verdammte Schlange.
, am I right?
0
Was steht an, Staff Sergeant?
Effekt
≈
Imperativ ≠ ind. Frage
Zynismus +
Verständlichkeit gehen
verloren
Frage ≠ rhet. Frage; ≠
Sinn
Aussage ≠ rhet. Frage
ZT 2
Hättest du eine,
wären wir nicht gut.
Effekt
Aussage ≠ rhet.
Frage
Erzähl von deinem
Onkel Jackie.
Hast du an der
Deerfield, bevor du
rausflogst,
weil du einen Lehrer
verprügeltest,
erzählt, dass ein
Onkel von dir so
starb?
Was bist du? Staff
Sergeant?
Imperativ ≠ ind.
Frage
≈
0
≈
Aussage ≠ rhet.
Frage
Aussage ≠ rhet.
Frage
Weniger
sichere/
betonte
Aussage
Aussage ≠ rhet.
91
, right?
, ok?
, okay?
0
≈
Frage
Aussage ≠ rhet.
Frage
Aussage ≠ rhet.
Frage
0
Aussage ≠ rhet. Frage
0
Sowohl in ZT 1 als auch in ZT 2 scheint Dignam durch das Wegfallen rhetorischer Fragen
weniger aggressiv. ZT 2 ist in erster Linie ein Monolog, da Dignam seine Informationen in
Aussagesätze packt, Billy also nur dem Druck, zuzuhören, nicht aber dem Druck, zu
antworten, aussetzt. Auch Barrigans rhetorische Frage fällt weg, zumindest in ZT 1, wo „was
steht an, Staff Sergeant?“ als aufrichtige Frage verstanden werden könnte. Dadurch gehen der
Neid und die Kritik, welche in Barrigans Äusserung mitschwingen, verloren und dem
deutschsprachigen Zuschauer wird unter Umständen nicht klar, dass Colins Aufstieg auch
Misstrauen und Neid mit sich bringt. Empathie-Strategien wurden in der Übersetzung meist
erhalten, nur im Fall von Queenans Entschuldigung für Dignams Verhalten („I’m afraid we all
have to get used to it “) fällt „I’m afraid“ in ZT 2 weg, was Queenans Resignation und die
Verbindung, welche er zu Billy herstellt, verschwinden lässt und der Aussage Feststellungsoder gar Befehlscharakter verleiht („Wir müssen uns dran gewöhnen“). Auch das Wegfallen
von Imperativen wie „look it“,“ und „so tell me“ in ZT 2 verändert die interpersonale
Dynamik. Denn „look it“ ist eine Aufforderung an den Hörer, aufmerksam zu sein und kündigt
hier an, dass eine wichtige Information folgt, während „so tell me“ eine Aufforderung ist, zu
antworten, und somit den Druck auf den Hörer erhöht. Negativen Druck üben auch
Beschimpfungen aus. Je stärker diese sind, desto mehr verletzen sie den Hörer ergo desto
grösser ist der ausgeübte Druck. Nur wenn die konnotative Intensität der Vulgarismen
wiedergegeben wird, kann der deutsche Zuschauer Billys Wut und seine Mühe, sich zu
beherrschen, nachvollziehen. Hierzu eine Auflistung aller Beschimpfungen:
AT
Whoopdie
fucking do
You’ll rise fast
ZT 1
Jippie-ficki-yey
Konnotation
≈
Sie kommen schnell
hoch.
-
dick
2x cunts
Schwanz
2x Arschlöcher
≈
-
small-time
bookie
fucked up
That maggot
uncle of yours
Tommy
Costigan’s
another
goof.
off the boat
psycho
kleiner Buchmacher
≈
Kontext / Effekt
0 Kontext
(calque) ; ≈Effekt
Doppeldeutigkeit
geht etwas
verloren
≈
≈ Kontext;
- Effekt
≈
abgefuckt
Ihr Penner von Onkel
Tommy Costigan, ist
noch so eine Pfeife.
≈
≈
≈
≈
frisch immigrierter
Psychopath
≈
fucking hump
kleiner Arbeiter
fucking family
0
≈/0
0
ZT 2
Juhu-fucking-hu
Konnotation
≈
Sie werden rasch
aufsteigen.
0
Schwanz
2x Fotzen
≈
≈
Kontext
0 Kontext
(calque) ; ≈Effekt
Doppeldeutigkeit
geht ganz
verloren
≈
≈
kleiner
Buchmacher
abgefuckt
Dein Onkel
Tommy Costigan
ist ein Trottel.
≈
≈
≈
≈/0
≈
≈ / 0 -> 1
Vulgarismus fällt
weg
≈
ein Spinner aus
Irland
(verharmlost)
≈ (ein bisschen
schwächer)
Beschimpfung
fällt weg
Arbeiter
Nationalität
expliziert; zeitl.
Aspekt fällt weg
Beschimpfung
fällt weg
Beschimpfung
fällt weg
0
0
92
three decker
men at best
La di fucking
da
enge Sozialgrotten
≈
≈
schlimmste
Mietskaserne
affektierter Kerl
≈
≈, aber veraltet
todschick
-
fucking
donkey
Packesel
≈
little fucking
snake
verlogene kleine
Ratte
≈
Sigmund
fucking Freud
lace curtain
motherfucker
smart ass
der Scheiß Sigmund
Freud
irischer
Milchkuhfotzenlecker
Klugscheisser
≈
bezogen auf
Ort/Sache
anstatt Person
vergleichbar
beleidigend
ohne
vulgärsprachlich
zu sein
Anspielung auf
gespaltene
Zunge fällt weg
≈
-
zu schwach
(Vulg. fällt weg)
Esel
-
zu schwach
(Vulg. fällt weg)
verdammte
Schlange
≈
„little“ fällt weg
Sigmund Freud
0
neutral, sachlich
≠ Bedeutung
nobler Irenarsch
-
≈
≈
≈
0
0
Shakespeare
0
Shakespeare
0
Nigger
du Penner
Du kleiner Wichser
bist kein Cop!
Kriegst ’ne
Garantieurkunde
Gerichtspsychiater
≈
≈
+
Neg. Bez. fällt
weg
≈
≈
Betonung wird
zu Beschimpfung
≈ (Ironie bleibt
erhalten)
Beschimpfung
fällt weg
Niggers
0
Du bist kein Bulle,
verdammt!
Garantiert.
≈
0
≈
Beschimpfung
fällt weg
Neg. Bez. fällt
weg
≈
Besch. fällt weg
≈
fucking
Shakespeare
nigger
you punk
You’re no
fucking cop!
Guaranfucking-teed.
court-ordered
shrink
Gerichtspsychiater
0
+ (bildlicher)
0
0
0
Vulg. + Ironie
gehen verloren
Beschimpfung
fällt weg
Wie sich zeigt, schwächt sich die konnotative Intensität von Vulgarismen in den untertitelten
Fassungen tendenziell ab oder fällt ganz weg. Die einfachsten und besten Lösungen sind,
insofern sie sich in der Zielkultur eingebürgert haben, Lehnprägungen, da diese nicht nur
Stärke des Vulgarismus, sondern auch den Lokalkolorit zum Ausdruck bringen (z.B.
„abgefuckt“ für „fucked up“). Schwieriger zu handhaben sind doppeldeutige oder erfundene
vulgärsprachliche Aussagen. So beinhaltet „you’ll rise fast“ eine Doppeldeutigkeit und kann
im übertragenen Sinne gemeint sein wie von Queenan („aufsteigen“ im Sinne einer
Beförderung) oder aber bildlich auf das männliche Geschlechtsteil bezogen werden wie von
Dignam („sich aufrichten“ im Sinne von eine Erektion bekommen). Das Problem ist, dass
diese Doppeldeutigkeit aufgrund der Kopräsenz von AT und ZT in der Untertitelung nicht
einfach unterschlagen und der Rest des Dialogs angepasst werden kann wie in der
Übersetzung. Also muss aus der Formulierung hervorgehen, dass Dignams Kommentar auf
Queenans Aussage Bezug nimmt, sonst wird die intratextuelle Kohärenz erheblich gestört.
Praktisch kann man dieser Doppeldeutigkeit in der Zielsprache jedoch nur schwer gerecht
werden, wobei der Zusammenhang in ZT 1 doch weitaus klarer ist („Sie kommen schnell
hoch“) als in ZT 2 („Sie werden rasch aufsteigen“). Auch die Übersetzung von „whoopdie
fucking do“ fordert dem Untertitler einiges ab. Während die sogenannte expletive infixation,
das Einfügen eines Vulgarismus in der Wortmitte (klassisches Beispiel: „absofuckinglutely“),
sich in der englischen Sprache grosser Popularität erfreut, da der Kreativität keine Grenzen
gesetzt sind, ist dieses Phänomen in der deutschen Sprache weitgehend unbekannt. Der
Untertitler steht also vor der Wahl, entweder den vulgärsprachlichen Mittelteil fallen zu
93
lassen oder dem Zuschauer eine ungewöhnliche Konstruktion zuzumuten. Beide Untertitler
haben sich für Letzteres entschieden – zu Recht. In diesem Fall ist „whoopdie fucking do“ eine
onomatopoetische Äusserung. Solange dies in die deutsche Sprache übertragen wird
(interessanterweise unterschiedlich mit „jippie yey“ und mit „juhu hu“) und mit einem
„eingeschmuggelten“ Vulgarismus (eingedeutscht in ZT 1 mit „ficki“, auf Englisch belassen in
ZT 2 mit „fucking“) kombiniert wird, bleiben der humoristische Effekt und somit auch die
Funktion erhalten. Vulgarität muss aber nicht um jeden Preis erhalten werden. Zum
Beispiel in der Wiedergabe von „guaran-fucking-teed“ in ZT 1 mit „Kriegst ’ne
Garantieurkunde“ fällt zwar die vulgärsprachliche Konnotation weg, der Zweck der
Äusserung, hier die Ironie, wird aber beibehalten. Bei „you’re no fucking cop!“ muss im
Deutschen nicht zwingend wie in ZT 1 eine vulgärsprachliche Beschimpfung stehen („du
kleiner Wichser bist kein Cop!“), da der Vulgarismus in der Ausgangssprache nicht eigentlich
der Beschimpfung, sondern lediglich der Betonung der Aussage dient (s. Besprechung der
semantischen Entwicklung von Vulgarismen in Kapitel 4bi.). In erster Linie zählt nicht die
Quantität an Vulgarismen, sondern die Beibehaltung deren illokutiver Bedeutung.
Insbesondere Untertitler 1 unternimmt grosse Anstrengungen, um kreative Lösungen für
dieses Problem zu finden. Manchmal schiesst er dabei allerdings übers Ziel hinaus, wie in
seiner Übersetzung von „lace curtain motherfucker“ mit „irischer Milchkuhfotzenlecker“.
„Lace-curtain“ spielt auf die Spitzenvorhänge an, welche die Mittelschicht vor ihren Fenstern
zu haben pflegte. Da Spitzenvorhänge aber im deutschsprachigen Raum nicht per se mit einer
bestimmten Gesellschaftsschicht assoziiert werden, ist die Entscheidung, sich vom Wortlaut
zu entfernen, an sich richtig. Doch kommt bei „Milchkuhfotzenlecker“ die implikatierte
Bedeutung von „lace-curtain“, der Verweis auf die obere Mittelschicht, nicht zum Tragen.
Auch ist „motherfucker“ inzwischen solch ein gebräuchliches Schimpfwort, dass es beim
englischen Zuschauer wohl kaum mehr Inzestassoziationen hervorrufen dürfte. Das
Kompositum „Milchkuhfotzenlecker“ ist durch seine Ungewöhnlichkeit weitaus plastischer
und somit obszöner. Der Sinn verschiebt sich von einer Beschimpfung, die auf die soziale
Herkunft Billys anspielt, auf die Unterstellung, dass Iren zoophile Vorlieben hätten. Auch die
Assoziation eines Ausdrucks mit einem bestimmten situativen Kontext sind bei der
Übertragung von Vulgarität wichtig, wie sich bereits in Szene 1 gezeigt hat („Itaker“). In
dieser Szene stellen Vulgarismen, welche an die Ausgangstextkultur gebunden sind oder in
einem bestimmten sprachlichen oder situativen Kontext verwendet werden, ein
übersetzerisches Problem dar. „Three decker men“ evoziert beim amerikanischen Leser das
Bild von sozialen Gruppen, welche zwar alle im gleichen Gebäude untergebracht sind, die
Höhe des Stockwerkes, in dem sie leben, allerdings Aufschluss gibt über die Höhe sozialen
94
Rangs23. Wenn Dignam sagt, Billys Familie wohne maximal im dritten Stock, spielt er auf
deren prekäre finanzielle Lage an, die es ihnen verunmöglicht, sich eine bessere Wohnung zu
suchen, sowie auf ihre niedrige Gesellschaftsschicht. Im deutschsprachigen Kulturraum
werden Stockwerke allerdings nicht mit dem sozialen Standing einer Person in Verbindung
gebracht, weswegen der Untertitler eine umschreibende Übersetzung wählen muss. Bedingt
dadurch, dass eine Umschreibung des ganzen mentalen Bildes aufgrund des verfügbaren
Platzes und der Relevanz nicht möglich ist, muss der Untertitler aus dem allgemeinen
mentalen
Bild,
welches
ein
Ausdruck
evoziert,
die
wichtigste
implikatierte
Bedeutungskomponente, auf welche angespielt wird, herausschälen. Da diese im
vorliegenden Fall der Beschimpfung dienen soll, muss zudem die Übersetzung kurz und
knapp ausfallen und den Kern treffen. „Enge Sozialgrotten“ in ZT 1 ist zwar eher auf die
Grösse der Wohnung bezogen als auf deren Bewohner, verweist allerdings wie der AT auch
auf finanzielle Schwierigkeiten (sie können sich keine grössere Wohnung leisten) und
indirekt durch den Status als Sozialhilfeempfänger auf die niedrigste Gesellschaftsschicht.
Durch die Bezeichnung der Wohnung als Grotte fällt zwar die Vulgarität bis zu einem
gewissen Grad weg, der Zweck (die Beschimpfung) bleibt allerdings erhalten, was „enge
Sozialgrotten“ zu einer zwar vom Ausgangstext entfernten aber doch passenden Lösung
macht. In ZT 2 ist von „schlimmste Mietskaserne“ die Rede. Auch diese Lösung trifft den Kern
der Aussage, doch ist der Begriff veraltet und weckt dadurch unter Umständen bei der
heutigen Generation keine Assoziationen mehr. Auch fällt die monetäre Komponente weg
(nicht jeder, der zur Miete wohnt, ist arm). Doch nicht nur die Konnotation eines Ausdrucks
kann ein Problem für die Übersetzung von Vulgarismen darstellen, auch die Denotation
(Wort-Welt-Bezug). So muss bei der Übersetzung von Vulgarismen auch die Beziehung
zwischen sprachlicher Form und der damit bezeichneten Sache in der realen Welt
berücksichtigt werden. „Little fucking snake“ in ZT 1 mit „verlogene kleine Ratte“
wiederzugeben, erscheint auf den ersten Blick als gute Entscheidung, da sowohl die negative
Konnotation als auch die Beschimpfung beibehalten werden. Durch seinen Bezug zum Kotext
sowie zur aussersprachlichen Realität muss „snake“ hier aber zwingend mit „Schlange“
wiedergegeben werden. Denn Dignam spricht zuvor von Billys „Doppelleben“ in zwei sozialen
Schichten und seinen zwei auf das jeweilige Umfeld abgestimmten Akzenten. Die
anschliessende Betitelung von Billy als Schlange geht weiter als eine reine Beschimpfung. Sie
spielt auf ein ganz bestimmtes Wesensmerkmal der Schlange an: ihre gespaltene Zunge.
Dadurch, dass dieser Wort-Welt-Bezug verloren geht, verliert der Vulgarismus an Effektivität.
Auch bei der Übersetzung von „la di fucking da“ verschiebt sich der Sinn in ZT 1 durch den
23
Kommentar der Spotting List: „Maybe some of them have made enough money to live in a three-decker house rather than a
tenement building“.
95
aussersprachlichen Bezug. Während sich „la di fucking da“ auf Billy bezieht, verweist
„todschick“ eher auf eine Sache oder einen Ort (z.B. Billys Umfeld), wodurch der verbale
Angriff abgeschwächt wird. Noch problematischer ist allerdings, wenn der Bezug ganz
wegfällt und auch nicht aus dem Bild abgeleitet werden kann wie bei der Wiedergabe von
„She’s [Fitzy’s mother is] straight out of ‚Going My Way‘“ in ZT 2 durch „Mutter, die sehr
typisch ist“, wobei das „typisch“ in der Luft hängt, der Bezug fehlt.
Doch nicht nur der negative Druck durch rhetorische Fragen und Beschimpfungen fällt in der
Untertitelung teilweise weg, auch der positive Druck, welcher aus dem sprachlichen
Herstellen sozialer Nähe erwächst, fällt in ZT 2 mit der nicht übersetzen Anrede „pal“ weg.
Die ganze Szene verliert dadurch an Intensität und Aussagekraft. Anreden sind denn auch im
ganzen Film sehr wichtig. Bei der Polizei und im Militär ist es normal, sein Gegenüber mit
dessen Titel anzusprechen. Dies wurde in der Übersetzung so gehandhabt, dass in der Regel
der ausgangssprachliche Term beibehalten wurde, was den Dialogen Lokalkolorit und
Authentizität verleiht. Doch auch Anreden, welche nicht für offizielle Titel stehen, werden von
den Charakteren gerne zur Herstellung von Nähe (wie beim obengenannten „pal“) oder
Distanz verwendet und sind deshalb für die Darstellung der interpersonalen Dynamik von
grundlegender Bedeutung. So muss sich der Untertitler immer bewusst sein, ob Nähe oder
Distanz geschaffen werden soll, insbesondere, wenn die Anrede im Ausgangstext sowohl
positiv als auch negativ konnotiert sein kann. Ein gutes Beispiel dafür ist „kid“. Während es in
dieser Szene von Dignam verwendet wird („you got quite the family tree here, kid“), um Billy
klein zu machen (treffend übersetzt in ZT 1 mit „Kleiner“, in ZT 2 leider weggelassen), wird es
im späteren Verlauf von Queenan eingesetzt, um den aufgebrachten Billy zu beruhigen und
seine väterlichen Gefühle zum Ausdruck zu bringen („hang tight for me, kid“). In Bezug auf
die soziale Nähe stellt sich dem Untertitler auch ein grundlegendes, sprachenpaarbedingtes
Problem: die Übersetzung von „you“. Dieses kann im Deutschen sowohl mit „du“, „Sie“ oder
„man“ wiedergegeben werden, oder besser gesagt: muss. Denn einer Entscheidung kann sich
der Untertitler nicht entziehen. Interessant ist, dass beide Untertitler sich, wie es scheint,
bewusst für eine Strategie entschieden haben, diese allerdings unterschiedlich ausfällt.
Während Queenan in beiden Fassungen Billy siezt und zurückgesiezt wird, wird Billy in ZT 1
von Dignam ebenfalls gesiezt, in ZT 2 jedoch geduzt. Beide Entscheidungen sind vertretbar, so
kann Dignams Siezen die Distanz, die er zwischen sich und Billy erhalten will, markieren, sein
Duzen in diesem Kontext dem Ausdruck seines Mangels an Respekt dienen. Besonders
interessant ist letztere Strategie, weil Billy Dignam ja im Gegenzug nicht duzt, was das
Ungleichgewicht – die hierarchische Distanz zwischen den beiden – verdeutlicht. Auch
Ellerby siezt in ZT 1 seine Spezialeinheit, duzt sie jedoch in ZT 2, wobei hier das „ihr“ eher als
Markierung von Teamgeist und sozialer Nähe empfunden wird, denn wie bei Dignam als
96
Respektlosigkeit. Wie sich der Untertitler auch entscheidet, wichtig ist, dass seine Strategie in
sich kohärent ist. So sollte nicht wie in ZT 2 ohne Grund plötzlich vom „Du“ zum „Sie“
übergegangen werden: „Ihr seid die neuen Mitglieder der neuen Einheit. Sie wurden aufgrund
Ihrer Intelligenz und Eignung ausgewählt“. Dieser Wechsel verwirrt den Zuschauer, weil
damit impliziert wird, dass sich das „Sie“ auf jemand anderen, welcher gesiezt wird, bezieht
oder, da es am Anfang des Satzes steht und in jedem Falle gross geschrieben wird, es auf das
„Sie“ der dritten Person Plural verweist.
Ebenfalls einen grossen Einfluss auf die interpersonale Dynamik zwischen Charakteren hat
die Syntax. Die Auswirkungen einer vereinfachten Syntax zeigen sich besonders gut in ZT 2,
da Untertitler 2 in Bezug auf die Länge der Untertitel stärker eingeschränkt war als
Untertitler 1. Der Verknappung der Syntax fallen vor allem Kohäsionsmittel zum Opfer. Der
Eindruck auf den Leser ist dadurch ein ganz anderer, wie dieser Vergleich von AT mit ZT 1
und ZT 2 zeigt:
AT
COLIN TO BARRIGAN
All right, look it. I know you’re a worker.
Maybe I can do something for you.
You got any suits at home or do you like
coming to work
dressed like you’re gonna invade Poland?
ZT 1
Hör zu, ich weiß, was du draufhast.
Vielleicht kann ich was für dich tun.
Hast du ’n paar Anzüge oder siehst du
gern aus, als wolltest du den Straßenverkehr
regeln?
ZT 2
Du schuftest.
Vielleicht kann ich dir helfen.
Hast du einen Anzug oder siehst du
gern aus, als wolltest du in Polen
einmarschieren?
Während in AT und ZT 1 Colin sprachlich eine Beziehung zu Barrigan herstellt , indem er sich
durch Imperativ (auf das „Du“ bezogen) und der ausdrücklichen Formulierung seines
Verständnisses (auf das „Ich“ bezogen) zu ihm in Beziehung setzt, fällt diese Beziehung in
ZT 2 weg. Dadurch wird auch die Logik geschwächt. In ZT 1 weiss Colin, dass Barrigan hart
arbeitet, und will sich deshalb für ihn einsetzen. In ZT 2 ist diese Schlussfolgerung und Colins
Herstellung von Nähe nicht erkennbar. „Du schuftest“ ist eine Aussage, ein Fakt. Die
Verbindung zum nächsten Satz ist deshalb unklar: „Vielleicht kann ich dir helfen“ könnte auch
bedeuten, dass Colin Barrigan bei der Erledigung seiner Arbeit helfen will und nicht dabei,
hierarchisch aufzusteigen. Das gleiche Problem stellt sich auch hier:
AT
DIGNAM TO BILLY
He can’t help you. I know what you are, okay?
I know what you are and I know what you’re
not.
I’m the best friend you have on the face of this
earth and I’m gonna help you understand
something, you punk.
You’re no fucking cop!
ZT 1
ZT 2
Hey, er kann dir nicht helfen. Ich weiß, was
du bist. Ich weiß, was du bist
und was du nicht bist.
Ich bin der beste Freund, den du hast,
und jetzt verrat ich dir noch was, du Penner.
Er kann dir nicht helfen. Ich weiss
Bescheid.
Ich weiss, was du bist und nicht bist.
Ich bin dein bester Freund auf der
Welt.
Du kleiner Wichser bist kein Cop!
Du bist kein Bulle, verdammt!
Der Zusammenhang zwischen den letzen beiden Sätzen geht in ZT 2 durch das Wegfallen der
ausdrücklichen Formulierung seiner Intention nicht hervor; sie scheinen sogar im
Widerspruch zueinander zu stehen. Zudem ist die Intensität von Dignams Aussage geringer,
da die lexikalischen Wiederholungen wegfallen. Im AT wird „I know“ drei Mal wiederholt
97
und beim dritten Mal negiert – im Vergleich wirkt ZT 2 weitaus weniger bestimmt. Dies kann
auch an anderen Stellen beobachtet werden, wie in Billys Frage „you sure of that?“ und
Queenans Antwort „I’m sure of that“ oder Queenans „you don’t have much family“ und Billys
Entgegnung „I don’t have any family“. Dass die Antwort ausformuliert, also das Verb
wiederholt wird, hat einen Grund: Die Wiederholung verleiht der Aussage Schwere. In der
Übersetzung geht diese hingegen verloren. Doch auch das umgekehrte Phänomen kann
auftreten: eine Verstärkung des Grades an Sicherheit, zum Beispiel wenn Modalpartikel
wegfallen, wie dieses Beispiel zeigt:
AT
COLIN TO BARRIGAN
Hey, I don’t mind going it alone.
You know, if you went alone every once in a
while, you might get somewhere.
ZT 1
Hey, ich finde ’nen Alleingang nicht
schlecht. Würde dich auch weiterbringen,
wenn du’s mal versuchen würdest.
ZT 2
Ich machs ganz gern alleine.
Tätest du mal was allein, erreichtest
du was.
Wie bei den vorhergehenden Beispielen werden zwar die Informationen rein faktisch
wiedergegeben, die pragmatische Dimension fällt allerdings weg. Im AT schwächen die „hey“,
„you know“ (phatischer Konnektor), „every once in a while“ und „you might“ die Sicherheit
der Aussage ab. Colin wirkt in ZT 2 weitaus forscher und unhöflicher als im AT. Welch
grossen Unterschied das simple Einfügen eines Modalpartikels macht, zeigt ZT 1, wobei „ich
finde“ und der Konjunktiv II die Aussage zusätzlich abschwächen und dem Effekt des
Originals dadurch sehr nahe kommen. So ist auch die Wahl der richtigen Modi und Tempora
entscheidend. In ZT 2 wird aus Platzgründen oft der Konjunktiv I anstelle des Konjunktiv II (s.
oben) verwendet oder das Präteritum anstelle des Perfekts. In der mündlichen Sprache
finden Konjunktiv I und Präteritum allerdings äusserst selten Verwendung, weswegen es in
Untertiteln unnatürlich anmutet (und teils fehlerhaft ist!) und die Authentizität des Films
beeinträchtigt, wie man hier schön sieht:
AT
DIGNAM TO BILLY
*…+
You were kind of a double kid, I bet, right?
One kid with your old man, one kid with your
mother.
You’re upper middle class during the week,
then you’re dropping your r’s and you’re
hanging in the big bad Southie projects...
...with your daddy, the fucking donkey, on the
weekend. I got that right? Did you have
different accents?
You did, didn’t you, you little fucking snake.
You were like different people.
ZT 1
ZT 2
Als Kind ’n Doppelleben geführt, was?
Eins bei Ihrem alten Herrn und eins bei Ihrer
Mutter?
In der Woche gehobene Mittelklasse, dann
den Ghettoslang ausgepackt, um am
Wochenende schön bei Daddy, dem
Packesel, abzuhängen. So ungefähr in der
Art? Ja. Sie kennen beide Seiten, oder?
Ja, und wie Sie die kennen, Sie verlogene
kleine Ratte.
Sie gibts gleich 2 Mal.
Ein Doppelkind, was?
Eines beim Alten, eines bei der
Mutter.
Mittelklasse während der Woche,
dann hingst du in den
Sozialsiedlungen rum...
am Wochenende mit deinem Papa,
dem Esel. Ja?
Sprachst du unterschiedlich?
Bestimmt, du verdammte Schlange.
Du warst zwei verschiedene
Menschen.
Ebenfalls aus Platzgründen wird in ZT 2 stellenweise statt einer Präpositionalgruppe der
reine Kasus verwendet: Das Präpositionalattribut wird zum Genitivattribut. Der Genitiv wird
aber beinahe ausschliesslich in der Hochsprache verwendet und mutet in filmischen Dialogen
komisch, in Kombination mit einem Vulgarismus geradezu absurd an, wie sich in ZT 2 bei der
Übersetzung von „like a twelve-year old’s dick“ mit „wie der Schwanz eines 12-Jährigen“
98
zeigt. In ZT 1 scheint die Aussage glaubwürdiger, erstens, da die Präpositionalgruppe mit
„von“ verwendet wird und zweitens, da der Artikel verkürzt wird („wie der Schwanz von
’nem 12-Jährigen“), was die mündliche Note zusätzlich betont.
Die Unterschiede zwischen ZT 1 und ZT 2 sind aber nicht nur durch die unterschiedliche
Längenvorgabe bedingt, sondern lassen sich ganz allgemein auf eine unterschiedliche
Übersetzungsstrategie zurückführen. Spricht man in Venutis Terminologie (s. Kapitel 3ci.,
Aspekt der Kulturspezifik), verfolgt Untertitler 1 eher eine Domestication-, Untertitler 2
hingegen eher eine Foreignization-Strategie. Dies zeigt sich an der Wiedergabe folgender
Kulturspezifika:
AT
SIU. What a
country.
ZT 1
Sonderermittlung
You got any
suits at home
or do you like
coming to work
dressed like
you’re gonna
invade Poland?
federal officers
Hast du ’n paar Anzüge
oder siehst du gern
aus, als wolltest du den
Straßenverkehr
regeln?
a fucking hump
from Southie
‘n kleiner Arbeiter im
Süden
dropping your
r’s.
den Ghettoslang
auspacken
Did you have
different
accents?
Sie kennen beide
Seiten, oder?
a statie
’n Statie
≈
jobbst
in the Staties
bei den Staties
≈
bei der Polizei
in America
hier
You had 1400
on your SATs,
kid.
Du hattest 1.400
Punkte beim
Hochschultest.
Bundesbeamte
Effekt
Verallgemeinerung:
Zentrierung auf
Ausgangskultur fällt weg.
Verweis auf Geschichte der
Ausgangskultur fällt weg.
ZT 2
SIU. Was für ein Land.
Effekt
≈
Hast du einen Anzug
oder siehst du gern
aus, als wolltest du in
Polen
einmarschieren?
≈
Verallgemeinerung: Verweis
auf spez. Bez. könnte in ZKultur falsch bezogen
werden.
Verallgemeinerung: Bezug zu
Geographie der
Ausgangskultur fällt weg ->
Achtung: Süden könnte auf
Zieltextkultur bezogen falsch
verstanden werden
Verallgemeinerung: Verweis
auf Ausgangssprache fällt
weg, aber Sinn bleibt
erhalten.
Verweis auf Ausgangssprache
fällt weg, aber Sinn bleibt
erhalten.
FBI-Leute
Deiktisches Problem: Könnte
fälschlicherweise auf
Zieltextkultur bezogen
werden.
Verallgemeinerung: Verweis
auf System der
Ausgangskultur fällt weg.
≈
(umgangssprachlicher)
Arbeiter
Geographischer Bezug fällt
ganz weg
0
Sprachst du
unterschiedlich?
in Amerika
Du hattest 1’400 bei
deinem SAT-Test.
Sinn und Verweis auf
Ausgangssprache fallen weg
Verweis auf Ausgangssprache
fällt weg, fraglich, ob Bezug
auf AT-Realität verständlich
für ZT-Leser
Verweis auf Hierarchie des
Polizeiapparats in der
Ausgangskultur fällt weg.
Verweis auf Hierarchie des
Polizeiapparats in der
Ausgangskultur fällt weg;
umgangssprachliche Note
bleibt erhalten.
≈
≈
Interessanterweise gehen die beiden Untertitler genau umgekehrt vor: Da, wo der eine sich
für eine einbürgernde Übersetzung entscheidet, wählt der andere eine verfremdende und
umgekehrt. Untertitler 1 behält die Bezeichnungen für Hierarchiestufen der amerikanischen
Polizei bei, übersetzt den Rest allerdings so, dass Kulturspezifika verallgemeinert werden.
99
Problematisch ist dies nur, wenn ein ausgangssprachlicher potentiell als zielsprachlicher
kultureller Verweis aufgefasst werden könnte, welcher eine andere Realität abdeckt. Ein
Beispiel dafür ist das Zitat von Hawthorne, „families are alway rising and falling in America“.
In ZT 1 wird „in America“ durch den deiktischen Ausdruck „hier“ wiedergegeben, welchen
der deutschsprachige Leser auch auf sein Land beziehen könnte. Rein theoretisch könnte
diese Aussage auch auf die Realität im deutschsprachigen Kulturraum zutreffen, da aber der
Autor des Zitats, Nathaniel Hawthorne, Amerikaner war und zudem indirekt verwiesen wird
auf den American Dream, muss der geographische Bezug klar sein. Der American Dream und
die ethnozentrische Weltsicht der Charaktere ist, wie sich bereits in der Makroanalyse gezeigt
hat, ein wichtiges Thema in The Departed, weswegen das Wegfallen in ZT 1 von „what a
country“ ebenfalls bedauernswert ist. Ein Bezug, welcher in ZT 1 auch unklar wird, ist die
Wiedergabe von „South Boston“ mit „im Süden“, da dies für ein deutschsprachiges Publikum
normalerweise mit dem Süden Europas oder eventuell mit den Ländern der südlichen
Hemisphäre in Verbindung gebracht wird. Da „South Boston“ und „Southie“ etliche Male im
Film erwähnt werden, wäre es im späteren Verlauf des Films, wo der Bezug klar ist, durchaus
vertretbar, nur mehr vom Süden zu sprechen. Zu Beginn des Films sollte der Zuschauer
allerdings nicht unnötig verwirrt und daher der Verweis auf Boston beibehalten werden.
Untertitler 1 geht aber noch weiter als die „Ambiguisierung“ von Bezügen oder die
Verallgemeinerung von kulturspezifischen Begriffen: Stellenweise tauscht er Fetzen der
ausgangssprachlichen Realität durch zielsprachliche aus. So wird Polen durch den
Strassenverkehr ersetzt, wobei der Verlust von Colins Anspielung auf den Einsatz
amerikanischer Soldaten in Polen im 2. Weltkrieg an und für sich verschmerzbar wäre. Denn
Barrigan als Verkehrspolizist zu bezeichnen, ist auch negativ und vielleicht für den
Zieltextleser tendenziell verständlicher. Durch seine Political Correctness büsst die
Übersetzung allerdings an Schlagkraft ein, der verbale Angriff fällt schwächer aus. So geht der
Untertitler mit einer einbürgernden Strategie ein grosses Risiko in Bezug auf den Erhalt von
Kohärenz ein, da die Realität in Ausgangs- und Zielkultur nicht die gleiche ist. Das Gleiche gilt
aber auch für die verfremdende Strategie: Auch sie kann fehl am Platz sein. Als Dignam Billy
aufgrund seines sozialen Hintergrunds und seines „Doppellebens“ kritisiert, lässt er zwei
Ebenen verschmelzen: Mit „dropping your r’s“ spielt er darauf an, dass der Mittelschicht-Billy
an den Wochenenden in South Boston von seiner standardsprachlichen Aussprache zum
Dialekt des Boston English wechselt und dadurch zum Unterschicht-Billy wird. In der
englischen Sprache werden Dialekte mit der Gesellschaftsschicht gleichgesetzt, in der
deutschen Sprache ist dies aber nicht der Fall (s. Besprechung dieser Problematik in
Kapitel 3cii., S. 59-60). Auf einen ausgangssprachlichen Sachverhalt hinzuweisen, der für den
Zieltextleser nicht nachvollziehbar ist, stört das Verständnis erheblich. Während
100
einbürgerndes Übersetzen also die Kohärenz des Films beeinträchtigen kann, kann die
verfremdende Übersetzung die Kohärenz für den Zuschauer stören. Die goldene Mitte zu
finden, ist schwierig. Insbesondere in der Untertitelung, in welcher der Ausgangstext im
Endprodukt bestehen bleibt, reicht es nicht aus, wenn die Untertitel in sich kohärent sind, sie
müssen den Ausgangstext ergänzen und mit ihm ein kohärentes Ganzes bilden. An die
Informationen, welche durch das Bild vermittelt werden, muss sich der Untertitler halten. Er
sollte weder durch eine einbürgernde Strategie falsche oder potentiell falsch interpretierbare
Bezüge schaffen, noch durch eine verfremdende Strategie den Zuschauer allzu stark mit
seinem eigenen Unwissen konfrontieren. Der Zieltext muss aber meines Erachtens nicht
immer verständlich sein, Unverständlichkeit kann in der Untertitelung durchaus sinnvoll
sein. Als Massstab dafür, was verständlich gemacht werden bzw. unverständlich bleiben
sollte, kann das Zielpublikum des Ausgangstextes genommen werden. Dies könnte dem
Untertitler zum Beispiel die Entscheidung, Polizeijargon nicht immer zu übersetzen,
erleichtern. Denn, dass alle muttersprachlichen Zuschauer (wozu auch Nicht-Amerikaner
gehören!) die genaue Hierarchie des amerikanischen Polizeisystems im Kopf haben und sich
über den Sinn von Abkürzungen wie SAT oder SIU bewusst sind, ist eher unwahrscheinlich
(mehr Überlegungen zum Publikum des Zieltextes und seinen Bedürfnissen später, in
Kapitel 4e unter „pragmatische Faktoren“). Dadurch, dass es sich nicht um einen
Dokumentarfilm über das amerikanische Polizeisystem handelt, sondern um ein
künstlerisches Werk, in welchem Polizeijargon nur ein sprachliches Mittel darstellt, um die
authentische Darstellung eines Milieus zu erzielen, kann dieser Lokalkolorit im Deutschen
einfach mit der Wiedergabe der Originaltermini erzielt werden.
v.
Szene 3: Queenans Tod
Während Vulgarität in Szene 1 fast ausschliesslich im Rahmen eines Monologs zum Ausdruck
kam, wurde sie in Szene 2 in erster Linie in Dialogen eingesetzt und würde nach Wagners
Terminologie vor allem in die Klasse expressiver Sprechakte fallen. Die Analyse von Szene 3
soll nun einen weiteren Aspekt von Vulgarität beleuchten: das Fluchen in Situationen grossen
Stresses (annoyance swearing in Ross’ Terminologie oder Klasse emotiver Sprechakte in
Wagners Terminologie, s. Kapitel 1c). Da die drei von Brown/Levinson (1987) aufgezählten
sozialen Faktoren – soziale Nähe, Macht und Kultur – in Szene 2 bereits detailliert analysiert
worden sind in Bezug auf ihren Einfluss auf die interpersonale Dynamik, soll in Szene 3
ausschliesslich auf Vulgärsprache als Mittel zur Äusserung von Gefühlen – gerichtet an sich
selbst oder einen Hörer – eingegangen werden.
Diese Szene befindet sich in der zweiten Hälfte des Films – der Kreis der Verdächtigen ist
inzwischen auf beiden Seiten gefährlich klein geworden. Billy ist sich bewusst, dass er
101
Costellos Hauptverdächtiger ist, und auch Colin befürchtet, dass er entlarvt werden könnte,
nachdem er von Billy in den Strassen Bostons verfolgt wurde und ihm nur knapp entkommen
konnte. Um an Billy heranzukommen, beauftragt Colin seine Männer, Queenan zu beschatten.
Diese folgen der Aufforderung nur widerwillig, da sie an dessen Integrität glauben. Ein
Detective äussert seine Bedenken an der Rechtmässigkeit der Beschattung mit der ironischen
Frage „Why the fuck are we following Capt. Queenan? To find out about the good Catholic
life?“. Schliesslich fügen sie sich aber Colins Anweisungen und folgen Queenan, welcher sich
zu einem verlassenen Gebäude, 344 Washington Street begibt, um Billy zu treffen. Als Colin
per Funk davon erfährt, informiert er Costello. Dieser wiederum beauftragt seine Männer,
sich zu der Adresse zu begeben. Also ruft Delahunt Billy an und fordert ihn auf zur Nummer
314 Washington Street zu kommen. Trotz der falschen Hausnummer (314 anstatt 344), die
ihm Delahunt gibt, taucht Billy an der richtigen Adresse auf – weil er ja bereits da ist.
Während Costellos Crew sich im Anmarsch befindet, geraten Billy und Queenan in Panik. Sie
einigen sich darauf, dass Billy die Feuerleiter nimmt und Queenan versucht, Zeit zu schinden.
Als gläubiger Katholik bekreuzigt er sich, bevor er sich auf den Tod gefasst macht. Costellos
Männer erreichen Queenan und werfen ihn, nachdem dieser sie verbal anstachelt, aus dem
Fenster. Der Körper Queenans schlägt vor Billy, welcher soeben das Gebäude verlassen hat,
auf, was auch die Polizisten mitbekommen. Alle stehen unter Schock. Aus ihrer Starre lösen
sie sich erst, als Costellos Männer das Gebäude verlassen und Billy beschimpfen, weil dieser
erst so spät dazu gestossen ist. Die Polizisten im Auto informieren Colin über Funk über die
Geschehnisse, worauf dieser befiehlt, nicht einzugreifen. Die Detectives widersetzen sich aber
Colins Anweisungen und eröffnen das Feuer auf den Van der Gangster. Nach einer
Schiesserei, bei welcher Delahunt sowie ein Officer ihr Leben verlieren und ein Trooper
verletzt wird, gelingt Costellos Crew die Flucht.
Die Palette an Gefühlen, welche mithilfe von Vulgarismen ausgedrückt wird, ist breit. Billys
anfängliche Verzweiflung, als er Queenan von Costellos unberechenbarem Verhalten erzählt
(„he’s losing his fucking mind“) und die Gefahr, in welcher er sich befindet, unterstreicht (2x
„he’s gonna fucking kill me“), weicht purer Angst, nachdem ihn der wutentbrannte Delahunt
auffordert („where the fuck are you? We’ve been trying to reach you. We found the rat“), sich
an die Adresse zu begeben, an der er und Queenan sich gerade befinden. Als Costellos Männer
alle an der Washington Street auftauchen, äussern die Polizisten, welche vor dem Gebäude
warten, ihre Überraschung („what the fuck is going on?“) und betonen die Schwere der Lage
gegenüber Colin („those guys aren’t fucking around“). Queenan und Billy lassen Druck ab,
indem sie ihrer Todesangst Ausdruck verleihen (Queenan mit dem Ausruf „Christ!“, Billy mit
„shit!“). Als sie sich entscheiden, dass Billy flüchten soll, während Queenan die Gangster
aufhält, entschliesst sich dieser, Zeit zu schinden, indem er seine Widersacher verbal
102
provoziert („one of you mugs got a light?“) und vortäuscht, die Frage nicht zu verstehen (er
bezieht Fitzys „where’s your fucking boy?“ auf seinen leiblichen Sohn und nicht wie von Fitzy
intentiert auf seinen Verbündeten). Die Gangster antworten ihm mit verbaler Gewalt
(„goddamn motherfucker! Where’s your fucking boy?“), da diese aber nicht erfolgreich ist,
greifen sie schliesslich zu physischer Gewalt und stossen Queenan aus dem Fenster. Die
Polizisten unten im Auto äussern ihren Schock („what the fuck was that? Did you fucking see
that?“) ob des toten Körpers, der plötzlich aus dem Haus fällt, genauso wie Billy, der in dem
Moment vor die Tür tritt („what the fuck...?“, „fuck!“). Die Handlung springt von den
durcheinander geschrienen Fluchtiraden der Polizisten im Auto („something came off the
fucking roof“, „Sarge, it’s a fucking body“, „it’s a fucking body“) zu Billys vulgärsprachlichen
Ausrufen („fuck!“). Als Fitzy mit seinen Bandenkollegen das Gebäude verlässt und Billy
erblickt, lässt er seine Wut an ihm aus und fordert von ihm eine Antwort für sein spätes
Erscheinen („where the fuck where you?!“). Billy umgeht die Frage allerdings, indem er
seinerseits wütend nach einem Grund für Queenans Tod fragt („what the fuck happened?!“).
Doch auch Fitzy beantwortet die Frage nicht und befiehlt ihm lediglich, sich ins Auto zu
begeben („you’re fucking late! Get in the van!“) und wiederholt diese Aufforderung erneut, als
Billy nachhakt („what the fuck’s going on?“). Währenddessen wiederholen die Detectives ihre
Information („it’s a fucking body“) und erwarten Anweisungen. Colin befiehlt ihnen deutlich,
nicht einzugreifen („do not pursue“ anstelle des geläufigeren, aber weniger betonten „don’t“).
Seine Untergebenen zeigen sich verärgert („fuck! no fucking pursue!“) und entscheiden sich
dann, als Colin um mehr Informationen bittet, sich seinen Anweisungen zu widersetzen und
trotzdem zu handeln („no pursue“, „fucking shit“, „fuck this“). Als die Polizisten auf den Plan
treten, zeigt sich Fitzy erschrocken und kommandiert seine Leute sofort zurück ins Auto („get
in the fucking van!“).
Wechselbad der Gefühle, von oben links nach unten rechts: Verzweiflung [01:39:54], Panik [01:41:23],
Todesangst [01:41:34], Wut [01:41:53], Schock [01:42:32], Trauer [01:42:46]
103
Die quantitative und qualitative Fülle an Vulgarismen geht leider in der Untertitelung
verloren: Von den 32 (respektive 34, mit den beiden schwer verständlichen) Vulgarismen im
Ausgangstext finden sich in ZT 1 nur mehr 21 und in ZT 2 noch weniger, nämlich gerade mal
6 (!).
Die Auswirkungen eines Verlusts von Vulgarismen, welche dem Ausdruck von Gefühlen
dienen, sind, dass die Handlung weitaus weniger dramatisch, die ausgedrückten Gefühle
weniger intensiv und die Figuren in ihrer Sprechweise weniger charakteristisch dargestellt
werden. Queenans Wandel vom guten Katholiken, der aus Respekt vor Gott kein Fluchwort in
den Mund nimmt, zu einem Mann in Todesangst, der erst Gott anfleht und dann aber
entscheidet, sich seinem Schicksal nicht ohne (verbalen) Kampf zu fügen, geht in ZT 2
komplett verloren, da sowohl die religiöse Komponente (durch den Ausruf „Christ!“) als auch
Queenans Beschimpfung seiner Gegner (verbale Herausforderung durch Bezeichnung als
„mugs“) wegfallen.
c) Feststellungen
Wie erwartet, fällt Vulgarität in der Untertitelung weg. Die Arbeitshypothese hat sich –
whoopdie fucking do! – bestätigt, doch damit ist das Problem nicht gelöst. Denn, dass auch
Vulgarität von den in der Untertitelung unumgänglichen zeitlich-räumlichen Begrenzungen
nicht verschont werden würde, war vorhersehbar. Interessant ist aber nicht zu sehen, dass
sie verloren geht, sondern wie, mit welchen Folgen und aus welchen Gründen. Dem Wie
(übersetzerische Entscheidungen und ihre Auswirkungen) soll in diesem Unterkapitel
nachgegangen werden, der Wichtigkeit und Schwierigkeit eines Erhalts von Vulgarität in der
Untertitelung (Problematik) im nächsten und möglichen Gründen für die übersetzerischen
Entscheidungen (Erklärungsversuche) im übernächsten.
Auf lexikalischer Ebene haben sich bei der Übertragung folgende Formen des Verlusts von
Vulgarität gezeigt, wobei die Auswirkungen die Äquivalenz auf formaler und/oder auf
funktionaler
Ebene
betreffen
können
(für
eine
detaillierte
Besprechung
des
Äquivalenzbegriffs s. Nida 1964):
Grund für die Antivalenz
zwischen AT und ZT
Verschiebung auf denotativer
Ebene (Wort-Welt-Bezug)
Formale Äquivalenz?
Ja/Nein
Dynamische (funktionale)
Äquivalenz?
Nein
Verschiebung auf konnotativer
Ebene (-/0/+)
Ja
Nein
Inkohärenz mit sprachlichem
Kontext
Ja
Nein
Beispiel
“todschick” (verweist auf
Sache/Ort) für „la di fucking
da“ (verweist auf Person)
„Arschlöcher“ für „cunts“
(-); „Gerichtspsychiater“ für
„court-ordered shrink“ (0);
„Negerlein“ für „black
chappies“ (+)
„Ratte“ für „snake“
(Anspielung auf gespaltene
Zunge)
104
Verschiebung des situativen
Kontexts
Verschiebung auf Ebene der
Tabus
Wegfallen von Doppeldeutigkeit
in der Übersetzung
Keine Wiedergabe des
Vulgarismus
Ja
Nein
Ja
Ja (bedingt)/Nein
Nein
Nein
Nein
Ja bedingt (nur durch
Kompensation)/Nein (wenn
ganz weggelassen)
„Itaker“ (Kontext 2.
Weltkrieg) für „guineas“
„Scheisse!“ für „Christ!“
„aufsteigen“ (neutral) für
„rise fast“
(Doppeldeutigkeit: neutral
& vulgärsprachlich)
Ja: „Kriegst ’ne
Garantieurkunde“ für
„guaran fucking teed“
(funktionale Äquivalenz);
Nein: besonders häufig
weggelassene „fucking“
(Adj./Adv.) mit Funktion
der Betonung
Wie sich in der Beispielsanalyse herausgestellt hat, entstellt funktionale Antivalenz den Text
mehr als formale. Somit geht in der Untertitelung die funktionale Äquivalenz der formalen
vor. Ein Vulgarismus muss nicht zwingend mit einem Vulgarismus wiedergegeben werden,
insofern die funktionale Äquivalenz erhalten bleibt. So dient der Vulgarismus in „guaran
fucking teed“ in erster Linie der Betonung von Ironie. Diese geht auch aus der deutschen
Übersetzung „kriegst ’ne Garantieurkunde“ klar hervor. Besteht allerdings die Möglichkeit,
beides – Funktion und Form – zu erhalten (hier wäre „da kannste einen drauf lassen“
denkbar), wäre dies in jedem Fall vorzuziehen.
Doch nicht nur der Verlust von Vulgarität wurde konstatiert, sondern auch eine Verstärkung
von Vulgarität. Diese trat aber nur vereinzelt auf und ist entweder auf die Ungewöhnlichkeit
der vulgärsprachlichen Wortschöpfung seitens des Untertitlers oder auf die wortwörtliche
Auffassung eines Vulgarismus, welcher in der Ausgangssprache inzwischen lediglich der
Betonung dient, zurückzuführen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass der Untertitler
vulgärsprachlich auf dem neusten Stand ist und sowohl Entwicklungen in Ausgangs- als auch
Zielkultur mitverfolgt. Als gute Lösung haben sich Lehnprägungen erwiesen, da das Problem
der
Vereinigung
konnotativer
und
funktionaler
Äquivalenz
wegfällt.
Unter
die
Lehnprägungen fallen sowohl der semantische Aspekt der Lehnbedeutung (Beispiel:
„abgefuckt“ für „fucked up“) als auch der syntaktische Aspekt der Lehnbildung (Beispiel:
„jippie-ficki-yey“ für „whoopdie fucking do“). Voraussetzung für die Verwendung von
Lehnprägungen ist allerdings, dass sie dem Zuschauer geläufig sind.
d) Problematik
Zwar wurden aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit nur wenige Szenen im Detail
analysiert, doch konnte beobachtet werden, dass alle hervorgehobenen übersetzerischen
Probleme auch im restlichen Film wiederholt auftreten, wodurch sich der Effekt multipliziert
und sich der globale Eindruck auf den Zuschauer verändert. Wenn funktionale Äquivalenz
von Vulgarität im Zieltext nicht erreicht wird, betrifft dies nicht nur die lexikalische Ebene,
105
sondern hat weitaus schwerwiegendere Folgen. So führt der Verlust von Vulgarität zu einer
Art Dominoeffekt, welcher auf Ebene des Wortes beginnt und erst auf jener des Textes als
Ganzes zum Stillstand kommt. Zuerst führt der Verlust von vulgärsprachlichen Lexemen zu
einer Verschiebung der Stilniveaus. Auf der Sprecherebene lässt er die Ausdrucksweise der
Figuren im Film und deren Gefühle blasser erscheinen sowie ihre charakteristischen
Merkmale verschwimmen. Dadurch, dass die illokutive Kraft der Äusserungen durch die
übersetzerischen Entscheidungen verstärkt oder abschwächt wird, ändert sich die Intensität
der Aussagen, was wiederum zu einer nicht äquivalenten Darstellung von sozialer Nähe (auch
der Gruppenzugehörigkeit), Macht und kulturellen Normen und Werten führt und so die
Darstellung der Beziehungen von Protagonisten untereinander verzerrt (interpersonale
Ebene). Dies hat negative Auswirkungen auf die Kohärenz der Handlung im Film
(makrotextuelle Ebene) und beeinträchtigt dadurch die Glaubwürdigkeit der Aussagen des
Regisseurs: Der Film als sprachliche Handlung verliert letzten Endes an Effektivität (Ebene
des Films als Ganzes). Glaubwürdigkeit sollte in der Untertitelung oberstes Gebot haben.
Eine Beeinträchtigung dieser hat sich in den untertitelten Fassungen des Beispielfilms
insbesondere aus dem Verlust von Vulgarität, der Verringerung der Mündlichkeit (Kasus- und
Tempuswahl sowie standardsprachliche anstatt phonetische Schreibweise z.B. nichtverkürzte unbestimmte Artikel) sowie der Übertragung von Kulturspezifika ergeben. In
Bezug auf den Erhalt der Authentizität des Originals in der Untertitelung wurde festgestellt,
dass eine Strategie verallgemeinernder oder verfremdender Übersetzung allgemein einer
kulturell ambiguen oder einbürgernden Übersetzung vorzuziehen ist.
Die Problematik der Analyse von Vulgarität ergibt sich aus deren Komplexität. So hat sich in
der Beispielsanalyse herausgestellt, dass Vulgarität in einem filmischen Ausgangstext
verschiedenste Funktionen erfüllen kann, welche durch die Entwicklung der Vulgärsprache
immer zahlreicher werden und sich immer weiter von deren ursprünglicher Funktion, der
Beschimpfung oder dem Fluchen, entfernen. Die Analyse der Funktion von Vulgärsprache
darf sich aber nicht auf die lexikalische Ebene beschränken, sondern muss mindestens einen
Textakt (hier eine Szene) umfassen, um eine Abwägung der Tragweite übersetzerischer
Entscheidungen zu ermöglichen. Übersetzerische Entscheidungen, welche zu einem Verlust
von Vulgarität führen, können sich, wie oben beschrieben, insbesondere auf die Darstellung
interpersonaler Dynamik negativ auswirken. Diese ergibt sich in erster Linie aus dem
Zusammenspiel von Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien, wobei Vulgarität, welche
sowohl als Höflichkeits- als auch als Unhöflichkeitsstrategie eingesetzt werden kann, nur
einen Aspekt darstellt. Vulgarität ist nur eines unter vielen Mitteln zur Gestaltung
interpersonaler Dynamik und stiftet erst im Zusammenspiel mit anderen Höflichkeitsund Unhöflichkeitsstrategien Sinn. Aus diesem Grund wurden im Rahmen der
106
Beispielsanalyse auch übersetzerische Entscheidungen besprochen, welche zwar nicht direkt
mit Vulgarität in Verbindung stehen, aber ebenfalls zu einer Verschiebung der
interpersonalen Dynamik im Zieltext beigetragen haben.
Zusammenfassend können folgende nicht-vulgärsprachliche Muster genannt werden,
welche ebenfalls einen Einfluss auf die Wiedergabe von Höflichkeit bzw. Unhöflichkeit haben
können: Slang und Jargon, Satzart (Aussage, Befehl, direkte oder indirekte Frage), Modalität
(Modalpartikel, Modalverben, Modi, lexikalische Wiederholungen, phatische Konnektoren),
Anredeformen (offizielle Titel, Vornamen, Übernamen, Kosenamen), rhetorische Mittel
(Euphemismen, Dysphemismen, Repetitionen, Redundanzen, Wortspiele, Ironie, Blasphemie,
Witz, Empathie, rhetorische Fragen, deiktische Determinativen), Possessiva sowie die
Übersetzung von „you“ (duzen vs. siezen). Wichtig zu beachten ist, dass die meisten nichtvulgärsprachlichen Muster genau wie die vulgärsprachlichen bei der Umsetzung beider
Kommunikationsstrategien, Höflichkeit und Unhöflichkeit, verwendet werden können. Zu
welchem Zweck sie eingesetzt werden, ergibt sich erst aus dem Kontext. Was als höflich bzw.
unhöflich gilt, wird von der sozialen Nähe, den Machverhältnissen sowie den geteilten
Normen und Werten der Akteure bestimmt. Will der Sprecher beim Hörer etwas erreichen,
bieten sich ihm verschiedene Möglichkeiten, seine Intention in Worte zu fassen –
Brown/Levinsons FTA strategies (ausführlich besprochen in Kapitel 3b). Solche Strategien
können direkter, offensichtlicher Natur sein, zum Beispiel, indem Vulgarismen zur
Beschimpfung einer Person eingesetzt werden. Sie können aber auch indirekter Natur sein,
wenn die Intention des Sprechers dem Hörer erst durch konversationelle Implikatur
verständlich wird (s. Besprechung von Grices Kooperationsprinzip auf Seite 49 dieser
Arbeit). So werden im Film The Departed überhöfliche Formulierungen gerne als Drohung,
Ironie als Machtinstrument oder Doppeldeutigkeit zum Lächerlich-Machen eingesetzt. Die in
Kapitel 1h aufgestellte Hypothese, dass denotative, konnotative und stilistische Äquivalenz
unerreichbare und zugleich nicht ausreichende Ziele sind, hat sich in der Beispielsanalyse
bestätigt, und pragmatische Äquivalenz als erstrebenswert herausgestellt. Aus diesem
Grund soll auch der später folgende Ansatz für eine Übersetzungsstrategie funktionalistisch
ausgerichtet sein.
Im analysierten Film wurde pragmatische Äquivalenz jedoch weder in der DVD- noch in der
Kinofassung erzielt, da gewisse übersetzerische Entscheidungen zu einer Abschwächung
von Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien geführt haben. Das umgekehrte
Phänomen, eine Verstärkung dieser Strategien, trat zwar ebenfalls auf, doch überwog die
Abflachung bei weitem. Da die Pole der Lokutionsskala Höflichkeit vs. Unhöflichkeit in der
Übersetzung tendenziell näher rücken, ergibt sich eine allgemeine Verwässerung der
107
Darstellung interpersonaler Dynamik. Feinheiten in der Entwicklung der Beziehungen von
Protagonisten gehen dadurch verloren. So müsste eine umfassende Analyse der Gründe für
den Verlust von Vulgarität auch andere Höflichkeits- und Unhöflichkeitsstrategien umfassen.
Da die grössten Veränderungen interpersonaler Dynamik allerdings dem Wegfallen von
Vulgarität zuzuschreiben sind und es zudem unmöglich ist, beiden Phänomenen im Rahmen
einer Masterarbeit gerecht zu werden, soll sich die nachfolgende Suche nach Erklärungen auf
die Gründe des Wegfallens von Vulgarität beschränken.
e) Erklärungsversuche
Im Rahmen der theoretischen Abhandlung von Vulgarität und Untertitelung sowie in der
Beispielsanalyse kamen einige Faktoren zum Vorschein, welche zur Erklärung des
tendenziellen Verlusts von Vulgarität in der Untertitelung herangezogen werden können.
Dabei soll im Folgenden vom offensichtlichsten Faktor, dem technischen, ausgegangen und
dann zu allgemeinen Faktoren wie Sprache, Kultur und Pragmatik übergegangen werden, um
abschliessend auf die Besonderheiten des Mediums (multimediale Faktoren) sowie der damit
verbundenen Arbeitsprozesse (berufliche und wirtschaftliche Faktoren) einzugehen. Die
persönlichen Faktoren sollen zum Schluss genannt werden, da sie, wie der Name besagt,
schwer objektivierbar sind und ihr Einfluss deswegen schwierig einzuschätzen ist. Ziel dieser
Überlegungen ist, abzuwägen, auf welche Faktoren der Untertitler positiven Einfluss ausüben
kann und welchen er sich fügen muss. Dies soll ermöglichen, den Handlungsspielraum des
Untertitlers in Bezug auf seine realen Möglichkeiten, Vulgarität wiederzugeben, abzustecken,
um anschliessend, im nächsten Kapitel, eine Übersetzungsstrategie zu umreissen. Auch sollen
diese Überlegungen einen Ausblick geben auf mögliche theoretische Spuren, deren
Verfolgung neue Wege in Bezug auf den Umgang mit Vulgarität in der Untertitelung eröffnen
könnte.
i.
Technische Faktoren
Wie gross die Auswirkungen technischer Faktoren auf die Untertitelung allgemein und auf
die Übertragung von Vulgarität im Besonderen sind, hat sich in der Beispielsanalyse deutlich
gezeigt. Wie bereits in Kapitel 4bii. angesprochen, musste sich der Untertitler der
schweizerischen Fassung an weitaus striktere Vorgaben halten als jener der deutschen
Fassung. In beiden Ländern wird für die Veröffentlichung einer DVD oder eines Films im Kino
jeweils nur eine Fassung für alle Zielgruppen erstellt, was bedeutet, dass sich die
mehrsprachige Schweiz den Platz auf dem Bildschirm teilen muss. Da sich das Tessin in der
Regel nach Italien richtet und synchronisierte Filme importiert, bleiben noch zwei Sprachen:
108
Deutsch und Französisch – eine Sprache pro Zeile. Beide Zeilen müssen, um den Zuschauer
nicht zu verwirren, zeitgleich eingeblendet werden, was bedeutet, dass sich die Untertitler
strikte an das vorgegebene Spotting (Ein- und Ausblendung von Untertiteln) halten und sich
auch bis zu einem gewissen Grad syntaktisch an die andere Sprache anpassen müssen. Im
Gegensatz dazu ist der deutsche Untertitler weitaus flexibler: Ihm steht fast doppelt so viel
Platz zu sowie die Freiheit, gegebenenfalls die Aufteilung der Untertitel zu verändern. So war
schon zu Beginn der Analyse vorhersehbar, dass in ZT 1 mehr Vulgarismen vorkommen
würden als in ZT 2, da dieser allgemein kürzer ausfallen und somit gesamthaft mehr
Verluste hingenommen werden mussten. Interessant wäre aber zu untersuchen, inwiefern
sich Verluste von Vulgarität zu Verlusten anderer sprachlicher Merkmale verhalten: Treten
solche häufiger oder weniger häufiger auf? Erst das Verhältnis sowie die Auswirkungen der
einzelnen Arten von Verlusten auf den Text würden Aufschluss geben über den tatsächlichen
Verlust.
Denn egal wie grosszügig die externen Vorgaben ausfallen, eine Verknappung der Aussage
ist in jedem Fall unumgänglich, da es physisch nicht möglich ist, gleich viele Informationen
visuell
wie
auditiv
aufzunehmen.
Synchronizität
zwischen
den
verschiedenen
Informationskanälen, Untertitel-Bild-Ton, ist grundlegend. Der Untertitel muss mit Schnitt
und Bildkomposition übereinstimmen und sollte Stil, Sprechtempo und bis zu einem
gewissen Grad die Reihenfolge dialogischer Elemente des Originaltons widerspiegeln
(Gottlieb 1992:165). Je mehr pro Zeiteinheit gesprochen wird, desto mehr Text fällt
logischerweise in der Untertitelung weg. So hängt die Untertitelungsstrategie sowohl vom
Verhältnis der Quantität des Ausgangstexts pro Zeiteinheit als auch von den externen
Vorgaben ab. Die Kriterien, nach denen der Untertitler im Rahmen seiner zeitlich-räumlichen
Möglichkeiten
agiert,
sind
Sichtbarkeit,
Leserlichkeit
und
Verständlichkeit
(Gambier 2009:190). Mit Sichtbarkeit ist die Reaktion auf die physische Beschaffenheit von
Untertiteln gemeint; sie zu erzielen, heisst unter anderem, einen visuellen Kontrast zwischen
Untertitel und Bild zu schaffen. Die Leserlichkeit zielt auf die kognitiven Aspekte ab und
bedeutet für den Untertitler, dem Zuschauer genügend Zeit zum Erfassen der Untertitel zu
gewähren. Die Verständlichkeit wiederum ist gleichzusetzen mit semantischer Kohärenz –
der Zuschauer soll der Handlung ohne grosse Anstrengungen folgen können (ibid.). Denn die
Untertitelung ist, was Erik Skuggevik eine „Einbahnstrasse“ nennt: Versteht der Leser etwas
nicht,
kann
er
nicht
einfach
zurückgehen,
um
sich
Klarheit
zu
verschaffen
(Skuggevik 2009:210). Deshalb muss ein Untertitel auf Anhieb verständlich sein. Um
semantische
Kohärenz
zu
erzielen,
bieten
sich
dem
Untertitler
folgende
Übersetzungsverfahren zur Textverkürzung an: Paraphrase, Auslassung, Vereinfachung der
Syntax und des Vokabulars, Zusammenfassung von kurzen Dialogen (s. Besprechung in
109
Kapitel 2f). Da Schimpfwörter oft redundant sind und deshalb geringen informativen Wert
haben, fallen sie Verknappungen meist als erstes zum Opfer. Gambier (2009) ruft in einem
Artikel dazu auf, dem Untertitler mehr Handlungsmacht zu verleihen, sein Selbstvertrauen zu
stärken und seine Kreativität zu fördern. Diesen Zielen wirken seiner Ansicht nach unter
anderem die technologischen Hilfsmittel entgegen, welche den Untertitler zu mehr
Effizienz in der Kommunikation anspornen und ihn dazu verleiten, die Kommunikation
übertrieben zu vereinfachen, anstatt sie zu vertiefen (Gambier 2009:180). In einem
Untertitelungsprogramm haben auch Vulgarismen einen schweren Stand: Sie kosten viel
Platz. Wort- und Buchstabenlänge sind ein wichtiges Kriterium bei der Untertitelung:
Buchstaben wie i, l oder t sind am schmälsten, m oder w am breitesten (Bogucki 2004).
Überschreitet ein Untertitel die vorgegebene Länge, wird er rot markiert. Somit ist die
Verlockung, einen breiten Vulgarismus wie „verdammt“, welcher zudem „nur“ der Betonung
der Aussage dient und keinen informativen Wert hat, wegzulassen, nachvollziehbar.
Auch der polysemiotische Charakter der Untertitelung verstärkt, gesamthaft gesehen, den
Verlust von Vulgarität, da aufgrund der Synchronizität zu Originalbild und –ton kein
weggefallener Vulgarismus im späteren Verlauf eingebaut werden kann. Inhaltliche
Kompensation, die Wiedergabe eines Lexems an anderer Stelle, welche in der Übersetzung
oft und gerne angewendet wird, ist in der Untertitelung unmöglich, da der Ausgangstext im
Zieltext bestehen bleibt und davon ausgegangen werden darf, dass vielen Zuschauer die
zeitlich verschobene Wiedergabe auffallen und sie verwirren würde. So können Vulgarismen,
welche in einem schnellen Dialog weggelassen werden, nicht später nachgeholt werden.
Die Synchronizität zwischen Ausgangs- und Zieltext determiniert auch die Arbeitsweise des
Untertitlers. Dieser geht in den allermeisten Fällen Untertitel für Untertitel vor. Dabei fällt
der
Überblick
leicht
weg,
da
er
im
Untertitelungsprozess
im
Gegensatz zum
Übersetzungsprozess nicht ständig seine vorher- und nachhergehenden übersetzerischen
Entscheidungen vor Augen hat. Nach Mason erklärt dies den Verlust interpersonaler
Dynamik (Mason 2001:20), könnte aber auch zu einem Verlust von Vulgarität führen. Es
könnte durchaus sein, dass der Untertitler sich durch seine Satz-für-Satz-Arbeit des
Ausmasses des Verlusts von Vulgarität weniger bewusst wird, als wenn Ausgangs- und
Zieltext physisch nebeneinander liegen würden. Um diese Hypothese zu überprüfen, müssten
allerdings die mentalen Vorgänge beim Untertiteln näher untersucht werden. Leider haben
sich Studien zur Deverbalisierung und der Bedeutung der Rolle der Interpretation im
Übersetzungsprozess meines Wissens bislang auf die Bereiche des Dolmetschens und des
klassischen Übersetzens beschränkt (s. Studien von Seleskovitch/Lederer und ihren
Nachfolgern).
110
Einen ganz anderen Standpunkt vertritt Peter Fawcett. Er behauptet, dass die zeitlichräumlichen Begrenzungen, welche von den meisten Untertitelungswissenschaftlern als
Fakten betrachtet werden, in Tat und Wahrheit nur Konventionen seien, deren Begründung
auf wackligen Beinen stehe, da sie nicht rational, sondern kulturell und ideologisch bedingt
seien (Fawcett 2003:146). Erstens sei die Zielgruppe, von deren Fähigkeiten bei der
Berechnung der Untertitellänge ausgegangen wird – die averagely educated audience – ein
undefiniertes soziales Konstrukt, welches sich auf die gesellschaftliche Mittelschicht
ausrichte (ibid:147). Die vorgebrachten Werte würden nicht durch empirische Studien
gestützt, sondern sie beruhten auf Mutmassungen, was dieser fiktiven Zielgruppe zugemutet
werden könne. So seien sich alle Theoretiker einig, dass das Publikum Untertitel schneller
und schneller verarbeiten könne, doch empirische Studien, welche diese Theorie bestätigt
oder entkräftet hätten, seien keine durchgeführt worden (ibid.:147f). Auch die Synchronizität
zwischen Ausgangs- und Zieltext werde dem Untertitler als Norm vorgegeben, gründe aber
ebenfalls nicht auf Studien, sondern auf Gewohnheiten. So unterscheidet sich die Definition
von Synchronizität in der Untertitelung je nach Kultur unter anderem in Bezug auf die Länge
der Untertitel, die Farbe, die Positionierung, die Anzahl eingeblendeter Sprachen (ibid.:148).
Für den Alltag des Untertitlers sind Fawcetts Überlegungen nicht relevant, da der Untertitler
sich den Vorgaben seines Auftraggebers zu fügen hat. Sie stellen aber auf theoretischer Ebene
eine interessante Spur dar, deren Verfolgung – das heisst die Durchführung von Studien zur
Erforschung der Zuschauerreaktionen – die Arbeitsweise und Übersetzungsstrategie des
Untertitlers in Zukunft grundlegend verändern könnte.
ii.
Kulturelle Faktoren
Kulturelle Faktoren spielen bei der Übersetzung immer eine grosse Rolle. Einzelsprachen
sind in ihrer Kultur verwurzelt und nehmen Bezug auf diese Realität. Sprecher einer
Einzelsprache entschlüsseln das Gesagte (oder bei einem Film das Gezeigte) mithilfe ihres
kulturgebundenen Weltwissens. Bei der Übersetzung stellt sich also nicht nur die Frage nach
der Nähe von Ausgangs- und Zielsprache, sondern auch nach der Nähe von Ausgangs- und
Zielkultur. So muss sich der Untertitler fragen, welches Vorwissen beim Leser vorausgesetzt
wird, und ob dieses auf geteilten kulturellen Referenzen beruht (Gambier 2009:188). Wenn
nicht, muss er sich überlegen, ob und wenn ja, wie er diese seinem Publikum zugänglich
macht. Für den Untertitler kommt erschwerend hinzu, dass sein Ausgangstext
kulturgebundene Informationen sowohl akustisch als auch visuell vermittelt, seine Arbeit
sich aber fast ausschliesslich nach dem sprachlichen Code richtet und anderen akustischen
Codes wie dem parasprachlichen, musikalischen und diegetischen sowie dem visuellen Kanal
und seinen zahlreichen Codes (s. ausführliche Besprechung von Chaumes Aufstellung
111
untertitelungsspezifischer Probleme in Kapitel 2e) kaum Rechnung tragen kann. Im
vorliegenden Beispiel The Departed schliesst ein Amerikaner unter Umständen aufgrund
seines Weltwissens bereits in der ersten Szene (Einblendung von Archivbildern) darauf, dass
sich die Handlung in Boston abspielt und assoziiert diese Stadt mit historischen Ereignissen
wie der Immigration von Italienern und Iren im 19. und 20. Jahrhundert, oder dem busing
strike und Whitey Bulgers Herrschaft, welche in den 1970er Jahren landesweit
Aufmerksamkeit erregten. Auch erkennt er vielleicht den von den Protagonisten
gesprochenen Dialekt, Boston English, und verbindet diesen mit der irischen und italienischen
Arbeiterklasse. Dadurch, dass ihm der Akzent Aufschluss gibt über die soziale Schicht der
Sprecher und er zudem mit dem Klischee des amerikanischen Cops sowie den Machtkämpfen
unter den verschiedenen polizeilichen Einrichtungen vertraut ist, dürfte ihn der raue
Umgangston im Film eher weniger überraschen. Den deutschsprachigen Zuschauer unter
Umständen eher, da ihm der Zugang zu diesen nebenbei vermittelten Informationen
verwehrt bleibt. Legt sich der Untertitler eine einbürgernde Übersetzungsstrategie
zurecht, könnte er durchaus argumentieren, aufgrund der kulturellen Unterschiede zwischen
amerikanischen Cops und deutschen Polizisten die Stilniveaus anzuheben und Vulgarismen
abzutönen bzw. wegzulassen, um sein Zielpublikum nicht zu brüskieren. Dass extreme
Domestication keine empfehlenswerte Strategie ist, da die Authentizität eines Films dadurch
verloren geht, wurde allerdings schon ausführlich besprochen (im Rahmen der Analyse von
Szene 2, s. 99-101, zusammengefasst in Kapitel 4d). Doch ist der Untertitler oft nicht einfach
frei in seiner Entscheidung, da er sich externen Vorgaben (s. vorhergehendes Unterkapitel)
zu fügen hat. Für die Schweiz beinhalten diese auch, dass Untertitel nicht zu deutsch klingen
dürfen, da allzu Deutsches angeblich weder üblich noch beliebt ist (Hall Ashour 2003). Der
Untertitler bewegt sich mit einer solchen Strategie aber auf einem schmalen Grat zwischen
neutraler deutscher Ausdrucksweise und der „Verschweizerung“ des Ausgangstextes, welche
durchaus zu ungewollt komischen Effekten führen kann (zum Beispiel, wenn Dignam das
mundartliche Verb „pfunden“ für „to take a dump“ in den Mund gelegt wird).
Doch Vulgärsprache ist nicht nur durch die soziale Herkunft ihrer Sprecher kulturgebunden,
sondern auch durch ihren Bezug auf gesellschaftliche Tabus. Bedingt dadurch, dass sowohl
Ausgangs- als auch Zielsprache in der westlichen Zivilisation mit ihrer vom christlichen
Glauben geprägten Vergangenheit verankert sind und sich ihre politische Ordnung, der Staat,
in etwa auf dieselben gesellschaftlichen Prinzipien, Normen und Werte stützt, sind auch die
Tabus vergleichbar: Namen, Sex und Körperflüssigkeiten, Essen und Gerüche, Krankheit,
Mord und Tod (Allan/Burridge 2006, s. Besprechung Kapitel 1d). Doch die Toleranz
gegenüber der sprachlichen Bezugnahme auf diese Tabus unterscheidet sich grundlegend:
Die Vereinigten Staaten sind weitaus prüder und religiöser, Vulgärsprache und Blasphemie
112
daher sozial immer noch geächtet. So ist in den USA im Gegensatz zu Deutschland auch die
Sprache in Filmen ein Kriterium für deren Alterseinstufung (s. Kapitel 1g). Zensur kann aber
nicht nur von offiziellen Zensurbehörden ausgeübt werden. So betont Fawcett, dass auch
Auftraggeber die Möglichkeit hätten, Zensurrichtlinien vorzugeben, insbesondere was
obszöne oder rassistische Äusserungen anbelangt (Fawcett 2003:149). Wie in Kapitel 1g
besprochen, scheinen sowohl Filmzensurbehörden als auch Auftraggeber (mit Ausnahme der
USA, deren Untertitelungsindustrie allerdings mikroskopisch klein ist, da ausländische Filme,
wenn, dann meist als Remake in die Kinos kommen, s. The Departed) zumindest in der
westlichen Zivilisation kaum noch Gebrauch von dieser Möglichkeit zu machen (vgl. dazu die
Situation in Hongkong, Chen 2004 besprochen unter Kapitel 3ciii.). Das Gegenteil scheint eher
der Fall zu sein: So schilderte Marlene Hall Ashour, welche im Auftrag von Warner Home die
Untertitel der schweizerischen Kinofassung von The Departed erstellte, dass ihr Auftraggeber
explizit eine äquivalente Wiedergabe von Vulgarismen fordere, und wenn, dann eher eine
allzu schwache, denn eine allzu starke Wiedergabe bemängle24. Eingeschränkt in seinen
vulgärsprachlichen Handlungsmöglichkeiten wurde der Untertitler also in diesem speziellen
Fall sicher nicht. Ausser Zensurbehörden und Auftraggebern gibt es aber in den Vereinigten
Staaten noch andere private Organisationen, welche zwar keine konkrete Zensurbefugnis
haben, sich aber für den Erhalt von Moral und Sittlichkeit einsetzen und Empfehlungen
aussprechen. Ein gutes Beispiel dafür ist Screen It, eine Webseite, welche Filme als
empfehlenswert bzw. nicht empfehlenswert für Kinder einstuft. Deutschsprachige Eltern
würden dem Urteil von Screen It, dass The Departed kein geeigneter Film für Kinder und
Jugendliche ist, sicher zustimmen, aus europäischer Perspektive betrachtet, erscheinen
gewisse Kriterien allerdings als übertrieben, wenn nicht gar absurd. So haben sich die
Autoren zum Beispiel die Mühe gemacht, alle Okkurrenzen von „fuck“ zu zählen (237) und
aufzulisten, wer wann Alkohol trinkt oder raucht, wobei auch vermerkt wird, dass Colin und
Madolyn zum Abendessen im Restaurant Wein trinken oder Barrigan Colin zu einem Bier
einlädt, dieser aber ablehnt. Die Szenen, in denen Dignam ein Furzgeräusch macht und
Costello eine Fliege totschlägt und diese danach verspeist, fallen unter die Kategorie
„Blood/Gore“. Die Erwähnung des Menstruationszyklus in der Szene, als Billy in einer Bar
Cranberry-Saft bestellt und jemand Witze darüber macht, fällt unter „Disrespectful/Bad
attitude“, und auch die Szenen, in denen man Tätowierungen oder Graffitis sieht, werden als
gefährliches
„Imitative behaviour“ eingestuft.
Bei „Sex/Nudity“ reicht schon ein
Kameraschwenker auf das – wohlbemerkt bekleidete – Hinterteil einer Frau oder die nackten
Oberkörper von Gefängnisinsassen für einen Eintrag, oder aber, dass Colin und Madolyn im
24
Mündliche Kommunikation [29.06.2011].
113
Bett liegen…und reden25. Doch Amerikas konservative Einstellung gegenüber Tabus hat auch
positive Seiten. Sie macht Tabus für jenen, welcher gegen sie verstösst, zu einer viel
mächtigeren Waffe. Denn die Stärke eines Tabus determiniert, wie schwer ein Verstoss
dagegen ist und folglich auch wie gross deren Auswirkungen sind. So schockiert ein Verstoss
gegen sexuelle Tabus in den USA, bedingt dadurch, dass er gesellschaftlich nicht toleriert
wird, viel mehr als im liberaleren Europa. Zugleich ist aber auch der Fluchwortschatz in
Amerika reicher, da der Anreiz zu fluchen durch das Verbot grösser ist. In der Analyse von
The Departed hat sich die Vielfalt an vulgärsprachlichen Ausdrücken in der englischen
Sprache und ihre Effektivität eindrücklich gezeigt. Bedingt dadurch, dass in der deutschen
Sprache weniger Tabus bestehen, ist auch der Fluchwortschatz allgemein kleiner und die
Effektivität geringer, womit ein Verlust von Vulgarität wahrscheinlicher ist. Doch bieten
sich dem Untertitler durch den Einfluss der amerikanischen Sprache und Kultur mehr und
mehr Möglichkeiten, Anglizismen einzusetzen (s. Lehnprägungen in Szene 2, S.93 dieser
Arbeit) und dadurch konnotative und funktionale Äquivalenz sicherzustellen. Während sich
einige diese sprachliche Entwicklung zunutze machen (z.B. Hall Ashour, welche dafür
plädiert, eingebürgerte Slangismen und Vulgarismen nicht zu untertiteln), sehen andere
darin eine Gefahr (z.B. Fawcett 2003 und Gottlieb 2001a). So stellt Gottlieb eine immer
grössere Anglifizierung seiner Sprache, des Dänischen, fest und macht dafür die
Medienschaffenden – Untertitler, Synchronsprecher, aber auch Journalisten – verantwortlich,
welche bei ihrer Arbeit oft von einem englischsprachigen Ausgangstext ausgehen und ihre
Sprache dabei Lexik und Syntax der Ausgangssprache unterwerfen (Gottlieb 2001a:257). Er
befürchtet, dass wenn sich die Sprachen mehr und mehr dem Englischen angleichen,
Übersetzer und Untertitler bald überflüssig werden könnten (ibid.:258). Wie das Problem der
Untertitelung konkret zu lösen wäre, bespricht er nicht. Bleibt abzuwarten, ob sich seine
Vorhersagen bewahrheiten. Allerdings zeichnet sich in der untertitelungswissenschaftlichen
Literatur eine andere Tendenz bezüglich der Übertragung von Vulgarität zeichnet ab: Da die
gesellschaftliche Akzeptanz sprachlicher Vulgarität wächst, sprechen sich mehr und mehr
Autoren explizit für ihre Übertragung aus. Verstärkt sich diese Tendenz weiter, sollte der
Verlust von Vulgarität in der Untertitelung in Zukunft geringer ausfallen – und diese Arbeit
veraltet erscheinen lassen.
iii.
Sprachliche Faktoren
Für den Verlust von Vulgarität sind auf sprachlicher Ebene hauptsächlich vier Faktoren
verantwortlich, auf welche bereits im Detail eingegangen wurde: der Mangel an denotativer
Äquivalenz aufgrund der unterschiedlichen Realität von Ausgangs- und Zielkultur
25
„Screen It! Parental Review: The Departed”: http://www.screenit.com/movies/2006/the_departed.html [15.08.11].
114
(s. vorhergehendes Unterkapitel), der Mangel an konnotativer Äquivalenz aufgrund der
nicht-parallelen Entwicklung der Einzelsprachen und ihrer Kulturgebundenheit, der Mangel
an stilistischer Äquivalenz zwischen den diastratisch-diaphasisch gegliederten englischen
und den diatopisch gegliederten deutschen Sprachvarietäten (s. Kapitel 1h) sowie die
„Normenkollision“ zwischen gesprochener und schriftlicher Sprache (s. Besprechung
von Chaumes sprachlichem Code in Kapitel 1e und Kapitel 3ci unter „Mündlichkeit“).
Zudem zwingen die zeitlich-räumlichen Begrenzungen den Untertitler, gewisse sprachliche
Muster aufgrund seiner Auffassung der Textfunktion zu priorisieren. Werden Vulgarismen
im Vergleich zu anderen sprachlichen Mustern als weniger wichtig eingestuft, fallen sie weg.
Doch auch wenn Vulgarismen hohe Priorität eingeräumt wird, stellt sich die Frage nach
Qualität und Quantität der Wiedergabe. Die Meinungen dazu gehen stark auseinander.
Während Nagel sich die Frage stellt, ob eine Äquivalenz von Slang auf sprachlicher Ebene
wirklich notwendig ist, da die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu und der
dazugehörigen Sprache auch durch aussersprachliche Mittel (z.B. Kleidung) ausgedrückt wird
(Nagel 2009:73), ist nach Karamitroglou ein Verlust von Vulgarismen nur dann tolerierbar,
wenn er aufgrund textökonomischer Gründe erfolgt (Karamitroglou 1998), und auch
Fernández Fernández betont, dass Fluchwörter, so schockierend diese für das Zielpublikum
auch sein mögen, in ihrer vollen Intensität wiedergegeben werden müssen, um die
künstlerische Integrität des Originals zu wahren (Fernández Fernández 2009). Hall Ashour
befindet sich mit ihrer Meinung zwischen diesen beiden Extremen. Sie ist der Ansicht, dass
bei Kraftausdrücken nicht jedes Wort übersetzt werden muss, sondern dass es ausreicht, mit
einigen präzisen, klaren Ausdrücken zu zeigen, dass geflucht wird (Hall Ashour 2003). Sie
stützt sich dabei auf die Annahme, dass bei ihrem Zielpublikum (dem schweizerischen)
gewisse Fremdsprachenkenntnisse vorausgesetzt werden dürfen (ibid.). Insbesondere bei
Filmen, welche sich in erster Linie an Jugendliche richten, müssten gewisse Slangausdrücke
gar nicht übersetzt werden (ibid.). Nagel geht noch weiter und behauptet, dass die Zuschauer
zumindest bei englischsprachigen Filmen erkennen können, wann Hochsprache, Dialekt oder
Slang gesprochen wird (Nagel 2009:75). Ob dazu tatsächlich die Mehrheit aller Zuschauer in
der Lage ist und ob dieses Erkennen von Sprachvarietäten auch mit Verstehen gleichgesetzt
werden kann, erscheint allerdings fraglich. Eine solche Übersetzungsstrategie würde aber
zumindest einen vulgärsprachlichen Verlust in den Untertiteln erklären.
Hinsichtlich des Dilemmas Quantität vs. Qualität stellt sich auch die Frage, ob eine
Kompensation des Wegfallens von Vulgarismen, wenn schon nicht quantitativ (von einer
inhaltlichen Kompensation wird abgeraten, s. „technische Faktoren“) dann wenigstens
qualitativ erzielt werden darf: Darf man den Verlust konnotativer Intensität bei der
115
Übertragung von Vulgarität an anderer Stelle kompensieren? Zu dieser Frage hat sich meines
Wissens
niemand
geäussert.
Vielleicht
taucht
sie
aber
auch
in
keinem
Untertitelungshandbuch auf, weil ihre richtige Verwendung ein grosses sprachliches
Feingefühl und Kreativität seitens des Untertitlers voraussetzt, weswegen sie Untertitlern auf
keinen Fall als pauschales Mittel gegen Übersetzungsprobleme verschrieben werden,
sondern nur punktuell Verwendung finden darf. Kompensation, egal welcher Art, ist immer
mit Vorsicht zu geniessen. In der Untertitelung darf sie – wenn überhaupt – nur da eingesetzt
werden, wo sie mit dem Sprechakt, der Ausdrucksweise des Sprechers sowie der Entfaltung
interpersonaler Dynamik vereinbar ist. Dass sie aber durchaus zu gelungenen Übersetzungen
führen kann, zeigt dieses Beispiel:
AT [00:05:25]
SCENE: EXT. BOSTON COMMON - DAY.
COLIN, BARRIGAN AND OTHER POLICE
TRAINEES ARE PLAYING RUGBY AGAINST A
GROUP OF FIREFIGHTERS. THE GAME
ENDS.
ZT 1
ZT 2
COLIN TO FIREFIGHTERS
Fuck you!
Fucking queers.
Firemen getting pussy for the first time in
the history of fire or pussy.
Hey, go save a kitten in a tree, you fucking
homos.
Fickt euch doch! Ihr schwulen
Schlauchträger.
Feuerauspisser. Haben noch nie eins
aus der Nähe gesehen, geschweige denn
irgend‘ne Muschi.
Hey, geht und rettet Kätzchen aus den
Bäumen, ihr Scheisshomos!
Leckt mich am Arsch! Verdammte
Homos!
Feuerwehrmänner kriegen erstmals...
in deren Geschichte eine Pussy.
Holt eine Mieze vom Baum, ihr ScheissHomos.
Das Wortspiel im Ausgangstext, welches auf der Doppeldeutigkeit des Wortes „pussy“
(neutraler Begriff für eine Katze vs. vulgärsprachliche Bezeichnung des weiblichen
Geschlechtsteil) gründet, ist nicht auf die deutsche Sprache übertragbar, da es keinen Begriff
gibt, welcher beide Bedeutungsaspekte vereint. Der humoristische Effekt der Äusserung
sowie Colins sprachliche Gewandtheit fallen also in der Übersetzung weg. Untertitler 1 hat
allerdings Anstrengungen unternommen, um Colins Scharfzüngigkeit einen Satz vorher zum
Ausdruck zu bringen: mit den kreativen vulgärsprachlichen Wortschöpfungen „schwule
Schlauchträger“ und „Feuerauspisser“. Mit Erfolg: Stilebene, illokutive Kraft des Sprechakts
sowie Effekt bleiben erhalten.
Denotative, konnotative und stilistische Äquivalenz sind meist nicht möglich und auch nicht
wirklich relevant, was zählt, ist die pragmatische Äquivalenz (s. Besprechung von Kussmauls
funktionalistischem Ansatz in Kapitel 1h). Diese kann aber gestört werden und die Funktion
von Vulgarität wegfallen. Welche Faktoren zu einem solchen Verlust führen können, soll im
Folgenden erläutert werden.
iv.
Pragmatische Faktoren
Die pragmatische Dimension kann sich auf zwei Ebenen beziehen: auf jene der filmischen
oder jene der realen Situation. Die pragmatische Dimension im Film – bezogen auf das
116
Wegfallen der expressiven und phatischen Funktionen von Sprache in der Untertitelung und
die daraus resultierende Vereinfachung der Darstellung interpersonaler Dynamik zwischen
Adressaten im Film – wurde bereits im theoretischen Teil abgehandelt (s. Kapitel 3a und 3ci).
Auf die Bedeutung von Vulgarität für die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen
wurde dann im praktischen Teil ausführlich eingegangen (s. makro- und mikrotextuelle
Analyse in Kapitel 4).
Nur angetönt (in Kapitel 2e, S. 35-36) wurde hingegen die pragmatische Dimension
bezogen auf die Untertitelungssituation: das Verhältnis des Autors zu seinem Publikum
und jenes des Untertitlers zu seinem Publikum. Da der Ausgangstext im Zieltext bestehen
bleibt, der Untertitler also nicht wie der Übersetzer die Möglichkeit hat, zum Beispiel
unverständliche Kulturspezifika zu streichen und zu ersetzen oder aber zu erklären, spielt
das Vorwissen, welches der Untertitler beim Zielpublikum voraussetzt, eine grosse Rolle. So
bestimmen sowohl Kenntnisse der Ausgangssprache (s. „sprachliche Faktoren“), der
Ausgangskultur als auch die Vertrautheit mit dem Medium seine übersetzerischen
Entscheidungen. Die Rolle des Untertitlers ist aber keineswegs, das Gesagte wie ein
Übersetzer zu interpretieren (vgl dazu Mason 2001:24 mit Gambier 1998:145), sondern
vielmehr für den Zuschauer Kohärenz zu schaffen, indem er Vermutungen anstellt, was
dieser bereits weiss oder aufgrund anderer Stimuli erfassen kann (z.B. durch Inferieren
unausgesprochener
Intentionen),
und dieses
Wissen
um
die
Untertitel
ergänzt
(Mason 2001:23). Kohärenz kann aber nur zustande kommen, wenn sich diese Vermutungen
bewahrheiten. Oder wie Tomaszkiewicz es ausdrückt:
L’activité de sous-titrage remplit cette tâche à ces conditions près : son rôle est d’accompagner l’image ;
l’accès au sens est facilité par la présence d’autres éléments signifiants de la matière filmique ; le
spectateur est conscient de l’existence de certaines amputations du texte original et reconstruit
mentalement les parties absentes, à la base de son expérience des conversations quotidiennes.
(Tomaszkiewicz 2001b:397)
Dazu muss sich der Untertitler aber ein akkurates Bild vom Durchschnittszuschauer und
dessen „expérience“ machen können, was in der Praxis äusserst schwierig ist. Für Fawcett
führt diese Kluft zwischen Theorie und Praxis gar zu einer Infragestellung der SkoposTheorie:
It is a simple fact that films, like the vast majority of books, can only be translated once rather than being
brought out in different versions for different receptors (which casts doubt on the main tenet of
Skopostheorie for anything other than very specific text types aimed at very specific audiences).
(Fawcett 2003:162)
Gerade ein Film wie The Departed kann ein sehr durchmischtes Publikum haben: Jene, die
wegen Scorsese kommen (Autorenfilm-Liebhaber), jene, die wegen dem Genre kommen
(Gangsterfilm-Liebhaber), jene, die sich die untertitelte Fassung anschauen, um von den
spritzigen Dialogen im Original auch etwas mitzubekommen (und zugleich die schärfsten
Kritiker des Untertitlers sind) sowie das breite Publikum, da The Departed zugleich auch ein
117
Blockbuster ist. So sind entsprechend die Anforderungen an den Untertitler je nach Genre
unterschiedlich. Hall Ashour meint, dass der Zuschauer gerade bei Action- oder
Polizeistreifen nur so viel lesen wolle, dass er der Handlung folgen kann (Hall Ashour 2003).
Ein Film wie The Departed richtet sich sowohl an regelmässige Kinogänger, welche an
Untertitel gewohnt sind, als auch an sporadische, denen die Übung im Umgang damit fehlt.
Bedingt durch diese Heterogenität ist es schwierig, ein Phantombild des Publikums zu
zeichnen. Hall Ashour beschränkt sich auf die unterschiedlichen Sprachkenntnisse und
betont, wie wichtig, aber zugleich auch schwierig es sei, den einen Zuschauer nicht zu
überfordern, den anderen nicht zu unterfordern (Hall Ashour 2003). So könnte denn auch
eine Überschätzung der Kenntnisse des Zuschauers zu einem Verlust von Vulgarität führen,
wenn der Untertitler diese als geläufig einstuft. Gerade Slangismen und Vulgarismen sind oft
nur dem jüngeren Publikum bekannt, weswegen bei einem Film wie The Departed, welcher
durch seinen Cast (sowohl bekannte junge als auch beliebte ältere Schauspieler) Zuschauer
aller Altersklassen in die Kinosäle lockt, auch die anderen Altersgruppen nicht im Stich
gelassen werden dürfen. Auch darf nicht überschätzt werden, wie viele Informationen der
Zuschauer parallel zum Lesen der Untertitel visuell und, was die Vulgärsprache anbelangt,
vor allem akustisch aufnehmen kann. Womit wir bei den multimedialen Faktoren wären.
v.
Multimediale Faktoren
Informationen prasseln bei einem untertitelten Film zeitgleich aus zwei Kanälen auf den
Zuschauer nieder (für eine auführliche Besprechung s. Kapitel 2e, S. 38-43): aus dem
akustischen (bestehend aus dem sprachlichen, parasprachlichen, musikalischen und
diegetischen
Code)
und
dem
visuellen
(bestehend
aus
dem
ikonographischen,
photographischen und graphischen Code sowie den Codes der Einstellung und der
Bewegung, plus den Untertiteln). Vulgarität könnte potentiell durch alle diese Codes
übermittelt werden. In The Departed zeigt zum Beispiel Dignam Colin den Mittelfinger
(ikonographischer Code) oder macht nach Billys Hawthorne-Zitat ein Furzgeräusch zur
Betonung seiner Geringschätzung (parasprachlicher Code). Auch schwenkt die Kamera in
einer Szene auf das Hinterteil einer Frau, als Colin ihr nachpfeift (Code der Bewegung) und
Billy und Madolyn werden in Grossaufnahme gezeigt, als sie sich gegenseitig ausziehen (Code
der Einstellung). Hört man genau hin, finden sich selbst im Soundtrack zum Film Vulgarismen
(musikalischer Code). Hier einige Illustrationen der facettenreichen Wiedergabe von
Vulgarität:
118
Akustische Vulgarität: Furzgeräusch (s. Lippen) [00:13:56] // Visuelle Vulgarität: Mittelfinger [01:36:34]
Illustration von Doppeldeutigkeit: Ratte (Mensch) vs. Ratte (Tier) [02:18:44]
Glücklicherweise für den Untertitler sind die beiden ersten Beispiele auch für das
Zielpublikum verständlich, da die Geste bzw. das Geräusch auch im deutschen Kulturraum als
vulgär eingestuft wird. Denn erklären könnte er sie aufgrund des Platzproblems und der
Unmöglichkeit, Fussnoten zu setzen, nicht. Sie indirekt in die Untertitel mit einfliessen zu
lassen, wäre zwar rein theoretisch möglich, in der Praxis aber schwierig. Einfluss nehmen
und gegebenenfalls explizieren kann der Untertitler nur Informationen des sprachlichen
Codes, worunter hier auch das dritte Beispiel fällt, da es eine Illustration des Wortes „rat“ ist,
welches im ganzen Film zur Bezeichnung von Spitzeln eingesetzt wird. Die Ratte steht
symbolisch für den Triumpf des Bösen über das Gute. Da das Schlusswort hier ein Schlussbild
ist, müssen die Untertitel im Rest des Films damit kohärent sein. So müssen Spitzel zwingend
im Deutschen als „Ratten“ bezeichnet werden, und nicht wie in diesem Zusammenhang
eigentlich geläufiger als „Maulwürfe“, da sonst der Bezug verloren ginge.
Was das Weglassen von Vulgarismen des sprachlichen Codes anbelangt, stellt sich die Frage,
wie viel man dem Zuschauer zumuten kann. Erfasst er Vulgarismen, welche im Originalton
vorkommen und ihm geläufig sind, automatisch oder müssen diese untertitelt werden? Wie
im letzten Unterkapitel angetönt, darf nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass
jeder Zuschauer über Kenntnisse der Fremdsprache verfügt. Und auch angenommen, dies
wäre tatsächlich der Fall – dass also jeder Zuschauer über gute bis sehr gute
119
Englischkenntnisse verfügen würde – wäre das Risiko, dass ihm Informationen entgehen,
trotzdem gross. Denn Studien haben gezeigt, dass die meisten Zuschauer Untertitel mitlesen,
auch jene, die die Ausgangssprache beherrschen. Sobald der Zuschauer aber mitliest, kann er
nicht zeitgleich die Informationen anderer Kanäle verarbeiten, sondern muss seine
Aufmerksamkeit hin- und herzappen lassen, wodurch ihm zwangsläufig etwas entgeht.
Fraglich ist nicht nur wie viele Informationen ein Zuschauer aufnehmen kann, sondern auch
welcher Kanal dabei der wichtigste ist. Wüsste man zum Beispiel, dass der Zuschauer sich in
erster Linie auf die Untertitel konzentriert und fast keine Informationen aus dem Originalton
herausfiltert, müssten Untertitel viel präziser, umfassender und in Bezug auf die
interpersonale Dynamik kohärenter sein, als wenn feststehen würde, dass der Zuschauer in
erster Linie einen Film schaut und hört und seinen Eindruck vom Ausgangstext durch
schnelles Überfliegen der Untertitel ergänzt. Entspricht ersteres der Realität, wären die in der
Beispielsanalyse festgestellten quantitativen und qualitativen Verluste von Vulgarität von
noch grösserer Bedeutung; ist allerdings letzteres der Fall, wären die festgestellten Verluste
nicht absoluter, tatsächlicher Natur, was das logische Gerüst dieser Arbeit zum Einstürzen
bringen würde. Leider lässt sich dies nicht überprüfen, da trotz der Verfügbarkeit geeigneter
Methoden (z.B. des eye tracking, der Blickbewegungsregistrierung mithilfe von Kameras)
keine Studien zu diesem Thema vorliegen – ausser jener von de Linde/Kay (s. Besprechung in
Kapitel 2e, S. 36-37). Diese fokussiert allerdings auf die Untertitelung für Gehörlose; ihre
Ergebnisse können somit nicht 1:1 auf ein hörendes Publikum übertragen werden.
Ian Mason schloss 2001 in seinem Artikel zur Kohärenz in der Untertitelung mit den Worten,
er hoffe, jemand nehme sich der Untersuchung der mentalen Verarbeitung von
Informationen, welche bei der Untertitelung auf den Zuschauer einwirken, an. So sollten
seiner Ansicht nach insbesondere die Fähigkeit seitens der Zuschauer, auch ohne
Fremdsprachenkenntnisse prosodische Merkmale (z.B. Intonation) zu erfassen, oder
Kohärenz herzustellen, wenn die Hinweise verschiedener Kanäle widersprüchlich sind bzw.
Ausgangs- und Zielkultur sich stark voneinander unterscheiden, untersucht werden
(Mason 2001:30). Auf Nachfrage informierte Mason26, dass seines Wissens aktuell zwei
Doktorarbeiten zur empirischen Untersuchung der audience response durchgeführt würden:
eine von Xiaohui Yuan der Universität Nottingham, welche auf die Untertitelung vom
Chinesischen ins Englische ausgerichtet ist, und eine von Mar Parra der Universität
Strathclyde, welche sich dem Aspekt der Humorübertragung in audiovisuellen Medien
widmet. Yuan hat in seiner Studie muttersprachliche Zuschauer, welche einen Film im
Original sahen, und fremdsprachliche Zuschauer, welche den gleichen Film mit Untertiteln
schauten, dazu befragt, was ihre Eindrücke von den Charakteren und deren Beziehung
26
Schriftliche Kommunikation [18.07.2011].
120
untereinander sind. Dabei hat sich herausgestellt, dass sich diese stark unterscheiden, wofür
Yuan das Weglassen von gewissen Face-Markern, der veränderten Darstellung von „face
management“-Strategien (s. Besprechung von Goffmans Face-Begriff in Kapitel 3b) sowie die
kulturell bedingt nicht verstandenen oder falsch verstandenen parasprachlichen Merkmale
verantwortlich macht. Beide Studien sind aber noch nicht ganz abgeschlossen, eine
Veröffentlichung von Ergebnissen steht noch aus. Es bleibt aber zu hoffen, dass sie neue
Erkenntnisse in Bezug auf die Wichtigkeit der einzelnen Informationskanäle hervorbringen,
welche es dem Untertitler ermöglichen, in seiner Arbeit neue Prioritäten zu setzen und den
Bedürfnissen seines Zielpublikums besser gerecht zu werden.
vi.
Berufliche und wirtschaftliche Faktoren
Bei der bisherigen Auflistung der Faktoren hat sich gezeigt, dass die Bedeutung
vulgärsprachlicher Verluste aufgrund des polysemiotischen Charakters der Untertitelung
schwierig einzuschätzen und die Gewichtung der einzelnen Kanäle bei der Sinnstiftung noch
wenig erforscht ist. Der Untertitler kann aber, wenn er Vulgarität als für den Film wichtig
erachtet und davon ausgeht, dass der Zuschauer diese aufgrund kultureller, sprachlicher,
pragmatischer oder multimedialer Gründe nicht erfassen kann, positiven Einfluss nehmen
und die Wiedergabe von Vulgarität im Zieltext priorisieren. Es gibt jedoch auch Faktoren, die
sich seiner Macht entziehen: die erst genannten technischen Faktoren, welche den
Konventionen seines Landes entsprechen, sowie berufliche und wirtschaftliche Faktoren. Zu
den beruflichen Faktoren zählt die Hierarchie im Arbeitsablauf, das heisst die Chronologie
der Intervention einzelner Akteure im Herstellungsprozess eines Films und ihre Macht, den
anderen Akteuren Richtlinien vorzugeben. Da diese aber von Land zu Land, von
Untertitelungsagentur
zu
Untertitelungsagentur
und
sogar
innerhalb
einer
Untertitelungsagentur je nach Auftraggeber unterschiedlich ausfallen können, wurde im
Vorfeld (in Kapitel 2) nicht näher darauf eingegangen. Interessant ist im Hinblick auf die
Untersuchung beruflicher und wirtschaftlicher Faktoren Karamitroglous (2000) Ansatz.
Dieser hat Even-Zohars Polysystem-Theorie herangezogen und auf die Situation in
Griechenland angewandt. Da viele Informationen aber inzwischen veraltet sind und
Griechenland zudem nicht mit dem deutschsprachigen Raum vergleichbar ist, sollen hier nur
Karamitroglous Analysekategorien audiovisueller Normen berücksichtigt werden: the human
agents (Akteure), the products (Endprodukte), the recipients (Zielpublikum), the audiovisual
mode (Kino, Fernsehen, Video, heute auch DVD), the institution (Kritiker, Vertreiber,
Regierungen, usw.), the market (Netzwerk aus Käufern und Verkäufern). In Beziehung
zueinander stehen die verschiedenen Elemente dadurch, dass das Endprodukt das Resultat
des normativen Verhaltens aller Akteure ist und auf dem Markt angeboten, vom
121
Zielpublikum akzeptiert und schliesslich von der Institution angenommen werden soll
(ibid.:71). Der aktuellste Überblick über die Arbeitsabläufe in der Untertitelung im
deutschsprachigen Raum findet sich in Heike Jüngsts Lehr- und Arbeitsbuch Audiovisuelles
Übersetzen (Jüngst 2010:30ff.), eine global ausgerichtete Perspektive in Jorge Díaz Cintas und
Aline Remaels Neuauflage von Audiovisual Translation: Subtitling (2009). Im Folgenden soll
aber nur auf den konkreten Fall des Beispielfilms und die damit zusammenhängenden
bekannten Gegebenheiten (jene des schweizerischen Marktes) eingegangen werden.
Bei The Departed ging der Impuls, ein Remake des Hongkonger Films Infernal Affairs zu
drehen, vom Drehbuchautor William Monahan aus, welcher sein Script an den Regisseur
Martin Scorsese schickte. Dieser veränderte und entwickelte das Script in Zusammenarbeit
mit Monahan, externen Kennern der Bostoner Mafiaszene sowie seinen Schauspielern weiter,
sodass das Originalscript nurmehr wenig mit dem tatsächlich gedrehten Film gemein hat (vgl.
dazu den Film bzw. die Spotting List mit dem Drehbuch27). Glücklicherweise für den
Untertitler musste er bei seiner Arbeit aber nicht vom Originaldrehbuch oder anderen nicht
endgültigen Versionen des Ausgangstexts ausgehen (was in der Praxis oft der Fall zu sein
scheint, s. Gambier/Gottlieb 2001:xi, „intermediate texts“). Ihm wurde von der Firma Warner
eine Spotting List zur Verfügung gestellt. Diese beinhaltet neben der Niederschrift der
Dialoge auch Beschreibungen zur Handlung im Bild sowie Kommentare zu sprachlichen
Besonderheiten. Bei der Fassung von Titra ist augenscheinlich, dass der Untertitler von
diesen Kommentaren ausgegangen ist, bei der Fassung von SDI hingegen kommen Zweifel
auf, denn bei der Übersetzung von stark kulturgebundenen Ausdrücken wie „lace curtain
motherfucker“ weicht die Interpretation von jener der Spotting List ab. Doch obwohl eine
Spotting List helfen kann, solche Missverständnisse zu vermeiden, und dem Untertitler viel
Recherchearbeit erspart, ist sie mit Vorsicht zu geniessen. Denn sie stellt immer auch eine
Interpretation des Textes dar und könnte dadurch potentiell auch zu einem Wegfallen
interpretativer Spuren führen. Da sie von der Produktionsfirma hergestellt wird, hat sie
grosse Autorität. Sie beeinflusst den Untertitler in seiner Übersetzungsstrategie, indem sie
bei gewissen Dialogteilen, welche als zu schnell oder voluminös eingestuft werden, eine
abgekürzte Paraphrase des Ausgangstextes anbietet, auf die sich der Untertitler stützen
kann/soll. Hier einige Beispiele:
27
Drehbuch abrufbar online: http://www.imsdb.com/Movie%20Scripts/Departed,%20The%20Script.html [15.08.11]; Spotting List
auszugsweise im Anhang.
122
Beispiel 1
ELLERBY TO COLIN
You have an immaculate record. Some
people don’t trust a guy with an
immaculate record. I do.
Beispiel 2
COLIN INTO CELL PHONE TO COSTELLO
You killed the guy who had all the
information. Now Dignam’s gone. Forget
about him.
Beispiel 3
COLIN TO ELLERBY THEN
ELLERBY TO COLIN
-There’s no need to surveil him.
-What the fuck are you talking about?
ALTERNATE TITLE
You have an immaculate record. I trust a
guy with an immaculate record.
ALTERNATE TITLE
You killed the guy with all the information.
Now Dignam’s gone.
ALTERNATE TITLE
-Stop the surveillance.
-What are you saying?
Kritisch ist die Verwendung einer Spotting List dann, wenn Aussage und dadurch
interpersonale Dynamik sich verschieben (Beispiel 1, Gegensatz andere vs. ich geht verloren),
die Aussage doppeldeutig wird (Beispiel 2, Bezug von „with all the information“ auf „kill“ oder
„guy“) oder Vulgarismen schon vor der Übersetzung gestrichen werden (Beispiel 3, „what the
fuck“). Auch kann es vorkommen, dass gewisse Dialogteile nicht in die Spotting List
aufgenommen wurden (absichtlich oder aus Versehen) und diese dann in der Version von
Titra auch nicht vorkommen, in der SDI-Fassung hingegen schon. Ebenfalls problematisch ist,
dass der Ausgangstext in der Untertitelung nicht wie in der Übersetzung von einer
Einzelperson erstellt wird, sondern das Produkt zahlreicher Beteiligter ist, deren Einfluss auf
das Dokument, von welchem der Untertitler ausgeht, nicht mehr klar zu unterscheiden ist.
Die Kommentare des Autors (bzw. der Autoren?) der Spotting List mischen sich mit
Anweisungen des Regisseurs (z.B. bei fremdsprachlichen Dialogteilen, welche nicht zu
übersetzen sind), wobei diese alle von der Produktionsfirma abgesegnet werden müssen. Sie
ist es, die entscheidet, wie eine Untertitelung auszufallen hat. Doch selbst die
Produktionsfirma erfüllt ihre Funktion nicht alleine, sondern teilt sie sich in der Praxis oft mit
anderen Akteuren. So verkaufen viele Produktionsfirmen die Rechte an ihren Filmen
stückweise: für bestimmte Regionen oder bestimmte Medien wie Kino, Flugzeugfernsehen,
Pay-TV, Free-TV, Video-on-Demand, DVD oder Video (Carroll 2005:74). So kann der Verleiher
(zuständig für den nationalen Markt), der Vertreiber (zuständig für den internationalen
Markt) oder die Produktionsfirma der Auftraggeber für eine Untertitelung sein
(Nagel 2009:99), was es für den Untertitler schwierig macht, bei Fragen zum Ausgangstext
den richtigen Ansprechpartner zu finden. Allerdings scheint sich der Markt durch die schnelle
Internationalisierung des Vertriebs in den letzten Jahren dahingehend entwickelt zu haben,
dass die Grossen der Branche (Columbia, Fox, Warner, Disney, MCA/Universal, Paramount,
Metro-Goldwyn-Mayer)
ihre
Vertriebskette
selber
kontrollieren,
entweder
durch
Niederlassungen in den einzelnen Ländern oder indirekt durch die Fusion oder
Zusammenarbeit mit lokalen Vertreibern (Gambier/Gottlieb 2001:xii). Dies war auch der Fall
bei The Departed. So gab Warner der Untertitelungsagentur Titra den Auftrag, deutsche und
französische Untertitel für die schweizerische Kinofassung zu erstellen. Für den Untertitler
hat dies den Vorteil, dass er eine Ansprechperson hat, welche sowohl die Politik der
123
amerikanischen Mutterfirma kennt, aber auch über Wissen bezüglich der Zielsprache und –
kultur sowie der Modalitäten der Untertitelung verfügt28, was das Konfliktpotential erheblich
reduziert. Auch für den Auftraggeber erwachsen daraus Vorteile: Er kann mehr Einfluss auf
Qualität und Umsetzung seiner Marketingstrategien ausüben. Die Richtlinien, welche der
Untertitler zu befolgen hat, gehen denn auch in erster Linie vom Auftraggeber und erst in
zweiter Linie von seinem direkten Arbeitgeber, der Untertitelungsagentur, aus. Bei der
Untertitelung von The Departed muss festgehalten werden, dass diese Richtlinien äusserst
förderlich für den Erhalt von Vulgarität ausfielen. So ist Warner in der Branche bekannt
dafür, die Untertitler zur Übertragung von Vulgarität und der Verwendung von Anglizismen
zu ermutigen29. Und auch Titras Politik in Bezug auf Fluchwörter und andere Vulgarismen ist,
dass nicht beschönigt werden soll (Hall Ashour 2003). Die Ansage an den Untertitler war also
einheitlich und klar. Bei allen anderen Fragen schiebt sich aber die Untertitelungsfirma
zwischen den Untertitler und seinen Auftraggeber. Diese handelt in der Regel die
Konditionen aus und fragt danach bei einzelnen Untertitlern an, ob sie bereit wären, den
Auftrag anzunehmen. Der Untertitler kann also nicht selber die Deadline für einen Auftrag
aushandeln. Dazu sei angemerkt, dass in Bezug auf die allgemeine Qualität der Übertragung
sowie auf die Übertragung von Vulgarität im Besonderen sicher auch die Fristen sowie die
eigentliche Arbeitsweise einen Einfluss haben. Bei Titra sind die meisten Untertitler
Freiberufler und arbeiten von zuhause aus. Sie kommen lediglich nach Annahme des Auftrags
in die Agentur, um sich den Originalfilm anzuschauen, da dieser die Firma nicht verlassen
darf aus Copyright-Gründen und wegen des erhöhten Risikos von Raubkopie. Dies bedeutet
aber, dass der Untertitler den Film vor der Untertitelung nur einmal sieht und danach ohne
Originalbild und -ton und innerhalb eines zeitlich sehr begrenzten Rahmens arbeiten muss –
für die eigentliche Untertitelungsarbeit bleibt meist nicht mehr als eine Woche Zeit. Dadurch
ist auch verständlich, dass andere Informationskanäle wenig berücksichtigt werden können
und dem Untertitler keine Zeit bleibt, vor Beginn eine gründliche makro- und mikrotextuelle
Analyse durchzuführen, um sich eine gezielte Übersetzungsstrategie zurecht zu legen. Wird
aber die Textfunktion nicht im Vorfeld analysiert, kann es gut sein, dass die Funktion von
Vulgarismen unterschätzt wird und diese dadurch wegfallen. Um eine fehlgeleitete
Übersetzung zu vermeiden, wird die erste Rohfassung des Untertitlers mehreren
Qualitätskontrollen unterzogen. Der Zieltext wird zuerst von einem anderen Untertitler auf
Papier
gegengelesen,
französischsprachiger
dann
Untertitler)
im
auf
Team
(beteiligter
Grossleinwand
deutschsprachiger
gesichtet,
wobei
auf
und
das
Zusammenspiel der Kanäle sowie auf Lesbarkeit und Verständlichkeit geachtet wird. Auch
28
29
Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11].
Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11].
124
die deutschsprachige Kontaktperson der Produktionsfirma überprüft bei einem als
kompliziert eingestuften Film den Zieltext noch einmal und kann gegebenenfalls noch
Veränderungen beantragen, bevor die Endversion schliesslich gelasert wird und in die Kinos
kommt30. Der Auftraggeber ist also bei jeder Etappe von der Finanzierung über die
Herstellung und Untertitelung bzw. Synchronisation bis zur Vermarktung eines Films
involviert. Sein Handeln richtet er nach Vertriebs- und Marketingstrategien aus, welche sich
wiederum nach dem zu erwartenden Verhalten der Konsumenten ausrichten und darauf
abzielen, die Erwartungen und Bedürfnisse des Zuschauers noch vor Veröffentlichung des
Films zu hervorzurufen, anzudeuten und zu lenken (Gambier 2009:189). Ziel der
Vermarktung eines Films ist, wie in der Massenkommunikation ganz allgemein, das Publikum
von sich zu überzeugen. Doch ist dieses Publikum nicht real, sondern fiktiv (s. notional
addressee bei Bell 1984:172), so basieren die Entscheidungen eher auf Vermutungen oder
Erfahrungswerten denn auf Fakten, und können sich erst im Nachhinein als richtig oder
falsch erweisen. Da die Reaktionen des – realen – Publikums für Erfolg oder Misserfolg eines
Films und somit auch die zukünftige Karriere eines Regisseurs entscheidend sein können, hat
sich auch dieser den Marketingstrategien der Filmgesellschaft zu unterwerfen, wie Scorseses
Kompromissbereitschaft und gleichzeitige Manipulation der Institution (hier einer
Kritikerin) beim Film Taxi Driver zeigt:
Le carnage final a à la fois inquiété la Columbia qui devait distribuer le film et ses producteurs. Afin
d’atténuer l’horreur sanglante de certains plans, Scorsese a choisi de les filtrer afin que le film obtienne un
certificat R au lieu de l’infamant X. Mais la Columbia restait circonspecte. Julia Cameron [Scorseses 2.
Ehefrau und damalige Mitarbeiterin] obtint de son amie Pauline Kael, chroniqueuse redoutée, qu’elle publie
une colonne en faveur du film dans The New Yorker. Le pari de Scorsese était dès lors gagné et le succès
critique et public du film fut immédiat. (Brion 2004:391)
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich wie komplex die Beziehungen zwischen den verschiedenen
Akteuren sein können – und wie wenig Einfluss der einzelne Mensch hat. Die Anzahl Akteure
hat sich über die Jahre verringert: durch die geographische Ausweitung der
Produktionsfirmen, die Digitalisierung (bereits angesprochen in Kapitel 2d), welche
broadcasting zu narrowcasting und dadurch die breite Masse der Zuschauer in spezifischere
(und somit homogenere und für den Untertitler greifbarere) Zielgruppen teilt, sowie durch
die Entwicklung von Untertitelungsprogrammen, welche einfach in der Benutzung sind und
dem Untertitler ermöglichen, den Prozess vom Spotting über die Übersetzung bis hin zur
Gestaltung der Untertitel alleine zu kontrollieren (Gambier/Gottlieb 2001:xii-xiv). Doch
daran, dass er das letzte Glied in der Kette ist wird sich wohl nichts ändern. Auch mit dieser
Vereinfachung der Abläufe gerät der Untertitler in einen Prioritätenkonflikt, denn er ist
sowohl dem Zuschauer, als auch dem Regisseur als auch dem Text verpflichtet
(Nagel 2009:98). Die mutmasslichen Erwartungen des Zuschauers können im Widerspruch
30
Mündliche Kommunikation von Frau Marlene Hall Ashour (Titra) [29.06.11].
125
stehen zu den eventuellen Richtlinien seines Arbeitgebers oder Auftraggebers oder zu seinen
eigenen Präferenzen (Gambier 2004:1053). So kann auch der Untertitler mit seinen
Präferenzen, Kompetenzen und angeborenen sowie anerzogenen Eigenschaften bewusst
oder unbewusst verantwortlich sein für den Verlust von Vulgarität.
vii.
Persönliche Faktoren
Die persönlichen Faktoren sind hier die letztgenannten, in der Realität eines Kinosaals oft
aber die ersten, welche dem Zuschauer einfallen. Oft war mein erster Gedanke beim Schauen
von untertitelten Filmen, der Untertitler habe sicher keine Ahnung von Slang, da er sich in
gehobeneren Kreisen bewege, oder aber er habe Hemmungen, Fluchwörter einzusetzen. Dies
ist das schwere Los des Untertitlers: Jeder – und besitze er noch so wenig Kenntnisse der
Ausgangssprache oder der Modalitäten der Untertitelung – kann Kritik äussern. Denn anders
als bei der literarischen Übersetzung, wo der Übersetzer unsichtbar agieren kann, der
Zieltext den Ausgangstext ersetzt und eine Übersetzung oftmals nicht bewusst als eine solche
wahrgenommen wird, steht der Untertitler durch das gleichzeitige Einblenden von Ausgangsund Zieltext am Pranger. Skuggevik macht die Angst vor Kritik, welche Novizen aber auch
erfahrene Untertitler befallen kann, dafür verantwortlich, dass Untertitler sich zu stark an die
Syntax und denotativen Bedeutungen des Gesprochenen halten (Skuggevik 2009:197).
Gabriela Scandura spricht gar von Selbstzensur, wenn der Untertitler entweder sein
Publikum schützen will und deshalb den Ausgangstext in Bezug auf anstössige Elemente
abschwächt oder er, wie gerade erwähnt, die Kritik des Zuschauers fürchtet und deswegen
die Übereinstimmung mit dem Ausgangstext der Idiomatik vorzieht (Scandura 2004:125,
Gottlieb 2001a:252). Ist er sich bei einer übersetzerischen Entscheidung nicht sicher, könnte
ihn diese Strategie dazu verleiten, zum Beispiel Vulgarismen nicht zu übersetzen und sich auf
das Verständnis des Zuschauers zu berufen, wie es Hall Ashour indirekt ausdrückt. Sie ist der
Ansicht, dass das schweizerische Publikum meist etwas Englisch verstehe und somit nicht
jeder Kraftausdruck übersetzt werden solle, respektive der Zuschauer sich ärgere, wenn der
Ausdruck seiner Meinung nach falsch übersetzt worden sei (Hall Ashour 2003). Beschönigt
werden soll aber ihrer Ansicht nach auf keinen Fall, da dies die Zuschauer, welche die
Originalsprache verstehen, ebenfalls verärgern könnte. Ihre Lösung ist, mit einigen klaren,
präzisen Kraftausdrücken anzuzeigen, dass geflucht wird (ibid.). Sich auf die Eigenständigkeit
des Zuschauers und seine Fähigkeit mitzudenken, zu berufen, ermöglicht dem Untertitler,
durch Nicht-Übersetzen Risiken zu umgehen, sich der Kritik zu entziehen und letzten Endes
den Verlust von Vulgarität zu rechtfertigen. Diesbezüglich helfen dem Untertitler auch die
zeitlich-räumlichen Begrenzungen, welche er als Argument für jede Art von Verlust
vorbringen kann.
126
Der Verlust von Vulgarität muss aber nicht zwingend in Form unbewusster oder bewusster
Selbstzensur erfolgen, er kann auch auf persönliche Eigenschaften des Untertitlers
zurückzuführen sein, welche es diesem erschweren, Vulgärsprache einzusetzen. Eine Studie
zur Okkurrenz des Wortes fuck und seiner Variationen im British National Corpus31 (einer aus
100 Millionen Wörtern bestehenden Datenbank, welche durch ihre vielfältigen Quellen einen
guten Überblick über das schriftliche und gesprochene moderne Englisch verschafft) hat
gezeigt, dass die Verwendung von Vulgarismen, statistisch gesehen, korreliert mit dem
Geschlecht des Sprechers, seinem Alter, seiner Gesellschaftsschicht sowie seinem
Bildungsniveau (McEnery/Xiao 2004). So verwenden Männer fuck mehr als doppelt so oft
wie Frauen (ibid.:240), Teenager und junge Erwachsene mehr als Kinder und ältere
Menschen (ibid.:241), Personen aus den unteren Gesellschaftsschichten mehr als jene aus
den oberen (ibid.:243f.), ungebildete Menschen mehr als gebildete (ibid.:245f.). Interessant
ist, dass die Verwendung von Vulgärsprache erst zu- und dann wieder abnimmt und
besonders gering ist im Alter von 35-44 Jahren, was darauf hinweisen könnte, dass Eltern
versuchen, ihre Kinder vom Erlernen dieser abzuhalten (ibid.:241). Auch fällt bei den
Gesellschaftsschichten
auf,
dass
nicht
die
oberste,
sondern
die
zweitoberste
Gesellschaftsschicht am wenigsten flucht, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass die
obere Mittelschicht versucht, sich durch ihre Sprechweise der Oberschicht anzunähern, und
deren Ausdrucksnormen als nicht-vulgärsprachlich einstuft, was aber nicht der Realität
entspricht (ibid.:244). Aus den Feststellungen der Autoren könnte man, übertragen auf die
Untertitelung, schliessen, dass ein junger, männlicher Untertitler, welcher aus einer eher
niedrigen Gesellschaftsschicht stammt, die besten Voraussetzungen mitbringt, um
vulgärsprachliche Filme zu übersetzen, eine weibliche Untertitlerin mittleren Alters mit
Kindern dafür aber die denkbar schlechtesten Bedingungen hat. So pauschal kann aber nicht
geurteilt werden, da die vulgärsprachliche Kompetenz erstens nur eine unter zahlreichen
anderen weitaus wichtigeren Kompetenzen des Untertitlers darstellt, und diese zweitens
auch antrainiert werden kann. So erwähnte Marlene Hall Ashour beim Gespräch, dass sie sich
anfangs unwohl fühlte beim Untertiteln vulgärsprachlicher Filme und ihr auch einmal von
einem Auftraggeber gesagt worden war, dass man ihren Untertiteln anmerke, dass sie eine
Frau sei. Auch die Unterschiede zwischen Schweizerdeutsch und Deutsch bereiten ihr in
Bezug auf Vulgärsprache Kopfzerbrechen, denn das deutsche Vokabular kann nur dann
eingesetzt werden, wenn es dem Schweizer Zuschauer geläufig ist, während Helvetismen
zwar geläufig sind, aber nicht verschriftlicht werden können32. Inzwischen hat sie sich aber,
31
32
British National Corpus abrufbar unter: http://www.natcorp.ox.ac.uk/ [15.08.11]
Mündliche Kommunikation [29.06.11].
127
wie die Analyse ihrer untertitelten Fassung von The Departed gezeigt hat, einen vielfältigen
und schlagkräftigen Fluchwortschatz aneignen können.
Fairerweise muss an dieser Stelle auch betont werden, dass die persönlichen Faktoren nicht
nur die Arbeitsweise des Untertitlers betreffen, sondern auch die Wahrnehmung des
(kritischen) Zuschauers. So war im Rahmen der Beispielsanalyse die Abgrenzung von
Umgangssprache zu Slang oder Vulgärsprache sowie die Abstufung der Intensität von
Konnotationen in erster Linie meiner eigenen Subjektivität unterworfen. Um zu kritisieren,
hatte ich ausser meinem Alter auch die Zeit auf meiner Seite. Seit der Veröffentlichung von
The Departed sind fast fünf Jahre vergangen – fünf Jahre, in denen sich Slang und
Vulgärsprache weiterentwickelt haben, gewisse Begriffe weggefallen und viele neue
dazugekommen sind. So hatte ich erstens die Distanz zum Ausgangstext und konnte diesen
dadurch besser in das Schaffen des Regisseurs einordnen sowie Textfunktion und Funktion
von Vulgarität einfacher herausschälen, und zweitens konnte ich mir bei der Analyse das
Zeitfenster dieser Arbeit (welches viel grösser ausfiel als die Frist eines Untertitlers) sowie
die neusten Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zunutze machen.
So kann abschliessend gesagt werden, dass der Untertitler zwar technischen und beruflichwirtschaftlichen
Faktoren
unterworfen
ist
und
vielleicht
aufgrund
persönlicher
Eigenschaften nicht über die besten Grundvoraussetzungen zur Übertragung von Vulgarität
verfügt, er aber, wenn er bereit ist sein Wissen zu erweitern und sich sowohl in der
Ausgangs- als auch in der Zielsprache vulgärsprachlich „weiterzubilden“, zumindest lernen
kann, seine Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Auf den Erkenntnissen dieses Kapitels über
den Einfluss der einzelnen Faktoren stützt sich auch die folgende Übersetzungsstrategie.
f) Fazit: Ansatz für eine Übersetzungsstrategie
Eine einzige richtige Strategie zur Übertragung von Vulgarität gibt es nicht, soviel wurde in
den letzten hundert Seiten klar. Sich aber auf den Umstand zu berufen, dass es sich bei
Vulgarität um ein komplexes sprachliches und kulturelles Phänomen handelt, mit dem von
Fall zu Fall unterschiedlich umgegangen werden muss, wäre zu einfach und bringt vor allem
den Untertitler in seiner alltäglichen Arbeit nicht weiter. Deshalb sollen im Folgenden,
basierend auf den Erkenntnissen aus den theoretischen und dem praktischen Teil dieser
Arbeit, einige vorsichtige Vorschläge zum möglichen Umgang mit Vulgarität in der
Untertitelung gemacht werden, welche so allgemein formuliert sind, dass sie auf alle Arten
filmischer Ausgangstexte angewandt werden können, zugleich aber so konkret sind, dass sie
dem Untertitler beim Umgang mit der Problematik der Vulgarität, wenn nicht eine Lösung,
zumindest einen Denkanstoss geben sollen.
128
Wie sich in der Szenenanalyse gezeigt hat, kann Vulgarität als sprachliches Phänomen nicht
isoliert betrachtet werden. In Dialogen allgemein stellt sie denn auch nur eine von
zahlreichen anderen Strategien zur Gestaltung interpersonaler Dynamik dar. In filmischen
Dialogen ist ihr Anteil am Ganzen sogar noch kleiner, da sie nicht nur in Kombination mit
anderen sprachlichen Mustern, sondern auch mit Informationen anderer semiotischer Kanäle
auftritt. Der Sinn eines Films ergibt sich erst durch das Zusammenspiel aller Kanäle, wobei
der Zweck von Untertiteln sein sollte, Originalbild und -ton für den fremdsprachlichen
Zuschauer zu ergänzen. Im Hinblick auf die Übertragung von Vulgarität sollte sich der
Untertitler zum Ziel setzen, pragmatische Äquivalenz zu erreichen. Denn ein quantitativer
Verlust von Vulgarität kann nicht pauschal mit einem qualitativen Verlust gleichgesetzt
werden. Entscheidend ist die Funktion, welche Vulgärsprache in einem Text erfüllt. Diese gilt
es aufgrund der Makro- und Mikrostruktur des Textes sowie extratextueller Faktoren zu
ermitteln. Folgendes Diagramm gibt einen Überblick über die möglichen Schritte des
Untertitlers auf dem Weg zu pragmatischer Äquivalenz:
Abb. 11: Ansatz für eine Übersetzungsstrategie zur Übertragung von Vulgarität in der Untertitelung
Chronologisch gesehen, sollte der Untertitler mit einer Analyse der externen Vorgaben,
anfangen. Aufgrund der Restriktionen, welche durch das Medium bedingt sind (multimediale
129
Faktoren), und solcher, welche dem Untertitler von den verschiedenen Akteuren im
Untertitelungsprozess auferlegt werden (technische, berufliche und wirtschaftliche
Faktoren), muss der Untertitler seine konkreten Möglichkeiten bezüglich Intensität und
Quantität von Vulgarismen im Zieltext abwägen. Doch nicht nur die externen Vorgaben
schränken den Untertitler ein, er steht sich in gewisser Weise auch selber im Weg. Als letztes
Glied im Herstellungsprozess eines Films kann er sich die ihm en amont gewährten
Möglichkeiten nur insofern zunutze machen, als dass er über die nötigen Fertigkeiten verfügt,
also aus einem facettenreichen Inventar aus vulgärsprachlichen Lexemen, festen Wendungen
und syntaktischen Mustern schöpfen kann, und zudem auch keine Hemmungen hat, dieses
Wissen einzubringen. Das individuelle bagage cognitif des Untertitlers determiniert
indirekt dessen Umgang mit Vulgarismen. Um eine äquivalente Übersetzung produzieren zu
können, muss der Untertitler mit den sprachlichen und kulturellen Besonderheiten von
Ausgangs- und Zieltext vertraut sein und sich der dadurch bedingten Unterschiede in
Verwendung und Funktion von Vulgärsprache bewusst sein. Die soeben genannten
Gedankenschritte werden jedoch meist nicht bewusst vollzogen, sie stellen vielmehr eine
indirekte Anforderung dar, welche der Untertitler im Vorfeld zu erfüllen hat. Denn nur, wenn
er sich im Umgang mit Vulgärsprache wohl fühlt, kann er diese auch sinngemäss übertragen.
Ist dies nicht der Fall, sollten ihm diese Überlegungen helfen, ein Bewusstsein für seine
Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln und, falls ihm diese als ungenügend erscheinen,
entweder daran zu arbeiten oder aber sich zu entschliessen, auf die Untertitelung stark
vulgärsprachlicher Filme zu verzichten.
Ist der Untertitler sich der Problematik der Übertragung von Vulgarität vollumfänglich
bewusst und entscheidet sich, einen entsprechenden Auftrag anzunehmen, sollte er nun den
Ausgangstext auf makrostruktureller Ebene beurteilen. „Tout est pour le mieux dans le
meilleur des mondes“ sagte schon Voltaire (in Candide) – idealerweise würden Verluste
natürlich ganz vermieden. Da diese aber aufgrund der zeitlich-räumlichen Begrenzungen in
der Untertitelung unumgänglich sind, ist die Frage, ob etwas wegfällt, überflüssig. Die Frage,
die sich dem Untertitler stellt, ist eher, was er gewillt ist zu opfern. Da Vulgarität zudem kein
eigenständiges sprachliches Phänomen ist, es seinen Zweck erst in Kombination mit anderen
sprachlichen Mustern erfüllen kann, welche ihrerseits vom Sprecher mit einer bestimmten
Intention eingesetzt werden, gilt es, die Priorität von Vulgarität gegenüber dem Erhalt
anderer sprachlicher Merkmale abzuwägen. Hat der Untertitler die Funktion von
Vulgärsprache auf makrostruktureller Ebene (in Bezug auf die Aussage des Regisseurs, die
Charakterisierung der Figuren und die Darstellung der Handlung) eruiert und ihre
Wichtigkeit für die Funktion des Zieltextes als Ganzes determiniert, kann er daraus eine
Übersetzungsstrategie für Vulgarismen ableiten und diese auf mikrostruktureller Ebene
130
anwenden. Eine Übersetzungsstrategie ist aber nicht in Stein gemeisselt, die anschliessende
mikrotextuelle Analyse kann eine neue Sicht auf die Makrostruktur des Textes eröffnen und
umgekehrt. Der Blick des Untertitlers sollte, ähnlich einer Filmkamera, stets in den Text
hinein- und herauszoomen, um weder die Details noch das grosse Ganze zu vernachlässigen.
Am wichtigsten ist, dass die Kohärenz des Films insgesamt erhalten bleibt und sich sowohl
auf mikro- als auch auf makrostruktureller Ebene manifestiert. Doch zur Kohärenz des Films
kommen in der Untertitelung – bedingt durch deren polysemiotischen Charakter – noch zwei
weitere Kohärenzebenen dazu, jene der Textrezipienten. Wie Hatim und Mason aufgezeigt
haben, sind die Rollen in der Textproduktion und –rezeption von untertitelten Filmen
weitaus komplexer als in klassischen Arten der Übersetzung. So produziert zwar ein
Drehbuchautor den Ausgangstext für ein Kinopublikum, sein Produkt muss aber nicht nur für
dieses kohärent, sondern auch in Bezug auf die Darstellung der Handlung im Film und die
Beziehungen der Protagonisten untereinander stimmig sein. Der Untertitler ist also zugleich
seinem Publikum (hier dem deutschsprachigen), wie auch dem Film als künstlerischem Werk
(hier dem amerikanischen Regisseur und dessen Message) sowie der interpersonalen
Dynamik im Film verpflichtet. Idealerweise sollte er allen gerecht werden und Kohärenz auf
allen drei Ebenen schaffen. Welche er allerdings in der Praxis wann wie wo privilegiert, liegt
in seiner Verantwortung. Die Kohärenzanforderungen aller Ebenen bei übersetzerischen
Entscheidungen im Hinterkopf zu haben, kann der Qualität der Untertitel aber nur zuträglich
sein. Die Erhaltung der Kohärenz des Films als künstlerisches Werk dürfte dem Untertitler
nach einer makrotextuellen Analyse leichter fallen. Die Möglichkeiten einer Erhaltung der
Kohärenz für sein Zielpublikum dürften sich ihm durch seine Kenntnis von Ausgangs- und
Zielkultur sowie seinem Bild des „Standardzuschauers“ oder – wenn bekannt – der
Zielgruppenfokussierung der Filmgesellschaft eröffnen. Die Kohärenz innerhalb des Films
wird insbesondere durch die interpersonale Dynamik der Charaktere bestimmt, welche es zu
wahren gilt. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Untertitler den Höflichkeits- und
Unhöflichkeitsstrategien zukommen lassen, welche abhängig sind von sozialer Nähe, Macht
und Kultur, und sich unter anderem in Form von Vulgarismen niederschlagen können. Auf
mikrostruktureller Ebene gilt zu beachten, dass ein Vulgarismus nicht einfach um der
Vulgarität willen beibehalten werden sollte. Viele Vulgarismen englischer Sprache haben sich
semantisch weiterentwickelt und können inzwischen auch lediglich der Betonung einer
Aussage dienen oder gar positiv konnotiert sein. Bei der Übersetzung von Lexemen muss sich
der Untertitler bewusst sein, dass weniger geläufige Sprachkreationen bildlicher sind als der
vielleicht inzwischen „abgenutzte“ ausgangstextliche Begriff. Dies sollte aber kein Plädoyer
gegen vulgärsprachliche Kreativität sein, im Gegenteil. Wie sich in der Beispielsanalyse
gezeigt hat, sind oft die originellsten Übersetzungen die besten und nicht die dem Wortlaut
131
nach vulgärsten. Wie Kreativität in der Übersetzung gefördert werden kann, ist ein anderes
Thema; Grundvoraussetzung dafür ist aber sicher, dass der Untertitler über die nötigen
übersetzerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügt, sich mit dem Medium der
Untertitelung und dessen Besonderheiten gut auskennt, mit den technischen Hilfsmitteln
vertraut ist, Terminologie- und Recherchekompetenzen besitzt, teamfähig ist, unter Zeitdruck
und Stress gute Arbeit leisten kann, einen Sinn für Relevanz hat, in seiner Arbeit
entsprechend der von ihm ermittelten Textfunktion die richtigen Prioritäten setzt und sich
sowohl in seiner eigenen als auch in der fremdsprachlichen Kultur gut auskennt. Kreativität
in der Untertitelung darf sich immer nur innerhalb der Grenzen der Authentizität des Films
entfalten. Diese zu wahren, hat oberste Priorität und sollte bei jeder übersetzerischen
Entscheidung im Vordergrund stehen. Die Wahrung von Authentizität stellt jedoch
insbesondere bei der Übertragung von Vulgarität ein grosses Problem dar, da Schnelllebigkeit
eine Grundeigenschaft von Slangismen und Vulgarismen ist, der Untertitler also immer
sprachlich up to date sein muss, um den Charakteren im Film eine realitätsnahe Stimme
verleihen zu können. Slang verliert schnell seine Aussagekraft, so weist veralteter Slang nur
eine geringe Effizienz bei der Umsetzung von Kommunikationsstrategien auf und kann der
Funktion von Vulgarität im Ausgangstext nicht mehr gerecht werden. Um immer auf dem
neusten Stand zu sein, müsste sich der Untertitler also – idealerweise – in seinem eigenen
Land und im Land der Ausgangssprache in einem Milieu bewegen, wo viel Vulgärsprache
verwendet wird. Da diese Milieus aber meist Eingeweihten (Personen gleicher sozialer
Schicht, gleichen Geschlechts, gleichen Berufsstandes oder gleichen Alters) vorbehalten sind
und das Hin-und-Her-Jetten zwischen zwei Kulturen, die geographisch so weit
auseinanderliegen wie die deutschsprachige und die amerikanische, zudem utopisch ist,
bleibt dem Untertitler nur die kulturelle Immersion par procuration. Denn auch dem
sprachlich und kulturell versiertesten Untertitler mit der gründlichsten makro- und
mikrotextuellen Analyse nützt die akkurateste Bestimmung der Funktion von Vulgarität im
Ausgangstext nichts, wenn er seine Erkenntnisse nicht effizient und effektiv im Zieltext
umsetzen kann, weil sein Vokabular veraltet oder begrenzt ist. Um Slang und Vulgärsprache
richtig einsetzen zu können, muss man sich mit ihnen anfreunden, sie sich aneignen. Dies
sollte aber nicht Zwang, sondern Motivation sein. So ist ein Untertitelungsauftrag wie The
Departed eine gute Ausrede dafür, Gangsterfilme zu schauen, um sich zum Beispiel mit dem
Slang von Polizisten in amerikanischen oder deutschen Filmen vertraut zu machen. Um das
vulgärsprachliche Feingefühl zu schulen, gibt es denn auch nur eine wirklich realistische
Lösung, nämlich die offensichtlichste: Ab ins Kino und rein in die Welt von Gangstern,
Ganoven und Verbrechern! Abrafuckingcadabra!
132
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Bulger, Southie and „The Departed”. Dokumentarfilm als DVD-Special. Warner Home
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139
6. Anhang: Niederschrift einzelner Szenen
Markierungen:
Rot = Vulgarismen & Schimpfwörter
Pink = Slangismen
Violett = Polizeijargon
Gelb = Höflichkeitsformen & Euphemismen
Grün = Anrede
Blau = Verweis auf gesellschaftliche Normen, Werte & Tabus
Halb markiert = Doppeldeutige Aussage
- = Markierung des Sprecherwechsels, wenn mehrere Sprecher pro Untertitel.
[sic!]=Fehler (in Spotting List oder Untertiteln)
[
]=Zusatz zur Spotting List
GROSSBUCHSTABEN IN DEN UNTERTITELN = Dialogteil, der in der Spotting List weggelassen, in der
Untertitelung berücksichtigt wurde.
140
Szene 1: Eröffnungssequenz
[00:00:00]- [00:04:52]
Ausgangstext: Spotting List
Zieltext 1: DVD-Untertitel (SDI Media Group)
Zieltext 2: Schweizer Kino-Untertitel (Titra)
EXPLOITATION TITLE
BOSTON
Some years ago
Einige Jahre zuvor
Vor einigen Jahren
SCENE: EXT. BOSTON, MASSACHUSETTS/SOUTH HARBOR
HOUSING PROJECTS - DAY. A SCHOOL BUSING PROTEST
IS IN PROGRESS. AS A LINE OF SCHOOL BUSES, FILLED
WITH BLACK CHILDREN, MOVES DOWN THE STREET,
WHITE PROTESTORS ARE PUSHED BACK BY THE POLICE.
COSTELLO TO AUDIENCE (voice over)
I don‟t want to be a product of my environment.
I want my environment to be a product of me.
WHITE PROTESTORS
- Den da holen wir uns.
- Schnappt ihn euch!
Ich will kein Produkt meiner Umwelt sein.
Ich will, dass meine Umwelt ein Produkt von mir ist.
Ich will nicht ein Produkt meiner Umgebung sein.
Meine Umgebung soll...
ein Produkt von mir sein.
WHITE PROTESTORS
- Nein! Nein!
- Nein!
COSTELLO TO AUDIENCE (voice over)
Years ago, we had the Church.
That was only a way of saying we had each other.
Früher hatten wir die Kirche.
Was ein anderes Wort war für: wir hatten einander.
Vor Jahren hatten wir die Kirche.
Ein Weg, auszudrücken, dass wir einander hatten.
(A BLACK MAN IS INTERVIEWED)
BLACK MAN INTO MICROPHONE
But now, I don‟t know.
It‟s a funny thing. It put hate in your heart.
Aber jetzt, weiß auch nicht, ist „ne komische Sache.
Es erfüllt einen nur noch mit Hass.
Aber jetzt... Es ist komisch.
Unsere Herzen sind voller Hass.
SCENE: INT. AUTO BODY SHOP – DAY. COSTELLO.
COSTELLO TO AUDIENCE (voice over)
The Knights of Columbus were real head-breakers.
True guineas.
They took over their piece of the city.
Twenty years after an Irishman couldn‟t get a fucking job...
...we had the presidency. May he rest in peace.
Die Ritter von Kolumbus waren richtige Knochenbrecher.
Echte Itaker.
Sie nahmen sich ihren Teil der Stadt.
20 Jahre, nachdem kein Ire hier einen Scheissjob kriegen konnte,
wurde einer von uns Präsident. Möge er in Frieden ruhen.
That‟s what the niggers don‟t realize.
If I got one thing against the black chappies, it‟s this.
No one gives it to you.
You have to take it.
Das ist es, was die Nigger einfach nicht begreifen.
Und wenn ich den Negerlein was auf den Weg gebe, dann das:
Niemand schenkt dir etwas.
Du musst es dir nehmen.
Die Ritter des Kolumbus waren brutale Kerle.
Wahre Spaghettifresser.
Sie regieren einen Teil der Stadt.
20 Jahre, nachdem ein Ire...
keinen Job fand, hatten wir einen Präsidenten.
Möge er in Frieden ruhen.
Das realisieren die Neger nicht.
Wenn ich etwas gegen Schwarze habe,
ist es das. Es wird einem nichts geschenkt.
Man muss es sich nehmen.
141
SCENE: INT. PARK LUNCHEONETTE - DAY. FRANK
COSTELLO, A MAN IN HIS FIFTIES, LEANS OVER THE
COUNTER TO VIN, THE PROPRIETOR. VIN HANDS
COSTELLO SOME BANKNOTES.
COSTELLO TO VIN
[Vin,] Don‟t make me have to come down here again
for this.
Vin, lass mich für so was nicht noch mal hier antanzen.
Vin. Zwing mich nicht,
zurückzukommen.
VIN TO COSTELLO
It won‟t happen again, Mr. C.
Kommt nicht wieder vor, Mr. C.
Kommt nicht wieder vor, Mr. C.
(COSTELLO EYES CARMEN, VIN‟S PRETTY YOUNG
DAUGHTER)
COSTELLO TO VIN
Carmen‟s developing into a fine young lady.
You should be proud.
Carmen entwickelt sich zu einer richtigen jungen Dame.
Du kannst stolz auf sie sein.
Carmen wird zu einer feinen jungen Dame.
Du solltest stolz sein.
(COSTELLO GESTURES TO CARMEN WHO COMES OVER
TO HIM)
COSTELLO TO CARMEN
You get your period yet, Carmen?
Kriegst du schon deine Periode, Carmen?
Hast du schon deine Periode, Carmen?
(COSTELLO LOOKS OVER AT YOUNG COLIN SULLIVAN,
WHO IS SITTING AT THE COUNTER WATCHING THEM)
COSTELLO TO YOUNG COLIN
You Johnny Sullivan‟s kid?
Bist du Johnny Sullivans Junge?
Bist du Johnny Sullivans Junge?
(COLIN NODS)
COSTELLO TO YOUNG COLIN
You live with your grandmother?
-Und wohnst bei deiner Großmutter?
Wohnst du bei deiner Oma?
YOUNG COLIN TO COSTELLO (optional)
Yeah.
-Ja.
COSTELLO TO VIN
Vin, get him a couple of loaves of bread...
Vin, gib ihm ‟n paar Brote mit, „n paar Liter Milch.
Vin, hol ihm ein paar Laibe Brot...
COSTELLO TO VIN THEN TO YOUNG COLIN
...couple half gallons of milk. You like bologna
and cheese?
Magst du Mortadella und Käse? Noch ein bisschen Fleisch
und Milch. Magst du Mortadella und Käse?
und gib noch Mayo dazu. Liest du gern Comics?
Gib ihm Aufschnitt und Mayonnaise.
COSTELLO TO VIN
Give him some cold cuts. Throw some mayo in.
(VIN QUICKLY PUTS THE ITEMS IN A PAPER BAG.
COSTELLO PICKS UP A COMIC BOOK)
COSTELLO TO YOUNG COLIN
Do you like comic books?
Magst du Comics?
142
(YOUNG COLIN NODS)
COSTELLO TO YOUNG COLIN
You do good in school?
Bist du gut in der Schule?
Bist du gut in der Schule?
YOUNG COLIN TO COSTELLO THEN
COSTELLO TO YOUNG COLIN
-Yeah.
-That‟s good.
-Ja.
-Das ist gut. War ich auch.
- Ja. - Gut.
Das war ich auch. Das nennt man ein Paradox.
COSTELLO TO YOUNG COLIN
I did, too. They call that a paradox.
Das nennt sich Paradoxon.
(COSTELLO HANDS CARMEN SOME MONEY FOR THE
GROCERIES AND COMIC BOOKS)
COSTELLO TO CARMEN
Just keep it. Buy yourself some makeup.
Behalt es. Kauf dir ein bisschen Make-up.
Behalt es. Kauf dir Make-up damit.
(COSTELLO PUTS SOME COINS IN YOUNG COLIN‟S HAND)
COSTELLO TO YOUNG COLIN
You ever want to earn a little extra money...
...you come by L Street.
You know where I am on L Street?
Falls du dir mal Geld dazuverdienen willst, dann komm in die L
Street.
Weißt du, wo ich bin in der L Street?
Wenn du dir einen Zustupf verdienen willst,
komm an die L Street.
Weisst du, wo an der L Street ich bin?
COSTELLO TO YOUNG COLIN THEN
YOUNG COLIN TO COSTELLO
[Good]
-Good boy.
-Thanks.
Gut.
-Guter Junge.
-Danke.
Braver Junge.
Wir vertrauen dir, oh, Herr, die Seele deines Dieners Alphonsus
an.
Dir, o Herr, vertrauen wir Alphonsus' Seele an,
dein Diener. Für diese Welt ist er tot.
In den Augen dieser Welt ist er nun tot
Vergib ihm seine Sünden, die er aus menschlicher Schwäche
begangen hat.
Vergib ihm seine Sünden. Der Mensch hat Schwächen.
-Amen.
Amen.
(YOUNG COLIN EXITS WITH A BAG OF GROCERIES)
SCENE: INT. CHURCH - DAY. YOUNG COLIN IS SERVING
WITH A PRIEST AT A FUNERAL MASS.
PRIEST AS IF TO GOD
To You, O Lord, we commend the soul of Alphonsus,
Your servant.
In the sight of this world, he is now dead. Forgive
whatever sins...
...he committed through human weakness.
YOUNG COLIN AS IF TO GOD (optional)
Amen.
143
COSTELLO TO BOYS
The Church wants you in your place.
Kneel, stand, kneel, stand.
If you go for that sort of thing, I don‟t know what to do for you.
A man makes his own way.
No one gives it to you.
You have to take it. Non serviam
-Die Kirche will, dass du gehorchst.
Niederknien, aufstehen. Niederknien, aufstehen.
Wenn dir das gefällt, weiß ich nicht, wie ich dir helfen kann.
Ein Mann geht immer seinen eigenen Weg.
Niemand schenkt dir was.
Du musst es dir nehmen. Non serviam.
Die Kirche will euch am richtigen Ort.
Knien, stehen, knien, stehen.
Sagt euch das zu, kann ich euch nicht helfen.
Ein Mann macht seinen eigenen Weg.
Niemand zeigt ihn euch.
Ihr macht ihn selbst. Non serviam.
YOUNG COLIN TO COSTELLO
James Joyce.
-James Joyce.
James Joyce.
COSTELLO TO YOUNG COLIN
Smart, Colin.
-Sehr gut, Colin.
Sehr klug, Colin.
Die Itaker aus North End unten in Providence
wollten mir Vorschriften machen.
Und ganz plötzlich ist denen etwas zugestoßen.
Vielleicht war es ungefähr so.
Spaghettifresser aus Providence...
wollten mir befehlen.
Es könnte ihnen etwas zugestoßen sein.
Vielleicht...
das.
Ist ja ‟n Ding. Sie ist lustig hingefallen.
Mensch!
Sie fiel komisch hin.
Francis, du solltest dich mal auf die Couch legen.
Francis, du brauchst echt Hilfe.
Wenn du etwas willst, schaffst du es.
That‟s what they don‟t tell you in the Church.
When I was your age, they would say we could become
cops or criminals.
Today what I‟m saying to you is this:
When you‟re facing a loaded gun...
...what‟s the difference?
Wenn du beschließt, etwas zu werden, dann kannst du es
werden.
In der Kirche sagen sie dir das nicht.
Als ich so alt war wie du, hieß es, man wird entweder Cop oder
Verbrecher.
Heute sag ich dir dazu Folgendes:
Wenn du eine geladene Waffe vor der Nase hast,
wo ist da der Unterschied?
COSTELLO TO YOUNG COLIN (voice over)
That‟s my boy.
Das ist mein Junge.
Braver Junge.
COSTELLO TO BOYS
Guineas from the North End, down Providence...
...tried to tell me what to do.
And something maybe happened to them.
Maybe...
...like that.
SCENE: EXT. REMOTE BEACH - DAWN - FLASHBACK.
COSTELLO EXECUTES A MAN AND A WOMAN AS FRENCH
LOOKS ON. THE WOMAN FALLS FACE DOWN WITH HER
LEGS SPREAD.
COSTELLO TO FRENCH
Jeez!
She fell funny.
FRENCH TO COSTELLO
Francis, you really should see somebody.
SCENE: INT. AUTOBODY SHOP - DAY. COSTELLO AND
YOUNG COLIN.
COSTELLO TO YOUNG COLIN (voice over)
When you decide to be something, you can be it.
Das sagen sie dir nicht in der Kirche.
Als ich in deinem Alter war,
konnte man Bulle oder Verbrecher werden.
Heute sage ich dir Folgendes:
Wo liegt der Unterschied, wenn du...
...eine geladene Waffe im Gesicht hast?
144
Szene 2: Colins Beförderung zum Staff Sergeant vs. Billys Degradierung zum Undercoveragenten
[00:08:12]-[00:15:09];[00:17:19]-[00:17:50]
Ausgangstext: Spotting List
Zieltext 1: DVD-Untertitel (SDI Media Group)
Zieltext 2: Schweizer Kino-Untertitel (Titra)
SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. COLIN, IN SUIT
AND TIE, STANDS BEFORE CAPTAIN QUEENAN AND
STAFF SERGEANT DIGNAM.
QUEENAN TO COLIN (voice over)
Congratulations on passing...
..the detective‟s exam, and welcome to the
Special Investigation Unit.
Herzlichen Glückwunsch zum Detective-Examen und
willkommen
- in der Sonderermittlungseinheit.
Gratuliere zur Detektiv-Prüfung...
und willkommen bei den Sonderermittlern.
DIGNAM TO COLIN (flatly)
Whoopdie fucking do.
- Jippie-ficki-yey.
Juhu-fucking-hu!
QUEENAN TO COLIN
We won‟t be working together directly.
You‟ll be working for Captain Ellerby, but I like to see
everybody.
You‟re a worker. You‟ll rise fast.
Wir werden nicht zusammen arbeiten. Jedenfalls nicht direkt.
Sie sind Captain Ellerby zugeteilt. Ich will mir nur jeden
ansehen.
Sie sind „n Arbeitstier. Sie kommen schnell hoch.
Wir werden nicht zusammen arbeiten.
Sie arbeiten für Captain Ellerby,
aber ich sehe gern alle.
Sie sind fleissig. Sie werden rasch aufsteigen.
DIGNAM TO COLIN (sarcastically)
Like a twelve-year old‟s dick.
Wie der Schwanz von „nem 12-Jährigen.
Wie der Schwanz eines 12-Jährigen.
COLIN TO DIGNAM
Thank you, Sergeant.
- Danke, Sergeant.
- Danke, Sergeant.
DIGNAM TO COLIN
My pleasure.
- Keine Ursache.
- Gern geschehen.
COLIN TO QUEENAN
THEN QUEENAN TO COLIN
-Thank you, sir.
-Good luck.
- Danke, Sir.
- Viel Glück.
- Danke, Sir.
- Viel Glück.
SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE/WAITING ROOM - DAY.
COLIN EXITS FROM QUEENAN‟S OFFICE. QUEENAN‟S
SECRETARY LOOKS ADMIRINGLY AT HIM.
QUEENAN‟S SECRETARY TO COLIN
Congratulations.
- Herzlichen Glückwunsch.
- Gratuliere.
COLIN TO QUEENAN‟S SECRETARY
Thanks, hon.
- Danke, Süsse.
- Danke, Schätzchen.
(COLIN EXITS. QUEENAN‟S SECRETARY TURNS TO
BILLY, WHO IS SITTING OFF TO ONE SIDE)
QUEENAN‟S SECRETARY TO BILLY
You can go in there now.
Sie können jetzt reingehen.
Sie können reingehen
.
145
SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. QUEENAN AND
DIGNAM. BILLY ENTERS.
QUEENAN TO BILLY
You can sit.
Do you know what we do here? My section?
Sie dürfen sich setzen
Also...
Wissen Sie was wir tun? In dieser Einheit?
Setzen Sie sich.
Wissen Sie, was meine Abteilung macht?
BILLY TO QUEENAN
Sir, yes, sir, I have an idea.
- Sir, ja, Sir, ich habe eine Ahnung...
Ja, Sir. Ich habe eine Ahnung.
DIGNAM TO BILLY
Let‟s say you have no idea and leave it at that, okay?
No idea.
Zip. None.
If you had an idea about what we do, we would not be
good at what we do, would we?
We would be cunts.
Are you calling us cunts?
- Einigen wir uns auf
„gar keine Ahnung“, ok?
Keine Ahnung. Nichts, nicht mal ‟ne Ahnung von ‟ner Ahnung.
Wenn Sie ‟ne Ahnung hätten, wären wir nicht gut in dem,
was wir tun, oder?
Wir wären Arschlöcher.
Halten Sie uns für Arschlöcher?
Du hast keine Ahnung, okay?
Keine Ahnung. Null Ahnung.
QUEENAN TO BILLY
Staff Sergeant Dignam has a style of his own. I‟m afraid
we all have to get used to it.
Staff Sergeant Dignam hat so seine eigene Art.
Ich fürchte, wir müssen uns alle dran gewöhnen.
Staff Sergeant Dignam hat einen eigenen Stil.
Wir müssen uns dran gewöhnen.
DIGNAM TO BILLY
You got family connections down in Southie, right?
Through your father.
Why don‟t you tell us about your Uncle Jackie.
Also, Sie haben familiäre Beziehungen im Süden, richtig?
Durch Ihren Vater?
Erzählen Sie von Ihrem Onkel Jackie.
Die Familie deines Vaters lebt in Southie,
nicht?
Erzähl von deinem Onkel Jackie.
BILLY TO DIGNAM
He was a carpet layer for Jordan Marsh.
Er war Teppichleger in einem Einrichtungshaus.
Er war Teppichleger bei Jordan Marsh.
Onkel Jackie war ‟n kleiner Buchmacher und Barkeeper
bei den Veteranen in Summerville[sic!].
95 hat Nicastro ihn gekillt, seine Leiche lag am Flughafen.
Onkel Jackie war ein kleiner Buchmacher...
in der Veterans Hall in Somerville.
Nicastro liquidierte ihn 1995.
Die Leiche lag beim Flughafen.
BILLY TO DIGNAM & QUEENAN
That‟s right.
I remember his funeral.
Ja, richtig.
Ich war auf der Beerdigung. -Oh, gut.
Richtig.
Ich erinnere mich an die Beerdigung.
DIGNAM TO BILLY
Closed casket?
Geschlossener Sarg?
Geschlossener Sarg?
BILLY TO DIGNAM
That‟s right.
Ja, korrekt.
Ja.
DIGNAM TO BILLY
Uncle Jackie was a small-time bookie who tended bar at
the Vets in Somerville.
He got popped by Nicastro in ninety-five. We found his
body out by the airport.
Hättest du eine, wären wir nicht gut.
Wir wären Fotzen.
Sind wir Fotzen für dich?
146
DIGNAM TO BILLY
You tell anybody up at Deerfield, that is, before you got
kicked out for whaling on a gym teacher with a folding
chair...
...you had an uncle met his demise like that?
I got a question.
How fucked up are you?
Und, wusste das irgendwer in Deerfield?
Haben Sie deswegen einen Lehrer verprügelt und sind rausgeflogen?
Hast du an der Deerfield, bevor du rausflogst,
weil du einen Lehrer verprügeltest,
Dass Sie ‟nen Onkel hatten, der so abgetreten ist?
Eine Frage:
Wie abgefuckt sind Sie?
erzählt, dass ein Onkel von dir so starb?
Ich habe eine Frage.
Wie abgefuckt bist du?
SCENE: INT. POLICE BUILDING/CORRIDOR - DAY. COLIN
WALKS ALONG THE CORRIDOR. DARLENE, A
SECRETARY, WEARING FORM-FITTING SLACKS,
ENTERS.
COLIN WHISTLES APPRECIATIVELY.
COLIN TO DARLENE (optional)
Hi, Darlene.
Hi, Darlene.
Tag, Darlene.
(COLIN STOPS IN FRONT OF BARRIGAN‟S CUBICLE)
BARRIGAN TO COLIN
What you got? Staff Sergeant? In no time you made sergeant.
Was steht an, Staff Sergeant? In null Komma nichts zum Sergeant.
Was bist du? Staff Sergeant?
Wurdest im Nu Sergeant.
Sonderermittlung. -Perfekt.
SIU. Was für ein Land.
COLIN TO BARRIGAN
SIU. What a country.
BARRIGAN TO COLIN (wryly)
Perfect.
Perfekt.
COLIN TO BARRIGAN
Hey, I don‟t mind going it alone.
You know, if you went alone every once in a while, you
might get somewhere.
Hey, ich finde ‟nen Alleingang nicht schlecht.
Würde dich auch weiterbringen, wenn du‟s mal versuchen würdest.
Ich machs ganz gern alleine.
Tätest du mal was allein, erreichtest du was.
Wir sind Cops. Ok, ist nicht die große Nummer.
Wir sind Bullen. Ich weiss, das ist nichts.
Hör zu, ich weiß, was du draufhast.
Vielleicht kann ich was für dich tun.
Hast du ‟n paar Anzüge oder siehst du
gern aus, als wolltest du den Straßenverkehr regeln?
Du schuftest. Vielleicht kann ich dir helfen.
Interessanter Stammbaum, Kleiner. Ihr Penner von Onkel
Tommy Costigan, ist noch so eine Pfeife. Er sitzt, weil er Waffen
Was für ein Stammbaum.
Dein Onkel Tommy Costigan ist ein Trottel.
an Bundesbeamte verkauft hat.
Abgesehen von ‟ner Menge anderer Abweichungen
eines gutbürgerlichen Verhaltens.
Er verkaufte Waffen an FBI-Leute,
neben vielen anderen Abweichungen
vom normalen Benehmen.
BARRIGAN TO COLIN
We‟re cops. All right, this isn‟t somewhere.
COLIN TO BARRIGAN
All right, look it. I know you‟re a worker. Maybe I can do
something for you.
You got any suits at home or do you like coming to work
dressed like you‟re gonna invade Poland?
SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. BILLY, DIGNAM
AND QUEENAN. DIGNAM FINGERS THROUGH SOME
PAPERS.
DIGNAM TO BILLY (voice over)
You got quite the family tree here, kid.
That maggot uncle of yours Tommy Costigan‟s another
goof.
He gets busted selling guns to federal officers...
...among many, many, many other
departures from our normative behavior.
Hast du einen Anzug oder siehst du gern aus,
als wolltest du in Polen einmarschieren?
147
BILLY TO DIGNAM
What‟s this got to do with me, huh?
–Und was hat das alles mit mir zu
tun?
Was hat das mit mir zu tun?
DIGNAM TO BILLY
Why are you pretending to be a cop?
Warum tun Sie so, als wären Sie ‟n Cop?
Warum tust du, als wärst du Bulle?
SCENE: INT. SIU CONFERENCE ROOM - DAY. ELLERBY
ADDRESSES A GROUP OF SIU DETECTIVES.
ELLERBY TO GROUP
This unit is new, and you are the newest members of it.
You have been selected for it on the basis of
intelligence and aptitude.
This is an elite unit.
Our job is to smash or-- marginally disrupt--
Diese Einheit ist neu und Sie sind ihre neuesten Mitglieder.
Sie wurden ausgewählt, weil Sie klug und fähig genug sind.
...organized crime in this city by enhanced cooperation...
...with the FBI, represented here today by Agent Frank Lazio.
And we will do it.
And by organized crime in this city...
...you know who we mean.
Das hier ist eine Eliteeinheit.
Unsere Aufgabe ist die Zerschlagung oder zumindest geringfügige
Störung
des organisierten Verbrechens in der Stadt
in enger Zusammenarbeit mit dem FBI,
heute hier vertreten durch Agent Frank Lazio.
Und das werden wir tun.
Und Sie wissen, wen ich meine, wenn ich organisiertes Verbrechen
sage.
Ihr seid die neuen Mitglieder der neuen Einheit.
Sie wurden aufgrund Ihrer Intelligenz...
und Eignung ausgewählt.
Dies... ist eine Eliteeinheit.
Unsere Aufgabe besteht darin,
organisiertes Verbrechen in dieser Stadt...
zu zerschlagen oder zu verhindern,
indem wir mit dem FBI zusammen arbeiten,
hier von Agent Frank Lazio vertreten.
Und wir werden es schaffen.
Sie wissen, wen wir mit...
"organisiertem Verbrechen" meinen.
(A PHOTOGRAPH OF JACKIE COSTIGAN IS PROJECTED
ON A POWERPOINT SCREEN)
ELLERBY TO GROUP
That‟s Jackie Costigan. That‟s an old picture.
Jackie met his demise.
Jackie Costigan, ein altes Foto,
er ist mittlerweile abgetreten.
Das ist Jackie Costigan.
Das ist ein altes Foto. Er ist tot.
(THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF JACKIE
COSTIGAN LYING DEAD IN A DITCH)
ELLERBY TO GROUP
Last known photograph.
Costello uses three key guys.
Das letzte, uns bekannte Foto.
Costello hat 3 Hauptvertraute.
Das letzte bekannte Foto.
Costello hat drei wichtige Männer.
(THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF FITZ)
ELLERBY TO GROUP
That‟s Fitzy... off the boat psycho...
...lives in Brockton with his mother. She‟s straight out of
“Going My Way”.
Das ist Fitzy, frisch immigrierter Psychopath,
lebt bei der Mutter in Brockton,
Irin, wie sie im Buche steht.
Fitzy... ein Spinner aus Irland.
Wohnt in Brockton mit seiner Mutter,
die sehr typisch ist.
(THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF DELAHUNT)
ELLERBY TO GROUP
Delahunt, muscle.
Delahunt, Mann fürs Grobe.
Delahunt, der Schläger.
(THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF FRENCH)
ELLERBY TO GROUP
French, the number one. But, of course, the rock star...
French, die Nr. 1, aber der Rockstar ist natürlich Sie-wissen-wer.
French, die Nummer 1. Aber der Rockstar,
(THE PHOTOGRAPH CHANGES TO ONE OF COSTELLO)
148
ELLERBY TO GROUP
...you know who. You‟ve got a briefing book...
...so read up. I want any and all ideas...
...so I can pass them off as my own.
Work hard and you‟ll rise fast.
You‟re in the best possible position in the department.
Let‟s go to work.
Sie haben sein Dossier, arbeiten Sie
sich ein, damit ich Ihre Ideen dazu
als meine ausgeben kann.
Strengen Sie sich an, dann steigen Sie schnell auf. Das hier
ist
der beste Platz dafür. An die Arbeit.
ihr wisst wer. Steht im Info-Heft, lest es.
Gebt mir eure Ideen,
ich geb sie als meine aus.
Seid ihr fleissig,
steigt ihr auf. Ihr seid gut positioniert.
An die Arbeit.
Ihr alter Mann war 'n kleiner Arbeiter im Süden.
Gepäckdienst am Flughafen. Richtig?
Dein Alter war Arbeiter.
Gepäckdienst am Flughafen.
Bis auf ihn gibt‟s nur Verbrecher in Ihrer Familie, was?
Eine Kriminellen-Familie, ausser dem Alten.
BILLY TO DIGNAM
And one priest, since you seem to know everything.
Und einen Priester, da Sie ja alles wissen.
Und einem Priester, ordnungshalber.
DIGNAM TO BILLY
Last I heard he was happily married to a 12-year-old boy
living on a beach in Thailand.
Ja, wohl glücklich verheiratet.
Mit ‟nem 12-Jährigen am Strand in Thailand.
Der einen 12-Jährigen heiratete...
und am Strand von Thailand lebt.
DIGNAM TO BILLY
Fucking family‟s dug into the Southie projects like ticks.
Three decker men at best.
You, however, grew up on the North shore, huh?
Well, la di fucking da.
You were kind of a double kid, I bet, right?
One kid with your old man, one kid with your mother.
You‟re upper middle class during the week, then you‟re
dropping your r‟s and you‟re hanging in the big bad
Southie projects...
...with your daddy, the fucking donkey, on the weekend. I
got that right? Did you have different accents?
You did, didn‟t you, you little fucking snake.
You were like different people.
Ihre Familie hängt in den südlichen Ghettos fest wie die Zecken.
In engen Sozialgrotten. Sie sind aber
am Nordufer aufgewachsen, was? Na, da ist es doch todschick.
Als Kind ‟n Doppelleben geführt, was?
Eins bei Ihrem alten Herrn und eins bei Ihrer Mutter?
In der Woche gehobene Mittelklasse, dann den
Ghettoslang ausgepackt,
um am Wochenende schön bei Daddy, dem Packesel,
abzuhängen. So ungefähr in der Art?
Ja. Sie kennen beide Seiten, oder?
Ja, und wie Sie die kennen, Sie verlogene kleine Ratte.
Sie gibts gleich 2 Mal.
Leben wie Zecken in einer Sozialwohnung.
Schlimmste Mietskaserne.
Du bist in North Shore aufgewachsen.
Affektierter Kerl.
Ein Doppelkind, was?
Eines beim Alten, eines bei der Mutter.
Mittelklasse während der Woche,
dann hingst du in den Sozialsiedlungen rum...
am Wochenende mit deinem Papa, dem Esel.
Ja?
Sprachst du unterschiedlich?
Bestimmt, du verdammte Schlange.
Du warst zwei verschiedene Menschen.
BILLY TO DIGNAM THEN
DIGNAM TO BILLY
-You a psychiatrist?
-Well, if I was, I‟d ask you...
- Sind Sie ‟n Psychiater?
Sind Sie Psychiater?
DIGNAM TO BILLY
...why you‟re a statie making thirty grand a year.
And I think if I was Sigmund fucking Freud I wouldn‟t get
an answer.
So tell me, what‟s a lace curtain motherfucker like you
doing in the Staties?
Dann würde ich fragen, warum Sie ‟n Statie mit 30.000 im Jahr sind.
Und auch wenn ich der Scheiß Sigmund Freud wäre,
würd ich keine Antwort kriegen.
Sagen Sie mir, wieso ist ‟n irischer Milchkuhfotzenlecker wie Sie
bei den Staties?
Der würde fragen, wieso du für 30'000 jobbst.
Und wäre ich Sigmund Freud,
ich bekäme keine Antwort. Sag,
was macht ein nobler Irenarsch bei der Polizei?
SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. QUEENAN,
DIGNAM AND BILLY.
DIGNAM TO BILLY (voice over)
You‟re[sic!] old man...
...was a fucking hump from Southie. Baggage handler at the
airport.
Right?
Family‟s all criminals except for the old man, huh?
149
BILLY TO DIGNAM
Well, families are always rising or falling in America, am I
right?
QUEENAN TO BILLY
Who said that?
Tja, Familien sind hier schon immer aufgestiegen oder abgestürzt.
In Amerika steigen Familien auf und fallen
wieder.
Wer hat das gesagt? -Hawthorne.
- Wer sagt das? - Hawthorne.
Was ist, Klugscheisser, kannst du nichts von Shakespeare?
Was ist, kennst du Shakespeare nicht?
Wir haben eine Frage.
Wollen Sie Polizist sein, oder wollen Sie so tun, als wären Sie einer?
Wir haben eine Frage.
Willst du ein Bulle sein,
oder willst du einen Bullen spielen?
Eine berechtigte Frage. Das wollen viele.
BILLY TO QUEENAN
Hawthorne.
DIGNAM TO BILLY
What‟s the matter, smart ass? Don‟t you know any
fucking Shakespeare?
QUEENAN TO BILLY
We have a question.
Do you want to be a cop or do you want to appear to be
a cop?
It‟s an honest question.
A lot of guys want to appear to be cops. Gun. Badge.
Pretend they‟re on TV.
Ist ‟ne ehrliche Frage.
Viele wollen nur so tun, als ob.
Waffe, Dienstmarke, denken, es ist wie im Fernsehen.
Waffe, Marke. Tun, als wären sie am TV.
DIGNAM TO BILLY
Well, a lot of „em just want to slam a nigger‟s head
through a plate glass window.
Ja, und einige wollen nur mal ‟nen Nigger mit dem Kopf durch
‟ne Scheibe donnern.
Viele wollen Niggers die Fresse einschlagen.
BILLY TO DIGNAM
I‟m all set without your own personal job application, right,
Sergeant.
Ich muss ja nicht unbedingt dieselben Gründe haben wie Sie, ok,
Sergeant?
Ich brauche Ihre Beweggründe nicht.
DIGNAM
Was hast du gerade gesagt?
BILLY TO QUEENAN
With all due respect, sir, what do you want from me?
DIGNAM TO BILLY
He can‟t help you. I know what you are, okay?
I know what you are and I know what you‟re not.
I‟m the best friend you have on the face of this earth and
I‟m gonna help you understand something, you punk
You‟re no fucking cop!
QUEENAN TO BILLY
He‟s right.
We deal in deception here. What we do not deal with is
self deception.
Five years from now you can be anything else in the world.
But you will not be a Massachusetts state trooper.
-Bei allem Respekt, was wollen Sie?
Bei allem Respekt, was wollen Sie von mir?
Hey, er kann dir nicht helfen.
Ich weiß, was du bist. Ich weiß, was du bist
und was du nicht bist.
Ich bin der beste Freund, den du hast,
und jetzt verrat ich dir noch was, du Penner.
Du kleiner Wichser bist kein Cop!
Er kann dir nicht helfen. Ich weiss Bescheid.
Ich weiss, was du bist und nicht bist.
Er hat recht, Betrug ist zwar etwas, womit wir uns hier befassen,
aber nicht mit Selbstbetrug.
Er hat Recht.
Wir geben uns mit Täuschung ab,
aber nicht mit Selbsttäuschung.
In 5 Jahren kannst du sein, was du willst.
Ausser einem Massachusetts Staatspolizisten.
In 5 Jahren können Sie wahrscheinlich alles Mögliche sein,
aber kein Massachusetts State Trooper.
Ich bin dein bester Freund auf der Welt.
Du bist kein Bulle, verdammt!
150
[00:15:09]
[00:15:09]
[00:15:09]
BILLY TO QUEENAN
You sure of that?
-Sind Sie da sicher?
Sind Sie sicher?
QUEENAN TO BILLY
I‟m sure of that.
-Ja, bin ich.
- Ganz sicher.
DIGNAM TO BILLY
Guaran-fucking-teed.
Kriegst ‟ne Garantieurkunde.
- Garantiert.
DIGNAM TO BILLY
You had 1400 on your SATs, kid. You‟re an astronaut, not a
statie.
Du hattest 1.400 Punkte beim Hochschultest.
Du bist ‟n Astronaut, aber kein Polizist.
Du hattest 1'400 bei deinem SAT-Test.
Du bist ein Astronaut, kein Bulle.
QUEENAN TO BILLY
You don‟t have much family.
Sie haben nicht viel Familie.
Du hast kaum Familie.
BILLY TO QUEENAN & DIGNAM
I don‟t have any family.
Gar keine Familie.
Ich habe gar keine Familie.
[00:15:09]
[00:15:09]
[00:15:09]
[Flashback: Tod von Billys Mutter]
[Colin zieht in Luxusappartment ein]
[...]
[...]
151
[00:17:19]
[00:17:19]
[00:17:19]
SCENE: INT. QUEENAN‟S OFFICE - DAY. QUEENAN,
DIGNAM AND BILLY.
BILLY TO QUEENAN AND DIGNAM
So what do I do?
Also, was soll ich tun?
Was ist meine Aufgabe?
QUEENAN TO BILLY
There‟s money behind this operation.
You won‟t be paid as a regular cop, but there‟s a bonus
involved.
Tax free.
We can‟t conceal...
...that you were a trainee.
You‟ll be convicted of a crime.
We‟re thinking a guilty plea to assault and battery would
make sense.
Es gibt Geld für diese Operation. Sie bekommen kein
normales Gehalt,
dafür aber einen Bonus.
Steuerfrei.
Dass Sie auf der Akademie waren, lässt sich nicht
verschleiern.
Das heißt, Sie werden verurteilt.
Wir denken, ein Schuldgeständnis zu Körperverletzung würde
Sinn ergeben.
Hinter diesem Einsatz steckt Geld.
Es gibt kein Bullensalär, dafür einen Bonus.
DIGNAM TO BILLY
Given your nature.
Passt zu Ihnen.
Bedenkt man deine Natur.
QUEENAN TO BILLY
You‟ll do enough jail time to convince anyone this is no
setup.
You‟ll be on probation. See a court-ordered shrink. The
whole nine yards.
Sie bleiben lang genug im Gefängnis, um es echt aussehen
zu lassen,
kommen auf Bewährung raus, gehen zum Gerichtspsychiater,
das ganze Programm.
Wirst so lange sitzen, keiner wird Fragen
stellen.
Wirst Bewährung kriegen,
zum Gerichtspsychiater gehen, alles.
DIGNAM TO BILLY
You want to serve the Commonwealth, this is your chance.
We need you, pal.
Wenn Sie dem Staat dienen wollen, ist das Ihre Chance.
Wir brauchen Sie, Kumpel.
You‟ve already pretended to be a Costigan from South
Boston.
Sie haben schon früher den harten Costigan aus Süd-Boston
gespielt.
Willst du dem Staat dienen, ist dies deine
Chance.
Wir brauchen dich.
Du gabst dich als Costigan aus South Boston
aus.
BILLY TO DIGNAM
Every weekend, Sergeant.
- Jedes Wochenende, Sergeant.
- Perfekt.
DIGNAM TO BILLY
Perfect.
Steuerfrei.
Wir können nicht verheimlichen,
dass du ein Trainee warst.
Wirst eines Verbrechens verurteilt werden.
Ein Schuldgeständnis auf...
Körperverletzung wäre angebracht.
Jedes Wochenende, Sergeant.
Perfekt.
QUEENAN TO BILLY
Do it again...
...for me.
Tun Sie‟s wieder.
Für mich.
EXPLOITATION TITLE
THE DEPARTED
Departed: Unter Feinden
[00:18:20]
[00:18:20]
Tu es nochmals...
Für mich.
[00:18:20]
152
Szene 3: Queenans Tod
[01:39:26]-[01:44:00]
Ausgangstext: Spotting List
Zieltext 1: DVD-Untertitel (SDI Media Group)
Zieltext 2: Schweizer Kino-Untertitel (Titra)
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. BILLY IS WAITING ON THE ROOF. QUEENAN
ENTERS.
BILLY TO QUEENAN
He‟s got dope coming in. I don‟t know where.
He‟s getting spooky, Captain.
Er kriegt ‟ne Lieferung, ich weiss nur noch nicht, wo. Er…
Er wird mir unheimlich, Captain.
Er erwartet Stoff. Wo, weiss ich nicht.
Er wird unheimlich.
QUEENAN
-Was meinen Sie?
QUEENAN
- Wie das?
I just saw him.
He had blood all over his hands. He‟s losing his
fucking mind.
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY.
DETECTIVE #1 EXITS THE BUILDING AND JOINS THE
OTHER DETECTIVES IN THE CAR, WHICH IS PARKED
NEARBY.
DETECTIVE #1 TO CAR DETECTIVES
I don‟t know what we‟re doing here, boys.
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. BILLY AND QUEENAN.
BILLY TO QUEENAN
He‟s not including his regular guys. But I‟ll tell you something.
Sooner or later he‟s gonna find out who I am and he‟s
gonna fucking kill me.
I know it. He‟s gonna fucking kill me!
-Seine Hände
waren voller Blut, ich war gerade da, er verliert seinen
verfickten Verstand.
- Ich sah ihn eben.
Er war voller Blut. Er dreht durch.
Ich weiß nicht, was wir hier machen, Jungs.
Ich weiss nicht, wieso wir hier sind.
Er setzt seine alten Leute nicht ein. Aber ich sag Ihnen mal
was.
Irgendwann kriegt er raus, wer ich bin.
Und dann wird er mich kaltmachen.
-Das weiß ich. Haben Sie gehört?
Er nahm nicht seine üblichen Leute. Hör zu,
er wird mich entlarven und mich umbringen.
Ich weiss es. Er wird mich umbringen!
QUEENAN
-Schon gut, schon gut!
SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN DIALS A NUMBER ON HIS CELL PHONE.
COLIN INTO CELL PHONE TO COSTELLO
I think we got him. I think Queenan‟s meeting with him
right now.
Ich glaube, wir haben ihn. Ich glaube, er trifft sich gerade mit
Queenan.
Wir haben ihn. Queenan trifft sich mit ihm.
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. BILLY AND QUEENAN.
QUEENAN TO BILLY
All right. Listen to me.
I‟m really sorry for your trouble. I swear to God I am.
I‟ll get you out of this. I cannot do it overnight, but I will
get you out.
Ok, ok, hören Sie mir zu.
Es tut mir leid, dass Sie da drinstecken, ich schwöre es.
Ich hol Sie da raus. Ich kann es nicht sofort machen, aber ich
hol Sie da raus.
Na gut. Hör zu.
Tut mir Leid, dass du Ärger hast. Ich schwörs.
Ich hol dich da raus. Nicht über Nacht, aber ich
tus.
153
SCENE: EXT. CHARLES STREET BRASSERIE - DAY.
DELAHUNT AND FITZY. DELAHUNT‟S CELL PHONE
RINGS. HE ANSWERS IT AND LISTENS.
DELAHUNT TO FITZY
Hey, get the van. We‟re moving. Heavy work.
DELAHUNT
Ja?
Hey, hol den Van, wir fahren. Drecksarbeit.
Hol den Van. Es geht los. Schwerarbeit.
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. BILLY AND QUEENAN.
BILLY TO QUEENAN
THEN QUEENAN TO BILLY
-What about the FBI?
-They‟re compromised.
-Was ist mit dem FBI?
-Die sind kompromittiert.
- Und das FBI?
- Kompromittiert.
BILLY TO QUEENAN THEN
QUEENAN TO BILLY
-They what?
-They‟re fucked!
-Die sind was?
-Gefickt sind die.
- Was?
- Das sind Ärsche!
BILLY
-Ja.
(BILLY‟S CELL PHONE RINGS. HE ANSWERS IT)
DELAHUNT INTO CELL PHONE TO BILLY
[Billy,] Where the fuck are you? We‟ve been trying to
reach you. We found the rat.
Listen, we‟re gonna take him out. Now look it.
The address is 314 Washington St. You got it?
All right, we‟ll see you there.
BILLY TO QUEENAN
You were followed.
(QUEENAN SAYS SOMETHING QUESTIONINGLY)
BILLY TO QUEENAN THEN
QUEENAN TO BILLY
-By Costello‟s people.
-Impossible.
BILLY TO QUEENAN
One of the cops he‟s got on the inside tipped him.
(BILLY STARTS TO RUN TOWARD THE ROOFTOP DOOR)
BILLY TO QUEENAN
Come on. Come on.
Come on!
-Billy, ich versuch‟s schon die ganze Zeit,
verdammt noch mal. Wir haben die Ratte!
Wir machen ihn kalt, also pass auf.
Die Adresse ist 314 Washington Street, alles klar?
Ok, bis gleich.
Wo bist du? Wir haben die Ratte.
QUEENAN
-Was?
QUEENAN
- Was?
-Wir wurden verfolgt.
- Jemand folgte dir.
Hör zu, wir liquidieren ihn.
Die Adresse ist 314 Washington St. Okay?
Wir sehen uns dort.
QUEENAN
-Von wem?
-Na, von Costellos Mannschaft.
-Unmöglich.
- Costellos Leute.
- Unmöglich.
-Nein, sein Spitzel
in Ihrer Einheit hat es ihm gesteckt. Kommen Sie.
Ein Polizeispitzel gab ihm den Tipp.
Kommen Sie!
Komm.
Komm!
154
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. FITZY‟S
VAN PULLS UP AND STOPS OUTSIDE THE BUILDING.
FITZY, DELAHUNT AND TWO OTHER OF COSTELLO‟S
CREW GET OUT AND HURRY INTO THE LOBBY.
DETECTIVE #1 AND THE CAR
DETECTIVES REACT.
DETECTIVE #1 TO CAR DETECTIVES
What the fuck is going on?
Scheiße, was wird das denn jetzt?
Was für Scheisse geht hier ab?
DETECTIVE #2 TO CAR DETECTIVES
Looks like Queenan‟s meeting with all of them.
Sieht aus, als würde Queenan sich mit allen treffen.
Sieht aus, als treffe Queenan alle.
SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN SITS AT HIS
DESK, LISTENING ON THE WALKIE-TALKIE.
COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO DETECTIVES
Yeah, he must be our guy.
Ja, er muss unser Mann sein.
Ja, er muss unser Mann sein.
Sarge, wir können ihn nicht rausholen, es sind zu viele.
Wir müssen ihn rausholen. Die scherzen nicht.
DETECTIVE #1 OVER WALKIE-TALKIE TO COLIN
[Sarge,]We got to get him out of here. Those guys aren‟t
fucking around.
COSTELLO‟S GANG
Los, ganz nach oben.
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY.
STAIRWELL - DAY. QUEENAN AND BILLY RUN DOWN
THE STAIRS. THEY HEAR FOOTSTEPS BELOW.
QUEENAN TO BILLY
Christ, it‟s too late. Let‟s go back up.
Herrgott, zu spät. Zurück nach oben.
Scheisse, zu spät. Wir gehen wieder hoch.
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/TOP FLOOR
ELEVATOR LANDING - DAY.
QUEENAN AND BILLY ENTER. THEY NOTICE THAT BOTH
ELEVATORS ARE ON THEIR
WAY UP.
BILLY TO QUEENAN THEN
QUEENAN TO BILLY
-Shit!
-You got to get out of here!
-Scheiße.
-Sie müssen raus, da, die Feuertreppe.
Du musst raus!
- Nimm die Feuertreppe.
QUEENAN TO BILLY THEN
BILLY TO QUEENAN
-Take the fire escape.
-What about you?
-Und Sie?
- Und du?
155
QUEENAN TO BILLY
I‟ll be fine. But if you get made, I can‟t protect you.
Now go, go!
-Ich schaff das.
Wenn Sie auffliegen, kann ich Sie nicht schützen.
Verschwinden Sie, los!
Keine Sorge. Bist du dran, kann ich nicht
helfen.
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET/ROOFTOP DAY. QUEENAN COMES ONTO THE ROOF [CROSSES
HIMSELF] AND TAKES OUT A CIGARETTE. FITZY AND
DELAHUNT ENTER.
QUEENAN TO GROUP THEN FITZY TO QUEENAN
-One of you mugs got a light?
-Where‟s your boy?
-Hat einer von euch Pennern Feuer?
-Wo ist Ihr Junge?
- Hat jemand Feuer?
- Wo ist dein Junge?
QUEENAN TO FITZY THEN
FITZY TO QUEENAN
-He‟s studying law at Notre Dame.
-Where‟s your fucking boy?!
-Er studiert Jura in Notre Dame.
-Wo ist Ihr verdammter Junge.
- Er studiert Jus an der Notre Dame.
- Wo ist er?
(BILLY EXITS ONTO THE FIRE ESCAPE)
QUEENAN
-Hey, hey.
(TWO OF COSTELLO‟S MEN ENTER)
FITZY TO QUEENAN
Goddamn motherfucker! Where‟s your fucking boy?!
-Du Arschloch!
Elender Scheisskerl! Wo ist dein Junge?
(DELAHUNT, FITZY AND THE OTHERS GRAB QUEENAN)
[QUEENAN
Schlecht verständlicher Vulgarismus]
QUEENAN
-Was ist los, ihr Wichser.
[FITZY
Schlecht verständlicher Vulgarismus]
FITZY
-Wo ist die Verräterratte
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. BILLY
JUMPS OFF THE FIRE
ESCAPE AND RUNS DOWN THE ALLEY. JUST AS BILLY
TURNS THE CORNER,
QUEENAN‟S BODY SMASHES TO THE PAVEMENT IN
FRONT OF HIM. THE DETECTIVES IN THE INTERNAL
INVESTIGATIONS CAR PARKED NEARBY REACT.
DETECTIVE #1 TO DETECTIVES
What the fuck was that? Did you fucking see that?
Was zum Teufel war das? Was war das, habt ihr das
gesehen?
Was war das? Habt ihr das gesehen?
(DETECTIVE #1 PICKS UP HIS MICROPHONE)
DETECTIVE #1 INTO MICROPHONE TO COLIN
Sarge, something just came off the building.
Da ist was aus dem Haus gefallen.
Etwas fiel vom Gebäude runter.
(BILLY LOOKS DOWN AT QUEENAN‟S BODY)
BILLY TO HIMSELF (optional)
What the fuck...?
[Fuck]
So ‟ne Scheiße.
Scheiße.
156
SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN TALKS INTO
THE WALKIE-TALKIE.
COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO DETECTIVES
What do you mean, something came off the building?
Was meinen Sie mit “aus dem Haus”? Wiederholen Sie das!
Etwas fiel vom Gebäude runter?
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. THE
DETECTIVES IN THE INTERNAL
INVESTIGATIONS CAR.
DETECTIVE #2 TO CAR DETECTIVES THEN
DETECTIVE #1 INTO MICROPHONE TO COLIN
-Something came off the fucking roof.
-[Sarge,] It‟s a fucking body. -[It‟s a fucking body]
-Sarge, irgendwas ist vom Dach gefallen.
-‟n Mensch. Das war ‟n Mensch.
- Ein Körper.
- Etwas flog vom Dach.
DETECTIVE #1 INTO MICROPHONE TO COLIN
[Sarge,] We can‟t get a visual. Do you want us to get out of
the car? We got to get on foot if you want me...
...to get up on this thing.
Sarge, können nicht sehen, was es war.
Wir müssten aussteigen und rüberlaufen, wenn wir klären
sollen, was da los war.
Wir sehens nicht. Wir müssen zu Fuss gehen,
ums rauszufinden.
(FITZY, DELAHUNT AND THE TWO OTHER THUGS COME
OUT OF THE BUILDING.
THEY LOOK OVER AT BILLY AND THE DEAD QUEENAN)
FITZY TO BILLY THEN
BILLY TO FITZY
-Where the fuck were you?!
-What the fuck happened?!
-Wo warst du?
-Was ist passiert?
- Wo warst du?
- Was war los?
FITZY TO BILLY
You‟re fucking late! Get in the van!
Du bist zu spät, steig in den Van!
Hast Verspätung! Steig ein!
SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN TALKS INTO
THE WALKIE-TALKIE.
COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO CAR DETECTIVES
What do you mean something came off the roof?!
Wie, „irgendwas ist vom Dach gefallen“?
Wie, etwas flog vom Dach?
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. BILLY,
FITZY, DELAHUNT AND THE
TWO THUGS.
BILLY TO FITZY & DELAHUNT
What‟s -[the fuck‟s] going on? I came to meet you.
Ich sollte euch doch hier treffen. Was ist hier los?
Was ist los? Ich kam zum Treffen.
FITZY TO BILLY
Get in the van!
Wo warst du, du Penner? Steig in den Van !
In den Van!
[BILLY
Fuck!]
157
(THE CAR DETECTIVES WATCH FROM THEIR CAR)
DETECTIVE #1 INTO MICROPHONE TO COLIN
[I don‟t know, Sarge] It‟s a fucking body.
I got four armed men right out front. Do you want us to
pursue?
Ich weiß nicht, aber hier sind
4 bewaffnete Männer. Sollen wir sie verfolgen?
Ich habe 4 Bewaffnete. Verfolgen wir sie?
SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN TALKS INTO
THE WALKIE-TALKIE.
COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO CAR DETECTIVES
No, do not pursue. Stay in the car.
Nein, bleiben Sie im Wagen, Sie verfolgen sie nicht.
Nein, bleibt im Auto.
SCENE: EXT. 344 WASHINGTON STREET - DAY. THE
DETECTIVES IN THE INTERNAL
INVESTIGATIONS CAR.
DETECTIVE #1 TO CAR DETECTIVES
Fuck! No fucking pursue.
-Keine Verfolgung DETECTIVE #2 -Scheiße.
Fuck! Keine Verfolgung.
COLIN INTO WALKIE-TALKIE TO CAR DETECTIVES
[I need some information] What came off the roof?
Ich brauche Informationen. Was ist da vom Dach geflogen?
Was flog vom Dach?
DETECTIVE #1 TO CAR DETECTIVES
No pursue. [-Fucking shit!]
Fuck this.
-Nicht verfolgen! -So eine verdammte Scheiße!
Ach scheiss drauf.
Keine Verfolgung. Der kann mich mal.
(DETECTIVE #1 GETS OUT OF THE CAR AND STARTS
SHOOTING. DELAHUNT AND
DETECTIVE #1 ARE HIT IN THE SHOOTOUT)
FITZY TO COSTELLO‟S CREW
Get in the van!
Get in the fucking van. Let‟s go! Move it!
Steigt in den Van!
Scheiße. Steigt endlich ein, weg hier, los!
In den Van!
Steigt in den Van! Los! Bewegt euch!
(ONE OF COSTELLO‟S CREW PULLS DELAHUNT INTO
THE VAN AND THE VAN EXITS.
COSTELLO‟S GANG
-Ich hab ihn. -Drück drauf, mach schnell!
DETECTIVE #2 LEANS OVER THE WOUNDED DETECTIVE
#1)
DETECTIVE #2 INTO MICROPHONE
TO HEADQUARTERS
32X to CP. We‟re being fired upon!
SCENE: INT. POLICE HEADQUARTERS/COLIN‟S OFFICE DAY. COLIN LISTENS ON
THE POLICE RADIO.
DETECTIVE #2 OVER RADIO TO HEADQUARTERS
An officer‟s down. I repeat, an officer‟s down. A
trooper‟s been shot!
Send some backup!
32X an Zentrale. Schusswechsel,
32X an CP. Wir werden beschossen!
ein Beamter getroffen. Ich wiederhole, ein Beamter getroffen!
Eine weitere Person tot, brauchen Verstärkung…
Officer am Boden. Es hat einen Officer
erwischt!
Schicken Sie Verstärkung!
158