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OSTSEE-ZEITUNG.DE Online-Archiv Zurück zur Bildschirmansicht Wochenendausgabe, 26. Februar 2005 Titelseite Im Einkaufsbeutel überlebt Es gibt sie immer noch, die DDR – in Form der so genannten Ost-Produkte. Florena-Creme, Nautik-Seife oder Schnaps der Marke Goldbrand verkaufen sich wie geschnitten Brot. Das Klopapier der Deutschen Demokratischen Republik rollte ohne Lagen und ohne Perforation ab. Es bestach außerdem durch hohe Reißfestigkeit, eingeschlossene Holzstückchen und eine dem Sandpapier ähnliche Oberfläche. Kurzum: Kein Ostdeutscher war zu Wendezeiten traurig, dass es verschwand. Das galt sicherlich auch für den „Dederon“-Einkaufsbeutel, das Burger Knäckebrot („trockener als alle Theorien des Marxismus-Leninismus“) und für die „Club Cola“. Doch weit gefehlt! Bis auf die aus „DeDeRon“ (das DDR-Perlon) gefertigte Shopping-Tasche ist (fast) alles wieder da. Die DDR lebt? „Ja klar“, meint Sven Tkotz (36), der in Köln (Breite Straße 6-26) einen von vier „Ossiläden“ in den alten Bundesländern betreibt. München, Kiel und Haltern haben auch schon einen. Allerdings ist Tkotz der einzige, der sein Geschäft mit dem Zusatz „Letzte Botschaft der DDR“ versehen hat. Die Club Cola verkauft sich laut Tkotz ebenso gut wie das einst so trockene „Burger Knäcke“, das heute in einer GmbH von 120 Mitarbeitern von Erfolg zu Erfolg geführt wird. Die Firma aus Burg steht inzwischen Republik-weit als Nummer zwei da. Und die von den Wessis oft schon wegen ihrer Namen belächelten Produkte wie die Nougat-Creme „Nudossi“ , das Kola-Getränk „Vita Cola“ oder „Schlemmerliebling“ (Nudeln) und „Fit“ (Spülmittel) haben die Märkte aufgerollt, sind auf zweite oder gar erste Plätze vorgerückt, wenn bisher auch nur in den neuen Bundesländern. Auf 35 Shops schätzt Michael Frühauf (51), Ostwaren-Großhändler aus Eftenheim bei Leipzig und Eigentümer der Marke „Ossiladen“, die Zahl der Geschäfte, die im Westen der Republik gezielt seine Produkte anbieten: SpreewaldGurken, Krügerol-Hustenbonbons, f6-Zigaretten, Florena-Creme, Thüringer Bratwurst, Knusperflocken von „Zetti“, „Russisch Brot“ aus Dresden und so weiter. Frühauf beliefert auch Sven Tkotz, der vor neun Monaten mit 20 000 geliehenen Euro anfing. Er steckte 10 000 Euro in die Renovierung seines 140 Quadratmeter großen Ladens („alles in ostdeutscher Mangeloptik!“) und 10 000 Euro in die Warenaustattung. Warenbestand derzeit: 80 000 Euro. Umsatz: 120 000 Euro. Das kann man schon einen kleinen Erfolg nennen. Wenngleich noch lange nicht alles rund läuft: „Ich bestelle zehn Kästen Club Cola und bekomme nur drei. Es ist wieder wie in der DDR. Ich muss die Kunden nach Hause schicken, weil keine Ware da ist!“ „Goldbrand“, der zu Honeckers Zeiten populäre Weinbrand-Verschnitt mit 32 (damals 38) Prozent Alkoholgehalt, steht bei Tkotz selbstverständlich auch im Regal. Hergestellt wird er von Klaus Erkenbrecher (40) und seinen zwei Mitarbeitern in der Likörfabrik Arno Bechmann. „Ich habe eingeheiratet und führe die Tradition meines verstorbenen Schwiegervaters fort“, erklärt der Mann aus Haina. Er glaubt, dass Ost-Produkte deshalb einen Aufschwung erleben, „weil sie anders schmecken, besser nämlich. Den Asbach Uralt mag hier keiner, der ist zu holzig.“ 15 000 Flaschen seines „Goldbrands“ setzt er jährlich ab, das Stück zu fünf Euro (DDR-Preis: 14,50 Mark). Dass diese Zahlen die Großen der Branche nicht schockieren, ist ihm klar, aber er hofft, die DDR-Rezeptur seines Weinbrandes werde noch mehr Fans finden. Den Unterschied zu anderen Bränden merke man schließlich erst am nächsten Tag. Erkenbrechers nichtalkoholisches Lieblingsgetränk heißt Vita Cola, und mit dieser Meinung steht er nicht allein: Die Flasche mit dem unverfälschten Ost-Outfit hat sich in Thüringen gegen den amerikanischen Rivalen als Marktführer durchgeboxt und positioniert sich in den neuen Bundesländern insgesamt auf dem zweiten Platz. Im Westen ist die Markteinführung für 2007 geplant. Auch die „Halloren“-Marke aus Halle ist nicht mehr zu bremsen. Die guten Schokokugeln erfreuen landauf, landab die Gaumen der Konsumenten bei „Kaufland“, „Wal Mart“, „Edeka“, „Toom“ „Norma“ und bei dem ÖkoHöker „Tegut“. Auch Feinkost-Käfer in München wird sich gegen Zahlung einer nicht unerheblichen Gebühr in Bälde bereit erklären, den Ossi-Zuckerzauber ins Regal zu stellen. Ebenfalls mit Ost-Design massiv im West-Regal: der Schokoriegel „Zetti Bambina“ und „Knusperflocken". Ohne auch nur einen Euro in die Werbung gesteckt zu haben, ist man in Zeitz mit dem Verkauf „sehr zufrieden“. Und die „f6“, Ostglimmstängel von Anno Tobak, hat den Marlboro-Cowboy in den neuen Bundesländern glatt aus dem Sattel geschossen. Zu der optisch weitgehend unveränderten Retro-Packung greift die absolute Mehrheit der Bürger zwischen Saßnitz und Plauen. Das nennt man im Marketing-Deutsch Kannibalisierung. Die f6 haben sich nämlich die Münchener von Philip Morris („Marlboro“) unter den Nagel gerissen. Sogar die MZ knattert wieder über die Straßen – nicht nur im Erzgebirge, wo sie herkommt, sondern tausendfach auch in den alten Bundesländern. „In der 125er-Klasse sind wir im Osten Marktführer, bundesweit die Nummer zwei“, freut sich MZ-Sprecher Carl Schmidt. Und die nagelneue „1000 SF“ sieht laut Firmen-Beschreibung wie folgt aus: „Naked Bike im brutalen Street Fighter Look“. Da mutet es geradezu schrullig an, dass ein besonderes Relikt aus DDR-Zeiten bei immer mehr West-Händlern für 259 Euro auf Käufer wartet. Die „Wellenradwaschmaschine WM 0600 L“, Nachfolger der guten, alten WM 66 von FORON. Das Gerät wäscht einen ordentlichen Batzen verschmutzter Bekleidung in sage und schreibe fünf Minuten, schleudert file:///C|/Dokumente%20und%20Einstellungen/AVierling/Lokale%20Einstellungen/Temp/$$dv$$/archiv.htm (1 von 2)28.02.2005 11:46:53 OSTSEE-ZEITUNG.DE Online-Archiv aber nicht. Um den Vertrieb des eigentümlichen Geräts aus Schwarzenberg im Erzgebirge (www. wellradwaschmaschine.de) kümmert sich exklusiv der Rostocker Ingenieur Adelbert Vierling (51). 2000 Stück bringt er Jahr für Jahr unters West- und Ostvolk. Vierling beschäftigt inzwischen sechs Leute: „Wir expandieren, allerdings ganz langsam.“ PETER SCHULZ Die Kugel rollt, nicht nur im Osten: Marianne Proft aus der HallorenSchokoladenfabrik Halle/Saale präsentiert original Hallorenkugeln. Zahlreiche Supermarktketten haben die beliebte Nascherei aus DDRZeiten inzwischen gelistet. Foto: dpa Ost-West-Angleichung: Flaschen der Rotkäppchen-Mumm Sektkellerei Freyburg. Foto: dpa file:///C|/Dokumente%20und%20Einstellungen/AVierling/Lokale%20Einstellungen/Temp/$$dv$$/archiv.htm (2 von 2)28.02.2005 11:46:53