AQUANAUT Fremdenlegion

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AQUANAUT Fremdenlegion
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DIE TAUCHER BEI DER FREMDENLEGION:
EGAL WANN, EGAL WO –
FÜR DIE INTERESSEN FRANKREICHS
Der Mythos ist grösser als ihre tatsächliche Truppenstärke:
Die französische Fremdenlegion umfasst nur etwa 8000 Mann.
Dennoch ist diese relativ kleine Armee weltweit bekannt als
eine Streitmacht der besonderen Art.
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m diesen besonderen Teil der französischen Streitkräfte ranken sich manche
abenteuerlichen Vorstellungen. Vorweg gesagt: Viele davon sind wahr. Richtig ist zum Beispiel, dass „kleinere Probleme“ mit den Strafverfolgungsbehörden
im Heimatland kein Hindernis sind, um
bei der Fremdenlegion aufgenommen zu
werden. Es ist tatsächlich so, dass manche
Männer sich deshalb dieser Truppe anschliessen, weil sie alle Brücken hinter
sich abbrechen wollen – oder abbrechen
müssen. „Engel sind die Bewerber meistens nicht, Verbrecher aber auch nicht“,
heisst es in einer sehr wohlwollenden Darstellung über die Legion. Richtig ist ebenfalls, dass die Legionäre eine neue Identität bekommen und dass die französische
Regierung auch gegenüber Interpol keine
Auskünfte darüber erteilt, wie der ursprüngliche Name eines Legionärs lautete. Nach drei Jahren bei der Fremdenlegion kann man die französische Staatsbürgerschaft bekommen. Man sagt: „Diese
Söhne Frankreichs werden Franzosen
nicht durch ererbtes, sondern durch vergossenes Blut“. Denn für Kriegseinsätze
gilt in Paris noch immer die Devise: Erst
die Legion, dann erst die Armee. Wer sich
bei der Fremdenlegion bewirbt kann damit rechnen, im Rahmen seiner mindestens fünfjährigen Dienstzeit an mehreren
Kampfeinsätzen beteiligt zu sein. Dies
scheint den Reiz am Dienst in der Legion
jedoch eher zu erhöhen, als Bewerber abzuschrecken. Trotz der zweifelhaften Vergangenheit mancher Legionäre verstehen
sich die Angehörigen der Fremdenlegion
als Elitesoldaten. Sogar Taucher gibt es in
der Legion. AQUANAUT hat sich die
„amphibische Einheit“ näher angeschaut.
Vorweg: Auch wenn man bei der Fremdenlegion eine fundierte Ausbildung zum
Taucher absolvieren kann – sich als Legionär anwerben zu lassen, empfehlen wir
unseren Lesern nicht.
„Um bei der Fremdenlegion zu dienen,
muss man schon besonders geschaffen
sein“, erklärte uns Legionär Thomas Malcher , Corporal der Fremdenlegion. Damit
hat er zweifellos recht. 150-KilometerGepäckmärsche innerhalb von drei Tagen
durch unwegsames Gelände sind nicht
jedermanns Sache; für die „Interessen
Frankreichs“ möglicherweise sein Leben
zu verlieren auch nicht. Die „Arbeitsweise“ von solchen Tauchern kennen zu
lernen, die keineswegs wegen der Schönheit von Korallenriffen unter Wasser gehen, lohnt sich jedoch durchaus. Thomas
Malcher ist – wie viele seiner Kameraden
ebenfalls – Deutscher. „Nach dem zweiten
Weltkrieg war die Legion noch wesentlich
stärker deutsch geprägt als heute“, sagt er.
Damit hat er zweifellos recht. Viele der
Wehrmachtssoldaten und SS-Männer, die
nach dem zweiten Weltkrieg von den
Amerikanern, Briten oder Russen wegen
Kriegsverbrechen gesucht wurden, gingen
zur französischen Fremdenlegion. Diskret
hinweggesehen über die wahre Vergangenheit der eigenen Leute hat man bei
der Legion schon damals. Der Anteil der
Deutschen sinke inzwischen, weil immer
mehr Männer aus osteuropäischen Län-
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dern zur Legion kommen. Insgesamt gibt
es wesentlich mehr Bewerber, als die Legion aufnehmen kann.
Die „amphibische Einheit“ der Fallschirmjägereinheit macht nur einen sehr
kleinen Teil der Fremdenlegion aus. Diese
kleine Gruppe ist für einen speziellen
Auftrag ausgebildet: Dafür zu sorgen,
dass französische Soldaten irgendwo auf
der Welt an der Küste eines Feindstaates
an Land gehen können. Auf der offiziellen
Webseite der Fremdenlegion heißt es:
„Die Legionäre sind heute eingesetzt in
Afghanistan, im Kosovo, im Tschad, an
der Elfenbeinküste und überall dort, wo
Frankreich sie braucht.“ Szenarien wie eine Invasion von der Seeseite her kommen
im Kriegsgeschehen tatsächlich vor, nicht
nur damals 1944 in der Normandie. „Egal
wann, egal wo“ lautet einer der Leitsätze
der Fallschirmjäger der Fremdenlegion.
Die französische Regierung kann ihre Legionäre tatsächlich in ziemlich kurzer Zeit
irgendwo in der französischen Hemisphä-
re einsetzen, übrigens sogar ohne Parlamentsbeschluss. Die Fallschirmjägereinheit ist innerhalb von 6 Stunden einsatzbereit – in einer derart kurzen Zeit kann
kaum eine andere Truppe auf der ganzen
Welt in den Krieg geschickt werden. Die
Hemmschwelle der französischen Politiker, Legionäre anstatt der regulären Streitkräfte in einem Konflikt mit ungewissem
Ausgang einzusetzen, ist auch deshalb
niedriger, weil hinterher keine französischen Mütter heulen. Und Ehefrauen haben die Legionäre ohnehin nicht – dies
lässt die Struktur dieser besonderen Truppe kaum zu. Bis zum Dienstgrad eines
„Sergent“ (Unteroffizier) ist es den Legionären sogar verboten, ein Auto oder ein
Handy zu besitzen. Der Eingangssold beträgt übrigens 1043 € pro Monat, dazu
kommen freie Verpflegung und Unterkunft. Die fehlenden Beziehungen nach
außen werden durch die enge Gemeinschaft untereinander ersetzt. Im Ehrenkodex der Legion heißt es unter anderem:
„Jeder Fremdenlegionär ist Dein Waffenbruder, gleich welcher Staatsangehörigkeit, Religion oder Rasse er ist. Du fühlst
Dich ihm immer verbunden, wie es die
Zusammengehörigkeit einer grossen Familie erfordert.“ „Legio patria nostra“
(„Die Legion ist unser Vaterland“) lautet
das offizielle Motto der Fremdenlegionäre. Die endgültige Aufnahme in die Legion mit Verleihung des „képi blanc“
(weissen Mütze, die Kopfbedeckung zur
Ausgangsuniform) nach dem Auswahlverfahren und der Grundausbildung ähnelt übrigens dem Eintritt in einen
Mönchsorden. (Frauen gibt es bei der Legion grundsätzlich nicht; zölibatär wird
jedoch nur innerhalb der Kaserne gelebt.
Die entsprechenden Etablissements findet
man nur wenige Strassen entfernt.) Die
starke Betonung der kameradschaftlichen
Zusammengehörigkeit der Legionäre ist
zweifellos nötig, denn viele der Männer
haben die Bindung an ihre Heimat und
ihre Familien abgebrochen. Nach 15
Dienstjahren haben die Legionäre einen
Anspruch auf eine monatliche Pension in
Höhe von ungefähr 1000 Euro. Die Pension wird in jedes Land überwiesen, denn
nach Ende seiner Dienstzeit darf ein Legionär wieder in seine Heimat zurück –
wenn er das möchte. Solange er zur Legion gehört werden ihm freilich alle Ausweispapiere und sonstigen Dokumente
abgenommen. Manche finden nach ihrer
Dienstzeit wieder den Weg zurück in die
Zivilgesellschaft, andere nicht. Sogar eigene Altersheime hat die Legion, denn für
manche Legionäre kann es auch nach Ende ihrer Dienstzeit kein „zurück“ in ihr
Herkunftsland mehr geben.
Die Soldaten der „Legion etrangère“ können gemeinsam mit der regulären französischen Armee eingesetzt werden. Sie
sind aber für „lokale Operationen“ ausgebildet, bei der ihnen keine Kriegsmaschinerie mit Panzern und Flugzeugträgern im
Hintergrund zur Verfügung steht. Sie sind
für eine Art der Kriegsführung ausgerü-
stet, die auf den ersten Blick kaum ins 21.
Jahrhundert passt. Bei der Fremdenlegion
vertraut man nicht auf Tarnkappenbomber
und auf satellitengesteuerte Flugkörper,
sondern auf den körperlichen Einsatz der
Legionäre – bis hin zum Bajonettkampf
Mann gegen Mann. Die physischen Anforderungen an die Soldaten sind dementsprechend ungleich höher als in regulären
Armeen. Thomas Malcher habe sich übrigens früher einmal bei der Spezialeinheit
der Bundeswehr „Kommando Spezialkräfte“ beworben und wurde abgelehnt,
weil er eine formale Bedingung nicht
erfüllt habe. Aus Verärgerung über diese
Ablehnung ging er zur Fremdenlegion
und verpflichtete sich dort für zunächst
fünf Jahre – kürzer geht es bei der Fremdenlegion nicht. Das deutsche Verteidigungsministerium hätte sich seitdem
mehrmals an die Deutschen in der Legion
gewandt, um diese für die Bundeswehr
abzuwerben. „Fremdenlegionäre gelten
als erstklassige Soldaten“, sagt Thomas
Malcher, „unsere Fähigkeiten schätzt man
auch bei der Bundeswehr.“ Zurück nach
Deutschland wolle er aber vorläufig nicht.
Die Taucher gehören zur „amphibischen
Kompanie“ des „2e REP“ („Deuxieme
Régiment Etrangèr de Parachutistes“), der
Fallschirmspringereinheit des Fremdenlegion. Das 2e REP gliedert sich in eine
Stabs, eine Versorgungs- und vier Kampfkompanien. Die dritte dieser „Compagnies de Combat“ (3e Cie) mit 120 Mann
ist die „amphibische“. Die 1e Cie ist für
den Panzerabwehr- und Nachtkampf spezialisiert, die 2e Cie auf den Gebirgskampf und die 4e Cie auf den Kampf hinter feindlichen Linien, inklusive spezielle
Sabotageeinsätze. Alle Fallschirmjägerkompanien sind nur mit relativ leichten
Waffen und kleinen Geländefahrzeugen
ausgerüstet, um sie rasch mittels Flugzeug
oder Hubschrauber überall hin transportieren zu können. Panzerabwehrraketen
und Granatwerfer sind ihre stärksten Geschütze. Stationiert ist das 2e REP in Cal-
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vi auf Korsika. Dieses Eliteregiment ist in
kürzestmöglicher Zeit an jedem Ort einsatzbereit. Auch die Taucher sind ausgebildete Fallschirmjäger und dafür trainiert, über der Meer abzuspringen und
sich im Wasser unbemerkt einer feindlichen Küste zu nähern. Dementsprechend wird keinen Wert auf Tieftauchen
gelegt, sondern auf Flossenschwimmen
und Streckentauchen über grössere Entfernungen. Kommandoaktionen in Küstennähe zur Geiselbefreiung oder zur
Vorbereitung einer Invasion grösserer
Verbände gehören ebenfalls zum möglichen Einsatzszenario der amphibischen
Kompanie. Die Taucher sollen dabei nicht
nur die Küste vor Verteidigern „säubern“,
sondern auch Unterwasserhindernisse
entfernen und Minen sprengen, damit die
Landungsboote mit der Hauptstreitmacht
anlegen können. „Wir können das“, sagt
Thomas Malcher. „Die Amerikaner würden vor einer solchen Aktion tausende
Tonnen Bomben abwerfen. Wir würden
mit 100 Mann ankommen und mehr erreichen.“ Gänzlich falsch ist dies wohl nicht.
Einer der bekanntesten Einsätze des 2e
REP in der jüngeren Vergangenheit war
im Jahr 1997 die Rettung von 2600 Europäern aus dem Bürgerkrieg im Kongo.
Innerhalb kürzester Zeit brachten die Legionäre die europäische Zivilbevölkerung
in Sicherheit. Mit Bomben und Marschflugkörpern wäre hier nichts zu gewinnen
gewesen. Im November 2004 war das 2e
REP zum Kampfeinsatz in Abidjan an der
Elfenbeinküste. Dabei gab es auch Tote
unter den Legionären. Häufig wird die
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Legion aber auch für kriegsverhütende
Einsätze losgeschickt, so in Bosnien, im
Kosovo und in Afghanistan.
Zur Annäherung an eine feindliche Küste
verfügt die amphibische Kompanie über
mehrere Möglichkeiten. Trainiert wird der
Fallschirmsprung aus einem Flugzeug ins
Meer oder der Absprung ohne Schirm aus
einem tieffliegenden Hubschrauber über
dem Wasser. Nach dem Absprung geht es
– je nach Entfernung von der Küste – entweder an der Wasseroberfläche oder unter
Wasser weiter in Richtung Land. Mit ihren „Kajaks“ (praktisch sind dies eher
Faltboote) können die Legionäre aus einem Hubschrauber 30 Kilometer vor einer
Küste abgesetzt werden, mit ihren motorisierten Zodiac-Schlauchbooten sogar in
50 Kilometer Entfernung. Die Ausrüstung
ist so konzipiert, dass erst die Taucher aus
dem Hubschrauber springen und ihnen
dann Kajaks oder Schlauchboote „hinterhergeworfen“ werden. Trainiert wird sogar die Annäherung und die anschliessende Flucht per Kajak und Tauchgerät: 5 Kilometer vor der Küste wird das Kajak vor
Anker gelegt, danach geht es unter Wasser
weiter und nach (so jedenfalls im Manöver) erfolgreicher Operation sogar auf
dieselbe Weise zurück aufs Meer. Vor allem nach einer Sabotageaktion in einem
fremden Hafen oder an feindlichen Schiffen vor Anker würden die Taucher so vorgehen. Das Sturmgewehr FAMAS („Fusil
Automatique Manufacture d'Armes de
St. Etienne“) wird noch vor dem Verlassen
des Wassers aus dem wasserdichten Sack
ausgepackt und bereits im Schwimmen
auf den Gepäcksack angelegt, um bei
Gegenwehr von Land aus sofort schiessen
zu können. Auch dieser Gepäcksack ist
speziell für Einsätze dieser Art konzipiert:
Mit Luft darin kann er auf der Wasseroberfläche „geschoben“, ohne Luft auch
beim Tauchen mitgenommen werden
Als Tauchausrüstung werden grundsätzlich nur Spiro-Sauerstoffgeräte eingesetzt.
Herkömmliche Pressluftatmer würden
durch die aufsteigenden Blasen die Taucher verraten. Ein weiterer Vorteil der
Kreislaufgeräte ist es, dass die Männer damit bis zu drei Stunden unter Wasser
bleiben können. Taucher arbeiten immer
zu zweit und sind durch ein Seil miteinander verbunden.
Ein ehemaliger Legionär des 2e REP, Olaf
Weiss (Name wieder korrekt!) ist nach
seiner Dienstzeit in der amphibischen
Einheit beim Tauchen geblieben. Von
1985 bis 2000 war Olaf Weiss beim 2e
REP, zuletzt als Zugführer der Taucher.
Danach wurde er am Indischen Ozean
eingesetzt und ging dann wie bei der
Legion üblich mit 41 Jahren in den „Ruhestand“. Seit 2003 betreibt er seine
Tauchbasis in Calvi. Seine „Ecole de
Plongée Internationale de Calvi“ befindet
sich am Yachthafen unterhalb der Zitadelle von Calvi. Unmittelbar vor der Haustür
von Olaf Weiss liegt der „Calvi-Bomber“,
eines der bekanntesten Tauchziele in Korsika. Olaf Weiss hat die volle Laufbahn als
Legionär hinter sich. Mit seinen Tauchgästen geht er aber ganz friedlich um.
Dietrich Hub
Wer mehr über das „Deuxième REP“
wissen will: wwww.2rep.com
Falls jemand gegen den Rat des Autors
bei der Fremdenlegion anheuern will:
www.legion-recrute.com