AQUANAUT Fremdenlegion
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AQUANAUT Fremdenlegion
? ? ? ? ? DIE TAUCHER BEI DER FREMDENLEGION: EGAL WANN, EGAL WO – FÜR DIE INTERESSEN FRANKREICHS Der Mythos ist grösser als ihre tatsächliche Truppenstärke: Die französische Fremdenlegion umfasst nur etwa 8000 Mann. Dennoch ist diese relativ kleine Armee weltweit bekannt als eine Streitmacht der besonderen Art. 52 Aquanaut 7-8/2007 U m diesen besonderen Teil der französischen Streitkräfte ranken sich manche abenteuerlichen Vorstellungen. Vorweg gesagt: Viele davon sind wahr. Richtig ist zum Beispiel, dass „kleinere Probleme“ mit den Strafverfolgungsbehörden im Heimatland kein Hindernis sind, um bei der Fremdenlegion aufgenommen zu werden. Es ist tatsächlich so, dass manche Männer sich deshalb dieser Truppe anschliessen, weil sie alle Brücken hinter sich abbrechen wollen – oder abbrechen müssen. „Engel sind die Bewerber meistens nicht, Verbrecher aber auch nicht“, heisst es in einer sehr wohlwollenden Darstellung über die Legion. Richtig ist ebenfalls, dass die Legionäre eine neue Identität bekommen und dass die französische Regierung auch gegenüber Interpol keine Auskünfte darüber erteilt, wie der ursprüngliche Name eines Legionärs lautete. Nach drei Jahren bei der Fremdenlegion kann man die französische Staatsbürgerschaft bekommen. Man sagt: „Diese Söhne Frankreichs werden Franzosen nicht durch ererbtes, sondern durch vergossenes Blut“. Denn für Kriegseinsätze gilt in Paris noch immer die Devise: Erst die Legion, dann erst die Armee. Wer sich bei der Fremdenlegion bewirbt kann damit rechnen, im Rahmen seiner mindestens fünfjährigen Dienstzeit an mehreren Kampfeinsätzen beteiligt zu sein. Dies scheint den Reiz am Dienst in der Legion jedoch eher zu erhöhen, als Bewerber abzuschrecken. Trotz der zweifelhaften Vergangenheit mancher Legionäre verstehen sich die Angehörigen der Fremdenlegion als Elitesoldaten. Sogar Taucher gibt es in der Legion. AQUANAUT hat sich die „amphibische Einheit“ näher angeschaut. Vorweg: Auch wenn man bei der Fremdenlegion eine fundierte Ausbildung zum Taucher absolvieren kann – sich als Legionär anwerben zu lassen, empfehlen wir unseren Lesern nicht. „Um bei der Fremdenlegion zu dienen, muss man schon besonders geschaffen sein“, erklärte uns Legionär Thomas Malcher , Corporal der Fremdenlegion. Damit hat er zweifellos recht. 150-KilometerGepäckmärsche innerhalb von drei Tagen durch unwegsames Gelände sind nicht jedermanns Sache; für die „Interessen Frankreichs“ möglicherweise sein Leben zu verlieren auch nicht. Die „Arbeitsweise“ von solchen Tauchern kennen zu lernen, die keineswegs wegen der Schönheit von Korallenriffen unter Wasser gehen, lohnt sich jedoch durchaus. Thomas Malcher ist – wie viele seiner Kameraden ebenfalls – Deutscher. „Nach dem zweiten Weltkrieg war die Legion noch wesentlich stärker deutsch geprägt als heute“, sagt er. Damit hat er zweifellos recht. Viele der Wehrmachtssoldaten und SS-Männer, die nach dem zweiten Weltkrieg von den Amerikanern, Briten oder Russen wegen Kriegsverbrechen gesucht wurden, gingen zur französischen Fremdenlegion. Diskret hinweggesehen über die wahre Vergangenheit der eigenen Leute hat man bei der Legion schon damals. Der Anteil der Deutschen sinke inzwischen, weil immer mehr Männer aus osteuropäischen Län- 7-8/2007 Aquanaut 53 Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift dern zur Legion kommen. Insgesamt gibt es wesentlich mehr Bewerber, als die Legion aufnehmen kann. Die „amphibische Einheit“ der Fallschirmjägereinheit macht nur einen sehr kleinen Teil der Fremdenlegion aus. Diese kleine Gruppe ist für einen speziellen Auftrag ausgebildet: Dafür zu sorgen, dass französische Soldaten irgendwo auf der Welt an der Küste eines Feindstaates an Land gehen können. Auf der offiziellen Webseite der Fremdenlegion heißt es: „Die Legionäre sind heute eingesetzt in Afghanistan, im Kosovo, im Tschad, an der Elfenbeinküste und überall dort, wo Frankreich sie braucht.“ Szenarien wie eine Invasion von der Seeseite her kommen im Kriegsgeschehen tatsächlich vor, nicht nur damals 1944 in der Normandie. „Egal wann, egal wo“ lautet einer der Leitsätze der Fallschirmjäger der Fremdenlegion. Die französische Regierung kann ihre Legionäre tatsächlich in ziemlich kurzer Zeit irgendwo in der französischen Hemisphä- re einsetzen, übrigens sogar ohne Parlamentsbeschluss. Die Fallschirmjägereinheit ist innerhalb von 6 Stunden einsatzbereit – in einer derart kurzen Zeit kann kaum eine andere Truppe auf der ganzen Welt in den Krieg geschickt werden. Die Hemmschwelle der französischen Politiker, Legionäre anstatt der regulären Streitkräfte in einem Konflikt mit ungewissem Ausgang einzusetzen, ist auch deshalb niedriger, weil hinterher keine französischen Mütter heulen. Und Ehefrauen haben die Legionäre ohnehin nicht – dies lässt die Struktur dieser besonderen Truppe kaum zu. Bis zum Dienstgrad eines „Sergent“ (Unteroffizier) ist es den Legionären sogar verboten, ein Auto oder ein Handy zu besitzen. Der Eingangssold beträgt übrigens 1043 € pro Monat, dazu kommen freie Verpflegung und Unterkunft. Die fehlenden Beziehungen nach außen werden durch die enge Gemeinschaft untereinander ersetzt. Im Ehrenkodex der Legion heißt es unter anderem: „Jeder Fremdenlegionär ist Dein Waffenbruder, gleich welcher Staatsangehörigkeit, Religion oder Rasse er ist. Du fühlst Dich ihm immer verbunden, wie es die Zusammengehörigkeit einer grossen Familie erfordert.“ „Legio patria nostra“ („Die Legion ist unser Vaterland“) lautet das offizielle Motto der Fremdenlegionäre. Die endgültige Aufnahme in die Legion mit Verleihung des „képi blanc“ (weissen Mütze, die Kopfbedeckung zur Ausgangsuniform) nach dem Auswahlverfahren und der Grundausbildung ähnelt übrigens dem Eintritt in einen Mönchsorden. (Frauen gibt es bei der Legion grundsätzlich nicht; zölibatär wird jedoch nur innerhalb der Kaserne gelebt. Die entsprechenden Etablissements findet man nur wenige Strassen entfernt.) Die starke Betonung der kameradschaftlichen Zusammengehörigkeit der Legionäre ist zweifellos nötig, denn viele der Männer haben die Bindung an ihre Heimat und ihre Familien abgebrochen. Nach 15 Dienstjahren haben die Legionäre einen Anspruch auf eine monatliche Pension in Höhe von ungefähr 1000 Euro. Die Pension wird in jedes Land überwiesen, denn nach Ende seiner Dienstzeit darf ein Legionär wieder in seine Heimat zurück – wenn er das möchte. Solange er zur Legion gehört werden ihm freilich alle Ausweispapiere und sonstigen Dokumente abgenommen. Manche finden nach ihrer Dienstzeit wieder den Weg zurück in die Zivilgesellschaft, andere nicht. Sogar eigene Altersheime hat die Legion, denn für manche Legionäre kann es auch nach Ende ihrer Dienstzeit kein „zurück“ in ihr Herkunftsland mehr geben. Die Soldaten der „Legion etrangère“ können gemeinsam mit der regulären französischen Armee eingesetzt werden. Sie sind aber für „lokale Operationen“ ausgebildet, bei der ihnen keine Kriegsmaschinerie mit Panzern und Flugzeugträgern im Hintergrund zur Verfügung steht. Sie sind für eine Art der Kriegsführung ausgerü- stet, die auf den ersten Blick kaum ins 21. Jahrhundert passt. Bei der Fremdenlegion vertraut man nicht auf Tarnkappenbomber und auf satellitengesteuerte Flugkörper, sondern auf den körperlichen Einsatz der Legionäre – bis hin zum Bajonettkampf Mann gegen Mann. Die physischen Anforderungen an die Soldaten sind dementsprechend ungleich höher als in regulären Armeen. Thomas Malcher habe sich übrigens früher einmal bei der Spezialeinheit der Bundeswehr „Kommando Spezialkräfte“ beworben und wurde abgelehnt, weil er eine formale Bedingung nicht erfüllt habe. Aus Verärgerung über diese Ablehnung ging er zur Fremdenlegion und verpflichtete sich dort für zunächst fünf Jahre – kürzer geht es bei der Fremdenlegion nicht. Das deutsche Verteidigungsministerium hätte sich seitdem mehrmals an die Deutschen in der Legion gewandt, um diese für die Bundeswehr abzuwerben. „Fremdenlegionäre gelten als erstklassige Soldaten“, sagt Thomas Malcher, „unsere Fähigkeiten schätzt man auch bei der Bundeswehr.“ Zurück nach Deutschland wolle er aber vorläufig nicht. Die Taucher gehören zur „amphibischen Kompanie“ des „2e REP“ („Deuxieme Régiment Etrangèr de Parachutistes“), der Fallschirmspringereinheit des Fremdenlegion. Das 2e REP gliedert sich in eine Stabs, eine Versorgungs- und vier Kampfkompanien. Die dritte dieser „Compagnies de Combat“ (3e Cie) mit 120 Mann ist die „amphibische“. Die 1e Cie ist für den Panzerabwehr- und Nachtkampf spezialisiert, die 2e Cie auf den Gebirgskampf und die 4e Cie auf den Kampf hinter feindlichen Linien, inklusive spezielle Sabotageeinsätze. Alle Fallschirmjägerkompanien sind nur mit relativ leichten Waffen und kleinen Geländefahrzeugen ausgerüstet, um sie rasch mittels Flugzeug oder Hubschrauber überall hin transportieren zu können. Panzerabwehrraketen und Granatwerfer sind ihre stärksten Geschütze. Stationiert ist das 2e REP in Cal- Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift ? ? ? ? ? ? ? ? Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift Dies ist eine Bildunterschrift vi auf Korsika. Dieses Eliteregiment ist in kürzestmöglicher Zeit an jedem Ort einsatzbereit. Auch die Taucher sind ausgebildete Fallschirmjäger und dafür trainiert, über der Meer abzuspringen und sich im Wasser unbemerkt einer feindlichen Küste zu nähern. Dementsprechend wird keinen Wert auf Tieftauchen gelegt, sondern auf Flossenschwimmen und Streckentauchen über grössere Entfernungen. Kommandoaktionen in Küstennähe zur Geiselbefreiung oder zur Vorbereitung einer Invasion grösserer Verbände gehören ebenfalls zum möglichen Einsatzszenario der amphibischen Kompanie. Die Taucher sollen dabei nicht nur die Küste vor Verteidigern „säubern“, sondern auch Unterwasserhindernisse entfernen und Minen sprengen, damit die Landungsboote mit der Hauptstreitmacht anlegen können. „Wir können das“, sagt Thomas Malcher. „Die Amerikaner würden vor einer solchen Aktion tausende Tonnen Bomben abwerfen. Wir würden mit 100 Mann ankommen und mehr erreichen.“ Gänzlich falsch ist dies wohl nicht. Einer der bekanntesten Einsätze des 2e REP in der jüngeren Vergangenheit war im Jahr 1997 die Rettung von 2600 Europäern aus dem Bürgerkrieg im Kongo. Innerhalb kürzester Zeit brachten die Legionäre die europäische Zivilbevölkerung in Sicherheit. Mit Bomben und Marschflugkörpern wäre hier nichts zu gewinnen gewesen. Im November 2004 war das 2e REP zum Kampfeinsatz in Abidjan an der Elfenbeinküste. Dabei gab es auch Tote unter den Legionären. Häufig wird die 56 Aquanaut 7-8/2007 Legion aber auch für kriegsverhütende Einsätze losgeschickt, so in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan. Zur Annäherung an eine feindliche Küste verfügt die amphibische Kompanie über mehrere Möglichkeiten. Trainiert wird der Fallschirmsprung aus einem Flugzeug ins Meer oder der Absprung ohne Schirm aus einem tieffliegenden Hubschrauber über dem Wasser. Nach dem Absprung geht es – je nach Entfernung von der Küste – entweder an der Wasseroberfläche oder unter Wasser weiter in Richtung Land. Mit ihren „Kajaks“ (praktisch sind dies eher Faltboote) können die Legionäre aus einem Hubschrauber 30 Kilometer vor einer Küste abgesetzt werden, mit ihren motorisierten Zodiac-Schlauchbooten sogar in 50 Kilometer Entfernung. Die Ausrüstung ist so konzipiert, dass erst die Taucher aus dem Hubschrauber springen und ihnen dann Kajaks oder Schlauchboote „hinterhergeworfen“ werden. Trainiert wird sogar die Annäherung und die anschliessende Flucht per Kajak und Tauchgerät: 5 Kilometer vor der Küste wird das Kajak vor Anker gelegt, danach geht es unter Wasser weiter und nach (so jedenfalls im Manöver) erfolgreicher Operation sogar auf dieselbe Weise zurück aufs Meer. Vor allem nach einer Sabotageaktion in einem fremden Hafen oder an feindlichen Schiffen vor Anker würden die Taucher so vorgehen. Das Sturmgewehr FAMAS („Fusil Automatique Manufacture d'Armes de St. Etienne“) wird noch vor dem Verlassen des Wassers aus dem wasserdichten Sack ausgepackt und bereits im Schwimmen auf den Gepäcksack angelegt, um bei Gegenwehr von Land aus sofort schiessen zu können. Auch dieser Gepäcksack ist speziell für Einsätze dieser Art konzipiert: Mit Luft darin kann er auf der Wasseroberfläche „geschoben“, ohne Luft auch beim Tauchen mitgenommen werden Als Tauchausrüstung werden grundsätzlich nur Spiro-Sauerstoffgeräte eingesetzt. Herkömmliche Pressluftatmer würden durch die aufsteigenden Blasen die Taucher verraten. Ein weiterer Vorteil der Kreislaufgeräte ist es, dass die Männer damit bis zu drei Stunden unter Wasser bleiben können. Taucher arbeiten immer zu zweit und sind durch ein Seil miteinander verbunden. Ein ehemaliger Legionär des 2e REP, Olaf Weiss (Name wieder korrekt!) ist nach seiner Dienstzeit in der amphibischen Einheit beim Tauchen geblieben. Von 1985 bis 2000 war Olaf Weiss beim 2e REP, zuletzt als Zugführer der Taucher. Danach wurde er am Indischen Ozean eingesetzt und ging dann wie bei der Legion üblich mit 41 Jahren in den „Ruhestand“. Seit 2003 betreibt er seine Tauchbasis in Calvi. Seine „Ecole de Plongée Internationale de Calvi“ befindet sich am Yachthafen unterhalb der Zitadelle von Calvi. Unmittelbar vor der Haustür von Olaf Weiss liegt der „Calvi-Bomber“, eines der bekanntesten Tauchziele in Korsika. Olaf Weiss hat die volle Laufbahn als Legionär hinter sich. Mit seinen Tauchgästen geht er aber ganz friedlich um. Dietrich Hub Wer mehr über das „Deuxième REP“ wissen will: wwww.2rep.com Falls jemand gegen den Rat des Autors bei der Fremdenlegion anheuern will: www.legion-recrute.com