Der Wolf Ökologie und Verhalten
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Der Wolf Ökologie und Verhalten
Maik Kreuzfeldt Sonntag, 2. Januar 2005 Wiebke Pandikow Der Wolf Ökologie und Verhalten Inhaltsverzeichnis 0 Vorwort...................................................................................................................................3 1 Systematik...............................................................................................................................5 1.1 Systematik: Einordnung und Evolution...................................................................................5 1.2 Bestand und Verbreitung.........................................................................................................7 2 Morphologie...........................................................................................................................9 2.1 Anatomie..................................................................................................................................9 2.2 Erscheinungsbild....................................................................................................................11 2.3 Fähigkeiten.............................................................................................................................13 3 Ökologie................................................................................................................................15 3.1 Lebensraum............................................................................................................................15 3.2 Räuber – Beute – Beziehung.................................................................................................16 3.2.1 Energiehaushalt......................................................................................................................16 3.2.2 Aktivität.................................................................................................................................17 3.2.3 Selektion................................................................................................................................18 3.2.4 Auswirkungen auf die Beutepopulation................................................................................21 3.2.5 Verhältnis zu anderen Räubern..............................................................................................24 3.3 Wolfsmanagement in Mitteleuropa.......................................................................................27 4 Verhalten..............................................................................................................................31 4.1 Die Entwicklung des Verhaltens............................................................................................31 4.1.1 Die Entwicklung des Verhaltens............................................................................................31 4.1.2 Sozialisation und Flucht........................................................................................................34 4.1.3 Erlernen von Signalbedeutungen...........................................................................................35 4.2 Das Verhalten im Rudel.........................................................................................................37 4.2.1 Innerartliche Kommunikation................................................................................................37 4.2.2 Struktur und Funktion des Rudels.........................................................................................43 4.2.3 Rangordnung..........................................................................................................................45 4.2.4 Aggressivität..........................................................................................................................50 4.3 Jagdverhalten.........................................................................................................................51 5 Nachwort...............................................................................................................................53 6 Glossar..................................................................................................................................54 7 Literatur und Quellverzeichnis.........................................................................................56 Vorwort 0 Vorwort Interessiert an dem „Wie“ und „Warum“ des tierischen Verhaltens, der Ethologie, waren wir schon früh. Speziell aber faszinierten uns Wölfe allgemein, und mit dem Älterwerden, mit dem Lesen von Büchern und dem Schauen etlicher Fernsehsendungen und Dokumentationen, wuchs auch der Wunsch, sich einmal wirklich selbst mit der Materie zu beschäftigen. So entschieden wir uns letztendlich, dies in nützlicher Weise zu tun, und eine fünfte Abiturkomponente daraus zu machen. Leider war das letztendlich nicht möglich und so wird daraus hiermit (eine kürzere Version,) eine Klausurersatzleistung. Da bei uns leider keine freilebenden Wölfe anzutreffen sind, gab uns eine Art Workshop der Biologin Sabina Nowak in Südpolen eine gute Möglichkeit, ein paar grundlegende Erfahrung über ihre Arbeit und natürlich Informationen über die Wölfe in Polen zu sammeln. Allerdings ist der Kontakt zu Biologen nicht immer leicht herzustellen, und noch schwerer erwies sich dies bei den Behörden. Der Wildpark in Groß Schönebeck bot uns die Möglichkeit, in nicht allzu großer Entfernung wenigstens Gehegewölfe zu beobachten. Leider lassen sich Ergebnisse dieser Beobachtungen nicht immer auch auf freilebende Tiere beziehen. Dieser Fakt wird natürlich bei allen Beobachtungen ein Problem bleiben, kann man doch an Menschen gewöhnte und teilweise von ihm aufgezogene Wölfe nicht unbedingt mit ihren wilden Artgenossen vergleichen. Natürlich sind wir weder erfahrene Beobachter, noch haben wir die Grundlage des Biologiestudiums, trotzdem wollen wir versuchen, ein knappes Gesamtbild des Wolfes zu geben. Außerdem haben wir nicht nur Interesse am Wolf, sondern empfinden Zuneigung. Wir wollen ihn weder als ein Monster darstellen, noch als ein an der Leine geführtes Kuscheltier. Mit einem möglichst realen Bild des Wolfes hoffen wir, auch bei anderen Menschen das Verständnis für einen der ursprünglichen Jäger unserer Wälder und für seinen Schutz zu erwecken. 3 1 Systematik 1.1 Systematik: Einordnung und Evolution Bereits 1758 zählt LINNAEUS den Wolf zur Ordnung der Raubtiere (Carnivora), Unterordnung Landraubtiere (Fissipedia). Wie auch die Überfamilie der Katzenartigen (Feloidae), so gehen alle Hundeartigen (Canoidae) auf den vor rund 60 Millionen Jahren lebenden Miacis zurück. Die Hunde (Canidae) selbst sind eine der ältesten Familien der Hundeartigen. Ihr Stammvater war der rund 15 Millionen Jahre alte, heute ausgestorbene Tomarctus. Zusammen mit dem vor rund 10000 bis 40000 Jahren domestizierten Haushund (Subspezies Familaris) bildet der Wolf die Art Lupus, die der Gattung der echten Hunde (Canis) zuzuordnen ist. Abb. 1.1 Stammesgeschicht liche Entwicklung der Canidae Die genauen verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb dieser Gattung konnten teilweise erst vor wenigen Jahren, nämlich von 1997 bis 1999 durch genauere Untersuchungen der mitochondrialen DNS geklärt werden. 5 Systematik Abb. 1.2 Die echten Hunde (Die Einordnung des Rotwolfes (Canis ru fus) ist noch immer unklar. MtDNS Un tersuchungen zu Folge könnte es sich, wie auch beim Canis ly caon um einen Kojote – Wolf – Hybriden handeln) MECH beschreibt 1970 bereits 24 Unterarten des Wolfs für Nordamerika und 8 für Eurasien. BIBIKOW konnte diese Zahl 1985 auf 16 reduzieren, wobei er 9 für Eurasien und 7 für Nordamerika anführt. In neueren Studien unterscheiden NOWAK und FEDEROFF (2002) nur noch 5 Subspezies für Nordamerika und 6 für Eurasien. Die Existenz von zwei weiteren Unterarten (C. l. arabs und C. l. lupaster) wird vermutet, konnte jedoch bisher nicht überprüft werden. Japanischer (C. l. hattai) und kleiner Japanischer Wolf (C. l. hodophillax) gelten als ausgestorben. Abb. 1.3 Unterarten des Wolfs 6 Systematik 1.2 Bestand und Verbreitung Abb 1.4 Prognosen: 150 zunehmend 250 stabil 500 abnehmend Rechtsstatus: 50 streng ge schützt 150 geschützt mit Sonderreglung für Problemtiere 600 ohne Schutz/ jagdbar Bis um 1700 war der Wolf noch in allen Teilen der Nordhalbkugel anzutreffen. Er besaß damit nach Löwe (Panthera leo) und Mensch (Homo sapiens) das größte geographische Verbreitungsgebiet unter den Säugetieren. In den letzten drei Jahrhunderten wurde er in Mitteleuropa und den USA nahezu ausgerottet. Größere Populationen konnten sich dort nur in Kanada, Alaska sowie Minnesota halten. Vereinzelt leben noch isolierte Gruppen in den USA und Mexiko. In Mitteleuropa haben sich die Tiere in die Bergregionen zurückgezogen und sind nur in Spanien, dem ehemaligen Jugoslawien, Polen, der Slowakei, Rumänien und Bulgarien relativ zahlreich anzufinden. Einzig in Asien ist der Wolf noch weit verbreitet. Genaue Bestandszahlen der Länder sind allerdings, außer für Russland, oft unglaubwürdig oder fragmentarisch. 7 2 Morphologie 2.1 Anatomie Abb. 2.1 Skelett und innere Organe des Wolfes (OKARMA) Wie bei anderen Wirbeltieren auch, dient das Skelett des Wolfs dem Zusammenhalt und Schutz der inneren Organe. Die Wirbelsäule besteht aus 7 Halswirbeln, 13 Brustwirbeln, 7 Lendenwirbeln, 3 zum Kreuzbein zusammengewachsenen Kreuzwirbeln und 2023 Schwanzwirbeln. Alle Knochen sind zu ihr symmetrisch angeordnet. An den Brustwirbeln setzt je ein Paar Rippen an, wobei die ersten 9 mit dem Brustbein verwachsen sind, 3 Paare durch einen knorpligen Rippenbogen verbunden sind und das letzte Paar frei in der Muskelwand endet. Die Gliedmaßen sind vorn durch das Schulterblatt und hinten durch das Becken mit der Wirbelsäule verbunden. Der Schädel ist länglich, wobei der Gesichtsschädel länger ist, als der Teil, welcher das Gehirn umschließt. Am hinteren Teil setzt an der Hinterhauptsöffnung das Rückenmark an. Gegenüber den meisten Hunden ist das Gehirnvolumen eines Wolfes mit 140 bis 170 Kubikzentimetern rund 30 Kubikzentimeter größer. Charakteristisch ist der äußere Sagittalkamm, der sich 9 Morphologie von dem Zwischenscheitelbein verlängert und in dem äußeren Stirnkamm gabelt. Der Jochbogen ist, besonders bei älteren Individuen, weit zu den Seiten ausgewölbt. Die starken Unterkieferknochen wachsen im Verlauf der Individualentwicklung entweder sehr spät oder gar nicht zusammen. Ein weiteres für Beutegreifer typisches Merkmal ist der Penisknochen. Beim Wolf erreicht er eine Länge von 118 bis 160 mm. Das Scherengebiss des erwachsenen Wolfes hat 42 Zähne, darunter 12 Schneidezähne (Incisivi), 4 Eckzähne (Canini), 16 Vorbackenzähne (Prämolare) und 10 Backenzähne (Molare). Das Milchgebiss hingegen nur 28 Zähne, darunter 3 Schneidezähne, 4 Eckzähne und 3 Vorbackenzähne. Die zum Packen und Töten der Beute dienenden Eckzähne sind ja nach Art etwa zwischen 2,5 und 5,7 cm lang und leicht nach hinten gebogen. Zum, zerkleinern von Beutestücken dienen, mit einem Kieferdruck von 150kg/cm², der obere vierte Prämolar und der untere erste Molar. Die Nahrung wird nicht gekaut, sondern Fleischstücke werden abgerissen und im Ganzen verschlungen. Abb. 2.2 Wolfsschädel Ansicht von der Seite Zahnsymbole I – Incisivi C – Canini P – Prämolare M – Molare Mundhöhle, Speiseröhre, EinkammerMagen, Dünn und Dickdarmbilden das Verdauungssystem. Wobei letztere, wie bei den meisten Fleischfressern, gegenüber anderen Gattungen deutlich verkürzt sind. Nährstoffreiche Fleischnahrung erfordert wiederum auch keine so komplizierte Verdauung. Seine lockeren Wangen, die breite Mundöffnung sowie die Vorderbackenspalte 10 Morphologie verwehren es dem Wolf Unterdruck in der Mundhöhle aufzubauen und erklären somit die Tatsache, dass er Flüssigkeit „schlabbernd“ (OKARMA) aufnimmt. Die Zunge ist rau und fleischig. Sie dient dem Ablecken kleinster Nahrungsreste von Knochen. Eine dehnbare Speiseröhre erleichtert das Schlucken großer Bissen und Knochen. Der EinkammerMagen ist im Verhältnis zur Körpergröße mit bis zu 9 Liter Fassungsvermögen sehr groß. Seine Innenfläche ist gänzlich mit einer Schleimhaut beschichtet, die wiederum mit Drüsen ausgestattet ist. Der Dünndarm ist kurz, besitzt jedoch lange, dünne Darmzotten, welche die Absorbtionsfläche stark vergrößern. Der Dickdarm ist kaum breiter als der Dünndarm und glattwandig. Die Gesamte Darmlänge beträgt rund das fünffache der Körperlänge (maximal 7 m). Die rotbraune Leber setzt sich aus einer Reihe von Lappen mit tiefen Einschnitten zusammen. Die Nieren liegen beidseitig der Wirbelsäule in Höhe der letzten Rippe und haben Bohnenform. Die Harnblase, als besonderes Merkmal, ragt immer aus der Beckenhöhle in die Bauchhöhle. Der rechte Lungenflügel ist kleiner als der Linke, das Organ asymmetrisch. Das Herz hat Kugelform. Beide sind durch das Zwerchfell von der Bauchhöhle getrennt. Diese wird von dem für Fleischfresser üblichen „Netz“, einem abgeflachten, durchsichtigen Beutel, von den Seiten und dem Bauch her geschützt. Nur der ZwölfFingerDarm, Milz und Blase sind nicht bedeckt. Das streifenförmig angelagerte Fettgewebe des Bauchfells erleichtert die Darmperistaltik und besitzt thermoisolierende Eigenschaften. Es ist maschenähnlich von Blutgefäßen durchzogen und hat Vorratscharakter. 2.2 Erscheinungsbild Der mit einer Schulterhöhe von rund 60 bis 90 cm der größte Vertreter der Caniden erreicht in Mitteleuropa und Nordamerika von der Nasenspitze bis zum Schwanzansatz etwa 1 bis 1,5 Meter Länge. Abhängig von Region und Beute variieren Gewicht und Färbung zwischen durchschnittlich 20 (C. l. arabs) und 60 kg (C. l. albus), sowie von weiß, fahlgelb, rötlich, braungelb bis 11 Morphologie schwarz. Das Fell der Wölfe setzt sich aus drei Arten von Haaren zusammen: dem Deckhaar, dem Grannenhaar und der Unterwolle (Daunenhaar). Der gemeine Grauwolf wechselt nur einmal im Jahr sein Fell, und das im späten Frühjahr. Das darauffolgende kurze Sommerfell wächst dann im Spätherbst wieder zum Winterpelz aus, der eine Stärke von 6,6 cm erreichen kann. Einige Autoren behaupten auch, dass Wölfe von August bis September einen zweiten Haarwechsel vollziehen. Es besteht die Möglichkeit, dass der Prozess des Fellwechsels in verschiedenen geographischen Breiten unterschiedlich abläuft (OKARMA). Die langen Beine, der gestreckte Körper und der buschige, rund ein Drittel der Körperlänge messende Schwanz machen den Wolf zum idealen Läufer. Mit seinem langen, federnden Schritt kann er ohne Anzeichen von Ermüdung stundenlang eine Geschwindigkeit von rund 10 km/h halten. In Extremsituationen, wie Flucht oder Jagd, erreicht er sogar für wenige Minuten bis zu 60 km/h, wobei er durch seinen Schwanz selbst dann noch sehr wendig bleibt. Abb 2.3 Bewegungsarten des Wolfes A: Trab B: nicht eiliger Galopp C: voller Galopp (OKARMA) 12 Morphologie Im Trab (in einigen Quellen auch als Troll bezeichnet) setzen Wölfe ihre vierzehige Hinterpfote in die Spur der fünfzehigen Vorderpfote und diese im tiefen Schnee oder auf schwergängigem Gelände oft in die Spur des Vordermannes. Sie sparen dadurch Energie und vermeiden unnötige Fehltritte. In der Regel ist die Spur eines Wolfs gradlinig, was zum Beispiel Experten in Italien ausnutzen um sie von der ansonsten in allen anderen Merkmalen gleichen Spur großer Herdenschutzhunde zu unterscheiden. Die zurückgebildete fünfte Kralle der Vorderpfote nutzen diese Zehengänger, um sich an große Beutetiere zu krallen, bzw. diese niederzureißen. Beim Laufen wird sie nicht aufgesetzt oder abgenutzt und ist daher sehr scharf. Abb 2.4 Rechter Hinterlauf eines Wolfes (MONTY SLOAN) Zwischen den Zehen findet man die Sohlenpolster von steifen Haaren umgeben, welche unter anderem zur Wärmedämmung dienen und dem Tier auch auf glattem Untergrund besseren Halt geben. Die Größe der Pfoten beträgt beim Wolf zwischen 8 bis 10,8 cm mal 10 bis 14 cm vorn, sowie 6 bis 10,5 cm mal 8 bis 8 bis 13 cm hinten. 2.3 Fähigkeiten 13 Morphologie Allein mit seinen Augen könnte ein Wolf einen direkt vor ihm liegenden Gegenstand nur schwer erkennen. Durch die Vielzahl an Stäbchen in seiner Netzhaut und das sogenannte Tapetum licidum, ähnlich unserer Pigmentschicht, nur stärker in seiner Funktion, kann er aber selbst bei hoher Dunkelheit und großer Entfernung kleinste Bewegungen wahrnehmen. Die nach vorn gerichteten Augen ermöglichen ihm ein etwa 180 Grad großes Blickfeld. Am besten ausgeprägt und von weit größerer Bedeutung für das innerartliche Verhalten sind jedoch Gehör und Geruchssinn. Die am After und etwa 7,5 cm vor der Schwanzwurzel liegende Duftdrüse, auch als Violdrüse bezeichnet, sondert einen für jeden Wolf individuellen Duft ab, ähnlich einem Fingeranruck beim Menschen. Um also kleinste Unterschiede zum Beispiel bei Duftmarkierungen auseinanderhalten zu können, ist das Riechorgan entsprechend leistungsfähig. Mit einer Oberfläche von 130 cm² ist das Riechepithel des Wolfs um ein vielfaches großer als das des Menschen mit nur 5 cm². Ähnlich verhält es sich mit den Riechzentren im Vorderhirn, dem Bulbus olfactoris des Wolfes. Die Tiere können Beutetier oder Artgenossen schon auf 2 km erkennen, bei günstigen Windverhältnissen wahrscheinlich sogar aus noch wesentlich größerer Entfernung. Durch die unabhängig voneinander bewegbaren Ohrmuscheln kann der Wolf den Ursprungsort eines Geräusches, zum Beispiel ein 6 km entferntes Heulen, sehr genau bestimmen. Die Fähigkeit, Schall auch in Frequenzen von über 21000 Hz (Obergrenze des menschlichen Gehörs) wahrzunehmen, ermöglicht es ihm außerdem, Nagetierlaute im Ultraschallbereich unter der Erde zu hören. Die langen Haare an den Schnauzen sind Tastorgane. Untersuchungen zur Intelligenz des Wolfes gestalten sich etwas schwieriger. Wölfe besitzen die Fähigkeit, sich an verändernde Bedingungen anzupassen. Auch besitzen sie eine räumliche Vorstellung ihrer Umgebung, die sie zum Beispiel bei der Jagd brauchen, um selbst kleinste Deckungen perfekt ausnutzen zu können. Sie lernen leicht und können sich lange Zeit an gelerntes zurückerinnern. Gegenüber Hunden lösen Wölfe Probleme, die kombinatorisches Denken erfordern, besser und zielstrebiger (OKARMA). 14 3 Ökologie Der Wolf war einst, neben dem Bären, der größte Jäger unserer breiten. Zusammen mit dem Luchs übten diese beiden Beutegreifer einen großen Einfluss auf die Mortalität aller großen Huftiere in Europa aus. Ohne diese Jäger fällt dem Menschen diese Aufgabe zu. Dieser übernimmt sie jedoch nur in den seltensten Fällen im erforderlichen Maße. Wen überrascht es da, dass unser Wild immer mehr Schäden verursacht und seine Bestände unkontrolliert anwachsen. In diesem Kapitel wollen wir näher auf die Rolle des Wolfes in der Natur eingehen. 3.1 Lebensraum Von der polaren Kältewüste Grönlands bis zu den Sandwüsten der Arabischen Halbinsel kommt der Wolf in nahezu jedem Ökosystem vor. Bei der Wahl eines Gebietes sind das Vorhandensein von Wasser und Beute ausschlaggebend. Ein Platzt zum Anlegen einer Wurfhöhle ist nur von zweitrangiger Bedeutung. Während sich historisch der europäische Wolf durch den Menschen in die Wälder zurückgezogen hat, treten sie auf anderen Kontinenten auch in Wüsten, Halbwüsten, Steppen, Waldsteppen, Prärie, Taiga, Waldtundra, Tundra und hochgelegen Gebieten bis 5500 m auf. Für die Wurfhöhlen wählen sie gut geschützte, schwer zugängliche Plätze, die stets in der Nähe einer Wasserquelle liegen. Diese kann ein Bach, Fluss, See, Moor oder eine tiefe nicht austrocknende Pfütze sein. Wird der Bau nicht durch Menschen gestört, nutzen Wölfe ihn oft über mehrere Jahre. In Europa ist in den letzten Jahren eine Entwicklung zu verzeichnen, die als Gewöhnung an den Menschen gedeutet werden kann. Polnische Wölfe wurden verstärkt auch in der Nähe großer Städte, wie Gdańsk und Toruń sowie in Wäldern mit relativ hoher menschlicher Präsens gesichtet Unter dem Besiedlungsdruck des Menschen haben sich Italienischen Wölfe (Canis lupus italicus) sogar schon soweit in ihren Gewohnheiten und Umweltpräferenzen 15 Ökologie angepasst, dass sie zur Nahrungssuche regelmäßig auf Müllhalden ausweichen. Die natürliche Scheu ist jedoch weiterhin groß und von Menschen tagsüber stark frequentierte Orte werden selbst nachts nur mit äußerster Vorsicht betreten. 3.2 Räuber – Beute – Beziehung 3.2.1 Energiehaushalt OKARMA führt eine Untersuchung zum Grundumsatz an, die Aufschluss über die BioenergieUmwandlung beim Wolf geben soll. Ihr zufolge bleibt ein Wolf mit rund 7,28 bis 8,78 Liter Sauerstoff je Stunde etwa 15% unter dem mittleren zu erwartenden Grundumsatz eines Beutegreifers. In Extremsituationen, wie einem schnellen Sprint, kann der Umsatz aber auch auf mehr als das 33fache dieses Wertes steigen. Damit ist die Spanne zwischen Grundumsatz und maximaler Stoffwechselleistung mindestens dreimal so groß wie der Durchschnitt anderer Säugetiere. Der Wolf ist somit sowohl an kurzandauernde, intensive Anstrengungen, wie das Verfolgen von Beute, als auch an lange Perioden der Nahrungsknappheit sehr gut angepasst. In Gefangenschaft liegt der Tagesbedarf eines ausgewachsenen Tieres bei rund 0,03 kg Nahrung je kg Körpermase. In freier Wildbahn wird das drei bis vierfache dieses Wertes angenommen, was unter anderem auf den erhöhten Energiebedarf, die durch einen Teil des Kalorienüberschuss vermehrte Anlage von Fettreserven und eine unvollständige Verdauung großer Nahrungsmengen (bis zu 9 kg) zurückgeführt wird. Bei Jungtieren ist er noch einmal rund doppelt so hoch. Praktisch konnten wir die die schlechte Nahrungsverwertung an Kotproben sehen. In der Regel wurde schon kurze Zeit nach der Nahrungsaufnahme ein relativ dünner Kot abgegeben, der noch viel Fell, Knochen und andere feste Bestandteile enthält. Erst mit der Zeit wurden die Proben fester, was auf eine bessere Verdauung hindeutet. 16 Ökologie Abb. 3.1 Wolfskot links: kurz nach der Nahrungsauf nahme rechts: einige Zeit später Energieverluste durch die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur sind minimal. Das Fell der Wölfe besitzt ideale Isoliereigenschaften und die thermoneutrale Zone des Wolfs scheint besonders umfassend. Selbst bei Temperaturunterschieden von 50°C zwischen Sommer und Winter sowie Temperaturen von 30°C verlieren die Tiere außer über die Atemluft nur sehr wenig Energie an ihre Umgebung. 3.2.2 Aktivität Abb 3.2 Dösender Wolf (M. BARZ) Im Sommer ruhen Wölfe tagsüber oft an Plätzen Entsprechend der isolierenden Eigenschaften ihres Fells und der bei Anstrengungen daraus resultierenden Hitzeanstauung im Sommer dösen die Tiere zu dieser Jahreszeit tagsüber meist im Schatten. Sie werden dann erst gegen Abend aktiv und jagen in der Nacht. Jahresrhythmisch befinden sie sich 17 schattigen Ökologie in der sesshaften Phase die kurz vor der Geburt der Jungen beginnt und bis in den Spätherbst anhält. Jagdausflüge reichen in diesen Monaten nie weiter als 4 bis 13 km. Die Jungen werden währenddessen, nachdem sie mit 6 Wochen die Höhle endgültig verlassen haben an sogenannten Rendezvousplätzen von anderen, meist jüngeren Rudelmitgliedern behütet. Die Lage dieser Plätze wechselt mit der Zeit und die Dauer des Aufenthaltes an einem sinkt. Die Entfernung zwischen ihnen steigt von anfangs 1,5 auf rund 3 km. Wölfe ruhen in der Regel nach erfolgloser Jagd für ein paar Minuten, nach Zurücklegen eines längeren Streckenabschnittes für einige Stunden. Am längsten aber nach dem Fressen. Im Spätherbst, nachdem die Jungtiere schon an der Jagd teilnehmen, beginnt das Rudel zu wandern und kann dann an einem Tag 50 bis 70 km zurücklegen, wobei anfangs noch öfter Pausen eingelegt werden. PULLIAINEN berichtet 1965 sogar von einem Wolf, der in 24 Stunden eine Strecke von ungefähr 200 km zurückgelegt hat. GROSZCYŃSKI hat 1986 einen mittlere Tageslänge von 25,7 km bestimmt. Auf ihren Wanderungen verwenden Wölfe oft ausgetretene Wege anderen Tiere, zugefrorene Seen, Flüsse oder Bahngleise. Es scheint, dass Wölfe entlang sicherer Haupttrassen wandern und deren Kenntnis von Generation zu Generation weitergeben. 3.2.3 Selektion Wenn es um seine Nahrung geht ist der Wolf nicht wählerisch. Er ist Opportunist und frisst je nach geographischer Lage von den großen Paarhufern, wie Elch und Rentier, bis zu Vögeln, Insekten, Aas und Obst so ziemlich alles. Auf kleinere Beute wird meist nur in den warmen Monaten zurückgegriffen, wobei ihr Anteil an der Diät, mit Ausnahme des Bibers, in der Regel eine gewisse Grenze nicht überschreitet, wenn genügend große Beutetiere vorhanden sind. In einigen nördlichen Gebieten haben sich Wölfe auf Schneehasen (Lepus timidus) spezialisiert und wie bereits erwähnt sucht der Lupus italicus sein Futter vorwiegend auf Müllhalden, um nur zwei 18 Ökologie Sonderformen wölfischer Ernährung zu nennen. Hauptsächlich werden in Mitteleuropa Hirsch gerissen, gefolgt von Rehen und anderen großen Paarhufern, wie Elch und Ren, bei denen jedoch eher Jungtiere Opfer des Wolfes werden. Ein weiteres wichtiges Beutetier ist das Wildschwein. Risse adulte Tiere sind aufgrund ihrer Wehrhaftigkeit eher selten. Fälle, dass Wisente Beute des Wolfes wurden sind selten. Untersuchungen aus dem Białowieza Urwald, die weltweite bestätiung fanden belegen, dass Wölfe bei der Wahl ihrer Beute große Huftiere bevorzugen und unter diesen besonders den Rothirsch. Der Anteil anderer Tiere an der Diät des Wolfes hängt stark mit deren jeweiliger Verbreitung, Größe und Wehrhaftigkeit zusammen. Abb 3.3 Aufteilung des Ge biets der ehema ligen UDSSR in Regionen entspre chend der Gat tungen, die in der Nahrung der Wöl fe vorherrschen (nach BIBIKOW) Die Nahrungsaufnahme erfolgt, soweit die Tiere nicht gestört werden, stets gleich. Nach dem töten der Beute wird diese Schnell gefressen, wobei ein Wolf 9 kg oder mehr mit einem mal verschlingen kann. Zunächst wird der hintere Teil der Beute und die Bauchhöhle verzehrt. So an die Innereien gelangt, werden diese bis auf den Mageninhalt restlos gefressen werden. Bei großen Tieren bleiben oft nur stärkere Knochen, wie Schädel, Wirbelsäule und die der Gliedmaßen, sowie Pansen und Decke zurück. Nach dem vollständigen Stillen des Hungers ist in freier Wildbahn und auch in Gefangenschaft zu beobachten, dass Wölfe direkt am Fressplatzt oder in seiner näheren Umgebung meist erst für längere Zeit schlafen, bevor sie weiterziehen. 19 Ökologie Die Mechanismen der Selektion durch Wölfe sind noch nicht vollständig erforscht und allgemeine Aussagen schwer zu treffen. Oft treffen Ergebnisse, die in einem Gebiet gemacht wurden auf eine andere Population der selben Art oder die selbe Population zu einer anderen Zeit schon nicht mehr zu. Im folgenden werden wir uns auf einige Beobachtungen anderer Autoren beziehen. Der Selektion liegen verschiedene Faktoren zu Grunde. Zum einen die Kondition und Wehrhaftigkeit der Beute, zum anderen ihr Alter und Geschlecht. Aber auch Erfahrung und Kondition des Jägers sowie seine Situation, also ob einzelner Wolf oder Rudel, spielen eine Rolle. Zum Einfluss des Geschlechts stellten OKARMA und BOBEK für polnische Hirsche fest, dass der Anteil der Weibchen rund doppelt so hoch war, wie der der Männchen und dass er gegen Ende des Winters zunimmt. Da Hirsche in der Regel zwei Gruppen bilden und die Weibchen mit Kälbern die leichtere Beute sind, wird als mögliche Ursache angeführt. Untersuchungen an Rehen lieferten ähnliche Ergebnisse. Die meisten Männchen werden im Oktober und November kurze Zeit nach der Brunst gerissen, wo sie am schwächsten sind. Als gesichert gilt, dass Junge und ältere Tiere besonders häufig gerissen werden, was auf der testhetzenden Jagdweise der Räuber beruht. Die Beseitigung Schwacher, Alter, Junger und Kranker Individuen bezeichnet man als „Sanitäreffekt der Beutejagd“. In 90 Proben von Wölfen getöteter Hirsche fanden sich im frühen Winter 32% Kälber und im späten Winter sogar 51%. Diese bildeten jedoch nur 15% der Gesamtpopulation. Analysen der Kotproben aus dem BiałowiezaUrwald ergaben für die Winter 1984/1985 bis 1990/1991, dass Kälber 60% der Diät ausmachen. Der Anteil an den Funden von Beuteresten betrug im selben Zeitraum 39%. Ähnliche Angaben liegen aus dem russischen Teil des Nationalparks vor. Auch bei Wildschweinen liegt der Anteil der Frischlinge deutlich über dem ausgewachsener Individuen. Unter 221 von MURIE untersuchten Dallschafen waren 86% unter 2 oder über 8 Jahre alt. Von MECH untersuchte Risse unter den Elchen auf Isle Royal ergaben sogar 94%. Gegenüber der Gesamtpopulation machten die Jungen weniger als 25% aus. Wahrscheinlich ist der Anteil der Kälber sogar noch höher als bisher angenommen, da diese oft vollständig aufgefressen werden. 20 Ökologie Zur Kondition liegen kaum Studien vor. MURIE stellte fest, dass von Wölfen getötete Dallschafen zu 26% an einer Pilzinfektion des Unterkiefers litten, wodurch die Nahrungsaufnahme sowie Dauer und Intensität des Widerkäuens beeinträchtigt waren. Der Anteil bei den 28 jährigen lag interessanterweise bei 68%. Bei 15% der von MECH untersuchten Elche waren die Fettreserven des Knochenmarks fast vollständig verbraucht. Vier Funde, an denen noch weitere Untersuchungen möglich waren, enthielten zahlreiche Zysten des Blasenwurms, die nicht selten mehr als 2,5 cm im Durchmesser maßen. 21% der Elche litten an der selben Erkrankung wie Muries Dallschafe. Okarma untersuchte die physische Kondition von Hirschen in den Ostbeskiden ebenfalls anhand des Fettgehalts im Knochenmark. Obwohl dieses Verfahren sehr beliebt ist und oft nicht mehr von der Beute als die großen Knochen zurückbleibt, sind die zusammenhänge beim Abbau der Fettreserven noch nicht weit genug erforscht um mit Sicherheit auf die Verfassung der Tiere schließen zu können. Bisher steht fest, dass gegen Ende der Wintersaison der Fettanteil im Knochenmark sinkt. Da dies jedoch nicht nur für die gerissenen sondern alle Tieren der Population gilt, ist auch hier keine eindeutige Aussage zur Verfassung zu finden. Allgemein kann gesagt werden, dass Wölfe die für sie leicht erreichbaren Tiere reißen. Sie können vor der Hatz ihre Chancen abschätzen und brechen die Jagd schnell ab, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt. Ihre testhetzende Jagdweise ermöglicht es ihnen besonders die schwachen Tiere zu selektieren. In ihrem Verhalten und der Beutepräferenz können sich Wölfe innerhalb kürzester Zeiträume sehr schnell an wechselnde Umweltbedingungen anpassen. 3.2.4 Auswirkungen auf die Beutepopulation Das wohl umstrittenste und komplizierteste Thema der Ökologie ist die natürliche Regulation von Populationen. Zwischen Beutegreifer und Beute besteht ein kompliziertes System von In den USA fanden über die letzten 100 Jahre zahlreiche Untersuchungen statt. Hervorzuheben sind die Studien 21 Ökologie MECHS, vor allem an den Elchen von Isle Royal. Vor der Ankunft des Wolfs 1949 lebten auf der Insel außer dem Elch keine weiteren großen Pflanzenfresser. Seine Population war aufgrund von periodischer Überweidung, Nahrungsnot und darauf folgende Regeneration großen Schwankungen unterworfen. Mit Ankunft der Wölfe stabilisierte sich diese zunächst auf etwa 600 zu 23 Tieren, was einem Wolf auf 10000 kg Elche entspricht. Von den Jährlich rund 225 Kälbern rissen die Wölfe vorraussichtlich 140. Von den adulten Tieren 83. Demnach schienen sie den Bestand zu limitieren. Aus dem Aloquin Nationalpark lagen Berichte vor, dass die dortige Hirschpopulation (rund 100 bis 150 Hirsche je Wolf, also etwa 7000 bis 10000 kg) ebenfalls von Wölfen limitiert wurde. Da der Jasper Nationalpark meldete, seine Wölfe üben bei 40000 bis 50000 kg je Individuum nur einen geringen Einfluss aus, formulierte MECH die These, dass Wölfe bei einem Verhältnis von einem Wolf zu 10000 kg Beutemasse, unter natürlichen Bedingungen, einen limitierenden Einfluss auf die Beutepopulation ausüben. Verändert sich dieses Verhältnis zu Gunsten der Beute, so sinkt dementsprechend der Einfluss des Wolfes. Okarma hat dieses Verhältnis wie folgt dargestellt: Abb. 3.4 Einfluss des Wolfes auf eine Beutepopu lation I. Es sind nur wenige Individuen der Beuteart vorhanden. Als folge des Beutemangels, gibt es nur wenige Wölfe, die nur einen geringen Einfluss auf die Beutepopulation ausüben. II. Bei einer höheren Bestandsdichte der Beutetiere können Wölfe zu einem entscheidenden Regulations und Stabilisierungsfaktor für die 22 Ökologie Populationsstärke ihrer Beute werden. III.Wenn die Zahl der Beutetiere gegenüber der der Wölfe sehr hoch ist, verliert dieser aus zwei Gründen an Bedeutung: soziale Faktoren, wie Territorialität und begrenzte Vermehrung, hemmen das Wachstum der Wolfspopulation Tiere die nicht zum reproduzierenden Kern der Beutepopulation zählen werden leichter erreichbar Genauer Betrachten möchten wir in diesem Zusammenhang die Ergebnisse, die auf der Isle Royal gemacht wurden. Nach der Besiedlung der Insel durch Wölfe steigt der Elchbestand langsam auf rund 1000 Tiere an. Die 25 Wölfe scheinen jedoch ein weiteres Wachstum der Beutepopulation bis in die späten sechziger Jahre zu verhindern. Vermutlich soziale Spannung, ausgelöst durch ein zweites, neu etabliertes Rudel sorgen dafür, dass im Winter ganze Gruppen von jungen Wölfen über das Eis abwandern und die Zahl der Wölfe abnimmt. Zu beginn der siebziger Jahre folgen weitere kalte Winter mit hohen Schneelagen. Den aufgrund der Überweidung und daraus resultierender Naherungsknappheit ohnehin schon geschwächten Elchen gelingt es immer seltener sich im tiefen Schnee vor Wolfsangriffen zu schützen und das Verhältnis zwischen den beiden Populationen drehte sich dramatisch. Im Sommer kam den Wölfen die hohe Biberpopulation zugute und so konnten sie sich in kurzer Zeit stark vermehren. 1980 waren es schon 50 Tiere auf 650 Elche. Die sich regenerierende Natur und milde Winter in den folgenden Jahren lassen die Elche wieder erstarken. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Wölfe aufgrund ausbleibender Beute, sozialer Spannungen und immer häufiger auftretender Auseinandersetzungen zwischen den Rudeln ab. 1982 leben nur noch 19 Wölfe auf der Insel. 1983 hatte sich das scheinbar stabile Verhältnis von 23 Wölfen zu 900 Elchen eingepegelt. Diesmal vermehrten sich die Elche ungebremst auf rund 2000 Tiere im Winter 1988, während die Zahl der Wölfe auf 11 Tiere sank und es 1989, trotz ausreichend leicht erreichbarer Beute und einer Vielzahl an Kadavern keinen Nachwuchs mehr gab. Als Ursache hierfür wurden zunächst Krankheiten, wie die Staupe angenommen. Nachdem 23 Ökologie PETERSON 1989 von der Nationalparkverwaltung die Erlaubnis erhielt Tieren Blut abzunehmen, musste er bei der Analyse bestimmter DNSMoleküle im Blut feststellen, dass sie bei allen vier gefangenen Tiere übereinstimmen. Alle Tiere der Insel scheinen auf ein reproduzierendes Weibchen zurückzugehen, dass 1949 eingewandert war. Dadurch sind vorraussichtlich 50 Prozent der genetischen Variabilität verloren gegangen. Abb 3.5 Verhältnis von Wölfen und Elchen auf der Isle Royal (ZIMEN) 3.2.5 Verhältnis zu anderen Räubern Füchse, Marder, Vielfraße, Marderhunde, Waschbären und selbst schwache oder kleine Bären stehen mit auf dem Speiseplan des Wolfes. Sie werden jedoch nicht direkt bejagt. Fälle, dass ein Luchs gerissen wurde sind selten, meist können die Tiere auf Bäume fliehen. Die Wechselbeziehungen zwischen beiden Arten sind kaum bisher erforscht. Der Wolf steht an der Spitze der Nahrungskette und braucht keine natürlichen Feinde zu fürchten. Anderen großen Räubern, wie zum Beispiel Bären geht er in der Regel aus dem Weg. Bei der Verteidigung der Wurfhöhle oder der Beute kann es vorkommen, dass ein Wolf stirbt (OKARMA). Füchse und Marder folgen teilweise Wolfsspuren und ernähren suich von Beuteresten. Einige Quellen berichten zwar von einer gewissen Toleranz gegenüber Füchsen, es ist aber nicht auszuschließen, dass Wölfe Füchse töten. Die höchste Wahrscheinlichkeit besteht hierzu, wenn der Fuchs an der Beute überrascht wird (MECH). Unsere heimischen Raubtiere haben sich an die Jagd von Marderhunden angepasst und suchen häufig seine Baue auf. Gegenüber den Großkatzen, wie Tiger, Leopard usowei Schneeleopard, verhält sich der Wolf zurückhaltend. Genauere Untersuchungen 24 Ökologie liegen kaum vor. Die Beziehung zwischen Wolf und Dachs sind komplexer. In einem Gebiet können beide Arten über lange Zeit friedlich auf engstem Raum koexistieren. Allerdings nutzen Wölfe gern Dachsbaue als Wurfhöhlen und töten dann die ganze Population. In einigen Regionen haben sich Wölfe auf die Jagd von Hunden spezialisiert, in anderen töten sie Streuner, ohne diese zu fressen. Mangelt es in einem Gebiet an Männchen neigen Fähen dazu sich mit Hunden zu paaren. Andersherum, fehlt es an Weibchen paaren sich Wölfe in der Regel nicht oder in den USA mit Kojoten, die sie aufgrund ihrer Größe leicht dominieren können. Die Hybridisierung stellt ein Hauptproblem des Wolfmanagements dar. WolfsHundHybriden sind entschieden weniger Scheu gegenüber Menschen. Sie neigen dazu im Sommer Gruppen von mehr als einem dutzend Tieren zu bilden und wenden Jagdtechniken des Wolfs an, wobei sie Beute auch über relativ Große Entfernungen von bis zu 4 km hetzen. Wölfsrudel beanspruchen ein Revier oder Territorium, dass je nach Terrain und Verteilung der Beute von einem Dutzend bis zu 13000 km² umfassen kann (MECH). Einzelne Reviere können einander überschneiden. Bei Rudeln, die migrierenden Beutepopulationen folgen, sind sie oft nicht genau bestimmbar. Konfrontationen zwischen zwei Rudeln oder zwischen Rudeln und ziehenden Wölfen kommt es sehr oft zu Kämpfen die nicht selten auch Opfer fordern. Schon der Verlust eines Tieres kann erheblichen Einfluss auf den Jagderfolg der Population haben. Daher markieren, in der Regel die ranghohen Tiere, das Territorium, zum Beispiel durch Kotentleerung oder Duftmarken, die anders als beim üblichen Urinieren mit gehobenen Bein abgegeben werden. Zum Rand des Reviers hin nimmt die Dichte der Markierungen zu. Fremde Individuen können anhand dieser Marken und ihrer Frische abschätzen ob das Rudel im jeweiligen Gebiet ist. Dadurch werden die Territorialgrenzen flexibler und Pufferzonen entstehen, die von ziehenden Wölfen genutzt werden können. 25 Ökologie Eine weitere Methode der Terrtorialkennzeichnung ist das Heulen. Benachbarte Rudel antworten. Die Häufigkeit des Heulens unterliegt Jahreszeitlichen Schwankungen und ist gegen Ende des Winters (Paarungszeit) und Mitte August (Antworten der Jungen und des Rudels von Rast und Sammelplätzen ). Weiter antworten Wölfe häufig an frischen Rissen (OKARMA). Das Risiko einer zufälligen Konfrontation ist somit relativ gering. 26 Ökologie 3.3 Wolfsmanagement in Mitteleuropa In den letzten Jahren führten JĘDRZEJEWSKI, JĘDRZEJEWSKA, NOWAK und NIEDZIAŁKOWSKA Untersuchungen zur Situation der Wölfe in Nordpolen durch, auf deren Ergebnisse wir uns hier aufgrund der Parallelen zum Osten Deutschlands und der geographischen Nähe beziehen wollen. Ergebnisse der südpolnischen Untersuchungen gehen nur in Bezug auf die RäuberBeuteBeziehung ein. Im Norden des Landes wurden 134 Sektoren zu einem Radius von 14 km gewählt und verglichen. In 72 Sektoren wurde die Präsenz von Wölfen nachgewiesen. Es ergab sich eine durchschnittliche Rudelgröße von rund 4 Tieren (bei maximal neun Tieren je Rudel). In besiedelten Sektoren meiden Wölfe hauptsächlich stark frequentierte größere Staßen sowie Eisenbahnstrecken. Weniger frequentierte und regionale Straßen scheinen kaum Einfluss auf ihr Zugverhalten auszuüben. Ein typisches und das zweitwichtigste Merkmal der Wolfsterritorien ist eine hoher Waldanteil (50,5% bei Werten zwischen minimal 11% und maximal etwa 80%) mit zusammenhängenden Waldstücken (Durchschnittlich 17,7 unzusammenhängende Wälder je Sektor gegenüber 20,2 in nicht von Wölfen besiedelten Gebieten). Weiter bevorzugen Wölfe eine geringe Siedlungsdichte und Gebiete mit ausreichend Seen (3,4 km² je Sektor). Beim OstWest Vergleich ergab sich, dass Rudel in Nordwestpolen in der Regel nur halb so groß waren, selbst wenn der Anteil der Wälder dort größer war (34% gegenüber 29% im Osten). In beiden Teilen des Landes meiden Wölfe die Hauptverkehrswege und bevorzugen bewaldete Gebiete. Es wird jedoch auch von Fällen berichtet, in denen den Tieren nur ein sehr kleines Rückzugsgebiet bleibt und sie auf offenen Flächen jagen. Der einzige signifikante Unterschied zwischen den Landesteilen, besteht in der Dichte des Eisenbahnetzes, die, wie sich herausstellte, im Westen doppelt so hoch ist. Man untersuchte darauf hin das Verhalten der Wölfe gegenüber Zügen und Strecken. Nur für den Westen konnte nachgewiesen werden, dass sie von den dort lebenden Wölfen gemieden werden. Als letzter und wahrscheinlich wesentlichster Faktor für ein Revier 27 Ökologie wird seine Nähe zur ostpolnischen Grenze, beziehungsweise der dort lebenden Population angeführt (bis zu 640 km). Diese Entfernung liefert Aufschluss über die Wahrscheinlichkeit einer Wolspräsenz. Durch Nordpolen verlaufen die wichtigsten Migrationskorridore. Sie und die noch zahlreichen Bestände im Osten des Landes sind von grösster Bedeutung für die Verbreitung des Wolfs in Mitteleuropa. Behindert wird diese zum Beispiel durch die Anlage neuer Autobahnen, dem Ausbau des Eisenbahnnetzes, der Rodung von Wäldern und den Siedlungsdruck durch den Menschen. Wölfe tendieren dazu von Menschen geschaffenen Komplexe zu meiden. Um eine Migration in OstWestRichtung zu sichern müssen bestehende Waldkorridore unter Schutz gestellt werden und besonders in Zentralpolen neue Korridore geschaffen werden. Dies würde in Verbindung mit der Aufklärung von Landwirten über mögliche Schutzmaßnahmen unter anderem auch die Zahl der Risse senken. Eine Gefährdung von Vieh entsteht nämlich genau dann, wenn den Wölfen ungenügend bewaldetes Gebiet, nur stark fragmentierte Wälder oder zuwenig leicht erreichbare Beute in Form von großen Huftieren zur Verfügung steht. Ein weiterer Faktor ist, wie gesagt, fehlender oder mangelhafter Schutz sowie eine hohe Zahl weidenden Viehs. In einer Studie von 1999 führt OKARMA an, dass Wölfe dazu übergehen Haustiere zu reißen, wenn es ihnen an ihrer eigentlichen Beute fehlt. Als eine Ursachen hierfür nennt er die mangelnde Anpassung bei den jährlichen Abschüssen an die Bedürfnisse der großen Beutegreifer. Vorkommen an Beutegreifern Jährlicher Zuwachs in Prozent des Frühjahrsbestandes Rotwild Rehwild Fehlen von Beutegreifern max. 30% max. 30% Wolfsvorkommen 20% 25% Vorkommen von Wolf und Luchs 15% 15% 28 Ökologie Besonders im Süden des Landes werden gegenwärtig Schutzverfahren gegen Wolfsübergriffe getestet. Die wichtigsten sind, Lappen und Elektrozäune, denen Wölfe in der Regel ausweichen, Herdenschutzhunde, Hüten der Schafe und Abschreckungsmaßnahmen wie Gummigeschosse. In der Schweiz werden zusätzlich Esel auf eine Tauglichkeit als Herdenschutztiere untersucht. Von der Anwendung nur einer Maßnahme ist jedoch abzuraten. Wölfe sind sehr anpassungsfähig und können zum Beispiel ihre Jagdtechniken weitestgehend an Herdenschutzhunde anpassen, gewöhnen sich an Zäune und suchen Schwachstellen oder vergessen eine einmalige schlechte Erfahrung mit Gummigeschossen wieder. Besondere Leistungen auf dem Gebiet der Aufklärung hat der Naturschutzverband „WOLF“ (AfN Wolf) erbracht. Er setzt sich unter anderem auch für den Schutz großer Beutegreifer ein und hat die Beobachtung der Wolfspopulation in den südpolnischen Karpaten übernommen. Wir konnten im März 2004 an einem ihrer Seminare teilnehmen und verdanken seiner Präsidentin, Frau Dr. Sabina Nowak, viele zusätzliche Informationen zu Wölfen und ihrem Schutz in Polen. 29 4 Verhalten Fast alle hier angestellten Betrachtungen zum Verhalten der Wölfe beziehen sich auf die Ergebnisse, zu denen Erik Zimen nach jahrelanger Beobachtung der von ihm aufgezogenen Wölfe kam. Zwar waren alle diese Wölfe an den Menschen gewöhnt und es kann so nie mit voller Sicherheit gesagt werden, ob sie sich in freier Natur auch so verhalten, aber viele Untersuchungen zum Beispiel der Verhaltensentwicklung der Welpen waren nur auf diese Art und Weise möglich. Erik Zimen hat durch seine jahrelangen Beobachtungen und Arbeiten mit den Wölfen allein einen Verhaltenskatalog, ein Ethogramm mit insgesamt über 350 Verhaltensweisen aufgestellt, und ist einer der berühmtesten Forscher, die sich mit Wölfen beschäftigt haben. Auf dem Gebiet der Ethologie ist er neben den sonst eher auf Ökologie bedachten Kollegen Okarma, Mech etc. sicher auch einer der wichtigsten. Viele seiner Beobachtungen konnten wir bei Rudel des Wildparks in Groß Schönebeck bestätigt finden, nur dass man natürlich in 15 Tagen nicht einmal annähernd die Erkenntnisse und Theorien erarbeiten kann, wie Zimen in seiner jahrelangen Zeit mit den Wölfen. Daher werden in diesem Kapitel hauptsächlich die Erkenntnisse Erik Zimens über die Ethologie der Wölfe vorgestellt. 4.1 Die Entwicklung des Verhaltens 4.1.1 Die Entwicklung des Verhaltens Wolfwelpen werden nach etwa 6175 Tagen Tragzeit in einer meist von der Mutter selbst gegrabenen Höhle zur Welt gebracht. In den ersten 10 Tagen ihres Lebens beschränken sich ihre Regungen auf Winseln, ein wenig Herumrobben und das Saugen mit dem typischen Milchtritt. In der nächsten Dekade werden sie zwar etwas beweglicher, reagieren auf verschiedene Reize, wie laute Geräusche oder Licht, sind aber immer noch sehr hilflos, unbeweglich und eigentlich nur auf das Saugen an den Zitzen der Mutter 31 Verhalten bedacht. Diese finden sie, weil sie, sobald sie mit ihrem Kopf an etwas Warmes stoßen sich sofort in diese Richtung bewegen. So finden sie auch ihre Geschwister, um sich untereinander zu wärmen, falls die Mutter sich nicht in der Höhle befindet. Anfangs tut sie das aber lange, wobei ihr Futter zunächst meist vom Alpharüden zugetragen wird Nach 20 Tagen folgt bei den Welpen ein enormer Entwicklungssprung. Aus den winzigen Fellknäulen mit den kurzen Beinchen, hängenden Ohren und bis zum 14. Tag noch ungeöffneten Augen, werden kleine Wölfe. Die Beine strecken sich und werden kräftiger, die Ohren stellen sich auf, erste, spitze Milchzähne wachsen und die Schnauze wird insgesamt länglicher. Um ein Vielfaches größer ist jedoch der Schritt in der Verhaltensentwicklung. Die ersten angeborenen Verhaltensweisen, der Milchtritt, der Saugreflex, einfache, reflexartige Reaktionen auf Umweltreize und Ansätze von Spielverhalten – sie versuchen, sich gegenseitig zum Beispiel in den Rücken zu beißen – werden abgelöst durch erste eigene Erfahrungen außerhalb der Höhle, wohin die Mutter die Welpen nach 3 Wochen das erste Mal trägt. Nach Erik Zimen entwickeln sich allein in den letzten zehn Tagen ihres ersten Lebensmonates 60% aller „wölfischen“ Verhaltensweisen, nach weiteren zehn Tagen sind es schon 80%, wobei letztendlich nur noch die Verhaltensweisen, die später mit Fortpflanzung zu tun haben, fehlen, also das Sexualverhalten, das Gebären und die Aufzucht eigener Welpen. Das erste von Zimens selbst aufgezogenen Weibchen kümmerte sich allerdings schon mit nur 3 Monaten um ihre zwei Monate jüngeren Welpen, was vermuten lässt, dass auch diese Anlagen vorher vorhanden sind, nur nicht früher ausgelöst werden, denn wenn sie selbst das erste Mal Kontakt mit Welpen haben, sind sie 1 Jahr alt, die Geschlechtsreife erreichen sie durchschnittlich im Alter von 2 Jahren. Die Welpen werden etwa bis zur zehnten Woche gesäugt, danach wird ihnen, anfänglich durch die Mutter, später mehr und mehr auch durch andere Rudelmitligeder, Futter zugetragen. Die Welpen erlernen die Verhaltensweisen für ihr späteres Leben vor allen Dingen im Spiel. 32 Verhalten Abb 4.1 Welpen beim Spiel (Quelle: Monty Sloan 2004) Noch bevor sie selbst wirklich Fleisch fressen, oder die Möglichkeit haben, eigene Beute zu töten, schleichen sie sich an, springen, beissen und schütteln eine vermeintliche Beute, wie Fellstücke oder auch ihre eigenen Geschwister. Ein großer Teil ihres Verhaltensreportoires ist angeboren, alles, was sie erlernen müssen, ist die richtige Verbindung einzelner Elemente einer Handlungskette. Im Laufe dieses Prozesses treten anfangs unsinnige Kombinationen auf, wie zum Beispiel das Zubeißen zuerst, und das Anschleichen am Ende. Erfahrungen wiederum mit der Wölfin Anfa zeigten aber auch hier, dass die korrekte Ausführung im Ernstfall schon erstaunlich gut gelingt. Grundlegend wissen Wölfe also, wie man jagt, nur was man jagt, muss wiederum erlernt werden. Ausgelöst wird das Jagdverhalten bei allen Wölfen durch das Fluchtverhalten der Beute. Haben sie Erfolg, ist das eine positive Erfahrung, und der Jagdeifer für diese Art der Beute verstärkt sich. Haben sie keinen Erfolg, bzw. müssen erfahren, dass für sie ein Beutetier (noch) nicht erlegbar ist, lassen sie nach wenigen Versuchen davon ab. In freier Natur kann Energieverschwendung tödlich sein, somit müssen sie effektiv lernen, was sinnlos ist und was nicht. Letztendlich schätzen sie ihre Chancen besser ein, als mancher Haushund. 33 Verhalten 4.1.2 Sozialisation und Flucht Anhand seiner Beobachtungen mit verschiedenen Generationen junger Wölfe, deren Verhalten in bestimmter Umgebung ihm oder Fremden und später besonders anderen Wölfen gegenüber, nennt Zimen das Sozialisation und das Fluchtverhalten als wichtige beteiligte Faktoren an der Entwicklung sozialer Bindungen der Welpen. Diese zwei voneinander getrennten Erbfaktoren werden wahrscheinlich zu verschiedenen Zeitpunkten der Entwicklung der Jungen ausgebildet und beeinflussen sich später wechselseitig. Zu erkennen war, dass 3 Wochen alte Welpen sich weit scheuer verhielten als die komplett ab ihrem sechsten Lebenstag von Zimen aufgezogene Anfa. Die Welpen zeigten Ansätze der Flucht bei der Fütterung und wurden mit der Zeit nur noch scheuer, nur selten zeigten sie, in einiger Entfernung, den Versuch eines freundlichen Kontaktes: sie wedelten mit dem Schwanz, zogen die Ohren nach hinten, knickten in den Hinterbeinen ein und näherten sich dem Menschen kurz, rannten aber immer wieder davon. Vollkommen unmöglich war die Gewöhnung bei einem 5 bis 6 Wochen alten Welpen, spätestens dann ist also die Zeit einer möglichen, normalen Sozialisation an den Menschen überschritten. In einigen Versuchen wurde zwar gezeigt, dass man, mit unglaublichem Zeitaufwand, der kompletten Isolation eines Wolfes und mit Hilfe von Medikamenten auch erwachsene Tiere noch an den Menschen annähern konnte, aber natürlich entspricht dies nicht den natürlichen Bedingungen, unter denen Welpen aufwachsen. Somit wird die Sozialisationsphase innerhalb einer kurzen Periode der ersten Lebenswochen eingeordnet, und findet bevorzugt mit größeren, vertrauten Individuen statt. Da sich auch das Fluchtverhalten sehr früh entwickelt, soll so eine Sozialisation an Artfremde verhindert. Eine Sozialisation an den Menschen kann also nur stattfinden, wenn das Fluchtverhalten durch frühe Gewöhnung unterdrückt wird. Bei Hunden ist die Fluchttendenz weit weniger stark und die Sozialisationsphase länger, werden Hundewelpen doch mit 6 bis 10 Wochen erst von ihren Wurfgeschwistern und der Mutter getrennt, und entwickeln 34 Verhalten trotzdem noch eine starke Bindung an den Menschen. In einem ihnen bekannten Gebiet, zum Beispiel nahe ihrer Höhle, begrüßen Wolfswelpen für sie fremde Wölfe besonders stürmisch. Sie haben keine Angst vor den unbekannten ihrer eigenen Art, oder, im Falle der Aufzucht durch den Menschen in ihrem Revier keine Angst vor fremden Menschen. So bevorzugte Anfa, auf dem Gehöft „ihrer“ Menschen teilweise Fremde vor ihrem Ziehvater. Bei neu in ein anderes Rudel eingeführten Welpen gelang dies bis zum Alter der Welpen von etwa 8 bis 10 Monaten fast immer ohne Probleme. Es kann vorkommen, dass sich im Sommer einzelne Wölfe oder auch kleine Gruppen vom Rudel trennen und sich diesem erst später wieder anschließen. Dann sind aber für sie fremde Wölfe, die Welpen im Rudel. Diese kennzeichnen sich nun schon von weitem als solche, stürmisch aber unterwürfig, und verhindern somit, dass die anderen Wölfe sie angreifen. Dieses Verhalten hat also den Sinn, Aggressionen anderer, erwachsener Wölfe zu unterdrücken, um stattdessen Pflegeverhalten auszulösen. 4.1.3 Erlernen von Signalbedeutungen Um mit den anderen Wölfen des Rudels kommunizieren zu können, müssen die Welpen erst die Bedeutung der verschiedenen Signale kennenlernen. Sie müssen die Verbindung herstellen können zwischen der Form und der Bedeutung eines Signals. Interessant ist hierbei wiederum, dass die Jungen zwar ein Signal ausführen, richtig an den Empfänger „senden“ aber selbst die Signale des anderen noch nicht verstehen. Die meisten Verhaltensweisen, die der Kommunikation dienen, dürften angeboren sein, denn auch Anfa, die anfangs ganz ohne Kontakt zu Artgenossen aufgewachsen ist, führte Signale korrekt und der Situation entsprechend aus. Welpen begrüßen erwachsene Wölfe, indem sie mit eingeknickten Hinterbeinen, eingeklemmtem, nur in der Spitze wedelndem Schwanz und tief gehaltenem Kopf mit angelegten Ohren auf diese zurennen. Dabei winseln sie meist aufgeregt, und springen, wenn sie den anderen Wolf erreicht haben, an 35 Verhalten ihm hoch und lecken ihm die Schnauze. Daraufhin werden die Erwachsenen die Welpen beriechen, ihnen manchmal das Fell lecken und wenn es ums Füttern geht, das im Magen transportierte Fleisch erbrechen. Wenn die Welpen allerdings zu aufdringlich in ihrem Verhalten werden, kann auch eine Drohung erfolgen, welche die Welpen allerdings nicht im geringsten zu beeindrucken scheint,denn die Erwachsenen führen die angedrohte Strafe nie aus. So lernen auch hier die Jungen die Bedeutung von Signalen im Spiel untereinander. Ihre Spiele sind oft besonders rauh und es gibt viel Geschrei. Doch müssen die Welpen bis zum 8. bis 12. Monat die Signale verstehen können, denn dann verlieren sie ihren „Babyschutz“ und müssen auf eine Drohung richtig reagieren können. Nur wenige Signalbedeutungen sind angeboren, dazu gehört zum Beispiel. eine Fluchtreaktion, wenn einer der Welpen schreit, oder wenn die Mutter ein warnendes Wuffen von sich gibt. Auch die Beißhemmung erlernen die Welpen erst voneinander. Diese soll in der Regel verhindern, dass bei Auseinandersetzungen fest zugebissen wird und somit jedesmal schwerwiegende Verletzungen entstehen. Dass sie bei den Welpen nicht abgeboren ist, ist daran zu erkennen, dass ihre Spiele, wie kurz vorher erwähnt, sehr rauh sind. Erst dadurch lernen sie, das ihr eigenes festes Zubeissen auch festes Zubeissen der anderen zur Folge hat, der Lernprozess beruht also auf der unangenehmen Erfahrung der Schmerzen. Die Beißhemmung der adulten Wölfe gegenüber den Welpen, die ja hier nicht auf der Angst vor den Welpen beruhen kann, könnte durch angeborene Hemmungsmechanismen begründet sein. Diese werden auch von unterlegenen Wölfen ausgenutzt. Sie machen sich klein und zeigen etwa das Verhalten, was sonst die Welpen zum Beispiel beim Betteln um Futter zeigen: „Ich bin hilflos, und liefere mich dir aus, als „Kind“ bin ich keine Konkurrenz“. Sie machen sich die Beißhemmung der Adulten gegenüber den Welpen zu Nutze, was aber nicht in jedem Fall (zum Beispiel nicht im Ernstkampf) Wirkung zeigt. 36 Verhalten 4.2 Das Verhalten im Rudel 4.2.1 Innerartliche Kommunikation Kommunikation ist eine von einem Tier (Sender) auf ein anderes Tier (Empfänger) gerichtete Aktion (Signal), die das Verhalten des Empfängers verändert. Die Tiere müssen der gleichen Art angehören, wobei aber eine Aktion auch allgemein, und nicht auf einen bestimmten Empfänger bezogen sein kann. Die optische Kommunikation nimmt bei Wölfen einen hohen Stellenwert ein und enthält, da sie im Rudel leben, weit mehr verschiedene Signale. Die Körperhaltung wird zum Beispiel zum Signal, sobald sie von der normalen, nämlich aufrecht mit locker herunterhängendem Schwanz, glattem Gesicht und Lippen, abweicht. Zu den verschiedenen Faktoren, die die Kommunikation zwischen zwei Tieren beeinflussen gehören unter anderem deren Geschlecht und Alter, der Rangunterschied zwischen ihnen wie auch der Ort des Geschehens oder die Motivation der Tiere. Genauere Betrachtung wurde nun den Ausdruckselementen der Angst und der Wut gewidmet. Ein Modell dazu erstellte schon Lorenz. Abb. 4.2 Ausdrucksmodell (LORENZ) 37 Verhalten Unter a erkennen wir die Normalhaltung, nach c wird zunehmende Angst ausgedrückt, nach g zunehmende Wut, und bei i hätte man letztendlich die stärkste Überlagerung der beiden. Den ersten Einwand, den Zimen nun gegen dieses Modell vorbrachte, waren Beobachtungen bei den Ernstkämpfen seiner Wölfe. Er beschreibt, dass dabei vorher keinerlei Vorwarnung stattfindet. Weder akustische noch (zumindest nicht für uns erkennbare) optische Signale bereiten den Angriff vor. Die Körperhaltung entspricht der normalen, und demnach müsste also an Stelle des Bildes für die größte Wut die Normalhaltung in Lorenz‘ Modell abgebildet sein. Auch wird der Ausdruck maximaler Wut und Angst von einem Tier nur in größter Bedrängnis und somit in höchster Verteidigungsbereitschaft gezeigt. Dabei hat es sicher größte Angst, doch auch größte Wut? Nach diesen Überlegungen entwickelte Zimen sein eigenes Modell, wobei er ausgeht von der Angst (vor Verletzungen) und von Aggression als Angriffstendenz. Trotz der Möglichkeit der anfänglichen Überlagerung, hemmen sich diese beiden Triebe gegenseitig. Je größer die Angst also, desto weniger Wut kann der Wolf gleichzeitig empfinden und andersherum, bis letztendlich bei größter Angst wahrscheinlich gar keine Wut mehr empfunden wird. Abb 4.3 Ausdrucksmodell (ZIMEN) 38 Verhalten Demnach bleibt bei Zimen die obere Ecke frei. Im Verhalten des Wolfes zeigt sich die Stärke der Angst in Relation zur Angriffstendenz. Wenn ein Wolf also beginnt, Angst zu empfinden wird er Ausdruckselemente zeigen, die das Fehlen jeder Aggression und Angriffstendenz ausdrücken. Erst wenn die Angriffstendenz des Gegners stärker wird, kommt es zur Verteidigung oder letztendlich auch zur Flucht. Wenn hingegen die Angriffstendenz steigt, kommt es zu den üblichen Rangdemonstrationen des Wolfes, greift er allerdings ernsthaft an, ist dies erst am Verhalten selbst zu erkennen. Die meisten aggressiven Verhaltensweisen treten aber gehemmt auf, denn die Tiere haben Angst vor ihrem Gegner, beziehungsweise Angst vor Verletzungen, die aus dessen Reaktion hervorgehen könnten. So wird auch die vorher erwähnte Beißhemmung nicht nur, wie Lorenz meinte, durch Demutsverhalten ausgelöst, sondern eben durch die Angst des Angreifers, selbst gebissen zu werden. Normale Auseinandersetzungen werden meist durch Drohen, Imponieren etc. und entsprechende, unterwürfige Verhaltensweisen des Gegenübers gelöst. Angegriffen wird oft auch nur mit Hilfe des Körpergewichts. Nebeneinanderstehend drückt der Ranghöhere mit seinem Hinterkörper gegen den des Gegners, welcher mehrmals gegen die Halspartie des Gegners schnappt. Dieser wendet dann den Kopf ab, und präsentiert den Hals. Abb 4.4 Imponieren mit Halsdarbieten 39 Verhalten Da mit dem Kopf die gefährlichste Waffe abgewandt ist, hört der andere meist auf zu schnappen, täte er dies nicht, wäre die Reaktion des Angreifers wahrscheinlich um vieles heftiger. An diesem Beispiel wird klar, wie fein abgestimmt das Verhältnis von Angst und Angriffstendenz des Angreifers zu Angst und Verteidigungsbereitschaft des Verteidigers ist. Beim Imponieren sind die Rückenhaare gesträubt, der Blick ist abgewandt und die Körperhaltung angespannt, beim Drohen Abb. 4.5 Drohhen links: Angst rechts: Aggression handelt es sich um das bekannte Zähneblecken, jeweils etwas abgewandelt nach Verteidigungs oder Angriffsstellung. Einen Ausdruck für freundliche Stimmung findet sich im schon vorher beschriebenen Begrüßungsverhalten der Welpen. Die Aktive Unterwerfung ähnelt diesem sehr, und es wird vermutet, dass sie aus dem Futterbetteln entstanden ist. Allerdings zeigten Zimens Welpen schon vor der Aufnahme fester Nahrung Ansätze von aktiver und passiver Unterwerfung. Abb. 4.6 Passive und aktive Unterwerfung 40 Verhalten Ein Erklärungsversuch ist, dass sich im Laufe der Evolution bestimmte Verhaltensweisen im Dienste der Signalwirkung verändert haben, auch “Ritualisierung” genannt. Weiterhin ist die Verständigung über den Geruchssinn wichtig. Wölfe erkennen einander am Geruch, und sie erhalten und geben Informationen auch durch ihr Markierungsverhalten. Besonders wichtig ist hier das Spritzharnen. Dabei wird eine kleine Menge Urin schräg gegen einen Gegenstand gespritzt und dabei das Bein gehoben. Normales Urinieren in Hockstellung sowie Koten haben hauptsächlich ausscheidende Funktion und tragen die jeweilige Geruchsinformation eher nebenbei. Das Spritzharnen dagegen ist echtes Markierungsverhalten und wird nur von den geschlechtsreifen und ranghohen Wölfen des Rudels ausgeführt, ein paar Schritte daneben setzen sie meist durch Kratzen mit allen Vieren auch noch eine optische Markierung. Untersuchungen von David Mech und Roger Peters von freilebenden Wölfen in Minnesota ergaben, dass rund 4 mal pro Kilometer entlang regelmäßig benutzten Wanderwegen markiert wurde, hier besonders an Wegkreuzungen und an vorher von anderen Wölfen markierten Stellen. Aus den Erkenntnissen, dass gehäuft an Grenzen oder Überschneidungsgebieten von Revieren markiert wird, kann man ableiten, dass dieses Verhalten auch der Koordination mehrerer Wolfsrudel dient. Die verschiedenen Rudel können sich so aus dem Weg gehen und Konfrontationen vermeiden, genauso wie auch einzelne Wölfe, für die eine Begegnung mit einem fremden Rudel tötlich enden könnte. In der Paarungszeit (Ranz) sind die Rüden besonders interessiert an den Stellen, an denen zuvor das ranghöchste Weibchen uriniert hat, vermutlich erfahren sie dadurch ihren Stand der Hitze. Oft wird dicht daneben dann der eigene Urin abgesetzt. Bei der akustischen Kommunikation werden die verschiedensten Lautäußerungen, von Winseln über Knurren, Wuffen, Schreien und dem berühmten Heulen unterschieden, dazu gibt es aber noch verschiedene Geräusche die nicht mit den Stimmbändern erzeugt werden. Da gibt es z.B. das ein Schnappen in der Luft, wobei durch hartes Aufeinanderschlagen von Ober 41 Verhalten und Unterkiefer ein dumpfer, klackender Laut entsteht, welcher größte Verteidigungsbereitschaft signalisiert. All diese Laute erhalten ihre Bedeutung vor allen Dingen im Zusammenhang mit dem gesamten Verhalten der Wölfe. Dem berühmten Heulen werden verschiedenste Funktionen zugeschrieben, unter anderem um Kontakt zu anderen, von der Gruppe getrennten Mitgliedern zu halten oder zu suchen. Auch eine mit der Geruchsmarkierung vergleichbare, territoriale Funktion wird ihm zugeschrieben. Auf jeden Fall bedeutet das Heulen einen starken Auslöser für jeden anderen Wolf, auch zu heulen. Dies wollte sich die Biologin Sabina Nowak bei ihrem Workshop zunutze machen, versammelte sich mit den Beteiligten in einiger Entfernung zum Dorf in der Nacht im Wald, und versuchte, durch eigenes Nachahmen dieser Laute, eine Antwort des dort lebenden Rudels zu erhalten. Leider war dies in jener Nacht nicht von Erfolg gekrönt, doch auch im Wildpark konnten wir das dortige Rudel heulen hören. Bei der taktilen Kommunikation, ist der SchnauzeFell und der Schnauze SchnauzeKontakt unter den Tieren zu erwähnen, welche, je nach Rang der Tiere relativ häufig stattfinden. An einem Beispiel aus dem Spielverhalten der Wölfe kann man schließlich erkennen, wie wichtig es für das Verstehen von Bedeutungen ist, dass die Wölfe sich untereinander “kennen” und gegenseitige Absichten aus vorher miteinander gemachten Erfahrungen schließen können. Bei der von Zimen als “Spielattacke” bezeichneten Variante des Spielverhaltens, wird das “Opfer” unter starkem Fixieren angeschlichen, und schließlich mit hopsenden Bewegungen anrennend angegriffen. Wenn überhaupt, dann zeigt der Angreifer erst in den letzten Momenten vor dem Kontakt mit dem Opfer etwa durch Zickzacksprünge, dass es sich um ein Spiel handelt. Nun rennt das Opfer nicht weg, sondern stellt sich und beide spielen. Diese Attacke ist äußerlich kaum von einer echten, aggressiven zu unterscheiden, und schließlich können auch bei Wölfen spielerische Attacken “geblufft” sein und leicht in aggressives Verhalten übergehen, doch da der eine Wolf den anderen kennt, können sie sich in vielen Fällen aus Erfahrungen miteinander verstehen. Daraus ergibt sich ein Teil signalunabhängiger Verständigung. In vielen Fällen kann ein Signal 42 Verhalten auf ein Minimum beschränkt werden und wird trotzdem noch verstanden. Diese Möglichkeit spart Enerige, ein Signal jedesmal vollständig und genau auszuführen. In wirklich wichtigen Bereichen aber, wie z.B. bei Verhaltensweisen der Unterwerfung und der Rangdemonstration werden alle Signale trotz Gewöhnung immer in eindeutiger, kompletter Form ausgeführt. 4.2.2 Struktur und Funktion des Rudels In einem allgemeinen Modell eines Rudel findet sich das Alphapaar, also die beiden ranghöchsten Wölfe des Rudels, an der Spitze. Zu ihnen können sich ein oder mehrere Erwachsene, meist Rüden gesellen, welche in der Regel Wurfgeschwister oder Kinder eines der beiden Alphatiere sind. Den Rest bilden dann alle überlebenden dies und letztjährigen Jungtiere. Die Juvenilen, also die Jungen vom Vorjahr, bilden in größeren Rudeln oft eine Art „Pufferzone“ zwischen den Ranghöchsten und den jüngsten Wölfen. Zimen beobachtete dies in allen seinen Rudeln und nannte diese Gruppe von Tieren die „Halbstarkenbande“. Zwar gibt es innerhalb dieser Gruppe schon einige Konflikte um Statusfragen, doch gegenüber dem Rudel treten sie immer in geschlossener Gruppe auf. Oft können sie der Grund für das Ausscheiden eines Wolfes sein, denn sie greifen zwar nicht selbst an, aber fallen in fast jeden ausgebrochenen Kampf mit ein. Dann lassen sie sich, nachdem der eigentliche Angreifer durch Demutsverhalten zufriedengestellt ist, auch dadurch nicht beeinflussen und der Verlierer muss das Rudel verlassen. In diesen Gruppen gibt es oft einen „KleinAlpha“, also einen innerhalb der Gruppe ranghöchsten Wolf. Ein alles entscheidender „Leitwolf“ ist nicht existent, vielmehr sind es die Bindungen der ranghohen Wölfe untereinander, die den Zusammenhalt des Rudels bestimmen. Je höher der Rang eines Wolfes, desto häufiger nimmt er Kontakt zum Beispiel FellSchnauzeKontakt zu den anderen Wölfen des Rudels auf, bzw. wirkt einen starken Einfluss auf andere aus, ihm zu folgen. Dies kann aber auch durch die Größe der Gruppe und durch den Rang des 43 Verhalten folgenden Tieres beeinflusst sein. Rangniedrigere entfernen sich leichter, als ranghohe Tiere. Die Zuneigung der Welpen ist anfangs zu allen Mitgliedern des Rudels anscheinend gleich stark. Bald schon, mit etwa 4 Monaten, werden die Juvenilen und Subdominanten nur noch um Futter angebettelt, vor den Alphawölfen wird hingegen immer öfter spontanes Demutsverhalten gezeigt. Die anderen Tiere werden also schon nach der Rangordnung unterschieden, bevor die Welpen selbst überhaupt in diese Rangordnung eingegliedert werden. Im Herbst folgt dann auch die Differenzierung nach Geschlecht, das heißt, dass alle Jungwölfe sich unterwürfig gegenüber dem Alpharüden zeigen, aber nur noch die Weibchen gegenüber der Alphawölfin. Auch die geschlechtsgebundene Rangordnung ist also jetzt erkannt. Die Welpen haben untereinander eine sehr starke Bindung. Dies ist besonders wichtig, wenn sie beginnen, sich vom Rudel zu entfernen. Tests haben gezeigt, dass ein einzelner Welpe nicht vermisst wurde, sobald aber zwei oder mehr verschwanden, wurde mit Suchverhalten reagiert. Bis zum Spätherbst ist die Bindung der adulten Wölfe an die Welpen noch sehr stark, verändert sich aber dann. Es wird nicht mehr ständig Kontakt mit den Kleinen gesucht. Dafür wird aber nun deren Bindung an die Älteren stärker, die Welpen folgen ihnen dicht auf, was es dem Rudel ermöglicht, wieder größere Wanderungen zu unternehmen. Erst mit 10 Monaten werden sie wieder selbstständiger. Sie könnten sich dann theoretisch selbst ernähren. Die Rudelgröße bleibt an sich ab einer bestimmten Mitgliederzahl durch regelmäßigen Zuwachs durch Welpen und Abgänge durch ausgeschiedene Wölfe gleich. In den von Zimen beobachteten Rudeln blieben die heranwachsenden Jungwölfe meistens bis zur Geschlechtsreife im Rudel und wenn die Rangordnung in den höheren Rängen stabil war, verließen sie dann auch früher oder später die Gruppe. Wenn die Verhältnisse eher instabil waren, konnten einige dieser “Halbstarken“ in die oberen Reihen vorstoßen und somit im Rudel bleiben. Ein hoher Rang bringt also entweder die Möglichkeit, im Rudel zu verbleiben, oder bei den Älteren, sich direkt an der Reproduktion zu beteiligen. „Ein hoher Rang erhöht die persönliche Eignung (fitness), also die 44 Verhalten Möglichkeit, eigenes Genmaterial in die nächste Generation zu überführen.“ Warum kümmern sich dann aber die rangniedrigeren Wölfe um die Welpen des Alphapaares, die ja nicht ihre eigenen sind? Die Theorie der „Gesamteignung“ (inclusive fitness) unter anderem von Hamilton eingeführt, besagt, dass „die Gesamteignung eines Tieres sein individueller Beitrag zu Fortpflanzung seiner Gene [ist,] zuzüglich des Beitrages, den es zur Fortpflanzung der gleichen Gene durch verwandte Tiere leistet.“ Demnach gilt also: je verwandter zwei Tiere, je höher also der Prozentsatz des gleichen Genmaterials ist, um so mehr lohnt es sich für eines der Tiere, die eigene Reproduktion zugunsten des Fortpflanzungserfolges des verwandten Tieres zurückzustellen. Dieses Verhalten könnte sich innerhalb der Evolution entwickelt haben, indem die Träger eigennütziger Gene und somit diese selbst immer weniger wurden. Das ist aber nicht bewiesen und bleibt somit Theorie. Sie könnte aber eine Erklärung dafür liefern, warum Wölfe nicht immer unbedingt versuchen, ihren Rang zu verbessern. Bei den Juvenilen ist natürlich der hohe Rang wichtig, um im Rudel zu bleiben, aber ältere Wölfe versuchen nicht nur ständig, ihren Rang zu verbessern. Hier herrscht ein Gesamtgleichgewicht zwischen den Interessen des Individuums und denen der übergeordneten sozialen Gemeinschaft. 4.2.3 Rangordnung „Eine Rang oder Dominanzbeziehung zwischen zwei Tieren beruht auf der Einschätzung der Stärke des anderen in Relation zur eigenen in einer bestimmten Situation. Sie entspricht also nicht unbedingt dem wirklichen Kräfteverhältnis und muss auch nicht notwendigerweise durch eine direkte Konfrontation erfahren werden“. Letzteres zeigte sich, als eine größere und kräftigere Wölfin in Zimens Rudel lange Zeit unter einer anderen Alphawölfin verblieb, und sich zweimal ein Rüde durch Umschichtungen in der gesamten Rangordnung auf der Stellung des BetaRüden wiederfand, ohne eine Konfrontation hinter sich zu haben. Die Rangbeziehung drückt sich unter anderem im individuellen Freiheitsraum, 45 Verhalten den ein Tier im Umgang mit einem anderen hat aus, das heißt, in deren jeweiligem Zugang zu bestimmten Objekten etc.. Je größer der Unterschied zwischen dem Freiheitsraum der Partner ist, desto größer ist auch ihr Rangunterschied. Eine Rangbeziehung ist Verschiebungen unterworfen, da beide Partner versuchen, ihren Freiheitsraum auszuweiten. Hierbei findet man sowohl stabile als auch instabile Gleichgewichtszustände. Ein stabiler Zustand entsteht meist, wenn es lediglich darum geht, den momentanen Freiheitsraum zu erhalten oder nur auf ein bestimmtes Objekt auszuweiten, z.B. beim Futter. Instabil wird es in Hinsicht auf die soziale Stellung des Wolfes im Rudel. Hier kommt es vor, das neben der Erweiterung des eigenen Freiheitsraumes der eines anderen eingeschränkt wird. Die Stellung zueinander kann man am Ausdrucksverhalten der Tiere erkennen, die gesamte Rangordnung ist aber mehr als nur die Summe aller Zweierbeziehungen. Natürlich findet man Querverbindungen zwischen unterschiedlichen Situationsrangordnungen, diese müssen aber nicht gleichartig sein. Ein Wolf, der am Futter den Vorrang hat, kann z.B. im sozialen Geschehen unterlegen sein. Dieses zeigte sich beim Rudel im Wildpark Groß Schönebeck: der eigentliche Alphawolf war kastriert, und somit zwar noch „der Stärkste“ und beim Fressen der „Futteralpha“, aber in der Rangordnung und bei der Paarung mit dem Alphaweibchen stand ein anderer Wolf an erster Stelle. Zimen entwickelte nun anhand verschiedener Beobachtungen ein „erstes Modell der sozialen Rangordnung“: Bei Auseinandersetzungen, in denen es sich um die Stellung des Wolfes im sozialen Geschehen dreht, findet man zwei voneinander getrennte Rangordnungen für Rüden und Weibchen, da diese Auseinandersetzungen nur zwischen gleichgeschlechtlichen Wölfen stattfinden. Spätestens nach einem Jahr erkennen junge Wölfe sowohl ihr eigenes, als auch das Geschlecht der anderen Rudelmitglieder. Besonders bei hart umkämpften Positionen im Rudel sind dies nicht nur Auseinandersetzungen zwischen zwei Tieren, sondern der Rest des Rudels beteiligt sich daran, besonders natürlich die jeweils gleichgeschlechtlichen Wölfe. Jede Veränderung innerhalb der Rangbeziehung zweier Wölfe führt zu einer Häufung des aggressiven Verhaltens im gesamten Rudel, dagegen wiederum dämpfen stabile 46 Verhalten Verhältnisse die Aggressionen. Soziale Beziehungen von gleichgeschlechtlichen Tieren sind vermutlich auch von inneren, hormonellen Faktoren abhängig, zum Beispiel zeigt sich in den Wintermonaten zur Ranz beim Alphaweibchen eine besonders hohe Tendenz, Rangniedrigere zu unterdrücken. In einer Erweiterung dieses Modells befasst sich Zimen mit der Dynamik und Struktur der sozialen Rangordnung: Abb.: 4.7 Das Verhalten von zwei Wölfen je nach Rangverhält nis 47 Verhalten Die Beziehung zwischen zwei Wölfen A und B kann entweder ohne Rangdifferenz sein, oder A ist dominant gegenüber B. Wenn letzteres der Fall ist, können wieder 3 verschiedene Arten der Beziehung unterschieden werden, die im Bild zu sehen sind: 1. Stabiles Rangverhältnis (mitte): die Kontaktaufnahmen sind freundlich, Spielverhalten ist zu erkennen, oft zeigt sich derRanghöhere nur durch den leicht höher gehaltenen Schwanz. 2. Unterdrückungsversuche des Ranghöheren (unten): zu Beginn ist noch Spielverhalten zu erkennen, dass aber durch A bald aggressiver wird, A imponiert, springt B an, welcher sich zunächst unterwirft und Demutsverhalten zeigt, aber bei fortschreitender Aggressivität durch A letztendlich sogar zur Flucht gezwungen werden kann. 3. Expansionstendenz des Rangniedrigeren (oben): wieder Anfänge im Spiel, wenn A diese nicht deutlich genug abwehrt kommt es zur weiteren Anspannung der Situation, es folgen Droh und Imponierauftritte und letztendlich der Ernstkampf; ein neues Rangverhältnis entsteht, wenn der Angegriffene den Ernstkampf ganz verliert, also flieht oder sich nur noch verteidigt Bei der 2. und 3. Situation können die Kämpfenden von anderen Rudelmitgliedern Hilfe in Form von einfachem Schnappen nach dem einen Gegner oder auch hemmungslosem Miteingreifen bekommen. Bei einem Ernstkampf wäre Demutsverhalten des Unterlegenen nutzlos, und wird auch nicht ausgeführt, denn der Gegner würde nur weiter hemmungslos angreifen. Wenn der Verlierer feststeht, kann es je nach Verhalten der anderen Rudelmitglieder dazu kommen, dass er zum „Prügelknaben“ (von uns wegen dem Gegenstück zum Alphawolf meist als „Omega“ bezeichnet) wird. Er wird nur noch angegriffen, hat auch seine vielleicht vorher dominante Stellung zu allen anderen Rudelmitgliedern verloren und scheidet aus dem Rudel aus. In manchen Fällen hält sich dieser Wolf weiterhin in der Nähe der Gruppe auf und zeigt wieder Versuche der Kontaktaufnahme. Er zeigt zunächst aus Entfernung immer Demutsverhalten zum Alphawolf und nähert sich ihm eventuell in spielerischer Haltung. Wenn ihm eine Annäherung gelingt, kann auch das 48 Verhalten Verhältnis der ehemaligen Feinde wieder freundlichtolerant werden. Nach diesen „Gesetzmäßigkeiten“ werden die oben genannten Merkmale der sozialen Rangordnung ergänzt: - An der Spitze steht oft ein älterer Wolf und somit ist die Rangfolge oft nach Alter strukturiert. - Zwischen ranghohen Wölfen sind die Rangunterschiede stark, bei Rangniedrigeren weniger ausgeprägt, bei den Welpen gar nicht vorhanden (ihre Auseinandersetzungen beziehen sich mehr auf augenblickliche Interessenkonflikte wie z.B. ums Futter). - Bei starkem Druck von oben verwischen die Rangunterschiede zwischen den Rangniedrigeren. - Innerhalb gleichaltriger Untergruppen des Rudels (außer Welpen) gibt es eine soziale Rangordnung im Kleinen (die „Halbstarken“). - Zwischen erwachsenen Wölfen verschiedenen Geschlechts gibt es keine Rangordnung, wenn sie etwa auf gleicher Stufe der weiblichen oder männlichen Rangordnung stehen, erst bei größeren Unterschieden im Alter oder in der Position existiert auch dort eine Rangordnung, die aber nicht zu Rangkämpfen führt. In Zimens von ihm bobachteten Rudel fiel die besonders starke Aggressivität der Weibchen untereinander auf, auf die bald noch ein Blick geworfen wird. Nach häufig auftretenden Ernstkämpfen, ohne vorheriges Drohen und ohne Beißhemmung wurde die Verliererin immer ausgestoßen und das geschah teilweise mit sämtlichen geschlechtsreifen Weibchen. Auch im Wildpark waren alle 3 „Prügelknaben“, also die Ranguntersten bzw. schon aus dem Rudel ausgestoßenen Wölfe Weibchen und es gab keine Zusammenschlüsse der Ausgestoßenen untereinander. Bei Rüden waren die Auseinandersetzungen weit weniger aggressiv, es wurde eher gedroht oder imponiert und kaum fest gebissen. Der direkte Kampf war nur beschränkt auf die in der Rangordnung direkt benachtbarten Tiere, wobei es bei den Weibchen die Alphawölfin auch auf die unerfahrensten und für sie am wenigsten gefährlichen Tiere abgesehen hatte. 49 Verhalten 4.2.4 Aggressivität Im Verlauf des Jahres sind im Wolfsrudel Häufungen aggressiven Verhaltens zu bemerken und auch Zeiten, in denen kaum Auseinandersetzungen stattfinden. In Zusammenhang wird dies gebracht mit verschiedensten Faktoren, besonders mit der wechselseitigen Wirkung endogener und exogener Faktoren. In den Sommermonaten, wenn das Rudel mit der Aufzucht der Welpen beschäftigt ist, und die innerliche, endogene Komponente der aggressiven Handlungsbereitschaft gering ist, sind nur wenig Auseinandersetzungen zu verzeichnen, zum Herbst hin mit dem Älterwerden der Welpen steigt die aggressive Handlungsbereitschaft zwar schon an, aber da noch die feste Rangordnung aus dem Sommer herrscht, werden wirkliche Auseinandersetzungen weitestgehend unterdrückt. Langsam werden die Beziehungen gespannter, auch bei den Welpen zeigen sich erste Ansätze von Konflikten, die Juvenilen zeigen Expansionstendenz nach oben, die Älteren zeigen Unterdrückungsversuche nach unten und schließlich kommt es zu ersten Rangwechseln. Diese nun veränderen Rangbeziehungen zwischen Einzelwölfen haben wiederum Einfluss auf andere und bald wird die Rangordnung von unten noch oben hin instabil, bis auch zwischen den Älteren mit ihren festeren Rangbeziehungen die ersten Konflikte auftreten. Mit der Zeit entsteht eine neue Rangordnung, ein neues Gleichgewicht, welches nun wieder zu einem Absinken der Aggressionen führt. Die Ranz setzt ein, die, abgesehen vielleicht vom Verhalten des Alphaweibchens, relativ friedlich und ohne große Kämpfe ausgeht. Danach verringert sich schlagartig die endogene Antriebskomponente, auch das Alphaweibchen beruhigt sich letztendlich wieder, die Unterdrückung der Subdominanten geht zurück. Nun, durch das Nachlassen des Drucks von oben kommt aber wieder Bewegung in die Ordnung, neue Rangwechsel finden statt, die zum Ende hin wieder in ein neue, stabilere Phase treten, sodass zum Sommeranfang mit den neuen Welpen und 50 Verhalten den neuen Aufgaben des Rudels auch wieder die Aggressionen nachlassen. Das Verhalten hat also sowohl endogene als auch soziale Ursachen. Die noch vom Sommer übriggebliebene festgefügte Ordnung verhindert, dass die endogene Antriebssteigerung sich sofort in offen ausgetragener Aggressiviät entlädt, im Frühjahr ist es umgekehrt: ein Nachlassen der endogenen Antriebe nach der Ranz und somit auch ein Nachlassen der Unterdrückung bedingen, dass die Konflikte zwischen rangniedrigeren Wölfen bei der Neuordnung ihrer Beziehungen zunächst zunehmen, und sich dann wiederum bis in die höheren Reihen des Rudels vorarbeiten. Demnach ist es also der äußerliche Faktor der Rangordnung an sich, der im Herbst den verzögerten Anstieg und im Frühling den verzögerten Abstieg des aggressiven Verhaltens bedingt. Die Aggressivität wird also erst durch die Hierarchische Struktur der Rudels in relativ geregelten Bahnen gehalten. Sie ist somit weder ausschließlich eine Frage spontaner endogener Antriebssteigerung, noch ein rein sozial, also durch das Rudel bestimmtes Verhalten. „Aggressives Verhalten entsteht [...] bei der Auseinandersetzungen des Individuums mit seiner sozialen Umwelt in einem außerordentlich fein abgestimmten System wechselseitiger Antriebs und Hemmungsmechanismen.“ Aggressivität ist zwar im Interesse des Einzelnen für die Konkurrenz mit den Artgenossen vorhanden, sie würde aber in ungehemmter Form die soziale Einheit des Rudels sprengen. Deshalb wird sie durch die hierarchischen Organisation so gedämpft, das wenigstens zeitweise relativ stabile Verhältnisse geschaffen werden, was die Durchführung lebenswichtiger Aufgaben ermöglicht. 4.3 Jagdverhalten Das Repertoire an Verhaltensweise für die Jagd ist gegenüber anderen Caniden relativ hoch und variiert je nach Areal, Beute und Jagdbedingungen. Wölfe prüfen auf der Suche nach Beute regelmäßig konstante Wechsel in ihrem 51 Verhalten Revier. Dabei traben sie mit durchschnittlich 10 bis 12 km/h. Nehmen sie dabei eine Witterung auf, folgen sie dieser und schleichen sich bis auf wenige Meter an ihre Beute heran, wobei sie geschickt jede noch so kleine Deckung nutzen. Merkt die Beute seine Anwesenheit, so kommt es zur Konfrontation und beide Tiere stehen sich für einen kurzen Augenblick gegenüber. Bleibt das Beutetier stehen und ist bereit sich zu verteidigen, so kann es passieren, dass der Wolf von seinem Vorhaben ablässt. Rennt die Beute jedoch los, setzt der Wolf sofort zur Verfolgung an. Im vollen Galopp kann er dabei Geschwindigkeiten von 50 bis 65 km/h erreichen. Schafft er es nach kurzer Hatz seine Beute einzuholen, so erfolgt ein Angriff auf die Flanke, Hinterteil, Rücken oder Nase des Tieres. Geschichten von einem Biss in die Achillesferse gehören in das Reich der Märchen. Ein Wolf würde sich dabei direkt der Gefährlichsten Waffe seiner Beute (der Hufe) aussetzen. Bei der Jagd im Rudel werden häufig komplexe Jagdtechniken angewandt, bei denen in der Regel ein Beutetier von seine Gruppe getrennt und auf eine Gruppe von Wölfen, beziehungsweise ein unüberwindbares Hindernis zugetrieben wird. Wenn es sich anbietet nutzen sie auch landschaftliche Besonderheiten wie zum Beispiel vereiste Flächen oder Abgründe zu ihrem Vorteil. Dennoch ist der Jagderfolg in der Regel gering. MECH beobachtete 1966 eine Gruppe von Wölfen (15 bis 16 Tiere), die über einen längeren Zeitraum 131 Elchen aufspürten. 54 Elche konnten fliehen, bevor die Wölfe überhaupt nahe kamen. 24 verteidigten sich indem sie sich ins Wasser stellten. Letztendlich wurden 53 Elche eingeholt, von denen wiederum 34 fliehen konnten und sich 12 im Wasser verteidigten. Von den verbliebenden 7 Tieren, die angegriffen wurden konnten 6 gerissen und eines verletzt werden. 52 5 Nachwort Nachdem wir nun diese Arbeit beendet haben, können wir das erste mal wirklich sagen, wir hätten einen Einblick in die Arbeit der Biologen erhalten, deren Erkenntnisse uns als Quellen dienten. Mit der Zeit eröffneten sich uns weit mehr Fakten und interessante Einblicke in die Natur der Wölfe, als wir am Anfang denken mochten. All die dargestellten Zusammenhänge selbst untersuchen zu können, hätte diese Erfahrung natürlich noch reicher gemacht. Doch auch, wenn uns ein großer Teil nur aus der Theorie vorliegt und wir in vielen Bereichen leider nicht die Möglichkeit hatten eigene praktische Beispiele miteinzubringen, und sie selbst zu erleben, gab uns die Arbeit trotzdem einen gewissen „Allgemeinüberblick“, den wir vorher nicht hatten. Durch die Länge und das Ausmaß der Klausurersatzarbeit bekamen wir ein besseres Gefühl dafür, was man alles beachten muss, wenn man sich auf diese Art und Weise mit einem Thema beschäftigt, wieviele Facetten man wahrnimmt, die einem bei kleineren, allgemeineren Ausführungen nicht ins Auge fallen. Dies war nicht das erste Mal, das wir uns mit Wölfen beschäftigten, und es wird sicher auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass uns ihr Schicksal interessierte. Abb. 5.1 (DANIEL WOOD) 53 6 Glossar Art: Die Gesamtheit aller Individuen, die sich untereinander geschlechtlich Fortpflanzen und fruchtbare Nachkommen erzeugen können; Diese Definition des Artbegriffs ist bei den Caniden stark umstritten, da zum Beispiel Canis lupus, Canis latrans und Canis rufus sehr wohl geschlechtsreife Nachkommen zeugen können, jedoch zumindest Lupus und Latrans zwei verschiedene Arten sind AfN Wolf: Association for Nature „Wolf“ Naturschutzverband Wolf Präsidentin des sich für die Aufklärung von Landwirten und den Schutz der großen Beutegreifer in Polen einsetzenden gemeinützigen Vereins ist Dr. Sabina Nowak. Er wird gefördert von Euronatur, IFAW und der Wolf Society of Great Britain. Biotop: ein räumlich abgetrennter Lebensbereich einer Biozönose Biozönose: Lebensgemeinschaft verschiedener Populationen Canidae: Familie der Hundeartigen Canis: Gattung der echten Hunde Canoidae: Unterordnung der hundeartigen Landraubtiere Felidae: Familie der Katzenartigen Feloidae: Unterordnung der katzenartigen Landraubtiere Grundumsatz: Minimalgröße des Energiebedarfs eines nüchternen Tieres im thermoneutralen Temperaturbereich; Wird auf der Grundlage des Sauerstoffverbrauchs je Zeiteinheit ermittelt (Okarma) Mephitidae: Familie der Stinktiere mtDNS: mitochondriale DNS; sie stammt immer von der Mutter und variiert über längere entwicklungsgeschichtliche Zeiträume weniger als die ZellDNS, weswegen sie auch zur Bestimmung verwandtschaftlicher Beziehungen herangezogen wird Mustelidae: Familie der Mardeartigen Odobenidae: Familie der Walrosse Ökosystem: Die Einheit von Biotop und Biozönose –54– Otariidae: Familie der Ohrenrobben Phocidae: Familie der Hundsrobben Population: Die Gesamtheit aller angehörigen einer Art, die einem bestimmtem Gebiet vorkommen Procynoidae: Familie der Waschbären Sagittalkamm: Ansatzstelle des Unterkiefers Tapetum lucidum: Eine hinter den Stäbchen von Caniden befindliche Schicht, die das Licht konzentriert reflektiert thermoneutrale Zone: Temperaturbereich, in dem ein Lebewesen keine Energie zur Aufrechterhaltung einer stabilen Körpertemperatur verbraucht (Okarma) Ursidae: Familie der Bärenartigen Viverridae: Familie der Schleichkatzen –55– 7 Literatur und Quellverzeichnis Bibikow, D. 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