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KODIKAS / CODE
Ars Semeiotica
Volume 31 (2008) # No. 3 – 4
Gunter Narr Verlag Tübingen
Zickenkrieg und Hengstparade.
Tiernamen als geschlechtsbezogene Schimpfwörter
in den Boulevardmedien und im Internet
Dagmar Schmauks
Wenn Menschen einander beschimpfen, verwenden sie häufig Tiernamen. Die Spannweite
reicht von liebevoller Schelte wie “Ferkelchen” bis zu drastischer Kritik wie “Kanalratte”. Die
vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf geschlechtsspezifische Schimpfwörter, die man
entweder für Frauen oder für Männer benutzt. Ergiebige Quellen sind Boulevardpresse, Fernsehen und Internet, wo Ausdrücke wie “Zickenkrieg” und “Hengstparade”, “blöde Kuh” und
“geiler Bock”, “stutenbissig” und “bullig” oft und gerne verwendet werden. Komplexere
Redewendungen behaupten, einer Person würde “der Kamm schwellen” oder sie “verhalte sich
wie eine läufige Hündin”. Häufig haben Tier und beschimpfte Person dasselbe Geschlecht, so
verwendet man “Huhn” und “Kuh” nur für Frauen, “Hahn” und “Stier” nur für Männer. Grundlage sind deutliche Unterschiede im Aussehen oder Verhalten, man denke an “häusliche” Katzen
vs. “streunende” Kater. Besonders beleidigend sind die Namen kastrierter Nutztiere wie
“Ochse” und “Hammel”, da sie Männlichkeit absprechen. Darüber hinaus werden aber manche
Tierarten unabhängig vom Geschlecht der Individuen mit Geschlechtsstereotypen verknüpft,
z.B. verkörpern Mäuse und Schlangen eher weibliche Eigenschaften, Adler und Tiger hingegen
eher männliche. Einige Eigenschaftszuschreibungen sind allerdings biologisch anfechtbar, so
beeindrucken Löwen zwar durch “männliches” Aussehen, überlassen aber die Jagd weitgehend
ihren Weibchen.1
1.
Einleitung
Menschen haben zu Tieren vielschichtige und widersprüchliche Beziehungen, die sich in
vielen sprachlichen Phänomenen spiegeln. Seit der Antike sind Tierfabeln ein bewährtes
Mittel, soziale Zustände in verfremdeter Weise anzuprangern. Aber auch im Alltag beschreiben wir Menschen unter Rückgriff auf Tiere und deren stereotype Bewertungen. Im
positiven Fall vergleichen wir Menschen mit Tieren, denen wir erstrebenswerte Eigenschaften
zuschreiben, etwa “treu wie ein Hund” oder “fleißig wie eine Biene”. Auch Kosenamen
gehören hierher, denn da viele junge Säugetiere und Vögel unserem Kindchenschema
entsprechen, nennt man Kinder oder seine Partnerin gern “Hasi”, “Kätzchen” oder “mein
Lämmlein”.
Im negativen Fall wählen wir Tiere als Vergleich, deren Aussehen oder Verhalten uns
missfällt. Die vorliegende Arbeit untersucht einen Sonderfall, nämlich geschlechtsbezogene
Schimpfwörter wie “Zickenkrieg” und “Hengstparade”, mit denen in den Boulevardmedien
häufig einzelne Menschen oder Gruppen bezeichnet werden. Sie ist notwendigerweise
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Dagmar Schmauks
interdisziplinär, denn um Schimpfen als Verhalten zu verstehen, muss man Erkenntnisse aus
Verhaltensforschung, Psychologie und Linguistik zusammenführen. Abschnitt 2 kennzeichnet
Schimpfen als verbales und oft ritualisiertes Aggressionsverhalten. Abschnitt 3 engt den
Untersuchungsbereich auf Tiernamen ein, mit denen man dem Beschimpften auch sein
Menschsein abspricht. Abschnitt 4 arbeitet zunächst den Unterschied zwischen Sexus und
Genus heraus sowie die biologischen Grundlagen geschlechtsspezifischer Schimpfwörter. Je
deutlicher sich die Geschlechter einer Tierart unterscheiden, desto eher inspiriert ihr Aussehen
oder Verhalten entsprechende Schimpfwörter für Männer und Frauen, welche in parallel
aufgebauten Unterabschnitten analysiert werden. Ausgeklammert bleiben eher neutrale
Ausdrücke wie “Einsiedlerkrebs” für menschenscheue Personen und “Spottdrossel” für
Lästermäuler.
Hier nicht einbezogen wird die umgekehrte Richtung des Beschimpfens, nämlich die
Beurteilung von Tierverhalten mit menschlichen Moralbegriffen, die eine bizarre Rolle
rückwärts beinhaltet. Verhaltensweisen wie Brutpflege, Paarbindung und Freundschaft sind
in der Evolution erst sehr spät entstanden. In der Menschheitsgeschichte dauerte es noch
einmal viele Jahrtausende, bis bestimmte Verhaltensweisen mit Wertungen versehen, also als
Tugenden oder Laster definiert wurden. Deren Bandbreite reicht von den Speise- und Bekleidungsvorschriften bestimmter Religionen bis zur vermeintlich globalen Ächtung von Inzest,
Mord und Kannibalismus. Eine ähnliche Entwicklung durchläuft jedes Kind, das lernen muss,
was in seiner Kultur “gut” und “böse” ist – wobei ein flüchtiger Blick in die Zeitung darüber
belehrt, dass mancher nie auf dieser Stufe ankommt. Erstaunlich überheblich ist es daher, alle
so mühsam entwickelten Moralvorstellungen “stammesgeschichtlich rückwirkend” auch auf
Tiere anzuwenden. Zu verurteilen gibt es vielerlei, denn im Tierreich findet man Gatten-,
Kindes- und Brudermord, Vergewaltigung und Inzest, Bigamie und Homosexualität. Wir
nennen den Kuckuck “faul”, den Fuchs “blutrünstig”, den Neuntöter “grausam”, die Katze
“verschlagen” und die Elster “diebisch”, und dem Faultier schließlich gaben wir einen
Namen, der gemessen an unseren üblichen Kategorien keineswegs politisch korrekt ist.
2.
Beschimpfen als ritualisiertes Aggressionsverhalten
Das Beschimpfen anderer aus Wut oder Hass ist ein gut abgrenzbares und besonders dramatisches Sprachspiel im Sinne Wittgensteins (1958). Eine materialreiche Fallstudie von George
Lakoff (1987) weist nach, dass wir Wutausbrüche systematisch in physikalischen Ausdrücken
beschreiben. Wie die Temperatur in einem geschlossenen Behälter voll Flüssigkeit steigt die
Wut in einem Menschen an, bis er “vor Wut platzt” wie ein überhitzter Kessel und so vom
aufgestauten Druck entlastet wird. In der Psychologie heißt solcher Kontrollverlust “Impulsdurchbruch”, im Alltag “Wutanfall”. Wutbedingte Handlungen reichen vom Zerschmettern
von Geschirr bis zum Totschlag im Affekt, wobei sich im Deutschen Strafrecht solch “blinde
Wut” strafmildernd auswirkt, insbesondere wenn das Opfer den Täter provoziert hat.
Lakoffs Analyse liefert zugleich eine physiologische Erklärung dafür, dass viele Schimpfwörter zweisilbig mit Hauptbetonung auf der ersten Silbe sind (Schmauks 2007b). Da lautes
Schimpfen dem Abreagieren dient, füllt man zunächst die Lunge automatisch durch tiefes
Einatmen. Bereits mit der ersten Silbe wird diese aufgestaute Luft weitgehend ausgestoßen
und mit der zweiten Silbe dann der Rest. Diese Zweisilbigkeit ist so angemessen, dass man
die zahlreichen einsilbigen Tiernamen gerne erweitert, etwa zu “Schneegans”, “Sumpfhuhn”
und “Schafskopf”.
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Verhaltensbiologisch zählt Schimpfen zum Aggressions- oder Drohverhalten. Einerseits
gilt es im Vergleich zum sofortigen Zuschlagen bereits als “höhere Stufe von Kultur”, da es
ein vergleichsweise harmloses Abreagieren erlaubt. Andererseits ähnelt gerade das “Ausstoßen” von Beschimpfungen noch dem aggressiven Ausstoßen von Körpersäften im Tierreich, nämlich dem Bespucken oder Anharnen des Gegners. Seine Wirkung ist also schwer
vorhersehbar, denn wenn sich der Beschimpfte wehrt, kann sich der Konflikt weiter aufschaukeln und in Tätlichkeiten münden.
Stark ritualisierte Schimpfduelle ähneln den sog. “Kommentkämpfen” von Tieren, die mit
Artgenossen um die Rangordnung oder um Weibchen kämpfen. Hierbei sind schwere Verletzungen selten, weil echte Kampfhandlungen wie das Zubeißen durch Zähnefletschen oder
Knurren nur angedeutet werden. Solches Drohverhalten ist keineswegs auf Säugetiere
beschränkt, denn auch Vögel etwa vertreiben Rivalen durch Scheinangriffe und Lärmen. Ganz
ähnlich drohen Menschen echte Schläge durch Zeigen der geballten Faust an oder bekunden
lautstark ihre Kraft und Kampfbereitschaft. Vor allem ein körperlich unterlegener Gegner tut
gut daran, dies als Warnung zu interpretieren. An Stelle von Drohlauten wie Knurren,
Fauchen und Zischen hat der Mensch als eigenständige Möglichkeit das Beschimpfen
entwickelt (zum sanfteren Sprachspiel des Verulkens siehe Schmauks 2002).
Die “Ursituation” des Beschimpfens sind direkte Begegnungen, in denen sich jemand
durch die ungeschickte oder absichtliche Handlung eines anderen beeinträchtigt fühlt.
Typische Auslöser sind unerwünschte Berührungen (jemand rempelt uns heftig an), Verletzungen sozialer Regeln (jemand schnappt uns den letzten Parkplatz weg) und Sachbeschädigungen (jemand verkratzt unser Auto). Im Einzelfall hängt es von der Rahmensituation und
den Kräfteverhältnissen ab, ob man den Regelverletzer “Auge in Auge” beschimpft oder ihm
vorsichtshalber nur aus sicherer Entfernung hinterherschimpft.
Daneben gibt es zahlreiche Situationen, in denen man abwesende Personen beschimpft.
Das mag der Chef sein, der eine Gehaltserhöhung ablehnte, aber auch ein Prominenter, der
einem im Fernsehen durch sein Aussehen oder Verhalten missfällt. Während Beschimpfungen
im privaten Kreis meist folgenlos bleiben, bekommen sie in Massenmedien durch deren
Öffentlichkeit ganz neue Dimensionen. So ist es in Boulevardpresse und Privatfernsehen
immer üblicher geworden, bestimmte Personen oder Personengruppen verbal sehr unverblümt
abzuwerten. Internetforen verschärfen die Probleme weiter, da hier das Opfer oft gar nicht
weiß, welche ehrenrührigen Fakten – seien sie nun wahr oder nicht – weltweit verbreitet
werden (siehe Volkmer und Singer 2008). Doch obwohl die Folgen oft verheerend sind, da
etwa auch Personalchefs das Internet nach den Namen von Bewerbern durchforsten, gestalten
sich Klagen auf Schadenersatz viel schwieriger als bei Printmedien und Fernsehen.
Neben wohlbekannten Ausdrücken wie “Trottel” und “Schlampe” werden in allen
Situationen auch Tiernamen von “Affe” bis “Zicke” verwendet. Die drastischeren sind
Beleidigungen im Sinne des Strafrechts, nämlich sog. “Verbalinjurien”. Zu Beispiel kann
“Sau” mit verschiedenen Zusätzen leicht ein paar Hundert Euro Strafe nach sich ziehen, vor
allem wenn es gegenüber Polizisten geäußert wird. Diese juristischen Aspekte werden jedoch
im Folgenden nicht weiter vertieft.
3.
Tiernamen als Schimpfwörter
Tiernamen werden in sehr verschiedenen Situationen als Schimpfwörter benutzt. Eine Mutter
nennt ihr mit Spinat mantschendes Kleinkind liebevoll “Ferkelchen”, ein Stammtischbruder
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pflaumt einen anderen an mit “Prost, du Schluckspecht!”, aber wenn uns jemand wirklich in
Wut versetzt, wählen wir härtere Ausdrücke wie “Kamel”, “Ratte” oder “Zecke”. Die Linguistik nennt solche Ausdrücke mit übertragener Bedeutung “Metaphern”.
3.1
Tiere als Nicht-Menschen
Wer jemanden als Tier bezeichnet, spricht ihm zumindest in der jeweiligen Situation sein
Menschsein ab. Die Sichtung einschlägiger Ausdrücke zeigt jedoch schnell, wie ambivalent
in ihnen der Unterschied zwischen Mensch und Tier gesehen wird. Einerseits empfindet sich
der Mensch in scharfem Gegensatz zum Tierreich, im Extremfall sogar als “Krone der
Schöpfung”. Da Mord, Folter und ähnliche grausame Verhaltensweisen außerhalb der
sozialen Ordnung stehen, bezeichnet man sie als “unmenschlich”. Außerhalb des Menschenreiches gibt es jedoch nur unbelebte Dinge, Pflanzen und Tiere, und von diesen können
nur Tiere selbst handeln. Folglich wird der negative Ausdruck “unmenschlich” gleichgesetzt
mit “bestialisch”, “tierisch” und “viehisch”. Sogar im Strafrecht findet sich diese Redeweise,
etwa in den “Predator Laws” der USA, die Sexualstraftäter ausdrücklich “predators” nennen,
also “Raubtiere” (vgl. Lamott und Pfäfflin 2008). Im Alltag wird auch harmloseres Fehlverhalten auf Tiere bezogen, man denke an “biestig” und “verbiestert”.
Paradox erscheint die Bezeichnung “Intelligenzbestie” für eine Person, die durch zuviel
Verstand unangenehm auffällt. Interessanterweise kann also auch die Intelligenz, als deren
klarste Verkörperung sich der homo sapiens gerne definiert, im Übermaß vorhanden sein –
woraufhin zumindest in der Redensart dann eine “Bestie” entsteht. Gern benutzt wird dieser
Ausdruck für “kopflastige” Menschen, denen wärmere Gefühle mangeln, und insbesondere
für Frauen, die männliche Überlegenheit nicht fraglos akzeptieren. “Animalisch” hingegen
schillert zwischen Verlockung und Bedrohung, ein “animalischer Duft” etwa wird mit der
Urgewalt von Brunst assoziiert.
Bei genauerer Betrachtung lässt sich unsere strikte Abgrenzung von “Mensch” vs. “Tier”
in beiden Richtungen nicht aufrechterhalten. Einerseits kommen extrem grausame Verhaltensweisen, die wir “tierisch” oder “viehisch” nennen, bei Tieren gar nicht vor, andererseits
finden wir im Tierreich viele Verhaltensweisen, die wir als besonders “menschlich” oder
“human” empfinden, etwa die liebevolle Betreuung von Jungtieren sowie die Fütterung und
Verteidigung von Artgenossen.
Trotz dieser betonten Abgrenzung von Tieren belegen alle hier vorgestellten Beispiele,
wie sehr wir dazu neigen, in Aussehen und Verhalten artübergreifende Gemeinsamkeiten
wahrzunehmen und in phantasievollen Wendungen auszudrücken. Das Tier ist also geliebter
und gehasster Spiegel unserer selbst, zugleich Mitgeschöpf und das ganz Andere. Untersucht
werden nur Schimpfwörter, die das Aussehen oder Verhalten realer Tiere auf Menschen
übertragen. Ausgeklammert bleiben folglich Ausdrücke, die
– Artefakte bezeichnen wie “Vogelscheuche” oder
– fiktionale Tiere benennen wie “Froschkönig”, “Fritz the Cat” und “Miss Piggy”.
Für eine Analyse weniger ergiebig sind auch die meist nicht sonderlich originellen Vergleiche
einzelner Körperteile. Für jede kleine Abweichung bei Menschen findet sich nämlich ein viel
dramatischeres Vorbild im Tierreich, so dass wir der beschimpften Person etwa “Elefantenohren”, “Entenfüße”, “Hasenzähne” und “Schafsaugen” unterstellen, dazu noch einen
“Kuharsch” und ein “Spatzenhirn”.
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Ein weiteres eigenständiges Thema sind Schimpfwörter, die Umgangsweisen von Menschen mit Tieren beschreiben. Eine besonders tabuisierte Verhaltensweise ist die Sodomie im
Sinne sexueller Kontakte mit Tieren. Die Volkspsychologie unterstellt sie vor allem Männern,
die man für rückständige Hinterwäldler hält. Besonders produktiv ist das Suffix “-ficker”,
denn es liefert maßgeschneiderte rassistische Schimpfwörter, indem man die Namen regional
vorherrschender Nutztiere einsetzt. Im Internet besonders häufig sind “Eselficker” und
“Kamelficker” als Beschimpfungen von Muslimen, während “Schweineficker” und “Schafficker” weniger stark auf bestimmte Gruppen bezogen werden. “Hühnerficker” weicht vom
Grundschema insofern ab, als es meist Männer bezeichnet, die mit Teenies verkehren.
“Ameisenficker” als rüdes Synonym für “Kleinigkeitskrämer” ist demgegenüber harmlos, vor
allem weil es erkennbar ein nur vorgestelltes Verhalten beschreibt (möglicherweise wird aber
auch ein winziger Penis unterstellt).
3.2
Tiernamen als geschlechtsneutrale Schimpfwörter
Aufgrund ihrer Stellung innerhalb der gesamten Nahrungspyramide teilen Menschen die
gesamte Tierwelt in gut dualistischer Manier in “Freunde” und “Feinde” (vgl. Morris 1970:
204–229). Zu den Freunden zählen wir alle Nutztiere, obwohl wir diese keineswegs immer
freundlich behandeln, sowie “schöne” Tiere, die das Auge erfreuen wie der Eisvogel oder das
Ohr wie die Nachtigall. Solche Parteilichkeiten sind keineswegs biologisch fundiert, wie sonst
könnten wir Schmetterlinge bezaubernd, ihre Raupen hingegen eklig finden?
Besonders verhasst sind Tiere, die sich auch von Menschen ernähren. Zu diesen zählen
Fressfeinde, obwohl sie heute zumindest in den Industrienationen längst keine reale Gefahr
mehr sind. Die archaischen Ängste vor ihnen flackern jedoch leicht wieder auf, man denke an
die Panikmache wegen Wölfen in der Lausitz und den angeordneten Abschuss des Braunbären Bruno (26.6.2006). Auch Thriller wie Der weiße Hai wirken nur aufgrund uralter
Ängste, obwohl weltweit jährlich weniger als zehn Menschen durch Haie getötet werden –
und umgekehrt Millionen Haie, hauptsächlich wegen ihrer wohlschmeckenden Flossen. In
diese Gruppe gehören die Metaphern “Haifischbecken” und “Raubtierkapitalismus”.
Parasiten sind lästig, abstoßend und können Krankheiten übertragen. Als Schimpfwörter
dienen neben den allgemeinen Ausdrücken “Blutsauger” und “Schmarotzer” auch Artnamen
wie “Bandwurm”, “Blutegel”, “Wanze” und “Zecke”. Wer jemandem “eine Laus in den Pelz
setzt”, fügt der Person lästigen Schaden zu. Bei “Filzlaus” kommt hinzu, dass diese Tiere vor
allem die Schamhaare bewohnen, also mit der tabuisierten Sexualität verknüpft sind. Der
volkstümliche Name “Sackratte” illustriert dann sehr schön, wie Tiere in informellen Kontexten wie dem Stammtisch benannt werden: Die winzige Laus wird als große und bissige
“Ratte” dramatisiert, und die euphemistische Angabe ihres Habitats (“Filz-“) wird durch eine
ganz unverblümte ersetzt.
Weitere beliebte Schimpfwörter sind die Namen von Ekeltieren. Zu ihnen zählen viele
Arten, etwa Spinnen wegen ihrer haarigen Beine, Geier als Aasfresser, und Schmeißfliegen
wegen ihrer unerfreulichen Essgewohnheiten. Klassische Phobieauslöser sind Schlangen,
obwohl sie in Deutschland fast nie Todesfälle verursachen, sowie Ratten, vor denen die
Furcht nach den großen Pestepidemien des Mittelalters nie mehr ganz verschwand. “Assel”
ist ein Schimpfwort geworden, weil die Kurzform “Assi” für das abwertende “Asozialer” dem
Namen dieser Krebstiere ähnelt. Die Form ist sehr produktiv, so bezeichnet “Assitoaster” eine
Sonnenbank und “herumasseln” den entsprechenden Lebensstil.
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Kollektiva mit der Vorsilbe “Ge-“ sind häufig negativ besetzt, man denke an Bezeichnungen für unangenehmes Verhalten wie “Geheul”, “Gekrieche” und “Gezappel” . Im Tierreich
zählen hierzu insbesondere die Namen der Wirbellosen, nämlich “Geschmeiß” und “Gewürm”, ferner das “Gezücht”.
Detaillierte Beschimpfungen verknüpfen ganze Tiergruppen mit bestimmten negativen
Eigenschaften, zum Beispiel bezeichnet
– “Herdentier” einen Menschen ohne eigene Initiative,
– “Wiederkäuer” einen einfallslosen Nachbeter, und
– “Zugvogel” einen unstet Herumreisenden.
Weitere Kandidaten sind Ausdrücke mit der Vorsilbe “Un-“, denn von “Unmensch” zu
“Ungeziefer” ist es nur ein Schritt (wobei interessanterweise “Geziefer” ebenso negativ ist).
Die Parallelbildung im Pflanzenreich ist das “Unkraut”, und obwohl wir es bekämpfen, nötigt
uns seine unbeugsame Lebenskraft doch Respekt ab. Die Redensart “Unkraut verdirbt nicht”
drückt diesen Doppelaspekt sprachlich aus, sein bildliches Pendant ist der Löwenzahntrieb,
der eine Asphaltdecke sprengt (vgl. Schmauks 1997).
Die meisten Schimpfwörter beruhen darauf, dass man einzelnen Tierarten gewohnheitsmäßig eine bestimmte schlechte Eigenschaft zuschreibt. Dabei werden die Artnamen gerne
durch Vorsilben oder Adjektive phantasievoll erweitert, da Schimpfen auch ein Ritual ist, bei
dem man seine Schlagfertigkeit und Beredsamkeit unter Beweis stellt (vgl. Schmauks 2002).
Manche Zusätze verstärken lediglich die Beleidigung wie in “Hornochse”, linguistisch
interessantere stellen klar, welche Tiereigenschaft die Grundlage des Vergleichs ist, etwa
“Blödhammel” versus “Streithammel”, “dumme Kuh” versus “fette Kuh”. Besonders oft
angekreidete Eigenschaften sind
– Dummheit: Esel, Horntier, Kamel, Rindvieh, Schafskopf
– Fettleibigkeit: Fettqualle, Hängebauchschwein, Mops, Nilpferd, Walross
– Unsauberkeit: Stinktier, Wildsau
– Feigheit: Angsthase, Hasenfuß, Hasenherz
– Neigung zur Trunksucht: Reblaus, Schluckspecht, Schnapsdrossel
– Faulheit: Faultier
– Schwarzseherei: Unke
– Unehrlichkeit: Elster
– kriminelles Verhalten: Automarder, Galgenvogel, Lumpenhund
– intrigantes Verhalten: Wühlmaus
– Raffgier: Beutelratte
Die Beispiele sind sehr unterschiedlich motiviert. So nennt man Autodiebe “Automarder”,
weil Marder eine unerfreuliche Vorliebe für Autos haben – sie markieren sie als Revier und
geraten in einen Zerstörungswahn, wenn sie Duftmarken eines anderen Marders vorfinden.
Der Ausdruck “Beutelratte” bezeichnet Messebesucher, die möglichst viel Gratismaterial in
ihre Beutel stopfen.
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Hier ausgeklammert bleiben lustvolle Erweiterungen der Tiervergleiche in Schimpfritualen, etwa wenn statt des phantasielosen Vorwurfs “dumme Kuh” oder “Hornochse”
vertrackte Fragen gestellt werden wie “Deine Eltern sind wohl im Schlachthaus gestorben?”
Drei wunderbar niederträchtige Beispiele zitiert Freud in seiner Analyse des Witzes (1965:
20f):
20: “Ich bin tête-à-bête mit ihm gefahren”
20: “Eitelkeit ist eine seiner vier Achillesfersen”
21: “Er ist, wie Cincinnatus, auf seinen Platz vor dem Pflug zurückgekehrt”
Solche kreativen und indirekten Gemeinheiten sind keineswegs auf Tiernamen beschränkt,
man denke an derbe technikbezogene Vorschläge wie “Lass doch endlich mal eine Hohlraumversiegelung machen!”
Ein Sonderfall ist das Schimpfwort “Aas”, denn es rührt an das Tabu des Todes und
verschränkt das Nicht-Menschliche mit dem Nicht-Lebendigen. Das “Rabenaas” allerdings
ist keineswegs das Aas von Raben, sondern ein Aas für Raben, die als typische “Galgenvögel” das Fleisch von den Gehenkten pickten.
Ferner gibt es Überschneidungen zwischen Tierwelt und Fäkalbereich, etwa die zunehmend derberen Ausdrücke “Mist”, “Bockmist” und “gequirlte Katzenkacke”. Hier ist anzumerken, dass der Ausdruck “Mistvieh” eine längst vergessene Herkunft hat (Idel 1999: 190
und 218). Im Spätmittelalter wuchs die Bevölkerung schnell, so dass man viele frühere
Weiden in Äcker umwandelte. Da man jedoch nur mit Mist düngte, hielt man weiterhin vor
allem viele Rinder, obwohl es nicht mehr genug Futter für sie gab. Das verachtete und
vernachlässigte “elende Mistvieh” war nach dem Winter oft so von Hunger geschwächt, dass
es nicht mehr aus eigener Kraft auf die Weide gehen konnte (ebenda 38f).
Schließlich ist noch das eigenständige Thema zu erwähnen, dass man in unernsten
Kontexten geschlechtsneutrale Tiernamen manchmal durch Verballhornung sexualisiert. So
wird die Mahnung zu kluger Bescheidenheit in (a) in die tendenziöse Lebensregel (b) umgewandelt, indem man die Doppeldeutigkeit des Ausdrucks “Taube” ausnutzt und von der
Lesart “Vogelart” zu “gehörlose Frau” überwechselt:
– Ein Spatz in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach.
– Eine Blinde im Bett ist besser als eine Taube auf dem Dach.
3.3
Fehlerhafte Eigenschaftszuschreibungen
Wer Tierarten kaum aus eigener Anschauung kennt, übernimmt leicht biologisch falsche
Zuschreibungen. Besonders ambivalent besetzt ist das Schwein. Einerseits ist es fruchtbar und
leicht zu halten, so dass die Wendungen “Glücksschwein” und “Schwein haben” gut motiviert
sind, andererseits sagt man ihm alles Schlechte von Dummheit über Faulheit bis Geilheit nach
(vgl. Schmauks 2004 und 2006). Besonders ungerecht ist der Ausdruck “Drecksau”, da
Schweine bei artgerechter Haltung sehr reinlich sind und sich nur in engen Ställen notgedrungen im eigenen Mist suhlen (vgl. die Abschnitte 4.2 und 4.3). Auch “Saustall” und
“Saufraß” fallen auf den Menschen zurück – beschreiben sie doch, wie er seinen wichtigsten
Fleischlieferanten behandelt (zur Erinnerung: in Deutschland werden jährlich über 50 Millionen Schweine geschlachtet).
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Irrig ist auch die Annahme, männliche Tiere seien grundsätzlich die gefährlicheren. So
sind Keiler zwar besonders wehrhaft, werden aber an Wut und Verteidigungsbereitschaft noch
übertroffen durch führende Bachen, die ihre Frischlinge in Gefahr sehen. Und der Löwe als
“König der Tiere” beeindruckt zwar durch riesige Mähne, kraftvolle Prankenschläge und
furchterregendes Gebrüll, überlässt aber die Jagd den Weibchen seines Rudels.
Der Ausdruck “Alphawolf” bezeichnet in der Verhaltensforschung das Leittier eines
Rudels. In seiner negativen Lesart kritisiert er Personen (vor allem Männer), die sich trotz
mangelhafter Eignung machtbesessen als Führer aufspielen. Wolfsrudel hingegen werden
kompetent geführt, und zwar von einem Alphapaar, also Alphawolf und -wölfin.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass Eigenschaftszuschreibungen oft kultur- oder epochenabhängig sind. Das bereits erwähnte Schwein etwa ist bei Juden und Muslimen rein negativ
besetzt. Und während Homer die Göttin Hera wegen ihrer großen sanften Augen noch als
“kuhäugig” preisen konnte, dürfte dieser Ausdruck bei heutigen Flirts nicht die gewünschte
Wirkung zeigen, da wir Kuhaugen eher mit Stumpfsinn verbinden (“glotzen wie eine Kuh,
wenn’s donnert”). Auch der Ausdruck “Kuckucksei” für ein Kind illegitimer Herkunft ist
veraltet, ebenso das poetische “Erdenwurm”, das den Menschen als unscheinbares Lebewesen
kennzeichnet.
4.
Tiernamen als geschlechtsspezifische Schimpfwörter
Tiernamen dienen vor allem dann als geschlechtsspezifische Schimpfwörter, wenn man
Männchen und Weibchen leicht unterscheiden kann – Biologen nennen dies “Geschlechtsdimorphismus”. Oft sind die Männchen gekennzeichnet durch Geweih (Hirsch), Mähne
(Löwe), lebhaftere Färbung (viele Vogelarten) oder Zangen (Hirschkäfer). Gegenbeispiele
sind Igel, Schlangen und Füchse, die von Laien überhaupt nicht unterscheidbar sind.
Bei anderen Tierarten sehen die Geschlechter einander zwar sehr ähnlich, verhalten sich
aber unterschiedlich. So markieren nur Kater ihr Revier durch Urin und neigen zum Streunen,
während Katzen als “häuslicher” gelten. Besonders auffällig benehmen sich viele Säugetiere
während der Brunst. Die Männchen kämpfen miteinander und versuchen den Weibchen zu
imponieren, während die Weibchen deutlich ihre Deckbereitschaft bekunden – etwa rollige
Katzen, die sich laut maunzend auf dem Boden wälzen. Weitere artspezifische Ausdrücke
sind “läufig” (Hündin), “rossig” (Stute) und “rauschig” (Sau). In Bayern bezeichnet das Verb
“stieren” das Verhalten der Kuh, die nach dem Stier verlangt, und wird folgerichtig als
Synonym für “mannstoll sein” verwendet.
Bei exotischen Tieren stammt das Wissen über geschlechtsspezifisches Verhalten eher aus
Inszenierungen und Filmen als aus Begegnungen in natürlicher Umwelt. Zum Beispiel lösen
Dompteure das beeindruckende Angriffsverhalten von Löwenmännchen – Maulaufreißen,
Brüllen, Prankenschläge – gezielt aus, indem sie sehr kurz die kritische Distanz unterschreiten. Die meisten Schimpfwörter liefern darum domestizierte Tiere, denn sie sind nicht nur
besser bekannt, sondern oft auch eigens auf einen Dimorphismus hingezüchtet, der nicht
zwischenartlich reguliert wird. Ein Extrembeispiel sind Pfauenmännchen, deren Prachtgefieder in Freiheit sogar hinderlich wäre.
Hier nicht untersucht wird die Tatsache, dass wir einige Tierarten auch unabhängig vom
Geschlecht einzelner Tiere mit einem bestimmten Geschlecht verknüpfen, weil sie Eigenschaften aufweisen, die diesem zugeschrieben werden. So gelten Gazellen und Antilopen als
besonders anmutig und daher als weiblich, Adler und Löwen hingegen als besonders mutig
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und daher als männlich. Diese Verknüpfungen haben oft wenig mit zoologischen Tatsachen
zu tun (vgl. Abschnitt 3.3).
4.1
Genus und Sexus
Tiere dienen in allen linguistischen Analysen als Paradebeispiel dafür, wie das natürliche
Geschlecht (Sexus, zwei Formen) und das grammatische Geschlecht ihres Namens (Genus,
im Deutschen drei Formen) voneinander abweichen können. Bei vielen domestizierten
Tierarten gibt es überzeugende Gründe dafür, die weiblichen Tiere in größeren Anzahlen zu
halten als die männlichen. Oft sind die Weibchen wichtiger, weil sie nicht nur Fleisch,
sondern auch Milch oder Eier liefern. Die Männchen hingegen sind nicht nur aggressiver und
darum schwerer zu halten, sondern es reicht auch ein Männchen zur Deckung zahlreicher
Weibchen, man erinnere sich an den im Zeitalter künstlicher Besamung fast schon vergessenen Dorfstier. In solchen Fällen ist der Artname identisch mit dem Namen weiblicher Tiere.
Tierart
weibliches Tier
männliches Tier
Schaf
Ziege
Gans
Ente
Katze
Taube
Biene
Schaf
Ziege
Gans
Ente
Katze
Taube
Biene
Widder / Schafbock
Ziegenbock
Ganter
Erpel
Kater
Tauber
Drohne
Bei Nutztieren seltener und bei Wildtieren häufiger ist umgekehrt der Artname identisch mit
dem Namen des männlichen Tieres. Bei Bedarf kennzeichnet man dann die weibliche Form
durch das Suffix “-in”, analog zu Berufsbezeichnungen wie “der Bauer” vs. “die Bäuerin”.
Tierart
männliches Tier
weibliches Tier
Hund
Esel
Tiger
Hund
Esel
Tiger
Hündin
Eselin
Tigerin
Eine Alternative sind Suffixe für beide Geschlechter, etwa “Fliegenmännchen” vs. “Fliegenweibchen”. Nur in Märchen überträgt man die Ausdrücke “Mann” und “Frau” aus dem
Menschenreich – man erinnere sich, wie Igelmann und Igelfrau in Grimms Märchen den
Hasen beim Wettlauf übertölpelten. Einen eigenständigen und folgerichtig sächlichen Artnamen gibt es nur bei einigen wichtigen Nutztieren.
Tierart
männliches Tier
weibliches Tier
Pferd
Rind
Schwein
Hengst
Stier / Bulle
Eber
Stute
Kuh
Sau
Hühner entziehen sich dieser einfachen Einteilung, denn für weibliche Tiere existieren die
Ausdrücke “das Huhn” und “die Henne” gleichberechtigt nebeneinander. Bei weniger
wichtigen Nutztieren und Wildtieren überträgt man die bekannteren Ausdrücke und spricht
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von “Pfauenhennen”, “Yakbullen” und “Büffelkühen”. Dabei werden sogar Gattungsgrenzen
überschritten, wie die Rede von “Elefantenbullen” und “Walkühen” beweist.
Ausgeklammert bleiben Fachbegriffe der Jägersprache (vgl. Schmauks 2007a) sowie
veraltete Ausdrücke wie “Hindin” als Synonym für “Hirschkuh”.
4.2
Schimpfwörter für Männer
Viele Schimpfwörter stellen die Intelligenz des Anderen in Abrede, wobei man “Blödhammel”, “Horntier” und “Hornvieh” vorwiegend für Männer verwendet.
Zu beachten ist, dass sehr alte Eigenschaftszuschreibungen in die Auswahl der Tiere
hineinspielen. So war der Hahn, der alle Hennen deckt, in vielen Kulturen ebenso ein Fruchtbarkeitssymbol wie der Stier oder der Ziegenbock. Im Christentum wurde der brünstig
stinkende Bock dann zu einem Geschöpf des Teufels oder zu dessen Verkörperung. Manchmal ist der Teufel gar so gut getarnt, dass man ihn nur noch an seinem Bocksfuß erkennt.
Die ergiebigste Quelldomäne für Schimpfwörter ist das artspezifische Balzverhalten von
Männchen, das anwesende Weibchen beeindrucken und Rivalen vertreiben soll. Folglich
zeigen auch Männer “Platzhirschgehabe” und sind “aggressiv wie ein brunftiger Hirsch”, sie
“plustern sich auf” wie Vögel oder “trommeln sich auf die Brust” wie Gorillas. Jemand ist
“der Hahn im Korb”, “stolz wie ein Gockel auf dem Mist” oder “schlägt Räder wie ein Pfau”.
“Jemanden pfauen” bedeutet “jemandem die Schau stehlen”, ferner gehören typische Lautäußerungen wie “röhren” und “schnauben” hierher. “Schaumschläger” stammt aus dem
Paarungsverhalten von Schweinen, denn brünstige Keiler und Eber produzieren große
Mengen von stark riechendem Speichel, den sie an Bäume schmieren, um Weibchen anzulocken.
Triebstarkes und promiskes Sexualverhalten gilt als “typisch männlich”, wobei die
einschlägigen Ausdrücke “geiler Bock”, “Stier” und “Hengst” zwischen Missbilligung und
widerwilliger Bewunderung schillern – wegen seiner sexuellen Konnotationen wird vor allem
das Ausdruckspaar “Hengst vs. Stute” in Kontaktanzeigen als Selbstanpreisung verwendet.
Wegen seines Binnenreims beliebt ist “geiler Keiler”. “Hengstparaden” sind ursprünglich
Veranstaltungen für Pferdefreunde und -züchter; der Stolz der auftretenden Tiere und deren
gezielte Vorführung motivierte die Übertragung auf Männergruppen, die sich eitel zur Schau
stellen. Andererseits nennt der Soldatenjargon feige Drückeberger verachtungsvoll “Etappen-” oder “Schreibstubenhengst”.
Der abwertende Ausdruck “Katzelmacher” für die ersten italienischen Gastarbeiter in den
50er und 60er Jahren wird einerseits aus “Kesselmacher” hergeleitet, vergleicht die betreffenden Personen aber auch mit streunenden Katern, die überall viele Kätzchen zeugen. Kaninchenböcke, ebenfalls geil und fruchtbar, liefern das Verb “rammeln”. Ein besonders lebhaftes
und wahlloses Sexualverhalten unterstellt man Männern durch die Ausdrücke “Deckhengst”
und “Dorfstier”, denn früher deckten die so bezeichneten Tiere sämtliche Stuten bzw. Kühe
einer Gemeinde.
Doppelt beleidigend sind die Ausdrücke “Ochse” und “Hammel”, weil sie jemanden nicht
nur Dummheit anhängen, sondern als Namen kastrierter Nutztiere gleichzeitig Männlichkeit
absprechen bzw. Impotenz nachsagen. Da jedoch weitergehende Kenntnisse zunehmend
verloren gegangen sind, werden die parallelen Ausdrücke “Wallach” (kastrierter Hengst),
“Kapaun” (kastrierter Hahn) und “Borg” (kastrierter Eber) überhaupt nicht verwendet.
Vergleichsweise harmlose Schimpfwörter für weichliche Männer sind demgegenüber
“Gimpel” und “Hänfling” – beides kleine und unscheinbare Vögel.
Zickenkrieg und Hengstparade
323
Ein Sonderfall ist wieder der Ausdruck “Sau”, denn obwohl er ein weibliches Hausschwein bezeichnet, beschimpft er mit Ausschmückungen von “feige Sau” bis “geile Sau”
auch Männer (vgl. Abschnitt 3.3). Ein Grund für diesen “Geschlechtswechsel” mag sein, dass
Eber selten gehalten werden und Stadtbewohnern meist gänzlich unbekannt sind. Ganz
ähnlich verwendet man “Melkkuh” für beide Geschlechter wie in der Klage, Autofahrer seien
“die Melkkuh der Nation”, und sogar für abstrakte Gebilde: “Die Melkkuh Pflege ist ausgemolken!”
Betont maskuline Männer verachten häufig Homosexuelle, was psychoanalytisch auf
Furcht vor eigenen unterdrückten Persönlichkeitsanteilen zurückgeführt wird. Obwohl aber
homosexuelle Verhaltensweisen bei vielen Tierarten vorkommen, gibt es als Redensart nur
“schwul wie ein Pavian”. Der weit häufigere Ausdruck “schwule Sau” hingegen ist streng
zoologisch widersinnig (s.o.) und lediglich ein weiterer Beleg dafür, dass man Schweinen
beiderlei Geschlechts beliebige negative Eigenschaften unterstellt.
Dressierte Hunde liefern Vorbilder für unerwünschtes Dominanzverhalten, etwa “Bluthund”, “Wachhund” und “scharfer Hund”. Eindeutig negativ bewertet werden ferner
– Unzuverlässigkeit: Windhund
– Streitsucht: Kampfhahn, Streithammel
– Plumpheit: Büffel
– Unsauberkeit: Stinktier
– ungeheuer hohes Alter, auch Alterschwachsinn: Mooskarpfen
– übertriebene Herausgeputztheit: Pfingstochse
– auffälliges Aussehen oder Verhalten: komischer Kauz, schräger Vogel, Grottenolm
4.3
Schimpfwörter für Frauen
Wer Frauen Dummheit vorwirft, nimmt gern weibliche Nutztiere als Modell, nämlich Kühe,
Schafe und vor allem das Federvieh, also Hühner, Gänse und Puten. Gängige Zusätze für alle
diese Tiernamen sind “blöd”, “dämlich”, “doof”, “dumm” und “vertrottelt”, wohingegen
“einfältig” und “töricht” schon altmodisch sind und daher gesucht wirken.
Ein eher milder Spott ist der Ausdruck “Sakristeiwanze” für eine – meist ältere – bigotte
Frau, die den Herrn Pfarrer aus der ersten Kirchenbank anhimmelt und sich genauso lästig wie
eine Wanze an ihn klammert (vgl. die Ausführungen zu Parasiten in Abschnitt 3.2). Ähnliche
Bezeichnungen für Frömmlerinnen sind “Tabernakelwanze”, “Weihwasserfrosch” und
“Kanzelschwalbe”.
Ein starker Sexualtrieb, der bei Männern oft auch neidisch oder bewundernd festgestellt
wird, gilt bei Frauen in der Regel als schwerer Charakterfehler. Während etwa “Rammler”
zwischen Kritik und widerwillig gewährtem Lob schillert, ist das Pendant “Betthase” deutlich
abwertend. Sexuelle Leichtfertigkeit wird oft mit der Brünstigkeit weiblicher Tiere verglichen
und “sich benehmen wie eine läufige Hündin” ist eine sehr starke Kritik. Demgegenüber ist
“Bordsteinschwalbe” eher eine volkstümliche Berufsbezeichnung: So wie die Schwalbe als
Zugvogel nie lange bleibt, ist der Kontakt der Prostituierten zu ihrem Freier nur flüchtig.
Eine spezifisch weibliche Eigenschaft ist die “Zickigkeit” als schwer zu beschreibende
Mischung von “überspannt”, “launisch” und “streitlustig”. Der Ausdruck wird vielfältig
324
Dagmar Schmauks
kombiniert, so nennt man die Souffleuse im Theater auch “Flüsterziege”. Gängige Steigerungen sind “Gewitterziege” (weil Gewitter streitlustig machen?), “Psychoziege” (die sich für
Therapien interessiert oder aber ihrer bedarf) sowie die “Zimtziege”, was vielleicht nur wegen
der Alliteration geprägt wurde; ferner gibt es das Verb “herumzicken”.
Grundlage etlicher Schimpfwörter ist die Tatsache, dass bei manchen Tierarten auch die
Weibchen untereinander eine Rangordnung auskämpfen, die man bei Hühnern sehr anschaulich “Hackordnung” nennt. In Boulevardpresse, Fernsehen und Internet werden vor
allem die Ausdrücke “Zickenkrieg” und “stutenbissig” verwendet, um die gehässige Rivalität
zwischen Frauen aus männlicher Sicht anzuprangern. Die typische Lautäußerung von Ziegen
ist das Meckern, das wegen seiner Dauer und Penetranz auch als Synonym für “Nörgeln” gilt.
“Schnepfe” hat dasselbe Motiv, denn der Vogel heißt wegen seiner Laute auch “Himmelsziege”. Die phantasievolle Erweiterung “Jodelschnepfe” stammt aus dem Sketch “Jodelschule” von Loriot (1978) und ging ebenso wie seine ebenso bösartige Erwiderung “Winselstute” in den allgemeinen Wortschatz ein.
Ausdauerndes und enervierendes Reden gilt ebenfalls als typisch weiblich und hat viele
Vorbilder. Bekannt ist “schwatzhaft wie eine Elster” sowie “Schnattern”, was sich an Gänsen
und Affenhorden orientiert. Überdrehtes Lachen wird in Analogie zu aufgeregtem Hühnervolk als “Gackern” bezeichnet, ferner kann man “alles nachplappern wie ein Papagei”. Auch
“Quaken” und “Schrillen” kritisieren weibliches Sprechen, obwohl diese durchdringenden
Laute die Revier- und Lockrufe männlicher Frösche bzw. Zikaden sind. Zirpen, Flöten und
Gurren hingegen sind sanfte weibliche Laute, die der Betörung von Männern dienen. Offenbar wird die meist höhere Stimmlage von Frauen nur dann negativ bewertet, wenn sie
zugleich laut ist: Schrillen ist nervtötend, Zirpen liebenswert.
Eine besonders enge Beziehung besteht zwischen Frauen und Katzen, die ähnlich ambivalent gesehen werden wie Schweine. Die alten Ägypter verehrten Katzen, weil sie die Kornspeicher vor Mäusen schützten, und die Katzengöttin Bastet wurde mit Fruchtbarkeit, Liebe
und Lebensfreude verknüpft. Im Zeitalter der Hexenjagden hingegen sah man Katzen (vor
allem schwarze) als Verbündete der bösen Mächte und verfolgte sie erbarmungslos. Dieser
schillernde Status ist den Katzen geblieben. Einerseits sind sie weich, geschmeidig und
anschmiegsam, verkörpern also Sanftheit und Anmut. Andererseits gelten Katzen als eigensinnig, weil sie sich dem Menschen nicht so bedingungslos unterordnen wie der Hund, und
als falsch und verschlagen, weil ihre Stimmungen oft jäh wechseln – eine Katze, die sich
soeben noch hingebungsvoll streicheln ließ, kann einem im nächsten Augenblick die Krallen
in die Hand schlagen. Falschheit sagt man auch der Schlange nach, weil sie in der jüdischchristlichen Schöpfungsgeschichte Eva dazu verführte, die verbotene Frucht zu kosten. Auf
vertrackte Art werden Katzen und Frauen bei der Wahl des Sexualpartners gleichgesetzt.
Wenn Männer es früher ablehnten, mit dem sexuellen “Ausprobieren” bis zur Heirat zu
warten, lautete ihr Argument: “Man kauft keine Katze im Sack”. Andererseits hat auch die
Redewendung “Bei Nacht sind alle Katzen grau” eine sexuelle Lesart, nämlich: “Hauptsache
Frau, egal welche”.
Wegen ihres Aussehens werden Frauen weitaus häufiger kritisiert als Männer. Die Skala
reicht von harmlosen Ausdrücken wie “Brillenschlange” und “graue Maus” bis zum derben
“Drecksau”. Modelle für Fettleibigkeit sind neben Nilpferd und Walross (vgl. Abschnitt 3.2)
besonders fleischige weibliche Nutztiere, nämlich “fette Kuh” und “fette Sau”. Kaum noch
Schimpfwörter sind demgegenüber “Glucke” und “Heimchen am Herde”, die übertriebene
Brutfürsorge und Häuslichkeit nur milde verspotten.
Zickenkrieg und Hengstparade
4.4
325
Zusammenfassung und Sonderfälle
Die Detailanalysen haben gezeigt, dass nur wenige Eigenschaften bei beiden Geschlechtern
negativ bewertet werden, insbesondere Dummheit. Andere Eigenschaften werden bei einem
Geschlecht weitaus häufiger gescholten, vor allem Unmännlichkeit bzw. Feigheit bei Männern und sexuelle Freizügigkeit bei Frauen. Ferner wird bei Frauen das Aussehen stärker
beachtet und entsprechend häufig kritisiert.
Aufgrund dieser Unterschiede gibt es kaum symmetrische Schimpfwörter für beide
Geschlechter. Eine Ausnahme sind die parallelen Bezeichnungen “Leithammel” und “Glokkenkuh” für die leitende Person einer Menschengruppe. Von den biologisch angemessenen
Ausdrücken “Alphawolf” und “Alphawölfin” wird nur die männliche Form verwendet (vgl.
Abschnitt 3.3).
Für einige Schimpfwörter wurde keine schlüssige Begründung gefunden. So ist nicht klar,
warum man von einem “Leithammel” spricht – ist doch der Hammel ein kastrierter Schafbock
(vgl. Abschnitt 4.2) und leitet normalerweise nicht die Herde. Entweder dem Urheber des
Ausdrucks war diese Tatsache nicht bekannt, oder er entstand zu einer Zeit, als der Ausdruck
“Hammel” weniger spezifisch verwendet wurde. Ebenso unklar ist die Motivation des
Ausdruckes “Lustmolch”. Molche besamen ebenso wie Fische die Eier im Wasser, also ohne
Koitus. Hat ihnen vielleicht ihre Phallusform oder glitschige Haut zum schlechten Ruf
verholfen?
Menschen mit biologischem Vorwissen wundern sich schließlich vielleicht noch, dass
einige geschlechtsspezifische Auffälligkeiten im Tierreich nicht (oder noch nicht?) Eingang
in Redensarten gefunden haben. So ähneln Gruppenvergewaltigungen von Frauen den
Zwangsbegattungen von Enten, deren “Täter” Rudel von unverpaarten Erpeln sind. Auch dass
nur weibliche Mücken stechen, könnte man sprachlich thematisieren als “blutgierig wie ein
Mückenweibchen”.
Ein spannendes aber nicht in Redewendungen ausgedrücktes Thema sind ferner die
kognitiven Einschränkungen, die durch Domestizierung bewirkt werden. Die meisten Haustiere haben eine etwa 20–30% geringere Hirngröße als die Wildformen, wobei der Neocortex am
stärksten schrumpft (Benecke 1994: 55–58). Während man also beim Beschimpfen von
Artgenossen “Du Sau!” zu “Du Wildsau!” steigern kann, wäre zoologisch gesehen der
Vergleich mit der Wildform deutlich schmeichelhafter.
Anmerkung
1
Keimzelle dieses Textes war ein Vortrag, den ich am 8. November 2008 auf der 18. Fachtagung der Deutschen
Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung gehalten habe. Ich danke dem Präsidenten Dr. Jakob
Pastötter für die Einladung nach München.
Literatur
Benecke, Norbert (1994): Der Mensch und seine Haustiere. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung.
Stuttgart: Theiss.
Freud, Sigmund (1905): Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. Wien: Deuticke. Gesammelte Werke Bd. 6.
Frankfurt a.M.: Fischer 1948. Taschenbuchausgabe: Frankfurt a.M.: Fischer 1965.
Idel, Anita (1999): Tierschutzaspekte bei der Nutzung unserer Haustiere für die menschliche Ernährung und als
Arbeitstier im Spiegel agrarwissenschaftlicher und veterinärmedizinischer Literatur aus dem deutschsprachigen
Raum des 18. und 19. Jahrhunderts. Freie Universität Berlin, FB Veterinärmedizin: Dissertation.
326
Dagmar Schmauks
Lakoff, George (1987): Women, Fire, And Dangereous Things. Chicago: University Press.
Lamott, Franziska und Friedemann Pfäfflin (2008): “Sind Straftäter Tiere? Neue Strategien der Ausgrenzung und
Kontrolle”. In: Irmgard Rode u.a. (eds.): Paradigmenwechsel im Strafverfahren! Neurobiologie auf dem
Vormarsch. Berlin: LIT: 99–125.
Morris, Desmond (1967): The Naked Ape. London: Jonathan Cape. Deutsch: Der nackte Affe. München: Droemer
Knaur 1970.
Schmauks, Dagmar (1997): “Pflanzen als Zeichen”. Zeitschrift für Semiotik 19: 133–147.
Schmauks, Dagmar (2002): “‘Sach ens Blootwoosch!’ Ein scherzhaftes zweistufiges Schibboleth aus Köln”. In:
Matthias Rothe und Hartmut Schröder (eds.): Ritualisierte Tabuverletzung, Lachkultur und das Karnevaleske.
Frankfurt a.M.: Peter Lang: 353–370.
Schmauks, Dagmar (2004): “Der Keiler sprach zur Sau: ‘Wir werden Mann und Frau!’. Eine besondere Verschränkung von Rassen- und Geschlechtsstereotypen im Bilderbuch”. Kodikas/Code 27: 285–300.
Schmauks, Dagmar (2006): “Ringelschwanz und rosa Rüssel. Stilisierungen des Schweins in Werbung und Cartoon”.
jitter – Magazin für Bildgestaltung 00/06: 46–61.
Schmauks, Dagmar (2007): Semiotische Streifzüge. Essays aus der Welt der Zeichen. Münster: LIT.
Schmauks, Dagmar (2007a): “Heiße Spuren und treffende Argumente. Die Jagd als Metaphernspender”. In
Schmauks 2007: 32–42.
Schmauks, Dagmar (2007b): “Von ‘Affe’ bis ‘Zicke’: Warum sind so viele Schimpfwörter zweisilbig?” In Schmauks
2007: 160–167.
Volkmer, Thomas und Mario C. Singer (2008): Tatort Internet. Das Handbuch gegen Rufschädigung, Beleidigung
und Betrug im Internet. München: Markt + Technik.
Wittgenstein, Ludwig (1958): Philosophical Investigations / Philosophische Untersuchungen. Oxford: Blackwell.