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Schöner Erfolg VON MICHAEL KALLINGER Fotomodell Heidi Klum lächelt uns von Titelseiten und Bildschirmen in aller Welt an. Hinter der schönen Fassade verbirgt sich jedoch eine findige Geschäftsfrau mit viel Familiensinn 116 FOTO : © JU RG E N F RA N K /CORB IS OUTL INE 117 I APRIL 2005 S ei 1,90 und sieh nackt umwerfend aus!“ So lautet die erste von neun Regeln, die Heidi Klum in ihrem Buch Natürlich erfolgreich (erschienen im Krüger Verlag) für alle Männer niedergeschrieben hat, die gerne einmal ein Fotomodell treffen wollen. Was also tun, wenn man sich mit dem rheinischen „Supermodel“ verabreden möchte, aber nur 1,78 Meter misst und nicht ohne Grund lässig geschnittene Kleidung bevorzugt? Man fragt – ganz alte Schule – beim Herrn Papa an. Im Fall des deutschen Weltstars ist das ohnehin kaum zu vermeiden: Vater Günther führt nicht nur die Heidi Klum GmbH in Bergisch Gladbach, er dient auch als eine Art Wellenbrecher für die Flut von Interview-Wünschen, die tagtäglich an die Wahl-New-Yorkerin herangetragen werden. Der ehemalige Kosmetikmanager ziert sich dementsprechend gebührend, bevor er sagt: „Können Sie sich denn auch vorstellen, im Zug mit Heidi zu sprechen?“ Köln Hauptbahnhof, zwei Wochen später. Die Bahnhofsuhren zeigen kurz nach acht Uhr, als sich der Intercity nach Hamburg in Bewegung setzt. Im fast voll besetzten Wagen zwölf warten auf den Plätzen 43 und 45 Vater und Tochter Klum. Letztere ist ungeschminkt, hat das Haar nach hinten gesteckt, schlürft Kaffee aus einem Pappbecher und bearbeitet mit beeindruckendem Tempo die Tastatur eines Mini-Computers. Mit der Statur von Journalisten nimmt es die leger in 118 SC H Ö N E R E R FO LG Jeans und Turnschuhe gekleidete Schöne glücklicherweise nicht ganz so genau – und ihre eigenen Worte nicht allzu ernst. „Vieles in dem Buch ist natürlich auch augenzwinkernd formuliert“, sagt sie freundlich lachend. „Das mit den Regeln für den Umgang mit Models habe ich aufgenommen, weil mich andauernd irgendwelche Männer fragen: Wie kann ich denn deine Freundinnen – also, meine Kolleginnen – kennen lernen? Und natürlich wollte ich solche typischen Sachen dann auch aufgreifen und humorvoll abhandeln.“ Dass ihr Humor wichtig ist, hat die 31-Jährige während ihrer schon mehr als ein Jahrzehnt andauernden Karriere mehrfach bewiesen: In der Sendung von TV-Ikone David Letterman jodelte sie sich mit der bayerischen Volkstanzweise Hirtenmadl in die Herzen des US-amerikanischen Publikums, Talkmaster Jay Leno enthaarte sie vor laufender Kamera die Beine mit Heißwachs, und dem Boxer Evander Holyfield biss sie bei einer Fotoproduktion ins Ohr – wohlgemerkt nachdem Schwergewicht Mike Tyson sich bereits ein Stück davon geholt hatte. „Ich habe einfach Spaß“, erklärt Heidi Klum den immensen Erfolg, den sie als modernes „Frolleinwunder“ in den Staaten erzielt. Dort sorgt sie vor allem auf der Mattscheibe für frischen Wind. „Die meisten weiblichen Gäste in den TV-Sendungen geben sich schon sehr damenhaft“, meint die Frohnatur, „die machen keine lustigen Sachen.“ Nichts für Heidi Klum, das Fotomodell, deren Halloween-Partys in New Zwei Gesichter: Heidi Klum ungeschminkt beim „Reader’s Digest“Interview im Zug nach Hamburg (oben) und als Model auf dem Laufsteg FOTOS: © MICHAEL KALLINGER; DPA RD York inzwischen zu den wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen zählen. Und nichts für Heidi, den Privatmenschen. Auch mit dem Mann an ihrer Seite will die einfallsreiche Blondine herzhaft lachen: „Mein Partner muss Charme haben, treu sein und lustig.“ So wie der hünenhafte britische Pop-Sänger Seal, der sich beim Karnevalsumzug in ihrer Heimatstadt Bergisch Gladbach als Krokodil verkleidet mit ihr auf einen Festwagen stellte und tags darauf auch in Köln mit seiner deutschen Verlobten kiloweise „Kamelle“ ins Volk warf – natürlich 119 RD I APRIL 2005 fettfreie Fruchtgummis, die sie auch bewirbt und die in den USA unter der Marke „Heidi’s“ verkauft werden. Das Naschwerk ist nicht das Einzige, was Klum unter ihrem Namen vertreibt; beispielsweise zählen eine Parfümlinie und modisch verzierte Gesundheitsschuhe zu ihrem Portfolio. Überhaupt beweist sie mit viel Geschäftssinn, dass ein Fotomodell nicht nur ein menschlicher Kleiderständer sein muss. Obwohl die Mutter einer knapp einjährigen Tochter noch immer mit ihrer blendenden Optik für Bekleidungshersteller, Versandhäuser oder Schnellrestaurants wirbt, ist „Heidi Klum“ inzwischen auch selbst eine eingetragene Marke. Im Moment hat die findige Selbstvermarkterin das Fernsehen im Visier. Nein, eine Schauspielkarriere schwebt 120 ihr nicht vor, obwohl Gastspiele in US-Serien wie Sex and the City beim Publikum bestens ankamen. „Richtige Schauspieler hängen oft vier oder fünf Monate an einem Drehort herum, da würde ich einen Anfall kriegen“, erklärt Klum. „Ich mache lieber viele unterschiedliche Sachen. Außerdem müsste ich ja noch eine Schauspielschule besuchen.“ Schließlich hat sie in ihren bisherigen Rollen meist sich selbst gespielt – und dennoch für ihren Part als Freundin von Michael J. Fox in der TV-Serie Chaos City sechs Wochen Unterricht genommen. „Ich habe gedacht: Bevor ich da etwas Blödes mache, gehe ich lieber abends noch zu einem Lehrer.“ Was Frau Klum macht, macht sie richtig. So darf man auch auf ihr neues Fernsehformat gespannt sein. „Das Re- FOTO: © DPA Traumpaar: Klum und der britische Pop-Sänger Seal beim Kölner Rosenmontagsumzug im Februar 2005 ality-TV wird sich ändern, da muss demnächst die nächste Stufe kommen – und ich habe mir da was Gutes überlegt.“ Was, darüber will Heidi Klum erst einmal mit ihrem Anwalt reden, der das Konzept markenrechtlich sichern soll. Sie schlägt die in Millionenhöhe versicherten Beine übereinander, und hinter ihrem Lächeln lässt sich erahnen, dass die Dame ein harter Verhandlungspartner sein kann. „Auch wenn ich einen Werbejob zugesagt habe, rede ich mit, bis die Anzeigen gedruckt sind oder die Spots ausgestrahlt werden – egal, wie bedeutend der Auftraggeber ist“, erklärt sie nur wenig später. Für manche Produkte möchte sie übrigens einfach überhaupt nicht werben, „beispielsweise für Zigaretten“. Rückhalt findet Heidi Klum vor allem in der Familie: Vater Günther ist ihr Manager, und auch Mutter Erna begleitet ihre Tochter oft. Sie ist es auch, die während der Zugreise nach Hamburg zu Hause in Bergisch Gladbach auf ihre im Mai 2004 geborene Enkelin Leni aufpasst – zusammen mit Seal, ihrem Schwiegersohn in spe, den Heidi Klum nach eigenem Bekunden noch in diesem Jahr heiraten will. Wie schon die Verlobungszeremonie auf einem kanadischen Gletscher soll auch die Hochzeit an einem exotischen Ort stattfinden – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. In dem fast zwei Meter großen Engländer mit der sanften Stimme scheint Heidi Klum den perfekten Vater für ihre Tochter gefunden zu haben, die aus ihrer früheren Beziehung mit dem OMA LENIS SAUERKRAUTSUPPE Heidi Klums Lieblingsspeise nach dem Rezept ihrer Großmutter – wie von Mutter Erna Klum kurzerhand telefonisch an die Redaktion durchgegeben (12 Portionen!): • 1,5 Kilo gemischtes Hackfleisch von Rind und Schwein • 5 große weiße Zwiebeln, fein gehackt • 3 große Dosen Sauerkraut • 2 kleine Dosen Champignons • 5 große saure Gurken, grob gehackt • 1 Flasche Schaschliksauce (ca. 375 ml) • 500 ml Gemüsebrühe (4 Brühwürfel) • Salz und Pfeffer zum Abschmecken • Olivenöl zum Anbraten • 2 Becher Sahne Das Hackfleisch und die Zwiebeln anbraten, Sauerkraut, Pilze und saure Gurken hinzufügen; Schaschliksauce und Brühe dazugeben. Die Suppe 45 Minuten köcheln lassen und gelegentlich umrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken, Sahne einrühren, eine weitere Minute kochen RD lassen und dann servieren. Formel-Eins-Manager Flavio Briatore stammt. Genau wie ihre Eltern war der Sänger schon bei der Geburt des Babys dabei – und hat sich dabei offenbar wacker geschlagen. „Er ist ein starker Mann, der hält was aus“, meint seine Verlobte bestimmt. Die Zeit im Kreißsaal wollte sie ganz bewusst mit ihren Lieben teilen. „Also, für mich ist das nichts Ungewöhnliches, dass auch die Großeltern dabei sind“, meint Heidi Klum. „Ich hätte gern auch noch meine beste Freundin dabeigehabt. Eine Geburt ist ein tolles Erlebnis, das ich gerne mit den Menschen teile, die ich liebe.“ 121 RD I APRIL 2005 SC H Ö N E R E R FO LG Vielleicht wird Freundin Karin ja beim nächsten Mal dabei sein, denn weitere Kinder will das Fotomodell auf jeden Fall, auch wenn es sich auf die Zahl nicht festlegen lässt: „Ich sage immer: eines nach dem anderen.“ Derzeit sei jedenfalls – den zahlreichen Spekulationen der Boulevardpresse zum Trotz – kein Nachwuchs in Sicht. „Nein, ich bin nicht schwanger“, gibt sie an diesem Morgen zu Protokoll. So bleibt es wohl vorerst bei der deutsch-britischen Kleinfamilie, in der die Eltern gemeinsam für die Erziehung ihrer Tochter Sorge tragen. „Wir haben jetzt noch nicht detailliert besprochen, ob sie später einmal Cola trinken darf, aber wir haben die gleichen Werte“, erklärt die Mama. „Wir wollen, dass sie ein vernünftiges und liebevolles Kind ist und gutes Beneh122 men zeigt. Ich sehe viele Kinder, die das nicht tun. Und das liegt nicht am Kind, sondern an den Eltern.“ Sie habe als Kind ebenfalls gute Umgangsformen vermittelt bekommen, und zudem viel Vertrauen – von Eltern, die ihre 19-jährige Tochter in die USA ziehen ließen, um dort den Traum einer Model-Karriere zu verfolgen. Und zu verwirklichen. „Meine Eltern haben wahrscheinlich auch nicht gedacht, dass ich so lange wegbleibe“, meint Klum verschmitzt. „Zunächst wollte ich ja nur für ein paar Monate in die Staaten.“ Dort will die Kosmopolitin aus beruflichen Gründen auch weiterhin ihren Hauptwohnsitz haben, aber: „Meine Heimat ist schon Deutschland, Bergisch Gladbach.“ Dort trifft sie noch immer Freundinnen aus Schul- FOTOS: © KEVIN WINTER/GETTY IMAGES Aufsehen erregend: Als Klum in der TV-Show von US-Entertainer Jay Leno (oben rechts im Bild) einen BH aus Edelsteinen präsentiert, reißt das 12,5 Millionen Dollar teure Stück zeiten wie Karin, die fürs deutsche Fernsehen Beiträge schneidet und mit der sie sich dann über ganz andere Dinge austauscht als mit Model-Kolleginnen wie Tyra Banks oder Gisele Bündchen. „Wir kennen uns schon, seit wir sechs waren, das sind dann eben andere Gespräche als mit Kolleginnen. Karin hat meinen Eltern und mir beispielsweise zu Weihnachten alte Filmaufnahmen auf Video zusammengeschnitten, auf denen ich teilweise erst ein Jahr alt bin.“ Vielleicht sind es gerade diese Wurzeln, aus denen Heidi Klum die Energie bezieht, so erfrischend normal zu sein. Wenn sie erzählt, dass sie auf Flugreisen stets ihre Milchzähne als Talisman bei sich trägt, immer noch so gern Sauerkrautsuppe nach Oma Lenis Rezept isst (siehe Seite 121) oder ihr Bruder als Busfahrer im Rheinland arbeitet, dann hat das etwas Bodenständiges, das so gar nicht mit dem Bild des internationalen Jetsets zusammenpasst. Die Klum’sche Mischung aus Geschäftstüchtigkeit und Familiensinn illustriert vielleicht auch dies: Vor der Geburt ihrer Tochter schlug Heidi Klum die zahllosen lukrativen Angebote der Klatschpresse für das erste Bild der Neugeborenen aus. Stattdessen stellte sie lediglich ein privates Bild von Leni auf ihre Homepage – und verkaufte fünf weitere an eine Bildagentur. Den Erlös des Exklusivgeschäftes spendete sie, etwa dem Bethanien Kinderdorf Bergisch Gladbach. „Ich mache viel für die“, erzählt Klum. „Dort leben rund 100 Kinder, manche sind Waisen, andere haben Eltern mit Drogenproblemen oder solche, die einfach überfordert sind, und die Betreuer machen das einfach toll dort.“ Auch bei der US-Version des TVQuiz Wer wird Millionär erspielte sie kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 für wohltätige Zwecke 250 000 Dollar. Ob in New York oder in Bergisch Gladbach: „Viele Leute brauchen Hilfe, und die muss nicht immer in der Öffentlichkeit stehen“, meint Heidi Klum. „Ich informiere auch nicht jedes Mal die Presse, wenn ich irgendwo helfe.“ Die Medien begleiten sie auch so auf Schritt und Tritt. Ihr neues Domizil in Los Angeles wurde bereits vor ihrem Einzug vom Hubschrauber aus abgelichtet, und selbst im Flugzeug fliegen ab und an Paparazzi mit, die auf ein exklusives Foto von Mama Heidi und Töchterchen Leni spekulieren. Da ist es fast schon erstaunlich, dass die Blondine im Großraumabteil nach Hamburg so gar kein Aufsehen erregt. Nein, sie benötigt kein Separee, und nach dem Gespräch wird sie mit Vater Günther erst einmal ins Bordbistro gehen. „Bei uns war es heute Morgen sehr hektisch“, erklärt sie entschuldigend. Dabei sind Fotomodelle es durchaus gewohnt, sich sehr früh am Morgen ablichten zu lassen, bei Sonnenaufgang, wenn das Licht besonders günstig ist. „Aber das heißt ja nicht, dass uns das Aufstehen deshalb leichter fällt“, meint Heidi Klum augenzwinkernd zum Abschied, bevor sie sich auf den Weg zu Kaffee und Bröt■ chen macht. 123