Das Sonderbetriebsvermögen in der gestaltungsberatung

Transcription

Das Sonderbetriebsvermögen in der gestaltungsberatung
Steuergestaltung
Berufsausübungsgemeinschaft
Das Sonderbetriebsvermögen in der
Gestaltungsberatung
von StB Dr. Rolf Michels, Köln
| Das Vermögen, das eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) für die ärztliche Tätigkeit benötigt, befindet sich im Regelfall im Gesamthandsvermögen der
Gesellschaft. Ebenso wird aber regelmäßig hinsichtlich individuell genutzter Gegenstände, z.B. des Pkw, vereinbart, dass diese von einem Gesellschafter (Arzt) persönlich angeschafft werden. In diesen Fällen kann Sonderbetriebsvermögen
(SBV) gebildet werden. Dieser Beitrag soll einen Überblick über wichtige Gestaltungsfälle mit SBV geben. Dabei geht es um stille Reserven einer Praxisimmobilie, um den Eintritt in eine Gesellschaft und um Fälle der Betriebsaufspaltung. |
1. Grundsätzliches
Durch das SBV soll der Gesellschafter einer Personengesellschaft einem Einzelunternehmer steuerlich so weit wie möglich gleichgestellt werden. Das SBV
regelt nicht die (zivilrechtlichen) Eigentumsverhältnisse, sondern die steuerliche Zuordnung zu einer bestimmten Besteuerungssphäre. Gehört ein Wirtschaftsgut zum SBV einer gewerblich/freiberuflich tätigen Personengesellschaft, sind die stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des SBV steuerverhaftet.
Gerade bei der Neugründung oder dem Eintritt in eine Gemeinschaftspraxis
kann es zu einer ungewollten Aufdeckung der stillen Reserven von Wirtschaftsgütern des SBV kommen. Andererseits sind Ausgaben/Aufwendungen, die mit
den Wirtschaftsgütern in Zusammenhang stehen, Sonderbetriebsausgaben.
Steuerverstrickung
der stillen Reserven
2. Stille Reserven einer Praxisimmobilie
Wird eine Gemeinschaftspraxis in den Räumen eines Gesellschafters betrieben, gehören die Praxisräume zum SBV des Gesellschafters bei der Gemeinschaftspraxis. Folglich führen alle Einnahmen und Ausgaben aus dem Grundstück zu steuerverhafteten Sonderbetriebseinnahmen und –ausgaben. Eine
eventuelle Veräußerung oder Überführung der Praxisimmobilie ins Privatvermögen würde zur Versteuerung der stillen Reserven führen.
Vorsicht vor
steuerpflichtiger
Realisierung
◼◼Beispiel 1
Dr. A betreibt eine Einzelpraxis. Die Praxisimmobilie (AK: 200 TEUR) befindet sich
in seinem Eigentum. Nach Aufnahme des Dr. B im Jahr 2010 als gleichberechtigten Partner in die neu gegründete BAG (BAG) überlässt Dr. A die Immobilie der
BAG weiterhin zur Nutzung. Die Immobilie – bisher im Einzelbetriebsvermögen –
wird nun SBV bei der neuen BAG (BW 2010: 140 TEUR, VW 2010: 380 TEUR, stille
Reserven folglich 240 TEUR). Fünf Jahre später veräußert Dr. A unter Aufgabe
seiner bisherigen ärztlichen Tätigkeit seinen Praxisanteil an Dr. C, der die Praxis
mit Dr. B fortführt. Bezüglich der Praxisimmobilie schließt Dr. A einen langfristigen Mietvertrag mit der Praxis Drs. B und C. Aufgrund der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit muss Dr. A die Praxisräume in sein Privatvermögen überführen. Der
Besteuerung der stillen Reserven kann sich Dr. A nicht entziehen. Lediglich der
Zeitpunkt der Besteuerung kann beeinflusst werden.
11-2012
Praxis
Freiberufler-beratung
292
Steuergestaltung
1. Sofortige Versteuerung
Wird die Praxisimmobilie bei Veräußerung des Praxisanteils in das steuerliche
Privatvermögen überführt, handelt es sich um eine Betriebsaufgabe i.S. von § 16
Abs. 3 EStG. Sowohl der Gewinn aus der Veräußerung des Praxisanteils als auch
die aufgedeckten stillen Reserven aus der Überführung der Praxisräume ins Privatvermögen unterliegen nun der Tarifermäßigung gemäß § 34 EStG. Das heißt
der Aufgabegewinn aus der Betriebsaufgabe kann insgesamt mit dem begünstigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG besteuert werden (sog. Fünftelregelung).
Sofern Dr. A das 55. Lebensjahr vollendet hat, kann ggf. der Freibetrag nach § 16
Abs. 4 EStG gewährt werden. Zudem kann Dr. A den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG (56 % des Durchschnittsteuersatzes) in Anspruch nehmen,
sofern er diesen nicht schon bereits für einen anderen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn in Anspruch genommen hat.
Spätere Wertzuwächse sind, sofern die Praxisräume nicht innerhalb von 10 Jahren nach Überführung ins Privatvermögen veräußert werden (= Privates Veräußerungsgeschäft i.S. von § 23 EStG), nicht mehr zu versteuern.
Privates Veräußerungsgeschäft
2. Spätere Versteuerung
Eine spätere Besteuerung der stillen Reserven kann durch eine rechtzeitige Gründung einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG erreicht werden, deren Gesellschaftszweck in der Vermietung der Praxisräume an die Gemeinschaftspraxis besteht. Dr. A hätte dann die Möglichkeit, die Praxisräume aus dem SBV der Gemeinschaftspraxis auf die neu gegründete GmbH & Co. KG nach § 6 Abs. 5 EStG zu
Buchwerten zu übertragen. Die spätere Veräußerung des Gesellschaftsanteils an
der Gemeinschaftspraxis würde dann gem. §§ 16, 34 EStG begünstigt besteuert
werden.
Der Vorteil läge hier in der Verschiebung der Besteuerung der stillen Reserven
der Praxisräume, wodurch in der Regel lediglich ein positiver Zinseffekt erzielt
werden kann. Unter Umständen kann dadurch die Versteuerung des Immobiliengewinnes auf einen Zeitraum mit niedrigeren Steuersätzen oder ein zukünftiges
Jahr mit steuerlichen Verlusten verschoben werden.
Positiver Zinseffekt
durch Verschiebung
Jedoch sind zukünftige Wertsteigerungen der Praxisräume steuerbehaftet. Zudem unterliegen die Gewinne der gewerblich geprägten GmbH & Co. KG der Gewerbesteuer und Dr. A müsste die jährlichen Jahresabschluss- und Steuererklärungskosten tragen.
Fraglich ist zudem, ob diese Konstellation durch die Finanzämter steuerlich wegen der sogenannten „Gesamtplanrechtsprechung“ anerkannt wird. Danach wird
eine Vielzahl von Rechtsgeschäften, die auf einheitlicher Planung basieren, zu
einem einheitlichen Vorgang zusammengefasst. Dieser einheitliche Vorgang wird
dann für die steuerliche Würdigung zugrunde gelegt . Demnach wäre die Überführung einer wesentlichen Betriebsgrundlage zu Buchwerten in ein anderes
Betriebsvermögen, die dann wegen Zusammenfassung der Rechtsgeschäfte im
Zuge der Veräußerung des Praxisanteils durchgeführt werden würde, schädlich
für die Anwendung der Tarifbegünstigung gemäß. §§ 16, 34 EStG. Folglich wäre
der Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung des Praxisanteils als laufender
Gewinn zu besteuern. Dies würde zu einer erheblichen Mehrbelastung führen.
Anerkennungshürde
„Gesamtplanrechtsprechung“
Der BFH (25.2.10, IV R 49/08, BStBl II 10, 726) hat bestätigt, dass die Voraussetzungen einer Tarifbegünstigung gemäß §§ 16, 34 EStG nicht erfüllt sind, wenn
in der Vorbereitung auf eine Veräußerung eines Mitunternehmeranteils funk­
11-2012
Praxis
Freiberufler-beratung
293
Steuergestaltung
tional (für den Praxisbetrieb notwendig) oder quantitativ (mit erheblichen stillen Reserven) wesentliche Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wurden. Der BFH verwies daher den Fall
an das Finanzgericht zurück, da dieses noch zu prüfen hatte, ob die vorab übertragenen Grundstücke wesentlich für die Personengesellschaft waren.
3. Eintritt in eine Gesellschaft
Tritt ein bereits in eigener Einzelpraxis praktizierender Arzt in eine bestehende
BAG) ein oder gründen zwei Ärzte eine neue BAG, werden die Wirtschaftsgüter
der bisherigen Einzelpraxis normalerweise nun von der neuen BAG genutzt.
Die Überführung der bisherigen Einzelpraxis in eine neu gegründete oder bestehende BAG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten stellt steuerlich
einen Tausch dar. Anlässlich dieses Tauschvorgangs sind grundsätzlich alle
vorhandenen stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern. Die aufnehmende Gesellschaft hat entsprechende Anschaffungskosten, die sie wiederum
steuerlich abschreiben kann. Um einer eventuellen steuerlichen Belastung zu
entgehen, kann unter bestimmten Voraussetzungen der Eintritt in eine Gesellschaft im Rahmen des Umwandlungssteuergesetz-Modells steuerneutral vollzogen werden.
3.1 Umwandlungssteuergesetz-Modell
§ 24 UmwStG regelt unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der
steuerneutralen Einbringung eines Betriebs (Praxis), Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils (Anteil an einer Arztpraxis) in eine (neue) Mitunternehmerschaft (BAG) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Dabei müssen alle
funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen (alles, was für den Praxisbetrieb
notwendig ist) auf die neue Mitunternehmerschaft übertragen werden.
Aufdeckung stiller
Reserven
Steuerneutrale
Einbringung
◼◼Beispiel 2
Die Gemeinschaftspraxis A & B (je 50 %) und die Gemeinschaftspraxis C & D (je
50 %) wollen sich zu einer überörtlichen BAG zusammenschließen. Beide Praxen
bringen ihr gesamtes materielles und ideelles Vermögen in die neue Gesellschaft
ein.
Durch die Einbringung der Wirtschaftsgüter der Gemeinschaftspraxen auf die neue
BAG findet ein Rechtsträgerwechsel statt, der folglich einen Veräußerungstatbestand auslösen würde, der ggf. zu einem Veräußerungsgewinn führt. Werden alle
wesentlichen Betriebsgrundlagen der Gemeinschaftspraxen in das Gesamthandsvermögen der BAG überführt, kann die Einbringung gemäß § 24 UmwStG steuerneutral durchgeführt werden.
Zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen i.S. von § 24 UmwStG zählen, im Gegensatz zu § 16 EStG, nur die funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen.
3.2 Einbringung „auch“ ins SBV
Ist jedoch bei der Gründung der neuen BAG nicht gewollt, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in das Gesamthandsvermögen der neuen BAG übergehen, sondern im Eigentum der bisherigen Gemeinschaftspraxen oder der
11-2012
Praxis
Freiberufler-beratung
Steuerneutral
möglich
294
Steuergestaltung
einzelnen Gesellschafter A, B, C, D verbleiben, stellt sich die Frage, ob die
Übertragung von Wirtschaftsgütern statt auf die neue BAG in das SBV des Gesellschafters (oder einer Gesellschaftergruppe) ausreicht.
◼◼Beispiel 3
Wie Beispiel 2, aber die Geräte sollen nur teilweise in die Gemeinschaft eingebracht und zum Teil dieser nur zur Nutzung überlassen werden.
Seit Einführung des SEStEG ab 12.12.06 bestanden Zweifel, ob steuerneutrale
Übertragungen ins SBV noch möglich sind. Inzwischen sieht der Umwandlungssteuererlass (BMF 11.11.11, IV C 2 - S 1978-b/08/10001) vor, dass die teilweise Einbringung der Wirtschaftsgüter in das SBV des Einbringenden weiterhin
ausreicht (Tz. 24.04).
3.3 Einbringung „ausschließlich“ ins SBV
Werden alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen ausschließlich in das
SBV eingebracht, ist fraglich, ob § 24 UmwStG oder § 6 Abs. 5 S. 2 EStG auf
diesen Fall angewendet werden kann. In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche Auffassungen.
Meines Erachtens ist § 24 UmwStG nicht anzuwenden, wenn alle funktional
wesentlichen Betriebsgrundlagen ausschließlich in das SBV eingebracht werden. Das UmwStG definiert als lex specialis Bewertungswahlrechte bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen. Zunächst muss ein Besteuerungstatbestand nach dem EStG erfüllt sein, da das UmwStG keine eigenen Besteuerungstatbestände definiert. Voraussetzung ist zunächst ein Rechtsträgerwechsel, der grundsätzlich einen Besteuerungstatbestand auslöst. Die Wirtschaftsgüter ändern hier aber nur ihre steuerliche Qualität: Aus Einzel- oder Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft wird SBV zu einer anderen Mitunternehmerschaft. Folglich kann § 24 UmwStG mangels Beteuerungstatbestand auch nicht angewendet werden.
§ 24 UmwStG nicht
anwendbar
Jedoch wird die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen einer Einzelpraxis in das SBV einer BAG steuerneutral gemäß § 6 Abs. 5
S. 2 EStG durchgeführt. Sofern die Wirtschaftsgüter schon vor Gründung der
neuen BAG im Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft waren
und auch zukünftig im Rahmen der Überlassung dort bleiben, also aus dieser
(der bisherigen Mitunternehmerschaft) heraus der neuen Mitunternehmerschaft zur Nutzung überlassen werden, müsste § 6 Abs. 5 S. 2 EStG analog
angewendet werden, da dieser Vorgang unmittelbar darin nicht geregelt ist.
§ 6 Abs. 5 S. 2 EStG
ermöglicht steuerneutrale Übertragung
Praxishinweis | Zur Sicherheit sollte (immer) ein (formloser) Antrag i.S. des
§ 24 UmwStG auf eine Bewertung mit dem Ansatz der Buchwerte gestellt werden. Falls die Finanzverwaltung von der Anwendung des § 24 UmwStG ausgeht,
führt das Fehlen des Antrags zum automatischen Ansatz der gemeinen Werte
und zur Aufdeckung stiller Reserven. Geht die Verwaltung dagegen von der Anwendung des § 6 Abs. 5 S. 2 EStG aus, so schadet der Antrag zumindest nicht.
11-2012
Praxis
Freiberufler-beratung
295
Steuergestaltung
4. Abgrenzung zur Betriebsaufspaltung
Abschließend sei noch auf einige Besonderheiten zur Betriebsaufspaltung eingegangen.
4.1 Überlassung von Wirtschaftsgütern an eine Kapitalgesellschaft
Die Überlassung von Wirtschaftsgütern eines Gesellschafters an eine Kapitalgesellschaft (z.B. GmbH), an der er beteiligt ist, führt nicht zu SBV.
◼◼Beispiel 4
Das Medizinische Versorgungszentrum A, B, C (alle beteiligt zu je einem Drittel)
wird in der Rechtsform der GmbH betrieben. Dr. A überlässt der A, B, C GmbH ein
Röntgengerät.
Es handelt sich um einen Rechtsgeschäft zwischen dem A und der vollrechtsfähigen A, B, C GmbH. Wird die Überlassung des Röntgengerätes gegen Entgelt
vereinbart, handelt es sich um eine vermögensverwaltende Betätigung und A erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 EStG. Folglich wird
das Röntgengerät zur Erzielung einer Überschusseinkunftsart genutzt und zählt
somit zum notwendigen Privatvermögen.
Besteht zwischen dem oder den Eigentümer/n des überlassenen Wirtschaftsguts (= Besitzunternehmen) und der Gesellschaft (= Betriebsgesellschaft) eine enge personelle und sachliche Verflechtung, handelt es sich um
eine Betriebsaufspaltung. Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn die
Betriebsgesellschaft und das Besitzunternehmen von einem einheitlichen
Betätigungswillen getragen sind, der entweder durch Beteiligungsidentität (=
in beiden Unternehmen sind dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt) oder Beherrschungsidentität zutage tritt. Eine Beherrschungsidentität liegt vor, wenn eine Person oder eine Personengruppe in beiden Unternehmen einen einheitlichen Betätigungswillen durchsetzen kann.
Enge personelle
und sachliche
Verflechtung
◼◼Beispiel 5
Die GbR Dr. B, Dr. C und E (alle beteiligt zu je einem Drittel) hat vertraglich die
Beschlussfassung nach dem Mehrheitsprinzip vereinbart und verpachtet eine
Immobilie an die Dr. A, Dr. B, Dr. C GmbH (alle beteiligt zu je einem Drittel), in dem
die GmbH ihre Arztpraxis betreibt.
Im Besitzunternehmen wie auch in der Betriebsgesellschaft können Dr. B und
Dr. C als Personengruppe aufgrund ihrer beherrschenden Beteiligung (zusammen jeweils 2/3) ihren Betätigungswillen durchsetzen. Eine enge personelle Verflechtung zwischen Personengesellschaft und der GmbH ist somit gegeben.
Eine sachliche Verflechtung liegt vor, wenn es sich bei dem überlassenen Wirtschaftsgut um eine wesentliche Betriebsgrundlage der Betriebsgesellschaft
handelt. Das Wirtschaftsgut muss zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sein und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen.
11-2012
Praxis
Freiberufler-beratung
Wesentliche
Betriebsgrundlage
296
Steuergestaltung
In dem obigen Beispiel ist somit auch eine enge sachliche Verflechtung gegeben, sodass mit der Vermietung der Immobilie eine steuerliche Betriebsaufspaltung vorliegt.
Die Verpachtung eines Gebäudes ist ihrer Art nach eine vermögensverwaltende und damit an sich nicht gewerbliche Betätigung. Durch die Betriebsaufspaltung wird die vermögensverwaltende Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1, Abs. 2 EStG und § 2 Abs. 1 GewStG umqualifiziert. Folglich
unterliegen die Gewinne der Besitzgesellschaft der Gewerbesteuer und das
Wirtschaftsgut (hier die Immobilie) gehört in vollem Umfang zum notwendigen
Betriebsvermögen des Besitzunternehmens. Dies betrifft auch den Anteil an
dem Wirtschaftsgut, soweit dieser auf den „Nur-Besitzgesellschafter“ (hier: E)
entfällt. Demnach sind die stillen Reserven des Wirtschaftsgutes steuerverhaftet und bei dessen Veräußerung oder bei Aufgabe der Betätigung kann dies zu
einer empfindlichen Steuerbelastung führen.
Umqualifizierung
in gewerbliche
Einkünfte
Handelt es sich bei der Besitzgesellschaft um eine Personengesellschaft, unterliegt diese ggf. der Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG. Ist die Gesellschaft
sowohl teils freiberuflich, land- und forstwirtschaftlich oder vermögensverwaltend als auch gewerblich tätig, dann gilt die Tätigkeit der Personengesellschaft „in vollem Umfang“ als Gewerbebetrieb.
Abfärbetheorie
◼◼Beispiel 6
Die GbR Dr. B, Dr. C und E vermietet zusätzlich noch zwei Eigentumswohnungen
zu Wohnzwecken. Auch die Einkünfte aus den zu Wohnzwecken vermieteten
Wohnungen zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb mit allen steuerrechtlichen Konsequenzen. Zur Umgehung der Abfärbung sollten in der Praxis zwei
Personengesellschaften gegründet werden.
4.2 Mitunternehmerische Betriebsaufspaltung
Bei der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung handelt es sich um eine
Sonderform der Betriebsaufspaltung, bei der die Betriebsgesellschaft und in
der Regel auch das Besitzunternehmen die Rechtsform einer Personengesellschaft haben. Werden Wirtschaftsgüter zwischen Schwesterpersonengesellschaften vermietet, ist nach neuerer Rechtsprechung kein SBV bei der nutzenden Personengesellschaft zu bilden, sondern die Grundsätze der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung haben Vorrang.
Sonderform der
Betriebsaufspaltung
Erzielt die Betriebspersonengesellschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb, handelt es sich bei der vermögensverwaltenden Besitzpersonengesellschaft mit
allen oben dargestellten Rechtsfolgen um einen Gewerbebetrieb nach § 15
Abs. 1, Abs. 2 EStG und § 2 Abs. 1 GewStG. Erzielt die Betriebspersonengesellschaft jedoch Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit, begründet dies keine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung. Die überlassenen Wirtschaftsgüter stellen weiterhin notwendiges SBV der Gesellschafter der freiberuflichen
Personengesellschaft dar.
11-2012
Praxis
Freiberufler-beratung
297
Steuergestaltung
◼◼Beispiel 7
Die Grundstücksgemeinschaft Dr. A, Dr. B, und C, an der die Gesellschafter zu je
1/3 beteiligt sind, vermietet an die augenärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. A und
Dr. B Praxisräume.
Bei der augenärztlichen Gemeinschaftspraxis handelt es sich um eine freiberuflich tätige Personengesellschaft. Somit liegt hier keine mitunternehmerische
Betriebsaufspaltung vor, obwohl die Gesellschafter Dr. A und Dr. B beide Gesellschaften beherrschen und es sich bei den Praxisräumen um eine wesentliche
Betriebsgrundlage handelt. Vielmehr stellen die Anteile an den Praxisräumen
der Gesellschafter Dr. A und Dr. B notwendiges SBV bei der augenärztlichen Gemeinschaftspraxis dar.
Der Anteil an den Praxisräumen des C verbleibt im notwendigen Privatvermögen
und der C erzielt weiterhin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Eine spätere Veräußerung seines Anteils an den Praxisräumen führt grundsätzlich nicht
zu steuerpflichtigen Einnahmen.
4.3 Konsequenzen aus der Abfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
Ist eine Personengesellschaft sowohl teils freiberuflich als auch gewerblich
tätig, dann gilt die Tätigkeit der Persongesellschaft „in vollem Umfang“ als Gewerbebetrieb. Die Abfärbung kann vermieden werden, indem die gewerbliche
Tätigkeit in eine personenidentische Schwesterpersonengesellschaft verlagert
wird. Zur Vertiefung sei z.B. auf die Beiträge in den weiterführenden Hinweisen
verwiesen.
BAG ist in vollem
Umfang gewerblich
tätig
◼◼Beispiel 8
Die Grundstücksgemeinschaft Dr. A, Dr. B und C, an der die Gesellschafter zu je
1/3 beteiligt sind, vermietet an die augenärztliche Gemeinschaftspraxis Dr. A und
Dr. B Praxisräume. Neben den augenärztlichen (freiberuflichen) Leistungen veräußert die Gemeinschaftspraxis auch Kontaktlinsen in nicht unerheblichem Umfang (mehr als 1,25 % vgl. H 15.8 Abs. 5 EStH 2011, aber auch Hinweis auf BFH 8.3.04, IV B 212/03 und anhängige Verfahren BFH VIII R 41/11 und BFH VIII R 16/11).
Bei der Veräußerung der Kontaktlinsen handelt es sich um eine gewerbliche Tätigkeit. Somit gilt die Gemeinschaftspraxis in vollem Umfang als Gewerbebetrieb
und zwischen der Grundstücksgemeinschaft und der Gemeinschaftspraxis liegt
nach den oben dargestellten Grundsätzen eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vor. Da es sich nun bei der Grundstücksgemeinschaft in vollem Umfang um einen Gewerbebetrieb handelt, gehören die gesamten Praxisräume (einschließlich des Anteils des „Nur-Besitzgesellschafters“ C) zum Betriebsvermögen und die stillen Reserven der gesamten Praxisräume sind steuerverhaftet.
↘↘ Weiterführende Hinweise
•BAG: Gewerbliche Infizierung der Einkünfte (Bingel/Göttsching, PFB 12, 83)
•Zahnarztpraxis: Organisation und Betrieb eines Praxisshops (Ziegler, PFB 11, 239)
11-2012
Praxis
Freiberufler-beratung
298