„Russische Discoclubs wie zweite Welt“

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„Russische Discoclubs wie zweite Welt“
LANDKREIS
FREITAG 23. Juli 2004
Sozialarbeiter und Polizei zu Diskos
Von Schutz und
Geborgenheit
Spätaussiedler im Unterland: Jugendliche wissen, „wer nicht nach osteuropäischem Aussehen“ sortiert
„Russische Discoclubs wie zweite Welt“
Lokale und Kneipen in Weinsberg
und Leingarten, in denen sich vor Von Simon Gajer
allem Spätaussiedler amüsieren –
„die Jugendlichen suchen einfach Jugendliche aus Osteuropa nenAnschluss an eine Gruppe“, sagt nen sie manchmal „Russendisco“.
Hildegard Eckert von „In Via Ju- Ein Lokal im Unterland wirbt sogendmigrationsdienste“ in Heil- gar mit diesem Hinweis auf seinen
bronn, das von der Diözese Rotten- Prospekten. Was an solchen Kneiburg–Stuttgart getragen wird. Unter pen interessant ist, davon erzähanderen Spätaussiedlern seien sie len junge Erwachsene.
in einer „geschützten Umgebung“,
80 Kilometer einfache Fahrt. Und
erklärt Eckert, die sich seit 15 Jah- das für eine Disco, in der laut der 26
ren im Stadt- und Landkreis Heil- Jahre alten Irina 60 bis 80 Prozent
bronn um Migranten kümmert.
der Gäste osteuropäischer Herkunft
Ihrer Ansicht nach haben es vor sind. Für die Gruppe der 20 bis 26
allem jene Jugendliche schwer, sich Jahre alten Frauen ist das samstags
in Deutschland einzugewöhnen, kein Problem. Werktags treffen sie
die als Teenager eingereist sind. sich in Kneipen, die auch mal Fuß„Sie haben alles in einer wichtigen ballspiele zeigen. Sie arbeiten bei
Lebensphase verloren. Sie sind völ- deutschen Verwaltungen, oder sie
lig entwurzelt.“ Also suchen viele kümmern sie um Kinder und Judieser Jugendlichen Angendliche. Dennoch: In
schluss bei Menschen, deDiskos, die selbst mit dem
nen es ähnlich geht.
Hinweis „Russische DiscoEckert kennt auch gebürclub“ werben, gehen sie.
tige Osteuropäer, die sich
Zum einen ist da die Municht in solchen Kneipen
sik: Rap, Hip-Hop, Techno.
amüsieren.
Auf Englisch, auf Russisch.
Und wieder andere, die
Die Musik ist gemischt. Das
auch nach über einem
gefällt ihnen. Aber es lockt
Jahrzehnt in Deutschland
mehr. Es ist die Mentalität
Heimat
immer wieder in solche
der Gäste. „Die Leute sind
Lokale gehen.
halt immer gut drauf“, sagt die
Unterdessen seien Kneipen mit 20-jährige Irina aus Kirgisien. Und
überwiegend Spätaussiedlern bei dann erzählt sie von Kneipen und
der Polizei nicht mehr auffällig, Lokalen, in denen meistens Deutsagt Pressesprecher Peter Lechner. sche aus Deutschland sind. „Die steEs gab Vorfälle: „Oft lag es daran, hen zu viel an der Bar.“ Osteuropäer
dass Gäste nicht hinein gehen durf- hingegen – „die sind beim Tanzen“.
ten.“ In den Kneipen habe es nie
„Fast jedes Wochenende“ fahren
Schwierigkeiten gegeben. „Die Si- die sechs Freundinnen in eine „incherheitsdienste scheinen sehr res- ternationale Disco“, wie die 22 Jahtriktiv zu sein.“ Allerdings: „Das re alte Natalia aus Russland ein LoProblem ist generell, dass Besucher kal nennt. Denn unter den Gästen
nicht
Bier
trinken,
sondern seien schließlich auch Türken und
Wodka.“ Vor Kneipen hatten Be- gebürtige Unterländer. Außerdem
amte kontrolliert. Fahrer seien gehen viele Freunde dort hin. „Ich
nüchtern, dafür die Beifahrer „sehr fühle mich dort wohl“, sagt Anna,
stark betrunken“ gewesen. (ing)
die bereits schlechte Erfahrungen
Fremde
mit ihrem Freund in Discos gemacht hat, die nicht überwiegend
von Spätaussiedlern besucht werden. „Man sieht, dass er Russe ist“,
sagt die 20-Jährige, die aus Kasachstan eingereist ist. „Wir sind nicht
’reingekommen.“ Wodka trinken
und dann Schlägereien suchen – es
habe an diesen Vorurteilen gelegen,
vermutet sie.
Davon erzählt auch Sergej Pfeffer,
der aus Kasachstan nach Deutschland gekommen ist. In einer Disco
in der Gegend müsse er sich keine
Sorgen über seine Herkunft ma-
chen. „Wir müssen nur auf Klamotten achten“, weiß der 18-Jährige,
der selbst von „Russendiscos“
spricht.
Für Peter Schäfer bedeuten Partys
mit anderen Osteuropäern Entspannung. „Es ist, als ob wir in zwei Welten leben“, erzählt der 22-Jährige,
der aus der Ukraine gekommen ist.
Tagsüber, im Geschäft, da passe er
sich den gebürtigen Unterländern
an. Aber das bedeute für ihn auch,
dass er aufpassen müsse. Immer darauf achten, was er sage, wie er arbeite. Immer werde von Integration
und Gleichberechtigung gesprochen, sagt er. „Aber trotzdem ist es
nicht so zu 100 Prozent.“ Da komme ein Abend unter Spätaussiedlern
gerade recht. „Da können wir wir
selbst sein.“
Auch nach einem Jahrzehnt in
Deutschland sagt er noch: „Wir sind
dort anders aufgewachsen.“ Er habe
einen ganz anderen Lebensstil als
gebürtige Unterländer. Und das mache das Feiern mit anderen Menschen aus Osteuropa leicht. „Wir
haben die gleichen Probleme. Wir
haben den gleichen Spaß.“
LA1
26
Schwerer Unfall bei Friedrichshall
Überholer prallt
in Gegenverkehr:
Fünf Verletzte
Einen schweren Unfall hat am
späten Mittwochabend ein Hyundai-Fahrer ausgelöst, als er auf der
B 27 bei Bad Friedrichshall trotz
Gegenverkehrs überholte. Drei
Menschen wurden schwerst verletzt, zwei leicht.
Eine 23-jährige Peugeot-Fahrerin
war gegen 22.25 Uhr von Neckarsulm Richtung Bad Friedrichshall
unterwegs, als sie etwa 500 Meter
vor der Abzweigung nach Kochendorf von einem Hyundai überholt
wurde. Während des Überholvorgangs prallte der Hyundai nahezu
frontal auf einen Audi, der entgegenkam. Die 41-jährige Audi-Fahrerin, der 38-jährige Fahrer des Hyundai und dessen 25-jährige Beifahrerin wurden schwerst verletzt, die
Fahrerin und der Fahrer zudem eingeklemmt. Die überholte PeugeotFahrerin versuchte auszuweichen
und fuhr über den Grünstreifen in
einen angrenzenden Weinberg. Sie
erlitt einen Schock.
Ein Opel, der ebenfalls von Neckarsulm Richtung Bad Friedrichshall unterwegs war, prallte an der
Unfallstelle gegen den Hyundai. Die
33-jährige Opel-Fahrerin und ein
41-jähriger Mitfahrer wurden leicht
verletzt. Die eingeklemmten Personen wurden von der Feuerwehr Neckarsulm geborgen, die mit vier Einsatzfahrzeugen und 14 Mann vor
Ort war. Ein zufällig hinzukommender Arzt aus Oedheim leistete Erstversorgung bei den Verletzten. Am
Unfallort waren anschließend zwei
Notärzte und vier Besatzungen von
Rettungswagen eingesetzt. Zur Klärung der Unfallumstände wurde ein
Sachverständiger
hinzugezogen.
Der Sachschaden beträgt zirka
An einem Sonntagmorgen im Laboom in Leingarten. Diskos, in denen sich junge Erwachsene aus Osteuropa amüsie- 100 000 Euro. Die B 27 war bis 1.20
ren, haben Gästen zufolge den Vorteil: Nicht die Herkunft entscheidet, wer rein dürfe. (Foto: Simon Gajer)
Uhr voll gesperrt. (red)
Kreistag billigt Nachtragshaushalt des Landkreises Heilbronn – unter dem Strich eine halbe Million Euro weniger erwartet, als ursprünglich geplant
Wechsel bei Südzucker Offenau
Nur sehr wenige Hoffnungsschimmer für die Kreiskasse
Nach Erwin
Niebler kommt
Wolfgang Vogl
Von Herbert Kaletta
Die Heilbronner Landkreisverwaltung hat einen Nachtragshaushalt vorgelegt. Danach verschlechtert sich die Investitionskraft des Landkreises erneut um
eine knappe halbe Million Euro.
Der Kreistag akzeptierte das neue
Planwerk bei unterschiedlicher
Bewertung.
Wie meist im Fokus der Betrachtung: Der Sozialetat. Mit Licht und
Schatten, aber gegenüber dem
Haushaltsansatz zum Beginn des
Jahres um 1,3 Millionen Euro verschlechtert. Negativ schlägt vor allem zu Buche, dass die Zahl der Sozi-
alhilfeempfänger steigt. Über 2,8
Millionen Euro mehr werden deshalb nötig. Dem gegenüber sinkt
der Etatposten „Hilfe zur Pflege,
Eingliederungshilfe und Krankenhilfe“ um über eine Million Euro.
Bei den Asylbewerbern benötigt
man wegen sinkender Fallzahlen
334 000 Euro weniger. Das neue
Flüchtlingsaufnahmegesetz schlägt
aber mit 400 000 Euro Mehraufwand zu Buche. Bei der Grundsicherung muss der Landkreis 600 000
Euro mehr einplanen. Für die Jugendhilfe werden 255 000 Euro weniger benötigt. Positiv wirkt sich
aus, dass der Landeswohlfahrtsverband seine Umlage nur auf 14, statt
auf 14,2 Prozent erhöht hat. Der
Landkreis zahlt dadurch 600 000
Euro weniger. Ein Hoffnungsschimmer kommt von der Grunderwerbsteuer. Im März waren die Eingänge
„Wetten, dass die Kommunen 2005 wieder die
Arschkarte ziehen . . .“
CDU-Fraktionschef Erich Pretz
doppelt so hoch wie üblich. So können die Erwartungen um 700 000
Euro auf zehn Millionen Euro höher
kalkuliert werden.
Die Zahlen sind klar, die Interpretationen höchst unterschiedlich.
Landrat Klaus Czernuska nennt den
Nachtragsetat
„unbefriedigend“,
weil trotz erreichter Einsparungen,
beispielsweise beim Personal, die
Summe sinkt, die der Landkreis für
Investitionen übrig hat.
FWV/FDP-Fraktionschef Harry
Brunnet spricht von einem „unter
diesen Bedingungen erfreulichen
Haushalt“. Gemessen daran, dass
der Landkreis zu Beginn der Etatberatungen eine höhere Kreisumlage
wollte, die drei Millionen Euro
mehr bedeutet hätte, habe sich der
Etat um 2,5 Millionen Euro verbessert, ist seine Interpretation.
„Die Spielräume werden enger,
ein Umdenken dringend erforder-
Thomas Zinser und sein 30-köpfiges Team sorgen auf dem Nordheimer Blumensommer fürs leibliche Wohl der Gäste
Die Familie packt in Küche und Service mit an
Von Claudia Schönberger
Die Tage sind wieder lang für Thomas Zinser, den Küchenchef des
Nordheimer
Blumensommers.
Um 6.30 Uhr geht er einkaufen,
steht den ganzen Tag hinterm
Herd, und abends kommt er nicht
vor 23 Uhr nach Hause. Dazwischen bewältigen er und sein
Team bis zu 1000 Essen täglich.
Schon eine Woche vor Beginn der
17-tägigen
Großveranstaltung
stand jede Menge Arbeit an. Die Küche im Alten Bauhof hat die Familie
Zinser – wie beim Blumensommer
2003 – nahezu komplett mit eigenen Geräten eingerichtet: von den
Kühlschränken über den Ofen bis
zu den Kaffeeautomaten. Sogar Leitungen wurden eigens für den Gastronomiebetrieb verlegt.
„Den ganzen Aufwand und die
Personalkosten muss man erst wieder reinwirtschaften“, sagt Thomas
Zinser, der in Nordheim auch eine
Weinstube betreibt. Dass das gelingt, danach sah es in den ersten
Tagen der Gartenschau nicht aus.
Wer setzt sich schon bei Regen in
den Biergarten? Doch mittlerweile
hat sich nicht nur das Wetter, sondern auch Zinsers Miene aufgehellt:
„An manchen Tagen werden wir regelrecht überrannt“, erzählt der
40-Jährige und gibt zwischendurch
Anweisungen an die Servicekräfte,
nimmt die Kuchenlieferung vom
Konditor in Empfang, schmeckt aus
einem riesigen Topf die Sauce ab.
Wenn’s bei großem Andrang
schnell gehen muss, sind Gerichte,
„die man schöpfen und gut vorbereiten kann“, ideal. Gulasch zum
Beispiel oder Winzerbraten aus dem
Ofen. Kartoffelsalat aus 25 Kilo Kartoffeln gehört ohnehin jeden Tag
zum Standardprogramm. Komplett
ausgegangen sei das Essen nie – weder im vergangenen noch in diesem
Jahr. Nur beim Seniorennachmittag
am Dienstag „war’s knapp an der
Grenze“. Eines ist Thomas Zinser
wichtig, egal, ob’s um die feste Speisekarte oder die Tagesessen geht:
„Wir versuchen alles selber zu machen.“ Und eingekauft wird beim
örtlichen Bäcker, Konditor und
Metzger. „Alles zusammen garantiert die Qualität“, betont der Koch.
Auch Zinsers Schwester und sein
Bruder sind meist schon von morgens an auf den Beinen.
Bernd Zinser ist für die Getränke zuständig, Marion
Zinser-Brenner fürs Organisatorische. „Man weiß nie,
wie viele Besucher an einem
Tag kommen“, so die
31-Jährige. Deshalb sei die
Personalplanung nicht ganz
einfach. Aber das rund
30-köpfige Service- und Küchenteam ist zum Glück flexibel einsetzDafür, dass die Biergarten-Gäste mit Speisen und Getränken gut versorgt bar. Besonders viel Arbeit bereitet
sind, sorgen zahlreiche Service-Kräfte. (Fotos: Helge Kempf)
das Abspülen. „Das ist das
lich“, findet SPD-Fraktionschef
Gall, der an dem Nachtragsetat
„nichts Überraschendes“ findet.
CDU-Fraktionschef Erich Pretz
sieht nur die deutliche Personaleinsparung beim Landratsamt positiv.
Die generelle Entwicklung der Kommunalfinanzen kritisiert er heftig.
Die Folgen aus den Hartz IV-Gesetzen würden dem Landkreis „erhebliche Mehrbelastungen“ bringen.
Nur über weitere Schulden seien die
nötigen Investitionen bezahlbar.
Pretz prophezeit für 2005 ein „Katastrophenjahr“ und schloss mit dem
derben Satz: „Wetten, dass die Kommunen auch 2005 wieder die Arschkarte ziehen . . .“
Von Petra Halamoda
Über sechs Jahre hat Erwin Niebler die Geschicke des Offenauer
Südzuckerwerks gelenkt. Jetzt
wird der 48-Jährige Leiter der
Werke Plattling,
Rain am Lech
und Regensburg. Sein Nachfolger in Offenau ist Wolfgang Vogl (41).
„Sie haben uns
immer ein Gefühl der WertErwin Niebler.
schätzung gegeben und es verstanden, die Mitarbeiter zu motivieren“, sagte Betriebsrat Klaus Kohler bei der Verabschiedung zum scheidenden Direktor. „Jeder im Werk bedauert ihren
Weggang.“ Stetige Investitionen etwa in die Abwasseraufbereitungsanlage, die Zuckerloseverladung oder
die Verdampfstation hätten auch
langfristig den Standort Offenau gesichert. Außerdem wurde die Produktivität deutlich erhöht. Bevor es
den gebürtigen Mittelfranken und
Vater zweier Töchter 1995 an den
Neckar zog, hatte er fünf Jahre lang
die Werke in Brottewitz in Brandenburg und Löbau in Sachsen aufgebaut und modernisiert.
Sein Nachfolger Wolfgang Vogl
war von 1997 bis Anfang 2003 Betriebsleiter in Offenau. Dann arbeitete der Ingenieur als Leiter der Abteilung Instandhaltung und Investitionsmanagement im GeschäftsbeThomas Zinser ist der Küchenchef auf reich Zucker / Produktion. Jetzt
dem Nordheimer Blumensommer.
kehrt er als neuer Werksleiter ins
Südzuckerwerk Offenau zurück.
Schlimmste. Da sind zwei Personen Auch Wolfgang Vogl ist verheiratet
den ganzen Tag beschäftigt“, weiß und hat zwei Töchter.
Thomas Zinser.
In der Küche im Alten Bauhof
steht Cigden Tezcan und Blumensommer Nordheim
richtet routiniert den Salat.
Irene Bühler formt indes
unzählige
Weckknödel.
Die Tante von Thomas Zinser kennt jeden Handgriff,
das ist wichtig, wenn’s Garten-Tipps von Profis gibt es am
stressig wird. Weitere be- letzten Tag des Blumensommers,
währte Helferinnen und am Sonntag, 25. Juli, in Nordheim.
Helfer rekrutiert der Kü- Von 14 bis 17 Uhr stehen die Gärtchenchef ebenfalls vom Weinstu- ner des Kreisverbands Heilbronn,
ben-Team und aus der Familie: Mut- die den Bereich hinter dem Alten
ter, Onkel, Cousinen – alle packen Bauhof gestaltet haben, den Gästen
für Fragen zur Verfügung. (red)
beim Blumensommer mit an.
Informationen
von Gartenprofis