EndlichschnellesInternet

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EndlichschnellesInternet
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SCHIEDSGERICHTE SPAREN ZEIT SEITE 19
DIE WICHTIGSTEN TERMINE SEITE 32
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
AUSGABE 03/16
EINZELPREIS 1,90 €
DIE REGION PACKT ES AN:
Endlich schnelles Internet
In dieser Ausgabe:
STANDORTPORTRÄT
GEMEINDE
WALLENHORST
Seit Jahren leiden Unternehmen im Emsland und
Osnabrücker Land unter langsamen Datenverbindungen.
Jetzt machen Kommunen und Firmen Tempo:
Sie investieren selbst ins Breitbandnetz.
MACHER &
MÄRKTE
Start-ups jagen
Versicherungsmaklern
die Kunden ab.
Seite 8
SPEZIAL
SPIEL & PROFIT
Geht der Boom der
Glücksspielwirtschaft
zu Ende?
Seiten 9 bis 16
GELD &
GESCHÄFT
Das Bundeskartellamt
knöpft sich den
Mittelstand vor.
Seiten 20 und 21
LEBEN &
LEIDENSCHAFT
Moesta BBQ erfindet
pfiffiges Zubehör
für den Kugelgrill.
Fotos: Jörn Martens,Montage: Matthias Michel
Kaffee-Größen zurück im Geschäft
Die Unternehmer Andreas Ost und Michael Koch kaufen die insolvente Hotfilter-Rösterei
VON DIRK FISSER
OSNABRÜCK. Kaffee können wir,
sagt Andreas Ost über sich und
Michael Koch. Einst mit „Kaffee
Partner“ senkrecht gestartet,
war es zuletzt still geworden um
die Unternehmer. Doch sie sind
wieder da. Das Duo hat die insolvente Kaffeerösterei Hotfilter aus Nordhorn mit sieben Filialen übernommen. Und nun?
So ganz genau wisse man das
noch nicht, sagt Andreas Ost. „Im
Großen und Ganzen wollen wir alles so lassen, wie es ist.“ Hotfilter
ist Tradition, bis 1926 reichen die
Wurzeln. 2014 lag der Umsatz bei
1,6 Millionen Euro, respektabel.
Andreas Ost
Foto: Jörn Martens
Aber im Vergleich zum Rad, das
Ost und Koch davor mit „Kaffee
Partner“ und „Coffee Perfect“
drehten, doch eher überschaubar.
Umso mehr wird gemunkelt, was
Sinn dieses Investments ist. Steckt
mehr dahinter als die Liebe zum
Kaffee, die Ost nach eigenem Bekunden im Blut hat? Schließlich
war zuletzt vom Osnabrücker Kaffeekrieg die Rede, eine juristische
Auseinandersetzung, die sich „Kaffee Partner“ und „Coffee Perfect“
nach dem offiziellen Rückzug von
Ost und Koch lieferten. Nach außen hin ist Ruhe eingekehrt an der
Römereschstraße, wo beide Firmen
unter einem Dach residieren. Ost
legt Wert darauf, nicht persönlich
involviert zu sein in den Streit.
Hotfilter ist jetzt Teil der
Ost&Koch-Gruppe.
Interims-Geschäftsführer wird Oliver PapoliBarawati aus der „O&K“-Gruppe.
Hotfilter betreibt neben der
Rösterei, in der mehrfach in der
Woche geröstet wird, sieben Filialen: in Osnabrück, Nordhorn, Lingen, Emden, Rheine, Ibbenbüren
und Leer. Ein hippen Laden wolle
er nicht daraus machen, vielmehr
solle die treue aber eher ältere
Stammkundschaft gehalten und
vermehrt eine jüngere angesprochen werden, sagt Ost. „Das muss
kein Widerspruch sein, denn der
Trend bei jungen Menschen geht
ganz klar zur feinen Kaffeemanufaktur.“ Dafür stehe Hotfilter.
Etwa 40 Mitarbeiter hat der
Röster derzeit, die Zahl könnte
laut Ost auf 50 steigen. Ein oder
zwei neue Filialen seien denkbar,
der Fokus aber liege auf den vorhandenen Standorten. Es ist noch
vieles in der Schwebe, einstweilen
steht vor allem fest: Ost und Koch
sind zurück im Kaffeegeschäft.
Ganz offiziell.
Seite 25
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DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
MACHER &
MÄRKTE
2
SPEZIAL
MACHER &
MÄRKTE
GELD &
GESCHÄFT
SPIEL &
PROFIT
E D I TO R I A L
LEBEN &
LEIDENSCHAFT
GLÜCKSSPIEL
Fluch
und Segen
1 | Hotfilter
9 | Paul Gauselmann
17 | Bürgerwindparks
25 | Moesta BBQ
„Kaffee Partner“-Gründer Ost
und Koch übernehmen die
insolvente Kaffeerösterei.
Der „Automaten-König“
aus Espelkamp mit dem
eigenwilligen Lebensstil.
Das erneuerte EEG droht
der Energiewende des kleinen
Mannes zu schaden.
Mit originellem Zubehör für
Kugelgrills reitet das Start-up aus
Löhne auf der Barbecue-Welle.
2 | Editorial
10 | Zocker-Dampfer
18 | Suchtkrank im Job
26 | Katrin Lazaruk
Fluch und Segen – Berthold
Hamelmann über den
Wirtschaftsfaktor Glücksspiel.
Für den asiatischen Markt
baut die Meyer Werft
Kreuzfahrtschiffe mit Casinos.
Warum es sich rentiert,
wenn Arbeitgeber Betroffenen
zur Seite stehen.
Die junge Osnabrückerin
macht ausgediente AudioKassettenbänder zu Kunstwerken.
3 | Rolf Krebs
11 | German Poker Days
19 | Schiedsgerichte
27 | Wasser marsch
Der Bissendorfer richtet
Luxushotels wie Kempinski
und Pullman ein.
Zwei Osnabrücker
Unternehmer machen
Pokern zum Event.
Wie Unternehmen
langwierige Gerichtsprozesse
vermeiden können.
Feuerwehrmann Christian
Hagedorn löscht Brände in den
Vereinigten Arabischen Emiraten.
4/5 | Schnelles Internet
12/13 | Spielhallen in Not
20/21 | Kartellstrafen
28/29 | Firmenjubiläen 2016
Kommunen und Unternehmen
bringen den Ausbau des
Breitbandnetzes voran.
Der Glücksspielstaatsvertrag
zwingt die Branche
zur Schrumpfkur.
Auch bei Mittelständlern
kennen die Wettbewerbshüter
kein Pardon.
Jubiläen regionaler
Unternehmen
und Institutionen.
6 | Wilhelms
14 | Spielsucht
22 | 2G Energy
30 | Engagement
Start-up aus Cloppenburg
will die Landwirtschaft
revolutionieren – mit Pilzen.
Biografien auf
der Schattenseite der
Glücksspielwirtschaft.
Kraft-Wärme-Kopplung liegt im
Trend, davon profitiert der
Maschinenbauer im Münsterland.
Sponsoren und Ehrenamtliche
aus der Wirtschaft machen
sich um die Region verdient.
7 | Christian Berentzen
15 | Artländer Renntag
22 | Börse regional
31 | Duesenberg J209
Mit seiner Limuh GmbH
produziert der Berentzen-Erbe
gesunde Getränke.
Bei dem Reitsport-Event
in Quakenbrück wird gewettet,
was das Zeug hält.
Envitec federt den Abwärtstrend
bei Biogas ab, während die OLB
unter strengeren Regularien ächzt.
Conrad Engel hat den
legendären Oldtimer aus dem
„Scheunenschlaf“ geweckt.
8 | Fintechs und Insurtechs
16 | Glücksspielabgabe
23 | Crowdinvesting
32 | Gesichter der Wirtschaft
Digitale
Versicherungsmakler
mischen den Markt auf.
Wie das Lottofieber
in Niedersachsen der
Gesellschaft zugutekommt.
Immer mehr Mittelständler lassen
sich von privaten Kleininvestoren
unter die Arme greifen.
Remmers Hasetal-Marathon,
New Deal Forum, Blind Date
mit Kreativen (IHK).
VON BERTHOLD HAMELMANN
D
er einarmige Bandit scheint
unsterblich zu sein. Glücksspielautomaten – früher einmal
mit dem namensgebenden Hebelarm zu starten – entführen Menschen in eine Scheinwelt.
Fluch und Segen liegen wie bei
der Glücksspielbranche insgesamt
eng beieinander. Der Hoffnung auf
einen lukrativen Gewinn steht der
dramatische Absturz ins soziale
Aus gegenüber, wenn das Vergnügen zur Sucht wird.
Glücksspiel ist ein begehrter
Markt. Wenn Milliarden umgesetzt werden, wird mit harten
Bandagen gekämpft. Und sei es in
der Illegalität.
Glücksspiel ist ein enormer
Wirtschaftsfaktor. Dafür steht beispielsweise die Gauselmann-Gruppe aus dem westfälischen Espelkamp, die seit Jahrzehnten versucht, den Ruf der Branche zu verbessern, und auf moderne Spielotheken setzt.
267 000 Geldspielgeräte sind
nach Verbandsangaben in
Deutschland in Betrieb. Die Branche spricht von 70 000 Arbeitskräften. Mit typisch deutscher Reglementierungswut begegnet der
Gesetzgeber dem mancherorts
boomenden Spielhallengeschäft.
Eine Reduzierung der Konzessionen und die Abstandsregelung von
100 Metern zwischen Spielhallen
sind hier die schärfsten Waffen.
Glücksspiel führt in Spezialbranchen wie dem Markt für
Kreuzfahrtschiffe zu ungewöhnlichen Entwicklungen. Schwimmende Casinos sind inzwischen der
Renner im asiatischen Raum. Dem
trägt auch der Papenburger
Schiffsbauer Meyer Rechnung.
Legales Glücksspiel fördert der
Staat, der sich über entsprechende
Steuereinnahmen freut. Ein wunderbares Abfallprodukt: Die vielen
Millionen aus der Glücksspielabgabe ermöglichen auch in Niedersachsen Sponsoring für viele Projekte, die sonst nicht finanzierbar
wären. Ein schönes Feigenblatt.
nAnzeige ite
e
Sonders
Unternehmens- und Personenindex
UNTERNEHMEN
2G Energy .............................................22
AM-Log....................................................4
Assmann ..............................................32
Aurelius................................................... 7
Barre Privatbrauerei........................... 21
Berentzen................................................ 7
Bröring ....................................................6
Capiton..................................................23
Claas.......................................................23
Coffee Perfect ......................................... 1
Der Grillwagen ....................................25
Deutsche Post ...................................... 21
Deutsche Glasfaser ...............................5
Deutsche Vermögensberatung ...........8
Dream Cruises .....................................10
ECE Projektmanagement..................32
Edeka ..................................................... 21
Elmer ..................................................... 21
EnBW..................................................... 17
Enercon ................................................. 17
Envitec...................................................22
Eon ......................................................... 17
EWE Netz........................................ 17, 32
EWEtel.....................................................5
Exporo.de..............................................23
Facebook ............................................... 21
Felix Schoeller Holding ..................... 21
Franz Wiltmann .................................. 21
Freshfields Bruckhaus Deringer..... 20
Garbers Partner...................................23
Gauselmann .....................................9, 13
German Poker Days............................ 11
GetSafe ....................................................8
Glunz...................................................... 21
H. & E. Reinert Holding .................... 21
H. Kemper ............................................ 21
Hamm Reno Group ............................23
Hansen & Rosenthal .......................... 21
Haribo.................................................... 21
Harting ....................................................9
Heinrich Nölke .................................... 21
Heitz Furnierkantenwerk..................23
Hellmann Logistics Worldwide .......18
Heristo................................................... 21
Hotfilter................................................... 1
Ibis............................................................3
Ikea.........................................................23
Indus Holding .....................................23
Kaffee Partner........................................ 1
Kempinski...............................................3
KME ....................................................... 21
Krebs........................................................3
Krombacher .........................................22
Kruse Medien.......................................32
KWS .........................................................6
L+T........................................................ 26
Limuh ...................................................... 7
LVM..........................................................8
madeinosnabrueck ............................ 26
Mars ....................................................... 21
MBW ........................................................8
Merkur.....................................................9
Meyer Werft .................................. 10, 23
Moesta BBQ..........................................25
Nestlé..................................................... 21
Norwegian Cruise Line......................10
Oetker .................................................... 21
OLB ........................................................22
Oldtimer Center Osnabrück ............. 31
Pullman...................................................3
Radeberger .......................................... 21
Reggeborgh ............................................5
Ritter Sport...........................................21
Röchling Plastics Engineering.........32
Sanders-Gruppe ..................................23
Schlingmann ........................................21
Schwitzke..............................................32
Sickendiek
Fleischwarenfabrik............................. 21
VfL Osnabrück.....................................23
Villeroy & Boch................................... 20
Westfälische
Fleischwarenfabrik............................. 21
Wilhelms.................................................6
Zoo Osnabrück ................................... 30
PERSONEN
Abbas, Jim ............................................. 10
Abromeit, Jürgen .................................23
Arend, Sonja............................................ 4
Arenhövel, Wolfgang........................... 19
INSTITUT FÜR DUALE STUDIENGÄNGE
Aumann, Bernhard................................ 6
Baake, Rainer.........................................17
Bachmann, Jürgen................................11
Becker, Maja..........................................32
Berentzen, Christian ............................. 7
Bröring, Jan............................................. 6
Brose, Sabine.........................................32
Brückmann, Matthias ..........................17
Busemann, Andreas ............................30
Diepenbrock, Robert............................. 3
Eichler, Matthias .................................. 16
Engel, Conrad ....................................... 31
Erdhaus, Michael ................................... 6
Feldkamp, Kerstin ...............................23
Frauendorf, Karen ...............................23
Gabriel, Sigmar......................................17
Gauselmann, Armin .............................. 9
Gauselmann, Paul ............................9, 13
Gausling, Ludger..................................22
Gräßler, Markus ...................................32
Grotholt, Christian ..............................22
Grundmann, Martin.............................17
Haase, Artur...........................................11
Hagedorn, Christian............................ 27
Harting, Dietmar ................................... 9
Harting, Margit ...................................... 9
Hartmann, Kai.......................................11
Helming, Gerd ......................................23
Herkenhoff, Janina ................................ 3
Heyers, Marion.....................................23
Hoffmeister, Mario .............................. 13
Illes, Thomas P. ................................... 10
Jakobs, Beate.........................................23
Jänen, Ansgar ......................................... 8
Kaiser, Andreas....................................... 5
Karrenbrock, Gerd................................15
Kestel, Heike .........................................23
Kettwig, Hans-Dieter ...........................17
Kleuker, Nathias..................................... 8
Klusmann, Ira.......................................23
Klusmann, Martin .........................20, 21
Koch, Michael ..........................................1
Koch, Peter ............................................23
Krebs, Rolf ............................................... 3
Kreienbrink, Joachim .........................30
Kuper, Ralf.............................................32
Lach, Helge.............................................. 8
Lage, Hermann zur...............................15
Lazaruk, Katrin ....................................26
Ledor, Helmut....................................... 18
Lex, Thomas..........................................32
Machheit, Jörn......................................32
Maßmann, Guido.................................23
McGuire, Steve......................................26
Menke, Hubertus ................................. 31
Mestemacher, Helga............................23
Meyer, Bernhard ............................10, 23
Middelücke, Andreas ............................ 4
Möhle, Alexander................................. 25
Mortler, Marlene .................................. 13
Mundt, Andreas..............................20, 21
Oertzen, Julian .....................................23
Oettinger, Günther .............................. 13
Optiz, Christina ....................................32
DUALE AUSBILDUNGS- UND PRAXISINTEGRIERENDE BACHELORSTUDIENGÄNGE
▲
BETRIEBSWIRTSCHAFT
Ost, Andreas.............................................1
Ostermöller, Sara .................................32
Pahlmann, Heiner................................32
Papoli-Barawati, Oliver..........................1
Rabes, Manfred .................................... 12
Rabes, Manfred .................................... 18
Rauf, Astrid ........................................... 18
Riese, Melanie....................................... 18
Rüther, Sebastian.................................23
Sanders, Hans-Christian ....................23
Sandhaus, Klaus...................................32
Schimpf, Wibke .................................... 16
Schlichter, Karl.....................................23
Schmees, Stephan ................................ 10
Schnabel, David.................................... 13
Schoebe, Andre.....................................30
Schüßler, Artur....................................... 6
Schwitzke, Karl.....................................32
Seeger, Thomas..................................... 21
Sievert, Horst ........................................32
Simon, Jan-Felix...................................30
Stabenow, Marcel................................. 25
Stuart, Andy .......................................... 10
Syllow, Alice ..........................................32
Thiele, Klaus .........................................23
Tiede, Antje ........................................... 16
Wehlend, Jürgen ..................................23
Weiß, Markus........................................ 14
Werde, Luder van................................... 8
Wiehemeyer, Henning ....................... 25
Wiens, Christian..................................... 8
Wulf, Heiko.............................................11
D
DUALE
BERUFSINTEGRIERENDE
BACHELORSTUDIENGÄNGE
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(BACHELOR OF ARTS)
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(BACHELOR OF ENGINEERING)
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▲ MECHATRONIK
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VERFAHRENSTECHNIK
BETRIEBSWIRTSCHAFT
(BACHELOR OF ARTS)
PFLEGE
(BACHELOR OF SCIENCE)
▲
STUDIENRICHTUNGEN:
▲
(BACHELOR OF ENGINEERING)
▲
MANAGEMENT BETRIEBLICHER SYSTEME
BERUFSINTEGRIERENDE
B
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M
▲
FÜHRUNG UND ORGANISATION
(MASTER OF ARTS)
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UND -MANAGEMENT
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3
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
MACHER & MÄRKTE
Rolf Krebs macht Nobelherbergen noch edler
Der Textil-Innenausstatter aus Bissendorf richtet Luxushotels wie Kempinski, Pullman und Mandarin Oriental ein
VON AXEL ROTHKEHL
BISSENDORF. Rolf Krebs ist der
Mann für scheinbar unlösbare
Aufgaben. Zum Beispiel die
Konstruktion einer Gardinenaufhängung für karge Mönchszellen mit Rund- und Spitzbogenfenstern. Der Bissendorfer
Textil-Innenausstatter hat die
Prager Dependance der Luxushotelkette „Mandarin Oriental“ ausgestattet. Das FünfSterne-Haus residiert in einem
600 Jahre alten Benediktinerkloster direkt neben der Prager
Karlsbrücke.
Insgesamt 99 Zimmer und Suiten
haben die Bissendorfer eingerichtet. Sie lieferten die sogenannten
dekorativen Textilien. Dazu gehören Bettüberwürfe, Gardinen und
Bezugsstoffe für Sitzmöbel. Nur
wenige Hundert Meter weiter
stattete Krebs eine nicht minder
hochwertige Herberge des britischen Hotelsammlers Rocco Forte
aus. Geschäftsführer Carsten
Krebs sieht die beiden Anbieter
im
Höchstpreissegment
als
„Nachfolger
des
klassischen
Grand Hotels mit farblicher Zurückhaltung“. Da müsse er nicht
mit rotem Plüsch, Messingarmaturen oder goldenen Troddeln
kommen. „Heute ist Coolness
sehr wichtig“, meint Krebs.
Er bezeichnet sein Unternehmen als größten Hotel-Innenausstatter Deutschlands. Eine Tochterfirma in Süddeutschland bedruckt die Ware mit neuen Designs. Im Stammhaus schneiden
55 Mitarbeiter alles zu. Hier steht
auch eine echte Innovation. „Wir
können Verdunkelungsstoffe so
vernähen, dass keine Stiche sichtbar sind, auch wenn ich am Tag
den Vorhang zuziehe“, sagt Krebs.
Der Schlaf bleibt also im Hotel
das höchste Gut – trotz allen
möglichen Luxus.
Zum Portfolio gehören bei
Krebs auch Häuser der Top-Marken Kempinski, Pullman und Le
Royal Méridien. Demgegenüber
stehen 48 Ibis-Hotels, in denen
werktags müde Monteure und am
Wochenende die Kegelclubs ein-
ziehen. Diese standardisierten
Komfortzimmer werden einmal
entworfen und tausendfach kopiert. Ist so ein Massenprodukt
schnell verdientes Geld? „Dort
kostet die Fensterdekoration we-
„Coolness
ist heute
sehr wichtig.“
Rolf Krebs,
Textil-Innenausstatter
niger als 150 Euro. Da bleibt
nicht viel übrig. Ibis ist für uns
ein Auslastungsgeschäft“, rechnet
Carsten Krebs vor, „bei Mercedes
klingelt ja auch erst mit den SModellen so richtig die Kasse.“
Das Hotelgeschäft sorgt bei
Krebs für 70 Prozent des Umsatzes. 2015 waren das „gut fünf Millionen Euro“. Die Steigerung um
20 Prozent gegenüber dem Vorjahr führt der Unternehmer auf
mehrere Großprojekte zurück.
Kontakt zu Prestigeanlagen wie
in Prag verschaffte ihm Robert
Diepenbrock, der für eine deutsche
Hotelplanungsgesellschaft
arbeitete. „Die Firma Krebs liefert
nicht nur, sondern entwickelt
Konzeptlösungen“, sagt Diepenbrock, „und sie steht auch kurzfristig zur Verfügung. Das ist die
große Stärke.“
Intelligente Gebäude-Elektronisierung ist der letzte Schrei in der
Branche. Dazu gehören wärmere-
Die Designs der
dekorativen Textilien
druckt eine KrebsTochterfirma in Süddeutschland.Zugeschnitten wird im
Stammhaus.Im
Bild:Rolf Krebs und
Mitarbeiterin Janina
Herkenhoff
Foto: Axel Rothkehl
Von Krebs gestaltet:
Zimmer mit Rundbogenfenster im
Prager Luxushotel
Mandarin Oriental .
Foto: Mandarin
Oriental Hotel Group
flektierende Vorhänge oder Gardinen, die sich automatisch
schließen, wenn die Sonne
scheint. „In der Realität findet
das nicht statt“, ordnet Krebs ein,
„mit Ausnahme des Hotels in der
Hamburger Elbphilharmonie“.
Ähnlich wie Fluggesellschaften
locken Hotelketten mit Bonuskarten. Viele Punkte hat sich Krebs
noch nicht erschlafen. „Die meisten Projekte kenne ich im fertigen Zustand gar nicht“, lacht er,
„aber eine Übernachtung in Prag
könnte ich mir mal gönnen.“
Das ideale
Umfeld.
Unternehmer im ecopark wissen:
Wo Mitarbeiter sich wohlfühlen, da
leisten sie gute Arbeit. Investieren
auch Sie in ein gutes Umfeld – für Ihre
Mitarbeiter und für Ihr Unternehmen.
Im ecopark an der Hansalinie A1.
ecopark – der Qualitätsstandort.
5
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
MACHER & MÄRKTE
MACHER & MÄRKTE
Funkwellen überholen Glasfaser
Große Flächen
unterversorgt
Internet-Verfügbarkeit1) via Kabel und
Übertragungsgeschwindigkeiten
im Emsland
Gemeinde
Stadt Papenburg
Rhede
Internet via Richtfunk entwickelt sich im Emsland zur dauerhaften Alternative zum Erdkabel
SG Nordhümmling
50 Mbit/s und mehr
unter 50 Mbit/s
keine bis fast keine Verfügbarkeit
SG Dörpen
VON CHRISTIAN SCHAUDWET
MEPPEN/GEORGSMARIENHÜTTE. Wo
1) Darstellung basiert auf freiwilligen Angaben
der Internet- und Telefonie-Provider
SG Werlte
Quelle: Breitband Kompetenz
Zentrum Niedersachsen
Grafik: Matthias Michel
SG Sögel
SG Lathen
Stadt Haren
SG Herzlake
Stadt Meppen
Stadt Haselünne
Gemeinde
Twist
Gemeind
Gemeinde
Geest
ste
SG Lengerich
Stadt Lingen
Hohe Übertragungsraten für Geschäftsdaten gewährleisten Glasfaserkabel wie diese.Viele Betriebe in ländlichen Regionen sind im Wettbewerbsnachteil,weil sie noch nicht ans Glasfasernetz angeschlossen wurden.
Gemeinde
Emsbüren
Foto: obs/Vodafone D2 GmbH
Aufbruch im Tal der Breitbandlosen
SG Freren
SG Spelle
Gemeinde
Salzbergen
Nach Jahren des Schneckentempos kommt Schwung in den Ausbau des schnellen Internets in ländlichen Gebieten
Noch halten
unterversorgte Firmen
der Region die Treue.
Breitband-Pakt
zwischen Gemeinden
und Kreis Osnabrück.
Schnelles Internet
soll die Standorte
zukunftsfähig machen.
VON SVEN LAMPE UND
CHRISTIAN SCHAUDWET
FREREN/OSNABRÜCK. Kommunen
und Unternehmen in der Fläche
geben Gas. Damit Betriebe an
ländlichen Standorten im
zunehmend datenintensiven
Wettbewerb nicht endgültig
abgehängt werden, sollen auch
sie ans Breitbandnetz angebunden werden. Die politischen
Weichen auf Kreisebene sind
gestellt.
Andreas Middelücke ist es völlig
egal, wie er ins Internet kommt.
Hauptsache, die Leitung ist schnell
und stabil. Und natürlich dürfen
auch die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Vor einiger Zeit hat der
Chef des Logistikunternehmens
AM-Log in Andervenne seinen Weg
gefunden. Und der führt über
Richtfunk. Eine großartige Auswahl
an Möglichkeiten hatte er in dem
etwas abseits gelegenen Teil der
emsländischen Samtgemeinde Freren dicht am Landkreis Osnabrück
nicht – jetzt ist er von der Technik
überzeugt.
Nun ist ein Logistikdienstleister
nicht gerade ein Hightech-Unternehmen. Aber ohne Netzzugang
geht längst auch in dieser Branche
nichts mehr. „80 Prozent unserer
Aufträge bekommen wir über Internet oder Telefon“, macht Middelücke die Bedeutung deutlich. Über
das Netz kennt der Unternehmer
außerdem ständig den aktuellen
Standort seiner Lkw und kann somit schnell neue Aufträge delegieren.
Vor der Richtfunk-Zeit hatte Middelücke notgedrungen über LTEMobilfunk kommuniziert. In den
Augen des Unternehmers ein ebenso teures wie instabiles Vergnügen.
„Meistens hatten wir schon am 15.
eines Monats unser dickstes Paket
verschossen und mussten Datenvolumen nachkaufen.“ 100 Euro und
mehr seien da schnell zusammengekommen. Technisch sei der Anschluss zwar gut gewesen, aber
„Meist mussten
wir am 15.
Datenvolumen
nachkaufen.“
Andreas Middelücke, AM-Log
nicht stabil. Diese Erfahrungen gehören nun der Vergangenheit an:
„Jetzt ist es wie eine Standleitung,
und die Kosten sind so wie vorher.“
Richtig ärgern über sein Leben in
der Breitband-Peripherie kann sich
der Chef des 2012 gegründeten Unternehmens nicht. Selbst wenn es
Richtfunk nicht gäbe, hätte er der
Gemeinde nicht den Rücken gekehrt“, sagt er. „Da gäbe es wichtigere Gründe, zum Beispiel schleppende Bürokratie.“
Bisher halten die Unternehmen
ihrem Standort offenbar die Treue.
„Wir haben noch keinen Fall gehabt,
in dem ein Unternehmer wegen fehlenden Breitbandes gedroht hat,
Freren zu verlassen“, sagt die Erste
Samtgemeinderätin Sonja Ahrend.
Damit das so bleibt und auch weitere Unternehmen kommen, verschreibt sich Freren dem Richtfunk.
Ähnlich ausbaufähig stellt sich
die Situation in Salzbergen dar.
Statt auf Richtfunk setzt Salzbergen
zumindest aber im Kernbereich auf
Glasfaser. Zusätzlich zum bereits
vollverkabelten interkommunalen
Gewerbegebiet Holsterfeld an der
A 30, das sich Salzbergen mit Rheine teilt, entsteht jetzt auch im eigentlichen Stadtgebiet ein hochmodernes Glasfasernetz.
Auch auf den „weißen Flecken“
des Osnabrücker Lands keimt Hoffnung, spätestens seit dem 13. Juni.
Der Kreistag rang sich an diesem
Tag zu einem Kompromiss durch,
der die Lasten des von vielen mittelständischen Unternehmen ersehnten Breitbandausbaus auf Landkreis, Städte und Gemeinden verteilen soll. Bis zum Jahr 2018 werden
15,4 Millionen Euro in die Breitbandförderung unterversorgter Gebiete investiert, um dort schnelles
Internet mit mindestens 50 Megabit
pro Sekunde verfügbar zu machen.
Der Landkreis übernimmt von dieser Summe 8,7 Millionen Euro. Die
Städte und Gemeinden, die alle einen Solidarbeitrag von einem Euro
pro Einwohner aufbringen sollen,
tragen 6,7 Millionen Euro bei. Mit
Investitionen aus diesen Geldern
sollen unter anderem 35 unterversorgte Gewerbegebiete mit Glasfaserdirektanschlüssen ausgestattet
werden.
Der CDU-Kreistagsfraktionsvorsitzende Martin Bäumer bezeichnete es als „guten Tag“, dass der Landkreis durch den Beschluss jetzt „digital richtig vorangebracht wird“.
Neben dem SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzenden Thomas Rehme lobte
in ungewohnter Harmonie auch
Linke-Vertreter Andreas Maurer
den Kompromiss: „Das ist ein gutes
Projekt. Ich kann beiden Vorred-
nern nur zustimmen, was sonst selten passiert.“
Bei Ausschöpfung aller Fördermöglichkeiten könnte das Budget
für den Breitband-Ausbau im Osnabrücker Land sogar ein Volumen
von bis zu 39 Millionen Euro erreichen. Dann, wenn die potenzielle
Fördersumme des Bundes von 15
Millionen und Landesmittel in Höhe von fünf Millionen Euro dazukommen.
Die ersten Gemeinden haben
schnell auf den Kompromiss reagiert: Am 15. Juni stimmte der
Fürstenauer Stadtrat dem vorgesehenen Deal mit dem Landkreis zu
und verpflichtete sich, 89 000 Euro
in den Topf zu werfen. Dafür wird
zunächst der letzte noch nicht aufgerüstete Verteilerkasten mit Glasfaser ausgestattet – mit dem Ziel, eine Übertragungsrate von 50 MBit
pro Sekunde zu gewährleisten. Im
Endlich Breitband, wenn auch ohne Kabel: Logistik-Unternehmer Andreas Middelücke in Andervenne nutzt eine Richtfunkverbindung.
Foto: Sven Lampe
zweiten Schritt will die Stadt möglichst viele Haushalte an die Verteilerkästen anschließen.
Einen Tag später machte auch
der Stadtrat von Melle den Weg
frei: Hier werden nach dem Ja zur
Vereinbarung mit dem Landkreis
1,3 Million Euro fällig. Für Melles
Bürgermeister Reinhard Scholz
hängt die wirtschaftliche Zukunft
der Stadt am schnellen Internet:
„Ohne Breitband keine Firmenansiedlung aus dem Hightech-Bereich“, sagt Scholz. Sechs Gewerbegebiete gälten noch als unterversorgt. Aber auch für Privatleute
werde Breitbandanbindung unverzichtbar. „Die Ansprüche auch dort
steigen, insbesondere bei jüngeren
Menschen.“
In der einwohnerreichsten Stadt
im Landkreis mit wichtigen Arbeitgebern wie Melos (Gummigranulate, Gummi-Mischungen), Westland
(Walzen-Gummierung), Spartherm
(Kamine und Brennzellen), Tetra
(Fischfutter) und Assmann (Büromöbel) soll der Ausbau ab dem
Spätsommer beginnen. Die 43 grauen Verteilerkästen im Stadtgebiet
werden dann nach und nach umgerüstet, in drei Stadtteilen kommen
neue Kästen hinzu. In Melle liegt
die Versorgung mit mindestens 30
MBit/s derzeit bei 72 Prozent. 2018
sollen 88 Prozent mindestens 50
MBit/s erhalten.
Der Landkreis Emsland hat sich
unterdessen Bundesmittel gesichert: Ende Mai übergab Bundesminister Alexander Dobrindt in
Berlin dem Kreisdezernenten Michael Steffens Förderbescheide
über 100 000 Euro – zusätzlich zu
den 50 000 Euro, die das Emsland
bereits im Januar erhalten hatte.
Bis 2018 sollen alle emsländischen
„Ohne Breitband
keine Firmen aus
dem HightechBereich.“
Reinhard Scholz,
Bürgermeister von Melle
Haushalte mit 50 MBit pro Sekunde im Internet unterwegs sein können. „Derzeit erhalten kreisweit
von insgesamt mehr als 100 000
Adressen etwa 23 000 Haushalte
nicht einmal eine Breitbandgeschwindigkeit von 30 MBit pro Sekunde“, sagt Landrat Reinhard
Winter. Vor allem diesen Haushalten sollen die Bundesgelder nützen. Weitere Förderanträge seien
in Arbeit. Der Landkreis selbst hat
in seinem aktuellen Haushalt sechs
Millionen Euro bereitgestellt. 52
Millionen Euro stehen für 2017
und 2018 in Aussicht. Dann soll
das Emsland endlich nicht mehr
digitales Randgebiet sein: „Weiße
Flecken soll es damit künftig nicht
mehr geben“, sagt Winter.
Die Unternehmersorgen in den
Tälern der Breitbandlosen ist begründet: Die Datenmenge, die sie
national und international künftig
durch die Leitungen werden schi-
cken müssen, wächst ständig. IW
Consult, eine Tochter des Instituts
der deutschen Wirtschaft Köln, sagt
in einer Studie bis 2019 eine Verdreifachung des weltweit umgeschlagenen Datenvolumens voraus.
Deutschland liegt demnach bei der
Entwicklung der meisten Schlüsseltechnologien im internationalen
Vergleich zwar in der Spitzengruppe. Bei der Netzabdeckung und der
Geschwindigkeit der Datenleitungen aber erreicht das Land nur das
Mittelfeld. Ende 2015 verfügten
demnach in Deutschland nur 60
Prozent der Unternehmen über
Breitbandanschlüsse mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde.
Besorgniserregend findet das der
Auftraggeber der im Juni sicher
nicht uneigennützig veröffentlichten Studie, Vodafone-DeutschlandChef Hannes Ametsreiter. InternetGeschwindigkeit könne schon in absehbarer Zeit ein erheblicher Standortfaktor werden. „Europäische
Nachbarn und Asien setzen bereits
voll auf Glasfaser – und Deutschland diskutiert noch über Kupfer“,
sagt Ametsreiter.
Allerdings ist vielerorts noch gar
nicht klar, wo genau Breitband- Unterversorgung besteht und wo Unternehmen diese behoben sehen
möchten. In Niedersachsen haben
deshalb die Industrie- und Handelskammern unter Beteiligung der
IHK
Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim Mitte Mai mit einer Umfrage begonnen, die die genaue Bedarfslage ermitteln soll. Die
Umfragedaten, die beim BZN in Osterholz-Scharmbeck zusammenlaufen, werden zu einem „Breitbandatlas“ werden, der als Grundlage für
die weitere Ausbauplanung dienen
soll.
(Mit dpa)
Betrieben der Ausbau des Glasfaserkabelnetzes nicht schnell genug geht, kommt eine Technologie ins Spiel, die ohne aufwendige
Kabelverlegung auskommt:
Richtfunk. Immer mehr Unternehmen und Privathaushalte im
Emsland gehen über die „Glasfaser der Luft“ online.
BRichtfunk entwickelt sich in ländlichen Gebieten des Nordwestens zum
Renner. Dabei ist er eine alte Technologie – die erste Richtfunkstrecke
überbrückte 1931 den Ärmelkanal zwischen Calais und Dover, und Richtfunksysteme sind seit Jahrzehnten
Teil des deutschen Telekommunikationsnetzes. Doch angesichts des
schleppenden Glasfasernetz-Ausbaus
in ländlichen Regionen erfährt die
„Glasfaser der Luft“, wie sie im Emsland teils genannt wird, eine neue
Blüte. Mittendrin im Boom: Emslandtel. Das Meppener Unternehmen baut
seit drei Jahren Richtfunkstrecken für
Geschäftskunden auf, die nicht auf eine Glasfaser-Anbindung warten wollen. Rund 400 Unternehmensadressen
und mehr als 2000 Haushalte hat es
bisher angebunden.
Seit Emslandtel im Gewerbegebiet
von Messingen, das zur Samtgemeinde Freren östlich von Lingen gehört,
einen Richtfunkmast aufgestellt hat,
ist die Angst vor dem digitalen Abseits
dort der Zuversicht gewichen. Zuvor
war eine Übertragungsgeschwindigkeit von mageren 0,8 Mbit pro Sekunde durchs alte Kupferkabel trauriger
Standard. Thomas Dreising vom Fassadentechnik-Ingenieurbüro iff Dreising fuhr manchmal mit einem USBStick in seine mit VDSL-Technik angeschlossene Wohnung, um Geschäftsdaten von dort aus abzuschicken. Damit ist es nun vorbei. Erleichtert ist
auch Karl-Heinz Rumpke, Chef des
gleichnamigen Holzbearbeitungsun-
Schnelles Internet in Eigenregie: Vertreter der Stadt Meppen beobachten den Aufbau eines Richtfunk-Mastes.
Foto: Gerd Mecklenborg
ternehmens in Messingen. Die Fernwartung seiner CNC-Werkzeugmaschinen durch den Maschinenhersteller klappt seit der Richtfunk-Anbindung ohne lästige Verzögerungen.
Emslandtel-Chef Andreas Schröder
sieht in Richtfunk weit mehr als eine
Brückentechnologie. Schon ab einer
Leitungslänge von etwa einem Kilometer im Punkt-zu-Punkt-Betrieb und bei
beliebiger Leitungslänge im Punkt-zuMultipunkt-Betrieb stehe Richtfunk bei
der Kostenbetrachtung besser da:
„Glasfaser ist schlicht zu teuer, um auf
absehbare Zeit jeden Haushalt in der
Fläche ökonomisch sinnvoll zu versor-
gen“, sagt Schröder. Der von Emslandtel betriebene Ausbau habe die politische Diskussion über die Breitbandversorgung im Landkreis angeheizt und
den Breitbandausbau in der Region
insgesamt beschleunigt.
Richtfunk setzen aber nicht nur lokale Provider wie Emslandtel zur Anbindung von Betrieben und Haushalten ein. Viele Unternehmen lassen
sich eigene Richtfunkstrecken einrichten, um den Datenverkehr zwischen
benachbarten Standorten zu beschleunigen und billiger zu machen.
Dem Verpackungsmaschinenbauer
Windmöller & Hölscher im westfäli-
schen Lengerich reichte die vorhandene 2-MBit-Standleitung zu seiner wenige Hundert Meter entfernten Tochtergesellschaft Klaus Reinhold Maschinen- und Gerätebau nicht, deshalb ließ er eine Mikrowellen-Richtfunkstrecke errichten. Seitdem strömen die Geschäftsdaten zwischen
zwei runden, etwa straßenschildgroßen Antennen auf den Gebäudedächern hin und her. Die Richtfunkstrecke hat sich nach Einschätzung des
Managements im Vergleich zu einer
34-MBit-Standleitung nach elfeinhalb
Monaten amortisiert.
Der Georgsmarienhütter Datentechnik-Dienstleister und RichtfunkAusrüster ETe zählt neben Windmöller & Hölscher in Lengerich auch die
Niels-Stensen-Kliniken, Ahlstrom Osnabrück, den Tapetenhersteller Rasch
in Bramsche und den Küchenbauer
Nolte in Löhne zu seinen Kunden.
Natürlich hätten Unternehmen
auch die Möglichkeit, Glasfaserleitungen zwischen ihren Produktionsstätten legen zu lassen, sagt ETe-Datentechnik-Geschäftsführer Jörg Thiemann, „doch bei den Preisen legen Sie
die Ohren an. Selbst wenn Sie mit der
Leitung nur unter einer Straße durch
müssen, wird es schnell sehr teuer.“
Richtfunk mache zehn bis 15 Prozent
des Umsatzes von ETe aus, aber: „Das
Geschäftsfeld hat in dieser Region Potenzial.“
So funktioniert Richtfunk
Richtfunkversorgung
von Betrieben und
Haushalten durch einen
lokalen Provider
Betriebe und Haushalte
Lizenzierter Richtfunk
(bis zu 1 Gigabit/Sek.)
Richtfunk,
WLAN-Richtfunk
oder WLAN
GlasfaserNetz
lokaler
Provider
Quelle: Eigene Recherchen · Grafik: Matthias Michel
Ein Neuling prescht vor
Deutsche Glasfaser will Marktführer werden
VON SVEN LAMPE
SALZBERGEN/SPELLE. Im Streben,
Deutschland möglichst flächendeckend mit schnellem Breitband-Internet zu versorgen, tummelt sich neben den Platzhirschen wie der Telekom und Vodafone auch ein Neuling: die Deutsche Glasfaser.
Anders als die meisten Internetanbieter verlegt das Unternehmen ausschließlich Glasfaserkabel. Und zwar
bis ins Haus. Der oft gefürchtete
„letzte Meter“ aus leistungsminderndem Kupferkabel entfällt. Die Deutsche Glasfaser (DG) mit Sitz im westfälischen Borken ist erst seit 2012 in
Deutschland aktiv. Hinter dem Unternehmen steht die Investmentgesellschaft Reggeborgh, die bereits in den
Niederlanden Glasfasernetze verlegt
hat.
Glasfaser gilt als zukunftsträchtigste Technologie, da sie die höchste
Bandbreite bietet. Weit fortgeschritten ist der Glasfasernetz-Ausbau bereits in Japan und Südkorea, in Europa liegen Schweden und Estland weit
vorn. Deutschland gilt in diesem Bereich noch als Entwicklungsland.
Hierzulande erschließen viele Anbieter nur einen Teil ihrer Netze mit
Glasfaser und greifen auf dem übrigen Teil der Strecke auf bereits im
Boden liegende Kupferkabel zurück.
Die Deutsche Glasfaser hat einen
Weg gefunden, die hohen Kosten für
die Verlegung auf ein offensichtlich
wirtschaftliches Maß zu reduzieren.
Beim sogenannten Micro-Trenching
wird für das Kabel nur ein dünner
Schlitz gegraben, der noch dazu weniger tief in den Boden geht als üblich. Das senkt Zeitaufwand und Kosten.
Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen in Deutschland bereits
200 Millionen Euro in den Netzausbau investiert und nennt 375 000 Kilometer Glasfaser sein Eigen. Zeitnah
wollen die Borkener 450 weitere Millionen Euro investieren. Das Ziel ist
engagiert: Marktführer beim Glasfaser-Ausbau in Deutschland.
Bislang hat sich die Deutsche Glasfaser auf das Geschäft mit Privatkunden konzentriert, jetzt soll auch der
Geschäftskundenbereich ausgebaut
werden.
Einen Fuß am Boden hat die Deutsche Glasfaser bereits im Emsland.
Dort griffen die Gemeinden Salzbergen und Spelle beim Angebot des Unternehmens zu, das da lautet: Wenn
40 Prozent der potenziell anschließbaren Haushalte in einem bestimmten Bereich der Gemeinde einen
Zwei-Jahres-Vertrag mit der Deutschen Glasfaser abschließen, baut das
Unternehmen auf eigene Kosten ein
Glasfasernetz mit einer Übertragungsrate von 100 Megabit pro Sekunde, an das sich auch Geschäftskunden anschließen lassen können.
Fokus auf ländliche Gebiete: Der Provider Deutsche Glasfaser expandiert in Schleswig-Holstein
(Bild) und Niedersachsen.
Foto: Deutsche Glasfaser
In Salzbergen lässt sich das Unternehmen den Netzausbau drei Millionen Euro kosten. Kosten für die Kommune: null.
Fast drei Monate lang rührte das
Unternehmen die Werbetrommel,
Ende Mai war es so weit: Die 40-Prozent-Marke wurde gerissen. Noch im
Sommer soll mit den Bauarbeiten begonnen werden, Anfang kommenden
Jahres will die DG ihre Neukunden
am Netz haben. „Das ist ein engagiertes Ziel“, sagt Salzbergens Bürgermeister Andreas Kaiser: „Aber die haben gesagt, sie schaffen das.“
Profitieren vom Glasfasernetz werden in erster Linie Kunden in den effektiv zu erschließenden Kerngebieten der Kommunen. Die Außenbezirke bleiben außen vor. Eine Erschließung abgelegener Gebiete oder einzelner Höfe sei nicht wirtschaftlich
zu realisieren, ließ DG-Manager Jan
van Veldhuizen im Februar bei der
Unterzeichnung des Kooperationsvertrages mit Salzbergen durchblicken.
Kleiner Nebeneffekt: Seit die Deutsche Glasfaser in Salzbergen aktiv ist,
haben auch traditionelle Anbieter wie
EWEtel und die Telekom ihr Herz für
die knapp 8000 Einwohner zählende
Gemeinde im Süden des Emslandes
neu entdeckt, rüsten technisch auf
und werben um Kunden.
Auch anderswo in der Region
schalten die Etablierten nun einen
Gang höher: EWEtel will in Neuenkirchen-Vörden unabhängig vom
jüngst beschlossenen Förderprogramm des Kreises Vechta in Breitband investieren. 600 Haushalte sollen dort bald mit höherer Geschwindigkeit im Web unterwegs sein können.
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DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
MACHER & MÄRKTE
Wilhelms macht ausgelaugte Böden wieder fit
Ein preisgekröntes Start-up aus Cloppenburg züchtet Pilze mit erstaunlichen Fähigkeiten und großem Marktpotenzial
VON KLAUS-PETER JORDAN
CLOPPENBURG. In alten Raketen-
hangars bei Cloppenburg züchtet die Firma Wilhelms Mykorrhizapilze. Sie geben ausgelaugten Böden ihre Kraft zurück.
Die Folge: Pflanzen gelangen
besser an Wasser und Nährstoffe. Sie sind gesünder und brauchen weniger Dünger.
Wer Arthur Schüßler besuchen
will, braucht Spürsinn. Man findet
ihn in einer Halle auf dem ehemaligen Militärflugplatz Varrelbusch
nördlich von Cloppenburg. Hier
standen bis 2002 Patriot-Flugabwehrraketen der Bundeswehr zur
Bekämpfung von Flugkörpern in
luftiger Höhe. Schüßlers Blick
geht allerdings eher nach unten:
in den Boden. Er züchtet Pilze.
Doch es sind weder Champignons noch schmackhafte Austernpilze, die den habilitierten Pflanzenbiologen beschäftigen, sondern
Mykorrhiza. Diese Pilzwurzelgeflechte kann man zwar nicht essen, nahrhaft sind sie aber trotzdem – jedenfalls für Böden und
Pflanzen. Die Pilze geben ausgelaugten Äckern ihre Fruchtbarkeit
zurück. Damit sorgt Schüßlers Firma, die Wilhelms GmbH, seit 2013
bundesweit für Aufmerksamkeit.
Mehrere Innovationspreise hat sie
abgeräumt. Das Magazin „Wirtschaftswoche“ glaubt, dass ihre
Geschäftsidee „die Landwirtschaft
revolutionieren“ könnte. Der ungewöhnliche Firmenname nimmt
Bezug auf die von Kaiser Wilhelm
Anfang des 20. Jahrhunderts ins
Leben gerufene staatliche Förderung der Biologie. Neben Schüßler
ist der Futtermittelhersteller Bröring aus Dinklage Mitgesellschafter der Wilhelms GmbH. Die
Dinklager stellen mit Jan Bröring
auch den Geschäftsführer. Mitgründer Bernhard Aumann schied
inzwischen aus dem Unternehmen
aus.
Schüßlers Idee klingt einleuchtend. Die moderne Landwirtschaft
hat viele Äcker durch intensive Bewirtschaftung stark geschädigt.
Dem versuchten die Landwirte
mit Mineraldünger und organischer Düngung in Form von Gülle
entgegenzuwirken. Seit den 60erJahren läuft das unter dem Begriff
„Grüne Revolution“. Forscher
schätzen aber, dass vom Nährstoff
Phosphor im Dünger inzwischen
weniger als 20 Prozent bei den
Pflanzen ankommt. Der Rest versickert und belastet das Grundwasser.
Grund dafür sind das häufige
und immer tiefere Pflügen der Böden und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Dadurch werden
die Mykorrhiza zerstört. Die Pilz-
Die Mykorrhizapilze werden in Flaschen vermehrt.
Foto: Anja Suding-Turi/Bröring
Eine zweite „Grüne Revolution“ wollen Arthur Schüßler (links) und Bernhard Aumann mit ihrer Firma Wilhelms einleiten.Aus gesundheitlichen Gründen zog Aumann sich inzwischen zurück.
welt in den Böden verarmt. Die sogenannte „Mykorrhiza-Symbiose“
kann nicht mehr stattfinden. Diese Symbiose beschreibt der 47-jährige Schüßler so: „Die Mykorrhizapilze siedeln sich an Wurzeln oder
Samen von Pflanzen an. Sie bilden
im Boden ein sehr feines Netzwerk. Dadurch vergrößern sie die
Oberfläche und Ausbreitung der
Wurzeln um ein Tausendfaches.
Damit können die Pflanzen Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff
deutlich besser aufnehmen.“ Der
gebürtige Darmstädter hat an der
Ludwig-Maximilian-Universität
München zur Mykorrhiza-Symbiose geforscht. In natürlichen Ökosystemen nehmen Pflanzen geschätzt bis zu 90 Prozent ihres
Phosphors und 80 Prozent ihres
Stickstoffs über ein pflanzliches
Netzwerk auf. Oder nicht, wenn
dieses zerstört ist. „Über das Mykorrhiza-Pilzwerkgeflecht gelangt
die Pflanze an Wasser und Nährstoffe, die sie mit ihren eigenen
Wurzeln nicht erreichen würde“,
fasst Schüßler zusammen. In den
ehemaligen Cloppenburger Raketenhangars spricht man deswegen
schon von der „zweiten Grünen
Revolution“.
Auch Michael Erdhaus, kaufmännischer Leiter beim Mehrheitsgesellschafter Bröring, glaubt
an den Erfolg von Wilhelms. Seine
Zuversicht scheint begründet.
Denn Mykorrhiza-Pilzgeflechte haben viele Vorteile: Sie lockern den
Boden, die Standfestigkeit der
Pflanzen bei Sturm und Starkregen wird gestärkt. Durch die effektivere Wasserversorgung sind die
Wenige Gramm
reichen aus, um
einen Hektar
zu behandeln.
Pflanzen besser für Trockenperioden gerüstet. Die Verfügbarkeit
der Nährstoffe ist höher, wodurch
die Zufuhr chemischer Dünger reduziert werden kann. In Feldversuchen hat Schüßler zudem höhere Hektarerträge bei Kartoffeln,
Getreide, Mais, Soja und Gemüse
nachgewiesen.
Doch die Züchtung der Pilzgeflechte ist aufwendig und teuer.
Derzeit sind in der Start-up-Firma
knapp zehn Mitarbeiter damit beschäftigt, die Pilze in Flaschen in
Reifekammern zu ziehen. Das dauert etwa ein halbes Jahr. Das Endprodukt ist ein Pulver, mit dem
die Landwirte ihr Saatgut beizen
können. Unter dem Namen „WillBest“ wollen die Existenzgründer
es als Marke etablieren. Nur wenige Gramm des Pulvers reichen
aus, um einen Hektar zu behandeln. Wenn das Saatgut keimt,
wird die Pflanze mit den Pilzen
versorgt.
WillBest verfügt über eine Zulassung für den biologischen Anbau. Allerdings steht das nicht auf
dem Etikett und wird nicht beworben. Die meisten Bauern würden
Produkte mit Bio-Kennzeichnung
von vornherein ablehnen, glaubt
man bei Wilhelms. Dennoch verweist Schüßler gern auf den Beitrag von WillBest zum Umweltschutz: „Wir stellen mit unseren
Pilzen wieder ein natürliches System im Boden her.“
Noch steckt die Firma in den
Kinderschuhen. Die Pilzproduktion – das Verfahren ist patentiert –
soll in diesem Jahr für Saatgut für
etwa 6000 bis 7000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche reichen. „In zwei Jahren wollen wir
aber auf 40 000 Hektar kommen“,
gibt Bröring-Mann Erdhaus als
Ziel aus. Sein Unternehmen übernimmt den Vertrieb von WillBest.
Mit dem Einbecker Saatgutriesen
KWS wurde bereits ein größerer
Auftrag abgewickelt. Kleinere
Mengen gehen direkt an Landwirte, die ihr Saatgut selbst beizen.
„Viele Landwirte wollen derzeit
aber keine Experimente machen“,
hat Erdhaus festgestellt: „Die haben andere Sorgen.“ Zu Demonstrationszwecken wurden daher mit
der Landwirtschaftskammer Niedersachsen Versuchsfelder angelegt. Mit Bröring im Rücken soll
ein internationaler Vertrieb aufge-
Foto: Gerald Lampe
baut werden, eventuell mit Partnern. „Wir denken dabei zunächst
an den asiatischen Raum“, kündigt Erdhaus an.
In Südafrika habe man schon
„einen Volltreffer gelandet“. Dort
kalkuliert ein Maisanbauer mit
Kosten von etwa 1200 Dollar pro
Hektar für Wasser. „Mit unseren
Pilzen braucht er jetzt 30 Prozent
weniger Wasser“, berichtet Schüßler. Einen Rückschlag erlebte Wilhelms hingegen in Russland. Zwar
gab es „tolle Ergebnisse bei Feldversuchen“, und ein Vertrag zur
Pilzlieferung für 10 000 Hektar
war bereits fertig. Doch dann kam
die Sanktionspolitik der EU – und
nichts mehr war es mit dem schönen Auftrag.
Dafür sammelt man Auszeich-
nungen. Zum Beispiel die im Unternehmenswettbewerb „Klimainnovationen“ vom Netzwerk Innovation & Gründung im Klimawandel (NIK) im Juni 2014. Die
Cloppenburger wurden mit ihrem
Projekt „Mykorrhizapilze statt
chemischem Dünger“ als beste Innovation zur Anpassung an die
Folgen des Klimawandels in der
Metropolregion Nordwest ausgezeichnet. Oder die des Deutschen
Innovationspreises für Klima und
Umwelt, die die Mykorrhiza-Symbiose von Wilhelms als „Innovation des Jahres 2015“ auszeichnete.
„Das hat uns noch einmal richtig
viel
Bekanntheit
gebracht“,
schwärmt Erdhaus. Jetzt müssen
nur noch die Landwirte überzeugt werden.
Viel hilft nicht mehr viel
Ausgaben für Düngemittel in Deutschland in Mrd. Euro
Düngekalk
Kali
Phosphat
2,57
2,19
Stickstoff
2,38
2,41
2,33
2011/12
2012/13
2013/14
2,55
1,96
2008/09
2009/10
2010/11
2014/15
Quelle: Statista · Grafik: Matthias Michel
7
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
MACHER & MÄRKTE
Neustart mit
Superfoods und
Tee im Tetrapak
Getränke-Produzent Christian Berentzen
will es ohne Zucker im Produkt schaffen
VON HENDRIK STEINKUHL
HASELÜNNE. Der Berentzen-Un-
ternehmenserbe Christian Berentzen geht neue Wege: Mit seiner Limuh GmbH will er gesunde Getränke produzieren – am
liebsten kalorienfrei und nur
mit natürlichen Süßungsmitteln. Warum ihm zuckerfreie Limonaden und Tees ein so großes
Anliegen sind, was ihm dabei im
Weg steht und welches „Superfood“ er jetzt groß vermarktet:
Die Wahrheit tut oft weh – sie ist
unangenehm oder einfach banal.
Sie wird gerade dann umschifft,
wenn Menschen den Grund für ihr
Handeln benennen sollen. Christian Berentzen bildet da eine Ausnahme. „Weil ich als Kind immer
fett gewesen bin“, antwortet er auf
die Frage, warum er seine Getränke unbedingt zuckerfrei produzieren will.
2009 verabschiedete sich Christian Berentzen auf eigenen
Wunsch aus dem Haselünner Getränkekonzern, der seinen Namen
trägt. Im Jahr zuvor war Berentzen nach 250 Jahren in Familienhand mehrheitlich vom Finanzinvestor Aurelius AG übernommen
worden. Christian Berentzen,
Sohn des langjährigen Firmenchefs Friedrich Berentzen, hatte
acht Jahre lang die alkoholfreie
Sparte des Hauses geleitet. Ein
Jahr nach seinem Ausscheiden aus
dem vormaligen Familienunternehmen gründete er in Haselünne
die Limuh GmbH und vertreibt
seitdem erneut alkoholfreie Getränke – jetzt allerdings so kalorienarm wie möglich.
„Als ich vor einigen Jahren Vater wurde, ist mir aufgefallen, dass
die Kinder heute mit denselben
extrem zuckerhaltigen Getränken
aufwachsen wie ich damals“, sagt
Berentzen. Dass sich die Gesellschaft viel zu zuckerhaltig ernährt,
ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Wenn Christian Berentzen
diesen Zustand beklagt, klingt es
allerdings nicht so. Er spricht aus
Überzeugung, oder er ist ein guter
Schauspieler, in jedem Fall klingt
keiner seiner Sätze nach auswendig gelerntem Business-Sprech.
„Jeder von uns nimmt im
Schnitt 100 Gramm Zucker täglich
zu sich, das ist deutlich zu viel.“
Laut WHO sollten es nicht mehr
als 25 Gramm pro Tag sein, Christian Berentzen hält 50 Gramm für
ein vernünftiges Ziel. Süßstoffe
wie Aspartam einzusetzen findet
er falsch. „Ich glaube einfach mehr
an die Natur.“
Berentzens ökologisches Bewusstsein geht weit über die Getränkeherstellung hinaus. In einem kleinen Vortrag handelt er
mal eben alle großen Themen ab:
Klimawandel,
Ressourcenverbrauch, Fehlernährung, explodierende Gesundheitskosten. Man
könnte das für Gutmenschengerede halten, doch Christian Berentzen findet immer wieder zum
Konkreten zurück. „Ein Apfel hat
heute nur noch ein Drittel des
Nährwerts eines Apfels vor 50 Jahren. Um dieselbe Menge Vitamine
aufzunehmen, müsste man drei
Äpfel essen – hat dann aber auch
die dreifache Menge Zucker.“
Der Mann, dessen Vater vor genau 40 Jahren die aus unternehmerischer Sicht geniale Idee hatte,
Apfelsaft mit Korn zu kreuzen, interessiert sich also vor allem für
den Nährstoffgehalt von Obst.
„Vom Saulus zum Paulus“, sagt er
den Leuten gerne, wenn sie ihn
auf den Widerspruch zwischen
dem Image der Getränke-Gruppe
Berentzen und den von ihm selbst
vertriebenen Produkten ansprechen.
Seit Gründung der Limuh stellt
Christian Berentzen Getränke her,
die entweder wenig oder gar keinen Zucker enthalten. Mit dem
„Tyrannos Power Energy“ brachte
der 50-jährige Unternehmer eine
echte Neuheit auf den Markt, den
ersten Stevia-Energy-Drink aus
Deutschland.
Dazu
vertreibt
Limuh in Zusammenarbeit mit
der WDR Mediagroup die zuckerfreien und nur mit Fruchtzucker
und Agavendicksaft gesüßten Getränke „Die Maus“ und „Shaun das
Schaf“.
Nun soll das Angebot um ein
neues Getränk in zwei Geschmacksrichtungen
erweitert
werden. „Yoringa“ heißt der im
500-Milliliter-Tetrapak abgefüllte
Tee, erhältlich als Früchtetee und
als Grüntee-Matcha mit Bio-Siegel.
Beide Tees sind direkt gebrüht
und frisch abgefüllt, und beide
enthalten die namensgebende Zutat Moringablätter.
Produkte aus der MoringaPflanze werden zu den „Superfoods“ gerechnet. Das sind Lebensmittel, denen aufgrund der in
ihnen enthaltenen Vitalstoffe ein
besonderer gesundheitlicher Nutzen zugesprochen wird. Unter all
diesen Superfoods wie Açai, Goji,
„100 Gramm
Zucker pro Tag
sind deutlich
zu viel.“
Christian Berentzen
Berentzen-Erbe Christian Berentzen: Der 50-Jährige geht seit 2009 eigene Wege.Mit seiner Firma Limuh entwickelt er zuckerarme Limonaden und Tees
Chia und Co. ist Moringa so etwas
wie der Shootingstar. „Die Pflanze
gilt als die nährstoffreichste überhaupt“, sagt Christian Berentzen.
Durch die schonende Zubereitung
sei es möglich, viele ihrer positiven Eigenschaften in die YoringaGetränke zu transferieren.
Um die neuen Kreationen noch
gesünder zu machen, wollte Christian Berentzen Yoringa ursprünglich ausschließlich mit kalorienfreien und natürlichen Süßungsmitteln herstellen. Daraus allerdings wurde nichts. Denn der mit
vielen hervorragenden Eigenschaften versehene Zuckerersatzstoff
Erythrit – unter dem Markennamen „Sukrin“ wird er seit Jahren
in Reformhäusern verkauft – darf
zwar mittlerweile in Lebensmitteln verwendet werden. „Leider
dürfen wir für unseren gesunden,
frisch gebrühten Tee kein Erythrit
einsetzen. Das ist nur für minderwertigere, aromatisierte Erfrischungsgetränke erlaubt“, sagt Berentzen.
Ähnlich wie Stevia, das in
Deutschland jahrelang nur als
Kosmetik-Zusatz verwendet werden durfte, wird mit Erythrit nun
ein weiteres natürliches Süßungsmittel auf dem Lebensmittelmarkt
stark reglementiert. Das nervt
Christian Berentzen. Er hatte
nicht mit solchen Auflagen gerechnet. „Aber gut, statt Erythrit
nehme ich jetzt eben ein bisschen
Agavendicksaft.“ Von seinem eingeschlagenen Weg werde ihn dieses Hindernis nicht abbringen.
„Ich plane, mit einem Brunnenbetrieb eine kalorienfreie Limonade ohne künstliche Süßstoffe zu
entwickeln.“
Neben „Yoringa“ will Christian
Berentzen weitere Moringa-Produkte an den Start bringen. Dazu
gehört ein Kakaopulver, das er mit
Kokosblütenzucker süßt, eine Mischung aus Moringa-Pulver und
anderen Superfoods, die zusammen mit Wasser oder Milch zu einem Drink gemixt werden können, aber auch pures Moringa-Pulver.
All das will Berentzen in seinem
eigenen Web-Shop anbieten. „Der
Trend geht immer stärker in die
Richtung, besondere Produkte
über das Internet zu bestellen.“
Um „Yoringa“ und die anderen
Produkte bekannt zu machen und
zusätzlich die Produktion mitzufinanzieren, nutzt Berentzen außerdem die Crowdfunding-Plattform
Startnext, auf der er einen Betrag
von 20 000 Euro einwerben will.
Wer einen höheren Betrag spendet, soll als Gegenleistung eine
Nacht in einem Lingener Hotel
verbringen dürfen, das Christian
Berentzen derzeit mit seinem Bruder baut. „In dem Hotel wird es einen Yoringa-Raum geben, da übernachten die Spender dann kostenlos und bekommen noch eine Yoga-Stunde dazu.“
Das ist – wenig verwunderlich –
noch nicht alles, was Christian Be-
rentzen zu bieten hat. Der Unternehmer verspricht, durch den Einsatz von Wasserkraft und Holzpellets seinen Yoringa-Tee CO2-neutral zu produzieren. Außerdem
baut er gemeinsam mit der emsländischen Belu-Ugandahilfe eine
Moringa-Farm im ostafrikanischen Uganda und unterstützt da-
Fotos: Hendrik Steinhkuhl,Limuh
mit und mit vielen weiteren Hilfen
ein ganzes Dorf.
„Ich glaube, wenn man heute
mit einem neuen Produkt erfolgreich sein will, muss man dazu eine Geschichte erzählen können“,
sagt Christian Berentzen.
Wenn das stimmt, dann dürfte
Yoringa ein großer Erfolg werden.
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DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
MACHER & MÄRKTE
GetSafe & Co. machen Versicherungsmaklern Konkurrenz
Die neuen „Insurtechs“ sorgen für Unruhe in der Versicherungswelt – Makler in der Region setzen auf eigene Beratungsstärke
VON CHRISTIAN SCHAUDWET
PAPENBURG/MÜNSTER. Die Versicherungsbranche ist verunsichert: Angreifer aus dem Web
machen den etablierten Vermittlern den Markt streitig. Auch
Makler in der Region spüren
den Druck der sogenannten Insurtechs oder Fintechs. Während viele Versicherungskonzerne sich mit den Neuen arrangieren, lässt LVM in Münster
Start-ups wie GetSafe, Knip und
Haftpflicht Helden abblitzen.
Ansgar Jänen sieht nicht tatenlos
zu: „Für die Etablierten bedeuten
die Fintechs, dass wir die digitalen
Medien selbst stärker nutzen müssen“, sagt der Papenburger Versicherungsmakler. Obwohl es mühsam ist, arbeite sich der 44-Jährige, der seit 16 Jahren im Geschäft
ist, hinein in Facebook & Co. Er
will den Trend zur digitalen
Schnittstelle mit dem Kunden
nicht verpassen. Auf seiner noch
etwas hausbacken wirkenden
Homepage hat er bereits einen
Nettolohn-Rechner, einen RürupRechner und andere interaktive
Angebote freigeschaltet.
Die Trendsetter, das sind junge
Makler-Start-ups, wie es sie noch
nie gab: Sie schließen Verträge mit
Versicherungskunden ausschließlich digital ab. Für die ist das be-
quem. Sie können es jederzeit und
an jedem Ort per App auf dem
Smartphone tun, ohne Papierkram
und umständliche Beratungstermine.
Die Herausforderer sind sich
des Erfolges gewiss: „Allein im
Emsland konnten wir innerhalb
der letzten Monate die Anzahl der
Kunden um den Faktor 50 ausweiten“, sagt Christian Wiens, der
Chef und Mitgründer des Heidelberger Anbieters GetSafe. Dieser
Zuwachs zeige „den hohen Stellenwert, den digitale Versicherungsmanager derzeit einnehmen“.
Rund ein Jahr nach dem Start seiner App habe GetSafe mehr als
60 000 Versicherungsverträge in
Betreuung, so Wiens.
GetSafe ist in Deutschland das
größte Insurtech, aber es gibt Dutzende. Sie ringen miteinander und
mit den bestehenden Vermittlern
um Kundschaft. Die Etablierten
sind nicht erfreut. Manche wie
Helge Lach, Vorstandsmitglied der
Deutschen
Vermögensberatung
(DVAG), stellen die Seriosität der
Neulinge infrage: „Wer sich darauf
einlässt, setzt sich dem Risiko aus,
durch die Maklervollmacht bei der
Versicherung elementarer Lebensrisiken im digitalen Blindflug unterwegs zu sein“, schreibt Lach in
einem DVAG-Blog. Er bezweifelt,
dass Kunden immer bewusst ist,
dass sie einem Insurtech eine
Immer weniger Vertreter
Anzahl1) der registrierten Versicherungsvermittler in Deutschland
247 136
257250
2009
2010
259955
2011
1) Stand zur Jahresmitte
Maklervollmacht und damit große
Handlungsfreiheit erteilten, wenn
sie sich bei ihm registrierten. Ansgar Jänen in Papenburg sagt, er
habe zwei Klienten erlebt, die
durch das Akzeptieren der allge-
www.pwc.de/mittelstand
Wie Industrie 4.0
sind Sie?
Die Digitalisierung hat weitreichende Auswirkungen auf
nahezu alle Branchen. Von strategischen Entscheidungen
rund um die Digitale Transformation, Data & Analytics oder
Industrie 4.0 bis hin zu Fragen zur IT-Sicherheit. Der erste
Schritt hin zu Industrie 4.0 ist die Bestimmung des Reifegrades
des eigenen Unternehmens.
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unseres Maturitätsmodells bestimmen können, wie digital Ihr
Unternehmen heute schon ist. Probieren Sie es aus!
Oder diskutieren Sie mit uns drüber! Georg Stegemann,
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meinen Geschäftsbedingungen in
der App einen bestehenden Vertrag mit ihm verlassen hätten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie
kamen zu Jänen zurück. „Aber für
die
Versicherungsgesellschaften
bedeutet das jeweils Mehraufwand
und Kosten“, sagt Jänen
Insurtechs schneiden ihre Apps
vor allem auf Privatkunden zu.
Ludger van Werde bleibt deshalb
gelassen. 80 Prozent ihres Umsatzes macht die Lingener Maklergruppe MBW nämlich mit Geschäftskunden, aber sie verzeichnet auch bei Privatkunden Zuwachs. „Wirklich bange machen
diese Anbieter mich nicht“, kommentiert van Werde, MBWs geschäftsführender Gesellschafter,
den Aufstieg der Insurtechs. Denn
was diese nicht annähernd so gut
könnten wie klassische Makler, sei
die Kundenberatung: „Da fängt
unsere eigentliche Dienstleistung
an.“ Man sei eben auch Ansprechpartner im Schadenfall bis hin zur
Regulierung. Die Beratungsschwäche des rein internetbasierten Vermittlungsmodells, sagt van Werde,
sei auch den Versicherungsgesellschaften bewusst.
Insurtechs brauchen Partner in
der alten Assekuranzwelt. Ohne
kooperationsbereite
Versicherer
wäre ihre Dienstleistung gegenstandslos. Die LVM-Versicherungsgruppe in Münster lässt sich bisher nicht mit den Start-ups ein.
Sie arbeitet allerdings auch nicht
mit traditionellen freien Maklern
zusammen, sondern vertreibt ihre
Produkte nur über fest an sie gebundene Versicherungsvertreter,
die sie „Vertrauensleute“ nennt.
Nein, die neuen Online-Wettbewerber schlügen den LVM-Ver-
255486
2012
248704
2013
242778
2014
235477
2015
Quelle: DIHK · Foto: imago/Emil Umdorf · Grafik: Matthias Michel
trauensleuten nicht aufs Gemüt,
und der Umsatz der Gruppe wachse, sagt eine LVM-Sprecherin. Tatsächlich sind die Beitragseinnahmen der Münsteraner im vergangenen Jahr um 3,3 Prozent gestiegen, während die Branche insgesamt stagnierte.
Den Insurtechs die kalte Schulter
zu zeigen hat LVM offenbar nicht
geschadet. Mathias Kleuker, Vorstandschef ab 1. Juli, ist von ihnen
nur mäßig beeindruckt. Zugegeben,
die neuen Apps seien handwerklich
gut gemacht und vor allem bedienerfreundlich. Da, so Kleuker,
könnten viele Versicherer von den
Jungen lernen. Aber: „Als Makler
finanzieren sich diese Start-ups –
genau wie andere Makler – über
„Es ist keine
wirklich neue
Dienstleistung,
erst recht kein
neues Produkt.“
Mathias Kleuker,
LVM Versicherung
Courtagezahlungen.“ Die Apps seien also „nur eine neue Schnittstelle
zum Kunden über sein Smartphone“. Und diese Schnittstelle besetze man bereits selbst.
Nach Kleukers Verständnis wären die Insurtechs nur dann bedrohlich, wenn sie eine echte Innovation in den Markt brächten,
die das Bedürfnis nach Versicherungsschutz auf eine völlig neue
und bessere Art abdecke – etwa so
wie die Anbieter von Digitalkameras in der Fotografie. „Ein vergleichbares Gefährdungspotenzial
erkenne ich aber bisher in keinem
der bekannten Insurtechs“, bilanziert Kleuker.
Doch die digitalen Makler draußen zu halten ist nicht bei allen
Versicherern Hauspolitik. GetSafe
erhält nach eigener Darstellung
Besuch von Branchengrößen wie
Allianz und Ergo. Man pflege partnerschaftliche
Kontakte,
sagt
Gründer Wiens: „Die Versicherungsgesellschaften sehen uns als
stark wachsenden Vertriebskanal
der Zukunft. Sie wissen, dass die
Digitalisierung der Versicherungsbranche nicht aufzuhalten ist.“
LVM-Chef Kleukert will immerhin nicht ausschließen, künftig
mit „externen Dienstleistern und
Start-ups“ zusammenzuarbeiten.
Die Berührungsängste nehmen ab:
In den USA investieren Konzerne
wie Axa und Mass Mutal bereits
kräftig in branchennahe Technologieunternehmen, darunter auch
Insurtechs und Versicherungsvergleichsportale. Von 55 solcher Investments im Jahr 2015 berichtet
das New Yorker Marktforschungsunternehmen CB Insights. Im Jahr
zuvor gab es 24 Deals, 2013 nur
drei.
© 2016 PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten.
„PwC“ bezieht sich auf die PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine Mitgliedsgesellschaft der
PricewaterhouseCoopers International Limited (PwCIL) ist. Jede der Mitgliedsgesellschaften der PwCIL ist eine rechtlich selbstständige
Gesellschaft.
Lässt sich mit den neuen digitalen Maklern nicht ein: Der Versicherer LVM – hier die Kon-
60 000 Versicherungsverträge: GetSafe-
zernzentrale in Münster – setzt auf ein eigenes Vertriebsnetz.
Gründer Christian Wiens.
Foto: LVM
Foto: GetSafe
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
SPEZIAL
SPIEL & PROFIT
9
Zocker mit Zukunftsvision
Der Espelkamper „Automaten-König“ Paul Gauselmann ist auch mit 81 noch der beste Verkäufer seines Firmenimperiums
Fernmeldetechniker
gelernt, die Spielhalle
neu erfunden.
Gauselmann selbst
ist Spieler durch
und durch.
Er frönt dem
Lobbyismus und macht
daraus kein Geheimnis.
VON HENDRIK STEINKUHL
ESPELKAMP. 81 und noch kein
bisschen arbeitsmüde: Paul
Gauselmann setzt mit seinen
Merkur-Automaten, seinen
Spielotheken und mittlerweile
zahlreichen Subunternehmen
Milliarden um. Porträt eines
großen Wirtschaftskapitäns
und leidenschaftlichen Zockers.
BMan muss Paul Gauselmann gar
nicht danach fragen, wie sein Privatleben aussieht. Das erzählt er
von sich aus. „Ich gucke jeden
Abend spät Fernsehen, gerne Markus Lanz. Und dabei schlafe ich
dann auch öfter ein.“ Ach ja und
neulich war er mit seiner Doppelkopfrunde am Timmendorfer
Strand, natürlich von dem Geld,
das man über das Jahr erspielt
hat. Gauselmann führt nach Feierabend also ein ganz normales
Rentnerleben. Warum auch nicht,
er wird bald 82. Nebenbei leitet er
allerdings noch immer ein Unternehmen, das weltweit 9500 Mitarbeiter beschäftigt und einen Jahresumsatz von knapp 2,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Ist ungewöhnlich noch das richtige Wort,
um Gauselmann zu beschreiben?
Der Patriarch, den die Presse
vorzugsweise „Automaten-König“
oder „Spielhallen-König“ nennt,
wuchs in Münster auf und lernte
nach dem Krieg den Beruf des
Fernmeldetechnikers. Mitte der
50er-Jahre begann er, für den General-Importeur amerikanischer
Wurlitzer-Musikboxen in Coesfeld
zu arbeiten, zusätzlich stellte er
mit eigenem Gewerbeschein Musikautomaten auf. Als Gauselmann
dann eine Fernbedienung für Musikboxen erfand, holte ihn das Espelkamper Technologie-Unternehmen Harting, das unter anderem
Automaten herstellte.
1964 machte sich Gauselmann
endgültig selbstständig, 1974 eröffnete er in Delmenhorst seine erste
Spielothek, 1977 brachte er mit
dem „Merkur B“ seinen ersten
Geldspielautomaten
auf
den
Markt. Es gab auch einen Merkur
A, laut seinem Entwickler taugte
der allerdings nicht viel; sein Name aber steht bis heute für die
Spielautomaten und Spielhallen
der Gauselmann AG. „1976 war
das Merkur-Jahr, unser damaliger
Künstler Werner Ganteföhr hat
den Namen vorgeschlagen und
das Logo gezeichnet“, sagt Gauselmann.
Er freundete sich schnell mit
Merkur an, der Markenerfolg dürfte ihm das auch nicht besonders
schwer gemacht haben. Heute residiert die Gauselmann AG in Espelkamp in der Merkur-Allee, an
deren Anfang der Patriarch auch
noch eine große Merkur-Skulptur
hat setzen lassen, über deren
Kunstgehalt sich streiten lässt.
Fototapete und Kakteen: Paul Gauselmanns Büro in Espelkamp hat das Flair der 70er.Es darf geraucht werden.
„Ich mag Merkur“, sagt Gauselmann. Und schiebt augenzwinkernd nach, der sei ja auch der
Gott der Räuber und Banditen gewesen.
Mit solchen Sätzen macht sich
Gauselmann auch 50 Jahre nach
Gründung des Unternehmens zu
dessen bestem Verkäufer. Er hat
akzeptiert, dass seiner Branche
das Halbseidene anheftet, und
wenn ihm danach ist, spielt er damit auf virtuos-selbstironische Art.
Dass er den Eindruck des Halbseidenen durch sein Auftreten
noch verstärkt, ist Gauselmann
vermutlich gar nicht bewusst. Mit
seinem Henriquatre-Bart, dem
ewigen Dreiteiler in machmal sehr
gewagten Farben und der goldenen Krawattennadel ähnelt Gauselmann manchem Autohaus-Besitzer im Jahr 1978. Es gibt auch
Aufnahmen, die ihn mit gelb-brauner Lederjacke und weißem Rollkragenpulli zeigen. Und wenn
man ihn dann in seinem Büro erlebt, wo er vor einer Fototapete, in
einem alten Sessel sitzend, eine Zigarre mit Zigarrenspitze raucht,
während in der Ecke das Wasser
eines Brunnens über einen Amethysten plätschert, muss man sich
entscheiden: Ist das alles hier eine
schräge Inszenierung, oder lebt
dieser Mann völlig unverstellt einen Stil, den es eigentlich seit 40
Jahren nicht mehr gibt?
Viel, wenn nicht alles, spricht
für Letzteres. Gauselmann war es,
der Ende der 70er aus verquarz-
Nach Feierabend
führt er ein
ganz normales
Rentnerleben.
ten, dreckigen Spielhöllen für damalige Verhältnisse moderne und
aufgeräumte Spielotheken machte.
„Mit Hydrokulturen und Teppichboden“, sagt er.
Es ist schon faszinierend: Dieser
gelernte Fernmeldetechniker verdankt seinen Erfolg zu einem erheblichen Teil der Tatsache, dass
er Ende der 70er seine Spielhallen
für die damalige Zeit modern und
geschmackvoll einrichtete. Seitdem haben sich die Merkur-Spielotheken zwar optisch weiterentwickelt – Gauselmann aber nicht.
Was brachte Gauselmann den
Erfolg? „Meine Idee war von Anfang an, möglichst viele Geldspielgeräte aufzustellen, denn nur die
sind wirklich dauerhaft interessant.“ Ein Flipper verliere nach
spätestens vier Wochen seinen
Reiz, für einen Tischkicker brauche man Mitspieler – der Geldspielautomat hingegen besitze eine permanente Faszination. Die
Technik des Gerätes ist dabei
nachrangig. Das Spiel müsse Spaß
machen, sagt Gauselmann; und
wenn dann noch der Automat und
Fotos: David Ebener
die Umgebung schön seien, funktioniere alles wie von selbst.
Fragt man den 81-Jährigen, welche Eigenschaften seine Erfolgsgeschichte begünstigt haben, muss
er nicht lange nachdenken. „Ich
kenne mich mit der Technik aus,
ich kann sehr gut mit Zahlen umgehen – und ich kann Entscheidungen treffen.“ Und: Gauselmann ist selbst durch und durch
Spieler. Vor dem Einschlafen spielt
er an einer Konsole immer eine
Runde Backgammon, und er könne das jedem nur empfehlen!
Gauselmann macht auch kein
Geheimnis daraus, dass er dem
Lobbyismus frönt. Er erzählt ganz
offen davon, wie gut man in der
Bonner Republik noch Bundespolitiker dazu bringen konnte, die eigenen Interessen zu vertreten;
jetzt sei das alles schwieriger, viel
zu viele Lehrer und Beamte säßen
an den entscheidenden Stellen,
der „Automaten-König“ vermisst
wirtschaftliches Grundverständnis
– und ganz bestimmt auch das
„Man kennt sich, man hilft sich“,
das er sicher mit christdemokrati-
Die Unternehmen1) der Gauselmann-Holding
Gauselmann AG
Merkur-Säule
Spielothek-Säule
Neue Medien
Entwicklung, Produktion
und Vertrieb von Unterhaltungsspielgeräten
und Geldmanagementsystemen
Betrieb von Spielstätten
und Spielhallen
Internetbasiertes Spiel,
Financial Services,
Sportwetten
Wichtige Unternehmen:
• Gauselmann Großhandel
• MEGA Spielgeräte
u. Kaiser Spiele
• HESS Cash Systems
Wichtige Unternehmen:
• Casino Merkur-Spielothek
• Merkur-Spielbanken
Sachsen-Anhalt
• Praesepe Group
Wichtige Unternehmen:
• edict eGaming GmbH
• Maxcat Xtip
• Merkur Interactive GmbH
1) Auswahl
Quelle: Gauselmann AG · Grafik: Matthias Michel
Der Patriarch: Paul Gauselmann hat die Weichen für die Zukunft des Unternehmens gestellt.
schen und liberalen Politikern intensiv gepflegt hat.
Regional macht er das Gleiche,
wetteifert mit der Harting-Gruppe
um den Ruf und Einfluss des größten Gönners: Dietmar und Margit
Harting haben ihr Steckenpferd in
der Kultur, Gauselmann fördert
primär den Sport. Beide aber auch
Dutzende andere Projekte.
An vier Tagen die Woche ist Gauselmann noch immer im Büro, und
wenn er nicht dort ist, reist er im
Audi A8, goldmetallic, durch die
Lande. Schließlich ist er ja seit 1981
auch Vorsitzender des Verbandes
der Deutschen Automatenindustrie
– auch ein Erfolgsfaktor für sein eigenes Unternehmen natürlich. Ans
Aufhören denkt er noch nicht, obwohl er den Führungsstab mittlerweile an seinen Sohn Armin weitergeben würde. Doch der ist selbst
schon 62, das Thema hat sich also
erledigt. „Vor 20 Jahren hätte er
wohl gewollt“, sagt Gauselmann,
„aber da war ich noch nicht bereit.“
Der Patriarch hat es trotzdem geschafft, seine Unternehmensgruppe
in der Familie zu halten, und seit
Beginn dieses Jahres agiert die
Gruppe unter dem Dach einer Familienstiftung. Gauselmann, seine
Frau und die drei Söhne, die gemeinsam hundert Prozent der Unternehmensgruppe halten, haben
ihre jeweiligen Anteile in die Stiftung eingebracht.
„Uns bewegt dabei“, sagt Gauselmann, „den Bestand unseres Unternehmens nicht nur für die nächsten Jahre zu sichern, sondern der
gesamten Gruppe tatsächlich eine
Perspektive über Generationen hinweg zu geben.“
Obwohl Gauselmann wie ein Angehöriger einer längst vergangenen
Zeit auftritt, hat er seine Unternehmensgruppe vollständig auf die Zukunft ausgerichtet. Mit 81. Das
muss ihm erst mal jemand nachmachen.
10
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
SPEZIAL SPIEL & PROFIT
Deutliche Unterschiede gibt es auf Kreuzfahrtschiffen,die für den asiatischen Markt konzipiert werden.Das im Bau befindliche Schwesterschiff der „Norwegian Escape“ (Foto) bekommt ein deutlich größeres Casino.
Fotos: dpa (2)
Schwimmendes Las Vegas
für asiatische Passagiere
Die Meyer Werft erfüllt beim Bau der neuesten Kreuzfahrtschiffe
spezielle Vorlieben – Drei Casinos für unterschiedlich solvente Gäste
VON CHRISTOPH ASSIES
PAPENBURG. Ein Ende des Kreuz-
fahrt-Booms ist nicht in Sicht.
1,81 Millionen deutsche Gäste
reisten 2015 mit einem Kreuzfahrtschiff. Das sind 2,3 Prozent
mehr als im Jahr davor.
Deutschland ist der zweitgrößte
Kreuzfahrtmarkt nach den
USA. Doch die Asiaten sind im
Kommen, und viele wollen an
Bord vor allem eines: spielen.
Reedereien und Werften reagieren: Große Casinos an Bord
werden zum Muss.
Die Papenburger Meyer Werft hat
derzeit gleich zwei Ozeanriesen
für Asien im Bau. Dream Cruises
ist angetreten, um das erste Premiumprodukt für Urlaub auf dem
Wasser in Asien zu werden. Ihr
erstes Schiff, die „Genting Dream“,
verlässt Papenburg im August. Die
US-Reederei Norwegian Cruise
Line (NCL), mittlerweile ein
Stammkunde der Schiffbauer aus
dem Emsland, legt ihren neuesten
Liner komplett auf den asiatischen
Markt aus. „Bis 2020 sollen es
rund 4,5 Millionen Chinesen sein,
die ihren Urlaub auf dem Wasser
verbringen. Das ist ein riesiges Potenzial. Darum haben wir dieses
Schiff komplett auf den chinesischen Markt ausgelegt“, sagte
NCL-Präsident Andy Stuart bei
der Kiellegung der „Norwegian
Joy“ im April.
Konzeption und Einrichtung
der asiatischen Schiffe unterscheiden sich unter anderem in einem
Aspekt sehr stark von Schiffen für
die
traditionellen
westlichen
Märkte: Das Casino ist ein wichtiger Teil, wenn nicht der wichtigste
Teil der Unterhaltungsangebote an
Bord. „Die Asiaten sind total verrückt nach Glücksspiel und teuren, bekannten Marken, darum
haben das Casino und Shops mit
hochwertigen Marken einen hohen Stellenwert an Bord asiatischer Schiffe“, sagt der Schifffahrtsanalyst und Kreuzfahrtexperte Thomas P. Illes in der
Schweiz. Für die Reedereien sei
umgekehrt der Umsatz durch Retail und Glücksspiel an Bord eine
wichtige Einnahmequelle.
Grund genug für die Reederei,
sich intensiv mit den Spiel-Gewohnheiten der Asiaten auseinanderzusetzen. An Bord der „Norwegian Joy gibt es insgesamt drei Ca-
Die Auswahl ist wichtig: Die Reedereien reagieren auf die Bedürfnisse der asiatischen Zielgruppe. Roulette-Tische (Foto von der „Celebrity Equinox“) gehören eigentlich zur Standardausstattung in den Casinos.Die Asiaten bevorzugen aber andere Spiele.
Foto: Ingrid Fiebak-Kremer
sinos. Ein gemeinsames Casino,
wie auch auf anderen Schiffen, für
die Mehrheit der Passagiere, ein
VIP-Casino für wohlhabendere
Gäste mit separatem Essbereich
und ein Casino nur für Suitengäste. „Die Spiele auf der ,Norwegian
Joy‘ , wie Baccarat und Sic Bo,
werden von den asiatischen Gästen bevorzugt, im Gegensatz zu
Passagieren auf unseren im Westen stationierten Schiffen. Dort
wird mehr Blackjack, Craps oder
Roulette gespielt“, erklärt Jim Abbas, Senior Vice President für den
Bereich „Casino“ von Norwegian
Cruise Line. Die Mitarbeiter an
Bord seien deshalb auch speziell
für das asiatische Flottenmitglied
ausgewählt. „Sie kennen die Kultur, Gewohnheiten und Bedürfnisse und sprechen fließend Mandarin“, so Abbas.
Auf der Meyer Werft ist Stephan
Schmees Projektleiter für die Neubauten. Er stellt sich regelmäßig
den Bedürfnissen und speziellen
Wünschen der Kreuzfahrtreedereien. Mit der Einrichtung der Casinos an Bord hat Schmees aber
eher weniger zu tun. „Die Konzeption dieses Bereiches liegt bei der
Reederei, die mit speziellen Architekten zusammenarbeitet. Dort
wird entschieden, wie großzügig
die Casinos ausfallen, wie die
Farbgebung ist und wie sie eingerichtet werden“, erklärt Schmees.
Auf der „Norwegian Joy“ werde
dem Casino deutlich mehr Raum
gegeben als beispielsweise auf
dem Schwesterschiff „Norwegian
Escape“.
„Einen
veränderten
Trend können wir aber nicht erkennen, vielmehr wird hier einfach den Wünschen der speziellen
Zielgruppe Rechnung getragen“,
so Schmees weiter.
Den asiatischen Markt im Blick: Die Kiellegung der „Norwegian Joy“ feierten Vertreter der
Reederei NCLund Bernard Meyer (Mitte),Chef der Papenburger Meyer Werft .
Die Idee hinter dem „Zocken“
auf dem Wasser ist an sich auch in
Asien nicht besonders neu. Die
Reederei Star Cruises, für die die
Meyer Werft 1998 und 1999 die
„Superstar Leo“ und die „Superstar Virgo“ baute, trat Mitte der
1990er-Jahre mit zu Kreuzfahrtschiffen umgebauten Ostsee-Fährschiffen, wie beispielsweise der
„Star Pisces“, an, um „Cruises to
nowhere“, wie Kreuzfahrtexperte
Thomas P. Illes sie heute nennt,
anzubieten. „Man kennt das Phä-
„Die Asiaten sind
total verrückt
nach Glücksspiel
und teuren,
bekannten
Marken.“
Thomas P. Illes,
Kreuzfahrtexperte
nomen auch aus Macau. Die Sonderverwaltungszone Chinas gilt
als das Las Vegas des Ostens. Das
haben Anbieter wie Star Cruises
damals sozusagen an Bord verlegt
und mit eher weniger luxuriösen,
aber dafür mit großen Casinos
ausgestatteten Schiffen Touren ab
Hongkong oder Singapur angeboten“, erklärt Illes. Es sei damals
nicht darum gegangen, einen anderen Hafen anzulaufen. „Sobald
man internationale Gewässer erreichte, war man raus aus den restriktiven nationalen Regularien,
und es wurde gespielt, bis sich
die
Balken
beziehungsweise
Schiffsplanken bogen“, so der Experte.
Im Sommer 2017 wird die Norwegian Joy mit 3900 Gästen ihr
Debüt feiern. Europäer werden
vorerst nicht in den Genuss der
asiatischen
Kreuzfahrt-Variante
kommen. Neben dem großen Casino gibt es unter anderem, auch
speziell für die Asiaten, eine Grünanlage mit Lounge-Möbeln am
Pool für Tai Chi und Yoga. Kulinarische Angebote gibt es mit koreanischem Barbecue, japanischem
Shabu Shabu und mit formellen
asiatischen Teezeremonien.
Die „Norwegian Joy“ wird bei
ihrer Ablieferung das zehnte
Schiff sein, dass die Meyer Werft
für die Norwegian Cruise Line gebaut hat. Zwei Schwesterschiffe
werden 2018 und 2019 abgeliefert.
11
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
SPEZIAL SPIEL & PROFIT
German Poker
Days: Ums Geld
oder um die Ehre?
Wie sich zwei Osnabrücker Unternehmer
mit Poker-Events einen Namen machen
VON THOMAS WÜBKER
OSNABRÜCK. Bei dem Osnabrü-
cker Veranstalter German Poker
Days dreht sich alles um das
amerikanische Spiel mit den 52
Karten. 200 kommerzielle Poker-Turniere organisiert die Firma pro Jahr. Außerdem PokerReisen und Events. Der Deutsche Poker Sportbund sieht das
Spiel eher als Denksport. Die
kommerziellen Kollegen will
man aber nicht missen.
Hollywood-Filme wie „Cincinnati
Kid“ oder „Rounders“ haben das
Image des Pokerns geprägt. Die
Wirklichkeit sieht anders aus –
zum Beispiel in einer kleinen
Wohnung im Osnabrücker Stadtteil Schinkel, unweit des Stadions
des VfL Osnabrück. Dort hat die
Firma German Poker Days ihren
Sitz. Laut eigener Aussage veranstaltet sie etwa 200 kommerzielle
Poker-Turniere pro Jahr in ganz
Deutschland.
Vor zehn Jahren wurde die Firma German Poker Days in Osnabrück von Heiko Wulf gegründet.
2013 stieß sein Kompagnon Kai
Hartmann dazu. Heute ernährt
das Pokern vier Mitarbeiter und
einen Auszubildenden, der den Beruf des Veranstaltungskaufmanns
erlernt. In der Dreizimmer-Woh-
nung im Schinkel herrscht kreatives Chaos. Auf den Schreibtischen
liegen neben Telefonen und Computern Poster von Veranstaltungen, Sachpreise wie DVD-Player
oder Kartenspiele.
Artur Haase ist seit elf Monaten
als Projekt-Manager bei den German Poker Days. Er hat sein Hobby zum Gelderwerb und dann zum
Beruf gemacht. Er habe lange Zeit
neben seinem Studium „rigoros
gelebt“ und online Poker gespielt,
erzählt er. Als er zufällig auf Heiko
Wulf traf, entschied er sich, für die
German Poker Days zu arbeiten.
Das Kerngeschäft der Firma ist
es, Pokerturniere zu veranstalten.
Ein Blick auf die Terminliste der
Turniere zeigt, wie eng getaktet
der Zeitplan der Mitarbeiter der
German Poker Days ist. Von Mitte
Juni bis Mitte November finden
hauptsächlich
in
Nordwestdeutschland fast täglich Veranstaltungen statt, wo sich Pokerspieler
treffen und für eine Startgebühr
von 15 Euro auf einen Royal Flash
hoffen. Die Anzahl derer, die mit
Sonnenbrille und Hut am Tisch
sitzen, sei verschwindend gering,
sagt Haase. Auch dem Klischee
des verrauchten Hinterzimmers
können die Poker-Turniere nicht
entsprechen. Es herrscht Rauchverbot. Am 13. August findet übrigens an der frischen Luft ein
Hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Seit elf Monaten ist Artur Haase Projektmanager bei den German Poker Days in Osnabrück.
Open-Air-Turnier am Osnabrücker
Rubbenbruchsee statt.
Jeder Spieler startet bei den
Turnieren der German Poker Days
mit der gleichen Anzahl von
Chips. Es wird so lange gespielt,
bis ein Spieler alle Chips hat oder
die letzten Spieler einen Deal ausmachen und sich den Gewinn teilen. Neben dem Hauptturnier,
dem sogenannten „Main Event“,
gibt es noch „Side Events“ für ausgeschiedene Spieler oder ein „Sit
and go“-Turnier für Spieler, die
nach dem Ende des Haupt-Tur-
Mit dem Weltmeister am Tisch: Jan-Peter Jachtmann (Bildmitte mit Lederjacke) pokert in der Osnabrücker Hochschul-Aula bei den „German
Poker Days" für den guten Zweck.Bei großen Pokerturnieren gewann der Hamburger mehr als 1,6 Millionen Dollar .
Foto: Egmont Seiler
niers noch weiterspielen wollen.
Dafür werden weitere Gebühren
in Höhe von zwölf Euro fällig.
Bei allen Turnieren bekommen
zehn Prozent der Teilnehmer einen Gewinn. „Das ist ein ungeschriebenes Gesetz“, sagt Haase.
30 Prozent des Umsatzes werden
ausgeschüttet. Die Differenz ist
der Gewinn der German Poker
Days.
Die Osnabrücker Poker-Firma
verdient ihr Geld aber auch mit
sogenannten „Casino Events“, also
Poker-Turnieren zum Beispiel bei
Firmenfeiern. Außerdem veranstaltet sie Poker-Reisen nach Las
Vegas oder ins tschechische Rozvadov, wo am 1. September eines der
größten Poker-Turniere Europas
ausgetragen wird.
Keine Turniere, aber nationale
Einzel-Wettbewerbe und die erste
Poker-Bundesliga hierzulande organisiert der Deutsche Poker
Sportbund (DPSB) mit Sitz in Regensburg. Der Verband will Pokern als Denksport etablieren.
Echter und nachhaltiger Erfolg im
Poker erfordere Wissen, Ausdauer
und ständiges „am Ball bleiben“,
so Vizepräsident Jürgen Bachmann: „Man kann sagen, dass Poker mit zunehmender Dauer immer mehr Geschick erfordert. Das
macht es auch so schwer, erfolgreich zu sein.“
Der DPSB propagiert gezielt
und ausschließlich Pokern ohne
Geld. „Unsere beiden Meisterschaften, die HeadsUp Live Liga
und die Deutsche Einzelmeisterschaft, kommen ohne Startgebühren der Spieler aus“, erklärt
Bachmann. Gespielt werde um
die Ehre und um zu gewinnen.
„Dieser Grundsatz ist dem
DPSB sehr wichtig und unterscheidet uns von anderen. Als
Verband sind wir nicht auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet.“
Der DPSB finanziert sich aus Beiträgen der Mitgliedsvereine und
den Lizenzgebühren der Liga.
„Neben dem
Studium habe
ich rigoros gelebt
und online
Poker gespielt.“
Artur Haase,
German Poker Days
Foto: Thomas Wübker
Darüber hinaus finden sich immer wieder Partner und Sponsoren, die dem Verband helfen.
Aktuell sind im DPSB etwa 50
Vereine organisiert, der Verband
vertritt die Interessen von 3000
Hobby- und Vereinsspielern. Die
Zahl der Pokerspieler in Deutschland dürfte sich zwischen
250 000 und 500 000 bewegen,
schätzt Bachmann. Wenn diese
sich nicht den Vereinen, sondern
kommerziellen Anbietern wie
den German Poker Days zuwenden, sei das nicht zu verteufeln,
sagt er. „Alles was Poker voranbringt, ist gut.“ Der Wunsch, in
Deutschland unter vernünftigen
Rahmenbedingungen Poker spielen zu können, sei nach wie vor
ungebrochen. Daher sei es nur
natürlich und gut, dass es neben
der Vereinslandschaft auch andere Angebote gebe, so der Vizepräsident des DPSB.
Dass jemand sein Hab und Gut
bei den Meisterschaften des
DPSB verspielt, ist ausgeschlossen. Durch die relativ geringe
Teilnahmegebühr ist diese Gefahr auch bei den Turnieren
der German Poker Days nicht gegeben. Anders ist es bei Spielsucht. „Wenn wir merken, dass
jemand gefährdet ist, handeln
wir“, sagt Haase. Er versichert jedoch, die meisten Hobbyspieler
seien gestandene Persönlichkeiten.
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13
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
SPEZIAL SPIEL & PROFIT
SPEZIAL SPIEL & PROFIT
Über die Zukunft
der Spielhallen
entscheidet das Los
Das Land will die besonders im Emsland dicht gesäten Spielotheken
ausdünnen – Die Automatenwirtschaft bangt um ihr Geschäft
„Face Check“: Das System erfasst die Gesichter Eintretender und vergleicht sie mit einer Datenbank.
Landesweit ist die
Hälfte aller Spielhallen
betroffen.
Meppen liegt bei der
Spielautomatendichte
auf Platz drei.
Suchtexperten halten
die Eingrenzung der
Branche für überfällig.
VON JOHANNA LÜGERMANN
UND CHRISTIAN SCHAUDWET
MEPPEN/OSNABRÜCK/DELMENHORST. Vielen Spielotheken in der
Region droht das Aus. Der
Glücksspielstaatsvertrag begrenzt die Vergabe von Spielhallen-Konzessionen rigoros. Meppen, Papenburg und Osnabrück
zählen bei der Spielautomatendichte zu den Spitzenreitern in
Niedersachsen. Hier gerät die
Branche besonders stark unter
Druck.
Liegt es daran, dass das Freizeitangebot im Emsland spärlicher ist
als in den Metropolen und Ballungsgebieten? Könnte schon sein,
sagt die Mitarbeiterin einer Meppener Spielothek, während ein
Gast zwei Handvoll frisch gewonnene Münzen in die Zählmaschine
auf dem Tresen rasseln lässt. „Es
gibt wirklich viele Spielhallen bei
uns, das fällt schon auf.“ Gemessen an der Einwohnerzahl pro
Spielhallengerät, liegt Meppen bei
der Automatendichte in den größeren niedersächsischen Städten
und Gemeinden auf dem dritten
Platz. Papenburg belegt Rang 33,
Lingen Rang 59, wie aus einer Studie des Arbeitskreises gegen Spielsucht (Stand 2014) hervorgeht.
Doch das im Emsland rege genutzte Angebot könnte in naher
Zukunft deutlich dünner werden.
Auf die Meppener Spielhallen, ja
auf die Spielhallen in ganz
Deutschland kommen drastische
Veränderungen zu: In einem Jahr,
ab dem 1. Juli 2017, wird der geänderte Glücksspielstaatsvertrag vorschreiben, dass Spielothekenbetreiber pro Standort künftig nur
noch eine Konzession für je zwölf
Geräte innehaben und nicht wie
bisher Mehrfachkomplexe auf einem Fleck betreiben dürfen.
Die meisten Städte in der Region rechnen durch die neue Regelung geradezu mit einem Spielautomatenschwund. In Osnabrück
werden 21 von 35 Standorten betroffen sein. Mehr als die Hälfte
werden es in Meppen sein, wo
sechs von elf Spielhallen in ihrer
bisherigen Form gegen die neue
Regel verstoßen. Die Stadt Delmenhorst rechnet damit, dass sieben von 23 Konzessionen entfallen. Weniger wird sich die Gesetzesänderung in Nordhorn auswirken, wo nur an zwei von zwölf
Standorten mehr als eine Konzession beantragt wurde.
Landesweit könnte nach Prognose des Wirtschaftsministeriums
in Hannover rund die Hälfte der
1900 Spielhallen zur Schließung
Schärfere Regeln: Spielhallen müssen weichen
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Standorte in der Innenstadt von Lingen
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Spielhallen mit einer Konzession. Wenn zwei von ihnen weniger als 100 Meter (Abstand gemäß
§10 II NGlüSpG) voneinander entfernt liegen, muss eine Spielhalle schließen oder umziehen.
Spielhallen ab zwei Konzessionen. Sie müssen ihre Konzessionen auf eine reduzieren und
entsprechend die Zahl ihrer Automaten verringern. Zusätzlich gilt für sie auch die 100-MeterAbstandsregel.
Das geplante Abstandsgebot führt in Lingen dazu, dass sechs von neun Spielhallenstandorten
bestehen bleiben können. Wegen des Verbots von Mehrfachkonzessionen werden nach den Vorgaben
des Glücksspielstaatsvertrags aber 54 Prozent der Geldspielgeräte entfallen müssen.
Quelle: Die Deutsche Automatenwirtschaft e.V. · Grafik: Matthias Michel
oder zum Umzug in noch automatenfreie Gebiete gezwungen sein.
Fraglich ist, ob sich der Betrieb in
Spielhallen, die derzeit mit mehreren Konzessionen ausgestattet
sind, ab Sommer 2017 mit dann
höchstens noch zwölf Geräten
überhaupt lohnt. Einige Häuser
sind – für mehrere Dutzend Automaten konzipiert – erst in jüngster
Zeit errichtet oder aufwendig modernisiert worden.
Aber das ist noch nicht alles: Betroffen sind von der Staatsvertragsänderung auch kleine Betreiber mit
Gauselmann
rügt das
„Gottesurteil von
Delmenhorst“.
Heimelig geht es zu in modernen
Spielhallen.Unter anderem die Atmosphäre
verleite dazu,mehr zu spielen,als
man sich leisten könne,
warnen Suchtexperten.
Foto: dpa
nur einer Konzession, wenn Spielautomaten eines anderen Inhabers
im Umfeld von 100 Metern stehen.
Dieser Mindestabstand zwischen
Spielhallen muss künftig eingehalten werden. Allerdings sind Einzelfallregelungen möglich. Beschlossen werden kann bei „besonderen
örtlichen Verhältnissen“ ein Abstand von mindestens 50 Metern.
Doch der Mindestabstand kann
laut Staatsvertragstext auch auf
500 Meter erhöht werden.
Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrags ist es, „das Entstehen
von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame
Suchtbekämpfung zu schaffen“ – so
steht es in seiner Präambel. Der
Geschäftsführer der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen,
Manfred Rabes, begrüßt die Verschärfung des Vertragswerks zulasten der Spielhallenbetreiber. Das
Angebot zu reduzieren sei im Sinne
des Spielerschutzes. Ein Argument
der Betreiberseite, Spieler könnten
dann auf kaum zu kontrollierende
Online-Angebote ausweichen, hält
Rabes für Spekulation: „Es ist die
Atmosphäre, die das Spielen an den
Automaten attraktiv macht. Diese
Lücke kann das Internet nicht
schließen.“
Dass die Bundesländer Handlungsbedarf sehen, hat mit einer
anderen Regulierung zu tun, genau
genommen mit einer Deregulie-
rung: Nach der Liberalisierung der
für die gesamte Bundesrepublik
geltenden Spielverordnung im Jahr
2006 stieg die Zahl der Spielangebote stark, was heftige Kritik unter
anderem des Deutschen Städtetages hervorrief.
Deutschlandweit gibt es nach einer Untersuchung des Arbeitskreises gegen Spielsucht 14 950 Spielhallenkonzessionen an 9206 Stand-
Sich verkleinern
oder umziehen
müssen vielen Spielhallen gemäß
Glücksspielstaatsvertrag.Auch dieser
Betrieb in Meppen
könnte von der Neuregelung betroffen sein.
Foto: Daniel
Gonzalez-Tepper
orten. Niedersachsen ist im Vergleich zu bevölkerungsreicheren
Flächenländern stärker mit Spielhallen und Automaten besetzt: 325
Einwohner kamen Anfang 2014 auf
ein Spielhallengerät, während es in
Nordrhein-Westfalen 381 und in
Baden-Württemberg 366 waren.
Die Niedersachsen stecken in einem Jahr mit 90 Euro pro Einwohner mehr Geld in die Spielhallen-
Automaten. In Baden-Württemberg
sind es 80, in NRW 76 Euro.
Anders als Suchtexperte Rabes
kann der Dachverband der Branche,
die Deutsche Automatenwirtschaft
(DAW) mit Sitz in Berlin, der Vertragsnovelle wenig Gutes abgewinnen. Er warnt vor dem Verlust vieler Arbeitsplätze und sagt den Städten ein Wegbrechen von Steuereinnahmen voraus. Allein in Berlin
würden ab dem kommenden Jahr
40 Millionen Euro Vergnügungssteuer-Einnahmen fehlen. Die Kommunen im Nordwesten wollen noch
keine Angaben zu möglichen Steuereinbußen machen, da die genaue
Zahl der verbleibenden Spielhallen
noch offen ist. In Meppen etwa geht
es um viel Geld. Dort wurde die
Vergnügungssteuer 2014 auf 20 Prozent des Umsatzes erhöht, die Erlöse haben 2015 die Millionengrenze
überschritten.
Nach einem DAW-Gutachten waren in Deutschland im vergangenen Jahr 267 000 Geldspielgeräte
in Betrieb. Diese Zahl könnte nach
Einschätzung des Spielautomatenherstellers und -betreibers Gauselmann um ein knappes Drittel zurückgehen, wenn der Staatsvertrag
wie vorgesehen umgesetzt werde.
Die Gruppe mit Sitz im westfälischen Espelkamp erwartet, dass
von den 70 000 Arbeitsplätzen in
der Branche dann mindestens ein
Drittel zur Disposition stehen. Der
größte Teil davon sei das Servicepersonal in den Spielotheken.
„Ich mache mir schon Gedanken,
was wird“, sagt die Meppener Spielotheken-Mitarbeiterin. Für viele
Frauen, zumal ältere oder auf Teilzeit angewiesene, sei die Arbeit in
einer Spielhalle eine gute Verdienstmöglichkeit. „Es geht um viele Jobs in dieser Gegend – mit
Technik- und Reinigungsdienstleistern kommt da einiges zusammen.“
Die ersten Medienberichte über
die geplanten Konzessionseinschränkungen haben in mindestens einem Haus im Emsland Mitarbeiter so verunsichert, dass sie
sich vorsorglich schon mal andere
Jobs gesucht haben.
Der Staatsvertrag lässt den Bundesländern Spielraum. Die Lobby
der Branche versucht nun, auf die
Ausgestaltung Einfluss zu neh-
Im Emsland
haben bereits
verunsicherte
Mitarbeiter
gekündigt.
men. „Es gibt politische Gespräche. Außerdem laufen Klagen auf
allen Ebenen“, sagt Mario Hoffmeister, der Sprecher der Gauselmann-Gruppe. Beim Pflegen politischer Kontakte ist Gauselmann
kein Anfänger. Einem Bericht der
Süddeutschen Zeitung im Jahr
2011 zufolge soll der Marktführer
binnen zweier Jahrzehnte mehr
als eine Million Euro an Bundestagsabgeordnete verteilt haben.
Gauselmann bestätigte die Spenden, betonte damals aber, sie seien offen und transparent geflossen.
Zurück in die Gegenwart: Die
niedersächsische Landesregierung
hat den Kommunen empfohlen,
das Los über die Vergabe der weniger werdenden Konzessionen
entscheiden zu lassen. Delmenhorst und Hannover haben es bereits getan, in Delmenhorst
werden sieben Spielhallen schließen müssen. Gauselmann hält
das Verfahren für unfair und hat
Klage für den Fall angekündigt,
dass das Unternehmen seine Konzession verliert. Firmenintern
wird die Verlosung bereits als
„Gottesurteil von Delmenhorst“
bezeichnet. Aus Protest sind die
Vertreter von Gauselmanns Merkur-Spielhallen dem Verfahren
ferngeblieben.
Auch Hannover hat sich für das
Los entschieden. Welche Methode
die Kommunen im Raum Osnabrück-Emsland wählen, ist noch
offen. Das Land zwingt sie nicht
zum Losverfahren. Fest steht aber,
dass alle den Staatsvertrag spätestens im nächsten Jahr umgesetzt
haben müssen.
Das Schicksal der AutomatenGlücksspielbranche und der Süchtigen beschäftigt auch Politiker
auf Bundes- und EU-Ebene: Rund
eine halbe Million Menschen in
Deutschland sind nach Angaben
der
Bundesdrogenbeauftragten
Marlene Mortler vom Glücksspiel
abhängig. „Diese Menschen haben
ein pathologisches oder problematisches Glücksspielverhalten.“ Vor
allem Spielautomaten in Spielhallen oder Kneipen seien mit erhöhtem Abhängigkeitsrisiko verbunden.
EU-Kommissar Günther Oettinger schlug sich kürzlich auf die
Seite der Branche. Auf dem Kongress der deutschen Automatenwirtschaft im Juni warnte er vor
einer gesetzlichen Erdrosselung
der Anbieter, die zunehmend
durch Konkurrenz aus dem Internet unter Druck gerieten.
Der Meppener Spielhallengast,
der mit seinen Münzen gerade die
Zählmaschine gefüttert hat und
im Tausch nun Scheine kassiert,
macht sich überhaupt keine Sorgen um sein dudelndes, blinkendes Freizeitparadies unter gedimmtem Kunstlicht. „Der Staat
verdient hier so gut mit – er wird
die schon nicht zum Schließen
zwingen.“ Sagt’ s und wendet sich
wieder den Spielautomaten zu.
Fotos: Elvira Parton
Prüfender Blick am Eingang
Hightech-Gesichtserkennung soll Spielsüchtigen den Zutritt verwehren
VON CHRISTIAN SCHAUDWET
OSNABRÜCK/ESPELKAMP. Gesetzge-
ber, Datenschützer und Spielhallenbetreiber ringen darum, wie
Spielsüchtige und Jugendliche
sich am besten von Spielautomaten fernhalten lassen. Marktführer Gauselmann setzt auf biometrische Gesichtserkennung.
Kameras wie jene, die Reisenden am
Flughafen Frankfurt prüfend ins Gesicht blicken, könnten bald auch an
den Eingängen der rund 230 Merkur-Spielhallen in Deutschland stehen. „Face Check“, so nennt die Spielhallen-Tochter des Glücksspielriesen
Gauselmann ihr elektronisches Gesichtserkennungssystem. Es basiert
auf einer Technologie des Dresdner
Biometrie-Spezialisten Cognitec, der
auch die automatischen Pass- und
Personenkontrollschleusen
an
Deutschlands größtem Airport entwickelt hat.
„Face Check“, das Gauselmann
nicht nur für seine eigenen MerkurSpielotheken entwickelt hat, sondern
auch an andere Spielhallenketten vermarkten will, erfasst die Gesichtszüge
einer eintretenden Person und gleicht
sie mit gespeicherten Personendaten
ab. Decken sich die neuen Informationen mit denen eines als gesperrt registrierten Spielers, warnt das System
das Personal, sodass es den Besucher
abweisen kann.
Eineinhalb Jahre hat Gauselmann
gemeinsam mit Cognitec an dem System gearbeitet. Wie viel Geld die
Gruppe dafür investiert hat, verrät
David Schnabel nicht. Er ist der Präventionsbeauftragte des Unternehmens mit Sitz im westfälischen Espelkamp, das einen Jahresumsatz von
2,2 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Aber er lässt keinen Zweifel daran,
dass es bei der Neuentwicklung nicht
vorrangig darum ging, dem Gauselmann-Portfolio ein weiteres vermarktbares Produkt hinzuzufügen.
Das Unternehmen steht seit Jahren
in der Kritik. Gauselmann verdiene
an Spielsüchtigen, für die der Spaß
am Spiel um Geld zur Abwärtsspirale
Richtung Offenbarungseid werde,
lautet ein Vorwurf. Und das Unternehmen tue zu wenig, um Gefährdete
davon abzuhalten, sich ins Unglück
zu zocken.
„Mit dem Zugangssystem wollen
wir dazu beitragen, dass diese Diskussion abflacht“, sagt David Schnabel. Und ärgert sich darüber, dass
auch der „Face-Check“-Vorstoß von
Kritikern wieder gegen das Unternehmen gedreht werde: „Man wirft uns
vor, das sei ein Feigenblatt – das ist
ungerecht.“
Wie sehr Gauselmann sich dem
Wohl der Spieler verpflichtet fühle,
sei schon daran erkennbar, dass pro
Jahr 11 000 Mitarbeiter in Jugendund Spielerschutz geschult würden.
„Man wirft uns
vor, das sei ein
Feigenblatt – das
ist ungerecht.“
David Schnabel,
Gauselmann-Gruppe
David Schnabel ist Präventionsbeauftragter des Automatenspielkonzerns Gauselmann.
Dort lernen sie unter anderem, Symptome zu erkennen, die verraten,
dass ein Spieler in die Spielsucht abzurutschen droht.
Die Kamera in der silbermetallenen Stele in Gauselmann-typischem
Design soll nun auch bei der Prävention helfen. Sie schickt das Bild des
Eintretenden an einen Rechner mit
Daten jener Spielsüchtigen, die sich
freiwillig haben registrieren und vom
Zugang ausschließen lassen. Die
„Selbstsperrung“ sei am häufigsten,
sagt Schnabel. Aber auch Angehörige
und Behörden könnten eine Spielersperrung beantragen.
Lediglich in Baden-Württemberg
ist die Gesichtserkennungstechnik
bereits in allen Merkur-Spielhallen
im Einsatz. In Niedersachsen fehlt
bisher eine Rechtsgrundlage, Klärungsbedarf besteht vor allem beim
Datenschutz. Gauselmann-Gründer
Paul Gauselmann drängt als Cheflobbyist an der Spitze des Verbands der
Deutschen Automatenindustrie auf
Klärung auf eine bundesweite Datei
für gesperrte Spieler.
In Nordrhein-Westfalen führen
Gauselmann-Vertreter derzeit Gespräche mit dem Landesdatenschutzbeauftragen. Das Bundesland Hessen
geht nach Empfinden der Gauselmänner zu weit: Dort muss sich jeder
Besucher einer Spielhalle beim Betreten registrieren, woraufhin seine persönlichen Daten mit der Sperrdatei
des Landes verglichen werden, die
derzeit rund 10 000 Spieler enthält.
Fehleranfällig und zu umständlich
findet Schnabel die hessische Methode. Automatische Gesichtserkennung
sei praktikabler und verlange auch
nicht von jedem Spieler, persönliche
Daten preiszugeben. Gauselmanns
strategisches Ziel: eine bundesweit
einheitliche Zugangskontrolle auf
Grundlage biometrischer Gesichtserkennung.
Die Algorithmen von „Face Check“
befähigen das System auch noch zu
etwas anderem als der Identifizierung gesperrter Spieler: Es kann junge Gesichter von älteren unterscheiden. Befindet der Computer einen
Eintretenden für jünger als 21 Jahre,
alarmiert er die Mitarbeiter der Spielhalle, die dann den Ausweis des Besuchers kontrollieren können.
Voraussetzung ist allerdings, dass
dieser bei der Ankunft in die etwa auf
Kopfhöhe installierte Kamera blickt.
Das dürfte Menschen schwerfallen,
die sogar im Gehen nur ungern den
Blick vom Smartphone lösen. Um sie
dennoch zum Aufschauen zu bewegen, haben die Gauselmann-Ingenieure neben dem elektronischen Auge
einen Bildschirm installiert, dessen
Bilder die Aufmerksamkeit der Eintretenden erregen sollen.
14
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
SPEZIAL SPIEL & PROFIT
Das eigene Glück verspielt
Glücksspielsüchtige kosten die Gesellschaft jährlich viele Millionen Euro – Zwei Betroffene berichten von ihrem Absturz in die Sucht
VON ALMUT HÜLSMEYER
HASELÜNNE. Sie leben auf der
Schattenseite der Glücksspielwirtschaft: die Spielsüchtigen.
Allein in Niedersachsen haben
mehr als 75 000 Menschen ein
problematisches oder krankhaftes Spielverhalten. Viele von ihnen verlieren ihren Besitz, den
Job, Freunde und Familie.
Angefangen hat es in einer Imbissbude. Als Thomas Hofmann*
auf seine Bestellung wartete,
steckte der 15-Jährige seine ersten Münzen in einen Spielautomaten. „Da habe ich das Spielen
für mich entdeckt, dieses Kitzeln,
dieses Kribbeln. Ich fand es fantastisch“, sagt der heute 45-Jährige.
Seit seinem Besuch in der Imbissbude hat er nicht mehr aufgehört zu spielen. 30 Jahre lang.
Zunächst verspielte er sein Taschengeld, später sein Ausbildungsgehalt und sein Einkommen. „Immer wenn ich Geld hatte, sind davon 60 bis 70 Prozent
in die Automaten gewandert. Erst
wenn kein Geld mehr da war, war
auch der Druck weg zu spielen“,
erzählt der Niedersachse.
„Das Hauptproblem stellen bei
den meisten Spielsüchtigen die
Automatenspiele dar“, sagt Markus Weiß, Facharzt für Psychiatrie und Suchtmedizin am St.-Vinzenz-Hospital Haselünne. Allein
in niedersächsischen Spielhallen
gab es im Jahr 2012 16 870 Geldspielautomaten. Damit gehört
Niedersachsen nach Angaben der
Niedersächsischen Landesstelle
für Suchtfragen zu den bestversorgten Gebieten mit Spielhallengeräten in ganz Deutschland. Auf
ein Spielhallengerät kamen in
Niedersachsen 2012 336 Einwohner. Dieser Wert wird nur noch
von Bayern, Schleswig-Holstein
und Rheinland-Pfalz übertroffen.
2012 wurden mehr als 400 Millionen Euro allein an Geldspielautomaten in Niedersachsen verzockt.
Fast jeden Tag hat Hofmann in
den vergangenen Jahren gespielt.
Nach der Arbeit führte sein Weg
meist direkt in die Spielhalle.
Stundenlang saß er vor den Automaten. Erst mitten in der Nacht
kehrte er nach Hause zurück.
Manchmal spielte Hofmann auch
zwei Tage am Stück. In den Spielhallen mit den abgedunkelten
Scheiben, dem Kunstlicht und den
blinkenden Automaten verlor er
regelmäßig das Zeitgefühl. „In den
Spielhallen gibt es nirgendwo eine
Fast wie ein zweites Zuhause: Spielhallen werden zunehmend wohnlich und hochwertig eingerichtet.Spieler sprechen von geradezu familiärer Atmosphäre.
Uhr. Auch die Handys haben meistens keinen Empfang. Es gibt keine Berührung mit dem realen Leben draußen“, erzählt Hofmann.
Dass viele Spielhallen ähnlich
aussehen, ist für den Mediziner
Weiß kein Zufall. „Die Spielhallen
sind viel schicker als früher. Es
gibt Kaffee umsonst, und man
kann rauchen. Die Spieler beschreiben auch, dass dort eine
fast
familiäre
Atmosphäre
herrscht, häufig sind die gleichen
Aufsichten da.“ Außerdem seien
die Spielhallen strategisch gut
platziert, beispielsweise neben
Fast-Food-Restaurants,
sodass
man die parkenden Autos nicht
automatisch den Besuchern der
Spielhalle zuordnen könne.
Den größten Anreiz zu spielen
bietet nach Ansicht des Arztes die
Funktionsweise der Spielgeräte.
Regelmäßig schütte der Automat
Kleingewinne aus. „Das hält den
Spieler bei Laune. Wenn er über
längere Zeit nichts gewinnen
würde, wäre er frustriert.“ Schon
kleine Gewinnsummen würden
bei einem Spielsüchtigen die großen Verluste in den Hintergrund
treten lassen. „Das Belohnungssystem eines Abhängigen reagiert
anders als bei einem Nicht-Ab-
Markus Weiß, Facharzt für Psychiatrie und
Suchtmedizin.
Foto: S.Schöning
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Ein Unternehmen der
hängigen. Bereits kleine Gewinne
führen zu starken psychischen
Reaktionen beim Glücksspielsüchtigen. Er möchte das Gewinnerlebnis unbedingt wiederhaben.“ Außerdem würden die
Automaten suggerieren, dass der
Spieler durch das Drücken von
Tasten in den Spielverlauf eingreifen und seine Gewinnchancen
dadurch beeinflussen könne.
Doch die Automaten arbeiteten
alle mit Zufallsgeneratoren, sagt
Weiß.
Auch wenn die meisten Abhängigen immer noch an Automaten
spielen, gibt es andere Glückspielformen, die immer beliebter
werden. Gerade bei jüngeren
Spielern sehe man eine zunehmende Beteiligung an Sportwetten, sagt Weiß. Viele versuchten
ihr Fachwissen zu nutzen, um damit Gewinne zu erzielen. Außerdem erleichtere das Internet den
Zugang zu solchen Spielformen.
„Die Spieler müssen nicht mehr
in Wettbüros gehen, sondern können das elegant vom heimischen
PC aus machen.“
Auch für Oliver Groß* waren
Sportwetten sein Einstieg ins
Glücksspiel. Außerdem pokerte
der Niedersachse – und das mit
Erfolg. Für Siege kassierte er Prämien von mehreren Tausend Euro. Später stieg er von Poker auf
Casinobesuche um. Statt Geld zu
gewinnen, verlor er es nun.
Als seine Rücklagen aufgebraucht waren, musste er sich eine neue Geldquelle erschließen.
„Ich habe angefangen, Frauen abzuziehen. Ich habe ihnen etwas
vorgespielt und dann ihr Konto
plattgemacht“, erzählt der 28Jährige. Bei der Antwort auf die
Frage, wie viele Frauen er ausgenommen hat, zögert er. „So über
30“, schätzt er.
Auch Hofmann wurde kriminell. Als sein Einkommen für das
Glücksspiel nicht mehr ausreichte, begann er das Geld seines Arbeitgebers zu veruntreuen. Private Rechnungen zahlte er schon
lange nicht mehr. Aus seiner ers-
Foto: dpa
ten Wohnung flog er raus, in seiner zweiten wurde schließlich der
Strom abgestellt. Verspielt hat
Hofmann mehrere Hunderttausend Euro. Zurückgeblieben sind
nur Schulden. Etwa 40 000 Euro.
„Ich kann schlecht einschlafen.
Die Gedanken an meine Schulden
verfolgen mich“, sagt er.
Auch die Gesellschaft kosten
die Spielsüchtigen jedes Jahr viel
Geld. Eine Studie der Universität
Hohenheim schätzte für das Jahr
2008 die Folgekosten der Glücksspielsucht in Deutschland auf 326
Millionen Euro. Der Autor der
Studie, Professor Tilman Becker,
geht davon aus, dass sich diese
Zahl bis heute nicht entscheidend
verändert hat.
In seiner Untersuchung unterschied er zwischen den direkten
„Die Gedanken
an meine
Schulden
verfolgen mich.“
Kosten von 152 Millionen Euro
und den indirekten Kosten von
174 Millionen Euro. Zu den direkten Kosten rechnete er unter anderem die Behandlungen der pathologischen Glücksspieler, die
Beschaffungskriminalität und die
Kosten für den Spielerschutz sowie für Gerichte und Strafverfolgung, zu den indirekten Kosten
den Verlust des Arbeitsplatzes,
die krankheitsbedingten Fehlzeiten und die verringerte Arbeitsproduktivität. Das Spielen an
Geldspielautomaten verursachte
nach Schätzungen von Becker die
höchsten sozialen Folgekosten für
die Gesellschaft mit 225 Millionen Euro im Jahr.
Hilfe in Anspruch genommen
haben Hofmann und Groß erst,
als sie vollkommen verzweifelt
waren. „Es war Weihnachten. Ich
wusste einfach nicht mehr, wo
ich noch Geld herbekommen sollte. Außerdem hatte ich Angst,
dass die Sache mit dem veruntreuten Geld bei meinem Arbeitgeber auffliegt“, sagt Hofmann.
Er beichtete seinem Arbeitgeber
alles, erzählte seinen Freunden
und seiner Familie von seiner
Spielsucht, ging zur Suchtberatung.
Groß hatte niemanden, dem er
sich anvertrauen konnte. Sämtliche Freunde hatte er verloren, der
Kontakt zu seiner Familie war abgerissen. Er lebte auf der Straße.
„Irgendwann habe ich das alles
nicht mehr ausgehalten“, sagt er.
Der Weg zurück in ein geregeltes, spielfreies Leben ist für Hofmann und Groß kein einfacher.
Dass sie ihre Familien, Freunde
und Arbeitskollegen über Jahre
belogen und betrogen haben,
können beide heute selbst kaum
begreifen. „Wir sind doch eigentlich ehrliche Menschen“, sagt
Groß.
Rund 1,5 Prozent der Bevölkerung weisen in Deutschland ein
problematisches oder krankhaftes
Spielverhalten auf. Nach einer
Hochrechnung der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen sind das allein in Niedersachsen mehr als 75 000 Menschen.
Um die Zahl der Spielsüchtigen
zu senken, sei möglichst frühe
Prävention nötig, sagt Weiß. Auch
der Dachverband der Deutschen
Automatenwirtschaft betont, dass
seinen Mitgliedern die Prävention pathologischen Spielverhaltens und die Frühintervention ein
wichtiges Anliegen sei. So müssten Unternehmer, die Geldspielgeräte aufstellen, ein Sozialkonzept mit vorbeugenden Maßnahmen gegen die „sozialschädlichen
Auswirkungen des Glücksspiels“
vorlegen.
Von
Präventionsmaßnahmen
der Spielstättenbetreiber haben
Hofmann und Groß nie etwas bemerkt. Auflagen, wie etwa Gewinn- und Verlustlimits pro Zeiteinheit und Spielautomat sowie
Mindestabstände zwischen Spielautomaten, würden faktisch unterlaufen. „Ich habe an bis zu
zwölf Automaten gleichzeitig gespielt“, erzählt Groß. Nie habe
ihn jemand daran gehindert.
Auch Sperrzeiten würden nicht
eingehalten.
Er und Hofmann sind sich einig, dass bestehende Reglements
konsequenter umgesetzt werden
müssten, um Spieler vor einem
Abdriften in die Sucht zu schützen. Beide Männer hoffen, ihre
Sucht und die Schulden endgültig
hinter sich lassen zu können.
Auch einen konkreten Wunsch
für die Zukunft hat Groß: „Meine
eigene heile Familie.“
* Name von der Redaktion geändert
15
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
SPEZIAL SPIEL & PROFIT
Wo Pferdewetten
Vergnügen
bleiben sollen
Der Artländer Renntag ist ein
Sport- und Zock-Ereignis mit Lokalkolorit
VON MARCUS ALWES
QUAKENBRÜCK. Trab-, Galopp-
oder Jagdrennen? Das ist nahezu egal. Wenn der Artländer
Rennverein in Quakenbrück
zum alljährlichen Renntag bittet, dann wagt auch Otto Normalbürger eine Wette.
„Die Besucher hier setzen an so einem Tag insgesamt rund 100 000
Euro“, verrät Hermann zur Lage.
„Und von außen werden noch einmal Wettgelder in Höhe von
40 000 Euro platziert“, fügt der
Renntag-Routinier hinzu.
Der ehemalige Lehrer ist inzwischen 76 Jahre alt. Seit 1992 ist er
dabei, wenn es gilt, jeweils am ersten Sonntag im September Pferde
und Jockeys zu betreuen und auf
die Bahn im Quakenbrücker Hasepark zu bringen. „Wir haben die
Tradition des Rennvereins damals
wiederaufleben lassen“, erinnert
er sich, „zusammen mit Gerd Karrenbrock haben wir wieder etwas
aufgebaut.“ Mehr als 200 Mitglieder ist der Artländer Rennverein
momentan stark. Und im Jahr
2017 wird der Renntag in seiner
heutigen Form zum 25. Mal ausgetragen.
Rund 400 000 Euro Umsatz
werde an jenem Sonntag entlang
der idyllischen, naturbelassenen
Pferdebahn im Nordkreis gemacht, schätzt zur Lage. Zu sei-
ner großen Überraschung seien
es „immer so um die 10 000 Zuschauer, die den Weg zu uns finden“.
Dazu gesellen sich die Sponsoren. Die meisten geben zwischen
500 und 1 000 Euro jährlich und
kommen aus dem direkten Umfeld
im Artland. Vierzig treue Förderer,
die wirklich immer mitmachen,
seien darunter, verrät der Mann
aus dem Organisationsteam. Und
wer sogar hochoffiziell Namenspate eines einzelnen Rennens werden möchte, der müsse „schon
zwei Drittel bis drei Viertel des jeweiligen Preisgeldes stiften“, sagt
zur Lage. An Prämien werden insgesamt etwa 50 000 bis 60 000 Euro ausgeschüttet.
„Die Stärke des Artländer Renntages, so wie wir ihn Jahr für Jahr
weiterentwickelt haben, ist seine
Vielseitigkeit. Es gibt keinen
Rennveranstalter in Deutschland,
der zusammen an einem Renntag
Trab-, Galopp- und Jagdrennen
präsentieren kann“, hat der Vereinsvorsitzende Gerd Karrenbrock
bereits vor einiger Zeit betont.
„Wir haben mit dem Renntag auch
deshalb eine besondere Stellung in
Norddeutschland, weil wir uns
durch unsere sportlich hochwertigen Jagdrennen und besonders
durch das in dieser Form einmalige Seejagdrennen von anderen
Renntagen abheben“, verriet Karrenbrock.
Das meiste Geld wird in Quakenbrück direkt an den Schaltern gesetzt. Dazu kommen von außen platzierte Wetten.
Rasant geht es auf der Rennbahn im Quakenbrücker Hasepark zu.
Zwölf Hektar ist das Haseparkgelände groß. Rund um jenes Zelt,
in dem die Wettschalter aufgebaut
sind, ist es dabei immer voll. Der
eine oder andere Zuschauer
schaut oder staunt nur vorsichtig.
Aber, es gibt auch jene, die im
nördlichsten Zipfel des Osnabrücker Landes sogar den Geldbeutel
zücken. Mal wagen sie größere
Einsätze, des Öfteren sind es aber
Klein- oder Kleinstbeträge, die gesetzt werden. Die Wettschalter, an
denen sie bieten, sowie die Totalisatoren und die entsprechende
Technik kommen aus Hamburg.
Die Fachleute und Buchmacher,
die sich ansonsten um das Wettgeschehen beim traditionsreichen
Derby-Meeting in der Hansestadt
kümmern, sind dann auch am
Renntag zur professionellen Abwicklung im Artland vor Ort.
„Die Wetten von außen kommen aus dem deutschsprachigen
Raum oder aus Holland“, ergänzt
zur Lage. Bei Anbietern wie German Tote beispielsweise informieren sich die Zocker im Detail
auch über das Geschehen und die
Wettbewerbe in Quakenbrück.
Das Internet spielt dabei als
Quelle und Ort der Wettabgabe
eine immer größere Rolle. „Aber
auch um jeden einzelnen Reitstall
in Deutschland herum ist immer
Fotos: Rolf Kamper
noch viel Leben“, sagt zur Lage
und drückt damit aus – man kenne fachlich die Hauptdarsteller in
der Pferdesport-Szene. Das mache das Wetten attraktiv.
„Das Seejagdrennen ist zum
Beispiel das höchstdotierte Rennen dieser Art in Deutschland“,
sagt Vorsitzender Karrenbrock,
„die spezielle Ausschreibung der
Rennen und die attraktiven Dotierungen der Rennpreise sind erforderlich, um das sportlich hohe
Niveau der Rennen zu erhalten.“
Die offiziellen Wettbewerbe
und deren Besetzung mit Pferden
und Jockeys werden dabei über
die Verbände abgewickelt. Den
der Traber mit Hauptsitz in Berlin. Und den der Galopper, die in
Köln ihre Anlaufstelle haben.
„Die Trainer sorgen dabei jeweils
für die Jockeys und melden diese
samt Pferd im Rahmen der üblichen Ausschreibungen“, schildert
Hermann zur Lage die genauen
Abläufe. Die Jockeys seien dabei
häufig bei ihren Trainern angestellt. Prämien oder Preisgelder
aus Rennerfolgen seien dann Zusatzeinkünfte zu einem Festgehalt. Aber auch direkte Kontakte
der Quakenbrücker Organisatoren zu einzelnen Rennställen,
Trainern, Jockeys oder Pferdebesitzern hätten sich im Laufe der
PEARLs
vergangenen 25 Jahre entwickelt.
„Vor allem im Hindernis-Bereich
kennen und bekommen wir hier
die besten Jockeys“, ist zur Lage
stolz.
Um die Zukunft des Renntages
in der 13 000-Einwohner-Gemeinde ist dem Senior-Organisator
unterdessen nicht bange. „Die
Menschen lieben das hier als
Treffen“, stellt er heraus. Auch
die Möglichkeit, einmal im Jahr
ein bisschen wetten zu können.
Als Vergnügen. Chronische Zo-
Die Besucher
des Renntages
setzen rund
100 000 Euro.
cker oder gar spielsüchtige Menschen kämen eigentlich nicht persönlich zum Artländer Renntag,
stellt zur Lage fest: „Die haben
wir noch nicht gesehen oder bewusst erlebt.“
Doch auch er weiß, dass das
Geschäft mit den Pferdewetten
sich seit jenen Jahren, als der
Artländer Rennverein 1902 gegründet wurde, grundlegend verändert hat. Die online platzierte
Wette hat sich international
Raum und Bedeutung verschafft.
Zocker können inzwischen sogar
schon per Livestream bei großen
Rennen wie in Louisville/Kentucky (USA) oder Ascot (England)
sowie auf den asiatischen Rennbahnen dabei sein.
Im beschaulichen Quakenbrück
ist das noch nicht der Fall – und
wird es auch wohl nicht werden.
Zur Lage und Karrenbrock bleiben vielmehr bescheiden. Über
kleine Veränderungen und Verbesserungen im Rahmenprogramm denken sie als Veranstalter zwar alljährlich nach, um für
die Zuschauer attraktiv zu bleiben. „Das Sportliche hingegen
bleibt weitgehend gleich. Der
Wettbewerb und die Disziplinen
sind stets dieselben. Es geht immer um ein schnelles Rennen“,
sagt zur Lage.
Kompetenzen stärken:
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Persönlichkeiten
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Dynamik und Verhalten von Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern auf dem Arbeitsmarkt verändern sich
spürbar. Somit ist Mitarbeiterzufriedenheit ein
zentraler Faktor für den Erfolg eines Unternehmens.
© PEARLs - Unternehmensberatung für Personalentwicklung
Dr. Astrid Lodde · Hauswörmannsweg 154 · 49080 Osnabrück · Telefon 0541 20066713 · www.pearls-coaching.de
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DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
SPEZIAL SPIEL & PROFIT
Der einen Hoffnung, der anderen Hauptgewinn
Millionen aus der Glücksspielabgabe beleben in Niedersachsen Naturschutz, Sport, Musik und Wohlfahrtseinrichtungen
VON CHRISTOPH
LÜTZENKIRCHEN
OSNABRÜCK/HANNOVER. Die
Hoffnung auf das große Glück
hat magische Anziehungskraft.
Sie bewegt Menschen, sich an
Glücksspielen zu beteiligen. Die
Folge: Das Land Niedersachsen
verteilt jedes Jahr viele Millionen Euro Fördermittel aus der
Glücksspielabgabe. Sie kommen
Projekten in Wohlfahrt, Sport,
Medien, Musikkultur und Umwelt zugute.
Was haben das European Media
Art Festival Osnabrück (EMAF),
das Naturkundehaus Lähden und
die Schützenkapelle Spahnharrenstätte miteinander gemein?
Die drei so unterschiedlichen Institutionen profitieren von Fördermitteln aus der niedersächsischen Glücksspielabgabe. Im
Jahr 2015 verbuchte das Land
Niedersachsen in diesem Bereich
insgesamt 155,8 Millionen Euro
Einnahmen. Das ist der höchste
Wert innerhalb der letzten zehn
Jahre. Die Einnahmen schwankten in diesem Zeitraum um fast
20 Millionen Euro. Am geringsten waren sie im Jahr 2009, als
lediglich 136,9 Millionen Euro
anfielen.
„Die Höhe der Abgabe bestimmt sich aus dem Niedersächsischen
Glücksspielgesetz
(NGlüSpG)“, sagt Antje Tiede,
Sprecherin des Niedersächsischen Finanzministeriums. Laut
§ 13 des Gesetzes beträgt die
Glücksspielabgabe beim Zahlenlotto 24 Prozent, bei
Wetten mit festen Gewinnquoten sind es 15
Prozent und bei Lotterien und Ausspielungen
25
Prozent. Per Verordnung dürfen
das Innen- und
das Finanzministerium sogar
noch
höhere
Sätze festlegen.
Das sei derzeit
aber nicht der
Fall, erklärt Matthias Eichler, der
Sprecher des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und
Sport: „Die Daten geben die
aktuelle Situation wieder. Eine
Verordnung gibt es nicht.“
Wo viel Geld zu verteilen ist,
da ist Streit vorprogrammiert.
Das seit 2008 gültige Glücksspielgesetz beugt dem vor und
legt detailliert fest, wie die Mittel
aus der Glücksspielabgabe zu
verwenden sind. In § 14 führt das
Gesetz insgesamt sieben Empfänger auf, die Finanzhilfen aus der
Glücksspielabgabe erhalten: die
Nordmedia Fonds GmbH, den
Landesverband
niedersächsischer Musikschulen, den Landesmusikrat, die Stiftung Niedersachsen, die Niedersächsische
Bingostiftung für Umwelt und
Entwicklungszusammenarbeit,
die Stiftung „Kinder von Tschernobyl“ und die Verbraucherzentrale Niedersachsen.
Für jeden einzelnen Empfänger sind im Gesetz konkrete Fördersummen festgelegt, so erhält
der Landesmusikrat 116 250 Euro, Nordmedia Fonds 1,78 Millionen Euro und die Verbraucherzentrale Niedersachsen 1,50 Millionen Euro. In Summe regelt das
Glücksspielgesetz die zweckgebundene Verwendung von rund
22 Millionen Euro. Der im Verhältnis zur gesamten Glückspielabgabe relativ niedrige Betrag
hänge mit der Umstellung der
Lotto, Glücksspirale, Eurojackpot, das Glücksspiel ist
Jahr für Jahr Quelle eines
warmen Geldregens.
Zu den Empfängern
zählen die Schützenkapelle Spahnharrenstätte (links),das Naturkundehaus Lähden
(Mitte) und das European Media Art Festival
Osnabrück (EMAF).
Fotos: David Ebener,
Tim Gallandi,
Schützenverein
Spahnharrenstätte,dpa
Förderung in den vergangenen
Jahren zusammen, erklärt Antje
Tiede. „Durch das Niedersächsische
Sportfördergesetz
(NSportFG) und das Niedersächsische Gesetz zur Förderung der
Freien
Wohlfahrtspflege
(NWohlfFöG) wurden insgesamt
47 Millionen Euro ausgegliedert“,
so Tiede. Ziel der Umstrukturierung sei es gewesen, den Verbänden Planungssicherheit bei der
Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu
Niedersachsen
nahm 2015
155,8 Millionen
Euro ein.
gewähren. Für
die Freie Wohlfahrtspflege stellt das
Land derzeit jährlich 21,25 Millionen Euro zur Verfügung, in die
Sportförderung fließen 31,5 Millionen Euro. Formal wurde damit
die Bindung der Förderung zugunsten von Sport und Wohlfahrt an die Einnahmen des Landes aus der Glücksspielabgabe
aufgehoben. Letztlich handele es
sich aber um Mittel, die zuvor
aus der Glücksspielabgabe zur
Verfügung gestellt wurden, so die
Sprecherin des Landesfinanzministeriums.
Die Empfänger der Finanzhilfe
entscheiden selbstständig über
die Verteilung. „Einen Nachweis
verlangen wir nicht“, so Tiede.
Eine Besonderheit des Glücksspielgesetzes regelt § 14 Absatz 3.
Hier ist festgelegt, dass weitere
acht Millionen Euro für Jugendarbeit, Kinder- und Jugendschutz, Familien und Frauen,
Schulsport, Wohlfahrtspflege sowie Kunst oder Kultur zu verwenden sind. Im Detail entscheiden darüber die jeweils zuständi-
gen Ministerien. Änderungen
im Glücksspielgesetz
verfügt der Niedersächsische
Landtag. Zum 1. Januar 2013
wurde die Verbraucherzentrale
Niedersachsen als zusätzlicher
Empfänger der Finanzhilfe aufgenommen.
Zwar verlangt das Finanzministerium – es verwaltet die Mittel aus der Glücksspielabgabe –
keinen Nachweis über die Verteilung der Mittel; kontrolliert wird
aber doch. Jeder Empfänger von
Finanzhilfe ist einem Landesministerium zugeordnet, das per
Verordnung regelt, wie die Mittel
zu verwenden sind. Außerdem
hat der Landesrechnungshof das
Recht zu prüfen. Für jeden Empfänger gibt es Förderrichtlinien.
So muss die Bingostiftung die Finanzhilfe „zur Förderung von
Projekten zugunsten der Natur,
der Umwelt, der Entwicklungshilfe oder des Denkmalschutzes“
verwenden. Bei Entwicklungshilfeprojekten dürfen nur Träger
mit Sitz in Niedersachsen unterstützt werden.
Das Naturkundehaus in Lähden im Emsland darf als exemplarisch für die Arbeit der Bingostiftung gelten. In dem 2013 initiierten Umweltbildungszentrum
wird Kindern und Jugendlichen
die heimische Natur nähergebracht. Die Bingostiftung beteiligte sich mit 30 000 Euro an den
Kosten für die Ausrüstung des
Zentrums.
Sehr viel geringere Beträge
vergibt der Landesmusikrat. Er
Ministerien
kontrollieren
die Verwendung
der Mittel.
ist laut Glücksspielgesetz dazu
verpflichtet, die Finanzhilfe für
die „Förderung der Träger von
Ensembles der instrumentalen
oder vokalen Laienmusik zu verwenden“. Eigenen Angaben zufolge wurden 2015 insgesamt 517
Förderanträge an den Landesmusikrat gestellt. Die maximale Finanzhilfe pro Übungsleiter betrug 242,50 Euro. Im Einzelfall
ist das also nicht mehr als eine
kleine Anerkennung für die umfangreiche, ehrenamtliche Arbeit
der Laienmusiker. Passend dazu
spricht man beim Landesmusikrat denn auch von „Anreizfinanzierung“. Die Förderung geht an
Musikgruppen unterschiedlichster Ausrichtung, darunter die
Schützenkapelle
Spahnharrenstätte. Die zugehörige Verordnung des niedersächsischen Kultusministeriums legt fest, dass
geförderte Gruppen mindestens
16 Mitglieder haben müssen und
mindestens 50 Zeitstunden pro
Jahr gemeinsam üben.
Das Osnabrücker European Media Art Festival wird aus Mitteln
der Nordmedia – Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH gefördert. 2015 belief
sich die Unterstützung auf
193 000 Euro. Mit ihren zwei
Standbeinen im Stadtstaat Bremen und im Land Niedersachsen
ist Nordmedia ein Sonderfall unter den Empfängern der Finanzhilfe aus der Glücksspielabgabe.
„Wir fördern verschiedene Phasen
der Herstellung von Film-, TVund interaktiven Medienprojekten“, sagt Unternehmenssprecherin Wibke Schimpf:
„Zum Förderspektrum
zählen aber auch Investitionen, Qualifizierungs- und Beratungsangebote
sowie Festivals.“
Neben Leuchtturmprojekten
wie dem EMAF
oder dem Unabhängigen
Filmfest Osnabrück (UFO) engagiert
sich
Nordmedia unter
anderem auch für
die
SchulKinoWochen
Niedersachsen
und vergibt Kinoprogrammpreise. Die Mittel aus
der Glücksspielabgabe tragen zu
etwa 20 Prozent zum Förderetat
bei, der sich laut Schimpf auf
durchschnittlich zehn Millionen
Euro beläuft.
Die drei Beispiele zeigen, wie
breit die gemeinnützige Verwendung der Mittel aus der Glücksspielabgabe angelegt ist. Die
Hoffnung auf den einen großen
Treffer, die Millionen Menschen
im Land umtreibt, trägt so vielfache reiche Früchte.
Wenn man nun noch die volumenmäßig größten Bereiche
Wohlfahrt und Sport hinzurechnet – formal werden sie ja nicht
mehr direkt aus Glücksspielmitteln gefördert –, wird die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des
Sektors deutlich.
Das zeigt auch die Altenheimstiftung Lotto Niedersachsen:
Mehr als 40 Jahre lang erhielt sie
Zuwendungen in Millionenhöhe
aus den Konzessionsabgaben unterschiedlichster Lotterien. Seit
der Gründung im Jahr 1956 investierte die Stiftung über 74 Millionen Euro in den Bau von Alten- und Pflegeheimen. Die Altenheimstiftung bezieht seit 1995
keine Finanzhilfe mehr. Ihre Kosten bestreitet sie aus den Erträgen der Einrichtungen und ihres
Kapitalstocks.
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
GELD &
GESCHÄFT
17
Gegenwind für
Bürgerwindparks
War’ s das mit der Energiewende in Bürgerhand?
Noch nicht: Das geänderte EEG
sieht Ausnahmen für Kleinprojekte vor
An Bürgerwindparks beteiligen sich Einwohner der umliegenden Kommunen als Investoren.Das Modell fördert nach Einschätzung seiner Befürworter die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung.
Ziel des EEG: Mehr
Markt in der Erzeugung
von Ökostrom.
Bürgerwindparks
könnten das
Nachsehen haben.
Kritiker fordern:
Kleinprojekte ohne
Ausschreibungspflicht.
VON HELMUT MONKENBUSCH
OLDENBURG Laut dem neu gefass-
ten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) soll der Preis für
Ökostrom ab 2017 über Ausschreibungen ermittelt werden.
Der weitere Ausbau wird an die
Verbesserung der Netzinfrastruktur gekoppelt. Für neue
Projekte sind Sicherheiten zu
hinterlegen. Kritiker befürchten: Das ist das Ende der Energiewende mit Bürgerbeteiligung. Aber EU-Umweltrichtlinien sehen stärkere Förderung
von Kleinprojekten vor.
Nicht jeder hat das Glück, an der
Küste ein Stück Land zu besitzen. Nicht jeder ist in der Lage,
sich eine Windkraftanlage auf
den Acker zu stellen und Strom
zu produzieren, der ihm über einen Zeitraum von 20 Jahren zum
Festpreis abgenommen wird –
selbst wenn die erzeugte Leistung wegen fehlender Netze gar
nicht eingespeist wird oder der
Strompreis an der Börse abstürzt.
Die meisten Bürger sind eben
Stromverbraucher, keine -produzenten. Und genau deswegen
muss das Großprojekt Energiewende immer wieder um Akzep-
tanz kämpfen. Denn während die
Erzeuger erneuerbarer Energien
satte Renditen einfahren, zahlen
die Verbraucher immer mehr für
ihren Strom – nicht zuletzt wegen der kontinuierlich steigenden Öko-Stromumlage. Und das,
obwohl es durch den Ausbau von
Windkraft und Solarenergie eigentlich Strom im Überfluss gibt
und der Preis für Endverbraucher folglich sinken sollte.
Aus dieser Perspektive klingt
die jüngste Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG)
nach einem Vorhaben, das der
Energiewende verlorene Akzeptanz zurückbringen könnte: Die
Ökostromerzeugung soll sich
künftig am Markt orientieren,
damit unsere Gesellschaft „nicht
am Strompreis zerbricht“, wie es
aus dem Bundeswirtschaftsministerium heißt.
Konkret bedeutet das: Ab 2017
wird der Preis für Strom aus
Windkraft- und Fotovoltaikanlagen nicht mehr staatlich geregelt,
sondern über Ausschreibungen
ermittelt. Mehrmals im Jahr wird
die Bundesnetzagentur Auktionen durchführen und festgelegte
Strommengen versteigern. Den
Zuschlag erhält, wer die geringste Förderung benötigt, um zu liefern. Außerdem wird der Zubau
grüner Energien begrenzt, solange die Netze nicht ausreichend
ausgebaut sind. Die Windkraft an
Land wird auf zusätzliche 2800
Megawatt pro Jahr gedeckelt.
„Die Zeit des Welpenschutzes
Sturm lässt wieder nach
Neu installierte Windkraftkapazität an Land in Deutschland in Megawatt
3731
4000
3000
2000
1000
0
2000
2005
2010
2015
Quelle: Bundesverband der Windenergie · Grafik: Matthias Michel
für Erneuerbare ist vorbei“, sagt
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Die Welpen seien „zu schnellen Jagdhunden herangereift, die
wir laufen lassen – aber miteinander im Wettbewerb“.
Beifall aus der breiten Energiebürgerschaft? Von wegen. Die
Windenergiebranche trommelt seit
Monaten gegen die Novelle. Die
Drosselung des Zubaus in sogenannten Netzengpassregionen sei
„nicht zielführend“, kritisiert Matthias Brückmann, Chef des Oldenburger Energiekonzerns EWE. Es
mache keinen Sinn, den Ausbau
gerade dort zu beschränken, wo
die Bedingungen nachweislich am
besten sind. Der Nordwesten werde gegenüber anderen Regionen
massiv benachteiligt.
Berlin vollziehe eine „Vollbremsung“, schimpft auch HansDieter Kettwig, Geschäftsführer
des größten deutschen Windanlagenbauers Enercon. Er befürchtet vor allem negative Auswirkungen auf Arbeitsplätze bei
Herstellern und Zulieferern.
Heftige Kritik kommt auch von
Bürgerbündnissen und Genossenschaftsverbänden aus der
Onshore-Windkraft, wo die Bürgerbeteiligung mit knapp 50
Prozent sehr hoch ist. Im Bieterwettbewerb mit kapitalstarken
Investoren seien Landwirte und
Dorfbewohner chancenlos, meinen sie – und stellen das Ende
der Bürgerbeteiligung in Aussicht.
„Wir befürchten, dass die Bürgerbeteiligung in Zukunft nicht
mehr möglich ist“, sagt Martin
Grundmann, Geschäftsführer der
Arge Netz. Mit 300 Gesellschaftern in Niedersachsen und
Schleswig-Holstein ist sie einer
der größten Zusammenschlüsse
von
Erzeugern
erneuerbarer
Energien. „Wer als Bürgerenergiegesellschaft an einer Auktion
teilnimmt, muss eine hohe Sicherheit pro Megawatt hinterlegen. Dazu kommen die Entwicklungskosten eines Projekts, die
im sechsstelligen Bereich liegen.
Vermutlich werden die Bürger so
hohe Summen nicht vorstrecken,
ohne zu wissen, ob sie den Zuschlag bekommen.“
Grundmann schlägt vor, kleinere Projekte bis 18 Megawatt
Leistung von der Ausschreibung
auszunehmen. Statt direkt in den
Bieterwettbewerb zu treten, sollte man „den mittleren Preis aus
einer vorangegangenen Ausschreibungsrunde auf Bürgerwindprojekte übertragen – das
fänden wir fair und praktikabel“.
Offenbar blieben die Proteste
nicht ungehört. Bei Bürgerprojekten mit höchstens sechs
Die Sorge: Im
Wettstreit der
Investoren sind
Landwirte und
Dorfbewohner
chancenlos.
Foto: dpa
Windrädern und 18 Megawatt
Leistung gelten nun Sonderregelungen. Demnach brauchen Bürgergesellschaften keine immissionsschutzrechtliche
Genehmigung vorzulegen, um an einer
Auktion teilzunehmen. Sie müssen lediglich die Zustimmung
des Grundeigentümers zur Flächennutzung und – spätestens
zwei Jahre nach dem Zuschlag –
ein Windgutachten einholen. Damit sinkt die hinterlegte Sicherheit um die Hälfte auf 15 000 Euro pro Megawatt. Rainer Baake,
Energie-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, hält
das für einen „vernünftigen
Kompromiss“, mit dem auch die
Bürgergesellschaften „gut leben
können“. Das sehen die Kritiker
des Ausschreibungsmodells freilich anders. „Die EU hat in ihren
Umweltrichtlinien
vorgeschlagen, Kleinprojekte unter 18 Megawatt
von der Ausschreibungspflicht
zu befreien“, sagt Grundmann.
Dies sei von allen Staaten befürwortet worden. Warum soll das
in Deutschland nicht möglich
sein?“
Weil es dem Missbrauch Tür
und Tor öffnen würde, meinen
Gabriel und Baake. „Fängt man
erst damit an, dann bauen bald
auch Großinvestoren Bürgerwindparks – in kleinen Portionen zu je sechs Windrädern“, so
Gabriel.
In der Fotovoltaik gab es 2015
testweise Ausschreibungen. Tatsächlich sank das Preisniveau
von Runde zu Runde. Zum Zuge
kamen anfangs allerdings nur
große Bieter wie Eon oder
EnBW. Erst später erhielten
auch zwei Genossenschaften den
Zuschlag. Baake kommentierte
zufrieden: „Wenn einige Genossenschaften das schaffen, dann
können das auch andere.“
18
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
GELD & GESCHÄFT
Alkohol, Kokain, Tabletten: Wenn Mitarbeiter suchtkrank werden,haben nicht nur sie ein Problem.Auch ihrem Arbeitgeber entstehen Schäden.
Fotos: Colourbox.de,Montage: Matthias Michel
Mit Promille im Büro, und die Kollegen schauen weg
Viele Unternehmen lassen suchtkranke Mitarbeiter allein – Aber es geht auch anders, und das rechnet sich
VON CHRISTOPH
LÜTZENKIRCHEN
OSNABRÜCK. Suchtkranke Mitarbeiter belasten das Betriebsklima. Ihre Leistung nimmt ab.
Unter Umständen gefährden sie
die Arbeitssicherheit. Für viele
Unternehmen sind sie ein Makel. Man spricht nicht darüber.
Kollegen der Betroffenen fühlen
sich hilflos und ohnmächtig.
Der Logistiker Hellmann in Osnabrück geht das Problem aktiv
an. Im Ernstfall greift ein klar
strukturierter Hilfeplan.
Sind unsere Erfahrungen denn interessant genug? Die beiden Männer aus dem Osnabrücker Land
schauen mich fragend an. Sie haben sich bereit erklärt, von ihrer
Alkoholsucht zu erzählen. Von den
Problemen am Arbeitsplatz, den
Rückfällen, dem mühsamen Weg
aus der Abhängigkeit.
Hans Lüssenheide* fasst sich
ein Herz und erzählt: Seit fast 30
Jahren arbeitet er im Einzelhandel. Ein alter Hase, und doch reagierte Lüssenheide als Leiter der
Filiale einer großen Einzelhandelskette auf den ständig wachsenden Erfolgsdruck am Arbeitsplatz mit der Flucht in den Alkohol. Er hatte bereits eine Therapie
hinter sich und war wieder im Betrieb eingestiegen, als er sich hilfesuchend an seinen direkten Vorgesetzten wandte. Der fertigte ihn
mit der Bemerkung ab, dass er
schon weiter durchhalten werde.
„In diesem Moment hätte Lüssenheide einen Ansprechpartner
im Betrieb gebraucht, der ihm zuhört und ihn unterstützt“, sagt Astrid Rauf. Die Sozialpädagogin
und Suchttherapeutin betreut bei
der Osnabrücker Caritas ein Programm zur Ausbildung von betrieblichen Suchtkrankenhelfern.
Inzwischen arbeitet Hans Lüssenheide in einer anderen Filiale seines Arbeitgebers. Dort hat er keine
Führungsaufgaben.
„Ich
brauchte eine Situation, in der ich
mich nicht ständig verantwortlich
fühle“, so Lüssenheide.
Auch Bernhard Stuhlmann* hat
immer versucht, alles richtig zu
machen. Als Maler in einem typischen, mittelständischen Handwerksbetrieb geriet er dabei regelrecht zwischen die Fronten. „Die
Kunden erwarteten Qualität von
mir, der Chef drückte permanent
aufs Tempo“, erzählt der drahtige
Mann mit dem sanften Händedruck. Er erinnert sich, dass es
mit dem Bier am Feierabend begann. Irgendwann half das nicht
mehr, und er griff zu härteren Alkoholika. Im Rahmen der ersten
Therapie lernte er, Probleme anzusprechen, doch sein Chef ließ
nicht mit sich reden. Weitere Alkoholexzesse folgten. Seit Kurzem
hat Stuhlmann einen neuen Arbeitsplatz, er hofft auf eine Zukunft ohne den Alkohol.
„Wenn es um das frühe Erkennen einer möglichen Suchtkrankheit geht oder darum, einem Menschen den Weg aus der Abhängigkeit zu zeigen, nimmt der Arbeitsplatz eine wichtige Rolle ein“, sagt
Astrid Rauf. Das Problem ist bekannt. Bekannt ist auch, dass
„Suchtkranke
Mitarbeiter sind
noch immer
ein Makel für
Betriebe."
Manfred Rabes,
Niedersächsische
Landesstelle für Suchtfragen
suchtkranke Mitarbeiter
das Betriebsklima belasten. Unter Umständen
gefährden sie die Arbeitssicherheit, ihre Produktivität nimmt ab.
Und doch wird häufig
nicht über die Suchtprobleme gesprochen. Stattdessen werden sie ignoriert und verschwiegen.
Kollegen fühlen sich im
Umgang mit dem Betroffenen hilflos und ohnmächtig.
Irgendwie passend zu
dieser
weitverbreiteten
Sprachlosigkeit gibt es
zum Ausmaß der Schwierigkeiten mit Suchtkranken in Betrieben auch keine belastbare, offizielle Statistik. „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass es dazu
keine validen Zahlen gibt“,
erklärt Melanie Riese aus
der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten der Bundesregierung. Auch Manfred
Rabes, Geschäftsführer der
Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen, muss
passen. „Laut Schätzungen
sind circa fünf Prozent der
Belegschaften von Suchterkrankungen betroffen“, sagt
er: „Belastbare Zahlen gibt es
dazu aber nicht, denn für die
Betriebe sind suchtkranke
Mitarbeiter noch immer ein
Makel.“
Ein Unternehmen, das sich
der Problematik stellt und aktiv auf suchtkranke Mitarbeiter zugeht, ist der Osnabrücker
Logistikdienstleister
Hellmann.
Helmut Ledor ist Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Hellmann
Deutschland und seit 34 Jahren
für das Unternehmen tätig. Er hat
die zweijährige Ausbildung der
Caritas Osnabrück für betriebliche
Suchtkrankenhelfer absolviert und
ist begeistert. „Das hat mir bei der
Arbeit im Unternehmen sehr geholfen“, sagt Ledor. Im Rahmen
der Ausbildung nahm er an diversen Seminaren und Schulungen
teil. Es gab Rollenspiele und Diskussionsrunden. Unter anderem
tarbeitern erkennen
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Alkoholabhängigkeit be
kräfte
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Mitarbeitern sind die Füh
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wird nicht gern gesproche
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In ihrer Broschüre „Alkoh
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(zum Beispiel Ehepartner),
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Äußeres Erscheinungsbild
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Alkoholgeruch zu tarnen
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enden Gelegenheiten, „he
Alkoholkonsum zu unpass
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von Alkohol/Tarnung mit
demonstrative Vermeidung
Quelle: DAK
gehörte auch der Umgang mit
Suchtkranken in Einrichtungen
vor Ort zum Programm. Ausbildungsort ist die Fachklinik HaseEms in Haselünne. „Unsere Erfahrungen mit den Kranken konnten
wir jeweils am Folgetag besprechen“, erzählt Ledor: „In Summe
haben wir etwa anderthalb Monate für die Qualifizierung investiert.
Der Betrieb hat uns dafür freigestellt.“
Die Initiative für die Ausbildung
sei aus der Personalabteilung gekommen, berichtet der Betriebsratschef. Er selbst hat die Mitar-
beiter angesprochen, denen er die
Aufgabe des Suchtkrankenhelfers
zutraute. Das könnten nur Kollegen übernehmen, die in der Belegschaft gut verankert sind und Vertrauen genießen, so Ledor. Die
praktische Arbeit beschreibt er so:
Die Suchtkrankenhelfer werden
von Mitarbeitern angesprochen,
die sich Sorgen um einen Kollegen
machen. „Das ist genau der Punkt,
an dem sonst meist weggeguckt
wird“, betont der Betriebsrat: „Uns
kann man ansprechen. Wir machen uns dann selbst ein Bild und
suchen das persönliche Gespräch
mit dem Kollegen.“ Noch nie sei
ein Betroffener aus eigenem Antrieb auf ihn zugekommen, sagt
Ledor, meist müsse man den
Menschen erst die Augen öffnen.
Ganz wichtig ist ihm: Mit der
Geschäftsführung wurde schriftlich vereinbart, dass über die
Gespräche der Vertrauensleute
mit suchtkranken Kollegen
nicht informiert werden muss.
Auf der anderen Seite fordern
die Helfer Verbindlichkeit ein.
„Wir haben eine Betriebsvereinbarung über einen klar
strukturierten Hilfeplan“, sagt
Ledor: „Abhängig von der Situation des betroffenen Kollegen gibt es einen gestuften Ablauf. Daran kann sich auch die
Geschäftsführung
orientieren.“
Astrid Rauf vom Caritasverband ist überzeugt davon,
dass Firmen von der Arbeit
betrieblicher Suchtkrankenhelfer profitieren. Durch die
Helfer sei es möglich, frühzeitig, effektiv und kostensparend einzugreifen. Damit
würden
langandauernde
und
selbstzerstörerische
Suchtprozesse vermieden, in
diesem
Zusammenhang
auch teure und lange Ausfallzeiten der Mitarbeiter.
„Im Idealfall lautet das Ziel
ja, präventiv handeln zu
können und nicht erst,
wenn jemand bereits in eine Abhängigkeit gerutscht
ist“, so Rauf.
Die langjährigen Alkoholkarrieren von Hans Lüssenheide und
Bernhard Stuhlmann bestätigen
die Einschätzung der Expertin.
Ein geschulter Vertrauensmann
im Betrieb hätte beiden womöglich einen langen Leidensweg erspart – und ihren Arbeitgebern erhebliche Kosten und Komplikationen. Das nächste Ausbildungsprogramm der Osnabrücker Caritas
zum betrieblichen Suchtkrankenhelfer beginnt im August 2016.
Ähnliche Angebote gibt es beispielsweise vonseiten der Diakonie.
* Namen von der Redaktion geändert
19
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
GELD & GESCHÄFT
Recht ohne Richter
Schiedsgerichte, Schiedsgutachten und Wirtschaftsmediationen bieten Möglichkeiten, den Rechtsweg abzukürzen
VON WOLFGANG ARENHÖVEL
WESTERSTEDE. Gerichtsprozesse
können langwierig und teuer
sein. Konzerne kürzen den
Rechtsweg daher oft über
Schiedsgerichte ab – eine
Chance, die Mittelständler
noch zu selten nutzen.
Große Unternehmen sind häufiger in Prozesse verwickelt – mal
als Kläger, mal als Beklagter. Oft
führt daran kein Weg vorbei, gerade wenn grundsätzliche Fragen
auf dem Spiel stehen, die für ganze Branchen von Bedeutung sein
können. Solche Fälle sollten
durch ordentliche Gerichte geklärt werden, auch um den Preis
eines langen Verfahrens.
Für viele andere Streitigkeiten haben sich Wege etabliert,
die Unternehmen nicht nur
Geld, sondern auch Zeit sparen.
Ordentliche Gerichte können
schnelle Entscheidungen oft nicht
garantieren, weil sie überlastet
sind. Häufig verzögert zudem der
Prozessgegner die endgültige Entscheidung durch Rechtsmittel –
manchmal um Jahre.
Für Unternehmen kann das
existenzgefährdend sein. Gerade
für Unternehmen gibt es aber
Möglichkeiten, den Rechtsweg
abzukürzen. Lösungen bieten die
Schiedsgerichtsbarkeit, in beson-
deren Fällen Schiedsgutachten
und zunehmend auch die Wirtschaftsmediation. Internationale
Konzerne machen von diesen
Möglichkeiten von jeher Gebrauch. Vermehrt interessieren
sich aber auch Mittelständler für
diese sinnvollen Alternativen.
Foto: imago/Michael Weber
Ein
Schiedsgerichtsverfahren
kommt in Betracht, wenn eine außergerichtliche Lösung in weite
Ferne gerückt ist. Dieser Weg setzt
allerdings voraus, dass die Parteien
sich zuvor vertraglich auf ein
Schiedsgerichtsverfahren geeinigt
haben. Kommt es zwischen den
Vertragsparteien zum Streit,
tritt an die Stelle eines ordentlichen
Gerichts
ein
Schiedsgericht.
Anders als bei staatlichen Gerichten können die Parteien
bei einem aus drei Schiedsrichtern bestehenden Gremium je einen der Schiedsrichter selbst bestimmen.
Der Vorteil ist offensichtlich: Die Parteien können
Richter mit branchenspezifischen
Kenntnissen auswählen. Das geht
bei staatlichen Gerichten nicht.
Zwar werden meist Juristen benötigt, aber vielfach auch Wirtschaftsprüfer oder Personen mit speziellen
Sach- oder Branchenkenntnissen.
Das ist aber nicht der einzige
Vorteil. In der Regel arbeiten
Schiedsgerichte schneller als staatliche Gerichte, denn die Schiedsrichter stehen als private Dienstleister sofort zur Verfügung. Die
Verfahrensgestaltung ist freier.
Außerdem ist das Verfahren auf
eine Instanz beschränkt.
Schiedsverfahren sind nicht öffentlich, Schiedssprüche dürfen
nur mit Zustimmung der Parteien
veröffentlicht werden. Gerade diese Vertraulichkeit ist oft der entscheidende Faktor. Denn vielfach
geht es um heikle Interna wie gesellschaftsrechtliche Beziehungen,
die Finanzausstattung oder Produktionsverfahren. Häufig enden
Schiedsverfahren mit einem sogenannten vereinbarten Schiedsspruch. Das entspricht in etwa einem
gerichtlichen
Vergleich.
Kommt es nicht dazu, entscheidet
das Schiedsgericht bindend und
endgültig.
Zur Berechnung der Kosten stehen verschiedene Kostenordnungen zur Verfügung. Anwälte und
Schiedsrichter sind zu bezahlen.
In der Regel wird das Schiedsgericht zu Beginn des Verfahrens einen Kostenvorschuss in Höhe der
prognostizierten
Gesamtkosten
anfordern. Bei Streitwerten deutlich unter 100 000 Euro sollte ein
Schiedsverfahren nur dann angestrebt werden, wenn der Kostengesichtspunkt von eher untergeordneter Bedeutung ist.
Aber es muss nicht immer ein
Schiedsverfahren sein. Wenn es
nicht um eine abschließende Streitentscheidung geht, sondern etwa
Bewertungsfragen im Vordergrund
stehen, kann auch ein Schiedsgutachten Meinungsverschiedenheiten
entschärfen. Streiten die Parteien
zum Beispiel darüber, ob gelieferte
Waren von der vereinbarten Qualität abweichen, kann die Entscheidung einem Schiedsgutachter übertragen werden. Der kann für die
Parteien bindend die notwendige
Entscheidung treffen.
Dieses Verfahren ist in der Regel unkompliziert, kostengünstig
und schnell – vorausgesetzt, die
Parteien können sich auf einen
Gutachter einigen und sind am
Ende auch bereit, das Ergebnis zu
akzeptieren. Das wird immer dann
schwierig, wenn dem Gutachter
vorgeworfen werden kann, dass er
ZUR PERSON
Wolfgang
Arenhövel
Insgesamt 17
Jahre hat Wolfgang Arenhövel
am Landgericht
Osnabrück
Recht gesprochen: Zu Beginn
seiner Laufbahn
als Richter (1978 bis 1989), später als Präsident (1999 bis
2005). Aktuell bearbeitet er
Schiedsgerichtsverfahren, ist
aber auch als Mediator und
Ombudsmann im Bereich
Finanzdienstleistungen tätig.
nicht sachgerecht gearbeitet hat,
weil er etwa technische oder wissenschaftliche Regeln nicht beachtet hat.
Seit einigen Jahren vertrauen
Unternehmen immer häufiger auf
die Mediation. Dabei geht es nicht
um eine Streitentscheidung. Mithilfe eines strukturierten Verfahrens unter Leitung eines Mediators suchen die Parteien nach einer eigenständigen und einverständlichen Lösung des Konfliktes. Auf dem Prüfstand steht etwa
die Frage, ob und wie die Verfahrensbeteiligten auch weiterhin
miteinander gute Geschäftsbeziehungen unterhalten können. Am
Ende einer erfolgreichen Mediation steht in der Regel eine vertraglich festgelegte Vereinbarung, die
die Beteiligten selbst ausgehandelt haben. Der Mediator hat keine Entscheidungsgewalt.
Vorteil der Wirtschaftsmediation: Sie ist vertraulich, die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Die
Kosten sind überschaubar. Der
Mediator wird meist nach einem
verhandelbaren Stundensatz bezahlt. Da die Beteiligten die Vereinbarung selbst ausgehandelt haben, ist der Konflikt fast immer
wirklich gelöst. Die Einsatzfelder
der Mediation sind nahezu unbeschränkt – aber manchmal hilft
eben doch noch der Gang zum Gericht.
21
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
GELD & GESCHÄFT
GELD & GESCHÄFT
Kungeleien,
die teuer werden
Auch gegenüber mittelständischen Unternehmen kennt das
Bundeskartellamt kein Pardon – Gezielte Mitarbeiterschulungen helfen
Selbst kleine Firmen
greifen zum Mittel
der Preisabsprache.
Mehr Fälle durch
Kronzeugen und
anonyme Hinweisgeber.
Kartellstrafen können
bis zu zehn Prozent des
Umsatzes kosten.
VON KATRIN TERPITZ
UND VOLKER VOTSMEIER
DÜSSELDORF. Viele Mittelständler
stehen wirtschaftlich stark unter
Druck. Oftverkennen sie, wie gravierend sich vermeintlich harmlose Absprachen mit Wettbewerbern auswirken. Gleichzeitig ist
es für sie schwierig, die immer
strengeren Regeln des Kartellrechts einzuhalten. Betroffene raten: Sind Ermittlungen im Gang,
sollten Firmen umfassend kooperieren. Das wirkt sich strafmildernd aus und kann die Bußgelder drücken oder verhindern.
„Um zehn Uhr morgens standen
plötzlich zehn Beamte vom Kartellamt und der Kripo in meinem Büro.
Es war wie in einem schlechten
Film“, erinnert sich der Manager eines mittelständischen Zulieferers
an den Tag, seit dem er offiziell als
Kartellsünder gilt. Die Beamten filzten die ganze Firma, ein IT-Experte
durchsuchte die Server nach verdächtigen Schlüsselwörtern in allen
Terminkalendern und Mails. „Gegen
fünf Uhr verabschiedeten sich die
Ermittler höflich. Ich war geschockt
und wie in Trance“, sagt der Manager, der nur unter Wahrung der Anonymität sprechen will. Immerhin,
andere Kartellsünder aus dem Mittelstand verweigern zu dem heiklen
Thema jeden Kommentar.
Um dem häufig „erpresserischen
Druck der mächtigen Kunden“ zu
begegnen, hätte seine Firma versucht, mit Konkurrenten Informationen über Preise und Ausschrei-
bungen auszutauschen, rechtfertigt
sich der Manager. Denn die Kunden
drückten mit ihrer überragenden
Marktmacht brutal und unfair die
Preise. „Mit der uns verbleibenden
Umsatzrendite kommen wir nur
mit Mühe über die Runden.“
Viele Kartellsünden im Mittelstand seien „Kinder der Not“, beobachtet auch Kartellrechtsexperte
Martin Klusmann, Partner der
Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Zulieferer würden von
marktmächtigen Einkäufern zum
Teil regelrecht „ausgequetscht“.
Manche sprächen dann Angebote
ab. Meist hätten sie noch nicht mal
einen greifbaren finanziellen Vorteil
davon. Klusmann: „Sie riskieren
viel, um am Markt zu überleben.“
Denn die Gefahr, dass ein Kartell
auffliegt, ist gerade auch für kleinere und mittelgroße Firmen gewachsen. Spätestens seitdem seit einigen
Jahren mitverstrickte Kronzeugen
weitgehend ungeschoren bleiben
und zudem ein anonymes Hinweisgebersystem eingeführt wurde. Allein 2015 hat das Bundeskartellamt
in elf Fällen rund 208 Millionen Euro Bußgelder verhängt. Diese verteilen sich auf insgesamt 45 Unterneh-
2014 wurde
rund eine
Milliarde Euro
an Bußgeld
verhängt.
Harte Strafen
1117,0
V Bundeskartellamt
Vom
verhängte
Bußgelder 1)
v
men und 24 Privatpersonen. 2014
wurden gegen 67 Unternehmen und
80 Privatpersonen rund eine Milliarde Euro Bußgelder verhängt – so
viel wie nie zuvor. Ob Wurst, Bier,
Matratzen, Fertiggaragen, Zucker
oder Schienen – alle möglichen
Branchen sind betroffen, die sich
durch wettbewerbswidrige Absprachen Vorteile sichern wollten.
„Auch wirtschaftliche Schwierigkeiten in einer Branche können keine
Rechtfertigung dafür sein, dass der
Verbraucher mehr für ein Produkt
zahlen muss, als er es bei funktionierendem Wettbewerb getan hätte“,sagt Andreas Mundt, Präsident
des Bundeskartellamts.
Der Kartellsünder aus der Zulieferindustrie zeigt sich inzwischen
reuig. Denn es drohte nicht nur eine Kartellstrafe, die bis zu zehn Prozent des Umsatzes ausmachen
kann. Nun wird die Firma zusätzlich von Kunden im In- und Ausland mit Schadenersatzforderungen
konfrontiert. Hohe Anwaltskosten
und weitere Bußgelder drohen.
„Das sind zum Teil deutlich überzogene Forderungen“, beobachtet
Kartellexperte Klusmann in ähnlichen Fällen immer wieder. „Doch
wer nicht zahlt, bekommt eben unter
Umständen keine Aufträge mehr.“
„Ich bezweifele, dass unseren
Kunden überhaupt Schaden entstanden ist“, meint der reuige Zulieferer. „Die Konzerne haben durch
jahrelang systematisch aufgebautes
Wissen über unsere Kostenstrukturen und mithilfe ihrer Marktmacht
immer ihre geforderten Preise
durchsetzen können.“ Sein dringender Rat an alle Mittelständler: „Risiken und Strafen für ein aufgeflogenes Kartell sind so hoch, dass sie in
keinem Verhältnis zum Nutzen stehen. Lasst Abspracheversuche einfach sein!“
Zu unlauteren Absprachen hatten
sich auch namhafte deutsche
Wursthersteller über viele Jahre im
„Atlantic-Kreis“ getroffen, benannt
nach der ersten Zusammenkunft im
Hamburger Nobelhotel „Atlantic“.
Dort und durch telefonische Rundrufe hätten mehr als 20 Wursthersteller Preisspannen etwa für Brühwurst und Schinken abgestimmt, so
trafen sich namhafte deutsche
Wursthersteller zu Preisabsprachen
Foto: dpa
die Ermittlungen des Kartellamts.
In der Milliarden-Branche existierte
laut Kartellamt „ein tradiertes
Grundverständnis“, sich regelmäßig
über Forderungen von höheren
Preisen auszutauschen.
„Vielen Kartellsündern im Mittelstand sind die Folgen vermeintlich
harmloser Gespräche mit Wettbewerbern gar nicht bewusst“, beobachtet Klusmann. Bei Mitarbeitern
etlicher betroffener Firmen habe es
schlicht an Unrechtsbewusstsein gefehlt. Jeglicher wettbewerbsrelevante Informationsaustausch mit Wettbewerbern sei verboten und werde
genauso geahndet wie direkte Preisabsprachen, betont der Jurist. „Wer
einen Vertriebler der Konkurrenz
zufällig an der Hotelbar trifft und
ein Bierchen mit ihm trinkt, bringt
sich und das Unternehmen in Gefahr.“
Und auch auf Verbandstagungen
kann es schnell rechtlich heikel
werden. Etliche Branchenverbände
spielten hier eine unrühmliche Rolle – sie wurden vom Kartellamt
ebenfalls geahndet wie etwa der
Verband Deutscher Mühlen oder
der Brauereiverband NRW.
Auch Mitarbeitern, die in Kartelle
verstrickt sind, drohen neben persönlichen Bußgeldern hohe zivilrechtliche Forderungen nach Schadenersatz. Denn Vorstand und Aufsichtsrat können zum Wohl des Unternehmens verpflichtet sein, Schäden bei Verantwortlichen geltend zu
machen, so Klusmann. Die Haftpflichtversicherung eines Managers
zahlt oft nicht, weil Wettbewerbsabsprachen zumeist als Vorsatztaten
gelten. In den USA drohten Managern zudem für Kartellrechtsverstöße bis zu zehn Jahre Haft – auch
wenn die Tat in einem anderen
Land begangen wurde, aber auf den
US-Markt ausstrahlt, betont der Anwalt.
Sobald die Kartellbehörden einmal ermitteln, ist es für Firmen vorteilhaft, umfassend zu kooperieren.
Das wirkt sich strafmildernd aus
und kann die Bußgelder drücken
oder verhindern. Nicht alle Unternehmen lassen Kartellvorwürfe auf
sich sitzen. 2010 etwa hatte die EUKommission gegen 17 europäische
Sanitärausstatter Geldstrafen von
insgesamt 622 Millionen Euro verhängt, unter anderem den Keramikhersteller Villeroy & Boch. Er soll
71,5 Millionen Euro zahlen – was et-
wa zehn Prozent des Umsatzes entspricht. Der Vorwurf: Zwölf Jahre
hätten die Firmen Preise für Badeinrichtung wie Spülkästen, Badewannen und Armaturen abgesprochen und künstlich hochgehalten.
„Auch wir haben Revision beim
EuGH im sogenannten Badezimmerkartell eingelegt“, so eine Sprecherin von Villeroy & Boch. Mit einer Entscheidung wird im Laufe
des Jahres gerechnet.
„Erstmals wurde im Badezimmerfall ein Kartell konstruiert zwischen
Herstellern ganz verschiedener Produktgruppen vom Waschbecken bis
zur Duschkabine, die zum Teil auch
noch in ganz unterschiedlichen
Ländern der EU aktiv waren“,
meint Anwalt Klusmann, der Villeroy & Boch in dem Fall vor dem
EuGH vertritt, und hält die Vorwürfe deshalb für größtenteils unschlüssig. Dennoch hat der Traditionshersteller aus Mettlach mit umfassenden Schulungen der Mitarbeiter reagiert: „Denn schon ein vermuteter Kartellverstoß kann ein
Unternehmen wie das unsere empfindlich treffen. Es bindet erheblich
finanzielle und personelle Mittel,
bedeutet langwierige Gerichtsver-
fahren und kann unseren guten Ruf
schädigen.“
Bittere Erfahrungen mit dem deutschen Kartellamt machte der Hersteller der Schokolade Ritter Sport. Aus
heiterem Himmel filzten die Ermittler 2008 die Firmenzentrale im
schwäbischen Städtchen Waldenbuch. Sie verdächtigten die Firma Alfred Ritter, zusammen mit den Wettbewerbern Nestlé, Mars und Haribo
„Wir sind
überzeugt, nichts
Unrechtes getan
zu haben.“
Thomas Seeger,
Leiter Recht bei Alfred Ritter
Preise abgesprochen zu haben. Anfang 2013 zahlte der Schokoladenhersteller schließlich 7,5 Millionen Euro,
um das Kapitel zu schließen.
Doch schmerzhafter als das Bußgeld waren für Ritter die Erfahrungen mit dem Kartellamt. „Wir sind
bis heute fest davon überzeugt,
nichts Unrechtes getan und niemanden geschädigt zu haben“, sagt
Thomas Seeger, Leiter Recht bei Alfred Ritter. „Allerdings war die Belastung für unsere Marke und die
Verunsicherung bei unseren Mitarbeitern so groß, dass wir schließlich
gezahlt haben.“
Man merkt Seeger noch immer an,
wie tief der Frust über das Vorgehen
des Bundeskartellamts sitzt. Viereinhalb Jahre lang habe die Behörde
Druck gemacht und darauf gedrängt,
dass Ritter ein Settlement akzeptiert
und zahlt. Ritter sei in der gesamten
Zeit nicht gehört worden, man habe
nicht einmal die Akten einsehen
dürfen. Das Kartellamt betont, Ritter
die wesentlichen Beweismittel übersandt zu haben. Völlige Akteneinsicht sei in laufenden Ermittlungen
oft nicht möglich.
Für mittelständische und familiengeführte Unternehmen ist es oft
Dieser Text und das Interview
stammen aus dem Handelsblatt. Sie
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„Die Kronzeugenregelung hat unsere Arbeitt deutlich vereinfacht“
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts: Das Kartellrecht begrenzt die Handlungsfreih
iheit marktmächtiger Unternehmen
Angaben
in Mio. Euro
A
VON KATRIN TERPITZ
UND VOLKER VOTSMEIER
717,0
BONN. Allein 2015 hat das Bundes-
kartellamt unter seinem Präsidenten Andreas Mundt gegen 45
Unternehmen und 24 Privatpersonen, darunter viele Mittelständler, Geldstrafen verhängt:
insgesamt rund 208 Millionen
Euro.
434,8
313,7
297,5
316,0
266,7
240,0
189,8
163,9
21,3
Foyer des Hotels Atlantic.
In diesem Hamburger Nobelhotel
schwierig, die immer strengeren Regeln des Kartellrechts einzuhalten.
Im Gegensatz zu Konzernen fehlen
ihnen die Strukturen. Häufig haben
sie keine eigenen Compliance-Beauftragten, wie die Regel-Wächter heute
neudeutsch bezeichnet werden.
Villeroy & Boch hat aus den Kartellvorwürfen Konsequenzen gezogen. „Wir haben eine konzernweite
Compliance-Organisation
aufgebaut, die die Gesetzmäßigkeit unseres Handelns kontrolliert und unsere Mitarbeiter schult“, heißt es. An
Verbandstagungen etwa dürfen nur
Mitarbeiter teilnehmen, die kartellrechtlich geschult sind. Unter anderem müssen sie ein 90-minütiges
Online-Training durchlaufen, bei
dem das Wissen am Ende abgeprüft
wird. Dort werden in anschaulichen
Beispielen Alltagssituationen durchgespielt – vom Besuch einer Tagung
bis zum zufälligen Treffen mit einem Konkurrenten.
„In Schulungen raten wir, Wettbewerbern systematisch aus dem Weg
zu gehen“, betont Anwalt Klusmann. Wenn sich Treffen nicht vermeiden ließen – etwa auf einer
Branchentagung –, sollten sich Mitarbeiter vorab von Juristen beraten
oder begleiten lassen. Klusmann:
„Sobald ein heikles Thema zur Sprache kommt, müssen Mitarbeiter offiziell protestieren, dies gegebenenfalls ins Protokoll aufnehmen lassen
– und sofort den Raum verlassen.“
Für Ritter-Jurist Seeger führt das
zu teilweise absurden Situationen.
Auf Messen wie der Anuga hätten
die Geschäftsführer an der Bar jeweils einen Anwalt hinter sich stehen. „Das ist kein normaler Umgang mehr“, meint er. Aber wohl
immer noch besser, als in Verdacht
unlauterer Absprachen zu geraten.
58,0
4,5
4,5
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
1) Gesamtsumme der addierten Einzelbußgelder
Quelle: Bundeskartellamt · Foto: imago/H. J. Knippertz · Grafik: Matthias Michel
Herr Mundt, viele Mittelständler
klagen, sie müssten quasi die
Straßenseite wechseln, wenn sie
auf einen Wettbewerber treffen –
um nur nicht in den Verdacht
von Absprachen zu geraten. Dürfen Unternehmen einer Branche
überhaupt noch miteinander
sprechen?
Natürlich dürfen und sollen sie
das. Jeder gute Kaufmann kennt die
Grenze zwischen dem sinnvollen
Austausch und verbotenen Absprachen. Das Kartellamt hat es keineswegs besonders auf den Mittelstand
abgesehen. Das ist eine Verzerrung
der Wirklichkeit. Richtig ist: Wir
verfolgen in den vergangenen Jahren Kartelle insgesamt intensiver,
und damit trifft es zwangsläufig in
einer mittelständisch geprägten
Volkswirtschaft auch den einen
oder anderen Mittelständler. Vor allem waren aber auch viele große
Unternehmen betroffen. Denken Sie
an das Zuckerkartell oder die Absprachen der Schienenhersteller.
Fällt es dem Kartellamt heute
leichter, Kartelle aufzuspüren?
Andreas Mundt
Foto: dpa
Durchaus. Die erste richtige
Kronzeugenregelung im Jahr 2006
hat unsere Arbeit deutlich vereinfacht. Wir haben seitdem einige
Verbesserungen eingeführt, zuletzt
etwa ein anonymes Hinweisgebersystem.
Mittelständler sind oft Zulieferer für große Konzerne oder
Handelsunternehmen, die einen
großen Preisdruck ausüben.
Muss das Kartellamt den Mittelstand vor dieser Marktmacht
schützen?
Marktmacht zu begrenzen und
gegen den Missbrauch anzugehen
ist neben der Kartellverfolgung der
Inbegriff von wettbewerbsbehördlicher Arbeit. In jedem Fusionskontrollverfahren gehen wir dieser Frage nach. Missbrauchsverfahren wie
gegen Facebook, die Deutsche Bahn,
die Deutsche Post oder Edeka werden genau deshalb geführt. Das
Kartellrecht setzt der Handlungsfreiheit marktmächtiger Unternehmen Grenzen im Sinne vieler Mittelständler.
Die Bußgelder sind die eine
Sache, oft folgen noch höhere
Schadenersatzforderungen von
Kartellgeschädigten. Ist das
nicht eine Doppelbestrafung?
Es ist doch nur gerechtfertigt,
dass die Geschädigten Schadenersatz
verlangen
können.
Ich
vergleiche das mit einem Dieb,
der ja für seine Tat büßen
muss. Trotzdem will das Opfer seinen Schaden zu Recht ersetzt bekommen. Wer wollte das hinterfragen?
Welche Rolle spielen die Branchenverbände bei Preisabsprachen?
Verbände erfüllen eine sehr
wichtige und zentrale Rolle in unserer Wirtschaft. Es gab allerdings
einzelne Kartelle, die nachweislich
unter den Deckmantel von Branchentreffs bei einem Verband organisiert wurden, etwa beim Süßwaren- oder auch beim Bierkartell.
Mit normaler Verbandsarbeit hat
das nichts zu tun, und das wissen
die Beteiligten auch.
Zum Teil büßen Kartellanten
mit zweistelligen Millionenbeträgen. Warum sind die Beträge
so hoch?
Die Abschreckung spielt sicherlich eine Rolle. Wir sind aber keine Fiskalbehörde, die möglichst
viel abkassieren will. Uns geht es
darum, dass die Märkte gut funktionieren. Die Höhe der Bußgelder
hängt zudem sehr stark von
dem kartellbefangenen Umsatz so-
wie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen
ab. So ist in Verfahren für ein und
dieselbe Absprache ein dreistelliger Millionenbetrag gegen einen
Konzern und ein niedriger sechsstelliger Bußgeldbetrag gegen einen Mittelständler verhängt worden.
Mittelständlern fehlen oft Mittel für professionelles Compliance.
Informationen sind gut zugänglich. Neben uns informieren auch
die IHK und Branchenverbände
darüber, was erlaubt ist und
was nicht. Und im Zweifel sind wir
im Vorfeld im Rahmen des Leistbaren für eine Beratung ansprechbar.
An Preisabsprachen bei Dekorpapieren in 2008 war unter anderem die Osnabrücker Felix Schoeller Holding beteiligt.
Foto: Michael Gründel
Wo die Kartellwächter in der
Region zugeschlagen haben
Millionenstrafen für Absprachen bei Preisen,
Kalkulationen, Kapazitäten und Quoten
VON CHRISTOPH
LÜTZENKIRCHEN
OSNABRÜCK. Bier, Wurst, Span-
platten, sogar Feuerwehrautos:
Die Bandbreite unerlaubter Preisabsprachen, in die Unternehmen
aus der Region verstrickt waren,
ist groß. Tochtergesellschaften
großer Konzerne sind dem Kartellamt ins Netz gegangen, aber
auch typische Mittelständler.
Felix Schoeller Holding, Osnabrück (Spezialpapier): Im Februar
2008 verhängte das Bundeskartellamt 62 Millionen Euro Geldbuße gegen drei Hersteller von Dekorpapieren, darunter die Osnabrücker Felix
Schoeller Holding. Den Unternehmen
wurden Preis- und Kapazitätsstilllegungsabsprachen vorgeworfen.
Elmer, Warendorf (Sanitärgroßhandel): Der Sanitärgroßhändler
Elmer aus Warendorf zählte zu den
neun Unternehmen, die im März
2016 zu einer Strafe von rund 21,3
Millionen Euro verurteilt wurden.
Der Vorwurf der Kartellwächter: Die
Kalkulation der Bruttopreislisten und
Verkaufspreise war abgestimmt.
Schlingmann, Dissen (Feuerwehrlöschfahrzeuge): Verbotene
Preis- und Quotenabsprachen für
Feuerwehrlöschfahrzeuge warf das
Bundeskartellamt im Februar 2011
dem Dissener Hersteller Schlingmann vor. Zusammen mit zwei anderen Unternehmen der Branche musste Schlingmann 20,5 Millionen Euro
Bußgeld zahlen.
Hansen & Rosenthal, Salzbergen
(Raffinerie): Ein Kartell um den
Handel mit Paraffinwachs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) belegte die Europäische Kommission im
Oktober 2008 mit einer Geldbuße in
Höhe von 676 Millionen Euro. An
den Preisabsprachen hatte sich unter
anderem H&R beteiligt, das eine Raffinerie in Salzbergen betreibt.
H. Kemper, Nortrup (Fleisch);
Heinrich
Nölke,
Versmold
Gleich zwei Bußgelder musste die Osnabrücker KME-Gruppe zahlen.
(Fleisch); H. & E. Reinert Holding, Versmold (Fleisch); Sickendiek Fleischwarenfabrik, Neuenkirchen-Vörden;
Westfälische
Fleischwarenfabrik Stockmeyer
(Heristo AG), Bad Rothenfelde;
Franz
Wiltmann,
Versmold
(Fleisch): Weite Kreise zog ein Urteil des Bundeskartellamts gegen 21
Wursthersteller im Jahr 2014. Die Unternehmen hatten sich über Preiserhöhungen verständigt. Betroffen waren unter anderem die Wursthersteller Franz Wiltmann, H. & E. Reinert
und Heinrich Nölke aus Versmold, H.
Kemper aus Notrup, Sickendiek aus
Neuenkirchen-Vörden sowie die
Westfälische
Fleischwarenfabrik
Stockmeyer; sie gehört zur Heristo
AG aus Bad Rothenfelde.
Glunz AG, Meppen (Spanplatten): Insgesamt 42 Millionen Euro
Bußgeld mussten im September 2011
vier Hersteller von Spanplatten,
OSB-Platten und anderen Holzwerkstoffprodukten zahlen. An verbotenen Preisabsprachen war unter anderem die Meppener Glunz AG beteiligt.
KME, Osnabrück (Kupfer): An
einem Kartell um Kupfer-Industrieröhren hatte sich die Kupfer-Industrieröhren KM Europa Metal aus Osnabrück beteiligt. Ende 2003 wurde
das Unternehmen von der EU-Kommission zu einer Geldbuße in Höhe
von 39,8 Millionen Euro verurteilt.
Die Meppener Glunz AG produziert Holzwerkstoffe.
Foto: dpa
Foto: Philipp Hülsmann
Im September 2004 erging ein weiteres Urteil wegen eines Kartells bei
Kupfer-Installationsrohren gegen die
KME-Gruppe. Die Geldbuße wurde
auf 67,08 Millionen Euro erhöht. Die
betroffenen Unternehmen zogen vor
den Gerichtshof der Europäischen
Union, der das Bußgeld im Dezember
2011 bestätigte.
Privat-Brauerei Ernst Barre,
Lübbecke; Radeberger Gruppe
(Oetker), Bielefeld (Bier); Edeka
Minden-Hannover,
Minden
(Handel): Bußgelder wegen Preisabsprachen rund um das Bier verhängte
das Bundeskartellamt gegen die Privat-Brauerei Ernst Barre aus Lübbecke, die zum Bielefelder Oetker-Konzern gehörige Radeberger Gruppe
und gegen Edeka Minden-Hannover.
Zusammen mit vier anderen Brauereien muss Barre laut einer Entscheidung vom Januar 2014 insgesamt
rund 106 Millionen Euro zahlen. Im
April desselben Jahres wurde die Radeberger Gruppe zusammen mit
sechs weiteren Beklagten zur Zahlung
von gut 231 Millionen Euro verurteilt.
Um Preisabsprachen beim Vertrieb
von Bierprodukten der Brauerei Anheuser Busch über den Lebensmitteleinzelhandel ging es in einer Entscheidung des Kartellamts im Mai
2016. Demnach muss die Edeka Handelsgesellschaft
Minden-Hannover
zusammen mit acht weiteren Unternehmen 94 Millionen Euro Bußgeld
zahlen.
Preisabsprachen bei Wurst: Kemper in Nortrup.
Foto: dpa
22
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
GELD & GESCHÄFT
Volle Bücher nach
dem Übergangsjahr
2G Energy aus dem Münsterland profitiert
vom Autarkie-Trend auf dem Energiemarkt
VON STEFAN WOLFF
HEEK. Den großen Energiekon-
zernen ist der Trend ein Graus.
Immer mehr Verbraucher erzeugen ihren eigenen Strom. Auch
Unternehmen versorgen sich zunehmend selbst. Davon profitiert auch die 2G Energy AG aus
Heek im westlichen Münsterland.
Das Prinzip ist uralt und basiert
auf der Dampfmaschine. Gas treibt
einen Motor an, und der erzeugt
Wärme und Strom. Kraft-WärmeKopplung (KWK) heißt dieses Prinzip, das sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Aktuell wird über 16
Prozent des in Deutschland hergestellten Stroms per KWK gewonnen, Tendenz steigend. Denn der
Gesetzgeber fördert KWK.
Erst im Dezember vergangenen
Jahres hat der Bundestag ein neues
KWK-Gesetz verabschiedet. Der
Preisnachlass bei selbst verbrauchtem Strom ist zwar gedrosselt worden, doch dafür steigen die Zuschläge für eingespeisten Strom.
Generell soll KWK weiter gefördert
werden. „Die KWK-Novelle bedeu-
tet für uns Planungssicherheit“,
heißt es im Geschäftsbericht der
2G Energy AG.
In diesem wird das Jahr 2015 wegen der bestehenden Unsicherheiten als „Übergangsjahr“ bezeichnet.
Dennoch konnten die selbst gesteckten Ziele erreicht werden. Der
Umsatz sank auf 152,9 Millionen
Euro (Vorjahr: 186,6 Millionen Euro). Der Gewinn lag ebenfalls mit
2,6 Millionen Euro deutlich unter
dem Vorjahreswert (6,9 Millionen
Euro). Der Konzern begründet diesen Rückgang mit „Vorzieheffekten“ vor der Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im
Sommer 2014. Entsprechend mild
fiel auch das Urteil der Analysten
aus, die zumeist ihre Kaufempfehlung für die Aktien nach Vorlage
der Zahlen beibehielten. Ein Grund
dafür ist der hohe Auftragsbestand.
„Der Anteil noch nicht angearbeiteter Aufträge betrug 52 Millionen
Euro“, heißt es.
Im Jahr 2007 erfolgte der Börsengang der 2G Energy AG. Seitdem werden die Papiere im Entry
Standard der Frankfurter Börse gehandelt. Der Entry Standard ist ein
wenig reguliertes Marktsegment.
Börse
2G Energy produziert Anlagen mit einer elektrischen Leistung zwischen 20 und 4000 kW für den Betrieb mit Erdgas, Biogas und
anderen Schwachgasen sowie Biomethan.
Foto: 2G Energy
Die Transparenzanforderungen an
die Unternehmen fallen deutlich
geringer aus als im hoch regulierten Prime Standard. Insgesamt hat
das Unternehmen 4,3 Millionen
Aktien herausgegeben. 44 Prozent
davon sind frei handelbar, also in
Streubesitz. Im laufenden Jahr haben die Aktien 17 Prozent an Wert
verloren. Sie kosten knapp unter 18
Euro.
Die Unternehmensgeschichte ist
relativ kurz. 1995 gründeten Christian Grotholt und Ludger Gausling
die 2G Energietechnik GmbH in
Heek. Die Namensgebung „2G“
wird abgeleitet aus den Anfangsbuchstaben der Familiennamen der
beiden Gründer. Anfangs konzent-
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Standort Osnabrück
Ein Unternehmen der
riert sich das Unternehmen auf die
Region. Die Kunden kommen vor
allem aus der Landwirtschaft. Einen ersten deutlichen Nachfrageschub erlebt 2G, als im Jahr 2000
das EEG in Kraft tritt.
2G hat sich zu einem führenden
Anbieter von Kraft-Wärme-Anlagen
entwickelt. Die Produktpalette umfasst Anlagen mit einer elektrischen Leistung zwischen 20 kW
und 4000 kW für den Betrieb mit
Erdgas, Biogas und weiteren sogenannten „Schwachgasen“, wie Deponie-, Klär- und Grubengas, Biomethan sowie mit Wasserstoff. Zu
den Kunden gehört zum Beispiel
der FC Union Berlin. Eine mit Erdgas betriebene Anlage versorgt Ver-
waltung, Flutlicht und Rasenheizung des Fußball-Zweitligisten. Eine sehr viel größere Anlage steht in der Kombacher Brauerei. Sie liefert 2000 kW Strom und
fast ebenso viel Wärme. Krombacher schafft es so, durch Eigenversorgung den zugekauften Strom
um 25 Prozent zu reduzieren.
Der Export wird für 2G immer
wichtiger. Im Jahr 2012 eröffnete
die Firma eine Produktionsstätte in
den USA. Im vergangenen Jahr lag
der Anteil des Auslandsgeschäfts
bei 30 Prozent. Mittelfristig soll die
Hälfte aller Geschäfte außerhalb
Deutschlands abgewickelt werden.
Insgesamt arbeiten 566 Menschen
für das Unternehmen.
l
regiona
Blockheizkraftwerke liefern einen Beitrag zur
Energiewende. Sie sparen zwar keine Energie, doch das Gas, das eingesetzt wird, wird mit einer höheren Effizienz verbrannt. Ein Kohleoder Atomkraftwerk verliert etwa
60 Prozent der eingesetzten Energie, wenn es Strom erzeugt. Der sogenannte Wirkungsgrad liegt damit
bei erschreckend niedrigen 40 Prozent. Eine KWK-Anlage kann,
wenn sie richtig dimensioniert ist,
gut läuft und gut betrieben wird,
bis zu 95 Prozent Wirkungsgrad
haben. Das heißt, es gehen nur fünf
Prozent der eingesetzten Energie
verloren.
Envitec punktet mit Flexibilität
Biogasunternehmen legt zu – OLB leidet unter Niedrigzinsen
VON LOTHAR HAUSFELD
LOHNE/OLDENBURG. Obwohl die
Biogasbranche derzeit unter
Druck steht, hat das niedersächsische Unternehmen Envitec mit
seiner Flexibilitätsstrategie im
vergangenen Geschäftsjahr bei
Umsatz und Gewinn kräftig zugelegt. Die Oldenburgische Landesbank (OLB) leidet dagegen
unter den dauerhaft niedrigen
Zinsen sowie größeren regulatorischen Anforderungen als Kostentreiber.
Die Zeiten, in denen die Biogasbranche über jährliche Zubauraten von bis zu 800 Megawatt pro
Jahr jubeln konnte, sind lange
vorbei. Heutzutage freut man sich
über eine Anhebung des ZubauKorridors auf zunächst 150, später
dann 200 Megawatt. Wie andere
Unternehmen auch hat sich die
Envitec Biogas AG auf die sogenannte Flexibilitätsprämie spezialisiert, die Betreibern von bestehenden Biogasanlagen die Möglichkeit einräumt, ihre Blockheizkraftwerksleistung zu steigern und
die Erzeugung von grünem Strom
am Bedarf auszurichten.
Diese Flexibilität zahlt sich am
Markt aus: 2015 hat Envitec auf
Konzernebene den Umsatz um
22,4 Prozent auf 174,9 Millionen
Euro gesteigert. Der operative Gewinn vor Abzug von Abschreibungen stieg von 19,8 auf 21,0 Millionen Euro. Nach Steuern wurde in
2015 ein Konzernjahresüberschuss
in Höhe von 1,4 Millionen Euro erzielt.
Analysten honorieren in einem
schweren Marktumfeld, dass das
Unternehmen insbesondere im Bereich des Anlagenbaus deutlich
zulegen will. Die angestrebte leichte Umsatzsteigerung sowie eine
Verbesserung des operativen Ergebnisses hängen allerdings stark
Kursverlauf Envitec Biogas AG
Angaben in Euro
8,6
8,2
7,8
7,4
7,0
6,6
6,2
5,8
April
Mai
Juni
Kursverlauf Oldenburgische Landesbank AG
Angaben in Euro
15,0
14,6
14,2
13,8
13,0
12,6
12,2
April
an den Entwicklungen der Exportmärkte, insbesondere Großbritannien, ab. An der Börse legt das Papier seit Jahresbeginn stolze 39
Prozent zu.
Die Oldenburgische Landesbank
spürt dagegen Gegenwind: Höhere
Kosten durch verschärfte Regularien bei gleichzeitig sinkenden Erträgen lassen den Börsenkurs fallen. Annähernd 20 Prozent hat das
Papier in den letzten drei Monaten
nachgegeben.
Der Jahresauftakt mit einer weiter verschärften Geldpolitik der
Europäischen Zentralbank hat den
Druck auf die OLB nochmals er-
Mai
Juni
höht: Einen wesentlichen BeitragB
zum Ertrag liefert traditionell der
Zinsüberschuss – dieser gerät immer mehr in Gefahr.
Die Bank will sich noch mehr
auf das Thema Beratung fokussieren und den Kunden die Auswirkungen der niedrigen Zinsen in
vielfältiger Hinsicht darstellen –
von der Baufinanzierung bis hin
zur Altersvorsorge. „Schlanker
werden und wachsen“ will das Unternehmen nach eigener Darstellung. Trotz eines soliden ersten
Quartals schlagen sich die Anstrengungen noch nicht an der
Börse nieder.
23
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
GELD & GESCHÄFT
Der Charme des Schwarms
Alternative Finanzierungsinstrumente: Immer mehr Mittelständler nutzen Geld aus den neuen „Crowds“ privater Anleger
VON ANJA STEINBUCH
hen, also Fremdkapital bereitstellen – wie beim VfL Osnabrück, der
eine Mischform aus Crowdinvesting und Crowdlending wählte, bei
der die Investoren keine Unternehmensanteile, sondern Zinsen erhalten. Sebastian Rüther von der VfLGeschäftsführung: „Für uns ist das
ein perfektes Finanzierungsinstrument.“
Was im Fußball funktioniert,
wird auch von mittelständischen
Familienunternehmen in der freien Wirtschaft als Finanzierungsmethode eingesetzt – zum Beispiel
für Immobilienprojekte. Ein Beispiel: Das Lüneburger Familienunternehmen Garbers Partner baut
seit 45 Jahren Wohnungen. Finanziert hat die Firma ihre Projekte
früher ausschließlich aus Eigenmitteln und mit Bankkrediten. Vor
zwei Jahren hat Geschäftsführer
Klaus Thiele sich erstmals Mezzanine-Kapital von einem Investoren-Schwarm besorgt. Zwei Dutzend private Anleger stellten ihm
1,8 Millionen Euro für ein Wohnprojekt in Hamburg („Bario E“, 51
Wohn- und zwei Gewerbeeinheiten) zur Verfügung. Die Eigenkapital ähnlichen Mittel verschafften
Thiele Handlungsfreiheit: „Ich
hätte die Summe zwar auch ohne
die Anleger zusammenbekommen,
dafür aber meine Liquidität fast
komplett aufgeben müssen.“ Eingesammelt hat das Geld für den
Mittelständler Exporo.de. Die auf
Immobilienfinanzierung spezialisierte Plattform ist mit 19 Millionen Euro Crowd-Kapital für 19
Projekte in drei Jahren die Nummer eins in diesem Segment. Geschäftsführer Julian Oertzen:
„Mittelständler erwarten von uns
eine hohe Prüfungskompetenz
und dass wir für ihr Projekt auch
tatsächlich ausreichend viele Anleger gewinnen.“ Das könne man garantieren. Billig war das Kapital
für Thiele nicht: Sechs bis acht
Prozent Zinsen hat er den Anlegern für ihr eingesetztes Geld gezahlt. Vor wenigen Wochen hat er
für eine geplante Wohnanlage in
der Winsener Bahnhofstraße, die
Mitte 2018 bezugsfertig sein soll,
OSNABRÜCK/LÜNEBURG. Der
Schwarm ist im Kommen.
Spezialisten für die sogenannte
Crowdfinanzierung sammeln
Kapital bei privaten Geldgebern. Zunehmend nutzen auch
Mittelständler dieses Instrument für ihr Geschäft. Der Preis
ist Transparenz. Der Schwarm
will wissen, wofür er Geld gibt.
Die Geschäftsführung des VfL Osnabrück macht es vor: Liquiditätsengpässe können mit einer Finanzierung durch Anleger-Schwarm
gelöst werden. Bereits für die Saison 2014/2015 sammelte der Fußball-Drittligist mehr als 500 000
Euro in Form vom Mini-Darlehen
ab zehn Euro von Fans ein. Zinsversprechen: drei Prozent per anno. Den rettenden Geld-Puffer
brauchte der Fußball-Club für die
Lizenz des DFB. Zweimal bereits
hat Geschäftsführer Jürgen Wehlend die VfL-Investoren seither gebeten, ihre Darlehen zu verlängern. Mit Erfolg: 90 Prozent der
1150 spendablen Unterstützer unterstützen die Lila-Weißen auch
weiterhin.
„Crowdinvesting“,
„Crowdfunding“ und „Crowdlending“ werden
fälschlicherweise oft als Synonyme
verwendet. Doch die drei Formen
der Schwarmfinanzierung unterscheiden sich: Beim Crowdinvesting stecken die Anleger Geld in ein
Start-up, ein Projekt oder ein etabliertes Unternehmen und werden
im Gegenzug zu Anteilseignern –
allerdings ohne Stimmrecht. Entweder profitieren die Investoren
von Gewinnen, oder ihr Geld wird
als Nachrang-Darlehen verliehen,
für das sie Zinsen bekommen.
Beim Crowdfunding erhalten die
Geldgeber keine Anteile, sondern
nur eine symbolische Gegenleistung, eine CD von der Musikgruppe, die sie unterstützt haben, ein
T-Shirt, ein Poster oder freien Eintritt ins Kino für den Film, der mit
ihrem Kapital produziert wurde.
Von Crowdlending spricht man,
wenn Anleger klassisch Geld verlei-
Was mit Crowdinvesting finanziert wird
Investitionen nach Anlageklassen im Jahr 2015 (Angaben in Mio. Euro)
0,5 Filme
6,7 Grüne Projekte
Start-ups 17,0
13,1 Immobilien
Wie viel Geld Gründer eingesammelt haben
Finanzierungsvolumen von Start-ups durch Crowdinvesting (Angaben in Mio. Euro)
17,0
15,0
14,7
6,3
4,2
3,1
3,1
4,3
0,5
2011
2012
2013
2014
I 2015
II 2015 III 2015 IV 2015
2015
Quelle: Für-Gründer.de · Grafik: Matthias Michel
1150 Menschen zählen zu dem Schwarm, der dem VfLOsnabrück 500 000 Euro geliehen hat.Die brauchte VfL-Geschäftsführer Jürgen Wehlend für die Lizenz des DFB.
erneut Geld von Privatanlegern erhalten: Rund ein Dutzend Investoren haben ihm 500 000 Euro zur
Verfügung gestellt. Der Vorteil:
Thiele kann parallel mehrere Projekte finanzieren.
Exporo.de bietet Unternehmen
wie Garbers Partner neben der Kapitalbeschaffung auch die Übernahme der gesamten Kommunikation mit den Kleinanlegern. Der
Mittelständler kann sich ganz auf
sein eigentliches Geschäft konzentrieren. Thiele: „Das ist ein riesiger Pluspunkt.“ Oertzen weist darauf hin, dass Crowdfinanzierung
nur für Mittelständler sinnvoll ist,
die bereit sind, Details ihres Projekts transparent zu machen: „Der
Schwarm will wissen, wofür er
Geld gibt. Dadurch ist die Crowd
aber auch ein guter Indikator, weil
ihre Reaktion zeigt, ob das Vorhaben Erfolg versprechend ist.“
Diesen Vorteil sieht auch Gründungs- und Finanzierungsexpertin
Karen Frauendorf von der IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. „Wir informieren regelmäßig über das Potenzial, das für den
Mittelstand in der Crowd steckt.
Konkrete Crowdinvesting-Projekte
sind jedoch bisher noch Ausnahmen.“
Die Gründe für Crowdfinanzierungen sind unterschiedlich: Einige leihen sich von einem Schwarm
kleiner Anleger Geld, weil sie eine
größere Lieferantenrechnung mit
Skontoabzug bezahlen möchten,
andere, weil sie nicht vor ihrer
Bank alle Ideen offenlegen wollen,
und wieder andere, weil sie sich
von der Mundpropaganda einer
Investoren-Community im Internet Werbeeffekte erhoffen.
Dafür stehen diverse Plattformen zur Verfügung: Companisto
und Seedmatch sind die bekanntesten deutschen Vermittler von
Crowdinvesting. Außerdem gibt es
spezialisierte Plattformen. Dazu
gehören Bankless 24, ein auf den
Mittelstand fokussiertes Portal,
CorwdEner.gy.de für Erneuerbare-Energien-Projekte sowie Exporo.de, Mezzany.de und Zinsland.de, die ausschließlich auf Immobilienfinanzierungen
ausgerichtet sind.
Kurz notiert
Durchgewunken: Der Antrag des
Landes Niedersachsen für eine
steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen
(KMU) hat den Bundesrat passiert. Damit wird sich nun der
Bundestag mit dem niedersächsischen Modell befassen, demzufolge KMU künftig zehn Prozent der
Personalaufwendungen im Bereich
Forschung und Entwicklung direkt mit der Steuer verrechnen
können.
Marktposition ausgebaut: Der
Landmaschinenhersteller
Claas mit Sitz in Harsewinkel
baut mit einem neuartigen Vertrag
seine Stellung auf dem russischen
Markt aus. Als erste ausländische
Firma unterzeichnete das Unternehmen den sogenannten Sonderinvestitionsvertrag, der Claas weitgehend gleiche Rechte wie russischen Konkurrenten einräumt.
Kroaten lernen in Betrieben: 18
junge Männer aus dem kroatischen Vukovar beginnen in Osnabrück ab August eine Ausbildung
als Elektroniker für Energie- und
Gebäudetechnik sowie als Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Das Projekt von Handwerkskammer
und serbisch-orthodoxer Gemeinde Osnabrück bekämpft
den Fachkräftemangel in Osnabrücker Betrieben und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Kroatien.
Ehrenamtlich: Zehn regionale
Unternehmer und Führungskräfte
wurden vom Niedersächsischen
Finanzgericht zu ehrenamtlichen
Finanzrichtern gewählt. Aus der
Region wurden gewählt: Kerstin
Feldkamp (Osnabrück), Gerd
Helming (Meppen), Marion
Heyers (Sögel), Beate Jakobs
(Osnabrück), Heike Kestel (Haselünne), Ira Klusmann (Osnabrück), Peter Koch (Osnabrück),
Guido Maßmann (Belm), Helga
Mestemacher (Bad Essen) und
Karl Schlichter (Fresenburg).
Stiftung: Die Papenburger Meyer Werft will ihren langfristigen
Fortbestand als Familienunternehmen künftig durch deutsche Familienstiftungen regeln. Die Stiftungen sollen die Eigentümerstruktur
und Nachfolge sichern. Parallel
übergibt Werftchef Bernard Meyer den Staffelstab weiter Stück für
Stück an seine drei Söhne.
Magere Bilanz: Die Versuche von
Behörden, IHK und Unternehmen,
junge Flüchtlinge in Ausbildung
zu bringen, fruchten kaum: Nur
zwölf Flüchtlinge haben in den
ersten vier Monaten des Jahres bei
Firmen im Bezirk der IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim Ausbildungsverträge abgeschlossen.
Zugekauft: Die vom Osnabrücker
Jürgen Abromeit geführte Beteiligungsgesellschaft Indus Holding AG hat das H. Heitz Furnierkantenwerk aus Melle gekauft. Die Transaktion muss laut
Holding aber noch vom Kartellamt genehmigt werden. Das Furnierkantenwerk Heitz beliefert
primär den internationalen Markt.
Zu den Kunden gehört auch das
schwedische Möbelhaus Ikea.
Wachstumskurs: Trotz eines
Jahresfehlbetrages nach Steuern
in 2015 sieht der Unternehmer
Hans-Christian Sanders den
Bramscher
Bettwarenhersteller
auf Wachstumskurs. Nach einer
Umsatzsteigerung im vergangenen
Jahr erwartet die Sanders-Gruppe auch für 2016 einen deutlichen
Zuwachs, und zwar auf 58 Millionen Euro.
Abgeschlossen: Der Verkauf der
Osnabrücker Hamm Reno Group
(HR Group), Muttergesellschaft
der Schuhhandelskette Reno, ist
nach Genehmigung durch die Kartellämter in Deutschland und Österreich abgeschlossen. Neuer
Mehrheitsgesellschafter mit 45
Prozent ist jetzt der Finanzinvestor Capiton aus Berlin.
Foto: Helmut Kemme
25. August
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Die nächste „Die Wirtschaft“ erscheint am Donnerstag, 25. August 2016. Anzeigenschluss für
diese Ausgabe ist Freitag, 5. August 2016. Weitere Informationen
im Internet unter der Adresse
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Diese Ausgabe von „Die Wirtschaft“ gibt es auch digital. Sie
finden sie ab dem 2. Juli in der
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HERAUSGEBER: Prof. Dr. Dres. h.c. Werner F. Ebke
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GESCHÄFTSFÜHRER: Joachim Liebler und Axel
Gleie
CHEFREDAKTION: Ralf Geisenhanslüke (Chefredakteur), Dr. Bert hold Hamelmann (Vertreter des
Chefredakteurs), Burkhard Ewert (Stellvertretender Chefredakteur), Dr. Anne Krum (Mitglied der
Chefredaktion)
KOORDINATION: Christian Schaudwet
AUTOREN DIESER AUSGABE: Marcus Alwes, Wolfgang Arenhövel, Christoph Assies, Sarah Engel,
Dirk Fisser, Dr. Berthold Hamelmann, Lothar Hausfeld, Stefanie Hiekmann, Almut Hülsmeyer, KlausPeter Jordan, Svenja Kracht, Sven Lampe, Johanna
Lügermann, Christoph Lützenkirchen, Helmut
Monkenbusch, Harald Preuin, Axel Rotkehl, Christian Schaudwet, Anja Steinbuch, Hendrik Steinkuhl,
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FOTOGRAFEN: David Ebener, Ingrid Fiebak-Kremer,
Philipp Hülsmann, Tim Gallandi, David GonzalesTepper, Michael Gründel, Stefanie Hiekmann, Rolf
Kamper, Helmut Kemme, Gerald Lampe, Sven
Lampe, Jörn Martens, Gerd Mecklenborg, Elvira
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DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
LEBEN &
LEIDENSCHAFT
25
Pizza gegrillt, nicht gebacken
Mit originellem Zubehör für den Kugelgrill liegen Alexander Möhle und Marcel Stabenow aus Löhne voll im Trend
Auf den Pizzaring soll
ein selbst entwickelter
Grill folgen.
Online-Vermarktung
im Fokus: Kooperation
mit Food-Bloggern.
Gewürzmischungen
mit Kräutern aus
biologischem Anbau.
VON SVENJA KRACHT
LÖHNE. Dass die Leidenschaft
zum Beruf wird und man damit
auch noch Erfolg hat, das klappt
nur in seltenen Fällen. Alexander Möhle (42) und Marcel Stabenow (30) aus Löhne ist es gelungen. Seit vier Jahren produzieren sie mit ihrem Unternehmen Moesta BBQ Zubehör für
Kugelgrills. „BBQ“ steht für
Barbecue. Der Markt boomt.
Angefangen haben die beiden
Gründer – der Name Moesta besteht aus den Anfangssilben ihrer
Nachnamen – mit einem Aufsatz,
zum Grillen von Pizza. Mittlerweile gibt es mit etwa 150 Artikeln
fast alles, was das experimentierfreudige Griller-Herz begehrt:
Drehspieße, mit denen das Fleisch
von allen Seiten gleichzeitig garen
kann, eine Wok-Einrichtung, mit
der auf dem Grill sogar Kartoffelpuffer oder eine Paella gelingen,
und inzwischen auch Zubehör wie
einen Pizzaschneider oder eine
Grillbürste, die derzeit bei Amazon auf Platz eins der Verkaufsliste steht. Ihre neusten Kreationen
sind Gewürze. Alles aus biologischem Anbau und mit Zutaten, die
es so nicht im Supermarkt zu kaufen gibt. „Wenn du hochwertiges
Fleisch kaufst, solltest du auch für
die Marinade keine Geschmacksverstärker verwenden“, beschreibt
Alexander Möhle die Botschaft der
neuen Produkte.
Entstanden ist das Unternehmen im Jahr 2012 quasi aus einer
Bierlaune heraus. Alexander Möhle und Marcel Stabenow, die damals noch nebeneinander gewohnt haben, trafen sich regelmäßig zum Grillen. Beide spielten
schon seit einiger Zeit mit dem
Gedanken, selbstständig zu arbeiten. Beim gemeinsamen Grillen
kamen ihnen dann viele Ideen,
von denen sie einige noch am selben Abend verwarfen. Die eine
Idee, über einem Kugelgrill eine
Pizza zuzubereiten, verwarfen sie
aber nicht. „Grillen ist ein großes
Thema in Deutschland – in den
USA aber noch viel mehr. Da ist
ein Barbecue noch mal ein ganz
anderes Event als hier das Grillen“, sagt Alexander Möhle. Die
beiden recherchierten genau dort,
um rauszufinden, was in der deutschen Grillkultur noch fehlt.
Daraufhin hat sich Alexander
Möhle an die Entwicklung für den
Pizzaring gemacht. Marktanalysen
wurden vorher nicht durchgeführt. „Ich habe eigentlich immer
ein ziemlich gutes Gespür, was auf
dem Markt so ankommt und was
nicht“, sagt der 42-Jährige. Wie sie
etwas an den deutschen Griller
bringen, wissen die beiden genau
– sie kommen beruflich nämlich
aus der Marketingbranche und
wissen auch, dass der Fehler vieler
Start-ups darin liegt, beim Marketing zu sparen. „Wenn die Produkte aber billig präsentiert sind, will
sie auch niemand kaufen“, sagt
Marcel Stabenow. Die Löhner arbeiten auch noch immer in ihren
ursprünglichen Berufen. Das bedeutet zwar lange Tage und viel
Stress, aber „wir sind nicht auf unser Geschäft angewiesen. Wenn
wir Gewinn machen, können wir
das Geld sofort in neue Sachen investieren“, sagt Stabenow. Mittlerweile arbeiten acht Teilzeitkräfte
für das Team Moesta BBQ, die sich
unter anderem um die Buchhaltung, das Controlling oder die Logistik kümmern. Ihre größeren
Produkte werden ausschließlich
„Wir hatten
nie den Druck,
das große Geld
zu machen.“
Alexander Möhle,
Moesta BBQ
Haben ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht: Alexander Möhle (links) und Marcel Stabenow.Seit vier Jahren betreiben die Löhner das Unternehmen Moesta BBQ.
von einem deutschen Dienstleister
produziert.
Dass sie heute so erfolgreich
sind, hänge auch damit zusammen,
dass ihr Unternehmen gesund gewachsen ist. „Wir sind klein und
betreiben das Geschäft neben unserem Hauptberuf. Deshalb hatten
wir nie den Druck, das große Geld
zu machen und davon zu leben.
Wir sind jetzt immerhin schon vier
Jahre auf dem Markt“, sagt Alexander Möhle. Und Marcel Stabenow
ergänzt: „Anfangs haben wir uns
total gefreut, wenn wir zwei Bestellungen in der Woche bekommen
haben, mittlerweile sind es rund
1500 pro Monat.“
Der Pizzaring wird in den USA
durch ein Patent geschützt. Die
Unternehmer aus Löhne haben
den Ring erweitert und sich dieses
Produkt in Deutschland schützen
lassen. Im zweiten Jahr kam ihnen
dann die Idee mit dem Drehspieß,
darauf folgte die Halterung für die
Paella-Pfanne. Als sie sich fragten,
welches Zubehör zu den Geräten
passt, sind Pizzaschneider und
Grillbürste entstanden. „Wir sind
an die Sache rangegangen, indem
wir uns die Frage gestellt haben,
was der Kunde an seinem jetzigen
Pizzaschneider vermisst“, erklärt
Alexander Möhle.
Die beiden wissen nicht nur, wie
wichtig Marketing ist, sie wissen
Pizza auf dem Grill: „Wir können es mit jedem Italiener aufnehmen“,
sagen Möhle und Stabenow über ihren patentgeschützten Pizzaring.
auch um die wachsende Bedeutung
der Online-Vermarktung. Moesta
BBQ platziert online Anzeigen bei
Grillmagazinen und arbeitet mit
verschiedenen Food-Bloggern zusammen. Die Blogger testen die
Produkte von Moesta BBQ und bewerten sie in ihren Videos. Aber
würden die wirklich etwas Schlechtes über geschenkte Produkte sagen? „Bei den großen Youtubern
kann man schon sicher sein, dass
sie da ihre ehrliche Meinung präsentieren. Das würden ihre Fans ihnen viel zu übel nehmen, wenn sie
ein schlechtes Produkt empfehlen
würden“, sagt Alexander Möhle.
Auch in den sozialen Netzwerken
Fotos: Moesta BBQ
Ständig auf der Suche nach neuen Ideen: Im zweiten Jahr von
Moesta entwickelten die Jungunternehmer den Drehspieß.
sind die beiden aktiv und haben
neben einer Facebookseite auch eine Facebookgruppe für den direkten Austausch mit und zwischen
den Kunden.
Für die Zukunft sind Alexander
Möhle und Marcel Stabenow
schon am nächsten großen Produkt dran: Sie entwickeln momentan ihren eigenen Grill. Außerdem
soll demnächst ein elektronisches
Einstechthermometer auf den
Markt kommen und eine BBQSpritze, um das Fleisch von innen
zu marinieren.
Für Existenzgründer haben die
beiden ein paar einfache Tipps.
„Man sollte von Anfang an Wert
darauf legen, wie man sich und
seine Produkte präsentiert“, sagt
Marcel Stabenow. Alexander Möhle rät, immer mal wieder in fremden Märkten zu gucken, was es in
Deutschland noch nicht gibt. „Ich
habe schon wieder einige Ideen
zum Beispiel aus den Niederlanden“, so Möhle: „Da frage ich
mich, warum hier noch keiner darauf gekommen ist.“ Generell
komme es immer darauf an, wie
groß das Risiko ist und ob die eigene Existenz davon abhänge, sagen die Jungunternehmer. Am
wichtigsten sei am Ende der Spaß
an der Sache – da sind sich beiden
Löhner einig.
Mit dem Smoker auf Achse
Der Osnabrücker Henning Wiehemeyer setzt auf den Streetfood-Trend
VON STEFANIE HIEKMANN
OSNABRÜCK. Alte Trucks, Busse
und Bullis, die zu rollenden
Gourmet-Garküchen umfunktioniert werden, sind der letzte
Schrei. In Osnabrück ist Henning Wiehemeyer mit seinem
Foodtruck „Der Grillwagen“
unterwegs. Auf Streetfood-Festivals reicht er frisch zubereitete Spezialitäten über den mobilen Tresen. Man kann ihn und
seinen „Smoker“ aber auch zur
Hochzeit oder zum Geburtstag
einladen.
Schon immer hat Henning Wiehemeyer leidenschaftlich gern gekocht. Während des BWL-Studiums an der Hochschule Osnabrück arbeitete er immer wieder
in der Gastronomie. Als Schüler
hatte er ein Praktikum im Steigenberger-Hotel Remarque absolviert. Ausschlaggebend für die
Selbstständigkeit war aber seine
Arbeit beim Osnabrücker Startup Coffee-Bike, das er während
des Studiums kennenlernte. „Da
war mir klar, das will ich auch!“,
erinnert sich Wiehemeyer. Die
Motivation, die man bei einem
Start-up erlebe, verbunden mit
der Gestaltungsfreiheit, hatten
ihn beeindruckt.
Aus einem ehemaligen Feuerwehrauto wurde „Der Grillwagen“.
Wiehemeyer nennt den MercedesBenz-Bus LF 407, Baujahr 1964,
liebevoll „Karl“. Der soll auf privaten Geburtstagen, bei Hochzeiten
und Unternehmensfeiern sowie
auf öffentlichen Festen oder
Streetfood-Festivals für leckeres
Essen sorgen.
Wichtigstes Utensil dabei: Wiehemeyers mobiler Smoker, in
dem er langsam gegartes Pulled
Immer an Bord: Mit seinem mobilen Smoker bereitet Henning Wiehemeyer seine Fleischspezialitäten zu.Für Vegetarier und Veganer ist auch gesorgt.
Foto: Stefanie Hiekmann
Pork aus Schweinefleisch, Spare
Ribs oder auch gesmoktes Hähnchenbrustfilet in heißem Rauch
zubereitet. Für Vegetarier und
Veganer werden Kartoffelecken,
Gemüse, Ananas oder andere
Zutaten gesmokt und mit haus-
gemachten Soßen und Dips serviert.
Wiehemeyer stellt alle Komponenten für sein Menü selbst her.
Dafür nutzt er eine speziell ausgestattete Vorbereitungsküche. In
die Kunst des Smokens hat der Os-
nabrücker sich aus eigenem Interesse nach und nach erarbeitet.
Welches Holz zu welchem Fleisch,
welche Temperaturen für Fisch
oder Gemüse – all diese Fragen
wurden geklärt, bevor „Karl“ erstmals in Gang gesetzt wurde.
Der Fokus des Jungunternehmers liegt auf Veranstaltungen
und Events in und um Osnabrück.
Auch bei den Produkten wird die
Regionalität
großgeschrieben:
Wiehemeyer arbeitet mit regionalen Schlachtereien zusammen und
bezieht sein Brot von örtlichen Bäckereien.
26
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Fantasie vom Band
Die Osnabrücker Künstlerin Katrin Lazaruk gestaltet Porträts aus alten Kassettenbändern
VON SARAH ENGEL
OSNABRÜCK. Die Kassette hat in
deutschen Haushalten ausgedient. Doch eine Osnabrücker
Künstlerin verhilft dem nostalgischen Tonträger zu einem hippen Revival. Mit ihrem Label
„madeinosnabrueck“ fertigt Katrin Lazaruk Porträts aus Kassettenbändern.
Lange Flure, große Räume, viele
Bilder. Die meisten Kinder langweilen sich im Museum. Katrin Lazaruk nicht. In ihrer Kindheit musste
der Spielplatz nicht das Ziel aller
Ausflüge sein. Viel lieber verbrachte sie ihre Zeit in Ausstellungen,
bestaunte die Werke von Künstlern
und griff zu Hause selbst zu Stift,
Farben, Papier oder Pappe und
Schere. Heute gleicht ihr Arbeitsplatz einer Ausstellung. Einen Unterschied zu den alten Meistern im
Museum gibt es allerdings. Katrin
Lazaruk fertig ihre Porträts weder
mit dem Pinsel noch mit Ölfarbe.
Kassettenband und ein Cuttermesser sind ihre Werkzeuge.
Auf den Regalen in ihrem Wohnatelier reihen sich verschiedenste
Kassettenbilder aneinander. Im untersten steht ein Porträt des Regisseurs Woody Allen, direkt über ihm
rekelt sich eine nackte Frau. Gegenüber warten Darth Vader und Elvis
in Folie verpackt auf ihren Versand.
Tape Art nennt sich die Kunst,
die auch aus Klebebändern gefertigt wird. Bunte Streifen lassen auf
Außenfassaden, Leinwänden oder
Holz abstrakte und farbenfrohe Bilder entstehen. Vor acht Jahren kam
Lazaruk die Idee, mit ihrer Kunst
der Kassette zu einem Revival zu
verhelfen.
Kleben,
zeichnen,
schneiden, abziehen und polieren:
Lange probierte sich die gebürtige
Weißrussin, die seit mehr als 18
Jahren in Osnabrück lebt, mit
Klebstoffen und Schneidetechniken
aus, ehe sie mit ihren Werken wirklich zufrieden war. „Meine ersten
Bilder sahen alles andere als gut
aus“, sagt die 28-Jährige. „Heute arbeite ich viel detaillierter.“
Während sie anfangs vor allem
Musiker darstellte, schafft sie heute
aus dem Kassettenband auch Filmund Videospielfiguren, Kinder- und
Alltagsmotive oder individuelle
Porträts ihrer Kunden. Zu ihrem
beliebtesten Bild gehört ein schaukelndes Kind. „Aber bärtige Männer laufen aktuell auch sehr gut,
und ich weiß nicht warum“, sagt
sie und lacht. Mit ihrem Label „madeinosnabrueck“ hat sie sich in den
vergangenen Jahren auf Märkten
und Messen in ganz Deutschland
als selbstständige Künstlerin einen
Namen gemacht.
Dabei dachte Katrin Lazaruk zuvor nie darüber nach, sich selbstständig zu verwirklichen. In ihrer
Dem nostalgischen Tonträger verhilft Künstlerin Katrin Lazaruk in ihrem Atelier zu einem Revival.
Jugend träumte sie davon, Abitur
zu machen und Kunst zu studieren.
Doch nach der Schule ging es für
sie zum Modehaus Lengermann
und Trieschmann. Dort absolvierte
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sie eine Ausbildung zur Schaufensterdekorateurin. Hier lernte sie in
ihrem letzten Lehrjahr ihren Lebensgefährten Steve McGuire kennen, der für L+T die Markthalle gestaltete. Das freie Arbeiten des Osnabrücker Künstlers ließ in Lazaruk den Wunsch reifen, sich auszuprobieren. So verzichtete die damals 19-Jährige auf Sicherheit und
Einfachheit durch eine Übernahme
bei dem Modehaus und wagte sich
in die Selbstständigkeit.
Bereut hat Katrin Lazaruk diesen
Schritt nicht. Bis zum Jahr 2014
verkaufte sie ihre Tape Art und
weitere Kunststücke gemeinsam
mit McGuire in einem eigenen Laden in der Redlingerstraße, der genau wie ihr Label den Namen
„Made in Osnabrück“ trug. Heute
wird in dem Shop Kaffee verkauft,
das Künstlerpaar arbeitet von zu
Hause aus. Mit der Aufgabe des Ladens veränderte sich auch ihr Alltag. Inzwischen fokussiert sich Lazaruks Schaffen vollkommen auf
die Kassettenkunst. In ihrem Atelier produziert sie an manchen Tagen wie am Fließband. „Wenn ich
gut gelaunt bin, schaffe ich zwischen dreißig und vierzig Bilder am
Tag“, sagt die Künstlerin. Meist arbeitet sie an verschiedenen Bildern
parallel. Bis zu zehn Kunstwerke
gestaltet sie parallel: Band befestigen, Motiv aufzeichnen, Form ausschneiden, Folie abziehen und polieren.
Fotos: Jörn Martens
Katrin Lazaruk liebt ihren Job.
So sehr, dass sie an manchen Abenden bis tief in die Nacht über ihren
Werken sitzt. Von der freien Zeiteinteilung ihrer Arbeit profitiert
nicht nur die junge Frau, sondern
auch Hund Charly. Bei gutem Wetter wird die Pause von Frauchen
einfach verlängert, und der MopsSpitz-Mischling freut sich über lange Spaziergänge. Die Zeit, die sie
durch das Gassigehen verliert,
hängt die Unternehmerin einfach
an ihre Arbeitszeit dran.
Auch das Wochenende findet
für Lazaruk anders statt. Während
sie unter der Woche an ihren Bil-
„Als Künstlerin
gebe ich mit
meinen Bildern
Persönliches
preis.“
Kathrin Lazaruk
dern arbeitet und Bestellungen
verschickt, verbringt sie ihre
Samstage und Sonntage auf Messen und Märkten. Denn ihr Stand
in Hamburg, Köln oder Berlin sichert ihr feste Einnahmen. Hier
gewinnt sie neue Kunden und
kann für ihren Onlineshop werben. An die Rolle der Verkäuferin
gewöhnt sich Katrin Lazaruk immer noch. Anfangs sei es für sie
schwierig gewesen, mit ihrer
Kunst nach außen zu treten. „Als
Künstlerin gebe ich mit meinen
Bildern Persönliches preis.“
Ein Schritt, der sich gelohnt hat.
Heute erhält Lazaruk über ihren
Onlineshop Bestellungen aus ganz
Deutschland, mehr als tausend
Kunstwerke verkauft sie pro Jahr.
Für ein Bild verbraucht Lazaruk
eine Kassette. Sorge, dass ihr die
Bänder einmal ausgehen könnten,
hat sie nicht. Wie von selbst füllt
sich ihre Box regelmäßig mit alten
Kassetten. Freunde und Kunden
schicken ihr die Tonträger oder
die Künstlerin holt sie bei den
Spendern ab. Einen Stopmodus
wie im Kassettenrekorder wird es
somit nicht geben. Die Bänder von
Katrin Lazaruk spielen zwar keine
Musik mehr ab, dafür jedoch an
der Wand der Menschen mit deren
Fantasie.
Ein Video aus dem Atelier von
Katrin Lazaruk finden Sie auf
www.noz.de/video
Abbildung zeigt Wunschausstattung gegen Mehrpreis.
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Von bärtigen Männern können Lazaruks
Kunden aktuell nicht genug bekommen.
Wenn Farbe auf Kassettenband trifft, entstehen kunterbunte Kunstwerke, die wie große Gemälde wirken.
27
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Brände löschen im Ramadan
Christian Hagedorn ist nicht nur Profi-Feuerwehrmann in den Emiraten, sondern hilft auch der Feuerwehr in Kenia auf die Beine
VON JOHANNES ZENKER
OSNABRÜCK. Klingt kurios, ist
aber wahr – und auch erfolgreich: Christian Hagedorn aus
Hasbergen wohnt seit fast vier
Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten und kümmert
sich von dort aus um den Aufbau
des Feuerwehrwesens im kenianischen Baringo County.
Christian Hagedorn ist ein echter
Pionier: Er hat nicht nur die erste
Freiwillige Feuerwehr Kenias mitgegründet, sondern auch den Aufbau der ersten Rettungsleitstelle
in dem ostafrikanischen Land organisiert. Unter einer Telefonnummer können dort künftig Feuerwehr und Rettungsdienst alarmiert werden – in Deutschland eine Selbstverständlichkeit, in Nordund Ost-Afrika laut Hagedorn ein
Novum.
Aber wie ist es überhaupt zu
diesem Engagement gekommen?
Für die Feuerwehr hat Hagedorn
schon immer gebrannt. „Ich habe
in der Jugendfeuerwehr und Freiwilligen Feuerwehr Hasbergen angefangen und bin dann nicht
mehr davon losgekommen“, sagt
der 25-Jährige. Vor etwa vier Jahren ist der ausgebildete Feuerwehrmann in die Vereinigten Arabischen Emirate ausgewandert.
Dort ist er bei der Emirates Fire
and Rescue Company im Emirat
Ajman, das rund 20 Minuten von
Dubai entfernt liegt, als Zugführer
auf der Hauptfeuerwache angestellt. „Von dem Jobangebot habe
ich über Bekannte erfahren. Das
Abenteuer hat mich sofort gereizt“, erinnert sich Hagedorn.
Der größte Unterschied zu
Deutschland sei das Wetter: „Es ist
oftmals anstrengend, bei bis zu 50
Grad zu arbeiten.“ Die Arbeit als
Feuerwehrmann in den Emiraten
würde sich in mehreren Punkten
von der in Deutschland unterscheiden: „Hier ist alles ein bisschen größer: die Häuser, die Brände und auch die Fahrzeuge.“ Letzteres hat einen besonderen Grund:
Da die Emirate kein ausgebautes
Hydrantennetz haben, verfügen
die meisten Löschfahrzeuge über
einen mehrere Tausend Liter fassenden Wassertank. Zwar seien
die Strategien auf die begrenzte
Wassermenge ausgelegt, dennoch
könne es passieren, dass das Wasser plötzlich ausgehe. „Dann müssen wir auf Nachschub warten“,
sagt Hagedorn.
Im täglichen Leben spiele in
den Emiraten der Islam eine große Rolle. „Die Gläubigen beten
fünfmal am Tag. Die Aufrufe der
Muezzins sind überall zu hören“,
schildert Hagedorn. Auch seine
Kollegen würden mehrmals am
Tag jeweils rund 10 bis 15 Minuten
beten gehen. „Ein Einsatz geht
aber selbstverständlich vor“, stellt
er klar. Die Gebete könnten nachgeholt werden.
Während des Fastenmonats Ramadan waren bis vor einigen Jahren alle Imbisse geschlossen. Mittlerweile habe sich das Land aber
den Bedürfnissen der vielen Touristen und Christen angepasst. „In
den großen Shopping-Malls gibt es
geöffnete Restaurants. Allerdings
sind diese Bereiche von Sichtwänden umgeben“, sagt Hagedorn.
Und auf der Straße sei es am Tag
nach wie vor verboten zu essen
und zu trinken: „Sonst riskiert
man eine Geldstrafe.“
In den Emiraten hat er auch seine Frau Florence, eine Kenianerin,
kennengelernt, mit der er inzwischen einen einjährigen Sohn hat.
Ein Besuch in der Heimat seiner
Gattin hat ihm den Bedarf an einem funktionierenden Feuerwehrwesen in Kenia vor Augen geführt:
„Es gibt in der Hauptstadt Nairobi
nur eine Feuerwache, und die befindet sich in einem desolaten Zustand.“ Auf dem Land sehe es
noch schlimmer aus: „Dort gibt es
gar kein organisiertes Feuerwehrwesen. Angesichts dieser Zustände
war mir sofort klar: Ich möchte
helfen.“
Hagedorn entschied sich dazu,
neben seinem Vollzeitjob ein Projekt zum Aufbau des Feuerwehrwesens in West-Kenia in Angriff
zu nehmen – genauer gesagt im
Baringo County, einem Verwaltungsbezirk mit rund 11 000 Quadratmeter Fläche und rund 555 000
Einwohnern.
Christian Hagedorn in seiner Dienstuniform der Emirates Fire and
Rescue Company.
Foto: Emirates Fire and Rescue Company
„Angesichts
dieser Zustände
war mir sofort
klar: Ich möchte
helfen.“
Christian Hagedorn
Ein Hotel- und Wohngebäude in Dubai brannte an Silvester. Hagedorn nahm am Löscheinsatz teil.
Foto: dpa
Zunächst trat er mit der Hilfsorganisation ProKapsogo in Kontakt, die sich in West-Kenia vor
allem um den Bau von Schulen
bemüht und ihm sofort Unterstützung zusagte. So profitierte
Hagedorn von deren Kontakten
nach Kenia und vom Lager der
Hilfsorganisation in Augsburg.
Dort werden zum Beispiel Feuerwehrautos und Ausrüstung zwischengelagert, die Unternehmen
oder deutsche Feuerwehren gespendet haben.
Seine Ansprechpartner im Baringo County sind die dortige Regierung und der Chef-Ranger, die
Hagedorn von der Notwendigkeit
einer effektiven und schnellen
Feuerwehr überzeugen konnte.
Die Regierung habe dieses Jahr sogar erstmals den Posten Feuerwehr/Brandschutz in ihrem Haushaltsplan berücksichtigt.
Gestartet ist er allein, inzwischen kümmern sich zehn Personen um administrative Dinge:
sechs von Deutschland und vier
von den Emiraten aus. In Kenia
selbst ist Hagedorn nur einmal im
Jahr, wenn er Urlaub hat. Die
Kommunikation finde folglich
weitgehend über E-Mail oder Telefon statt; rund 15 bis 20 Stunden
investiere Hagedorn pro Woche in
sein Projekt.
Und die ersten Ergebnisse lassen sich sehen: Seit Kurzem ver-
fügt Kabarnet, die Hauptstadt
vom Baringo County, über eine eigene Berufsfeuerwehr mit vier
Mann, die rund um die Uhr das
Löschfahrzeug auf der Feuerwache
besetzen. Im vergangenen Dezember wurde zudem die Freiwillige
Feuerwehr mit 15 Mitgliedern gegründet. Diese werden von den
hauptberuflichen Kräften nach
deutschen Dienstvorschriften geschult. Darüber hinaus werde die
bisher einzige Feuerwache gerade
wiederaufgebaut, und die Arbeiten
an der Rettungsleitstelle sollen im
Juli abgeschlossen sein.
Als nächstes Etappenziel hat
Hagedorn den Bau eines Gerätehauses für die Freiwillige Feuerwehr ins Auge gefasst, wofür jedoch finanzielle Hilfe benötigt
werde. Aus diesem Grund sucht er
in Deutschland nach Unterstützern und verweist auf die Webseite der Feuerwehr: www.fd-baringo.com. Dort können sich Interessierte informieren.
Daneben wird momentan in Zusammenarbeit mit der DLRG Hasbergen eine Rettungsschwimmerstaffel aufgebaut. „Das Land wird
häufig von Überschwemmungen
heimgesucht. Zudem sterben im
Baringosee immer wieder Menschen, die nicht schwimmen können“, sagt Hagedorn. Daher seien
Rettungsboote und -schwimmer
dringend erforderlich, um Menschen zu retten, die festsitzen.
Optimal seien die Zustände im
Baringo County auch mit Berufsfeuerwehr und Freiwilliger Feuerwehr noch nicht, da die Anfahrt in
abgelegene Gebiete teilweise mehrere Stunden in Anspruch nehme.
„Aber eine Basis ist geschaffen“,
freut sich Hagedorn.
Auch Regierungen anderer
Countys seien längst an einer Zusammenarbeit interessiert. So
möchte Hagedorn versuchen, auch
in anderen Gebieten am Aufbau
des Feuerwehrwesens mitzuwirken. Denn der 25-Jährige ist mit
seinem Projekt noch lange nicht
am Ende: „Wir wollen den Menschen einfach helfen. Wenn jemand Feuerwehr und Rettungswagen ruft, sollen die auch kommen.“
electro niemann ist Siemens Solution Partner Automation Drives
Niederlangen, den 7. April 2016
Nun ist es offiziell! Seit Februar 2016 zählt electro niemann zum Solution-Partner-Netzwerk Automation Drives der Siemens AG. Eine
50-jährige Geschäftspartnerschaft mündet in eine qualifizierte Solution-Partnerschaft. Mit dem Besuch der Siemens AG und der damit verbundenen Übergabe einer Urkunde, wurde die Aufnahme in das exklusive Partner-Netzwerk offiziell besiegelt.
Siemens Solution Partner: Erste Wahl für erstklassige Lösungen
Unter dem Namen » Siemens Solution Partner « treten ausgewählte Partnerunternehmen als Lösungsanbieter für das Siemens
Portfolio auf. Diese zeichnen sich durch detaillierte technische Produktkenntnisse aus und sind Experten auf ihrem
Gebiet. Sie tragen maßgeblich dazu bei, das komplexe Portfolio der Siemens AG in den Bereichen Automatisierungsund Antriebstechnik optional an die Bedürfnisse von Kunden anzupassen. Dies trägt entscheidend zur nachhaltigen
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Kunden bei.
v. l.: Michael Gövert, (Vertriebsleiter, Siemens), Johannes Schnelte
(stellv. Geschäftsführer, electro niemann), Siegbert Niemann (Geschäftsführer,
electro niemann), Andreas Gronau (Betreuer Solution Partner, Siemens),
Werner Hartelt (Leiter Automatisierung, electro niemann),
Ludger Völler (Vertriebsbeauftragter, Siemens)
Gründung 1913
ZUKUNFT BRAUCHT HERKUNFT – FIRMENJUBILÄEN 2016
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Bei uns sind Sie
in guten Händen.
Seit 70 Jahren!
IHK-JUBILÄUM 2016 WIR UN
UNTERNEHMEN GEMEINSAM
Unsere IHK wird in diesem Jahr 150 Jahre alt. Am 5. Juni
1866 legte der König von Hannover, Georg V., die Einrichtung von Handelskammern fest. Dieser hoheitliche Akt
erwies sich als Geburtsstunde der wirtschaftlichen Selbstverwaltung in unserer Region.
Von Anfang an sollte die Handelskammer neben der Beratung der Politik auch ihre Mitgliedsunternehmen unterstützen. Insofern war uns der Service-Gedanke bereits
in die Wiege gelegt. Die Geschichte unserer IHK ist daher
Gebäudetechnik | Anlagenbau | Haustechnik | Ser vice | Bad | neue Energien | Heizung | Klima | Sanitär
untrennbar mit der Geschichte unserer Mitgliedsunternehmen verknüpft. Damals waren es 1.457, heute sind es knapp
60.000 Betriebe. Dafür steht die »Idee IHK« noch heute:
WIR UNTERNEHMEN GEMEINSAM.
1946 als Schlosserei in Haselünne gegründet, ist VOSS heute ein bundesweit agierendes Unternehmen in der technischen Gebäudeausrüstung. Zum Unternehmen gehören heute fünf Fachbereiche: Anlagenbau, Haustechnik, Service, Badgestaltung und regenerative Energien. Damit
deckt VOSS den gesamten Bereich der Gebäudetechnik ab. Über 130 Mitarbeiter, davon
15 Auszubildende, kümmern sich bei VOSS um die Zufriedenheit jedes einzelnen Kunden - egal,
ob Privatpersonen, Industrie-, Gewerbekunde oder...
Innovative Gesamtlösungen
in allen Bereichen der Gebäudetechnik.
Martin Schlichter | Präsident
Hammer-Tannen-Str. 38, 49740 Haselünne,Tel. 0 59 61-9 40 40, www.voss-gebaeudetechnik.de
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Zentrale Lingen
Zeitleiste
Vor 100 Jahren entdecken die zwei Brüder
Fritz und Hermann Pfleumer, dass Holz durch
Komprimieren seine Materialeigenschaften
verändert. Die Erfindung von Lignostone® war
die Geburtsstunde der Kunststoffaktivitäten
der heutigen Röchling-Gruppe.
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Breslauer Str. 34-38
49808 Lingen (Ems)
[email protected]
www.emco-group.de
Fritz und Hermann Pfleumer
Gründung 1916
1860
1870
1880
1890
1900
1910
Gründung 1946
1920
1930
Gründung 1866
1
1940
8
www.kath-fabi-os.de
1960
1970
Verkehrsgemeinschaftt Osnabrück
Osn
(VOS)
2008 Akquisition des ersten medizintechnischen Unternehmens
Alte Poststraße 9, 49074 Osn
snabrück
2012 Aufbau eines Produktionsstandorts in Brasilien
Gründung 19
1996
1980
1990
2000
2002
2003
2004
2005
Gründung 1991
Kath. Familien-Bildungsstätte e.V. · Große Rosenstr. 18 · 49074 Osnabrück · 0541 / 35868-0
4
2006
Indien 2007
2007
2008
Der erste Elektrobus 2011
2009
2010
2011
2012
2013
Übergabe 2009
2014
2015
· 67 Hauptamtliche, 312 Honorarkräfte
und 68 Ehrenamtliche
· 798 Veranstaltungen in der FABI zzgl.
Gastveranstaltungen und Projektaktivitäten in den Einrichtungen
Der Generationswechsel ist vollzogen, Andreas Lake (v. l.) und
Christian Voss treten die Nachfolge von Hubert und Peter Voss an.
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· Leitungswechsel in der FABI:
Maria Aepkers wird neue Leiterin
6
gramm enthält über 770 Kurs- und Begegnungsangebote.
In unseren externen Einrichtungen (Stadtteiltreff Haste,
Mehrgenerationenhaus Haste, Familientreff West, Hort
an der Bernhard-Overberg-Schule, an den Projektstandorten „Gut ankommen in Niedersachsen“ in Bersenbrück u.
Gm-Hütte) wurden weitere Veranstaltungsangebote mit
39.000 Besuchern durchgeführt.
Mit über 100 Kooperationspartnern sind wir in Sachen
„Familienbildung“ ganzheitlich unterwegs. Wir begleiten
Familien, damit sie die Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Umbrüche in Lebenszyklen positiv gestalten. Eine
Vernetzung unserer Familienbildung mit der Wirtschaft ist
im Ehrenamtsengagement, in der sozialen und kulturellen
Teilhabe, für die LIFE-BALANCE von Familien und in der Gesundheitsförderung ein ausbaufähiges Segment.
Zeitleiste
Mit dem ersten Elektrobus im Jahr 2011 wurden neue Maßstäbe für den
Nahverkehr gesetzt. Osnabrück war hierbei erneut Vorreiter: sie war die
erste Stadt, die einen Elektrobus im normalen Linienbetrieb einsetzte, der
zweite Elektrobus wurde bereits im ersten Quartal 2013 eingeführt.
7
[email protected]
www.osnabrueck.ihk24.de
Seit 60 Jahren engagiert sich die FABI mit Fachkompetenz
und Engagement für Familien in der Osnabrücker Region. Aktuell sind 67 Hauptamtliche, 312 Honorarkräfte
und über 70 Ehrenamtliche aktiv. Unser Engagement gilt
Menschen aller Generationen, Nationen, Konfessionen,
Familien sowie Singles. In Kursangeboten, offenen Treffs,
projekt- und zielgruppenorientierter Arbeit, berufsqualifizierenden Maßnahmen können Menschen miteinander
und voneinander lernen und Leben gestalten.
Ziele unserer innovativen Familienbildung sind die Stärkung der eigenen und sozialen Kompetenzen, der Bildungsfähigkeit, der Alltagsbewältigung, der Entwicklung
von Selbstbestimmung und Partizipation.
Im Jahr 2015 haben wir 1890 Veranstaltungen in der FABI
und vor Ort in Kitas und Familienzentren durchgeführt.
31.755 TeilnehmerInnen waren zu Gast. Unser neues Pro-
2001
01
Produktionsstart in
Knebusch Rollen GmbH ist seit 25 Jahren ein leistungsstarkes
und erfolgreiches Unternehmen in der Produktion und im
Handel von hochwertigen Rädern, Rollen und Ersatzteilen
für Flurförderfahrzeuge. Die Produkte finden u.a. ihren
Einsatz in der Instandhaltung der allgemeinen Industrie, im
Maschinen- und Anlagenbau und in der Lebensmittelindustrie.
5
8
Elektrobus – die Fortführung des Umweltgedankens
Gründung 1956
1950
2
2007 Produktionsstart in Indien
Gründung 1946
4
Neuer Graben 38
49074 Osnabrück
VOSS
GEBÄUDETECHNIK
Marco Graf | Hauptgeschäftsführer
5
6
30
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Ohne Moos nix los: Sponsoren helfen der Region
Unterstützung wird angesichts leerer öffentlicher Kassen unverzichtbar – Ehrenamtliches Engagement ist unbezahlbar
VON BERTHOLD HAMELMANN
OSNABRÜCK/MELLE. Ein Hoch auf
Sponsoren! Boomende Regionen mit wirtschaftlich gesunden
Unternehmen bedeuten nicht
nur Arbeitsplätze und Einkommen für Menschen. Sie ermöglichen auch ein Sponsoring, ohne
das vieles nicht (mehr) funktionieren würde. Ohne Moos nix
los! Sponsoren springen in (Finanz-) Lücken, die Städte und
Gemeinden angesichts oft desaströser Haushalte nicht mehr füllen können, wie drei zufällig gewählte Beispiele belegen.
Unternehmen aus allen Branchen
haben Sponsoring längst auch als
Kommunikationsinstrument entdeckt. Anders als ein Mäzen, der
seine Unterstützung nicht an eine
direkte Gegenleistung knüpft, will
ein Sponsor in der Regel Wirkung
erzielen. „Und das geht völlig in
Ordnung“, findet Andreas Busemann (55). Seit 18 Jahren führt er
die Geschäfte des Zoos Osnabrück.
In einem langen Prozess verwandelten 35 Millionen Euro einen
maroden Tiergarten in einen „Vorzeigezoo, der in vier, fünf Jahren
am Ziel angekommen ist“.
Ohne die 16 Millionen Euro
Sponsorengelder wäre der Modernisierungsprozess nicht zu stemmen gewesen. Busemann ist
schlichtweg verliebt in den Osnabrücker Zoo, der sich als Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb der zoologischen Gärten erfolgreich behauptet. Und das bei
schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen.
Die Stadt Münster unterstützt
beispielsweise ihren Allwetterzoo
mit 3,8 Millionen. „Wenn wir diese
Summe bekämen, könnten wir
Eintrittspreise zwischen einem
und drei Euro für Kinder bzw. Erwachsene anbieten.“ Denn der
städtische Osnabrücker Zuschuss
beläuft sich lediglich auf 750 000
Euro.
Derzeit sieht der Businessplan
des Osnabrücker Zoos jährlich etwa die Sponsorensumme von einer Million Euro vor. Ein sehr hoher Betrag, den fast 200 große
und kleinere Sponsoren aus der
Das Drachenfest in Melle bleibt ein Familienevent.
Foto: Archiv/Michael Hehmann
Region aufbringen. Die Zoo-Partner nutzen ihr Engagement zur
Image- und Kundenpflege, zur
Mitarbeiter-Motivation und zum
Networking. „Ohne Sponsoren
könnten wir den Zoo nicht betreiben. Eine Insolvenz wäre vermutlich unausweichlich“, so Busemann. So aber könne man sich
weiterentwickeln und für die Besucher einen attraktiven, absolut
tiergerechten Zoo mit Perspektive
anbieten. „Die wunderschöne, naturnahe Lage am Schölerberg
bringt uns einen natürlichen
Standortvorteil im Vergleich mit
anderen Einrichtungen.“
Und da gibt es noch die große
Vision eines Zoos, in dem die Besucher über Baumkronenpfaden,
ohne Gitter, aus der Vogelperspektive und behindertengerecht, die
Tiere beobachten können. In diesen Überlegungen spielen die neue
Löwenanlage und Nashörner eine
entscheidende Rolle. Busemann,
sein hoch motiviertes Zooteam
und der Vorstand setzen auf „Alleinstellungsmerkmale“. Und natürlich auf Sponsoren, die mit ihrem Engagement nicht nur für das
eigene Unternehmen werben, sondern auch „bewusst ein Bekenntnis zur Region ablegen“.
Spaß am Drachenfliegen: Ein
„Team Verrückter im positiven
Sinn“, so Joachim Kreienbrink,
zweiter Vorsitzender des Osnabrücker Drachenclubs „Bleib bloß
oben“, hat seit der Gründung im
Jahr 1992 im Osnabrücker Land
etwas Einmaliges auf die Beine gestellt. Das alle zwei Jahre stattfindende Drachenfest in Melle hat
sich als kostenloses Familienevent
für Jung und Alt mit Ausstrahlung
weit über das Osnabrücker Land
etabliert. In diesem Jahr mussten
die Organisatoren allerdings passen. Personelle Ausfälle waren
nicht mehr zu verkraften. „Unsere
Mitglieder nehmen sich oft für das
Drachenfest zwei Wochen Sommerurlaub. Dann noch die sechs,
sieben Wochenenden davor. Das
ist schon gewaltig. Wenn es aber
zu eng wird, geht das einfach
nicht mehr“, fasst der 60-jährige
Orgelbauer mit bedauerndem Unterton zusammen. Ehrenamtliches
Engagement hat Grenzen. „Muskelkraft“ und langjähriges Knowhow sind nur bedingt ersetzbar.
Schnell war für den ersten Vorsitzenden Andre Schoebe und seinen
Vize Kreienbrink klar, dass in diesem Jahr selbst bei einer teilweisen Fremdvergabe von Aufgabenpakten das Drachenfest nicht finanzierbar sei. Etwa 300 000 Euro, so überschlägige Schätzungen,
koste ein Drachenfest bei Vergabe
aller Arbeiten nach außen. „Für
uns wäre damit das Ding trotz
Sponsorings tot.“ Dank der jahrelang gepflegten Kontakte sei es
bislang immer noch gelungen, die
Finanzierung „irgendwie hinzukriegen“. Auch wenn es immer
wieder ein „echtes Klinkenputzen“
bei alten und neuen Sponsoren bedeute.
Seit Beginn sei das Gelände auf
dem Flugplatz Melle-Grönegau
mit ausreichend Parkflächen, guter Verkehrsanbindung und dem
Engagement des Segelflugclubs
Melle-Grönegau
„ein
echter
Glücksfall“. Auch das Engagement
der Stadt Melle sei stets bemerkenswert gewesen.
Aber: Ohne gesicherte Finanzierung läuft nichts. Zwei Drittel der
Kosten eines Drachenfestes muss
stets über Sponsoring gedeckt
werden. Die Spanne reiche bei den
Einzelbeiträgen von 1000 bis
25 000 Euro. Ansonsten blieben an
Einnahmen nur die Standgelder
der Buden und Getränkestände.
„Eintritt werden wir niemals neh-
Wenn Visionen
Wirklichkeit werden:
Auf Baumkronenpfaden erleben
Besucher des Osnabrücker Zoos die
Tierwelten schon
jetzt teilweise aus der
Vogelperspektive.
Foto: David Ebener
men.“ Abgesehen vom nicht darstellbaren Aufwand, das riesige
Gelände einzuzäunen, sei ansonsten der Charakter eines Familienfestes hinfällig. Also wird telefoniert, Überzeugungsarbeit geleistet. „Oft helfen aber auch Sachspenden bzw. Leihgaben wie
Wechselbrücken oder Container
von Baufirmen der Region, dass es
weitergeht.
Der Termin für das 13. Internationale Drachenfest steht aber: Am
26. und 27. August 2017 steigen
Drachen aller Art wieder auf. Zu
den Höhepunkten der Drachenfestgeschichte gehörte der 2008
aufgestellte Rekord, als 967 Drachen gleichzeitig flogen und diese
Bestmarke im Guinness-Buch der
Rekorde eingetragen wurde.
Sponsoring oder Fundraising
sind für das Osnabrücker Hospiz
nicht das beherrschende Thema,
Zoo-Sponsoren
sorgen für
Spielräume in
Millionenhöhe.
wie der ehrenamtliche Geschäftsführer Jan-Felix Simon (41) erklärt: „Ohne unsere etwa 6000
Einzelspenden hätten wir ein
strukturelles Defizit von fast
500 000 Euro pro Jahr und könnten unsere Arbeit nicht leisten.“
Zur Hospizarbeit zählen neben
den Vereinsangeboten der Ambulante Hospizdienst für Kinder und
Erwachsene, das Stationäre Hospiz,
die
Hospiz-Pflegeberatung/SAPV und Trauerbegleitung.
„Die beste Außendarstellung bekommen wir über unsere 50
Hauptamtlichen und über die weit
über 100 ehrenamtlichen Mitarbeiter.“ Seit über 20 Jahren ist der
Hospizverein in Osnabrück verwurzelt. „Deshalb funktionieren
auch die anlassbezogenen Spenden.“ Ob Jubiläum, Geburtstag
oder Beerdigung, viele bedenken
das Hospiz finanziell. Tendenz:
„Eher abnehmend.“ Das habe mit
Großthemen wie gegenwärtig der
Flüchtlingssituation zu tun. „Da
ändert sich das Spendenverhalten
schon einmal.“ Finanzielle Grundlage seien die Beiträge der über
2000 Mitglieder und die Vergütungsvereinbarungen mit den
Krankenkassen, die aber nicht annähernd kostendeckend seien.
„Spenden bleiben daher für uns
und unsere Arbeit nach wie vor
unverzichtbar.“
Beim Sponsoring im lokalen Bereich gibt es aber auch so etwas
wie den „Fluch der guten Tat“, findet ein Vorstandsvorsitzender, der
namentlich lieber nicht zitiert
werden will. „Wir engagieren uns
gerne.“ Nach außen hänge man es
aber nicht an die große Glocke:
„Wir können uns vor Anfragen
schon jetzt nicht mehr retten.“
Sponsoren – heiß begehrt!
31
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
LEBEN & LEIDENSCHAFT
Cruisen wie Al Capone und Marlene Dietrich
Nach 50 Jahren „Scheunenschlaf“ hat Conrad Engel einen Duesenberg J209 wiedererweckt – Firmengründer kamen aus Lemgo
VON HARALD PREUIN
OSNABRÜCK. 400 PS, 205 Stundenkilometer Spitze, der 80
Jahre alte Duesenberg J209
macht was her. Drei Jahre hat
der Osnabrücker Conrad Engel
investiert, um aus dem Scheunenfund wieder einen Prachtwagen zu machen. In seinen
Glanzzeiten war der schnelle
,Duesi‘ bei Filmgrößen und
Gangstern gefragt.
„Da sind alte Mäusenester hinten
rausgeflogen“, erinnert sich Conrad Engel an den Tag im Frühsommer 2013. Gerade war die rostige
Karosse aus dem Überseecontainer gerollt, da wurde nach dem
Ölcheck die Starterbatterie angeschlossen. Nach zwei Versuchen
hustete die Achtzylindermaschine
den Schmutz aus 50 Jahren Standzeit aus ihren Auspuffrohren.
Alte Autos wieder zum Leben zu
erwecken, das war Engels Metier
über Jahrzehnte. Schon in den
50er-Jahren, während der Lehre in
der ehemaligen DDR, reparierte er
Oldtimer. „Es gab ja nur alte Autos.
Ich habe immer an den Horchs
rumgeschraubt“, schmunzelt Engel.
Als ihm die Kfz-Meisterprüfung
verwehrt wurde, weil er nicht in
die SED eintreten wollte, entschied
er sich für den Westen. Er kam mit
einer D-Mark in der Tasche und begann sich hochzuarbeiten. In
Abendkursen lernte er für die
Meisterprüfung. Mit 25 Jahren
übernahm er eine Tankstelle in Osnabrück, 1971 wurde er RenaultVertragspartner.
Die Leidenschaft für alte Autos
blieb. Sogar aus der DDR kaufte
Engel Oldtimer auf. Doch diesmal
war es etwas Besonderes. Engel
wollte einen amerikanischen Duesenberg J 209 zum Leben erwecken. 50 Jahre hatte die Karosse bei
einem US-Farmer gestanden und
dabei ihre Schönheit eingebüßt.
Engel hatte unter blindem Lack
und Rost, unter Staub und brüchigem Leder, unter Altersflecken und
Scheunengammel die Perle erkannt.
Da fühlte sich der damals 75-Jährige noch einmal richtig herausgefordert. Er wollte aus dem hässlichen
Entlein wieder einen stolzen
Schwan machen. Dabei konnte er
auch auf die Hilfe seines Schwiegersohns Hubertus Menke und dessen
Crew des Oldtimer Centers Osnabrück (OTC) zurückgreifen.
Zeitsprung: Im März 2016 lud
Conrad Engel zum Stapellauf seines „Duesi“ ein. Mitarbeiter, Freunde und Lieferanten, Motor-,
Fotos: Jörn Martens
Der 78-jährige Conrad Engel mit seinem zwei Jahre älteren Duesenberg J 209.Der gebürtige Brandenburger kam 1958 mittellos in den Westen und wurde ein erfolgreicher Unternehmer.
Chrom-, Glasspezialisten, Blechschneider, Polsterer und Verdeckbauer feierten mit dem inzwischen
78-Jährigen den Abschluss der Restauration des Duesenberg. Damit
sei sein Vorruhestand eingeläutet,
verkündete der Oldtimer-Spezialist,
in zwei Jahren werde er dann seine
Rente einreichen.
Jedes Auto hat seine Geschichte,
so auch dieser Roadster von 1936,
der noch in Handarbeit entstanden ist. Die Karosse stammt von
der mit Duesenberg verbandelten
Firma Auburn. Die Maße sind gewaltig: rund sechs Meter von der
vorderen zur hinteren Stoßstange.
Der Wagen hat ein Klappverdeck.
Die elegante Kühlerfigur ist vermutlich eine Einzelanfertigung für den Erstbesitzer des Autos.
„Nein, kein Cabriodach“, sagt Engel, „eher so ein Kinderwagenverdeck.“
Unter der Flügel-Motorhaube
sitzt der monströse Antrieb: ein
Acht-Zylinder-Reihenmotor,
24Ventiler. Laut Tacho hat der Wagen nur 35 000 km auf dem Buckel, gefahren wurde er bis 1960.
Trotz des tief tönenden Blubberns
sendet der Acht-Liter-Motor im
Standgas kaum Vibrationen aus,
doch wenn die 400-PS-Maschine
aufheult, ist die unbändige Kraft
spürbar.
Engels Modell J entstand 1936,
ein Jahr, bevor der Name Duesenberg unter neuen Besitzern langsam von der Bildfläche verschwand. Vielleicht lag es auch daran, dass den „Duesi J“ nicht nur
Filmgrößen wie Clark Gable, Marlene Dietrich und Gary Cooper
fuhren, sondern auch Gangstergrößen wie Al Capone und John
Dillinger. „Vielleicht hat das auch
am Ruhm der Duesenbergs gekratzt“, mutmaßt Engel.
Von den in den 30er-Jahren gebauten 470 Duesenbergs sind übrigens nur 30 Stück nach Europa
exportiert worden. Die Brüder
Friedrich und August Düsenberg
gründeten den Autobauer 1913.
Die jungen Einwanderer stammten aus Lemgo. Das Armaturenbrett vermittelt mit seinen Instru-
Wenn die 400PS-Maschine
aufheult, ist
die unbändige
Kraft spürbar.
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Fahrer während der Fahrt die
Härte der Stoßdämpfer regulieren.
Die Scheibenwischer wurden unabhängig voneinander mit Unterdruck gesteuert.
Conrad Engels „Duesi“ wurde
1940 auf 400 PS getunt. Damit
schaffte der Prachtwagen gute 250
km/h. Der „Duesiburn Speedster“,
wie die Amerikaner das Modell
J 209 tauften, fällt mit seinem
stromlinienförmigen
Hinterteil
auf, ein Verweis auf die Rennwagen dieser Zeit. Genretypisch gibt
es unter der Haube nicht viel
Platz. Immerhin reicht es für ein
Ersatzrad. Und hinter den Sitzen
findet sich unter dem Verdeckkasten ein geschlossener Hohlraum.
Er lässt sich durch eine Seitenklappe hinter der Beifahrertür beladen. Das reicht für eins der
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32
DONNERSTAG, 30. JUNI 2016
LEBEN & LEIDENSCHAFT
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Münster.
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Date mit Kreativschaffenden auf Einladung der IHK und der Wirtschaftsförderung, Osnabrück.
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Leiter Netzregion Cloppenburg/Emsland EWE Netz, spielen
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