Bulletin 2007 I - Kantonsschule Frauenfeld
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Bulletin 2007 I - Kantonsschule Frauenfeld
(1,1) -1- Umschlag_Bulletin_2007_I.indd 18.06.2008 13:02:30 Kantonsschule Frauenfeld kanti-bulletin Ausgabe 2007/I Bildung aktuell: Die Maturaarbeit - Herausforderung und Chance Maturité bilingue: Beitrag zu einer offenen Schweiz Theateraufführung Novecento (1,1) -2- Umschlag_Bulletin_2007_I.indd 18.06.2008 13:02:53 Editorial 3 Bildung aktuell: Die Maturaarbeit Herausforderung und Chance 4 Inhaltsverzeichnis Das Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht 11 „Maturité bilingue“: Beitrag zu einer offenen Schweiz 16 Gentechnologie - hautnah erlebt 19 Novecento - ein Leben lang an Bord 21 Enger im Kontakt mit der Schule: Alumni der Kanti Frauenfeld 23 Kinder, Kerzen und die Faszination des Lernens 24 Studieninfos für Maturandinnen und Maturanden aus erster Hand 25 Mit Bildern durchs Schuljahr 26 1 Herausgabe Schulleitung der Kantonsschule Frauenfeld Redaktion Michael Truniger-Manser, Prorektor Gestaltung Gabriella Köstli, Schuladministration März 2007 2 Editorial „Mit jeder der gelesenen Arbeiten wächst bei mir nicht nur die bewundernde Begeisterung für das Geleistete, sondern es wächst auch das Vertrauen darauf, dass hier eine Generation junger Menschen heranwächst, die kritisch, phantasievoll und konstruktiv mit ihrer Umwelt, mit unserer Gesellschaft, mit alten Überlieferungen und neuen Erkenntnissen umgeht.“ „So war für mich die Zeit der Maturaarbeit zwar sehr arbeitsintensiv, aber voller guter Erfahrungen und Erlebnisse.“ Die Beschäftigung mit diesem Thema war für mich derart beeindruckend, dass sie mich in meiner Studienwahl der Bewegungswissenschaft zusätzlich bestärkte.“ „Auch wenn es nicht immer einfach war, hatte ich immer das Ziel vor Augen und jedes überwundene Tief machte mich ein wenig stärker.“ „Die Maturaarbeit bietet ja gerade auch die Chance, etwas Spezielles zu machen und verschiedene Fächer zu verbinden.“ Wir wollen nicht beschönigen: Nicht alle Maturaarbeiten bestechen durch ausserordentliche Qualität - und sicherlich stellt die Bewältigung der Maturaarbeit nicht für alle Schülerinnen und Schüler ein derart prägendes und positives Erlebnis dar. Dennoch widerspiegeln die obigen Zitate, die allesamt dem Bulletin-Artikel über die Maturaarbeit entstammen, nicht eine schönfärbende Illusion, sondern reale Erfahrungen. Die Maturaarbeit ist für unsere Schülerinnen und Schüler eine ganz grosse Chance - und zwar in vielfältiger Hinsicht. Davon ist in unserer Rubrik „Bildung aktuell“ in dieser Nummer des kanti-bulletins die Rede. Übrigens: Wer sich persönlich von der Qualität der Maturaarbeiten überzeugen will, dem bietet sich anlässlich unserer öffentlichen Prämierungsfeier für Maturaarbeiten am 31. Mai 2007 (19.00 Uhr, Aula) eine hervorragende Möglichkeit. Damit ist das Editorial schon beinahe voll - und ich hätte Sie so gerne noch explizit auf weitere Artikel aufmerksam gemacht: zur Theateraufführung „Novecento“, zu unserem Sprachgrenzen überschreitenden Schulprojekt „Maturité bilingue“, zu ... Am besten überlasse ich Sie der Lektüre. Bis zur nächsten Ausgabe im Herbst! M. Truniger-Manser, Prorektor 3 Bildung aktuell: Die Maturaarbeit - Herausforderung und Chance Michael Truniger, Marco Molteni, Kristina Wyss-Böhni Das geltende Reglement für die Maturitätsausbildung in der Schweiz stammt aus dem Jahre 1995. Damals beschlossen die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und der Bund einen tiefgreifenden Systemwechsel für diesen Bildungsweg. Mit dem neuen Konzept wurden Grundlagen-, Schwerpunkt- und Ergänzungsfächer eingeführt. Als weitere gewichtige Neuerung darf die Einführung einer Maturaarbeit bezeichnet werden. Schülerinnen und Schüler müssen - wie es im Maturitäts-Anerkennungsreglement (MAR) heisst - „allein oder in einer Gruppe eine grössere eigenständige schriftliche oder schriftlich kommentierte Arbeit erstellen und mündlich präsentieren.“ An der Kantonsschule Frauenfeld haben zum ersten Mal im Juni 2001 Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung nach dem neuen Reglement MAR - und damit also auch mit Maturaarbeit - abgeschlossen; im Laufe dieses Jahres schliesst demnach bereits der siebte Jahrgang die Maturaarbeit ab. Grund genug für uns, zurückzublicken und Stimmen zur Maturaarbeit einzuholen. Positive Evaluationsergebnisse für die Maturaarbeit Wird die Maturaarbeit von Lehrkräften resp. Schülerinnen und Schülern geschätzt? Eine Antwort (u. a.) auf diese Frage wünschten sich 2001 auch Bund und EDK, weshalb sie eine gesamtschweizerische Evaluation („EVAMAR“) beschlossen. Im Zuge einer ersten Erhebung wurden 2003 landesweit Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und die Schulleitungen der Gymnasien interviewt. Gemäss dieser Befragung wird die Maturarbeit von allen Seiten im Hinblick auf ihren allgemeinen Bildungswert und das Erlernen selbstständigen Arbeitens geschätzt. Die Maturaarbeit fördere zudem die interdisziplinären Zusammenarbeitsformen der Lehrkräfte. Nach Ansicht einer grossen Mehrheit der Lehrkräfte „profitieren die Schülerinnen und Schüler erheblich von der Maturaarbeit, da sie ihnen ermöglicht, verschiedene Arten von persönlichen, sozialkommunikativen und methodischen Kompetenzen“ zu entwickeln. Ihre Durchführung erweist sich gemäss EVAMAR-Befragung allerdings als nicht unproblematisch: 4 Zeitmangel und zu wenig klare Beurteilungskriterien sind die Schwierigkeiten, die am häufigsten genannt werden. Eine positive Bewertung erfährt die Maturaarbeit auch im Zusammenhang mit der MAR-Evaluation im Kanton Thurgau, die in den Jahren 2001 bis 2004 durchgeführt wurde. Schülerinnen und Schüler geben an - so ist im Schlussbericht nachzulesen -, die Arbeit habe ihnen gut gefallen resp. ihre Kenntnisse erweitert. Zudem sei das Interesse am Thema gewachsen. Auch die befragten Lehrkräfte stellen gemäss Evaluation mehrheitlich positive Auswirkungen der Maturaarbeit auf den Normalunterricht fest. Unterschiede und Vorlieben Gemäss EVAMAR sind die Maturaarbeiten grösstenteils klassische Forschungsarbeiten mit theoretischer oder empirischer Ausrichtung. Interessant sind regionale Unterschiede: So sind z. B. theoretische Forschungsarbeiten in der italienischen Schweiz und in der Westschweiz erheblich stärker vertreten als in der Deutschschweiz. Demgegenüber scheinen empirische Forschungsarbeiten in der Deutschschweiz beliebter zu sein als in den anderen Landesteilen. Diese Ergebnisse lenken unser Interesse auf die Frage, in welchen Fachbereichen am meisten Maturaarbeiten entstehen. Im Rückblick auf die letzten 6 Jahre Maturaarbeit an der Kantonsschule Frauenfeld präsentiert sich die Verteilung gemäss Darstellung auf der nächsten Seite (die Tabelle orientiert sich an der Dezimalklassifikation unserer Mediothek). Im folgenden kommen Schülerinnen zur Sprache, die ihre Maturaarbeit soeben erfolgreich abgeschlossen haben. Sie berichten über ihre persönlichen Erfahrungen während des Entstehungsprozesses. Diese Beiträge sind eingerahmt durch einen Artikel von Peter Giger, Geschichtsund Deutschlehrer an unserer Schule, und Dr. Humbert Entress. Er ist Mitglied unserer Jury, der alljährlich die Maturaarbeiten mit dem höchsten Prädikat zur Prämierung vorgeschlagen werden und die sodann die Preisträger/-innen bestimmt. Dezimalklassifikation 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Total 1. Philosophie. Psychologie 9 12 13 8 14 12 68 2. Religion. Theologie 1 6 7 3 2 2 21 3. Sozialwissenschaften. Politik. Wirtschaft. Recht. Pädagogik. Völkerkunde 16 19 12 25 18 21 111 5. Naturwissenschaften. Mathematik 29 12 19 26 16 19 121 6. Angewandte Wissenschaften. Medizin. Technik. Betriebswirtschaft. Informatik 23 29 24 14 23 25 265 7. Kunst. Kunsthandwerk. Musik. Spiel. Sport 11 17 18 27 29 29 131 8. Sprachwissenschaft. Literaturwissenschaft 7 9 5 5 8 3 37 9. Geographie. Biografien. Geschichte 32 27 30 24 30 27 170 Experten in einem eng begrenzten Bereich Peter Giger, Lehrer für Deutsch und Geschichte Mit dem Wechsel zum heutigen MAR haben dann im Jahr 2000 erstmals alle Maturandinnen und Maturanden eine Maturaarbeit zu schreiben begonnen. So habe ich in den letzten 20 Jahren mehrere hundert grössere selbstständige Arbeiten betreut; die meisten im Fach Geschichte/Staatskunde, einige im Fach Deutsch. Nach wie vor stelle ich mich gerne als Betreuer von Maturaarbeiten zur Verfügung. Ich finde es spannend zu erleben, wie eine solche Arbeit entsteht. Die Schülerinnen und Schüler kommen mit einer rudimentären Idee, machen sich mit dem Umfeld des Themas vertraut, erleben über einige Monate tiefe Einsichten und allenfalls auch verzweifelte Momente, wenn die Übersicht verloren geht oder ein Ende nicht in Sicht scheint. Doch schliesslich werden sie in einem eng begrenzten Bereich zu Experten – und ich kann von ihrem speziellem Wissen profitieren. Beliebte Themen für Maturaarbeiten Bei der Betreuung von Proseminararbeiten am Historischen Seminar der Uni Zürich Ende der 80er Jahre wurde mir klar, dass es für viele Studentinnen und Studenten eine sehr grosse Herausforderung war, eine längerfristige selbstständige Arbeit zu verfassen. Schwierigkeiten bereiteten insbesondere der Umgang mit der Literatur- und Quellenrecherche, aus einer Menge Informationen einen roten Faden zu entwickeln und über eine längere Zeit selbstständig zu planen. Diejenigen, die an ihrer früheren Schule Erfahrungen mit solchen Arbeiten gemacht hatten, waren klar bevorteilt. Ich schilderte meinen Schülerinnen und Schülern diese Erkenntnis mit dem Erfolg, dass von da an alle „meine“ Matura- und Handelsschulklassen freiwillig eine solche selbstständige Arbeit verfassten – wir nannten sie damals schon Maturaarbeit. Im Fach Geschichte nutzen manche Schülerinnen und Schüler die Maturaarbeit zur Erforschung eines Teils ihrer historischen Wurzeln. Sie führen Interviews mit ihren Grosseltern und erfahren, wie es war, als diese jung waren, wie klein deren Handlungsspielraum war, z. B. im finanziellen Bereich, in der Freizeit etc. Oder sie schreiben Berichte über Vorfahren während des Zweiten Weltkriegs, lesen Quellen zu ihrem Wohnquartier Huben oder zur Aumühle in Frauenfeld. Beliebt ist auch die Auseinandersetzung mit einem kritischen Aspekt des Herkunftslandes, wie der Zypernkonflikt, Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg, Chile unter Allende und Pinochet, Goldenes Zeitalter der Niederlande, Geschichte der Assyrer-Suryoye. Nicht selten werden hierbei die Berichte der eigenen Eltern hinterfragt. 5 Häufig werden Themen gewählt, welche die Hintergründe von Ereignissen, die betroffen machen, ausleuchten, z. B. Massaker in Ruanda, Jugend unter Hitler, Frauenhandel. In diese Kategorie gehören auch Themen und vor allem Persönlichkeiten, die faszinieren und zu denen immer wieder geschrieben wird: John F. Kennedy, Martin Luther King, Nelson Mandela, Che Guevara, Kuba, aber auch Mafia. Manchmal hat man auch im Verlauf der Schuljahre irgendwann ein Thema getroffen, das man vertiefen möchte, so entstehen Arbeiten über Elisabeth Kopp (inklusive Interview mit ihr), Brigadier Jeanmaire, Hannibal, Anfänge der Migros, Frauenstimmrecht in der Schweiz, Spracherwerb des Kindes, Maturité bilingue. Schliesslich gibt es noch wirklich exotische Themen, die auch für den Betreuer eine echte Herausforderung sind: Kulturgeschichte des Schuhs, Chinaschilf in der Schweiz, Geschichte des Weines und sein Wesen in Frankreich, Hetären im antiken Griechenland. Schwierigkeiten Die meisten Schülerinnen und Schüler kommen mit wenigen Abmachungen zurecht. Es genügt, zu Beginn in einem „Vertrag“ Treffpunkte und Beurteilungskriterien abzumachen. Es ist dann Sache der Verfasserinnen und Verfasser, sich bei Problemen beim Betreuer zu melden. Mit dieser Politik „der langen Leine“ habe ich gute Erfahrungen gemacht. Gelegentlich braucht es aber gezielte Hilfe: Für manche Schüler ist die Fragestellung eine schwierig zu umschiffende Klippe. Sie wechseln häufig das Thema und landen manchmal an einem ganz anderen Ort. Einmal hat eine Schülerin über Jesus schreiben wollen und nach vielen Umwegen und Gesprächen schliesslich über die amerikanische Aussenpolitik von George W. Bush abgeschlossen. Wieder andere Verfasser haben Mühe, die Fülle der Informationen auf das Wesentliche zu reduzieren und dies dann niederzuschreiben. Selten kann es gar zu einer Schreibblockade kommen. Dann ist der Betreuer echt gefragt. Es kann soweit kommen, dass man jede Woche zusammensitzt und jeweils nur eine klar begrenzte Schreibaufgabe gibt. Relativ häufig verschätzen sich Schülerinnen und Schüler in der Zeit, sie schieben alles hinaus und plötzlich sind die Herbstferien in Sicht und dann pressiert’s wirklich, es kommt zu Nacht- und Nebeleinsätzen – aber auch zur weisen Erkenntnis, dass man das nächste Mal früher beginnen werde. Dann gibt es noch (aber weniger als man annimmt) die Minimalisten, die sich mit dem absolut Notwendigsten zufrieden geben. Sie suchen eine gute Vorlage und schreiben dann alles von dieser aus oder kopieren sie gar in weiten Teilen. 6 Als erfahrener Betreuer spürt man dies bei den Vorbesprechungen und kann entsprechend Einfluss nehmen. Doch es kommt auch vor, dass eine Arbeit oder eine Präsentation inhaltlich oder formal ungenügend ist, dann muss sie nachgebessert werden. Was hat sich geändert in den letzten zwanzig Jahren? Sicher kommen heute die Arbeiten anders daher. Vor zwanzig Jahren noch hat eine Verfasserin die Arbeit der Mutter diktiert, weil sie selbst nicht mit Schreibmaschine schreiben konnte. Heute sind die Arbeiten schon fast professionell, eine gute Bildbearbeitung gehört zwingend dazu. Insbesondere die Präsentationen sind meist sehr ausgefeilt. Inhaltlich hat sich weniger getan, immer noch sind der überwiegende Teil der Arbeiten gut, höchstens die Spannweite zwischen minimalen und wirklich guten Arbeiten ist grösser geworden. Heute gibt es jedes Jahr eine Reihe von herausragenden Maturaarbeiten, die durchaus auch als wissenschaftliche Arbeiten an einer Hochschule durchgehen würden. FAIRytales – Eine Kampagne zur Förderung des fairen Handels Bettina Frauchiger, Klasse 4mc Meine Besuche im Weltladen in Frauenfeld haben mich auf das Thema meiner Maturaarbeit gebracht. Ich war begeistert vom Sortiment des Ladens, vor allem aber vom Gedanken des fairen Handels. Der Grundsatz, Güter so zu produzieren, dass alle Beteiligten davon profitieren, und die Nachhaltigkeit des Anbaus erschienen mir sehr sinnvoll. Leider musste ich feststellen, dass die wenigsten Menschen mit dieser Handelsform vertraut sind. Deshalb wollte ich versuchen, das Bewusstsein für den fairen Handel zu fördern, indem ich mit kreativen Anlässen über dessen Prinzipien informierte. Der anschliessende Apéro war als kulinarischer Einblick in die Welt der nachhaltig produzierten Waren gedacht. Bei meinen Überlegungen bezüglich einer geeigneten Plattform für mein Anliegen stiess ich auch auf den Wochenmarkt Frauenfeld. In Zusammenarbeit mit dem Weltladen Frauenfeld betrieb ich im Spätsommer 06 einen Stand mit Geschenksets, Backwaren, heissem Kaffee und Spezialitäten. Mit dem Marktstand wollte ich ein Kundensegment auf den fairen Handel aufmerksam machen, welches gezielt Produkte nach Qualität und Herkunft auswählt. Im theoretischen Teil meiner Arbeit befasste ich mich mit der Entstehung und der Entwicklung des fairen Handels, dessen Problemen und Chancen sowie mit den wichtigsten Fair-Handels-Unternehmen. Ich untersuchte auch die Unterschiede von konventionellen zu fairen Produktionen. Meine praktischen Anlässe bauten auf den Einsichten, Informationen und Resultaten dieses Teils auf und sollten gezielt verschiedene Altersgruppen ansprechen, denn der faire Handel ist ein Thema, das uns alle betrifft. Der Aufwand für die gesamte Organisation und das Herstellen aller Back- und Esswaren war gross, hat sich aber gelohnt. Alle meine Aktionen wurden gut besucht und ich bekam viele positive Rückmeldungen. So war für mich die Zeit der Maturaarbeit zwar sehr arbeitsintensiv, aber voller guter Erfahrungen und Erlebnisse. Um meine Generation anzusprechen, organisierte ich während eines Schultages einen Coffee-Shop, das „Fairbucks“. Mit Cappuccino, Latte Macchiato, Brownies, Muffins und diversen Fruchtshakes aus fair gehandelten Zutaten wollte ich meine Mitschüler auf das Thema ansprechen und so auch zeigen, was man mit fairem Handel alles machen kann. Um über die wichtigsten Grundsätze und Verbesserungen durch gerechten Handel zu informieren, gestaltete ich zahlreiche Plakate. Als zweite Aktion führte ich die Ausstellung „The Colours of Fair Trade“ im Kaff (Kulturarbeit für Frauenfeld) durch, unterstützt durch das Referat eines Mitarbeiters von Gebana, einer der führenden Fair-Handels-Firmen in der Schweiz. Nebst Informationstafeln baute ich einen kleinen Markt mit Produkten aus dem Weltladen auf, um die Besucher auf das farbenfrohe Fair-Handels-Sortiment aufmerksam zu machen. 7 Füsse - Stützen der Leistung Mitte Mai veranstaltete der Leichtathletikverband in Bern ein Forum zum Thema „Füsse, die Stützen der Leistung“, an dem ich teilnahm. Ich besuchte verschiedene Workshops und erweiterte so meinen Wissenshorizont. Sabrina Baumgartner, Klasse 4md Er trägt uns durchs Leben. Dieser Satz mag simpel erscheinen, doch dahinter steckt ein faszinierendes anatomisches Wunderwerk: der Fuss. Im Grunde genommen weiss jeder, dass einengende, spitzige Modeschuhe mit hohen Absätzen nicht den Bedürfnissen unseres Fusses entsprechen. Dennoch machen wir vor solcher Fussbekleidung nicht Halt. Der Zustand unserer Füsse ist deswegen oft kümmerlich und unbefriedigend, da ihnen zu wenig Sorge und Achtung beigemessen wird. Mit meiner Maturaarbeit wollte ich auf dessen Wichtigkeit aufmerksam machen. Die Fussmuskulatur sollte aus dem Winterschlaf gerüttelt und gestärkt werden. Das Mittel dazu ist Fussgymnastik. Doch wie und wo kann man den Fuss leistungsmässig prüfen, sodass man schlussendlich auch anschauliche Resultate vorweisen kann? Nach langem Recherchieren wurde ich bei der Rennbahnklinik in Muttenz fündig. Der Leiter der Biomechanik-Abteilung, Xavier Kälin, unterstützte mich und stellte mir das ganze Labor während zwei Nachmittagen kostenlos zur Verfügung. Damals war ich mit dem theoretischen Teil noch nicht vertraut, weshalb ich mir zuerst das fundamentale Wissen aneignen musste. In der Stadtbibliothek deckte ich mich mit Literatur zum Fuss ein. Ziemlich schnell wurde mir bewusst, dass der Fuss ein komplexes Gebilde ist. Er besteht aus mehreren Gelenken, die wiederum zusammen Bewegungsachsen ausbilden. 8 Kurz danach folgte in Muttenz ein Eingangstest zur Situationserfassung verschiedener Probanden. Am Morgen trafen wir uns und fuhren gemeinsam im Bus in Richtung Basel. Dort wurden an jedem Probanden eine Stabilometriemessung (zur Messung der Stabilität) und eine Maximalkraftmessung durchgeführt. Bereits zwei Wochen im Voraus hatte ich mich mit Xavier Kälin getroffen. So konnten wir den Ablauf festlegen und ferner führte er mich in die Bedienung der Geräte ein. Dies schätzte ich enorm, denn so konnte ich die Stabilometriemessungen selbst vornehmen. Die folgenden Wochen bis zum Schlusstest wurden der Fussgymnastik gewidmet. Alle meine theoretischen und praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse verarbeitete ich schliesslich in meiner schriftlichen Arbeit. Zurückblickend erachte ich die gute Zusammenarbeit mit der Rennbahnklinik Basel, meiner Betreuungsperson und den Probanden als sehr wertvoll. Die Beschäftigung mit diesem Thema war für mich derart beeindruckend, dass sie mich in meiner Studienwahl der Bewegungswissenschaft zusätzlich bestärkte. Pat Parelli - eine Ausbildungsmethode für Pferde Andrea Spiri, Klasse 4me In meiner Maturaarbeit wollte ich herausfinden, wie gut eine spezielle Ausbildungsmethode für Pferde wirklich ist. Diese Ausbildungsmethode nennt sich Pat Parelli’s Savvy System. Dabei trainierte ich mit einem Pferd ca. 50 Stunden und mass den Lernfortschritt mit drei verschiedenen Parcours. Meine Erfahrungen während der gesamten Arbeit waren vielfältiger Natur. Für den praktischen Teil der Arbeit waren vor allem sehr viel Disziplin, Flexibilität und Feinfühligkeit für das Pferd gefragt. Um optimal trainieren zu können, musste ich jedes Mal von Neuem die Laune des Pferdes herausspüren und je nach dem mein Programm anpassen. Es war sehr wichtig, dass ich konstant trainieren konnte, und deshalb war sehr viel Disziplin meinerseits gefordert. Es gab Zeiten, in denen das Pferd überhaupt keine Fortschritte machte, und ich zweifelte öfters an meinen Fähigkeiten und am Erfolg der Methode. Nur durch meinen Willen und meine Motivation konnte ich solche Tiefs überwinden. Über die Planung einer SAC-Hütte Elisa Frank, Klasse 4mf Die gewonnenen Erkenntnisse aus dem praktischen Teil musste ich natürlich zu Papier bringen. Ich lernte sehr viel über den Umgang mit diversen EDV-Programmen. Da ich die Parcours selbst kreierte, zeichnete ich die Pläne und von den Ausführungen der Parcours erstellte ich ein Video. Auch in Sachen Bildbearbeitung auf dem PC lernte ich mit neuen Programmen umzugehen. Der ganze Weg bis zur fertigen Maturaarbeit wird mir in bester Erinnerung bleiben. Ich konnte mich mit einem Thema befassen, das ich extrem spannend finde und das mich persönlich weiterbrachte. Auch wenn es nicht immer einfach war, hatte ich immer das Ziel vor Augen und jedes überwundene Tief machte mich ein wenig stärker. Schon in der zweiten Kanti hatte ich die Idee, eine Maturaarbeit über SAC-Hütten zu machen. Den Gedanken, selbst eine Hütte an einem neuen Standort zu planen und ein Modell davon zu konstruieren, fand ich faszinierend, da ich gerne etwas mit den Händen mache und somit auch ein „handfestes“ Endprodukt schaffen konnte. Zudem besuchte ich schon seit frühester Kindheit SACHütten, jedoch weniger wegen der Architektur, sondern weil ich von dort aus Berge besteigen wollte. Die Arbeit war dann auch sehr vielseitig. Ich besuchte verschiedene Hütten, übernachtete und arbeitete dort. Ich befragte die Hüttenwarte und Hüttenwartinnen und wertete meine Informationen aus. Dadurch lernte ich, welche Elemente der Innen- und Aussenarchitektur für den Hüttenalltag praktisch sind und welche nicht, was dem Gefühl von Gemütlichkeit entspricht; ich sah schliesslich auch, wie sich eine Hütte in die Landschaft einfügen kann. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse entwarf ich eine eigene Hütte, zeichnete Pläne, baute das Modell und zuletzt machte ich mir auch noch Gedanken zum Energie- und Wasser-Konzept der Hütte. Während der Arbeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich besser vorankam, wenn ich einmal einen ganzen Tag investierte. So musste ich mich nicht immer wieder ins Thema hineindenken. 9 Vor allem der Bau des Modells kostete mich anfangs viel Überwindung, war es doch das erste Mal, dass ich mit Holzpappe „bastelte“. Das Modellieren erwies sich jedoch bald als sehr motivierend, da ich meine zweidimensionalen Entwürfe dreidimensional sehen konnte. Nun bin ich auch stolz, diese praktische Herausforderung angenommen zu haben. Ich würde dieses Maturaprojekt sofort wieder machen. Ich denke, dass vor allem die Motivation entscheidend ist. Man sollte deshalb ein Thema wählen, das einen wirklich interessiert, und ich glaube, alle von uns interessieren sich für irgendetwas, auch wenn es sich dabei nicht um einen typischen Schulstoff handelt. Die Maturaarbeit bietet ja gerade auch die Chance, etwas Spezielles zu machen und verschiedene Fächer zu verbinden. Der Hoffnung ganze Fülle Humbert Entress, Rechtsanwalt und Jury-Mitglied Folgerichtig und überzeugend war für mich die Idee, hervorragende Maturaarbeiten zu prämieren, um sie und – ganz wesentlich – auch die nicht solchermassen ausgezeichneten Arbeiten der Öffentlichkeit bekannt und bewusst zu machen. Wie sonst könnte verhindert werden, dass all die Arbeiten, in denen so viel Engagement, Kreativität und Durchhaltewillen steckt, sofort nach ihrer Beurteilung und Benotung dem Vergessen anheim gestellt würden. Unsicher war ich bezüglich meiner Eignung, der Jury anzugehören, die aus all den sehr guten Arbeiten jene auswählt, die dann prämiert werden. Zwar bin ich es gewohnt, Qualität beurteilen zu müssen, das bringt schon meine Tätigkeit bei der Kulturstiftung des Kantons Thurgau mit sich. 10 Aber gilt das auch für wissenschaftliche Inhalte in Gebieten, mit denen ich ansatzweise zum Zeitpunkt meines eigenen Mittelschulabschlusses, also vor gut dreissig Jahren zu tun hatte? Hier dürfe und könne ich mich auf die fachliche Beurteilung der begleitenden Lehrkraft verlassen, wurde ich beruhigt. Also Zusage. Kurz darauf trafen die ersten Arbeiten zur Durchsicht und Beurteilung ein. Sie übertrafen alle Erwartungen - und zwar in jeder Hinsicht. Ich hatte an schwierige Problemstellungen gedacht, nicht aber an Arbeiten zur theoretischen Mathematik, in denen neue Gesetzmässigkeiten entdeckt wurden. Ich erwartete Sorgfalt und bekam akribische Auseinandersetzungen mit faszinierenden Themen zu lesen. Ich stellte mit grösster Freude fest, wie ungebändigt die Kraft der Innovation und Phantasie in einzelnen Arbeiten zum Ausdruck kam, wie grössten Widrigkeiten Ergebnisse abgetrotzt wurden, wie mit Fleiss und musischem oder wissenschaftlichem Engagement ein Ziel hartnäckig verfolgt wurde. Wie wunderbar auch, zu spüren, wie sich Maturandinnen und Maturanden auf ein vielleicht sogar eher zufällig gewähltes Thema einliessen und dann echte Leidenschaft entwickelten. Meine Faszination und Begeisterung steigerte sich mit jeder gelesenen Arbeit und wurde nur durch die wirklich unangenehme Aufgabe gemindert, aus diesen Arbeiten die zu prämierenden auswählen zu müssen. Wo doch (fast) jede dieser Arbeiten eine besondere Auszeichnung verdient hätte. Die Mitwirkung in dieser Jury ist mir wertvoller Gewinn, für den ich sehr dankbar bin: Mit der Überheblichkeit der idealistisch geprägten 68er Generation war ich besorgt, ob unsere Zukunft bei der so angepassten Jugend wirklich in guten Händen liegen würde. Mir fehlte das Rebellische, das Aufbegehren, die Bereitschaft zur Auseinandersetzung und damit der Wille zu echter Verbesserung. Wahrscheinlich habe ich einfach zu wenig genau hingeschaut, denn genau das, was mir fehlte, entdecke und finde ich nun in diesen Arbeiten. Mit jeder der gelesenen Arbeiten wächst bei mir deshalb nicht nur die bewundernde Begeisterung für das Geleistete, sondern es wächst auch das Vertrauen darauf, dass hier eine Generation junger Menschen heranwächst, die kritisch, phantasievoll und konstruktiv mit ihrer Umwelt, mit unserer Gesellschaft, mit alten Überlieferungen und neuen Erkenntnissen umgeht. Für mich sind es deshalb nicht einfach nur gute oder hervorragende Maturaarbeiten, die einer Beurteilung harren, sondern Bekenntnisse einer Verantwortung, aus denen Hoffnung wächst. Hoffnung in einer Fülle, die ebenso unerwartet wie beglückend ist. Das Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht Christian Meier, Stéphanie Tschanz, Laurenz Wirth, Lehrkräfte für Wirtschaft und Recht Haben Sie soeben verwundert die Banknote rechts betrachtet und entdeckt, dass es sich um eine Fälschung handelt? Haben Sie sich gefragt, ob es wohl erlaubt sei, eine gefälschte Banknote in dieses Bulletin zu kleben? Nimmt es Sie wunder, was passieren würde, wenn viele gefälschte Banknoten in Umlauf gerieten? Wenn ja, dann sind Sie schon beim Stoff, aus dem die Probleme sind, denen im Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht vertieft nachgegangen wird. Schade! Die gefälschte Banknote mit dem Mind-Map, das Ihnen eine Übersicht über den Schwerpunkt Wirtschaft und Recht gibt, ist schon weg. Melden Sie sich bei Andreas Bischoff, Christian Meier, Daniel Ruppen, Roger Stöcker, Annina Villiger, Laurenz Wirth, Stéphanie Tschanz oder Kaspar Ziegler, um ein Exemplar zu erhalten. Nicht nur die eingeklebte Blüte, sondern dieser ganze Beitrag wirft Fragen auf, die mit Strategien gelöst werden können, die im Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht erlernt werden. Effektiv und effizient arbeiten Die Schulleitung ist mit der Bitte an uns gelangt, einen Beitrag über unser Fach zu verfassen. Nun hätten wir natürlich einfach drauflos schreiben können, doch hätten wir damit vieles unnötigerweise dem Zufall überlassen (nach dem Prinzip „Wir wissen zwar nicht, wohin wir fahren, doch wir sind schneller dort“). Ökonomen und Juristen überlegen sich lieber, was ihr Ziel ist und welche Handlungsvarianten sich anbieten. Aus den vielen Lösungsmöglichkeiten kommen für uns nur die in Frage, mit denen sich das Ziel effektiv und effizient, d. h. mit möglichst geringem Aufwand und möglichst wenigen negativen Folgen erreichen lässt. Ökonomen beschreiben dieses Vorgehen mit der Kurzformel „Das Richtige richtig tun“. Sind Sie schon daran, den Beitrag beiseite zu legen, weil Sie sich von derart plakativen Vereinfachungen für die komplexen Probleme unserer Welt nicht beeindrucken lassen? Sie haben Recht. Es wäre zu schön, wenn man mit einfachen Formeln und glücklicher Eingebung die Herausforderungen des Lebens so komfortabel bewältigen könnte. Leider sind oftmals nicht einmal die Probleme, die sich einem stellen, wirklich durchschaubar. Wie will man so überhaupt Handlungsvarianten bezüglich Effektivität und Effizienz genauer unter die Lupe nehmen? Komplexe Probleme überblicken Einen Beitrag für dieses Bulletin zu schreiben, wirft nebst der Frage nach dem Ziel noch viele weitere auf: Welche Zielgruppe wollen wir ansprechen? Welche technischen und gestalterischen Mittel stehen uns dafür zur Verfügung? Wie viel Zeit und Geld darf die Herstellung in Anspruch nehmen? Auf wen muss Rücksicht genommen werden? Gibt es Rechtsgrundsätze, die zu beachten sind? Diesen Beitrag zu schreiben, stellt, wie Sie sehen, ein komplexes Problem dar. Man nennt etwas komplex, wenn es viele Dinge zu berücksichtigen gilt, die unter sich in mannigfaltiger Weise zusammenhängen, sich wechselseitig beeinflussen und die teilweise sogar in Konflikt miteinander stehen. 11 Wenn Situationen unübersichtlich werden, bauen Ökonomen Modelle. Sie haben den Vorteil, dass man die Wirklichkeit wie aus der Vogelperspektive betrachten kann. Mit ihnen schärft man den Blick für das Wesentliche und für Zusammenhänge. Ein solches Modell ist das Anspruchsgruppen-Umweltsphären-Modell der Betriebswirtschaftslehre. Es veranschaulicht, wer Ansprüche an die Unternehmung hat. Indem die Interessen der einzelnen Anspruchsgruppen identifiziert werden, wird klar, welche Zielkonflikte zu bewältigen sind. Mitarbeitende Kunden Konkurrenz Institutionen Unternehmung Staat Kapitalgeber Lieferanten Management Ökologische Umweltsphäre Soziale Umweltsphäre Rechtliche Umweltsphäre Technologische Umweltsphäre Ökonomische Umweltsphäre Natürlich sind wir keine Unternehmung, wenn wir einen Artikel schreiben. Trotzdem ist das obige Modell für unsere Zwecke brauchbar. Je nach Zielgruppe (Kunden), die wir ansprechen, ergibt sich schon ein erster Zielkonflikt: Möchten wir Eltern von potenziellen SchwerpunktfachSchülern ansprechen, so müssen wir vermutlich einen Beitrag schreiben, der ihre Informationsbedürfnisse umfassend abdeckt. Wollen wir die Schüler direkt ansprechen, so glauben wir, dass wir ein paar Effekte einbauen müssen, um überhaupt ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Wahrscheinlich sollte der Artikel auch etwas unterhaltsam sein, damit die Schüler ihn lesen. Möchten wir die Schulleitung (unser Management) beeindrucken, so liegt die Präferenz wohl eher bei einem Artikel, in dem wissenschaftliche Ansätze im Vordergrund stehen, die auf das hohe Qualitätsniveau unseres Fachs hinweisen. Stört es Sie als Schüler, dass wir Sie als jemanden beschreiben, der auf sachliche, informative und wissenschaftliche Artikel nicht anspricht, sondern eher unterhaltsamen Effekten verfällt? Dann haben wir Sie offenbar falsch eingeschätzt. Mit der Schwierigkeit, dass man seine Zielgruppe nicht gut kennt, hat man auch in der Betriebswirtschaft zu kämpfen. 12 Das Verhalten und die Bedürfnisse seiner Zielgruppe herauszufinden, ist deshalb äusserst wichtig. Sonst baut man seine Strategie auf falschen Annahmen auf, was sie mit grosser Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt. Um repräsentative Erkenntnisse zu erhalten, bedarf es ausgeklügelter Marktforschung und sauberer statistischer Methoden.1 Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Hunderte von Büchern mit der Erforschung der Kunden befassen und dass Statistik im Wirtschaftsstudium einen wichtigen Platz einnimmt. Doch mit den Kunden ist es noch nicht getan. Weitere Gruppen stellen Ansprüche an unseren Artikel: Die Fachschaften der anderen Schwerpunktfächer (Konkurrenz) wünschen einen Artikel, der sachlich und fair informiert und unser Schwerpunktfach nicht übermässig attraktiv erscheinen lässt. Die Steuerzahler (Kapitalgeber) möchten einen Beitrag, dessen Produktion die Kosten nicht ausufern lässt, und wir Verfasser (Mitarbeitende) hätten am liebsten, dass das Verfassen des Texts nicht auf Kosten unserer Freizeit geht. Nebst den Anspruchsgruppen sind aber auch die Entwicklungen in den Umweltsphären zu beachten. Die technische Umweltsphäre kommt uns sehr entgegen. Vor einigen Jahren wäre es schwieriger gewesen, die Idee der gefälschten Banknote zu verwirklichen. Dank dem technologischen Fortschritt verfügen wir über eine Digitalkamera. Die geschossenen Bilder direkt in ein Textdokument einzufügen, ist heute eine Sache von Sekunden, während wir vor ein paar Jahren diesen Auftrag einem Grafiker übertragen mussten. Was die Technik vereinfacht hat, ist allerdings im rechtlichen Bereich komplizierter geworden. Dinge zu kopieren und für eigene Produkte weiter zu verwenden, ohne dem Hersteller durch Zitieren die Ehre zu erweisen, ist in der wissenschaftlichen Arbeit zwar seit jeher tabu. Doch im Alltag hat der sorgfältige Umgang mit geistigem Eigentum und Daten anderer Personen erst seit knapp 15 Jahren dank dem Urheberrechtsgesetz und dem Datenschutzgesetz Einzug gehalten. Diese Rechtsgrundlagen wurden ihrerseits nur möglich, weil in der Gesellschaft (soziale Umweltsphäre) ein Umdenken stattgefunden hatte. Prioritäten begründet setzen und Entscheidungen treffen Modelle vereinfachen die Probleme der Ökonomen. Doch dies ist nur die halbe Miete. Jedes Projekt erfordert, dass man Prioritäten setzt und Entscheidungen trifft, ganz nach dem alten Sprichwort: „Allen Leuten recht getan ist eine Kunst, die niemand kann.“ Wir haben uns deshalb entschieden, die Bedürfnisse der Schüler in den Vordergrund zu stellen und andere, z. B. die der Verfasser, weniger zu gewichten. Wieso? Wir versprechen uns davon den grössten Nutzen. Ökonomen behelfen sich dabei eines Werkzeugs, das bezeichnenderweise Nutzwertanalyse heisst. Man listet alle möglichen Nutzen auf, die von einer Lösung zu erwarten sind. Dann überlegt man sich, welche Nutzen die wichtigsten und welche nebensächlich sind. Danach werden sie gewichtet. Hierauf verteilt man für jede Lösung, die man in Betracht zieht, pro Nutzen eine Note. Die Lösung, deren Nutzen mit dem jeweiligen Gewicht multipliziert am meisten Punkte erzielt, wird bevorzugt. Böse Zungen behaupten, dass Wirtschaftsstudenten (und -innen!) sogar ihre Lebenspartner nach diesem Prinzip auswählen, wie Sie am folgenden Beispiel nachvollziehen können. Die Studentin S. Müller ist sich nicht sicher, ob sie sich für ihren Studienfreund R. Meier oder für Mister Schweiz 2006, Miguel San Juan, entscheiden soll, der ebenfalls an derselben Uni studiert. Die Nutzwertanalyse (siehe unten) fördert zutage, weshalb R. Meier die bessere Wahl als Mister Schweiz 2006 ist. Zwar gibt S. Müller beiden Kandidaten bezüglich Bildung, Alter und Gesundheit die gleichen Noten, doch schneidet R. Meier in den Kriterien besser ab, welche sie stärker gewichtet. Nach demselben Prinzip erhalten Sie übrigens auch Ihren Maturitätsausweis. Es gibt Kriterien, die stärker gewichtet werden als andere. Allerdings gibt es für die Maturität noch eine Erweiterung durch so genannte KillerKriterien. Wenn z. B. Ihre Maturaarbeit nicht genügend ist, nützen Ihnen alle anderen Qualitäten nichts. Kriterium Gewicht % Äusseres Bildung Charakter Finanzen Alter Gesundheit Interessen Total 5% 10% 30% 10% 5% 20% 20% 100% Note Meier (1-6) 4 5 6 3 5 6 6 Pkte Meier 20 50 180 30 25 120 120 545 Note Mr. CH (1-6) 6 5 4 5 5 6 2 Pkte Mr. CH 30 50 120 50 25 120 40 435 Nutzwertanalyse für Lebenspartner Lösungen kreativ gestalten Auch nachdem wir uns entschieden haben, unseren Beitrag hauptsächlich für unsere Schüler zu schreiben, weil wir uns davon den grössten Nutzen versprechen, stehen uns noch viele Möglichkeiten offen, wie der Beitrag gestaltet werden könnte. Ein hilfreiches Werkzeug der Ökonomen ist der morphologische Kasten. Wie viele praktischen Dinge, derer sich die Ökonomen bedienen, wurde auch er nicht von einem Ökonomen erfunden, sondern vom Schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky (1898 – 1974). Der morphologische Kasten ist ein Kreativitätswerkzeug, dessen Stärke darin liegt, ein vielschichtiges Problem mit Erfindergeist und trotzdem systematisch zu lösen, indem man ein Problem in seine Teilprobleme zerlegt und dafür in einer Matrix alle erdenklichen Ausprägungen darstellt. Die Matrixdarstellung erlaubt es, Kombinationen zu erkennen und daraus die optimale Variante zusammenzufügen. Einen vereinfachten morphologischen Kasten zu unserem Problem „Wie sollen wir den Artikel verfassen?“ sehen Sie in der nächsten Abbildung. Mister Schweiz 2006 studiert Betriebswirtschaftslehre an der Uni Fribourg2 Wir entscheiden uns für die orange eingefärbte Variante. Wir wollen kommentieren, wie Ökonomen und Juristen an ein Problem herangehen. Wir verwenden öffentlich zugängliche Bilder und veranschaulichen einige Aussagen mit Tabellen. Wir werden die falsche Note als Beilage einkleben, damit der Leser sie heraustrennen und auch die Rückseite lesen kann. 13 Teilproblem Textform Fotos Ausprägungen Reportage Kommentar keine von KSF Strukturen Beilagen Inhalt keine keine ein Thema exemplarisch wissenschaftlich Stil Diagramme perforiert einige Bereiche streifen sachlich Interview öffentliche Tabellen gestanzt umfassend mit Augenzwinkern Bericht selber erstellt Listen geklebt Vergleich kontrovers Morphologischer Kasten Da wir nicht den Platz haben, unser Fach umfassend darzustellen, müssen wir uns inhaltlich auf ein paar Hauptbereiche beschränken. Wir verzichten bewusst auf eine wissenschaftliche Abhandlung und wählen stattdessen den augenzwinkernden Ansatz. Rechtsgrundsätze beachten Nun sind wir soweit, dass wir unser komplexes Problem überblickt, reduziert und verschiedene Lösungen betrachtet haben. Wir haben uns schon ziemlich konkret dem genähert, was wir verwirklichen wollen. An dieser Stelle möchten wir uns aber zu unserer Lösung ein paar weitere Fragen stellen. Wir sind ja der Meinung, liebe Lesende, dass wir in diesem Artikel ein paar Effekte einbauen müssen, damit wir überhaupt Ihre Aufmerksamkeit erhalten. Marketing-Spezialisten nennen solche Effekte „Eye-Catcher“, also etwas, womit das Auge des Lesenden gefangen wird. Dies hoffen wir mit unserer gefälschten Banknote zu erreichen. Dabei machen wir uns ein altes Werbeprinzip namens AIDA zunutze. Werbung, die so aufgebaut ist, zieht zuerst die Aufmerksamkeit (Attention) des Beworbenen auf sich, denn ohne Aufmerksamkeit kann er nie Interesse (Interest) an der Werbebotschaft entwickeln und schon gar kein Verlangen (Desire) nach dem, was mit der Botschaft angepriesen wird. Dass somit auch keine Handlung (Action) beim Empfänger ausgelöst werden kann (z. B. Besuch des Schwerpunktfachs W+R), versteht sich von selbst. Die Frage, die sich uns stellt, ist allerdings, wie weit wir gehen dürfen, um Ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Heiligt der Zweck die Mittel? Dürfen wir wirklich eine gefälschte Banknote einkleben? Dürfen wir, um unser AIDA-Beispiel zu veranschaulichen, die Plakatwerbung von Benetton verwenden? Sie zeigt die ehrenamtliche UNO-Mitarbeiterin Marianna Handler, die als freiwillige Aufseherin an einem FKK-Strand arbeitet. 14 Heiligt der Zweck die Mittel? Benetton-Werbung im Jahr 20013 Die Frage lässt sich aus zwei Perspektiven angehen: Die eine ist die rechtliche, die andere die moralisch-ethische. Ähnlich wie wirtschaftliche Modelle helfen rechtliche Problemlösestrategien, komplizierte Situationen übersichtlicher darzustellen. In einem ersten Schritt überlegen sich Juristen, wessen Interessen durch eine Tat, in unserem Fall die Fälschung der Banknote, tangiert werden könnten. Es liegt im Interesse jeder Person in diesem Land, dass Geld, das sich im Umlauf befindet, „echt“ ist und somit als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptiert wird. Geld hat ja überhaupt erst ermöglicht, dass Tauschgeschäfte effizient abgewickelt werden können.4 In einem zweiten Schritt sucht der Jurist nach passenden Gesetzen, die diese Interessen schützen. Dabei gibt es eine Vielzahl von Artikeln, die scheinbar zu unserer Tat (Sachverhalt) passen. Daraus gilt es denjenigen Artikel zu finden, dessen Beschreibung (Tatbestandsmerkmale) genau mit dem vorliegenden Sachverhalt übereinstimmt. Dies ist wichtig, weil nur dann die im entsprechenden Artikel beschriebene Konsequenz (Rechtsfolge) eintreten kann. Für unser Vorhaben ist Art. 243 Abs. 1 StGB von Bedeutung: „Wer ohne Fälschungsabsicht Banknoten so wiedergibt oder nachahmt, dass die Gefahr einer Verwechslung durch Personen oder Geräte mit echten Noten geschaffen wird, insbesondere wenn die Gesamtheit, eine Seite oder der grösste Teil einer Seite einer Banknote auf einem Material und in einer Grösse, die mit Material und Grösse des Originals übereinstimmen oder ihnen nahe kommen, wiedergegeben oder nachgeahmt wird, (…) wer solche Gegenstände einführt, anbietet oder in Umlauf setzt, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft.“ Beim Vergleich unseres Sachverhalts mit den Tatbestandsmerkmalen des Artikels stellen Sie eine grosse Übereinstimmung fest. Es stellt sich lediglich die Frage, ob bei unseren Noten eine Verwechslungsgefahr besteht. Bei der Beurteilung dieser Frage ist für die Nationalbank, die in der Schweiz das alleinige Recht zur Ausgabe von Banknoten besitzt, unter anderem entscheidend, ob ausländische Touristen die Note für echt halten könnten.5 Als wichtige Möglichkeiten, eine Verwechslung zu vermeiden, nennt sie das Anbringen des Aufdrucks „SPECIMEN“ oder die Verwendung eines stark vom Original abweichenden Formats oder Materials sowie Abbildungen, die sich farblich in sofort erkennbarer Art und Weise von echten Banknoten abheben. Wir gehen davon aus, dass unser Mind-Map, das Sie auf der Rückseite der Note finden, eine solche Abbildung darstellt und der Schwerpunkt im kom-menden Jahr nicht ausfällt, weil wir W+R-Lehrkräfte hinter schwedischen Gardinen stecken. Ziele überdenken Rein rechtlich scheinen wir uns zurücklehnen zu können. Doch wie steht es mit unserem Gewissen? Wir wollen Ihnen nicht verhehlen, dass wir uns als eher zurückhaltende Menschen mit der Benetton-Werbung schwer getan haben. Wie weit darf man als Lehrperson gehen, wenn man kontroverse Themen diskutieren will? Dürfen wir mit einer nackten alten Dame Ihre Aufmerksamkeit erheischen? Sollen wir die Grenze zur Geschmacklosigkeit bewusst überschreiten und das Risiko eingehen, die Gefühle jener Leser dieses Bulletins zu verletzen, die selber nie so weit gehen würden? Andererseits: Können wir überhaupt eine grundlegende Reflexion über Ethik und Ästhetik, über Sittenwidrigkeit und Meinungsfreiheit in der Werbung ermöglichen, ohne Beispiele zu zeigen, die den üblichen Rahmen sprengen?6 Nebst aller Theorie, nebst allen Modellen und Werkzeugen, die uns beim Lösen von Problemen unterstützen, kommen wir nicht umhin, uns in unserem Schwerpunkt immer wieder zu fragen, ob unsere Ziele die richtigen sind, ob die Art und Weise, wie wir sie erreichen wollen, vertretbar ist. Wir müssen uns mit den Grenzen und Schattenseiten unseres Fachs befassen. Dieses Dilemma wurde schon vom Urvater der Ökonomie, Adam Smith, erwähnt, als er vor mehr als zwei Jahrhunderten feststellte, Wohlstand komme nur zustande, weil sich die Menschen ständig durch die Versprechungen des Wachstums blenden liessen.9 Mehr bedeutet nicht unweigerlich mehr Nutzen. Dies ist allen bewusst, die das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens kennen. Probieren Sie es ruhig aus. Wenn Sie riesigen Hunger verspüren, können Sie einen Schokoriegel verspeisen. Es versteht sich von selbst, dass Ihnen der erste Riegel Genuss und einen grossen Nutzen bringt. Je mehr Riegel Sie aber essen, desto geringer wird der Zusatznutzen, den Sie durch einen weiteren Riegel erfahren. Der Grenznutzen jedes zusätzlichen Riegels ist also abnehmend. Im Extremfall kippt er sogar ins Negative, mit unangenehmen Folgen für die Peristaltik Ihres Magens. Auch der Grenznutzen von Zeitschriftenartikeln ist nach einer gewissen Länge abnehmend. Deshalb wollen wir diesen Text nicht weiter ausdehnen und hoffen, Ihnen einen kleinen Einblick in einige Themen und Arbeitsweisen in unserem Fach gegeben zu haben. Für Auskünfte stehen Ihnen die auf der „Banknote“ abgebildeten Personen der Fachschaft Wirtschaft und Recht gerne zur Verfügung. 1 Ein Standardwerk zu diesem Thema ist Berekoven, Ludwig et al. (2006). Marktforschung (11. Auflage). Berlin: Gabler. 2 www.schmuck.ch/7836_DE_CH.htm (26.2.07) 3 Nuri, Midia (2001). Keine Schockerwerbung, nur ein bisschen Aufregung. Frankfurter Allgemeine vom 2. Oktober. 4 Wenn Sie sich für die Anfänge des Geldes und seinen Beitrag zur Entwicklung der Wirtschaftsgeschichte interessieren, empfehlen wir Ihnen Klein, Fritz & Palazzo, Guido (2003). Kulturgeschichte des Geldflusses. Zürich: SKV. 5 Schweizerische Nationalbank (2005). Merkblatt über die Reproduktion von Banknoten. 6 Spicha, Christian (2003). Unterhaltsame Formate als Bausteine der medienethischen Ausbildung. Medienheft vom 12. Mai 2003. 7 Gross, Peter (1994). Die Multioptionsgesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. 8 Binswanger, Mathias (2006). Die Tretmühlen des Glücks. Freiburg: Herder. 9 Smith, Adam (1977). Theorie der ethischen Gefühle. Hamburg: Meiner. In der Volkswirtschaftslehre werden die Stimmen jener immer lauter, die nebst den vielfältigen Problemen der Globalisierung auch die Schwierigkeiten sehen, die das ständige Streben nach Wirtschaftswachstum mit sich bringt. Sozialwissenschafter und Ökonomen wie Peter Gross7 und Mathias Binswanger8 befassen sich mit der Tatsache, dass wir zwar immer mehr von allem haben, aber trotzdem nicht glücklich werden. 15 „Maturité bilingue“: Beitrag zu einer offenen Schweiz Heidi Fuchs, Prorektorin Vor sieben Jahren wurde das Projekt „Maturité bilingue“ ins Leben gerufen und es hat sich in diesen Jahren sehr gut in den Schulalltag integriert. Das Projekt wurde gemeinsam mit unserer Partnerschule, dem Gymnasium Yverdon, entwickelt. Zwischen beiden Schulen hat sich über die Jahre eine ausserordentlich gute Art der Zusammenarbeit entwickelt, die garantiert, dass Probleme auf beiden Seiten schnell angegangen werden können. Alle bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Matura bei uns problemlos bestanden. Auf beiden Seiten hat es auch schon Schülerinnen und Schüler gegeben, die an der Gastschule verblieben sind und in der Fremdsprache die Matura bestanden haben - ebenfalls ohne Probleme, zum Teil sogar mit ausserordentlich guten Resultaten. Ein nicht unwesentlicher Nebeneffekt dieses Projektes ergibt sich aus dem guten Netzwerk von persönlichen Kontakten unter den Eltern und der Schüler- und Lehrerschaft beider Schulen. Es werden Besuche diesseits und jenseits der Saane gemacht, auch von Schülerinnen und Schülern, die nicht direkt am Projekt beteiligt sind. Die französische Sprache wurde dadurch an unserer Schule aufgewertet. Ich bin je länger je mehr überzeugt, dass dieses Projekt einiges zur Überwindung des „Röstigrabens“ beiträgt. Das Projekt basiert auf einem ganzen Jahr Schulwechsel von Frauenfeld nach Yverdon und umgekehrt. Die beiden Schulsysteme sind nicht identisch, aber doch einigermassen ähnlich. Die Schülerinnen und Schüler tauschen nicht nur die Schulen, sondern auch die Familien, dadurch kann dieses Projekt für die Familien und die Schulen kostenneutral durchgeführt werden. Die Anmeldezahlen zur Teilnahme am Projekt sind an beiden Schulen steigend. Wir mussten die Teilnehmerzahl auf 12 beschränken, da es sich erwiesen hat, dass mehr als zwei Austauschschüler pro Klasse die Integration und damit auch die Sprachfertigkeit erschweren. In Jahren, in denen das Interesse am Projekt grösser ist als die festgelegte Teilnehmerzahl, ist die schulische Leistungsfähigkeit und die Arbeitshaltung entscheidend für die Auswahl. Vor allem motivierte und leitungsstarke Schülerinnen und Schüler erhalten folglich die Möglichkeit zur Teilnahme am Projekt. Problemlose Rückkehr Die zurückkehrenden Schülerinnen und Schüler sind durchwegs zufrieden und betonen, dass sie dieses Jahr wirklich empfehlen können. Sie sind in der Regel in diesem Jahr eigenständiger und erwachsener geworden, haben ein sehr gutes Niveau im Französisch erlangt und kehren ohne nennenswerte Schwierigkeiten in ihre Stammklassen zurück. Sie schliessen die Matura gleichzeitig mit ihren Frauenfelder Kolleginnen und Kollegen ab, ihr Maturazeugnis enthält den Zusatz „Maturité bilingue“. 16 Eliane Stucki, Doyenne am Gymnasium Yverdon, und Heidi Fuchs, Prorektorin an der Kantonsschule Frauenfeld Die Sprache gilt als Vehikel für ein besseres Kulturverständnis. Dieser einjährige Austausch zur Erlangung der „Maturité bilingue“ garantiert - dies im Gegensatz zu andern Modellen - einen Einblick in die Andersartigkeit der Sprachregionen. Das Erleben der anderen Schul- und Familienkultur trägt wesentlich zum besseren gegenseitigen Verständnis und zu einer offeneren Haltung gegenüber Neuem bei. Kommunikation über den „Röstigraben“ hinweg Eliane Stucki, Doyenne am Gymnasium Yverdon In einer Zeit, in der so oft von Kommunikation die Rede ist, bietet unser Austauschprojekt „Maturité bilingue“ eine positive und wirksame Gelegenheit, endlich zur Tat zu schreiten. Alle am Projekt beteiligten Personen - Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler - müssen lernen, miteinander zu diskutieren, Ideen auszutauschen, mit den Verschiedenheiten auf beiden Seiten des sogenannten „Röstigrabens“ vertraut zu werden, um einander zu verstehen; nur unter dieser Voraussetzung kann das Austauschjahr unter guten Bedingungen und mit Erfolg stattfinden. Jedes Jahr nehmen mehrere waadtländische Familien begeistert diese Herausforderung an und erklären sich bereit, ihr Kind nach Frauenfeld zu schicken und einen Thurgauer zu Hause zu empfangen. Sehr oft teilen sie uns auch mit, wie erwartungsvoll sie sind, den Alltag mit einem Austauschschüler zu teilen, ihn in die Familien- und Freizeitaktivitäten einzubeziehen. Sie fühlen sich für den Erfolg des Austauschjahres verantwortlich und sind bestrebt, die anfänglichen Adaptionsschwierigkeiten zu überwinden. Die Partnerfamilien sprechen viel miteinander, um die Gewohnheiten der Gäste kennen zu lernen und deren Bedürfnissen und Erwartungen zu entsprechen; es geht natürlich auch darum, Vertrauen zu gewinnen, was das eigene Kind betrifft, das in einer anderen Umgebung leben und arbeiten wird. Meistens teilen uns die beteiligten Familien nach dem Austauschjahr mit, wie bereichernd diese Erfahrung gewesen ist, sei es im persönlichen, privaten oder schulischen Bereich. Hervorragende Zusammenarbeit Unsere Lehrkräfte setzen sich sehr dafür ein, dass die Adaptationsphase der Thurgauer Schülerinnen und Schüler so problemlos wie möglich verläuft. Sie legen grossen Wert auf deren Integration in die Klasse, sie bemühen sich, langsam und genau zu sprechen (was einem Waadtländer nicht immer leicht fällt), sie zaudern keine Minute, zu ihren Deutschkenntnissen zu greifen, damit ihre Gastschüler schneller verstehen, was im Unterricht besprochen und bearbeitet wird. Was unsere Lehrkräfte stets hervorheben, ist die Dynamik und Motivation der Thurgauer Schüler. Nicht selten kommt es vor, dass eine Lehrkraft ein wenig neidvoll auf die ausgezeichneten Leistungen der Deutschschweizer Schüler blickt und auf einen positiven Einfluss auf die eigenen Schüler hofft. Was die Zusammenarbeit zwischen Frauenfeld und Yverdon anbelangt, so darf gesagt werden, dass wir durch die enge Zusammenarbeit in der Lage sind, von Jahr zu Jahr das zu korrigieren, was uns Probleme verursacht, und dadurch das Projekt stetig zu verbessern. Um diese Art der Zusammenarbeit im Projekt „Maturité bilingue“ beneidet uns manch eine Schule im Kanton Waadt. Zum Schluss möchte ich mich insbesondere bei den Thurgauer Schülern für ihren Enthusiasmus und ihren Einsatz bedanken; auch wenn die Situation aus irgendeinem unerwarteten Grund plötzlich unbehaglich wird, bleiben sie vertrauens- und verständnisvoll und helfen einander, bis alles wieder normal läuft. Das ist den Gästen aus Frauenfeld angesichts der oft zitierten Zurückhaltung der Waadtländer hoch anzurechnen. Das Gymnasium in Yverdon Die Zusammenarbeit zwischen Frauenfeld und Yverdon darf als sehr gelungenes Kommunikationsbeispiel bezeichnet werden, das die französische und die deutsche Schweiz in einem gemeinsamen Projekt zusammenführt. Man kann sich auch fragen, ob die am Projekt beteiligten Partner nicht als Vorläufer einer zukünftigen Schweiz angesehen werden dürfen, in der das interregional herrschende Misstrauen durch ein beiderseitiges Verständnis ersetzt wird. Wir können uns also darüber freuen, dass unser bescheidener Anteil zur Überwindung des „Röstigrabens“, einer von Journalisten erfundenen Floskel, mit Erfolg und Anerkennung gekrönt wird. Ist das Projekt „Maturité bilingue“ nicht ein überaus wertvoller Beitrag zu einer kompetenten und offenen Schweiz, die ihrer Leistungsfähigkeit und Zukunft vertraut? 17 Frauenfelder Schülerinnen und Schüler in Yverdon Gianluca Gnädinger, Cyrill Kressibucher, Manuela Loser, Anna Scheidegger, Mariana Marti, Marcella Wolf, Claudia Böhm, Andrea Cahenzli, Annatina Müller, Vera Gasser, Eliane Jäger, Joana Keller Es ist eine Herausforderung, allein an einem fremden Ort zu sein, hin und wieder fühlt man sich einsam und es gibt immer wieder Probleme, die man ganz allein bewältigen muss. Auch wenn es nicht immer einfach ist, sind wir überzeugt, dass wir von diesem Jahr in verschiedener Hinsicht unglaublich profitieren werden; bereuen unsere Entscheidung überhaupt nicht. Natürlich hatten wir alle Angst, anfangs gar nichts zu verstehen. Wir waren deshalb ziemlich überrascht, dass wir dem Unterricht bereits kurz nach den Sommerferien gut folgen konnten, zumindest meistens (allerdings ist es viel einfacher, die Lehrer zu verstehen als die anderen aus der Klasse). Ganz anders ist es mit dem Sprechen. Auch nach einem halben Jahr ist es oft noch schwierig, sich auszudrücken, und man kommt sich manchmal einfach nur blöd und langweilig vor, weil man nie sagen kann, was man eigentlich möchte. Deshalb tut es gut, hin und wieder Deutsch sprechen zu können. Als extremen Nachteil empfinden wir, dass wir teilweise zu zweit oder sogar zu dritt in einer Klasse sind. Das macht die Integration nicht einfach, weil wir oft zusammen sind. Wir hätten zum Teil etwas mehr Offenheit und Neugierde von unseren Klassen erwartet, man muss wirklich von sich aus auf die anderen zugehen und sie ansprechen. Und weil das Einzugsgebiet der Schule so gross ist, gehen viele nach Unterrichtsende gleich nach Hause. Am Wochenende in Yverdon zu bleiben, ist sicher gut für die Sprache und eventuell auch die Integration, allerdings müssen alle ihren eigenen Weg gehen. Es ist nicht immer einfach, zu entscheiden, ob man lieber Freunde und Familie in Frauenfeld sehen möchte oder ob es wichtiger ist, hier zu bleiben und Französisch zu lernen. Dieses Austauschjahr ist eine geniale Erfahrung, man lernt viele neue Menschen kennen und lernt sehr viel über sich selbst und das Leben. Man muss zum Beispiel gegen die Angst kämpfen, Fehler zu machen, und lernen, die Dinge nicht immer so ernst zu nehmen. Auch wenn es manchmal Probleme gibt, weil wir zu zweit oder zu dritt in einer Klasse sind, ist es auch spannend, Leute aus Frauenfeld näher kennen zu lernen. Yverdon ist wirklich eine schöne Stadt, man kann nach der Schule an den See oder in die Altstadt (klarer Vorteil gegenüber Frauenfeld!). Ausserdem hat man hier viel mehr Ferien und die Schule beginnt morgens erst um Viertel nach acht...! Man macht die Erfahrung, sich in eine andere Familie einzuleben, sieht, wie andere Leute leben, und ist manchmal gezwungen, sich anzupassen. 18 Frauenfelder Schülerinnen und Schüler in Yverdon Ein Yverdoner Schüler in Frauenfeld Philipp Ogay Ich habe mir ganz am Anfang nicht vorstellen können, dass ich diesen Austausch wirklich machen würde. Es war für mich unmöglich, mein Leben in Yverdon zu verlassen (meine Freunde, meine Sportclubs usw.). Meine Einstellung hat sich erst allmählich geändert - vor allem, nachdem ich die Präsentation in Yverdon über die zweisprachige Maturität in Frauenfeld besucht habe. Ich habe viele Fragen stellen können, was mir beim Entscheid sehr geholfen hat. Dann war ich bereit, ein ganzes Jahr auf Deutsch zu erleben. Schon am ersten Schultag hatte ich sechs Lektionen, was für den Anfang schon viel ist. Ich glaubte, dass ich danach nichts mehr hören konnte. Deshalb verbrachte ich nachher eine lange Stunde in den so angenehmen Sprudelbädern im Frauenfelder Hallenbad, um mich ein wenig zu beruhigen. Jeden Tag, als ich von der Schule zurückgekommen war, brauchte ich vor allem eine Stunde Schlaf, weil ich mich so müde fühlte Ich versuchte nach dem Nachtessen jeweils, Hausaufgaben zu machen. Aber jedes Mal, als ich am Lesen war, erwachte ich am folgenden Morgen mit dem Buch auf dem Bauch. Was auch noch speziell war: Den Freitag hatten wir jeweils mit zwei Lektionen Deutsch abgeschlossen. Als ich in der erste Woche zu Hause ankam, musste ich zuerst eine halbe Tafel Schokolade essen, weil ich so viel Energie verloren hatte. Schon am ersten Schultag fühlte ich mich wohl an der Kantonsschule Frauenfeld: Alle in der Klasse waren sehr nett und haben mir sofort geholfen. Das war der Satz, den ich oft gehört habe: „Wenn du eine Frage hast oder irgendein Problem, komm zu uns. Wir werden dir helfen.“ Der Kontakt hatte sich sofort eingestellt, sowohl zu den Freunden als auch zu meiner Gastfamilie. Ich denke, dies ist der Hauptgrund, warum mir alles so gefällt. Gentechnologie — hautnah erlebt Kristina Wyss-Böhni, Lehrerin für Biologie Das „Mobile Genlabor“ ermöglicht es, Gentechnologie im eigenen Schulzimmer hautnah zu erleben. An einem frühzeitig vereinbarten Projekttag kommt eine Fachperson - bei uns ist es Philip Taxböck gewesen - mit ihrem mobilen Labor an die Schule und führt zusammen mit den Schülerinnen und Schülern interaktiv und in Gruppen einfache gentechnische Experimente durch. Das attraktive Programm baut auf den folgenden Schritten auf: - Isolation von Plasmid-DNA - DNA-Restriktionsverdau - Gel-Elektrophorese der DNA-Schnipsel - Auswertung und Diskussion der Resultate Diese Experimente sind eine ideale Ergänzung zum Biologieunterricht. Sie sind leicht verständlich und geben eine klare Vorstellung, wie das Handwerk der Gentechnik funktioniert. Die folgenden Bilder zeigen die Klasse 3mb im Frühlingssemester 2006 engagiert und konzentriert an der Arbeit. Philipp Ogay (dritter von rechts) im Kreis der Yverdoner Schülerinnen und Schüler an der Kanti Frauenfeld Arbeiten in Gruppen 19 Exaktes Pipettieren ist gefragt. Berechnung und Auswertung Beratung durch den Fachmann Laden der Gele Das mobile Genlabor ist ein kostenloses Angebot des „Vereins Forschung für das Leben“. Weitere Informationen unter http://www.forschung-leben.ch/genlabor_mobil.php Gemeinsam geht’s besser. 20 Novecento ein Leben lang an Bord Als wir aber im letzten Frühling Bariccos «Novecento» lasen, wurde mir sofort klar, dass sich dieser Text wegen seiner Verbindung von Sprache und Musik sehr gut für eine szenische Umsetzung durch die Klasse eignen würde. Kannst du uns ein paar Anekdoten zum Entstehungsprozess geben? Michael Truniger-Manser, Prorektor Im vergangenen Dezember haben Schülerinnen und Schüler des Schwerpunktfachs Italienisch „Novecento“ aufgeführt: „Novecento“ ist ein Stück voller Poesie, der die Theatergruppe in ihrer Aufführung auf beeindruckende Weise Raum verschafft hat. In der zum Ballsaal eines Ozeandampfers umfunktionierten Kanti-Aula gelang es den jungen Schauspielerinnen und Schauspielern, ihrem Publikum mit Musik, Gesang und Rezitation die Illusion ozeanischer Weite und Schwere vors Auge zu zaubern. In einem Gespräch blickt Marco Molteni, Italienisch- und Philosophie-Lehrer und „Temporär-Regisseur“ an unserer Schule, auf die „Novecento“-Inszenierung zurück. Die Geschichte handelt von einem Mann, Danny Boodmann T.D. Lemon Novecento, dem weltbesten Pianisten, der sein ganzes Leben auf einem Schiff verbringt, ohne ein einziges Mal an Land zu gehen. Das Schiff ist der einzige Handlungsort. Die Aula der Kantonsschule musste also in ein Schiff verwandelt werden. Die Zuschauerinnen und Zuschauer mussten den Eindruck haben, beim Betreten der Aula in einen Mikrokosmos einzudringen, den sie für etwa zwei Stunden ungern verlassen würden. Ein Theaterplakat von Camille Pineau Uwe Schuran, Theaterpädagoge, zusammen mit Marco Molteni, Italienisch- und Philosophie-Lehrer (rechts im Bild) Wann und wie ist die Idee entstanden, „Novecento“ zu inszenieren? Als ich die Schülerinnen und Schüler im Schwerpunkt Italienisch übernommen habe, habe ich bald gemerkt, dass sie alle sehr musikalisch sind. Fast alle spielen ein Instrument und einige haben auch Gesangsunterricht genommen. Spontan kam mir die Idee, mit ihnen etwas aus der musikalischen Welt der Renaissance zu inszenieren. Andrea Spiri, Sarah Nicoli, Sandro Gullo 21 Die «Virginian», so heisst das Schiff, ist für das Waisenkind Novecento eine Art Mutterleib, in dem sich die wesentlichen Ereignisse seines Lebens abspielen. Sie ist vom Meerwasser umhüllt, einer Art Fruchtwasser, das seine Existenz ermöglicht und angenehm macht. Wir haben also mit drei Videobeamern Meeresbilder an die Wände und an die Decke projiziert. Der Effekt war spektakulär. Dort, wo in der Regel über Promotionen und Repetitionen diskutiert wird, tauchten Delphine, Tintenfische und Seepferdchen auf! Leider mussten wir aber auf die Umsetzung dieser Idee während der beiden Aufführungen verzichten, weil die Gefahr bestand, das Publikum allzu sehr von dem abzulenken, was auf der Bühne passierte. Wir entschieden uns deswegen für ein schlichtes Bühnenbild. Gab´s weitere Probleme? Ja, die Geräusche. Wir haben lange nach überzeugenden Geräuschen gesucht, aber die CDs, die auf dem Markt sind, liefern selten das, was man wirklich braucht. Du brauchst das Meer und bekommst ein Frühlingsgewitter. Das Weinen eines Babys tönt wie das Miauen einer läufigen Katze. Daher griffen wir auf die alte Methode zurück, die bei der Vertonung alter Schwarzweissfilme eingesetzt wurde: Wir hatten ja Instrumente und Gegenstände, mit denen wir die Geräusche selber erzeugen konnten! Keine digitale Aufnahme von Meeresgeräuschen klingt auch nur annähernd so authentisch wie das Meeresrauschen, das wir mit einer mit kleinen Metallkugeln gefüllten Trommel erzeugten. Inwieweit hast du die Schülerinnen und Schüler in den Entstehungsprozess miteinbezogen? Ich bin versucht zu antworten: so viel wie möglich und so wenig wie nötig. Wir hatten wenig Zeit. Nachdem wir das Buch gelesen und interpretiert hatten, habe ich begonnen, den Text umzuschreiben. Als das Textbuch fertig war, standen uns insgesamt neun Wochen zur Verfügung, um die Texte auswendig zu lernen und das Stück zu proben. Den Proben haben wir zwei Lektionen pro Woche gewidmet und zwei volle Samstage. Es wäre wünschenswert gewesen, den Schülerinnen und Schülern mehr Verantwortung für die Inszenierung zu übergeben. Neben dem Theaterprojekt lief aber der normale Unterricht weiter. Wo siehst du die Hauptschwierigkeiten in der szenischen Umsetzung der Erzählung? Elisa Frank und Yvonne Lafos Andrea Spiri, Nathalie Gehrig, Rahel Signer, Elisa Frank, Isabella Walzthöny 22 Alessandro Baricco schreibt von «Novecento», dass es sich um einen Text handle, der «auf dem schmalen Grat zwischen einem richtigen Bühnenstück und einer laut zu lesenden Erzählung schwankt». Die Erzählung ist ein Monolog und sie zeigt ihre volle Wirkung, wenn sie von einem einzigen Schauspieler gespielt wird. Der Erzähler ist Tim Tooney, der beste Freund Novecentos. Ich entschied mich zwar, ihn als Haupterzähler zu behalten, wollte aber, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler eine Rolle übernehmen. Da kam mir die Idee, dass die Bandmitglieder miterzählen könnten. Ein weiteres Problem war die Sprache. Mit Novecento ist in der über 150jährigen Geschichte unserer Kantonsschule zum ersten Mal ein italienischsprachiges Stück aufgeführt worden. Es war mir wichtig, dass das deutschsprachige Publikum die Handlung versteht, obwohl die Schülerinnen und Schüler im überwiegenden Teil der Vorstellung Italienisch sprechen sollten. Nicht zuletzt deswegen mussten viele Informationen nicht nur durch das gesprochene Wort vermittelt werden, sondern auch durch die Handlung und die Gestik. In dieser Phase war vor allem die professionelle Arbeit des Theaterpädagogen Uwe Schuran von grosser Hilfe. Schliesslich stellte sich die Frage nach der Musik. Frédéric Bolli ist es durch eine sehr umsichtige Auswahl der Musik gelungen, dem eigentlichen Thema des Stückes, nämlich der Frage nach dem Wesen der Musik, das nötige Gewicht zu verleihen. Welches sind deiner Ansicht nach die Hauptwirkungen der Arbeit im Theaterprojekt auf die Schülerinnen und Schüler? Die Schülerinnen und Schüler selber haben betont, wie diese Erfahrung sie noch mehr zusammengeschweisst hat. Ausserdem ist Theatererfahrung Selbsterfahrung. Wir lernen, wie wir auf die anderen wirken, wie uns die anderen wahrnehmen, wie wir gewisse Effekte mit unserem Körper und unserer Sprache erzeugen können. Hat sich deine Beziehung zum Buch Novecento durch die Theaterarbeit verändert? Mir ist die Konsistenz des Textes noch bewusster geworden. Und noch eine letzte Frage: Welche Szene ist dir als eindrücklichste in Erinnerung geblieben? Ich möchte an eine lustige Szene erinnern, in welcher Novecento und sein Freund bestraft werden. Sie werden in eine Art Arrest geschickt und müssen Kohle schaufeln: an und für sich eine anstrengende Angelegenheit. Aber die Kohle haben wir durch schwarze Luftballons ersetzt und die Strafe ist somit zum Kinderspiel geworden. Da sich diese Szene im Heizraum abspielt, haben wir auf der Bühne ein grosses Feuer projiziert. Dazu brauchten wir das Knistern des Feuers. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, das Knistern mit leeren Papiersäcken und dünnen Holzstäbchen zu erzeugen, sass ich zu Hause vor einer leeren Pet-Flasche. Ich nahm den Deckel weg und fing an, sie zu zerdrücken. Ich machte die Augen zu. Es knisterte. Enger im Kontakt mit der Schule: Alumni der Kanti Frauenfeld Daniel Jung, Präsident Alumni Enger im Kontakt mit der Schule: Ehemalige und Freunde der Kanti Frauenfeld sollen einerseits mit der Alumni-Vereinigung mehr über die Schule erfahren. Andererseits soll die Alumni-Vereinigung auch dem Lehrkörper und der Schülerschaft präsenter sein. In einer Art Symbiose, welche gegenseitige Synergieeffekte zeitigen wird, sind Schulleitung und Vereinsvorstand der Ehemaligen übereingekommen, dass künftig alle Alumni-Mitglieder das kanti-bulletin erhalten. Dazu soll im kanti-bulletin vermehrt über Neuigkeiten und Events der Alumni berichtet werden. Alumni verdoppeln „Jimmy-Bauer-Preise“ Um die Beziehungen zur Kanti und zu den Studierenden weiter zu intensivieren und dem in den Statuten verankerten Gedanken nachzuleben, Beiträge an förderungswürdige Schülerinnen oder Schüler auszurichten, werden 2007 erstmals Beiträge der Alumni für Studierende gesprochen. Im Einvernehmen mit der Schulleitung werden die mit je SFr. 300.-- dotierten Jimmy-Bauer-Preise, welche Studierende mit den besten Matura- bzw. Diplomzeugnissen erhalten, um je SFr. 300.-- aufgestockt. Zudem stiften wir für die Diplomklassen einen zweiten Preis. Wir möchten damit vermehrt auch aktive Schulangehörige ansprechen und für eine Mitgliedschaft gewinnen. Jahresversammlung 2007 Auf der Alumni-Website werden Sie Angaben zur diesjährigen Jahresversammlung vom Samstag, 16. Juni 2007, 10.30 Uhr, finden. Neben den ordentlichen Geschäften steht eine Führung durch das Staatsarchiv in Frauenfeld auf dem Programm. Anschliessend offeriert die Kanti einen Aperitif und es besteht die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Mittagessen in einem nahe gelegenen Restaurant. Aktuelle Infos zu diesem oder weiteren Anlässen finden Sie stets unter www.alumni-kanti-frauenfeld.ch. 23 Kinder, Kerzen und die Faszination des Lernens Michael Truniger-Manser, Prorektor Der britische Physiker und Chemiker Michael Faraday (1791-1867) hielt zusammen mit seinen Mitarbeitern jahrelang öffentliche Vorlesungen; zur Weihnachtszeit wurden besondere Vorlesungen für Kinder angeboten. Von dieser Idee liess sich unser Chemielehrer Hans Ueli Ehrensperger inspirieren: zum Glück von etwa 40 Kindern, die im Dezember des letzten Jahres den Experimenten und Ausführungen Hans Ueli Ehrenspergers mit grosser Spannung und Freude folgten. An zwei Dezemberabenden verfolgen Dutzende von faszinierten Kinderaugen Hans Ueli Ehrenspergers Experimente rund um die Weihnachtskerze. Zu Beginn der Weihnachtsvorlesung zündeten alle Kinder eine Kerze an. Hans Ueli Ehrensperger sammelte die vielfältigen Beobachtungen der Kinder und führte die Kleinen so behutsam zu den physikalischen und chemischen Geheimnissen einer Kerze hin. Was braucht es für eine Flamme? Wie funktioniert eine Kerze? Wo ist es wie heiss in einer Flamme? Weshalb steigt die Kerzenflamme? Weshalb ist die Kerzenflamme gelb? Was entsteht aus dem Wachs? Zu all diesen Fragen erarbeiteten die Kinder - durch eigene Experimente, im Gespräch mit dem Chemielehrer und durch genaues Beobachten - klare und verständliche Antworten. 24 Chemielehrer Hans Ueli Ehrensperger im Element Die Kinder lernten, dass der Docht flüssiges Wachs hochsaugt und glühender Russ leuchtet; sie erfuhren, dass Wachs mit Sauerstoff brennt und als Gas verdampft; sie wurden inne, dass heisse Gase aufsteigen; sie erlebten die Schönheit physikalischer und chemischer Vorgänge. Wie spannend, ja ergreifend lernen sein kann, davon konnte sich überzeugen, wer in die faszinierten Kinderaugen blickte. Wie erfüllend lehren sein kann, das wurde all jenen klar, die Hans Ueli Ehrensperger während seiner Weihnachtsvorlesung beobachteten. Studieninfos für Maturandinnen und Maturanden aus erster Hand Michael Truniger-Manser, Prorektor In einer Interpellation hat Kantonsrätin Susanne Oberholzer angeregt, an den Kantonsschulen eine Liste mit den Namen von Studierenden zu führen, die bereit wären, sich bei Bedarf Maturandinnen und Maturanden für Auskünfte und Informationen zu ihrem Studienfach zur Verfügung zu stellen. Diese Anregung nehmen wir gerne auf und bitten Absolventinnen und Absolventen unserer Schule, das Vorhaben zu unterstützen. Die Liste mit den entsprechenden Informationen wird für unsere Schülerinnen und Schüler auf unserer Homepage passwortgeschützt einsehbar sein. Wir werden die Liste regelmässig aktualisieren resp. jährlich mit einer Rundmail an alle Studierenden auf die Richtigkeit der Information hin überprüfen. Wir hoffen, dass sich viele der Absolventinnen und Absolventen unserer Schule zur Verfügung stellen, Studieninfos an unsere Maturandinnen und Maturanden weiterzugeben. Wenn es dadurch gelingt, den Studienwahlentscheid noch besser abzustützen, so ist sicherlich für die zukünftige akademische Laufbahn unserer Schülerinnen und Schüler viel gewonnen. Eine E-Mail an [email protected], Betreff „Studieninfos“, genügt! Gesucht sind Studierende, an die sich unsere Maturandinnen und Maturanden für Studieninfos wenden können. Studierende, die dazu bereit sind, sind eingeladen, uns folgende Informationen per E-Mail zukommen zu lassen: Name Vorname Adresse Telefonnummer E-Mail-Adresse Hauptfach/-fächer Nebenfach/-fächer Studienort Studienbeginn (Angabe des Jahres) 25 1 2 3 4 5 Rektor Hanspeter Hitz begrüsst die Schülerinnen und Schüler der ersten Klassen in der Aula. Die Dreifachhalle im Morgenlicht Lehrkräfte und Kanti-Angestellte auf ihrem jährlichen Ausflug hier beim Überqueren der Sitter Die Wandtafel - nicht nur für Physik- und Mathematiklehrer Hans Ruedi Deller weiterhin ein unentbehrliches Unterrichtsmedium Der Sporttag - Jahr für Jahr ein tolles Ereignis 1 26 2 3 4 5 6 7 Der Sporttag mit beeindruckendem Einsatz der Schülerinnen und Schüler Unter Leitung der beiden Drittklässler Georg Burgener und Mélanie Wenger diskutieren Nationalrätin Brigitte Häberli, Abt Martin Werlen aus dem Kloster Einsiedeln und Prof. Dr. Peter Gehr von der Uni Bern zum Thema „Gentechnik beim Menschen“. 6 7 27 8 9 Latein: tote Sprache ganz lebendig Novemberschreiben: Auch Kanti-SchülerInnen machen beim von schreibszene.ch initiierten Projekt mit und schreiben während eines Monats einen Roman. „Es wird geschrieben, soviel es nur geht und mindestens vierzehn Seiten pro Woche. Der innere Kritiker wird in die Ferien geschickt“. Genau das haben unsere SchülerInnen gemacht; entstanden sind Texte, von denen wir vielleicht nochmals hören werden... 10 Das Feierabendkolleg 2006 schliesst mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Mensch und Seuche in Geschichte und Gegenwart“ ab. 11 Zukünftige (hoffentlich ganzheitlich denkende) Manager beim Literaturstudium... 12 Probenarbeit zur Theateraufführung „Novecento“ 8 12 28 9 10 11 12 13 Weihnachtskonzert in der Evangelischen Kirche Kurzdorf 14 Sport auf hohem Niveau: Blick ins Finalspiel der Volley-Night 13 14 29 15 30 15 16 Das Hauptgebäude im weihnachtlichen Dezemberlicht Weltsprache Spanisch - auch an der Kanti Frauenfeld sehr beliebt 17 - 20 Schülerinnen und Lehrkräfte begeistern ihr Publikum anlässlich des Gestaltungsabends Sport. 16 17 18 19 20 31 21 Am HMS-Tag dreht sich alles um die wirtschaftliche Praxis. 22 Das Gymnasium geht den Dingen auf den Grund - durchaus auch mit Skalpell und Gummihandschuhen. 23 Schüler in der Mediothek 24 FMS-SchülerInnen präsentieren ihre selbstständige Abschlussarbeit im Rahmen eines Präsentationstages. 25 An Herausforderungen wachsen: Kletterlager in Arco 21 32 22 23 24 25