Bulletin 2007 I - Kantonsschule Frauenfeld

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Bulletin 2007 I - Kantonsschule Frauenfeld
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Kantonsschule Frauenfeld
kanti-bulletin
Ausgabe 2007/I
Bildung aktuell: Die Maturaarbeit - Herausforderung und Chance
Maturité bilingue: Beitrag zu einer offenen Schweiz
Theateraufführung Novecento
(1,1) -2- Umschlag_Bulletin_2007_I.indd 18.06.2008 13:02:53
Editorial
3
Bildung aktuell: Die Maturaarbeit Herausforderung und Chance
4
Inhaltsverzeichnis
Das Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht
11
„Maturité bilingue“: Beitrag zu einer
offenen Schweiz
16
Gentechnologie - hautnah erlebt
19
Novecento - ein Leben lang an Bord
21
Enger im Kontakt mit der Schule:
Alumni der Kanti Frauenfeld
23
Kinder, Kerzen und die
Faszination des Lernens
24
Studieninfos für Maturandinnen und
Maturanden aus erster Hand
25
Mit Bildern durchs Schuljahr
26
1
Herausgabe
Schulleitung der Kantonsschule Frauenfeld
Redaktion
Michael Truniger-Manser, Prorektor
Gestaltung
Gabriella Köstli, Schuladministration
März 2007
2
Editorial
„Mit jeder der gelesenen Arbeiten wächst bei mir nicht nur
die bewundernde Begeisterung für das Geleistete, sondern es wächst auch das Vertrauen darauf, dass hier eine
Generation junger Menschen heranwächst, die kritisch,
phantasievoll und konstruktiv mit ihrer Umwelt, mit unserer Gesellschaft, mit alten Überlieferungen und neuen
Erkenntnissen umgeht.“
„So war für mich die Zeit der Maturaarbeit zwar sehr arbeitsintensiv, aber voller guter Erfahrungen und Erlebnisse.“
Die Beschäftigung mit diesem Thema war für mich derart
beeindruckend, dass sie mich in meiner Studienwahl der
Bewegungswissenschaft zusätzlich bestärkte.“
„Auch wenn es nicht immer einfach war, hatte ich immer
das Ziel vor Augen und jedes überwundene Tief machte
mich ein wenig stärker.“
„Die Maturaarbeit bietet ja gerade auch die Chance,
etwas Spezielles zu machen und verschiedene Fächer zu
verbinden.“
Wir wollen nicht beschönigen: Nicht alle Maturaarbeiten
bestechen durch ausserordentliche Qualität - und sicherlich stellt die Bewältigung der Maturaarbeit nicht für alle
Schülerinnen und Schüler ein derart prägendes und positives Erlebnis dar. Dennoch widerspiegeln die obigen
Zitate, die allesamt dem Bulletin-Artikel über die Maturaarbeit entstammen, nicht eine schönfärbende Illusion, sondern reale Erfahrungen. Die Maturaarbeit ist für unsere
Schülerinnen und Schüler eine ganz grosse Chance - und
zwar in vielfältiger Hinsicht. Davon ist in unserer Rubrik
„Bildung aktuell“ in dieser Nummer des kanti-bulletins die
Rede.
Übrigens: Wer sich persönlich von der Qualität der Maturaarbeiten überzeugen will, dem bietet sich anlässlich
unserer öffentlichen Prämierungsfeier für Maturaarbeiten
am 31. Mai 2007 (19.00 Uhr, Aula) eine hervorragende
Möglichkeit.
Damit ist das Editorial schon beinahe voll - und ich hätte
Sie so gerne noch explizit auf weitere Artikel aufmerksam
gemacht: zur Theateraufführung „Novecento“, zu unserem
Sprachgrenzen überschreitenden Schulprojekt „Maturité
bilingue“, zu ... Am besten überlasse ich Sie der Lektüre.
Bis zur nächsten Ausgabe im Herbst!
M. Truniger-Manser, Prorektor
3
Bildung aktuell:
Die Maturaarbeit - Herausforderung und Chance
Michael Truniger, Marco Molteni, Kristina Wyss-Böhni
Das geltende Reglement für die Maturitätsausbildung in der
Schweiz stammt aus dem Jahre 1995. Damals beschlossen die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren
(EDK) und der Bund einen tiefgreifenden Systemwechsel
für diesen Bildungsweg. Mit dem neuen Konzept wurden
Grundlagen-, Schwerpunkt- und Ergänzungsfächer eingeführt. Als weitere gewichtige Neuerung darf die Einführung
einer Maturaarbeit bezeichnet werden. Schülerinnen und
Schüler müssen - wie es im Maturitäts-Anerkennungsreglement (MAR) heisst - „allein oder in einer Gruppe eine
grössere eigenständige schriftliche oder schriftlich kommentierte Arbeit erstellen und mündlich präsentieren.“
An der Kantonsschule Frauenfeld haben zum ersten Mal
im Juni 2001 Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung
nach dem neuen Reglement MAR - und damit also auch
mit Maturaarbeit - abgeschlossen; im Laufe dieses Jahres
schliesst demnach bereits der siebte Jahrgang die Maturaarbeit ab. Grund genug für uns, zurückzublicken und
Stimmen zur Maturaarbeit einzuholen.
Positive Evaluationsergebnisse für die Maturaarbeit
Wird die Maturaarbeit von Lehrkräften resp. Schülerinnen
und Schülern geschätzt? Eine Antwort (u. a.) auf diese
Frage wünschten sich 2001 auch Bund und EDK, weshalb
sie eine gesamtschweizerische Evaluation („EVAMAR“)
beschlossen. Im Zuge einer ersten Erhebung wurden
2003 landesweit Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte
und die Schulleitungen der Gymnasien interviewt. Gemäss dieser Befragung wird die Maturarbeit von allen
Seiten im Hinblick auf ihren allgemeinen Bildungswert
und das Erlernen selbstständigen Arbeitens geschätzt.
Die Maturaarbeit fördere zudem die interdisziplinären Zusammenarbeitsformen der Lehrkräfte. Nach Ansicht einer
grossen Mehrheit der Lehrkräfte „profitieren die Schülerinnen und Schüler erheblich von der Maturaarbeit, da sie
ihnen ermöglicht, verschiedene Arten von persönlichen,
sozialkommunikativen und methodischen Kompetenzen“
zu entwickeln. Ihre Durchführung erweist sich gemäss
EVAMAR-Befragung allerdings als nicht unproblematisch:
4
Zeitmangel und zu wenig klare Beurteilungskriterien sind
die Schwierigkeiten, die am häufigsten genannt werden.
Eine positive Bewertung erfährt die Maturaarbeit auch
im Zusammenhang mit der MAR-Evaluation im Kanton
Thurgau, die in den Jahren 2001 bis 2004 durchgeführt
wurde. Schülerinnen und Schüler geben an - so ist im
Schlussbericht nachzulesen -, die Arbeit habe ihnen gut
gefallen resp. ihre Kenntnisse erweitert. Zudem sei das
Interesse am Thema gewachsen. Auch die befragten
Lehrkräfte stellen gemäss Evaluation mehrheitlich positive
Auswirkungen der Maturaarbeit auf den Normalunterricht
fest.
Unterschiede und Vorlieben
Gemäss EVAMAR sind die Maturaarbeiten grösstenteils klassische Forschungsarbeiten mit theoretischer
oder empirischer Ausrichtung. Interessant sind regionale
Unterschiede: So sind z. B. theoretische Forschungsarbeiten in der italienischen Schweiz und in der Westschweiz
erheblich stärker vertreten als in der Deutschschweiz.
Demgegenüber scheinen empirische Forschungsarbeiten
in der Deutschschweiz beliebter zu sein als in den anderen Landesteilen.
Diese Ergebnisse lenken unser Interesse auf die Frage,
in welchen Fachbereichen am meisten Maturaarbeiten
entstehen. Im Rückblick auf die letzten 6 Jahre Maturaarbeit an der Kantonsschule Frauenfeld präsentiert sich die
Verteilung gemäss Darstellung auf der nächsten Seite (die
Tabelle orientiert sich an der Dezimalklassifikation unserer
Mediothek).
Im folgenden kommen Schülerinnen zur Sprache, die ihre
Maturaarbeit soeben erfolgreich abgeschlossen haben.
Sie berichten über ihre persönlichen Erfahrungen während des Entstehungsprozesses. Diese Beiträge sind eingerahmt durch einen Artikel von Peter Giger, Geschichtsund Deutschlehrer an unserer Schule, und Dr. Humbert
Entress. Er ist Mitglied unserer Jury, der alljährlich die
Maturaarbeiten mit dem höchsten Prädikat zur Prämierung vorgeschlagen werden und die sodann die Preisträger/-innen bestimmt.
Dezimalklassifikation
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Total
1. Philosophie. Psychologie
9
12
13
8
14
12
68
2. Religion. Theologie
1
6
7
3
2
2
21
3. Sozialwissenschaften. Politik. Wirtschaft. Recht.
Pädagogik. Völkerkunde
16
19
12
25
18
21
111
5. Naturwissenschaften. Mathematik
29
12
19
26
16
19
121
6. Angewandte Wissenschaften. Medizin. Technik.
Betriebswirtschaft. Informatik
23
29
24
14
23
25
265
7. Kunst. Kunsthandwerk. Musik. Spiel. Sport
11
17
18
27
29
29
131
8. Sprachwissenschaft. Literaturwissenschaft
7
9
5
5
8
3
37
9. Geographie. Biografien. Geschichte
32
27
30
24
30
27
170
Experten in einem eng begrenzten Bereich
Peter Giger, Lehrer für Deutsch und Geschichte
Mit dem Wechsel zum heutigen MAR haben dann im Jahr
2000 erstmals alle Maturandinnen und Maturanden eine
Maturaarbeit zu schreiben begonnen.
So habe ich in den letzten 20 Jahren mehrere hundert
grössere selbstständige Arbeiten betreut; die meisten im
Fach Geschichte/Staatskunde, einige im Fach Deutsch.
Nach wie vor stelle ich mich gerne als Betreuer von Maturaarbeiten zur Verfügung. Ich finde es spannend zu erleben, wie eine solche Arbeit entsteht. Die Schülerinnen und
Schüler kommen mit einer rudimentären Idee, machen
sich mit dem Umfeld des Themas vertraut, erleben über
einige Monate tiefe Einsichten und allenfalls auch verzweifelte Momente, wenn die Übersicht verloren geht oder ein
Ende nicht in Sicht scheint. Doch schliesslich werden sie
in einem eng begrenzten Bereich zu Experten – und ich
kann von ihrem speziellem Wissen profitieren.
Beliebte Themen für Maturaarbeiten
Bei der Betreuung von Proseminararbeiten am Historischen Seminar der Uni Zürich Ende der 80er Jahre wurde mir klar, dass es für viele Studentinnen und Studenten
eine sehr grosse Herausforderung war, eine längerfristige
selbstständige Arbeit zu verfassen. Schwierigkeiten bereiteten insbesondere der Umgang mit der Literatur- und
Quellenrecherche, aus einer Menge Informationen einen
roten Faden zu entwickeln und über eine längere Zeit
selbstständig zu planen. Diejenigen, die an ihrer früheren
Schule Erfahrungen mit solchen Arbeiten gemacht hatten,
waren klar bevorteilt. Ich schilderte meinen Schülerinnen
und Schülern diese Erkenntnis mit dem Erfolg, dass von
da an alle „meine“ Matura- und Handelsschulklassen freiwillig eine solche selbstständige Arbeit verfassten – wir
nannten sie damals schon Maturaarbeit.
Im Fach Geschichte nutzen manche Schülerinnen und
Schüler die Maturaarbeit zur Erforschung eines Teils ihrer
historischen Wurzeln.
Sie führen Interviews mit ihren Grosseltern und erfahren,
wie es war, als diese jung waren, wie klein deren Handlungsspielraum war, z. B. im finanziellen Bereich, in der
Freizeit etc. Oder sie schreiben Berichte über Vorfahren
während des Zweiten Weltkriegs, lesen Quellen zu ihrem
Wohnquartier Huben oder zur Aumühle in Frauenfeld. Beliebt ist auch die Auseinandersetzung mit einem kritischen
Aspekt des Herkunftslandes, wie der Zypernkonflikt, Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg, Chile unter Allende und
Pinochet, Goldenes Zeitalter der Niederlande, Geschichte
der Assyrer-Suryoye. Nicht selten werden hierbei die Berichte der eigenen Eltern hinterfragt.
5
Häufig werden Themen gewählt, welche die Hintergründe
von Ereignissen, die betroffen machen, ausleuchten, z. B.
Massaker in Ruanda, Jugend unter Hitler, Frauenhandel.
In diese Kategorie gehören auch Themen und vor allem
Persönlichkeiten, die faszinieren und zu denen immer
wieder geschrieben wird: John F. Kennedy, Martin Luther
King, Nelson Mandela, Che Guevara, Kuba, aber auch
Mafia. Manchmal hat man auch im Verlauf der Schuljahre
irgendwann ein Thema getroffen, das man vertiefen möchte, so entstehen Arbeiten über Elisabeth Kopp (inklusive
Interview mit ihr), Brigadier Jeanmaire, Hannibal, Anfänge der Migros, Frauenstimmrecht in der Schweiz, Spracherwerb des Kindes, Maturité bilingue. Schliesslich gibt
es noch wirklich exotische Themen, die auch für den Betreuer eine echte Herausforderung sind: Kulturgeschichte
des Schuhs, Chinaschilf in der Schweiz, Geschichte des
Weines und sein Wesen in Frankreich, Hetären im antiken
Griechenland.
Schwierigkeiten
Die meisten Schülerinnen und Schüler kommen mit wenigen Abmachungen zurecht. Es genügt, zu Beginn in einem
„Vertrag“ Treffpunkte und Beurteilungskriterien abzumachen. Es ist dann Sache der Verfasserinnen und Verfasser, sich bei Problemen beim Betreuer zu melden. Mit dieser Politik „der langen Leine“ habe ich gute Erfahrungen
gemacht. Gelegentlich braucht es aber gezielte Hilfe: Für
manche Schüler ist die Fragestellung eine schwierig zu
umschiffende Klippe. Sie wechseln häufig das Thema
und landen manchmal an einem ganz anderen Ort. Einmal hat eine Schülerin über Jesus schreiben wollen und
nach vielen Umwegen und Gesprächen schliesslich über
die amerikanische Aussenpolitik von George W. Bush abgeschlossen. Wieder andere Verfasser haben Mühe, die
Fülle der Informationen auf das Wesentliche zu reduzieren und dies dann niederzuschreiben. Selten kann es gar
zu einer Schreibblockade kommen. Dann ist der Betreuer echt gefragt. Es kann soweit kommen, dass man jede
Woche zusammensitzt und jeweils nur eine klar begrenzte
Schreibaufgabe gibt.
Relativ häufig verschätzen sich Schülerinnen und Schüler
in der Zeit, sie schieben alles hinaus und plötzlich sind
die Herbstferien in Sicht und dann pressiert’s wirklich, es
kommt zu Nacht- und Nebeleinsätzen – aber auch zur
weisen Erkenntnis, dass man das nächste Mal früher beginnen werde. Dann gibt es noch (aber weniger als man
annimmt) die Minimalisten, die sich mit dem absolut Notwendigsten zufrieden geben. Sie suchen eine gute Vorlage und schreiben dann alles von dieser aus oder kopieren
sie gar in weiten Teilen.
6
Als erfahrener Betreuer spürt man dies bei den Vorbesprechungen und kann entsprechend Einfluss nehmen. Doch
es kommt auch vor, dass eine Arbeit oder eine Präsentation inhaltlich oder formal ungenügend ist, dann muss sie
nachgebessert werden.
Was hat sich geändert in den letzten zwanzig Jahren?
Sicher kommen heute die Arbeiten anders daher. Vor
zwanzig Jahren noch hat eine Verfasserin die Arbeit der
Mutter diktiert, weil sie selbst nicht mit Schreibmaschine schreiben konnte. Heute sind die Arbeiten schon fast
professionell, eine gute Bildbearbeitung gehört zwingend
dazu. Insbesondere die Präsentationen sind meist sehr
ausgefeilt. Inhaltlich hat sich weniger getan, immer noch
sind der überwiegende Teil der Arbeiten gut, höchstens die
Spannweite zwischen minimalen und wirklich guten Arbeiten ist grösser geworden. Heute gibt es jedes Jahr eine
Reihe von herausragenden Maturaarbeiten, die durchaus
auch als wissenschaftliche Arbeiten an einer Hochschule
durchgehen würden.
FAIRytales – Eine Kampagne zur Förderung
des fairen Handels
Bettina Frauchiger, Klasse 4mc
Meine Besuche im Weltladen in Frauenfeld haben mich
auf das Thema meiner Maturaarbeit gebracht. Ich war begeistert vom Sortiment des Ladens, vor allem aber vom
Gedanken des fairen Handels. Der Grundsatz, Güter so
zu produzieren, dass alle Beteiligten davon profitieren,
und die Nachhaltigkeit des Anbaus erschienen mir sehr
sinnvoll. Leider musste ich feststellen, dass die wenigsten
Menschen mit dieser Handelsform vertraut sind. Deshalb
wollte ich versuchen, das Bewusstsein für den fairen Handel zu fördern, indem ich mit kreativen Anlässen über dessen Prinzipien informierte.
Der anschliessende Apéro war als kulinarischer Einblick in
die Welt der nachhaltig produzierten Waren gedacht. Bei
meinen Überlegungen bezüglich einer geeigneten Plattform für mein Anliegen stiess ich auch auf den Wochenmarkt Frauenfeld. In Zusammenarbeit mit dem Weltladen
Frauenfeld betrieb ich im Spätsommer 06 einen Stand mit
Geschenksets, Backwaren, heissem Kaffee und Spezialitäten. Mit dem Marktstand wollte ich ein Kundensegment
auf den fairen Handel aufmerksam machen, welches gezielt Produkte nach Qualität und Herkunft auswählt.
Im theoretischen Teil meiner Arbeit befasste ich mich mit
der Entstehung und der Entwicklung des fairen Handels,
dessen Problemen und Chancen sowie mit den wichtigsten
Fair-Handels-Unternehmen. Ich untersuchte auch die Unterschiede von konventionellen zu fairen Produktionen.
Meine praktischen Anlässe bauten auf den Einsichten, Informationen und Resultaten dieses Teils auf und sollten
gezielt verschiedene Altersgruppen ansprechen, denn der
faire Handel ist ein Thema, das uns alle betrifft. Der Aufwand für die gesamte Organisation und das Herstellen aller Back- und Esswaren war gross, hat sich aber gelohnt.
Alle meine Aktionen wurden gut besucht und ich bekam
viele positive Rückmeldungen. So war für mich die Zeit der
Maturaarbeit zwar sehr arbeitsintensiv, aber voller guter
Erfahrungen und Erlebnisse.
Um meine Generation anzusprechen, organisierte ich
während eines Schultages einen Coffee-Shop, das „Fairbucks“. Mit Cappuccino, Latte Macchiato, Brownies,
Muffins und diversen Fruchtshakes aus fair gehandelten
Zutaten wollte ich meine Mitschüler auf das Thema ansprechen und so auch zeigen, was man mit fairem Handel
alles machen kann. Um über die wichtigsten Grundsätze
und Verbesserungen durch gerechten Handel zu informieren, gestaltete ich zahlreiche Plakate.
Als zweite Aktion führte ich die Ausstellung „The Colours
of Fair Trade“ im Kaff (Kulturarbeit für Frauenfeld) durch,
unterstützt durch das Referat eines Mitarbeiters von Gebana, einer der führenden Fair-Handels-Firmen in der
Schweiz. Nebst Informationstafeln baute ich einen kleinen
Markt mit Produkten aus dem Weltladen auf, um die Besucher auf das farbenfrohe Fair-Handels-Sortiment aufmerksam zu machen.
7
Füsse - Stützen der Leistung
Mitte Mai veranstaltete der Leichtathletikverband in Bern
ein Forum zum Thema „Füsse, die Stützen der Leistung“,
an dem ich teilnahm. Ich besuchte verschiedene Workshops und erweiterte so meinen Wissenshorizont.
Sabrina Baumgartner, Klasse 4md
Er trägt uns durchs Leben. Dieser Satz mag simpel erscheinen, doch dahinter steckt ein faszinierendes anatomisches Wunderwerk: der Fuss. Im Grunde genommen
weiss jeder, dass einengende, spitzige Modeschuhe mit
hohen Absätzen nicht den Bedürfnissen unseres Fusses
entsprechen. Dennoch machen wir vor solcher Fussbekleidung nicht Halt. Der Zustand unserer Füsse ist deswegen oft kümmerlich und unbefriedigend, da ihnen zu
wenig Sorge und Achtung beigemessen wird. Mit meiner
Maturaarbeit wollte ich auf dessen Wichtigkeit aufmerksam machen.
Die Fussmuskulatur sollte aus dem Winterschlaf gerüttelt
und gestärkt werden. Das Mittel dazu ist Fussgymnastik.
Doch wie und wo kann man den Fuss leistungsmässig
prüfen, sodass man schlussendlich auch anschauliche
Resultate vorweisen kann? Nach langem Recherchieren wurde ich bei der Rennbahnklinik in Muttenz fündig.
Der Leiter der Biomechanik-Abteilung, Xavier Kälin, unterstützte mich und stellte mir das ganze Labor während
zwei Nachmittagen kostenlos zur Verfügung. Damals war
ich mit dem theoretischen Teil noch nicht vertraut, weshalb
ich mir zuerst das fundamentale Wissen aneignen musste.
In der Stadtbibliothek deckte ich mich mit Literatur zum
Fuss ein. Ziemlich schnell wurde mir bewusst, dass der
Fuss ein komplexes Gebilde ist. Er besteht aus mehreren
Gelenken, die wiederum zusammen Bewegungsachsen
ausbilden.
8
Kurz danach folgte in Muttenz ein Eingangstest zur Situationserfassung verschiedener Probanden. Am Morgen
trafen wir uns und fuhren gemeinsam im Bus in Richtung
Basel. Dort wurden an jedem Probanden eine Stabilometriemessung (zur Messung der Stabilität) und eine Maximalkraftmessung durchgeführt. Bereits zwei Wochen im
Voraus hatte ich mich mit Xavier Kälin getroffen. So konnten wir den Ablauf festlegen und ferner führte er mich in
die Bedienung der Geräte ein. Dies schätzte ich enorm,
denn so konnte ich die Stabilometriemessungen selbst
vornehmen. Die folgenden Wochen bis zum Schlusstest
wurden der Fussgymnastik gewidmet. Alle meine theoretischen und praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse
verarbeitete ich schliesslich in meiner schriftlichen Arbeit.
Zurückblickend erachte ich die gute Zusammenarbeit mit
der Rennbahnklinik Basel, meiner Betreuungsperson und
den Probanden als sehr wertvoll. Die Beschäftigung mit
diesem Thema war für mich derart beeindruckend, dass
sie mich in meiner Studienwahl der Bewegungswissenschaft zusätzlich bestärkte.
Pat Parelli - eine Ausbildungsmethode für Pferde
Andrea Spiri, Klasse 4me
In meiner Maturaarbeit wollte ich herausfinden, wie gut
eine spezielle Ausbildungsmethode für Pferde wirklich ist.
Diese Ausbildungsmethode nennt sich Pat Parelli’s Savvy
System. Dabei trainierte ich mit einem Pferd ca. 50 Stunden und mass den Lernfortschritt mit drei verschiedenen
Parcours.
Meine Erfahrungen während der gesamten Arbeit waren
vielfältiger Natur. Für den praktischen Teil der Arbeit waren
vor allem sehr viel Disziplin, Flexibilität und Feinfühligkeit
für das Pferd gefragt. Um optimal trainieren zu können,
musste ich jedes Mal von Neuem die Laune des Pferdes
herausspüren und je nach dem mein Programm anpassen.
Es war sehr wichtig, dass ich konstant trainieren konnte,
und deshalb war sehr viel Disziplin meinerseits gefordert. Es gab Zeiten, in denen das Pferd überhaupt keine
Fortschritte machte, und ich zweifelte öfters an meinen
Fähigkeiten und am Erfolg der Methode. Nur durch meinen Willen und meine Motivation konnte ich solche Tiefs
überwinden.
Über die Planung einer SAC-Hütte
Elisa Frank, Klasse 4mf
Die gewonnenen Erkenntnisse aus dem praktischen Teil
musste ich natürlich zu Papier bringen. Ich lernte sehr viel
über den Umgang mit diversen EDV-Programmen. Da
ich die Parcours selbst kreierte, zeichnete ich die Pläne
und von den Ausführungen der Parcours erstellte ich ein
Video. Auch in Sachen Bildbearbeitung auf dem PC lernte
ich mit neuen Programmen umzugehen.
Der ganze Weg bis zur fertigen Maturaarbeit wird mir in
bester Erinnerung bleiben. Ich konnte mich mit einem
Thema befassen, das ich extrem spannend finde und das
mich persönlich weiterbrachte. Auch wenn es nicht immer
einfach war, hatte ich immer das Ziel vor Augen und jedes
überwundene Tief machte mich ein wenig stärker.
Schon in der zweiten Kanti hatte ich die Idee, eine
Maturaarbeit über SAC-Hütten zu machen. Den Gedanken, selbst eine Hütte an einem neuen Standort zu planen und ein Modell davon zu konstruieren, fand ich faszinierend, da ich gerne etwas mit den Händen mache und
somit auch ein „handfestes“ Endprodukt schaffen konnte.
Zudem besuchte ich schon seit frühester Kindheit SACHütten, jedoch weniger wegen der Architektur, sondern
weil ich von dort aus Berge besteigen wollte.
Die Arbeit war dann auch sehr vielseitig. Ich besuchte verschiedene Hütten, übernachtete und arbeitete dort. Ich
befragte die Hüttenwarte und Hüttenwartinnen und wertete meine Informationen aus. Dadurch lernte ich, welche
Elemente der Innen- und Aussenarchitektur für den Hüttenalltag praktisch sind und welche nicht, was dem Gefühl
von Gemütlichkeit entspricht; ich sah schliesslich auch,
wie sich eine Hütte in die Landschaft einfügen kann. Mit
Hilfe dieser Erkenntnisse entwarf ich eine eigene Hütte,
zeichnete Pläne, baute das Modell und zuletzt machte ich
mir auch noch Gedanken zum Energie- und Wasser-Konzept der Hütte.
Während der Arbeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass
ich besser vorankam, wenn ich einmal einen ganzen Tag
investierte. So musste ich mich nicht immer wieder ins
Thema hineindenken.
9
Vor allem der Bau des Modells kostete mich anfangs viel
Überwindung, war es doch das erste Mal, dass ich mit
Holzpappe „bastelte“. Das Modellieren erwies sich jedoch
bald als sehr motivierend, da ich meine zweidimensionalen
Entwürfe dreidimensional sehen konnte. Nun bin ich auch
stolz, diese praktische Herausforderung angenommen zu
haben.
Ich würde dieses Maturaprojekt sofort wieder machen.
Ich denke, dass vor allem die Motivation entscheidend ist.
Man sollte deshalb ein Thema wählen, das einen wirklich
interessiert, und ich glaube, alle von uns interessieren sich
für irgendetwas, auch wenn es sich dabei nicht um einen
typischen Schulstoff handelt. Die Maturaarbeit bietet ja
gerade auch die Chance, etwas Spezielles zu machen
und verschiedene Fächer zu verbinden.
Der Hoffnung ganze Fülle
Humbert Entress, Rechtsanwalt und Jury-Mitglied
Folgerichtig und überzeugend war für mich die Idee, hervorragende Maturaarbeiten zu prämieren, um sie und – ganz
wesentlich – auch die nicht solchermassen ausgezeichneten Arbeiten der Öffentlichkeit bekannt und bewusst zu
machen. Wie sonst könnte verhindert werden, dass all die
Arbeiten, in denen so viel Engagement, Kreativität und
Durchhaltewillen steckt, sofort nach ihrer Beurteilung und
Benotung dem Vergessen anheim gestellt würden.
Unsicher war ich bezüglich meiner Eignung, der Jury anzugehören, die aus all den sehr guten Arbeiten jene auswählt, die dann prämiert werden. Zwar bin ich es gewohnt,
Qualität beurteilen zu müssen, das bringt schon meine
Tätigkeit bei der Kulturstiftung des Kantons Thurgau mit
sich.
10
Aber gilt das auch für wissenschaftliche Inhalte in Gebieten, mit denen ich ansatzweise zum Zeitpunkt meines
eigenen Mittelschulabschlusses, also vor gut dreissig Jahren zu tun hatte? Hier dürfe und könne ich mich auf die
fachliche Beurteilung der begleitenden Lehrkraft verlassen, wurde ich beruhigt.
Also Zusage. Kurz darauf trafen die ersten Arbeiten zur
Durchsicht und Beurteilung ein. Sie übertrafen alle Erwartungen - und zwar in jeder Hinsicht. Ich hatte an schwierige Problemstellungen gedacht, nicht aber an Arbeiten
zur theoretischen Mathematik, in denen neue Gesetzmässigkeiten entdeckt wurden. Ich erwartete Sorgfalt und
bekam akribische Auseinandersetzungen mit faszinierenden Themen zu lesen. Ich stellte mit grösster Freude
fest, wie ungebändigt die Kraft der Innovation und Phantasie in einzelnen Arbeiten zum Ausdruck kam, wie grössten
Widrigkeiten Ergebnisse abgetrotzt wurden, wie mit Fleiss
und musischem oder wissenschaftlichem Engagement ein
Ziel hartnäckig verfolgt wurde. Wie wunderbar auch, zu
spüren, wie sich Maturandinnen und Maturanden auf ein
vielleicht sogar eher zufällig gewähltes Thema einliessen
und dann echte Leidenschaft entwickelten. Meine Faszination und Begeisterung steigerte sich mit jeder gelesenen
Arbeit und wurde nur durch die wirklich unangenehme Aufgabe gemindert, aus diesen Arbeiten die zu prämierenden
auswählen zu müssen. Wo doch (fast) jede dieser Arbeiten eine besondere Auszeichnung verdient hätte.
Die Mitwirkung in dieser Jury ist mir wertvoller Gewinn, für
den ich sehr dankbar bin: Mit der Überheblichkeit der idealistisch geprägten 68er Generation war ich besorgt, ob
unsere Zukunft bei der so angepassten Jugend wirklich
in guten Händen liegen würde. Mir fehlte das Rebellische,
das Aufbegehren, die Bereitschaft zur Auseinandersetzung
und damit der Wille zu echter Verbesserung. Wahrscheinlich habe ich einfach zu wenig genau hingeschaut, denn
genau das, was mir fehlte, entdecke und finde ich nun in
diesen Arbeiten. Mit jeder der gelesenen Arbeiten wächst
bei mir deshalb nicht nur die bewundernde Begeisterung
für das Geleistete, sondern es wächst auch das Vertrauen
darauf, dass hier eine Generation junger Menschen heranwächst, die kritisch, phantasievoll und konstruktiv mit
ihrer Umwelt, mit unserer Gesellschaft, mit alten Überlieferungen und neuen Erkenntnissen umgeht. Für mich
sind es deshalb nicht einfach nur gute oder hervorragende
Maturaarbeiten, die einer Beurteilung harren, sondern
Bekenntnisse einer Verantwortung, aus denen Hoffnung
wächst. Hoffnung in einer Fülle, die ebenso unerwartet wie
beglückend ist.
Das Schwerpunktfach
Wirtschaft und Recht
Christian Meier, Stéphanie Tschanz, Laurenz Wirth,
Lehrkräfte für Wirtschaft und Recht
Haben Sie soeben verwundert die Banknote rechts betrachtet und entdeckt, dass es sich um eine Fälschung
handelt? Haben Sie sich gefragt, ob es wohl erlaubt sei,
eine gefälschte Banknote in dieses Bulletin zu kleben?
Nimmt es Sie wunder, was passieren würde, wenn viele
gefälschte Banknoten in Umlauf gerieten? Wenn ja, dann
sind Sie schon beim Stoff, aus dem die Probleme sind,
denen im Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht vertieft
nachgegangen wird.
Schade!
Die gefälschte Banknote mit dem Mind-Map, das Ihnen
eine Übersicht über den Schwerpunkt Wirtschaft und
Recht gibt, ist schon weg.
Melden Sie sich bei Andreas Bischoff, Christian Meier,
Daniel Ruppen, Roger Stöcker, Annina Villiger, Laurenz
Wirth, Stéphanie Tschanz oder Kaspar Ziegler, um ein
Exemplar zu erhalten.
Nicht nur die eingeklebte Blüte, sondern dieser ganze Beitrag wirft Fragen auf, die mit Strategien gelöst werden können, die im Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht erlernt
werden.
Effektiv und effizient arbeiten
Die Schulleitung ist mit der Bitte an uns gelangt, einen Beitrag über unser Fach zu verfassen. Nun hätten wir natürlich
einfach drauflos schreiben können, doch hätten wir damit
vieles unnötigerweise dem Zufall überlassen (nach dem
Prinzip „Wir wissen zwar nicht, wohin wir fahren, doch wir
sind schneller dort“). Ökonomen und Juristen überlegen
sich lieber, was ihr Ziel ist und welche Handlungsvarianten sich anbieten. Aus den vielen Lösungsmöglichkeiten
kommen für uns nur die in Frage, mit denen sich das Ziel
effektiv und effizient, d. h. mit möglichst geringem Aufwand
und möglichst wenigen negativen Folgen erreichen lässt.
Ökonomen beschreiben dieses Vorgehen mit der Kurzformel „Das Richtige richtig tun“.
Sind Sie schon daran, den Beitrag beiseite zu legen, weil
Sie sich von derart plakativen Vereinfachungen für die
komplexen Probleme unserer Welt nicht beeindrucken
lassen? Sie haben Recht. Es wäre zu schön, wenn man
mit einfachen Formeln und glücklicher Eingebung die
Herausforderungen des Lebens so komfortabel bewältigen
könnte. Leider sind oftmals nicht einmal die Probleme, die
sich einem stellen, wirklich durchschaubar. Wie will man
so überhaupt Handlungsvarianten bezüglich Effektivität
und Effizienz genauer unter die Lupe nehmen?
Komplexe Probleme überblicken
Einen Beitrag für dieses Bulletin zu schreiben, wirft nebst
der Frage nach dem Ziel noch viele weitere auf: Welche
Zielgruppe wollen wir ansprechen? Welche technischen
und gestalterischen Mittel stehen uns dafür zur Verfügung?
Wie viel Zeit und Geld darf die Herstellung in Anspruch
nehmen? Auf wen muss Rücksicht genommen werden?
Gibt es Rechtsgrundsätze, die zu beachten sind? Diesen
Beitrag zu schreiben, stellt, wie Sie sehen, ein komplexes
Problem dar. Man nennt etwas komplex, wenn es viele Dinge zu berücksichtigen gilt, die unter sich in mannigfaltiger
Weise zusammenhängen, sich wechselseitig beeinflussen
und die teilweise sogar in Konflikt miteinander stehen.
11
Wenn Situationen unübersichtlich werden, bauen Ökonomen Modelle. Sie haben den Vorteil, dass man die
Wirklichkeit wie aus der Vogelperspektive betrachten
kann. Mit ihnen schärft man den Blick für das Wesentliche
und für Zusammenhänge. Ein solches Modell ist das Anspruchsgruppen-Umweltsphären-Modell der Betriebswirtschaftslehre. Es veranschaulicht, wer Ansprüche an die
Unternehmung hat. Indem die Interessen der einzelnen
Anspruchsgruppen identifiziert werden, wird klar, welche
Zielkonflikte zu bewältigen sind.
Mitarbeitende
Kunden
Konkurrenz
Institutionen
Unternehmung
Staat
Kapitalgeber
Lieferanten
Management
Ökologische Umweltsphäre
Soziale Umweltsphäre
Rechtliche Umweltsphäre
Technologische Umweltsphäre
Ökonomische Umweltsphäre
Natürlich sind wir keine Unternehmung, wenn wir einen
Artikel schreiben. Trotzdem ist das obige Modell für unsere Zwecke brauchbar. Je nach Zielgruppe (Kunden), die
wir ansprechen, ergibt sich schon ein erster Zielkonflikt:
Möchten wir Eltern von potenziellen SchwerpunktfachSchülern ansprechen, so müssen wir vermutlich einen
Beitrag schreiben, der ihre Informationsbedürfnisse umfassend abdeckt. Wollen wir die Schüler direkt ansprechen, so glauben wir, dass wir ein paar Effekte einbauen
müssen, um überhaupt ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
Wahrscheinlich sollte der Artikel auch etwas unterhaltsam sein, damit die Schüler ihn lesen. Möchten wir die
Schulleitung (unser Management) beeindrucken, so liegt
die Präferenz wohl eher bei einem Artikel, in dem wissenschaftliche Ansätze im Vordergrund stehen, die auf das
hohe Qualitätsniveau unseres Fachs hinweisen.
Stört es Sie als Schüler, dass wir Sie als jemanden beschreiben, der auf sachliche, informative und wissenschaftliche Artikel nicht anspricht, sondern eher unterhaltsamen Effekten verfällt? Dann haben wir Sie offenbar
falsch eingeschätzt. Mit der Schwierigkeit, dass man seine
Zielgruppe nicht gut kennt, hat man auch in der Betriebswirtschaft zu kämpfen.
12
Das Verhalten und die Bedürfnisse seiner Zielgruppe herauszufinden, ist deshalb äusserst wichtig. Sonst baut man
seine Strategie auf falschen Annahmen auf, was sie mit
grosser Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt. Um
repräsentative Erkenntnisse zu erhalten, bedarf es ausgeklügelter Marktforschung und sauberer statistischer Methoden.1 Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Hunderte
von Büchern mit der Erforschung der Kunden befassen
und dass Statistik im Wirtschaftsstudium einen wichtigen
Platz einnimmt.
Doch mit den Kunden ist es noch nicht getan. Weitere
Gruppen stellen Ansprüche an unseren Artikel: Die Fachschaften der anderen Schwerpunktfächer (Konkurrenz)
wünschen einen Artikel, der sachlich und fair informiert
und unser Schwerpunktfach nicht übermässig attraktiv erscheinen lässt. Die Steuerzahler (Kapitalgeber) möchten
einen Beitrag, dessen Produktion die Kosten nicht ausufern lässt, und wir Verfasser (Mitarbeitende) hätten am
liebsten, dass das Verfassen des Texts nicht auf Kosten
unserer Freizeit geht.
Nebst den Anspruchsgruppen sind aber auch die Entwicklungen in den Umweltsphären zu beachten. Die technische
Umweltsphäre kommt uns sehr entgegen. Vor einigen Jahren wäre es schwieriger gewesen, die Idee der gefälschten
Banknote zu verwirklichen. Dank dem technologischen
Fortschritt verfügen wir über eine Digitalkamera. Die geschossenen Bilder direkt in ein Textdokument einzufügen,
ist heute eine Sache von Sekunden, während wir vor ein
paar Jahren diesen Auftrag einem Grafiker übertragen
mussten. Was die Technik vereinfacht hat, ist allerdings
im rechtlichen Bereich komplizierter geworden. Dinge zu
kopieren und für eigene Produkte weiter zu verwenden,
ohne dem Hersteller durch Zitieren die Ehre zu erweisen,
ist in der wissenschaftlichen Arbeit zwar seit jeher tabu.
Doch im Alltag hat der sorgfältige Umgang mit geistigem
Eigentum und Daten anderer Personen erst seit knapp 15
Jahren dank dem Urheberrechtsgesetz und dem Datenschutzgesetz Einzug gehalten. Diese Rechtsgrundlagen
wurden ihrerseits nur möglich, weil in der Gesellschaft (soziale Umweltsphäre) ein Umdenken stattgefunden hatte.
Prioritäten begründet setzen und Entscheidungen
treffen
Modelle vereinfachen die Probleme der Ökonomen. Doch
dies ist nur die halbe Miete. Jedes Projekt erfordert, dass
man Prioritäten setzt und Entscheidungen trifft, ganz nach
dem alten Sprichwort: „Allen Leuten recht getan ist eine
Kunst, die niemand kann.“ Wir haben uns deshalb entschieden, die Bedürfnisse der Schüler in den Vordergrund
zu stellen und andere, z. B. die der Verfasser, weniger zu
gewichten. Wieso? Wir versprechen uns davon den
grössten Nutzen. Ökonomen behelfen sich dabei eines
Werkzeugs, das bezeichnenderweise Nutzwertanalyse
heisst. Man listet alle möglichen Nutzen auf, die von einer
Lösung zu erwarten sind. Dann überlegt man sich, welche
Nutzen die wichtigsten und welche nebensächlich sind.
Danach werden sie gewichtet. Hierauf verteilt man für jede
Lösung, die man in Betracht zieht, pro Nutzen eine Note.
Die Lösung, deren Nutzen mit dem jeweiligen Gewicht
multipliziert am meisten Punkte erzielt, wird bevorzugt.
Böse Zungen behaupten, dass Wirtschaftsstudenten (und
-innen!) sogar ihre Lebenspartner nach diesem Prinzip
auswählen, wie Sie am folgenden Beispiel nachvollziehen
können.
Die Studentin S. Müller ist sich nicht sicher, ob sie sich
für ihren Studienfreund R. Meier oder für Mister Schweiz
2006, Miguel San Juan, entscheiden soll, der ebenfalls an
derselben Uni studiert.
Die Nutzwertanalyse (siehe unten) fördert zutage, weshalb
R. Meier die bessere Wahl als Mister Schweiz 2006 ist.
Zwar gibt S. Müller beiden Kandidaten bezüglich Bildung,
Alter und Gesundheit die gleichen Noten, doch schneidet
R. Meier in den Kriterien besser ab, welche sie stärker
gewichtet. Nach demselben Prinzip erhalten Sie übrigens
auch Ihren Maturitätsausweis. Es gibt Kriterien, die stärker gewichtet werden als andere. Allerdings gibt es für die
Maturität noch eine Erweiterung durch so genannte KillerKriterien. Wenn z. B. Ihre Maturaarbeit nicht genügend ist,
nützen Ihnen alle anderen Qualitäten nichts.
Kriterium
Gewicht %
Äusseres
Bildung
Charakter
Finanzen
Alter
Gesundheit
Interessen
Total
5%
10%
30%
10%
5%
20%
20%
100%
Note
Meier
(1-6)
4
5
6
3
5
6
6
Pkte
Meier
20
50
180
30
25
120
120
545
Note
Mr. CH
(1-6)
6
5
4
5
5
6
2
Pkte
Mr. CH
30
50
120
50
25
120
40
435
Nutzwertanalyse für Lebenspartner
Lösungen kreativ gestalten
Auch nachdem wir uns entschieden haben, unseren Beitrag hauptsächlich für unsere Schüler zu schreiben, weil
wir uns davon den grössten Nutzen versprechen, stehen uns noch viele Möglichkeiten offen, wie der Beitrag
gestaltet werden könnte. Ein hilfreiches Werkzeug der
Ökonomen ist der morphologische Kasten. Wie viele praktischen Dinge, derer sich die Ökonomen bedienen, wurde
auch er nicht von einem Ökonomen erfunden, sondern
vom Schweizer Astrophysiker Fritz Zwicky (1898 – 1974).
Der morphologische Kasten ist ein Kreativitätswerkzeug,
dessen Stärke darin liegt, ein vielschichtiges Problem mit
Erfindergeist und trotzdem systematisch zu lösen, indem
man ein Problem in seine Teilprobleme zerlegt und dafür
in einer Matrix alle erdenklichen Ausprägungen darstellt.
Die Matrixdarstellung erlaubt es, Kombinationen zu erkennen und daraus die optimale Variante zusammenzufügen.
Einen vereinfachten morphologischen Kasten zu unserem
Problem „Wie sollen wir den Artikel verfassen?“ sehen Sie
in der nächsten Abbildung.
Mister Schweiz 2006 studiert Betriebswirtschaftslehre an der Uni
Fribourg2
Wir entscheiden uns für die orange eingefärbte Variante.
Wir wollen kommentieren, wie Ökonomen und Juristen an
ein Problem herangehen. Wir verwenden öffentlich zugängliche Bilder und veranschaulichen einige Aussagen
mit Tabellen. Wir werden die falsche Note als Beilage einkleben, damit der Leser sie heraustrennen und auch die
Rückseite lesen kann.
13
Teilproblem
Textform
Fotos
Ausprägungen
Reportage
Kommentar
keine
von KSF
Strukturen
Beilagen
Inhalt
keine
keine
ein Thema
exemplarisch
wissenschaftlich
Stil
Diagramme
perforiert
einige Bereiche streifen
sachlich
Interview
öffentliche
Tabellen
gestanzt
umfassend
mit Augenzwinkern
Bericht
selber
erstellt
Listen
geklebt
Vergleich
kontrovers
Morphologischer Kasten
Da wir nicht den Platz haben, unser Fach umfassend darzustellen, müssen wir uns inhaltlich auf ein paar Hauptbereiche beschränken. Wir verzichten bewusst auf eine wissenschaftliche Abhandlung und wählen stattdessen den
augenzwinkernden Ansatz.
Rechtsgrundsätze beachten
Nun sind wir soweit, dass wir unser komplexes Problem
überblickt, reduziert und verschiedene Lösungen betrachtet haben. Wir haben uns schon ziemlich konkret dem
genähert, was wir verwirklichen wollen. An dieser Stelle
möchten wir uns aber zu unserer Lösung ein paar weitere
Fragen stellen.
Wir sind ja der Meinung, liebe Lesende, dass wir in diesem Artikel ein paar Effekte einbauen müssen, damit wir
überhaupt Ihre Aufmerksamkeit erhalten. Marketing-Spezialisten nennen solche Effekte „Eye-Catcher“, also etwas,
womit das Auge des Lesenden gefangen wird. Dies hoffen
wir mit unserer gefälschten Banknote zu erreichen. Dabei
machen wir uns ein altes Werbeprinzip namens AIDA zunutze. Werbung, die so aufgebaut ist, zieht zuerst die Aufmerksamkeit (Attention) des Beworbenen auf sich, denn
ohne Aufmerksamkeit kann er nie Interesse (Interest) an
der Werbebotschaft entwickeln und schon gar kein Verlangen (Desire) nach dem, was mit der Botschaft angepriesen
wird. Dass somit auch keine Handlung (Action) beim Empfänger ausgelöst werden kann (z. B. Besuch des Schwerpunktfachs W+R), versteht sich von selbst.
Die Frage, die sich uns stellt, ist allerdings, wie weit wir gehen dürfen, um Ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Heiligt
der Zweck die Mittel? Dürfen wir wirklich eine gefälschte
Banknote einkleben? Dürfen wir, um unser AIDA-Beispiel
zu veranschaulichen, die Plakatwerbung von Benetton
verwenden? Sie zeigt die ehrenamtliche UNO-Mitarbeiterin Marianna Handler, die als freiwillige Aufseherin an
einem FKK-Strand arbeitet.
14
Heiligt der Zweck die Mittel? Benetton-Werbung im Jahr 20013
Die Frage lässt sich aus zwei Perspektiven angehen: Die
eine ist die rechtliche, die andere die moralisch-ethische.
Ähnlich wie wirtschaftliche Modelle helfen rechtliche Problemlösestrategien, komplizierte Situationen übersichtlicher darzustellen. In einem ersten Schritt überlegen sich
Juristen, wessen Interessen durch eine Tat, in unserem
Fall die Fälschung der Banknote, tangiert werden könnten.
Es liegt im Interesse jeder Person in diesem Land, dass
Geld, das sich im Umlauf befindet, „echt“ ist und somit als
gesetzliches Zahlungsmittel akzeptiert wird. Geld hat ja
überhaupt erst ermöglicht, dass Tauschgeschäfte effizient
abgewickelt werden können.4
In einem zweiten Schritt sucht der Jurist nach passenden
Gesetzen, die diese Interessen schützen. Dabei gibt es
eine Vielzahl von Artikeln, die scheinbar zu unserer Tat
(Sachverhalt) passen. Daraus gilt es denjenigen Artikel
zu finden, dessen Beschreibung (Tatbestandsmerkmale)
genau mit dem vorliegenden Sachverhalt übereinstimmt.
Dies ist wichtig, weil nur dann die im entsprechenden Artikel beschriebene Konsequenz (Rechtsfolge) eintreten
kann. Für unser Vorhaben ist Art. 243 Abs. 1 StGB von
Bedeutung: „Wer ohne Fälschungsabsicht Banknoten so
wiedergibt oder nachahmt, dass die Gefahr einer Verwechslung durch Personen oder Geräte mit echten Noten
geschaffen wird, insbesondere wenn die Gesamtheit, eine
Seite oder der grösste Teil einer Seite einer Banknote auf
einem Material und in einer Grösse, die mit Material und
Grösse des Originals übereinstimmen oder ihnen nahe
kommen, wiedergegeben oder nachgeahmt wird, (…)
wer solche Gegenstände einführt, anbietet oder in Umlauf
setzt, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft.“
Beim Vergleich unseres Sachverhalts mit den Tatbestandsmerkmalen des Artikels stellen Sie eine grosse Übereinstimmung fest. Es stellt sich lediglich die Frage, ob bei unseren Noten eine Verwechslungsgefahr besteht. Bei der
Beurteilung dieser Frage ist für die Nationalbank, die in
der Schweiz das alleinige Recht zur Ausgabe von Banknoten besitzt, unter anderem entscheidend, ob ausländische
Touristen die Note für echt halten könnten.5 Als wichtige
Möglichkeiten, eine Verwechslung zu vermeiden, nennt
sie das Anbringen des Aufdrucks „SPECIMEN“ oder die
Verwendung eines stark vom Original abweichenden Formats oder Materials sowie Abbildungen, die sich farblich in
sofort erkennbarer Art und Weise von echten Banknoten
abheben. Wir gehen davon aus, dass unser Mind-Map,
das Sie auf der Rückseite der Note finden, eine solche
Abbildung darstellt und der Schwerpunkt im kom-menden
Jahr nicht ausfällt, weil wir W+R-Lehrkräfte hinter schwedischen Gardinen stecken.
Ziele überdenken
Rein rechtlich scheinen wir uns zurücklehnen zu können.
Doch wie steht es mit unserem Gewissen? Wir wollen Ihnen nicht verhehlen, dass wir uns als eher zurückhaltende
Menschen mit der Benetton-Werbung schwer getan haben. Wie weit darf man als Lehrperson gehen, wenn man
kontroverse Themen diskutieren will? Dürfen wir mit einer
nackten alten Dame Ihre Aufmerksamkeit erheischen?
Sollen wir die Grenze zur Geschmacklosigkeit bewusst
überschreiten und das Risiko eingehen, die Gefühle jener
Leser dieses Bulletins zu verletzen, die selber nie so weit
gehen würden? Andererseits: Können wir überhaupt eine
grundlegende Reflexion über Ethik und Ästhetik, über Sittenwidrigkeit und Meinungsfreiheit in der Werbung ermöglichen, ohne Beispiele zu zeigen, die den üblichen Rahmen sprengen?6
Nebst aller Theorie, nebst allen Modellen und Werkzeugen,
die uns beim Lösen von Problemen unterstützen, kommen
wir nicht umhin, uns in unserem Schwerpunkt immer wieder zu fragen, ob unsere Ziele die richtigen sind, ob die Art
und Weise, wie wir sie erreichen wollen, vertretbar ist. Wir
müssen uns mit den Grenzen und Schattenseiten unseres
Fachs befassen.
Dieses Dilemma wurde schon vom Urvater der Ökonomie,
Adam Smith, erwähnt, als er vor mehr als zwei Jahrhunderten feststellte, Wohlstand komme nur zustande, weil
sich die Menschen ständig durch die Versprechungen des
Wachstums blenden liessen.9
Mehr bedeutet nicht unweigerlich mehr Nutzen. Dies ist
allen bewusst, die das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens kennen. Probieren Sie es ruhig aus. Wenn Sie
riesigen Hunger verspüren, können Sie einen Schokoriegel verspeisen. Es versteht sich von selbst, dass Ihnen
der erste Riegel Genuss und einen grossen Nutzen bringt.
Je mehr Riegel Sie aber essen, desto geringer wird der
Zusatznutzen, den Sie durch einen weiteren Riegel erfahren. Der Grenznutzen jedes zusätzlichen Riegels ist also
abnehmend. Im Extremfall kippt er sogar ins Negative, mit
unangenehmen Folgen für die Peristaltik Ihres Magens.
Auch der Grenznutzen von Zeitschriftenartikeln ist nach
einer gewissen Länge abnehmend. Deshalb wollen wir
diesen Text nicht weiter ausdehnen und hoffen, Ihnen einen kleinen Einblick in einige Themen und Arbeitsweisen
in unserem Fach gegeben zu haben.
Für Auskünfte stehen Ihnen die auf der „Banknote“ abgebildeten Personen der Fachschaft Wirtschaft und Recht
gerne zur Verfügung.
1
Ein Standardwerk zu diesem Thema ist Berekoven, Ludwig et al. (2006).
Marktforschung (11. Auflage). Berlin: Gabler.
2
www.schmuck.ch/7836_DE_CH.htm (26.2.07)
3
Nuri, Midia (2001). Keine Schockerwerbung, nur ein bisschen Aufregung. Frankfurter Allgemeine vom 2. Oktober.
4
Wenn Sie sich für die Anfänge des Geldes und seinen Beitrag zur Entwicklung der Wirtschaftsgeschichte interessieren, empfehlen wir Ihnen
Klein, Fritz & Palazzo, Guido (2003). Kulturgeschichte des Geldflusses.
Zürich: SKV.
5
Schweizerische Nationalbank (2005). Merkblatt über die Reproduktion
von Banknoten.
6
Spicha, Christian (2003). Unterhaltsame Formate als Bausteine der medienethischen Ausbildung. Medienheft vom 12. Mai 2003.
7
Gross, Peter (1994). Die Multioptionsgesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
8
Binswanger, Mathias (2006). Die Tretmühlen des Glücks. Freiburg: Herder.
9
Smith, Adam (1977). Theorie der ethischen Gefühle. Hamburg: Meiner.
In der Volkswirtschaftslehre werden die Stimmen jener immer lauter, die nebst den vielfältigen Problemen der Globalisierung auch die Schwierigkeiten sehen, die das ständige Streben nach Wirtschaftswachstum mit sich bringt.
Sozialwissenschafter und Ökonomen wie Peter Gross7
und Mathias Binswanger8 befassen sich mit der Tatsache,
dass wir zwar immer mehr von allem haben, aber trotzdem
nicht glücklich werden.
15
„Maturité bilingue“:
Beitrag zu einer
offenen Schweiz
Heidi Fuchs, Prorektorin
Vor sieben Jahren wurde das Projekt „Maturité bilingue“ ins
Leben gerufen und es hat sich in diesen Jahren sehr gut in
den Schulalltag integriert. Das Projekt wurde gemeinsam
mit unserer Partnerschule, dem Gymnasium Yverdon, entwickelt. Zwischen beiden Schulen hat sich über die Jahre
eine ausserordentlich gute Art der Zusammenarbeit entwickelt, die garantiert, dass Probleme auf beiden Seiten
schnell angegangen werden können.
Alle bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben
die Matura bei uns problemlos bestanden. Auf beiden
Seiten hat es auch schon Schülerinnen und Schüler gegeben, die an der Gastschule verblieben sind und in der
Fremdsprache die Matura bestanden haben - ebenfalls
ohne Probleme, zum Teil sogar mit ausserordentlich guten
Resultaten.
Ein nicht unwesentlicher Nebeneffekt dieses Projektes ergibt sich aus dem guten Netzwerk von persönlichen Kontakten unter den Eltern und der Schüler- und Lehrerschaft
beider Schulen. Es werden Besuche diesseits und jenseits
der Saane gemacht, auch von Schülerinnen und Schülern,
die nicht direkt am Projekt beteiligt sind. Die französische
Sprache wurde dadurch an unserer Schule aufgewertet.
Ich bin je länger je mehr überzeugt, dass dieses Projekt
einiges zur Überwindung des „Röstigrabens“ beiträgt.
Das Projekt basiert auf einem ganzen Jahr Schulwechsel
von Frauenfeld nach Yverdon und umgekehrt. Die beiden
Schulsysteme sind nicht identisch, aber doch einigermassen ähnlich. Die Schülerinnen und Schüler tauschen nicht
nur die Schulen, sondern auch die Familien, dadurch kann
dieses Projekt für die Familien und die Schulen kostenneutral durchgeführt werden. Die Anmeldezahlen zur Teilnahme am Projekt sind an beiden Schulen steigend. Wir
mussten die Teilnehmerzahl auf 12 beschränken, da es
sich erwiesen hat, dass mehr als zwei Austauschschüler
pro Klasse die Integration und damit auch die Sprachfertigkeit erschweren.
In Jahren, in denen das Interesse am Projekt grösser
ist als die festgelegte Teilnehmerzahl, ist die schulische
Leistungsfähigkeit und die Arbeitshaltung entscheidend
für die Auswahl. Vor allem motivierte und leitungsstarke
Schülerinnen und Schüler erhalten folglich die Möglichkeit
zur Teilnahme am Projekt.
Problemlose Rückkehr
Die zurückkehrenden Schülerinnen und Schüler sind
durchwegs zufrieden und betonen, dass sie dieses Jahr
wirklich empfehlen können. Sie sind in der Regel in diesem
Jahr eigenständiger und erwachsener geworden, haben
ein sehr gutes Niveau im Französisch erlangt und kehren
ohne nennenswerte Schwierigkeiten in ihre Stammklassen zurück. Sie schliessen die Matura gleichzeitig mit ihren Frauenfelder Kolleginnen und Kollegen ab, ihr Maturazeugnis enthält den Zusatz „Maturité bilingue“.
16
Eliane Stucki, Doyenne am Gymnasium Yverdon, und Heidi Fuchs,
Prorektorin an der Kantonsschule Frauenfeld
Die Sprache gilt als Vehikel für ein besseres Kulturverständnis. Dieser einjährige Austausch zur Erlangung der
„Maturité bilingue“ garantiert - dies im Gegensatz zu andern Modellen - einen Einblick in die Andersartigkeit der
Sprachregionen. Das Erleben der anderen Schul- und
Familienkultur trägt wesentlich zum besseren gegenseitigen Verständnis und zu einer offeneren Haltung gegenüber Neuem bei.
Kommunikation über den „Röstigraben“ hinweg
Eliane Stucki, Doyenne am Gymnasium Yverdon
In einer Zeit, in der so oft von Kommunikation die Rede
ist, bietet unser Austauschprojekt „Maturité bilingue“ eine
positive und wirksame Gelegenheit, endlich zur Tat zu
schreiten.
Alle am Projekt beteiligten Personen - Lehrkräfte, Eltern
und Schülerinnen und Schüler - müssen lernen, miteinander zu diskutieren, Ideen auszutauschen, mit den Verschiedenheiten auf beiden Seiten des sogenannten „Röstigrabens“ vertraut zu werden, um einander zu verstehen;
nur unter dieser Voraussetzung kann das Austauschjahr
unter guten Bedingungen und mit Erfolg stattfinden.
Jedes Jahr nehmen mehrere waadtländische Familien
begeistert diese Herausforderung an und erklären sich
bereit, ihr Kind nach Frauenfeld zu schicken und einen
Thurgauer zu Hause zu empfangen. Sehr oft teilen sie
uns auch mit, wie erwartungsvoll sie sind, den Alltag mit
einem Austauschschüler zu teilen, ihn in die Familien- und
Freizeitaktivitäten einzubeziehen. Sie fühlen sich für den
Erfolg des Austauschjahres verantwortlich und sind bestrebt, die anfänglichen Adaptionsschwierigkeiten zu überwinden. Die Partnerfamilien sprechen viel miteinander, um
die Gewohnheiten der Gäste kennen zu lernen und deren
Bedürfnissen und Erwartungen zu entsprechen; es geht
natürlich auch darum, Vertrauen zu gewinnen, was das eigene Kind betrifft, das in einer anderen Umgebung leben
und arbeiten wird. Meistens teilen uns die beteiligten Familien nach dem Austauschjahr mit, wie bereichernd diese
Erfahrung gewesen ist, sei es im persönlichen, privaten
oder schulischen Bereich.
Hervorragende Zusammenarbeit
Unsere Lehrkräfte setzen sich sehr dafür ein, dass die
Adaptationsphase der Thurgauer Schülerinnen und Schüler so problemlos wie möglich verläuft. Sie legen grossen
Wert auf deren Integration in die Klasse, sie bemühen sich,
langsam und genau zu sprechen (was einem Waadtländer
nicht immer leicht fällt), sie zaudern keine Minute, zu ihren
Deutschkenntnissen zu greifen, damit ihre Gastschüler
schneller verstehen, was im Unterricht besprochen und
bearbeitet wird. Was unsere Lehrkräfte stets hervorheben,
ist die Dynamik und Motivation der Thurgauer Schüler.
Nicht selten kommt es vor, dass eine Lehrkraft ein wenig
neidvoll auf die ausgezeichneten Leistungen der Deutschschweizer Schüler blickt und auf einen positiven Einfluss
auf die eigenen Schüler hofft. Was die Zusammenarbeit
zwischen Frauenfeld und Yverdon anbelangt, so darf gesagt werden, dass wir durch die enge Zusammenarbeit in
der Lage sind, von Jahr zu Jahr das zu korrigieren, was
uns Probleme verursacht, und dadurch das Projekt stetig
zu verbessern. Um diese Art der Zusammenarbeit im Projekt „Maturité bilingue“ beneidet uns manch eine Schule im
Kanton Waadt.
Zum Schluss möchte ich mich insbesondere bei den Thurgauer Schülern für ihren Enthusiasmus und ihren Einsatz
bedanken; auch wenn die Situation aus irgendeinem unerwarteten Grund plötzlich unbehaglich wird, bleiben sie
vertrauens- und verständnisvoll und helfen einander, bis
alles wieder normal läuft. Das ist den Gästen aus Frauenfeld angesichts der oft zitierten Zurückhaltung der Waadtländer hoch anzurechnen.
Das Gymnasium in Yverdon
Die Zusammenarbeit zwischen Frauenfeld und Yverdon
darf als sehr gelungenes Kommunikationsbeispiel bezeichnet werden, das die französische und die deutsche
Schweiz in einem gemeinsamen Projekt zusammenführt.
Man kann sich auch fragen, ob die am Projekt beteiligten
Partner nicht als Vorläufer einer zukünftigen Schweiz
angesehen werden dürfen, in der das interregional herrschende Misstrauen durch ein beiderseitiges Verständnis
ersetzt wird. Wir können uns also darüber freuen, dass
unser bescheidener Anteil zur Überwindung des „Röstigrabens“, einer von Journalisten erfundenen Floskel, mit
Erfolg und Anerkennung gekrönt wird. Ist das Projekt „Maturité bilingue“ nicht ein überaus wertvoller Beitrag zu einer
kompetenten und offenen Schweiz, die ihrer Leistungsfähigkeit und Zukunft vertraut?
17
Frauenfelder Schülerinnen und Schüler in Yverdon
Gianluca Gnädinger, Cyrill Kressibucher, Manuela Loser,
Anna Scheidegger, Mariana Marti, Marcella Wolf, Claudia
Böhm, Andrea Cahenzli, Annatina Müller, Vera Gasser,
Eliane Jäger, Joana Keller
Es ist eine Herausforderung, allein an einem fremden Ort
zu sein, hin und wieder fühlt man sich einsam und es gibt
immer wieder Probleme, die man ganz allein bewältigen
muss. Auch wenn es nicht immer einfach ist, sind wir überzeugt, dass wir von diesem Jahr in verschiedener Hinsicht
unglaublich profitieren werden; bereuen unsere Entscheidung überhaupt nicht.
Natürlich hatten wir alle Angst, anfangs gar nichts zu verstehen. Wir waren deshalb ziemlich überrascht, dass wir
dem Unterricht bereits kurz nach den Sommerferien gut
folgen konnten, zumindest meistens (allerdings ist es viel
einfacher, die Lehrer zu verstehen als die anderen aus
der Klasse). Ganz anders ist es mit dem Sprechen. Auch
nach einem halben Jahr ist es oft noch schwierig, sich
auszudrücken, und man kommt sich manchmal einfach
nur blöd und langweilig vor, weil man nie sagen kann, was
man eigentlich möchte. Deshalb tut es gut, hin und wieder
Deutsch sprechen zu können.
Als extremen Nachteil empfinden wir, dass wir teilweise zu
zweit oder sogar zu dritt in einer Klasse sind. Das macht
die Integration nicht einfach, weil wir oft zusammen sind.
Wir hätten zum Teil etwas mehr Offenheit und Neugierde von unseren Klassen erwartet, man muss wirklich von
sich aus auf die anderen zugehen und sie ansprechen.
Und weil das Einzugsgebiet der Schule so gross ist, gehen viele nach Unterrichtsende gleich nach Hause. Am
Wochenende in Yverdon zu bleiben, ist sicher gut für die
Sprache und eventuell auch die Integration, allerdings
müssen alle ihren eigenen Weg gehen. Es ist nicht immer
einfach, zu entscheiden, ob man lieber Freunde und Familie in Frauenfeld sehen möchte oder ob es wichtiger ist,
hier zu bleiben und Französisch zu lernen.
Dieses Austauschjahr ist eine geniale Erfahrung, man lernt
viele neue Menschen kennen und lernt sehr viel über sich
selbst und das Leben. Man muss zum Beispiel gegen die
Angst kämpfen, Fehler zu machen, und lernen, die Dinge
nicht immer so ernst zu nehmen. Auch wenn es manchmal
Probleme gibt, weil wir zu zweit oder zu dritt in einer Klasse sind, ist es auch spannend, Leute aus Frauenfeld näher
kennen zu lernen.
Yverdon ist wirklich eine schöne Stadt, man kann nach
der Schule an den See oder in die Altstadt (klarer Vorteil gegenüber Frauenfeld!). Ausserdem hat man hier viel
mehr Ferien und die Schule beginnt morgens erst um
Viertel nach acht...! Man macht die Erfahrung, sich in eine
andere Familie einzuleben, sieht, wie andere Leute leben,
und ist manchmal gezwungen, sich anzupassen.
18
Frauenfelder Schülerinnen und Schüler in Yverdon
Ein Yverdoner Schüler in Frauenfeld
Philipp Ogay
Ich habe mir ganz am Anfang nicht vorstellen können,
dass ich diesen Austausch wirklich machen würde. Es
war für mich unmöglich, mein Leben in Yverdon zu verlassen (meine Freunde, meine Sportclubs usw.). Meine
Einstellung hat sich erst allmählich geändert - vor allem,
nachdem ich die Präsentation in Yverdon über die zweisprachige Maturität in Frauenfeld besucht habe. Ich habe
viele Fragen stellen können, was mir beim Entscheid sehr
geholfen hat. Dann war ich bereit, ein ganzes Jahr auf
Deutsch zu erleben.
Schon am ersten Schultag hatte ich sechs Lektionen, was
für den Anfang schon viel ist. Ich glaubte, dass ich danach
nichts mehr hören konnte. Deshalb verbrachte ich nachher eine lange Stunde in den so angenehmen Sprudelbädern im Frauenfelder Hallenbad, um mich ein wenig zu
beruhigen.
Jeden Tag, als ich von der Schule zurückgekommen war,
brauchte ich vor allem eine Stunde Schlaf, weil ich mich so
müde fühlte Ich versuchte nach dem Nachtessen jeweils,
Hausaufgaben zu machen. Aber jedes Mal, als ich am Lesen war, erwachte ich am folgenden Morgen mit dem Buch
auf dem Bauch.
Was auch noch speziell war: Den Freitag hatten wir jeweils mit zwei Lektionen Deutsch abgeschlossen. Als ich
in der erste Woche zu Hause ankam, musste ich zuerst
eine halbe Tafel Schokolade essen, weil ich so viel Energie verloren hatte.
Schon am ersten Schultag fühlte ich mich wohl an der
Kantonsschule Frauenfeld: Alle in der Klasse waren sehr
nett und haben mir sofort geholfen. Das war der Satz,
den ich oft gehört habe: „Wenn du eine Frage hast oder
irgendein Problem, komm zu uns. Wir werden dir helfen.“
Der Kontakt hatte sich sofort eingestellt, sowohl zu den
Freunden als auch zu meiner Gastfamilie. Ich denke, dies
ist der Hauptgrund, warum mir alles so gefällt.
Gentechnologie —
hautnah erlebt
Kristina Wyss-Böhni, Lehrerin für Biologie
Das „Mobile Genlabor“ ermöglicht es, Gentechnologie
im eigenen Schulzimmer hautnah zu erleben. An einem
frühzeitig vereinbarten Projekttag kommt eine Fachperson
- bei uns ist es Philip Taxböck gewesen - mit ihrem mobilen Labor an die Schule und führt zusammen mit den
Schülerinnen und Schülern interaktiv und in Gruppen einfache gentechnische Experimente durch. Das attraktive
Programm baut auf den folgenden Schritten auf:
- Isolation von Plasmid-DNA
- DNA-Restriktionsverdau
- Gel-Elektrophorese der DNA-Schnipsel
- Auswertung und Diskussion der Resultate
Diese Experimente sind eine ideale Ergänzung zum
Biologieunterricht. Sie sind leicht verständlich und geben
eine klare Vorstellung, wie das Handwerk der Gentechnik
funktioniert. Die folgenden Bilder zeigen die Klasse 3mb
im Frühlingssemester 2006 engagiert und konzentriert an
der Arbeit.
Philipp Ogay (dritter von rechts) im Kreis der Yverdoner Schülerinnen
und Schüler an der Kanti Frauenfeld
Arbeiten in Gruppen
19
Exaktes Pipettieren ist gefragt.
Berechnung und Auswertung
Beratung durch den Fachmann
Laden der Gele
Das mobile Genlabor ist ein kostenloses Angebot des
„Vereins Forschung für das Leben“. Weitere Informationen
unter http://www.forschung-leben.ch/genlabor_mobil.php
Gemeinsam geht’s besser.
20
Novecento ein Leben lang an Bord
Als wir aber im letzten Frühling Bariccos «Novecento» lasen, wurde mir sofort klar, dass sich dieser Text wegen seiner Verbindung von Sprache und Musik sehr gut für eine
szenische Umsetzung durch die Klasse eignen würde.
Kannst du uns ein paar Anekdoten zum Entstehungsprozess geben?
Michael Truniger-Manser, Prorektor
Im vergangenen Dezember haben Schülerinnen und
Schüler des Schwerpunktfachs Italienisch „Novecento“
aufgeführt: „Novecento“ ist ein Stück voller Poesie, der
die Theatergruppe in ihrer Aufführung auf beeindruckende
Weise Raum verschafft hat. In der zum Ballsaal eines
Ozeandampfers umfunktionierten Kanti-Aula gelang es
den jungen Schauspielerinnen und Schauspielern, ihrem
Publikum mit Musik, Gesang und Rezitation die Illusion
ozeanischer Weite und Schwere vors Auge zu zaubern.
In einem Gespräch blickt Marco Molteni, Italienisch- und
Philosophie-Lehrer und „Temporär-Regisseur“ an unserer
Schule, auf die „Novecento“-Inszenierung zurück.
Die Geschichte handelt von einem Mann, Danny Boodmann T.D. Lemon Novecento, dem weltbesten Pianisten,
der sein ganzes Leben auf einem Schiff verbringt, ohne
ein einziges Mal an Land zu gehen. Das Schiff ist der einzige Handlungsort. Die Aula der Kantonsschule musste
also in ein Schiff verwandelt werden. Die Zuschauerinnen
und Zuschauer mussten den Eindruck haben, beim Betreten der Aula in einen Mikrokosmos einzudringen, den sie
für etwa zwei Stunden ungern verlassen würden.
Ein Theaterplakat von Camille Pineau
Uwe Schuran, Theaterpädagoge, zusammen mit Marco Molteni,
Italienisch- und Philosophie-Lehrer (rechts im Bild)
Wann und wie ist die Idee entstanden, „Novecento“ zu
inszenieren?
Als ich die Schülerinnen und Schüler im Schwerpunkt
Italienisch übernommen habe, habe ich bald gemerkt,
dass sie alle sehr musikalisch sind. Fast alle spielen ein
Instrument und einige haben auch Gesangsunterricht genommen. Spontan kam mir die Idee, mit ihnen etwas aus
der musikalischen Welt der Renaissance zu inszenieren.
Andrea Spiri, Sarah Nicoli, Sandro Gullo
21
Die «Virginian», so heisst das Schiff, ist für das Waisenkind Novecento eine Art Mutterleib, in dem sich die wesentlichen Ereignisse seines Lebens abspielen. Sie ist
vom Meerwasser umhüllt, einer Art Fruchtwasser, das seine Existenz ermöglicht und angenehm macht.
Wir haben also mit drei Videobeamern Meeresbilder an die
Wände und an die Decke projiziert. Der Effekt war spektakulär. Dort, wo in der Regel über Promotionen und Repetitionen diskutiert wird, tauchten Delphine, Tintenfische
und Seepferdchen auf! Leider mussten wir aber auf die
Umsetzung dieser Idee während der beiden Aufführungen
verzichten, weil die Gefahr bestand, das Publikum allzu
sehr von dem abzulenken, was auf der Bühne passierte.
Wir entschieden uns deswegen für ein schlichtes Bühnenbild.
Gab´s weitere Probleme?
Ja, die Geräusche. Wir haben lange nach überzeugenden
Geräuschen gesucht, aber die CDs, die auf dem Markt sind,
liefern selten das, was man wirklich braucht. Du brauchst
das Meer und bekommst ein Frühlingsgewitter. Das Weinen eines Babys tönt wie das Miauen einer läufigen Katze.
Daher griffen wir auf die alte Methode zurück, die bei der
Vertonung alter Schwarzweissfilme eingesetzt wurde: Wir
hatten ja Instrumente und Gegenstände, mit denen wir die
Geräusche selber erzeugen konnten! Keine digitale Aufnahme von Meeresgeräuschen klingt auch nur annähernd
so authentisch wie das Meeresrauschen, das wir mit einer mit kleinen Metallkugeln gefüllten Trommel erzeugten.
Inwieweit hast du die Schülerinnen und Schüler in den
Entstehungsprozess miteinbezogen?
Ich bin versucht zu antworten: so viel wie möglich und so
wenig wie nötig. Wir hatten wenig Zeit. Nachdem wir das
Buch gelesen und interpretiert hatten, habe ich begonnen,
den Text umzuschreiben. Als das Textbuch fertig war, standen uns insgesamt neun Wochen zur Verfügung, um die
Texte auswendig zu lernen und das Stück zu proben. Den
Proben haben wir zwei Lektionen pro Woche gewidmet
und zwei volle Samstage. Es wäre wünschenswert gewesen, den Schülerinnen und Schülern mehr Verantwortung
für die Inszenierung zu übergeben. Neben dem Theaterprojekt lief aber der normale Unterricht weiter.
Wo siehst du die Hauptschwierigkeiten in der szenischen Umsetzung der Erzählung?
Elisa Frank und Yvonne Lafos
Andrea Spiri, Nathalie Gehrig, Rahel Signer, Elisa Frank, Isabella
Walzthöny
22
Alessandro Baricco schreibt von «Novecento», dass es
sich um einen Text handle, der «auf dem schmalen Grat
zwischen einem richtigen Bühnenstück und einer laut zu
lesenden Erzählung schwankt». Die Erzählung ist ein Monolog und sie zeigt ihre volle Wirkung, wenn sie von einem
einzigen Schauspieler gespielt wird. Der Erzähler ist Tim
Tooney, der beste Freund Novecentos. Ich entschied mich
zwar, ihn als Haupterzähler zu behalten, wollte aber, dass
möglichst viele Schülerinnen und Schüler eine Rolle übernehmen. Da kam mir die Idee, dass die Bandmitglieder
miterzählen könnten.
Ein weiteres Problem war die Sprache. Mit Novecento ist
in der über 150jährigen Geschichte unserer Kantonsschule
zum ersten Mal ein italienischsprachiges Stück aufgeführt
worden. Es war mir wichtig, dass das deutschsprachige
Publikum die Handlung versteht, obwohl die Schülerinnen
und Schüler im überwiegenden Teil der Vorstellung Italienisch sprechen sollten.
Nicht zuletzt deswegen mussten viele Informationen nicht
nur durch das gesprochene Wort vermittelt werden, sondern auch durch die Handlung und die Gestik. In dieser
Phase war vor allem die professionelle Arbeit des Theaterpädagogen Uwe Schuran von grosser Hilfe. Schliesslich stellte sich die Frage nach der Musik. Frédéric Bolli ist
es durch eine sehr umsichtige Auswahl der Musik gelungen, dem eigentlichen Thema des Stückes, nämlich der
Frage nach dem Wesen der Musik, das nötige Gewicht zu
verleihen.
Welches sind deiner Ansicht nach die Hauptwirkungen
der Arbeit im Theaterprojekt auf die Schülerinnen und
Schüler?
Die Schülerinnen und Schüler selber haben betont, wie
diese Erfahrung sie noch mehr zusammengeschweisst
hat. Ausserdem ist Theatererfahrung Selbsterfahrung. Wir
lernen, wie wir auf die anderen wirken, wie uns die anderen wahrnehmen, wie wir gewisse Effekte mit unserem
Körper und unserer Sprache erzeugen können.
Hat sich deine Beziehung zum Buch Novecento durch
die Theaterarbeit verändert?
Mir ist die Konsistenz des Textes noch bewusster geworden.
Und noch eine letzte Frage: Welche Szene ist dir als
eindrücklichste in Erinnerung geblieben?
Ich möchte an eine lustige Szene erinnern, in welcher Novecento und sein Freund bestraft werden. Sie werden in
eine Art Arrest geschickt und müssen Kohle schaufeln: an
und für sich eine anstrengende Angelegenheit. Aber die
Kohle haben wir durch schwarze Luftballons ersetzt und
die Strafe ist somit zum Kinderspiel geworden. Da sich
diese Szene im Heizraum abspielt, haben wir auf der Bühne ein grosses Feuer projiziert. Dazu brauchten wir das
Knistern des Feuers. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, das Knistern mit leeren Papiersäcken und dünnen
Holzstäbchen zu erzeugen, sass ich zu Hause vor einer
leeren Pet-Flasche. Ich nahm den Deckel weg und fing an,
sie zu zerdrücken. Ich machte die Augen zu. Es knisterte.
Enger im Kontakt mit der
Schule: Alumni der Kanti
Frauenfeld
Daniel Jung, Präsident Alumni
Enger im Kontakt mit der Schule: Ehemalige und Freunde
der Kanti Frauenfeld sollen einerseits mit der Alumni-Vereinigung mehr über die Schule erfahren. Andererseits soll die
Alumni-Vereinigung auch dem Lehrkörper und der Schülerschaft präsenter sein. In einer Art Symbiose, welche gegenseitige Synergieeffekte zeitigen wird, sind Schulleitung
und Vereinsvorstand der Ehemaligen übereingekommen,
dass künftig alle Alumni-Mitglieder das kanti-bulletin erhalten. Dazu soll im kanti-bulletin vermehrt über Neuigkeiten
und Events der Alumni berichtet werden.
Alumni verdoppeln „Jimmy-Bauer-Preise“
Um die Beziehungen zur Kanti und zu den Studierenden
weiter zu intensivieren und dem in den Statuten verankerten Gedanken nachzuleben, Beiträge an förderungswürdige Schülerinnen oder Schüler auszurichten, werden
2007 erstmals Beiträge der Alumni für Studierende gesprochen. Im Einvernehmen mit der Schulleitung werden die
mit je SFr. 300.-- dotierten Jimmy-Bauer-Preise, welche
Studierende mit den besten Matura- bzw. Diplomzeugnissen erhalten, um je SFr. 300.-- aufgestockt. Zudem stiften
wir für die Diplomklassen einen zweiten Preis. Wir möchten damit vermehrt auch aktive Schulangehörige ansprechen und für eine Mitgliedschaft gewinnen.
Jahresversammlung 2007
Auf der Alumni-Website werden Sie Angaben zur diesjährigen Jahresversammlung vom Samstag, 16. Juni 2007,
10.30 Uhr, finden. Neben den ordentlichen Geschäften
steht eine Führung durch das Staatsarchiv in Frauenfeld
auf dem Programm. Anschliessend offeriert die Kanti einen
Aperitif und es besteht die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Mittagessen in einem nahe gelegenen Restaurant.
Aktuelle Infos zu diesem oder weiteren Anlässen finden
Sie stets unter www.alumni-kanti-frauenfeld.ch.
23
Kinder, Kerzen und die
Faszination des Lernens
Michael Truniger-Manser, Prorektor
Der britische Physiker und Chemiker Michael Faraday
(1791-1867) hielt zusammen mit seinen Mitarbeitern
jahrelang öffentliche Vorlesungen; zur Weihnachtszeit
wurden besondere Vorlesungen für Kinder angeboten.
Von dieser Idee liess sich unser Chemielehrer Hans Ueli
Ehrensperger inspirieren: zum Glück von etwa 40 Kindern,
die im Dezember des letzten Jahres den Experimenten
und Ausführungen Hans Ueli Ehrenspergers mit grosser
Spannung und Freude folgten.
An zwei Dezemberabenden verfolgen Dutzende von faszinierten Kinderaugen Hans Ueli Ehrenspergers Experimente rund um die Weihnachtskerze.
Zu Beginn der Weihnachtsvorlesung zündeten alle Kinder eine Kerze an. Hans Ueli Ehrensperger sammelte die
vielfältigen Beobachtungen der Kinder und führte die Kleinen so behutsam zu den physikalischen und chemischen
Geheimnissen einer Kerze hin. Was braucht es für eine
Flamme? Wie funktioniert eine Kerze? Wo ist es wie
heiss in einer Flamme? Weshalb steigt die Kerzenflamme? Weshalb ist die Kerzenflamme gelb? Was entsteht
aus dem Wachs? Zu all diesen Fragen erarbeiteten die
Kinder - durch eigene Experimente, im Gespräch mit dem
Chemielehrer und durch genaues Beobachten - klare und
verständliche Antworten.
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Chemielehrer Hans Ueli Ehrensperger im Element
Die Kinder lernten, dass der Docht flüssiges Wachs hochsaugt und glühender Russ leuchtet; sie erfuhren, dass
Wachs mit Sauerstoff brennt und als Gas verdampft; sie
wurden inne, dass heisse Gase aufsteigen; sie erlebten
die Schönheit physikalischer und chemischer Vorgänge.
Wie spannend, ja ergreifend lernen sein kann, davon
konnte sich überzeugen, wer in die faszinierten Kinderaugen blickte. Wie erfüllend lehren sein kann, das wurde
all jenen klar, die Hans Ueli Ehrensperger während seiner
Weihnachtsvorlesung beobachteten.
Studieninfos für Maturandinnen und Maturanden
aus erster Hand
Michael Truniger-Manser, Prorektor
In einer Interpellation hat Kantonsrätin Susanne Oberholzer angeregt, an den Kantonsschulen eine Liste mit den
Namen von Studierenden zu führen, die bereit wären, sich
bei Bedarf Maturandinnen und Maturanden für Auskünfte
und Informationen zu ihrem Studienfach zur Verfügung zu
stellen. Diese Anregung nehmen wir gerne auf und bitten
Absolventinnen und Absolventen unserer Schule, das Vorhaben zu unterstützen.
Die Liste mit den entsprechenden Informationen wird für
unsere Schülerinnen und Schüler auf unserer Homepage
passwortgeschützt einsehbar sein. Wir werden die Liste
regelmässig aktualisieren resp. jährlich mit einer Rundmail
an alle Studierenden auf die Richtigkeit der Information hin
überprüfen.
Wir hoffen, dass sich viele der Absolventinnen und Absolventen unserer Schule zur Verfügung stellen, Studieninfos
an unsere Maturandinnen und Maturanden weiterzugeben.
Wenn es dadurch gelingt, den Studienwahlentscheid noch
besser abzustützen, so ist sicherlich für die zukünftige
akademische Laufbahn unserer Schülerinnen und Schüler
viel gewonnen. Eine E-Mail an [email protected],
Betreff „Studieninfos“, genügt!
Gesucht sind Studierende, an die sich unsere Maturandinnen und Maturanden für Studieninfos wenden können.
Studierende, die dazu bereit sind, sind eingeladen, uns
folgende Informationen per E-Mail zukommen zu lassen:
Name
Vorname
Adresse
Telefonnummer
E-Mail-Adresse
Hauptfach/-fächer
Nebenfach/-fächer
Studienort
Studienbeginn (Angabe des Jahres)
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Rektor Hanspeter Hitz begrüsst die Schülerinnen und Schüler
der ersten Klassen in der Aula.
Die Dreifachhalle im Morgenlicht
Lehrkräfte und Kanti-Angestellte auf ihrem jährlichen Ausflug hier beim Überqueren der Sitter
Die Wandtafel - nicht nur für Physik- und Mathematiklehrer Hans
Ruedi Deller weiterhin ein unentbehrliches Unterrichtsmedium
Der Sporttag - Jahr für Jahr ein tolles Ereignis
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Der Sporttag mit beeindruckendem Einsatz der Schülerinnen
und Schüler
Unter Leitung der beiden Drittklässler Georg Burgener und
Mélanie Wenger diskutieren Nationalrätin Brigitte Häberli,
Abt Martin Werlen aus dem Kloster Einsiedeln und Prof.
Dr. Peter Gehr von der Uni Bern zum Thema „Gentechnik
beim Menschen“.
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Latein: tote Sprache ganz lebendig
Novemberschreiben: Auch Kanti-SchülerInnen machen beim von
schreibszene.ch initiierten Projekt mit und schreiben während eines
Monats einen Roman. „Es wird geschrieben, soviel es nur geht und
mindestens vierzehn Seiten pro Woche. Der innere Kritiker wird in
die Ferien geschickt“. Genau das haben unsere SchülerInnen
gemacht; entstanden sind Texte, von denen wir vielleicht nochmals
hören werden...
10 Das Feierabendkolleg 2006 schliesst mit einer Podiumsdiskussion
zum Thema „Mensch und Seuche in Geschichte und Gegenwart“
ab.
11 Zukünftige (hoffentlich ganzheitlich denkende) Manager beim
Literaturstudium...
12 Probenarbeit zur Theateraufführung „Novecento“
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13 Weihnachtskonzert in der Evangelischen Kirche Kurzdorf
14 Sport auf hohem Niveau: Blick ins Finalspiel der Volley-Night
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Das Hauptgebäude im weihnachtlichen Dezemberlicht
Weltsprache Spanisch - auch an der Kanti Frauenfeld sehr
beliebt
17 - 20 Schülerinnen und Lehrkräfte begeistern ihr Publikum
anlässlich des Gestaltungsabends Sport.
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21 Am HMS-Tag dreht sich alles um die wirtschaftliche Praxis.
22 Das Gymnasium geht den Dingen auf den Grund - durchaus auch
mit Skalpell und Gummihandschuhen.
23 Schüler in der Mediothek
24 FMS-SchülerInnen präsentieren ihre selbstständige Abschlussarbeit
im Rahmen eines Präsentationstages.
25 An Herausforderungen wachsen: Kletterlager in Arco
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