Gospelgottesdienst zum Thema „We shall overcome“ am 25. August
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Gospelgottesdienst zum Thema „We shall overcome“ am 25. August
Gospelgottesdienst zum Thema „We shall overcome“ am 25. August 2013 Predigt von Pastor Stefan Wolf _______________________________________________________________________ Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN „Lasst uns nicht im Tal der Verzweiflung herumwandern; das sage ich euch heute, meine Freunde. Und auch wenn wir heute und morgen Probleme haben, habe ich immer noch einen Traum. Ich habe den Traum, dass eines Tages diese Nation aufstehen wird und die wahre Bedeutung ihres Bekenntnisses leben wird: Wir halten dieses Wahrheiten für selbstevident, dass alle Menschen gleich geschaffen sind. Ich habe den Traum, dass eines Tages von den roten Hügel in Georgia, die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenbesitzer an dem Tisch der Brüderlichkeit gemeinsam zusammen sitzen werden. Ich habe den Traum, dass meine Kinder eines Tages nicht aufgrund der Farbe ihrer Haut beurteilt werden, aber aufgrund ihres Charakters.“ Liebe Gemeinde, hier spricht ein Nobelpreisträger der viereinhalb Jahre nach dieser imposanten Rede ermordet wurde. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich diese Worte höre. Hier spricht nicht nur ein Mensch, hier spricht, wie ich finde der Geist Gottes, weil Martin Luther King nicht eine austauschbare Botschaft verkündet, nicht eine x-beliebige Rede hält, sondern eins ist mit dem was er sagt, eins ist mit dem christlichen Ansatz eines gewaltlosen Protests gegen soziale Ungleichheit, gegen Rassismus und somit für die Gleichheit aller Menschen, egal welcher Hautfarbe und Herkunft. Martin Luther King tritt für diese überzeugend einfache Botschaft am Ende auch mit seinem Leben ein, dass Gott keine Unterschiede macht zwischen Schwarz und Weiß und infolge dessen, auch kein Mensch das Recht hat, diese Grundlage der Schöpfung, diese Grundlage menschlichen Zusammenlebens zu missachten, zu beugen, außer Kraft zu setzen. Ich bin beeindruckt von der Sprachgewalt dieses Predigersohns aus Atlanta, seiner Klarheit, seiner Entschiedenheit und seinem Mut. Ich bin beeindruckt, dass er nie unterschieden hat zwischen seinem Pastorenamt und seinem Einsatz für Bürgerrechte, also einem politischen, einem gesellschaftlichen Anliegen. Er hat einmal gesagt: „Predigen ist für mich ein dualer Prozess. Einerseits muss ich versuchen, die Seele eines www.gospelkirche‐hildesheim.de jeden Einzelnen zu verändern, damit sich die Gesellschaft verändern kann. Andererseits muss ich versuchen, die Gesellschaft zu verändern, damit sich jede einzelne Seele verändern kann. Darum muss ich mir über Arbeitslosigkeit, Slums und wirtschaftliche Unsicherheit Gedanken machen. Außerdem wurde er stark von Mahatma Gandhi geprägt, dessen erfolgreicher, von Nächstenliebe getragener Kampf mit dem Mittel der Gewaltlosigkeit ihn tief beeindruckte. King sagte einmal über Gandhi: „Durch diese Konzentration Gandhis auf Liebe und Gewaltlosigkeit entdeckte ich die Methode für soziale Reformen, nach der ich suchte.“ Und diese Erkenntnis war so wichtig, auch wenn ihm Malcolm X, der andere wohl bekannte schwarze Bürgerrechtler noch im selben Jahr vorgeworfen hat, dass der Marsch auf Washington, an den wir uns heute hier erinnern, weiße Milch in den starken schwarzen Kaffee geschüttet hat und die Revolution, die man nur, so Malcom X, mit Gewalt umsetzen kann, diskreditiert hat. Aber gerade aus der Gewaltlosigkeit hat nicht nur Gandhi, sondern auch King die eigentliche Kraft des „Civil Rights Movements“ geschöpft und nur, gewaltlos, konnte es ein Erfolg werden. Nur gewaltlos, kann man unglaubliche Veränderungen zum Besseren bewirken, wie wir 1989 in diesem Land noch einmal gelernt haben und nicht mit Gewalt, mit der man immer wieder in der Welt versucht, Konflikte zu lösen – was immer nur noch größeres Leid und Zerstörung und Kampf hervorruft. Liebe ist eine so viel wirksamere Waffe, als Gewalt, aber leider gibt es unter dem Druck der Veränderung und dem Leiden an Ungerechtigkeit nur wenige, die sich daran erinnern und sich daran halten wollen. Auch das macht Martin Luther King so besonders. Liebe Gemeinde, ich will hier nicht nur aus Anlass des 50 jährigen Jubiläums des Marsches auf Washington, bei dem als letzte der zehn Reden diese Rede „I have a dream“ von Martin Luther King gehalten wurde, diesem Mann huldigen und meine tiefe Bewunderung ausdrücken und entgegenbringen. Ich will darüber reden, wie ausgehend von der Tatsache, dass hier jemand nicht unterschieden hat zwischen Kanzel und Straße, zwischen Evangelium und staatlichem Handeln, nicht unterschieden hat zwischen Kirche und Politik, zwischen Nächstenliebe und Menschlichkeit, nicht unterschieden hat zwischen dem Wort Gottes und der Verbindlichkeit des menschlichen Handels im Alltag – aufgrund dessen will ich darüber nachdenken und reden, dass sich auch heute, hier und jetzt in diesem Land und in dieser Welt, immer noch etwas ändern muss, da auch 50 Jahre nach diesen Forderungen Kings leider seine Worte nur ein Traum für viele Menschen da draußen sind, ein nicht wahrgewordener Traum, weil es immer noch Albträume gibt, die diese einfachen Gedanken und diese einfachen Regeln zum Miteinander in Gesellschaft und in der Welt ersticken. Es ist ein Albtraum zu wissen, dass auch 50 Jahre nach diesem Tag in Washington, an dem 250.000 Menschen darunter 60.000 weiße Amerikaner friedvoll für eine bessere Welt ohne Hass, Rassentrennung und Diskriminierung eingetreten sind, im Jahr 2013 ein selbstberufener Neighboourhood-Watchman, George Zimmerman, einen schwarzen Jugendlichen, Trayvon Martin, erschießen konnte und von einem Gericht freigesprochen wurde. www.gospelkirche‐hildesheim.de Doch wir haben keinen Grund uns über die USA und die immer noch latente Rassenfeindlichkeit dort aufzuregen, wenn in Berlin-Hellersdorf Nazis syrische Flüchtlinge mit Hitlergruß und fliegenden Flaschen begrüßen, die dort in einem Flüchtlingsheim untergebracht werden sollten, wovon einige nach nur einer Nacht aus Angst wieder abgereist sind. Macht sich mal bitte jemand klar, wie sich jemand fühlen muss, wenn einer dem Tod im Krieg entkommen ist, um dem Hass in einem angeblich friedlichen Land in rechtsausgestreckten Arme läuft? Liebe Gemeinde, wir sind noch weit entfernt von der Vision, die Martin Luther King hier formuliert hat, das Freiheit für alle Kinder Gottes das ist, was wiederhallt von allen Teilen der Welt, „...from every mountainside, let freedom ring...alles sollen dann zusammenstehen, schwarze, weiße, Juden und Heiden, Protestanten und Katholiken, die sich alle an der Hand fassen und miteinander das alte Spiritual singen: Free at last, free at last... Thank God, we are free at last!“ – Am Ende frei, am Ende frei, dankt Gott, wir sind am Ende frei!“ Warum singen wir dies Lied noch nicht in Syrien, in Afghanistan, in Alabama und in Hellersdorf, warum haben wir nicht eine Menschenkette der Mitmenschlichkeit und den Widerhall dieser Worte von den Bergen Oberbayerns bis zu den Dünen Sylts? Weil wir nicht daran glauben. Weil wir nicht glauben, dass die einfache Botschaft der Bibel richtiger sein könnte als die simpelsten Parolen von Bedenkenträgern! Weil die Angst der Menschen vor den Fremden immer noch größer ist, als der Wunsch aus Fremden Freunde zu machen, wie es ja auch ein Lied aus unserem Gesangbuch vorschlägt: "Damit aus Fremden Freunde werden, kommst Du als Mensch in unsre Zeit: Du gehst den Weg durch Leid und Armut, damit die Botschaft uns erreicht. Damit aus Fremden Freunde werden, gehst Du als Bruder durch das Land, begegnest uns in allen Rassen und machst die Menschlichkeit bekannt. Damit aus Fremden Freunde werden, lebst Du die Liebe bis zum Tod. Du zeigst den neuen Weg des Friedens, das sei uns Auftrag und Gebot. Damit aus Fremden Freunde werden, schenkst Du uns Lebensglück und Brot: Du willst damit den Menschen helfen, retten aus aller Hungersnot. Damit aus Fremden Freunde werden, vertraust Du uns die Schöpfung an; Du formst den Menschen Dir zum Bilde, mit Dir er sie bewahren kann. Damit aus Fremden Freunde werden, gibst Du uns Deinen Heiligen Geist, der, trotz der vielen Völker Grenzen, den Weg zur Einigkeit uns weist." Liebe Schwestern und Brüder, die Frage kann und darf, so meine ich, unter Christenmenschen nicht sein, wollen wir das, die Frage muss sein, glauben wir das, und zwar so sehr, dass wir es leben wollen? Werden wir auch, wenn es nötig ist, die Kanzel mit der Straße vertauschen, damit wir uns, wie zu Zeiten der Wiederbewaffnung mit Atomwaffen dagegen wehren, dass mit dem Leben von Menschen gespielt wird und wir uns friedlich auch öffentlich einsetzen dafür, dass Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung Wirklichkeit werden? Haben wir noch einen Traum, wie Martin Luther King ihn hatte, der uns nicht lethargisch und abgeklärt den schlimmsten Satz sagen lässt, den man als glaubender und denkender Menschen sprechen kann, „da kann man nichts machen“, oder „was kann ich als www.gospelkirche‐hildesheim.de einzelner schon tun?“, sondern und nach Wegen suchen und sie gehen lässt, wie wir in unserem Umfeld eintreten für eine bessere Welt? Haben wir noch einen Traum, der uns antreibt, dass wir uns einmischen, wenn ein harmloser Wahlkampf, wie wir ihn gerade erleben, mit Gerechtigkeit punkten will und wo ich mich, aber vielleicht bin ich ja auch nicht der einzige, frage: Wo ist die Kirche, wenn es um ihr Thema geht, um Gerechtigkeit, und was haben wir dazu aufgrund des Wortes Gottes zu sagen? Ich höre nichts! Keinen Traum, der Menschen neu begeistert sich für die Verbreitung von Gottes Liebe einzusetzen, an den Fließbändern und gegen die unterbezahlten Sklavenjobs in unserem Land und dem sozialen Problemen, die natürlich, weil wir ein reiches Land sind, auch dort geschehen, wo Leute, wie die Roma, aus wirtschaftlichen Gründen hierher kommen? Ist das nur ein Problem, oder auch eine Chance für die Kirche, für den christlichen Glauben? Haben wir dazu als Gottes Kinder nichts zu sagen? Haben wir nicht eventuell sogar den Auftrag, das Licht der Menschlichkeit überall da zu entzünden, wo sich die Dunkelheit der Ablehnung und des Hasses Bahn bricht? - Es brennen wieder Wohnheime in Deutschland. Wollen wir nur zusehen? Haben wir noch den Traum, dass Jung und Alt, dass Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und unterschiedlichen Glaubens von der Freiheit des Einzelnen träumen? Träumen wir noch davon, dass Friede sein kann, oder akzeptieren wir den Krieg? Glauben wir, dass Gott Speise gibt zur rechten Zeit und wir sie nur noch verteilen müssen, damit alle satt werden, oder haben wir uns damit abgefunden, dass täglich alle zwei Sekunden – 21,22 – ein Kind an Unterernährung stirbt? Haben wir den Traum, dass Unterschiedlichkeit nicht Bedrohung, sondern ein unschätzbarer Reichtum einer Gesellschaft ist? Haben wir noch einen Traum, oder haben wir aufgehört zu träumen? Haben wir noch einen Traum, oder haben wir aufgehört ihn zu träumen, weil uns der Albtraum der Realität das Träumen ausgetrieben hat? Haben wir noch einen Traum? Und was ist ihr Traum, damit wahr wird, was Martin Luther King in seiner Rede vor fast fünfzig Jahren aus dem Propheten Jesaja zitiert hat (Jesaja 40): Ich habe den Traum, dass „...alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen... Haben wir noch diesen Traum? Ich habe den Traum, dass wir ihn alle haben und alle rufen: Wir haben diesen Traum! Wir haben diesen Traum! WE HAVE A DREAM! Amen. Und der Friede Gottes, der höher als alle unsere Vernunft ist, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen. www.gospelkirche‐hildesheim.de