Roboter in der Automobilindustrie

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Roboter in der Automobilindustrie
Roboter in der Automobilindustrie
Dr. Dirk Jacob, KUKA Roboter GmbH
Die Geschichte der Robotik ist eng mit der Automobilindustrie verknüpft. In keiner anderen
Branche sind mehr Industrieroboter im Einsatz. Die Notwendigkeit der kostenoptimierten
Fertigung von Automobilen für den Massenmarkt führte schon früh zu einer mechanisierten
und automatisierten Fertigung. Die steigenden Anforderungen der Automobilkunden in
Richtung Variantenflexibilität und Qualität Anfang der 70er Jahre führten zu einem erhöhten
Bedarf an Flexibilität auch im Bereich der Fertigungstechnik. Dies war der Startschuss für
den Einsatz der Robotertechnik. In den letzten über 30 Jahren haben sich seitdem
Roboteranwendungen ein immer größeres Arbeitsspektrum erarbeitet. Der folgende Beitrag
soll an Hand von Praxisbeispielen den Aufstieg der Roboter im Bereich der Automobiltechnik
beleuchten.
1
Begriffsdefinition Roboter
Der Begriff Robotik wurde 1921 vom tschechischen Schriftsteller Karel Capek in seinem
Roman „Rossum’s Universal Robot“ geprägt und ist vom tschechischen Begriff für
Frondienst „Robota“ abgeleitet. In den darauf folgenden Jahren verbreitete sich der Begriff
unter anderem auch durch die Science-Fiction Romane von Isaac Asimov, der auch durch
seine Gesetze der Robotik die Grundlage des heutigen Roboterverständnisses festigte.
Die Bezeichnung Roboter wurde auf unterschiedlichste Maschinen angewandt.
Insbesondere Maschinen, die menschenähnlich konstruiert sind, stehen im Mittelpunkt der
Phantasie vieler Schriftsteller. Darüber hinaus werden Maschinen, die sich autonom
bewegen und handeln, als Roboter bezeichnet. Innerhalb dieses Artikels soll eine
Einschränkung des Begriffs Roboter auf so genannte Industrieroboter stattfinden. Auch für
den Bereich Industrieroboter sind unterschiedliche Definitionen im Umlauf. Stellvertretend für
diese Definitionen soll hier die Definition aus der Europäischen Norm EN775 herangezogen
werden (DIN EN 775):
Ein Roboter ist ein automatisch gesteuertes, wiederprogrammierbares, vielfach einsetzbares
Handhabungsgerät mit mehreren Freiheitsgraden, das entweder ortsfest oder beweglich in
automatisierten Fertigungssystemen eingesetzt wird.
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Die Anfänge
2.1
Automobilfertigung vor Robotereinführung
Die Automobilfertigung seit Einführung der Serienfertigung durch Henry Ford war durch eine
geringe Variantenzahl geprägt, die sich auch in der beginnenden Automatisierung
niederschlug. So wurden im Bereich der Automatisierung Spezialanlagen verwendet, die
Abb. 1: Automobilfertigung bei VW und Mercedes in den 50er und 60er Jahren
(Quelle: VW, DC)
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zwar optimal für das zu fertigende Bauteil ausgelegt waren, aber keinerlei Flexibilität
aufwiesen. So wurden die Schweißprozesse in starren Schweißvorrichtungen durchgeführt,
die nur eine geringe Anzahl an Fahrzeugvarianten innerhalb der Fertigung zuließen. Darüber
hinaus war der Anteil von manuellen Tätigkeiten äußerst hoch. So wurden viele
Schweißvorgänge mit manuellen Punktschweißzangen durchgeführt (Abb. 1).
Die im Lauf der Zeit steigenden Anforderungen an humanere Arbeitsplätze bei gleichzeitig
steigenden Anforderungen an Automobile in Bezug auf Variantenflexibilität, Qualität und
Kosten hatten neue Anforderungen an die Produktionstechnik zu Folge. So sollten die
Anlagen für unterschiedliche Fahrzeugvarianten geeignet sein und die Arbeiter in Bereichen,
in denen schwere körperliche Arbeit nötig war, unterstützen.
2.2
Die Robotik in den 50er und 60er Jahren
Die Grundlage für die Wiederprogrammierbarkeit von
Anlagen wurde 1946 von G.C. Devol gelegt. Er entwickelte
ein Steuergerät zur magnetischen Aufzeichnung
elektrischer Signale. Diese Signale konnten für die
Steuerung mechanischer Geräte verwendet werden. Im
Verlauf seiner Arbeiten meldete Devol auch mehrere
Patente für roboterähnliche Maschinen an. Auf Basis
dieser Erfindung wurde 1952 am Massachusetts Institute
of Technology (MIT) der Prototyp einer NC-Maschine
vorgestellt, die mit der extra dafür entwickelten
Programmiersprache APT arbeitete. Im Jahr 1954 wurden
sowohl in England als auch in Amerika Patente über die
Entwicklung von Robotern eingereicht. Im Jahr 1959 wurde
von der Fa. Planet Corporation der erste kommerzielle
Roboter vorgestellt, der allerdings noch durch
mechanische Kurvenscheiben gesteuert wurde. Mit diesem
Gerät waren schon einfache Aufgaben, wie z.B. das
Widerstandspunktschweißen möglich.
Abb. 2: Erster kommerzieller
Roboter UNIMATE
(Quelle: AR²)
Die Firma Unimation Inc., die 1958 von Joe Engelberger
gegründet wurde, stellte ab 1960 die ersten mit einer
numerischen Steuerung ausgestatteten Roboter her. Das Modell „UNIMATE“ war nach den
Ideen von Devol konstruiert. Dieser Roboter wurde ab 1961 in der von General Motors als
erster Roboter in der Automobilindustrie eingesetzt. Der Roboter mit seinem ca. 2 t schweren
Arm (Abb. 2) wurde für das Entnehmen und Vereinzeln von heißen Spritzgussteilen
eingesetzt.
Der weithin bekannte „Stanford-Arm“ wurde 1971 an der
Stanford University gebaut unter Mitarbeit von V.
Scheinman. Der in Abb. 3 dargestellte Arm stellt den
Prototyp der heute üblichen elektrisch betriebenen
Knickarm-Roboter dar. Mit dem Arm waren Manipulationen
mit dem Freitheitsgrad 6 möglich. Durch die hohe
Komplexität konnte dieser Roboter nur mit einer
elektronischen NC-Steuerung betrieben werden. Auf Basis
dieses Modells entstanden in der Folgezeit weltweit
Roboterfirmen, die sich mit der Fertigung und Entwicklung
von Industrierobotern befassten.
Abb. 3: Stanford-Arm
(Quelle: Stanford University)
2
3
Aufbruch in die Neuzeit
Durch die neuen Anforderungen aus dem Bereich der Produktionstechnik und den Trends,
die aus den USA vorgegeben wurden, sahen sich auch Automobilfirmen in Deutschland
dazu gezwungen, Anfang der 70er Jahre über eine höhere Automatisierung mit Hilfe von
Robotern nach zu denken.
3.1
Einstieg in die Robotertechnik in Deutschland in den 70er Jahren
Die Firma KUKA Schweißanlagen war schon seit den 50er Jahren im Geschäftsfeld des
Anlagenbaus für die Automobilindustrie tätig. Durch die Forderungen der Firmen, hier war
insbesondere Mercedes-Benz, der heutige Daimler-Chrysler Konzern, der Vorreiter, setzte
KUKA Schweißanlagen 1971 die erste Schweißtransferstraße mit Robotern Europas in der
PKW-Produktion in Sindelfingen um (Abb. 4 a). Die dabei eingesetzten Roboter waren
Modelle der Firma Unimation, die an den Urtyp UNIMATE angelehnt waren. Durch
mannigfaltige Probleme entschied sich KUKA dafür, eigene Roboter zu entwickeln. Das
Ergebnis dieser Entwicklung war der Roboter FAMULUS, der in Abb. 4 b dargestellt ist und
der, im Gegensatz zu den hydraulisch angetriebenen Robotern von Unimation, über
elektromotorische Antriebe verfügte.
Abb. 4: a) Erste Schweißtransferstraße Europas in Sindelfingen b) Erster KUKA Roboter
FAMULUS (Quellen: KUKA)
Die Anforderungen aus der Automobilindustrie an
Roboter zu der damaligen Zeit waren 60 kg Traglast
sowie elektromechanische Antriebe. Auch andere
Hersteller, insbesondere auch in Japan, beschäftigten
sich mit der Entwicklung von Industrierobotern. Zu
nennen sind insbesondere die Firmen Motoman, Fanuc,
Asea, der spätere ABB Konzern und Nachi.
Neben den dargestellten 6-Achs-Robotern, deren
Beweglichkeit für die komplexen Anforderungen in den
Schweißstraßen nötig war, entstanden für sog. Pick-andPlace Anwendungen vierachsige Roboter, die auch als
SCARA Roboter bezeichnet werden (Abb. 5). Diese
werden seit der Einführung insbesondere im
Zulieferbereich der Automobilindustrie, wie z.B. der
Elektro- und Elektronikfertigung eingesetzt. Sie zeichnen
sich durch hohe Verfahrgeschwindigkeiten bei geringer
Tragkraft aus.
Nach dem der Roboter FAMULUS von KUKA nach dem
Vorbild des UNIMATE entwickelt worden war, stellte die
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Abb. 5: SCARA Roboter
(Quelle:Bosch)
Abb. 6: IR 600/60, IR 601/60 bei der Hinterachsmontage und IR 662-60 (Quellen: KUKA)
nächste Evolutionsstufe eine komplette Neuentwicklung dar. Der Industrieroboter 600/60 und
dessen Nachfolger IR 601-60 und IR 662-60 waren bis in die 80er Jahre hinein eine
Standardmaschine in der deutschen Automobilindustrie (Abb. 6). Die Aufgabenbereiche der
Roboter erweiterten sich Schritt für Schritt, so dass Roboter nicht nur im Bereich
Punktschweißen und Handhabung eingesetzt wurden, sondern auch beim Beschichten, in
der Montage und beim Bahnschweißen (MINHÖFER 1981, HOFMANN 1986). Grundvoraussetzung für den Einsatz im Bereich Bahnschweißen war die Weiterentwicklung der Steuerung
von der Punkt-zu-Punkt Steuerung beim Punktschweißen hin zur Bahnsteuerung (CP).
3.2
Der Aufstieg der Roboter in den 80er und 90er Jahren
Bis Anfang der 80er Jahre waren in Deutschland
insgesamt ca. 1200 Industrieroboter im Einsatz
(HANSEN 1982). Ein Großteil davon war in der
Fertigung von Pkws eingesetzt. Einen Meilenstein
beim Einsatz von Robotern setzte hier VW bei der
Fertigung des Golf II in Wolfsburg (Abb. 7). Die
Fertigung in der Halle 54 wurde hoch automatisiert
durchgeführt. Zum Einsatz kamen von VW selbst
entwickelte und gefertigte Roboter.
In der Fachliteratur wurden zu den damaligen Zeiten
Prognosen aufgestellt, dass auf Grund des Einsatzes
von Robotern bis zu einem Drittel der Arbeitsplätze in
der Industrie durch die Rationalisierungsmaßnahmen
möglich wären (SIEGEL &
THEOBALD 1981). Zum Teil
wurde sogar eine Personalreduzierung von 60 – 80 %
prognostiziert. In einigen Bereichen, wie dem Karosserierohbau haben sich diese
Prognosen bewahrheitet, oft
sprechen aber auch Kostenund technische Machbarkeitsgründe gegen eine durchgängige Automatisierung.
Ein Hauptgrund für den
anfangs zögerlichen Einsatz
von Industrierobotern waren
sicher auch die Kosten eines
Systems. Während ein Golf II
Mitte der 80er Jahre neu
Abb. 7: Golf-Fertigung bei VW
(Quelle: KUKA)
Abb. 8: Vergleich Einarm-/Parallelogramm-Kinematik
(Quelle: KUKA)
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zwischen fünfzehn- und zwanzigtausend Mark kostete, mussten für einen Industrieroboter
ca. 250.000 DM investiert werden. Insbesondere durch die fortschreitende Entwicklung im
Bereich der Mikroelektronik und durch Rationalisierungsmaßnahmen durch beginnende
Serienfertigung konnten die Kosten für ein Robotersystem stark reduziert werden, bei gleichzeitiger massiver Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Funktionalität und Bedienbarkeit. So
sind heute für ein Robotersystem ca. 40.000 € zu veranschlagen, während ein Golf V ab
16.000 € zu erhalten ist. Damit sind die Kosten für ein Robotersystem bei massiv erhöhter
Leistungsfähigkeit auf ein Drittel gesunken, während das gefertigte Fahrzeug,
zugegebenermaßen bei ebenfalls erhöhter Leistungsfähigkeit, sich im Preis verdoppelt hat.
Die Anzahl der gefertigten Roboter stieg bei KUKA Roboter bis Mitte der 90er Jahre langsam
aber kontinuierlich an. Der Bereich Roboter war bis zu diesem Zeitpunkt noch ein
Geschäftsbereich des Anlagenbauers KUKA und somit auch auf die Belange des
Anlagenbauers fokussiert. Trotzdem gelang es der Fa. KUKA einige Neuerungen auf dem
Robotermarkt zu etablieren, die sich im Verlauf der Jahre auch bei den internationalen
Konkurrenten durchsetzten. So wurde eine massive Vergrößerung des Arbeitsbereichs von
Industrierobotern erreicht, indem das Parallelogramm zwischen zweiter und dritter Achse
abgeschafft wurde (Abb. 8).
Um die Hemmschwelle im
Einführung der PC-Technik
Proprietäre Steuerungsarchitektur
in die Robotersteuerung
Bereich Bedienung von
Robotern zu reduzieren
wurde Mitte der 90er Jahre ein radikaler Umbruch
im Bereich der Steuerungstechnik
durchgeführt. Anstatt sich weiterhin auf eine proprietäre
Steuerungsarchitektur
aus dem Bereich der
30.000
produzierte
Automatisierungstechnik
Roboter
zu stützen, wurde ein
handelsüblicher PC mit
12.000 produzierte Roboter
Windows® Betriebssystem eingesetzt. Dadurch
konnte die Bedienungs- 1981
1985
1990
1996
2001
freundlichkeit auf
ein
neues Niveau gehoben Abb. 9: Absatzentwicklung bei KUKA Roboter (Quelle: KUKA)
werden. Die aus dem Büro
bekannte Arbeitsoberfläche und die Benutzungsschemata konnte so auf die Robotersteuerung
übertragen werden. Durch die grafischen Darstellungsmöglichkeiten auf dem Display konnten
komplette Abläufe und auf
die jeweilige
Benutzerebene zugeschnittene Benutzeroberflächen
dargestellt werden. So kann einem Anlagenbediener
eine einfachere Oberfläche zur Verfügung gestellt
werden, während der Programmierer als Experte
alle Möglichkeiten zur Programmierung der Roboter
ausnützen kann.
Mit dem wachsendem Robotereinsatz und
gleichzeitig steigender Leistungsfähigkeit der
Rechensysteme war auch Veränderung bei der
Inbetriebnahme von Fertigungsanlagen nötig. Die
Komplexität der Anlagen mit mehreren Robotern
innerhalb einer Station (Abb. 10) machten eine
Simulation der Anlage vor dem eigentlichen
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Abb. 10: Robotergarten in der
A-Klasse-Fertigung (Quelle: KUKA)
Anlagenaufbau unumgänglich, Innerhalb dieser Simulationsumgebung ist es dann auch
möglich, die Roboter schon Offline, also virtuell, zu programmieren, um dann bei der
Inbetriebnahme der Anlage beim Automobilhersteller diese Programme gleich verwenden zu
können.
Wie auch aus dem Anstieg der abgesetzten Roboter von KUKA in Abb. 9 zu erkennen ist
gab es seit Anfang der 80er ein kontinuierliches Wachstum der Roboterzahlen. Dieser
Anstieg gilt so oder ähnlich auch für die anderen Roboterhersteller weltweit, so dass die
Anzahl der weltweit installierten Roboter bis zur Jahrtausendwende auf ca. 750.000
gestiegen ist, wobei allein in Japan ca. 390.000 Roboter installiert waren. In Deutschland
waren zu diesem Zeitpunkt 109.000 Roboter in Betrieb, wobei davon allein im Bereich der
Automobilindustrie mehr als die Hälfte installiert waren.
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Gegenwart und Blick in die Zukunft
Aus der heutigen Automobilindustrie sind Roboter nicht mehr weg zu denken. Die hohe
Variantenzahl bei Karosserieformen und Ausstattungen, die auf einer Produktionslinie
gefertigt werden, benötigen die Flexibilität der Roboter, um kostenoptimal fertigen zu können.
Der Großteil der Industrieroboter wird auch heute noch im Bereich Punktschweißen
eingesetzt, darüber hinaus haben aber in vielen anderen Bereich Roboter Einzug gehalten.
Handhabung, Klebstoffauftrag, Schutzgasschweißen, Montagetätigkeiten, Metallbearbeitung,
Vermessung von Fertigungsgenauigkeit – die Aufzählung kann beliebig fortgesetzt werden.
Ein Schritt in die Zukunft sind
allerdings Roboter, die miteinander
arbeiten. Bis jetzt war der Betrieb
von mehreren Robotern nur in
voneinander getrennten Arbeitsräumen möglich oder aber durch das
so genannte Verriegeln der jeweils
gegenseitigen Arbeitsräume. Das
bedeutet,
dass
ein
Roboter
gestoppt werden muss, bevor ein
anderer Roboter in seinen Arbeitsraum eindringen kann. Durch die
heute verfügbaren Rechnerleistungen und die Vernetzung von
Robotersystem
können
diese
Grenzen überwunden werden.
Beim
Einsatz
kooperierender
Roboter
werden
durch
die Abb. 11: Kooperierende Roboter (Quelle: KUKA)
Vernetzung mehrerer Robotersteuerungen die Informationen über die geplanten Bewegungen der Roboter innerhalb der
vernetzten Robotergruppe so ausgetauscht, dass die Roboter miteinander arbeiten können.
Dadurch eröffnen sich insbesondere auch in der Automobilindustrie ganz neue
Möglichkeiten. So können schwere Lasten, die von einem Roboter nicht bewältigt werden
könnten, mit Hilfe des so genannten Load-Sharings von zwei oder mehreren Robotern
koordiniert miteinander angehoben und manipuliert werden. Zwei Roboter mit einer Tragkraft
von jeweils 210 kg handhaben zu zweit eine Karosserie so, dass ein dritter Roboter die
Schweißnähte im Innenraum abdichten kann (Abb. 11).
Durch die Kooperation von Robotern können für die Automobilindustrie neue Arbeitsabläufe
in der Fertigung angedacht werden. Es ist zum Beispiel nicht mehr nötig, die Karosserien
jeweils abgetaktet von Station zu Station zu transportieren. Vielmehr kann die Karosserie
von Robotern gehandhabt und weitertransportiert werden, während andere Roboter an der
Karosserie Schweißpunkte setzen. Dadurch kann eine weitere Erhöhung der Flexibilität
erreicht werden.
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4.1
Anwendungen außerhalb der Automobilindustrie
Neben den bis jetzt dargestellten Anwendungen werden Roboter zunehmend auch in
Bereichen außerhalb ihrer typischen Anwendungsgebiete eingesetzt. Anwendungen
außerhalb der angestammten Bereiche stellen neue
Herausforderungen an die Robotermechanik und die
Steuerungstechnik. Um einen Roboter in der
Lebensmittelindustrie einzusetzen, muss die Mechanik auf die hygienischen Anforderungen dieses
Einsatzfeldes
angepasst
werden.
In
der
Steuerungstechnik müssen neue Sensoren und
anwenderorientierte Benutzeroberflächen geschaffen
werden, um Anwendern, die bis jetzt wenig mit der
klassischen Automatisierungstechnik zu tun hatten,
einen Zugang zu der neuen Technik zu verschaffen.
Beispiel hierfür ist der Einsatz eines Roboters zum
Zerlegen von Schweinehälften in einer Großmetzgerei. Der Roboter wurde hierfür in eine hygienische
Hülle verpackt (Abb. 12), mit einem für die
Anwendung geeigneten Messer versehen und mit
Bildverarbeitung ausgerüstet, die es ihm ermöglicht Abb. 12: Roboter für die Lebensdie Position und Größe der Schweinehälfte und die mittelindustrie (Quelle: KUKA)
Lage des Rückgrates zu lokalisieren.
Weitere Anwendungen sind in der Luftfahrtindustrie, der holzverarbeitenden Industrie und
der
Verpackungstechnik
zu
finden.
Besondere
Herausforderungen
stellen
Roboteranwendungen dar, die eine direkte Interaktion des Roboters mit dem Menschen
beinhalten. Die Sicherheit des Menschen steht hier an erster Stelle. Gerade die
Anwendungen im Bereich der Medizintechnik dienen als Gradmesser für diesen Bereich
(KANELLOS 2004). Durch ihre Flexibilität und
Genauigkeit eignen sich Roboter insbesondere für
die Positionierung von Strahlquellen für die
Bestrahlung von Krebstumoren. Neben der
Positionierung von Strahlquellen, bei der kein direkter
Kontakt zwischen Roboter und Patient stattfindet,
werden Roboter aber auch immer häufiger im
Bereich der Chirurgie als Helfer bei Operationen
eingesetzt. So eignen sich Roboter beispielsweise
dazu, bei minimalinvasiven Eingriffen die Führung
der Werkzeuge zu stabilisieren.
Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Bereichen
finden Industrieroboter auch in der Vergnügungsbranche Anwendung (Abb. 13). Der Robocoaster, der
vor einigen Jahren vorgestellt wurde, hat inzwischen
in mehreren Vergnügungsparks und bei vielen Events
für Furore gesorgt.
4.2
Abb. 13: Robocoaster
(Quelle: KUKA)
Haben Roboter eine Zukunft?
Die Frage, ob Roboter bei der derzeitigen Arbeitslosenquote eine Zukunft haben, soll am
Ende des Beitrags noch kurz erörtert werden. Betrachtet man den heutigen Arbeitsmarkt mit
über vier Millionen Arbeitslosen, könnte man sagen, dass Roboter keine Zukunft haben, da
genug Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um die anstehenden Tätigkeiten zu lösen. Eine
Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung der Gegenwart und der Zukunft spricht allerdings
andere Bände.
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Innerhalb der nächsten knapp 50
Jahre wird die Anzahl der
erwerbsfähigen Erwachsenen in
Deutschland um 20 % von derzeit
ca. 50 Mio. auf ungefähr 40 Mio.
sinken (Abb. 14). Die Anzahl der
nicht erwerbsfähigen Personen
wird im selben Zeitraum zunehmen,
wobei
die
Gesamtbevölkerung Deutschlands von
heute 83 Mio. voraussichtlich auf
ca. 75 Mio. zurückgehen wird.
Wollen Deutschland und Europa,
in dem die Entwicklung ähnlich
aussieht, weiterhin in der Welt
konkurrenzfähig bleiben und soll
der Lebensstandard zumindest
gehalten werden, muss eine
weitere Rationalisierung und Automatisierung der Fertigung stattfinden. Dies wird nur mit Hilfe sich
weiterentwickelnder
Robotertechnik möglich sein. Ebenso wird
im häuslichen, medizinischem und
auch im pflegerischem Bereich der
Bedarf an Servicerobotern, die in
diesem Beitrag nicht betrachtet
wurden, massiv ansteigen.
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Abb. 14: Entwicklung der erwerbsfähigen Bevölkerung
in Deutschland bis 2050
(Quelle: Statistisches Bundesamt)
Zusammenfassung
Die Automobilindustrie als Schlüsselindustrie der Robotertechnik – Diese Aussage kann für
die bisherige Entwicklung von Industrierobotern getroffen werden. An Hand der Geschichte
der Industrieroboter schwerpunktmäßig innerhalb der letzten 30 Jahre wurde in diesem
Beitrag der technische Fortschritt in der Robotertechnik skizziert. Durch die massiv
gesunkenen Systemkosten heutiger Roboter und der erheblich gestiegenen Leistungsfähigkeit erobert die Robotertechnik neue Anwendungsgebiete und stellt für die Zukunft eine
Grundlage zur Sicherung unseres heutigen Lebensstandards dar.
Literatur
HOFMANN 1986:
Hofmann, R.; Schiele, G.: Einsatz von Industrierobotern in der
Lackiertechnik. Metalloberfläche 40 (1986) 10, Carl Hanser,
München, S. 441-446.
SIEGEL & THEOBALD 1981: Siegel, R.; Theobald, E.: Industrieroboter, Deutschlands
Hoffnung für das Jahr 2000. Elektronik 24 (1981), S. 87-94.
HANSEN 1982:
Hansen, E.:Industrieroboter automatisieren den Materialfluß in
der Fertigung. ZwF 77 (1982) 7, S. 305-309.
MINHÖFER 1981:
Minhöfer, H.-C.: Roboter in der Schweißstraße – Zentrale
Kontrolle erhöht die Verfügbarkeit. Moderne Fertigung (1981) 5,
S. 42-53.
KANELLOS 2004:
Kanellos, M.: Invasion der Roboter: Von Medizin bis Militär halten
die Maschinen Einzug. www.itmanager.zdnet.de, 14.04.2004.
DIN EN 775:
DIN EN 775: Industrieroboter – Sicherheit. Berlin: Beuth, 1993.
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