Roboter in der Automobilindustrie
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Roboter in der Automobilindustrie
Roboter in der Automobilindustrie Dr. Dirk Jacob, KUKA Roboter GmbH Die Geschichte der Robotik ist eng mit der Automobilindustrie verknüpft. In keiner anderen Branche sind mehr Industrieroboter im Einsatz. Die Notwendigkeit der kostenoptimierten Fertigung von Automobilen für den Massenmarkt führte schon früh zu einer mechanisierten und automatisierten Fertigung. Die steigenden Anforderungen der Automobilkunden in Richtung Variantenflexibilität und Qualität Anfang der 70er Jahre führten zu einem erhöhten Bedarf an Flexibilität auch im Bereich der Fertigungstechnik. Dies war der Startschuss für den Einsatz der Robotertechnik. In den letzten über 30 Jahren haben sich seitdem Roboteranwendungen ein immer größeres Arbeitsspektrum erarbeitet. Der folgende Beitrag soll an Hand von Praxisbeispielen den Aufstieg der Roboter im Bereich der Automobiltechnik beleuchten. 1 Begriffsdefinition Roboter Der Begriff Robotik wurde 1921 vom tschechischen Schriftsteller Karel Capek in seinem Roman „Rossum’s Universal Robot“ geprägt und ist vom tschechischen Begriff für Frondienst „Robota“ abgeleitet. In den darauf folgenden Jahren verbreitete sich der Begriff unter anderem auch durch die Science-Fiction Romane von Isaac Asimov, der auch durch seine Gesetze der Robotik die Grundlage des heutigen Roboterverständnisses festigte. Die Bezeichnung Roboter wurde auf unterschiedlichste Maschinen angewandt. Insbesondere Maschinen, die menschenähnlich konstruiert sind, stehen im Mittelpunkt der Phantasie vieler Schriftsteller. Darüber hinaus werden Maschinen, die sich autonom bewegen und handeln, als Roboter bezeichnet. Innerhalb dieses Artikels soll eine Einschränkung des Begriffs Roboter auf so genannte Industrieroboter stattfinden. Auch für den Bereich Industrieroboter sind unterschiedliche Definitionen im Umlauf. Stellvertretend für diese Definitionen soll hier die Definition aus der Europäischen Norm EN775 herangezogen werden (DIN EN 775): Ein Roboter ist ein automatisch gesteuertes, wiederprogrammierbares, vielfach einsetzbares Handhabungsgerät mit mehreren Freiheitsgraden, das entweder ortsfest oder beweglich in automatisierten Fertigungssystemen eingesetzt wird. 2 Die Anfänge 2.1 Automobilfertigung vor Robotereinführung Die Automobilfertigung seit Einführung der Serienfertigung durch Henry Ford war durch eine geringe Variantenzahl geprägt, die sich auch in der beginnenden Automatisierung niederschlug. So wurden im Bereich der Automatisierung Spezialanlagen verwendet, die Abb. 1: Automobilfertigung bei VW und Mercedes in den 50er und 60er Jahren (Quelle: VW, DC) 1 zwar optimal für das zu fertigende Bauteil ausgelegt waren, aber keinerlei Flexibilität aufwiesen. So wurden die Schweißprozesse in starren Schweißvorrichtungen durchgeführt, die nur eine geringe Anzahl an Fahrzeugvarianten innerhalb der Fertigung zuließen. Darüber hinaus war der Anteil von manuellen Tätigkeiten äußerst hoch. So wurden viele Schweißvorgänge mit manuellen Punktschweißzangen durchgeführt (Abb. 1). Die im Lauf der Zeit steigenden Anforderungen an humanere Arbeitsplätze bei gleichzeitig steigenden Anforderungen an Automobile in Bezug auf Variantenflexibilität, Qualität und Kosten hatten neue Anforderungen an die Produktionstechnik zu Folge. So sollten die Anlagen für unterschiedliche Fahrzeugvarianten geeignet sein und die Arbeiter in Bereichen, in denen schwere körperliche Arbeit nötig war, unterstützen. 2.2 Die Robotik in den 50er und 60er Jahren Die Grundlage für die Wiederprogrammierbarkeit von Anlagen wurde 1946 von G.C. Devol gelegt. Er entwickelte ein Steuergerät zur magnetischen Aufzeichnung elektrischer Signale. Diese Signale konnten für die Steuerung mechanischer Geräte verwendet werden. Im Verlauf seiner Arbeiten meldete Devol auch mehrere Patente für roboterähnliche Maschinen an. Auf Basis dieser Erfindung wurde 1952 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) der Prototyp einer NC-Maschine vorgestellt, die mit der extra dafür entwickelten Programmiersprache APT arbeitete. Im Jahr 1954 wurden sowohl in England als auch in Amerika Patente über die Entwicklung von Robotern eingereicht. Im Jahr 1959 wurde von der Fa. Planet Corporation der erste kommerzielle Roboter vorgestellt, der allerdings noch durch mechanische Kurvenscheiben gesteuert wurde. Mit diesem Gerät waren schon einfache Aufgaben, wie z.B. das Widerstandspunktschweißen möglich. Abb. 2: Erster kommerzieller Roboter UNIMATE (Quelle: AR²) Die Firma Unimation Inc., die 1958 von Joe Engelberger gegründet wurde, stellte ab 1960 die ersten mit einer numerischen Steuerung ausgestatteten Roboter her. Das Modell „UNIMATE“ war nach den Ideen von Devol konstruiert. Dieser Roboter wurde ab 1961 in der von General Motors als erster Roboter in der Automobilindustrie eingesetzt. Der Roboter mit seinem ca. 2 t schweren Arm (Abb. 2) wurde für das Entnehmen und Vereinzeln von heißen Spritzgussteilen eingesetzt. Der weithin bekannte „Stanford-Arm“ wurde 1971 an der Stanford University gebaut unter Mitarbeit von V. Scheinman. Der in Abb. 3 dargestellte Arm stellt den Prototyp der heute üblichen elektrisch betriebenen Knickarm-Roboter dar. Mit dem Arm waren Manipulationen mit dem Freitheitsgrad 6 möglich. Durch die hohe Komplexität konnte dieser Roboter nur mit einer elektronischen NC-Steuerung betrieben werden. Auf Basis dieses Modells entstanden in der Folgezeit weltweit Roboterfirmen, die sich mit der Fertigung und Entwicklung von Industrierobotern befassten. Abb. 3: Stanford-Arm (Quelle: Stanford University) 2 3 Aufbruch in die Neuzeit Durch die neuen Anforderungen aus dem Bereich der Produktionstechnik und den Trends, die aus den USA vorgegeben wurden, sahen sich auch Automobilfirmen in Deutschland dazu gezwungen, Anfang der 70er Jahre über eine höhere Automatisierung mit Hilfe von Robotern nach zu denken. 3.1 Einstieg in die Robotertechnik in Deutschland in den 70er Jahren Die Firma KUKA Schweißanlagen war schon seit den 50er Jahren im Geschäftsfeld des Anlagenbaus für die Automobilindustrie tätig. Durch die Forderungen der Firmen, hier war insbesondere Mercedes-Benz, der heutige Daimler-Chrysler Konzern, der Vorreiter, setzte KUKA Schweißanlagen 1971 die erste Schweißtransferstraße mit Robotern Europas in der PKW-Produktion in Sindelfingen um (Abb. 4 a). Die dabei eingesetzten Roboter waren Modelle der Firma Unimation, die an den Urtyp UNIMATE angelehnt waren. Durch mannigfaltige Probleme entschied sich KUKA dafür, eigene Roboter zu entwickeln. Das Ergebnis dieser Entwicklung war der Roboter FAMULUS, der in Abb. 4 b dargestellt ist und der, im Gegensatz zu den hydraulisch angetriebenen Robotern von Unimation, über elektromotorische Antriebe verfügte. Abb. 4: a) Erste Schweißtransferstraße Europas in Sindelfingen b) Erster KUKA Roboter FAMULUS (Quellen: KUKA) Die Anforderungen aus der Automobilindustrie an Roboter zu der damaligen Zeit waren 60 kg Traglast sowie elektromechanische Antriebe. Auch andere Hersteller, insbesondere auch in Japan, beschäftigten sich mit der Entwicklung von Industrierobotern. Zu nennen sind insbesondere die Firmen Motoman, Fanuc, Asea, der spätere ABB Konzern und Nachi. Neben den dargestellten 6-Achs-Robotern, deren Beweglichkeit für die komplexen Anforderungen in den Schweißstraßen nötig war, entstanden für sog. Pick-andPlace Anwendungen vierachsige Roboter, die auch als SCARA Roboter bezeichnet werden (Abb. 5). Diese werden seit der Einführung insbesondere im Zulieferbereich der Automobilindustrie, wie z.B. der Elektro- und Elektronikfertigung eingesetzt. Sie zeichnen sich durch hohe Verfahrgeschwindigkeiten bei geringer Tragkraft aus. Nach dem der Roboter FAMULUS von KUKA nach dem Vorbild des UNIMATE entwickelt worden war, stellte die 3 Abb. 5: SCARA Roboter (Quelle:Bosch) Abb. 6: IR 600/60, IR 601/60 bei der Hinterachsmontage und IR 662-60 (Quellen: KUKA) nächste Evolutionsstufe eine komplette Neuentwicklung dar. Der Industrieroboter 600/60 und dessen Nachfolger IR 601-60 und IR 662-60 waren bis in die 80er Jahre hinein eine Standardmaschine in der deutschen Automobilindustrie (Abb. 6). Die Aufgabenbereiche der Roboter erweiterten sich Schritt für Schritt, so dass Roboter nicht nur im Bereich Punktschweißen und Handhabung eingesetzt wurden, sondern auch beim Beschichten, in der Montage und beim Bahnschweißen (MINHÖFER 1981, HOFMANN 1986). Grundvoraussetzung für den Einsatz im Bereich Bahnschweißen war die Weiterentwicklung der Steuerung von der Punkt-zu-Punkt Steuerung beim Punktschweißen hin zur Bahnsteuerung (CP). 3.2 Der Aufstieg der Roboter in den 80er und 90er Jahren Bis Anfang der 80er Jahre waren in Deutschland insgesamt ca. 1200 Industrieroboter im Einsatz (HANSEN 1982). Ein Großteil davon war in der Fertigung von Pkws eingesetzt. Einen Meilenstein beim Einsatz von Robotern setzte hier VW bei der Fertigung des Golf II in Wolfsburg (Abb. 7). Die Fertigung in der Halle 54 wurde hoch automatisiert durchgeführt. Zum Einsatz kamen von VW selbst entwickelte und gefertigte Roboter. In der Fachliteratur wurden zu den damaligen Zeiten Prognosen aufgestellt, dass auf Grund des Einsatzes von Robotern bis zu einem Drittel der Arbeitsplätze in der Industrie durch die Rationalisierungsmaßnahmen möglich wären (SIEGEL & THEOBALD 1981). Zum Teil wurde sogar eine Personalreduzierung von 60 – 80 % prognostiziert. In einigen Bereichen, wie dem Karosserierohbau haben sich diese Prognosen bewahrheitet, oft sprechen aber auch Kostenund technische Machbarkeitsgründe gegen eine durchgängige Automatisierung. Ein Hauptgrund für den anfangs zögerlichen Einsatz von Industrierobotern waren sicher auch die Kosten eines Systems. Während ein Golf II Mitte der 80er Jahre neu Abb. 7: Golf-Fertigung bei VW (Quelle: KUKA) Abb. 8: Vergleich Einarm-/Parallelogramm-Kinematik (Quelle: KUKA) 4 zwischen fünfzehn- und zwanzigtausend Mark kostete, mussten für einen Industrieroboter ca. 250.000 DM investiert werden. Insbesondere durch die fortschreitende Entwicklung im Bereich der Mikroelektronik und durch Rationalisierungsmaßnahmen durch beginnende Serienfertigung konnten die Kosten für ein Robotersystem stark reduziert werden, bei gleichzeitiger massiver Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Funktionalität und Bedienbarkeit. So sind heute für ein Robotersystem ca. 40.000 € zu veranschlagen, während ein Golf V ab 16.000 € zu erhalten ist. Damit sind die Kosten für ein Robotersystem bei massiv erhöhter Leistungsfähigkeit auf ein Drittel gesunken, während das gefertigte Fahrzeug, zugegebenermaßen bei ebenfalls erhöhter Leistungsfähigkeit, sich im Preis verdoppelt hat. Die Anzahl der gefertigten Roboter stieg bei KUKA Roboter bis Mitte der 90er Jahre langsam aber kontinuierlich an. Der Bereich Roboter war bis zu diesem Zeitpunkt noch ein Geschäftsbereich des Anlagenbauers KUKA und somit auch auf die Belange des Anlagenbauers fokussiert. Trotzdem gelang es der Fa. KUKA einige Neuerungen auf dem Robotermarkt zu etablieren, die sich im Verlauf der Jahre auch bei den internationalen Konkurrenten durchsetzten. So wurde eine massive Vergrößerung des Arbeitsbereichs von Industrierobotern erreicht, indem das Parallelogramm zwischen zweiter und dritter Achse abgeschafft wurde (Abb. 8). Um die Hemmschwelle im Einführung der PC-Technik Proprietäre Steuerungsarchitektur in die Robotersteuerung Bereich Bedienung von Robotern zu reduzieren wurde Mitte der 90er Jahre ein radikaler Umbruch im Bereich der Steuerungstechnik durchgeführt. Anstatt sich weiterhin auf eine proprietäre Steuerungsarchitektur aus dem Bereich der 30.000 produzierte Automatisierungstechnik Roboter zu stützen, wurde ein handelsüblicher PC mit 12.000 produzierte Roboter Windows® Betriebssystem eingesetzt. Dadurch konnte die Bedienungs- 1981 1985 1990 1996 2001 freundlichkeit auf ein neues Niveau gehoben Abb. 9: Absatzentwicklung bei KUKA Roboter (Quelle: KUKA) werden. Die aus dem Büro bekannte Arbeitsoberfläche und die Benutzungsschemata konnte so auf die Robotersteuerung übertragen werden. Durch die grafischen Darstellungsmöglichkeiten auf dem Display konnten komplette Abläufe und auf die jeweilige Benutzerebene zugeschnittene Benutzeroberflächen dargestellt werden. So kann einem Anlagenbediener eine einfachere Oberfläche zur Verfügung gestellt werden, während der Programmierer als Experte alle Möglichkeiten zur Programmierung der Roboter ausnützen kann. Mit dem wachsendem Robotereinsatz und gleichzeitig steigender Leistungsfähigkeit der Rechensysteme war auch Veränderung bei der Inbetriebnahme von Fertigungsanlagen nötig. Die Komplexität der Anlagen mit mehreren Robotern innerhalb einer Station (Abb. 10) machten eine Simulation der Anlage vor dem eigentlichen 5 Abb. 10: Robotergarten in der A-Klasse-Fertigung (Quelle: KUKA) Anlagenaufbau unumgänglich, Innerhalb dieser Simulationsumgebung ist es dann auch möglich, die Roboter schon Offline, also virtuell, zu programmieren, um dann bei der Inbetriebnahme der Anlage beim Automobilhersteller diese Programme gleich verwenden zu können. Wie auch aus dem Anstieg der abgesetzten Roboter von KUKA in Abb. 9 zu erkennen ist gab es seit Anfang der 80er ein kontinuierliches Wachstum der Roboterzahlen. Dieser Anstieg gilt so oder ähnlich auch für die anderen Roboterhersteller weltweit, so dass die Anzahl der weltweit installierten Roboter bis zur Jahrtausendwende auf ca. 750.000 gestiegen ist, wobei allein in Japan ca. 390.000 Roboter installiert waren. In Deutschland waren zu diesem Zeitpunkt 109.000 Roboter in Betrieb, wobei davon allein im Bereich der Automobilindustrie mehr als die Hälfte installiert waren. 4 Gegenwart und Blick in die Zukunft Aus der heutigen Automobilindustrie sind Roboter nicht mehr weg zu denken. Die hohe Variantenzahl bei Karosserieformen und Ausstattungen, die auf einer Produktionslinie gefertigt werden, benötigen die Flexibilität der Roboter, um kostenoptimal fertigen zu können. Der Großteil der Industrieroboter wird auch heute noch im Bereich Punktschweißen eingesetzt, darüber hinaus haben aber in vielen anderen Bereich Roboter Einzug gehalten. Handhabung, Klebstoffauftrag, Schutzgasschweißen, Montagetätigkeiten, Metallbearbeitung, Vermessung von Fertigungsgenauigkeit – die Aufzählung kann beliebig fortgesetzt werden. Ein Schritt in die Zukunft sind allerdings Roboter, die miteinander arbeiten. Bis jetzt war der Betrieb von mehreren Robotern nur in voneinander getrennten Arbeitsräumen möglich oder aber durch das so genannte Verriegeln der jeweils gegenseitigen Arbeitsräume. Das bedeutet, dass ein Roboter gestoppt werden muss, bevor ein anderer Roboter in seinen Arbeitsraum eindringen kann. Durch die heute verfügbaren Rechnerleistungen und die Vernetzung von Robotersystem können diese Grenzen überwunden werden. Beim Einsatz kooperierender Roboter werden durch die Abb. 11: Kooperierende Roboter (Quelle: KUKA) Vernetzung mehrerer Robotersteuerungen die Informationen über die geplanten Bewegungen der Roboter innerhalb der vernetzten Robotergruppe so ausgetauscht, dass die Roboter miteinander arbeiten können. Dadurch eröffnen sich insbesondere auch in der Automobilindustrie ganz neue Möglichkeiten. So können schwere Lasten, die von einem Roboter nicht bewältigt werden könnten, mit Hilfe des so genannten Load-Sharings von zwei oder mehreren Robotern koordiniert miteinander angehoben und manipuliert werden. Zwei Roboter mit einer Tragkraft von jeweils 210 kg handhaben zu zweit eine Karosserie so, dass ein dritter Roboter die Schweißnähte im Innenraum abdichten kann (Abb. 11). Durch die Kooperation von Robotern können für die Automobilindustrie neue Arbeitsabläufe in der Fertigung angedacht werden. Es ist zum Beispiel nicht mehr nötig, die Karosserien jeweils abgetaktet von Station zu Station zu transportieren. Vielmehr kann die Karosserie von Robotern gehandhabt und weitertransportiert werden, während andere Roboter an der Karosserie Schweißpunkte setzen. Dadurch kann eine weitere Erhöhung der Flexibilität erreicht werden. 6 4.1 Anwendungen außerhalb der Automobilindustrie Neben den bis jetzt dargestellten Anwendungen werden Roboter zunehmend auch in Bereichen außerhalb ihrer typischen Anwendungsgebiete eingesetzt. Anwendungen außerhalb der angestammten Bereiche stellen neue Herausforderungen an die Robotermechanik und die Steuerungstechnik. Um einen Roboter in der Lebensmittelindustrie einzusetzen, muss die Mechanik auf die hygienischen Anforderungen dieses Einsatzfeldes angepasst werden. In der Steuerungstechnik müssen neue Sensoren und anwenderorientierte Benutzeroberflächen geschaffen werden, um Anwendern, die bis jetzt wenig mit der klassischen Automatisierungstechnik zu tun hatten, einen Zugang zu der neuen Technik zu verschaffen. Beispiel hierfür ist der Einsatz eines Roboters zum Zerlegen von Schweinehälften in einer Großmetzgerei. Der Roboter wurde hierfür in eine hygienische Hülle verpackt (Abb. 12), mit einem für die Anwendung geeigneten Messer versehen und mit Bildverarbeitung ausgerüstet, die es ihm ermöglicht Abb. 12: Roboter für die Lebensdie Position und Größe der Schweinehälfte und die mittelindustrie (Quelle: KUKA) Lage des Rückgrates zu lokalisieren. Weitere Anwendungen sind in der Luftfahrtindustrie, der holzverarbeitenden Industrie und der Verpackungstechnik zu finden. Besondere Herausforderungen stellen Roboteranwendungen dar, die eine direkte Interaktion des Roboters mit dem Menschen beinhalten. Die Sicherheit des Menschen steht hier an erster Stelle. Gerade die Anwendungen im Bereich der Medizintechnik dienen als Gradmesser für diesen Bereich (KANELLOS 2004). Durch ihre Flexibilität und Genauigkeit eignen sich Roboter insbesondere für die Positionierung von Strahlquellen für die Bestrahlung von Krebstumoren. Neben der Positionierung von Strahlquellen, bei der kein direkter Kontakt zwischen Roboter und Patient stattfindet, werden Roboter aber auch immer häufiger im Bereich der Chirurgie als Helfer bei Operationen eingesetzt. So eignen sich Roboter beispielsweise dazu, bei minimalinvasiven Eingriffen die Führung der Werkzeuge zu stabilisieren. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Bereichen finden Industrieroboter auch in der Vergnügungsbranche Anwendung (Abb. 13). Der Robocoaster, der vor einigen Jahren vorgestellt wurde, hat inzwischen in mehreren Vergnügungsparks und bei vielen Events für Furore gesorgt. 4.2 Abb. 13: Robocoaster (Quelle: KUKA) Haben Roboter eine Zukunft? Die Frage, ob Roboter bei der derzeitigen Arbeitslosenquote eine Zukunft haben, soll am Ende des Beitrags noch kurz erörtert werden. Betrachtet man den heutigen Arbeitsmarkt mit über vier Millionen Arbeitslosen, könnte man sagen, dass Roboter keine Zukunft haben, da genug Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um die anstehenden Tätigkeiten zu lösen. Eine Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung der Gegenwart und der Zukunft spricht allerdings andere Bände. 7 Innerhalb der nächsten knapp 50 Jahre wird die Anzahl der erwerbsfähigen Erwachsenen in Deutschland um 20 % von derzeit ca. 50 Mio. auf ungefähr 40 Mio. sinken (Abb. 14). Die Anzahl der nicht erwerbsfähigen Personen wird im selben Zeitraum zunehmen, wobei die Gesamtbevölkerung Deutschlands von heute 83 Mio. voraussichtlich auf ca. 75 Mio. zurückgehen wird. Wollen Deutschland und Europa, in dem die Entwicklung ähnlich aussieht, weiterhin in der Welt konkurrenzfähig bleiben und soll der Lebensstandard zumindest gehalten werden, muss eine weitere Rationalisierung und Automatisierung der Fertigung stattfinden. Dies wird nur mit Hilfe sich weiterentwickelnder Robotertechnik möglich sein. Ebenso wird im häuslichen, medizinischem und auch im pflegerischem Bereich der Bedarf an Servicerobotern, die in diesem Beitrag nicht betrachtet wurden, massiv ansteigen. 5 Abb. 14: Entwicklung der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland bis 2050 (Quelle: Statistisches Bundesamt) Zusammenfassung Die Automobilindustrie als Schlüsselindustrie der Robotertechnik – Diese Aussage kann für die bisherige Entwicklung von Industrierobotern getroffen werden. An Hand der Geschichte der Industrieroboter schwerpunktmäßig innerhalb der letzten 30 Jahre wurde in diesem Beitrag der technische Fortschritt in der Robotertechnik skizziert. Durch die massiv gesunkenen Systemkosten heutiger Roboter und der erheblich gestiegenen Leistungsfähigkeit erobert die Robotertechnik neue Anwendungsgebiete und stellt für die Zukunft eine Grundlage zur Sicherung unseres heutigen Lebensstandards dar. Literatur HOFMANN 1986: Hofmann, R.; Schiele, G.: Einsatz von Industrierobotern in der Lackiertechnik. Metalloberfläche 40 (1986) 10, Carl Hanser, München, S. 441-446. SIEGEL & THEOBALD 1981: Siegel, R.; Theobald, E.: Industrieroboter, Deutschlands Hoffnung für das Jahr 2000. Elektronik 24 (1981), S. 87-94. HANSEN 1982: Hansen, E.:Industrieroboter automatisieren den Materialfluß in der Fertigung. ZwF 77 (1982) 7, S. 305-309. MINHÖFER 1981: Minhöfer, H.-C.: Roboter in der Schweißstraße – Zentrale Kontrolle erhöht die Verfügbarkeit. Moderne Fertigung (1981) 5, S. 42-53. KANELLOS 2004: Kanellos, M.: Invasion der Roboter: Von Medizin bis Militär halten die Maschinen Einzug. www.itmanager.zdnet.de, 14.04.2004. DIN EN 775: DIN EN 775: Industrieroboter – Sicherheit. Berlin: Beuth, 1993. 8