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Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, Bartolomé Esteban Murillo, Puschkin-Museum, Moskau.
Das Gebet, die Wunder,
die Jungfräulichkeit Mariens,
das Menschsein Jesu
Benedikt XVI. im Advent und zu Weihnachten
ADVENT 2011
Generalaudienz
Mittwoch, 7. Dezember 2011
Die Kleinen
Stellen wir uns jetzt die Frage. Wem will der Sohn die Geheimnisse Gottes offenbaren? Zu Beginn des Lobpreises bringt Jesus seine Freude darüber zum Ausdruck, dass es der Wille des Vaters ist, all das den Klugen und
Weisen zu verbergen, den Unmündigen aber zu offenbaren (vgl. Lk 10,21).
In diesem Ausdruck seines Gebets offenbart Jesus seine Gemeinschaft mit
der Entscheidung des Vaters, der seine Geheimnisse jenen enthüllt, die ein
einfaches Herz haben: Der Wille des Sohnes ist eins mit dem des Vaters.
Die göttliche Offenbarung geschieht nicht nach der irdischen Logik,
für die es die gescheiten und mächtigen Leute sind, die die wichtigen Erkenntnisse besitzen und sie den einfacheren Menschen, den Kleinen vermitteln. Gott hat einen ganz anderen Stil angewandt: Die Empfänger sei42
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Und so bitten wir dich: zeige deine Macht, o Gott
ner Mitteilung waren gerade die „Kleinen“. Das ist der Wille des Vaters,
und der Sohn teilt ihn voll Freude.
Was aber bedeutet es, „klein zu sein“, einfach zu sein? Was ist „die
Kleinheit“, die den Menschen zur kindlichen Vertrautheit mit Gott und
zur Annahme seines Willens hin öffnet? Was muss die Grundhaltung
unseres Gebets sein? Blicken wir auf die „Bergpredigt“, wo Jesus sagt:
„Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen“ (Mt ¬
Seite gegenüber, Geburt Jesu; hier oben, Die Verkündigung an die Hirten,
polychrome Holzpaneele, Martinskirche, Zillis, Schweiz.
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AVVENTO
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ADVENT 2011
5,8). Die Reinheit des Herzens gestattet es, das Antlitz Gottes in Jesus
Christus zu erkennen; es bedeutet, ein einfaches Herz zu haben, wie das
der Kinder, ohne die Anmaßung dessen, der sich in sich selbst verschließt und meint, niemanden zu brauchen, auch nicht Gott.
Im Evangelium nach Matthäus finden wir nach dem Jubelruf einen der
ergreifendsten Aufrufe Jesu: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und
schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt
11,28). Jesus sagt, dass wir zu ihm gehen sollen, der die wahre Weisheit
ist, zu ihm, der „gütig und von Herzen demütig“ ist; er bietet „sein Joch“
an, den Weg der Weisheit des Evangeliums. Dieser Weg ist keine Lehre,
die man lernt, und auch kein ethisches Angebot, sondern eine Person,
Liebe Brüder und Schwestern, wir haben für einen Augenblick den
Reichtum dieses Gebets Jesu gekostet. Auch wir können uns mit der Gabe seines Geistes an Gott wenden, im Gebet, mit kindlichem Vertrauen,
und ihn als Vater anrufen, „Abba“. Aber wir müssen das Herz der Kleinen
haben, derer, „die arm sind vor Gott“, um zu erkennen, dass wir uns
nicht selbst genügen, dass wir unser Leben nicht allein aufbauen können, sondern dass wir Gott brauchen, dass wir ihm begegnen, ihm
zuhören, mit ihm sprechen müssen. Das Gebet öffnet uns, die Gabe
Gottes zu empfangen, seine Weisheit, die Jesus selbst ist, um den Willen
des Vaters für unser Leben zu tun und so Ruhe zu finden in den Mühen
unseres Weges. Danke.
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Und so bitten wir dich: zeige deine Macht, o Gott
Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria
Donnerstag, 8. Dezember 2011
Die Muttergottes
und die Kirche
Die einzige Gefährdung, vor der sich die Kirche fürchten muß,
ist die Sünde ihrer Glieder
In der Vision der Geheimen Offenbarung gibt es ein weiteres Detail:
Auf dem Haupt der mit der Sonne bekleideten Frau ist „ein Kranz von
zwölf Sternen“. Dieses Zeichen steht für die zwölf Stämme Israels und
bedeutet, dass die Jungfrau Maria im Mittelpunkt des Gottesvolkes, der
gesamten Gemeinschaft der Heiligen steht. Und so führt uns dieses Bild
vom Kranz aus zwölf Sternen zu der zweiten großen Auslegung des ¬
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ADVENT 2011
Fresko mit der Darstellung des 12. Kapitels der Apokalypse,
Rückwand der Basilika „San Pietro al Monte“, Civate (Lecco).
himmlischen Zeichens von der „mit der Sonne bekleideten Frau“: Dieses Zeichen repräsentiert nicht nur die Gottesmutter, es verkörpert die
Kirche, die christliche Gemeinschaft aller Zeiten. Die Kirche ist schwanger, da sie Christus in ihrem Schoß trägt und ihn für die Welt gebären
muss: Das sind die Geburtswehen der auf Erden pilgernden Kirche, die
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Und so bitten wir dich: zeige deine Macht, o Gott
unter den Tröstungen Gottes und den Verfolgungen der Welt Jesus zu
den Menschen bringen soll.
Und weil sie Jesus in sich trägt, trifft sie auf den Widerstand eines grausamen Gegners, der in der apokalyptischen Vision von „einem Drachen,
groß und feuerrot“ (Offb 12,3) verkörpert wird. Dieser Drache hat vergeblich versucht, Jesus – den Sohn, „der über alle Völker mit eisernem
Szepter herrschen wird“ (12,5) – zu verschlingen; vergeblich, weil Jesus
durch seinen Tod und seine Auferstehung zu Gott hinaufgestiegen ist
und sich auf seinem Thron niedergelassen hat. Deshalb richtet der Drache, der im Himmel ein für allemal besiegt worden ist, seine Angriffe in
der Wüste der Welt gegen die Frau – die Kirche. Aber die Kirche wird in jeder Epoche vom Licht und von der Kraft Gottes getragen, der sie in der
Wüste mit dem Brot seines Wortes und der heiligen Eucharistie nährt. So
erleidet die Kirche durch alle Prüfungen, die sie im Laufe der Zeiten und
in den verschiedenen Weltgegenden durchmacht, zwar Verfolgung, geht
aber schließlich als Siegerin daraus hervor. Und gerade auf diese Weise
ist die christliche Gemeinschaft die Anwesenheit, die Gewähr der Liebe
Gottes gegen alle Ideologien des Hasses und des Egoismus.
Die einzige Gefährdung, vor der sich die Kirche fürchten muss, ist die
Sünde ihrer Glieder. Während nämlich Maria unbefleckt, also frei von
jedem Makel der Sünde ist, ist die Kirche heilig, doch gleichzeitig von
unseren Sünden gezeichnet.
Deshalb unterlassen auch wir es besonders bei diesem Anlass nicht,
sie mit kindlichem Vertrauen um ihre Hilfe zu bitten: „O Maria, ohne
Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu dir unsere Zuflucht nehmen.“
Ora pro nobis, intercede pro nobis ad Dominum Iesum Christum!
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ADVENT 2011
Jesus heilt einen Lahmen, polychromes Holzpaneel,
Martinskirche, Zillis, Schweiz.
Generalaudienz
Mittwoch, 14. Dezember 2011
Das Gebet
und die Wunder
Der Geber ist wertvoller als die gewährte Gabe.
Die Gabe selbst wird dazugegeben
Heute möchte ich mit euch über das Gebet Jesu nachdenken, das mit
seinen wunderbaren Heilungen verbunden ist. In den Evangelien werden verschiedene Situationen aufgezeigt, in denen Jesus angesichts des
segensreichen und heilenden Wirkens Gottes, des Vaters, der durch ihn
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Und so bitten wir dich: zeige deine Macht, o Gott
wirkt, betet. Dieses Gebet offenbart noch einmal die einzigartige Beziehung der Erkenntnis und der Gemeinschaft mit dem Vater, während Jesus große menschliche Anteilnahme am Leiden seiner Freunde zeigt,
zum Beispiel des Lazarus und seiner Familie oder der vielen Armen und
Kranken, denen er konkret helfen will.
Ein bedeutsamer Fall ist die Heilung des Taubstummen (vgl. Mk 7,32–
37). Der Bericht des Evangelisten Markus – den wir soeben gehört haben
– zeigt, dass das Heilungswirken Jesu mit seiner tiefen Beziehung zum
Nächsten, dem Kranken, und auch zum Vater verbunden ist.
Aber der zentrale Punkt dieser Episode ist die Tatsache, dass Jesus in
dem Augenblick, in dem er die Heilung vornimmt, die direkte Beziehung zum Vater sucht. Denn im Bericht heißt es: Er „blickte … zum Himmel auf, seufzte“ (v. 34). Die Aufmerksamkeit gegenüber dem Kranken,
Jesu Fürsorge für ihn, sind mit einer tiefen Gebetshaltung gegenüber
Gott verbunden. Und das Ausstoßen des Seufzers wird mit einem Verb
umschrieben, das im Neuen Testament das Verlangen nach etwas Gutem
anzeigt, das noch fehlt (vgl. Röm 8,23).
Der ganze Bericht zeigt also, dass das menschliche Mitgefühl mit dem
Kranken Jesus zum Beten bringt. Wiederum wird seine einzigartige Beziehung zum Vater deutlich, seine Identität als der einzige Sohn. In ihm,
durch seine Person tritt das heilende und segensreiche Wirken Gottes
zutage. Es ist kein Zufall, dass das, was die Menschen abschließend über
das Wunder sagen, das Urteil über die Schöpfung am Anfang der Genesis
in Erinnerung ruft: „Er hat alles gut gemacht“ (Mk 7,37). Zum Heilungswirken Jesu gehört ganz klar das Gebet mit seinem Aufblicken zum Himmel. Die Kraft, die den Taubstummen geheilt hat, wird gewiss vom Mitleid mit ihm hervorgerufen, kommt aber aus dem Gebet zum Vater. Es
begegnen sich diese beiden Beziehungen: die menschliche Beziehung
des Mitleids mit dem Menschen, die in Beziehung zu Gott tritt und so
zur Heilung wird.
¬
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ADVENT 2011
Der Katechismus der Katholischen Kirche kommentiert das Gebet Jesu
im Bericht der Auferweckung des Lazarus so: „Das Gebet Jesu, das von
Danksagung getragen ist, offenbart uns, wie wir bitten sollen: Schon bevor die Gabe geschenkt wird, stimmt Jesus Gott zu, der gibt und der sich
selbst in seinen Gaben schenkt. Der Geber ist wertvoller als die gewährte Gabe. Er ist der Schatz, und bei ihm ist das Herz seines Sohnes. Die
Gabe selbst wird dazugegeben (vgl. Mt 6,21.33)“ (2604). Das scheint
mir sehr wichtig: bevor die Gabe gewährt wird, dem zuzustimmen, der
gibt; der Geber ist wertvoller als die Gabe. Über all das hinaus, was Gott
uns gibt, wenn wir ihn bitten, ist die größte Gabe, die er uns geben
kann, seine Freundschaft, seine Gegenwart, seine Liebe. Er ist der kostbare Schatz, um den wir bitten und den wir stets bewahren müssen.
Mit seinem Gebet will Jesus zum Glauben führen, zum völligen Vertrauen auf Gott und auf seinen Willen, und will zeigen, dass dieser Gott,
der den Menschen und die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn sandte (vgl. Joh 3,16), der Gott des Lebens ist, der Gott, der
Hoffnung bringt und in der Lage ist, menschlich unmögliche Situationen umzukehren.
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Und so bitten wir dich: zeige deine Macht, o Gott
Vertrauen!
Die Hand Gottes ist es,
die alles lenkt…
Hl. Therese
vom Kinde Jesus
Wir bitten um Ihr Gebet
Die Redaktion von 30Tage bittet ihre Leser, besonders die Personen geweihten Lebens der Klausurklöster, für Don Giacomo Tantardini zu beten. Er befindet sich
seit einigen Monaten wegen eines Lungentumors in ärztlicher Behandlung. Möge
der Herr das Wunder der Heilung gewähren! Wir bitten alle Priester, die 30Tage
schätzen, die heilige Messe mit diesem Anliegen zu feiern. Wir bitten alle Eltern,
auch ihre Kinder ein Gebet sprechen zu lassen.
Werden wir es nie müde,
zu beten. Zuversicht
wirkt Wunder.
Hl. Therese
vom Kinde Jesus
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ADVENT 2011
Die Jungfrau Maria, Detail der Verkündigung,
Beato Angelico, Prado-Museum, Madrid.
Angelus
Sonntag, 18. Dezember 2011
Die Jungfräulichkeit
Mariens
Maria wünscht, dass der Sohn, der aus ihr geboren werden wird,
ganz Geschenk der Gnade sein könne
Insbesondere möchte ich kurz auf die Bedeutung der Jungfräulichkeit
Mariens eingehen, das heißt auf die Tatsache, dass sie Jesus empfangen
hat und dabei Jungfrau geblieben ist.
Im Hintergrund des Geschehens von Nazaret steht die Prophezeiung
Jesajas. „Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen
Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns)
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Und so bitten wir dich: zeige deine Macht, o Gott
geben“ (Jes 7,14). Diese alte Verheißung hat sich in der Menschwerdung des Sohnes Gottes überreich erfüllt. Denn die Jungfrau Maria hat
nicht nur empfangen, sondern dies geschah durch das Wirken des Heiligen Geistes, das heißt durch das Wirken Gottes selbst. Der Mensch,
dessen Leben in ihrem Schoß seinen Anfang nimmt, nimmt das Fleisch
von Maria an, doch sein Dasein kommt völlig von Gott her. Er ist ganz
Mensch, aus Erde gemacht – um das biblische Bild zu benutzen –, doch
er kommt aus der Höhe, vom Himmel. Die Tatsache, dass Maria empfängt und dabei Jungfrau bleibt, ist also von wesentlicher Bedeutung für
die Erkenntnis Jesu und für unseren Glauben, da sie bezeugt, dass Gott
die Initiative ergriffen hat, und vor allem offenbart sie, wer der Empfangene ist. Das Evangelium merkt dazu an: „Deshalb wird auch das Kind
heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). In diesem Sinn gewährleisten sich die Jungfräulichkeit Mariens und die Göttlichkeit Jesu
gegenseitig.
Aus diesem Grund ist jene einzige Frage so wichtig, die Maria „sehr erschrocken“ an den Engel richtet: „Wie soll das geschehen, da ich keinen
Mann erkenne?“ (Lk 1,34). In ihrer Einfachheit ist Maria äußerst weise:
sie zweifelt nicht an der Macht Gottes, sondern will seinen Willen besser verstehen, um sich diesem Willen völlig gleichzugestalten. Das Geheimnis übersteigt Maria unendlich, und dennoch nimmt sie vollkommen den Platz ein, der ihr in dessen Mittelpunkt zugewiesen worden
ist. Ihr Herz und ihr Sinn sind ganz demütig, und gerade aufgrund ihrer
einzigartigen Demut erwartet Gott das „Ja“ dieses Mädchens, um seinen Plan zu verwirklichen. Er achtet ihre Würde und Freiheit. Das „Ja“
Mariens schließt Mutterschaft und Jungfräulichkeit ein und erfordert,
dass alles in ihr zur Herrlichkeit Gottes gereiche und der Sohn, der aus
ihr geboren werden wird, ganz Geschenk der Gnade sein könne.
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ADVENT 2011
Das Jesuskind, Detail der Geburt Jesu, Andrea Pisano,
Kanzel im Dom zu Siena.
Generalaudienz
Mittwoch, 21. Dezember 2011
Die Krippe
von Betlehem
Wenn wir in den liturgischen Feiern hören oder sagen: „Heute ist uns
der Heiland geboren“, dann gebrauchen wir keinen leeren konventionellen Ausdruck, sondern wollen sagen, dass Gott „heute“, jetzt, uns,
mir, jedem von uns die Möglichkeit bietet, ihn zu erkennen und anzunehmen, wie die Hirten in Betlehem es taten, damit er auch in unserem
Leben geboren wird und es erneuert, es erleuchtet, es mit seiner Gnade,
mit seiner Gegenwart verwandelt.
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Und so bitten wir dich: zeige deine Macht, o Gott
Der heilige Papst Leo legte den tiefen Sinn des Weihnachtsfestes dar
und lud seine Gläubigen mit folgenden Worten ein: „Meine Lieben! Lasst
uns frohlocken im Herrn, lasst uns im Geiste vor Freude jauchzen; denn
erschienen ist der Tag, der uns Erlösung bringt, auf den die alten Zeiten
hinwiesen, und der uns ewiges Glück beschert! Kehrt doch alljährlich das
Geheimnis unseres Heiles wieder, jenes Geheimnis, das von Anfang an
verheißen wurde, am Ende der festgesetzten Zeit in Erfüllung ging und
endlos dauern soll“ (Sermo 22, In Nativitate Domini, 2,1: PL 54,193).
Weihnachten und Ostern sind beides Feste der Erlösung. Ostern feiert
die Erlösung als Sieg über Sünde und Tod: Es bezeichnet das Ende, an
dem die Herrlichkeit des Gottmenschen strahlt wie der helle Tag. Weihnachten feiert die Erlösung als Eintreten Gottes in die Geschichte: Gott
wird Mensch, um den Menschen zu Gott zu bringen. Es bezeichnet sozusagen den Anfang, an dem die Morgendämmerung aufzieht. Aber so ¬
Der Stern, der den Ort anzeigt, wo Jesus in der Geburtsgrotte geboren wurde, Geburtsbasilika, Betlehem, mit der Inschrift
HIC DE VIRGINE MARIA IESUS CHRISTUS NATUS EST
(HIER WURDE JESUS CHRISTUS VON DER JUNGFRAU MARIA GEBOREN)
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ADVENT 2011
wie die Morgendämmerung dem Tageslicht vorausgeht und es erahnen
lässt, so kündigt Weihnachten bereits das Kreuz und die Herrlichkeit der
Auferstehung an.
Schauen wir auf die Grotte von Betlehem: Gott erniedrigt sich so sehr,
dass er in eine Krippe gelegt wird. Das ist bereits der Auftakt der Erniedrigung in der Stunde seines Leidens. Der Höhepunkt der Liebesgeschichte
zwischen Gott und dem Menschen geht durch die Krippe von Betlehem
und das Grab von Jerusalem
Lasst uns das Fest der Geburt des Herrn leben und den Weg der unendlichen Liebe Gottes betrachten, der uns zu sich emporgehoben hat durch
das Geheimnis der Menschwerdung, des Leidens, des Todes und der Auferstehung seines Sohnes, denn – wie der hl. Augustinus sagt – „in [Christus] hat die Göttlichkeit des eingeborenen Sohnes teil an unserer Sterblichkeit, damit auch wir an seiner Unsterblichkeit teilhaben können“
(Ep. 187,6,20: PL 33,839–840).
Kinder in der Geburtsbasilika.
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30TAGE N. 12 - 2011
Und so bitten wir dich: zeige deine Macht, o Gott
WER BETET, WIRD GERETTET
„Ich begrüße es, dass 30 Giorni ein kleines Gebetbuch mit den
Grundgebeten der Christenheit neu auflegt, die im Laufe der
Jahrhunderte gereift sind. Dem kleinen Buch wünsche ich, dass
es ein Lebensbegleiter für viele Christen werden kann.“
Aus dem Vorwort von Kardinal Joseph Ratzinger vom 18. Februar 2005
(der am 19. April 2005 zum Papst - Benedikt XVI. - gewählt wurde)
Das Büchlein, von dem 30Giorni
schon Hunderttausende Kopien in verschiedenen Sprachen drucken liess
(chinesisch, deutsch, englisch, französisch, italienisch, portugiesisch
und spanisch), enthält die Grundgebete des christlichen Lebens,
z.B. das Morgen- und Abendgebet, sowie
alles, was für eine gute Beichte hilfreich ist.
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WEIHNACHTEN 2011
Christmette
Samstag, 24. Dezember 2011
Das Menschsein Jesu
Man kann Gott sozusagen in dem Kind im Stall
zu Bethlehem anfassen, liebkosen
Die Lesung aus dem Brief des heiligen Apostels Paulus an Titus, die wir
eben gehört haben, beginnt feierlich mit dem Wort „apparuit“, das dann
auch in der Lesung in der Messe in der Morgenröte noch einmal wiederkehrt: apparuit – „es ist erschienen“. Dies ist ein programmatisches Wort,
mit dem die Kirche zusammenfassend das Wesen von Weihnachten aussagen will. Von Gott hatten zuvor die Menschen auf vielfältige Weise ge58
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Veni ad salvandum nos! Komm und errette uns!
sprochen und menschliche Bilder geschaffen. Gott selber hat auf vielerlei Art und Weise zu den Menschen gesprochen (vgl. Hebr 1, 1: dritte
Weihnachtsmesse). Aber nun ist mehr geschehen: Er ist erschienen. Er
hat sich gezeigt. Er ist aus dem unzugänglichen Licht herausgetreten, in
dem er wohnt. Er selbst ist in unsere Mitte hereingekommen. Das war für
die alte Kirche die große Freude von Weihnachten: Gott ist erschienen.
Er ist nicht mehr bloß Idee, nicht bloß durch Worte zu erahnen. Er ist „erschienen“.
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Anbetung des Kindes, Gerrit van Honthorst, Gemäldegalerie, Uffizien, Florenz.
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WEIHNACHTEN 2011
Aber nun fragen wir: Wie ist er erschienen? Wer ist er dann wirklich?
Die Lesung in der Messe der Morgenröte sagt dazu: „Erschienen ist die
Güte und die Menschenliebe unseres Gottes“ (Tit 3, 4). Für die Menschen der vorchristlichen Zeit, die angesichts der Schrecken und der Widersprüche der Welt fürchteten, dass auch Gott nicht einfach gut sei, dass
er wohl grausam und willkürlich sein könne, war dies eine wirkliche
„Epiphanie“, das große Licht, das uns erschienen ist: Gott ist reine Güte.
Auch heute fragen sich Menschen, die Gott nicht mehr im Glauben erkennen können, ob die letzte Macht, die die Welt begründet und trägt,
wirklich gut sei oder ob nicht das Böse genau so mächtig und ursprünglich sei wie das Gute und Schöne, dem wir in hellen Augenblicken in unserem Kosmos begegnen. „Erschienen ist die Güte und die Menschenfreundlichkeit unseres Gottes“: Das ist neue, tröstende Gewissheit, die
uns an Weihnachten geschenkt wird.
Gott ist erschienen – als ein Kind. Gerade so stellt er sich aller Gewalt
entgegen und bringt eine Botschaft, die Friede ist. In dieser Stunde, in der
die Welt immer wieder an vielen Orten und auf vielerlei Weisen von der
Gewalt bedroht ist; in der es immer wieder Stöcke des Treibers und blutbefleckte Mäntel gibt, rufen wir zum Herrn: Du, der starke Gott, bist als
Kind erschienen und hast dich uns als der gezeigt, der uns liebt, durch
den die Liebe siegen wird. Und du hast uns gezeigt, dass wir mit dir Friedensstifter sein müssen. Wir lieben dein Kindsein, deine Gewaltlosigkeit, aber wir leiden darunter, dass die Gewalt fortgeht in der Welt, und so
bitten wir dich auch: Zeige deine Macht, o Gott.
Weihnachten ist Epiphanie – Erscheinen Gottes und seines großen
Lichtes in einem Kind, das uns geboren wurde. Geboren im Stall zu
Bethlehem, nicht in den Palästen der Könige. Als im Jahr 1223 Franz
von Assisi in Greccio Weihnachten feierte mit Ochs und Esel und mit
einer heugefüllten Futterkrippe, ist eine neue Dimension des Geheimnisses von Weihnachten sichtbar geworden. Franz von Assisi hat
Weihnachten „das Fest aller Feste“ genannt – mehr als alle anderen ¬
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Veni ad salvandum nos! Komm und errette uns!
Muttergottes mit Kind, Carlo Maratta, Kunsthistorisches Museum Wien.
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WEIHNACHTEN 2011
Die Krippen-Kapelle im Franziskus-Kloster von Greccio (Rieti).
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Veni ad salvandum nos! Komm und errette uns!
Feste – und es mit „unaussprechlicher Hingebung“ gefeiert (2 Celano
199: FF 787).
Für die alte Kirche war Ostern das Fest der Feste: In der Auferstehung
hatte Christus die Türen des Todes aufgestoßen und so die Welt von
Grund auf verändert: Für den Menschen hatte er in Gott selbst Platz geschaffen. Nun, Franziskus hat diese objektive Rangordnung der Feste,
die innere Struktur des Glaubens mit seiner Mitte im Ostergeheimnis
nicht geändert, nicht ändern wollen. Aber etwas Neues ist dennoch
durch ihn und seine Weise des Glaubens geschehen: Franz hat in einer
ganz neuen Tiefe das Menschsein Jesu entdeckt. Dieses Menschsein
Gottes wurde ihm am meisten sichtbar in dem Augenblick, in dem Gottes Sohn als Kind aus der Jungfrau Maria geboren, in Windeln gewickelt
und in eine Krippe gelegt worden war. Die Auferstehung setzt die Menschwerdung voraus. Gottes Sohn als Kind, als wirkliches Menschenkind
– das hat das Herz des Heiligen von Assisi zuinnerst getroffen und Glaube zu Liebe werden lassen. „Erschienen ist uns die Menschenfreundlichkeit Gottes“ – dieser Satz des heiligen Paulus hatte nun eine ganz neue
Tiefe bekommen. Man kann Gott sozusagen in dem Kind im Stall zu
Bethlehem anfassen, liebkosen.
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WEIHNACHTEN 2011
Wer heute die Geburtskirche Jesu zu Bethlehem betreten will, findet,
dass das einst 5½ m hohe Portal, durch das Kaiser und Kalifen den Bau
betraten, weitgehend zugemauert ist. Nur eine niedrige Öffnung von
1,30 m Höhe ist geblieben. Man wollte wohl die Kirche besser vor Überfällen schützen, besonders aber verhindern, dass man hoch zu Ross in
das Gotteshaus ritt. Wer den Ort der Geburt Jesu betreten möchte, muss
sich bücken. Mir scheint, dass sich darin eine tiefere Wahrheit zeigt, von
der wir uns in dieser Heiligen Nacht berühren lassen wollen: Wenn wir
den als Kind erschienenen Gott finden wollen, dann müssen wir vom
hohen Ross unseres aufgeklärten Verstandes heruntersteigen. Wir müssen unsere falschen Gewissheiten, unseren intellektuellen Stolz ablegen,
der uns hindert, die Nähe Gottes zu sehen. Wir müssen den inneren Weg
des heiligen Franziskus nachgehen – den Weg zu jener letzten äußeren
und inneren Einfachheit, die das Herz sehend macht. Wir müssen uns
herunterbeugen, sozusagen geistig zu Fuß gehen, um durch das Portal
des Glaubens eintreten zu können und dem Gott zu begegnen, der anders ist als unsere Vorurteile und Meinungen – der sich in der Demut eines neu geborenen Kindes verbirgt.
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Veni ad salvandum nos! Komm und errette uns!
Die kleine Pforte von Betlehem, durch die man in die Geburtsbasilika gelangt.
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WEIHNACHTEN 2011
Benedikt XVI. bei der Christmette 2011.
Botschaft Urbi et orbi
Sonntag, 25. Dezember 2011
Komm und errette uns!
Gott ist der Retter, und wir sind die, die sich in Gefahr befinden.
Er ist der Arzt, wir sind die Kranken
Der Sohn der Jungfrau Maria ist für alle geboren, er ist der Retter aller.
So ruft ihn eine alte liturgische Antiphon an: „O Immanuel, unser König
und Lehrer, Sehnsucht der Völker und ihr Erlöser: Komm und errette
uns, Herr, unser Gott!“ Veni ad salvandum nos! Komm und errette uns!
Ja, das bedeutet der Name jenes Kindes, der Name, den Joseph und
Maria ihm nach Gottes Willen gegeben haben: Er heißt Jesus, was „Retter“ bedeutet (vgl. Mt 1,21; Lk 1,31). Er ist von Gottvater gesandt worden,
um uns vor allem von jenem tiefsitzenden, im Menschen und in der Ge66
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Veni ad salvandum nos! Komm und errette uns!
schichte verwurzelten Übel zu erretten, das die Trennung von Gott ist,
der anmaßende Stolz, von sich aus zu handeln, sich in Konkurrenz zu
Gott und an seine Stelle zu setzen, zu entscheiden, was gut und was böse
ist, Herr über Leben und Tod zu sein (vgl. Gen 3,1-7). Das ist das große
Übel, die große Sünde, aus der wir Menschen uns nicht erretten können,
wenn wir uns nicht der Hilfe Gottes anvertrauen, wenn wir nicht zu ihm
rufen: „Veni ad salvandum nos! – Komm und errette uns!“
Schon die Tatsache selbst, diesen Ruf zum Himmel zu erheben, versetzt uns in die rechte Lage, stellt uns in die Wahrheit über uns selbst: ¬
Die Geburt Jesu, Anton Raphael Mengs, Städtisches Museum Braunschweig.
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WEIHNACHTEN 2011
Wir sind es ja, die zu Gott geschrien haben und die von ihm erlöst worden sind (vgl. Est [LXX] 10,3f). Gott ist der Retter, und wir sind die, die
sich in Gefahr befinden. Er ist der Arzt, wir sind die Kranken. Das anzuerkennen ist der erste Schritt zum Heil, zum Auszug aus dem Labyrinth, in
das wir selbst uns mit unserem Stolz einschließen. Die Augen zum Himmel zu erheben, die Hände auszustrecken und um Hilfe zu rufen, ist der
Ausweg, vorausgesetzt, dass dort Jemand ist, der zuhört und uns zu Hilfe
kommen kann.
Darum, liebe Brüder und Schwestern aus Rom und der ganzen Welt,
wenden wir uns an diesem Weihnachten 2011 an das Kind von Bethlehem, den Sohn der Jungfrau Maria, und sagen wir: „Komm und errette
uns!“.
Muttergottes mit Kind, Detail, Werkstatt Sandro Botticelli, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien.
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30TAGE N. 12 - 2011
Veni ad salvandum nos! Komm und errette uns!
Der Heilige Stephanus, Detail des Mosaiks am Triumphbogen
der Basilika St. Laurentius vor den Mauern, Rom.
Fest des hl. Stephanus Protomärtyrer
Montag, 26. Dezember 2011
Das verborgene Martyrium
Alle, die die Gebote des Heilands erfüllen, legen mit jeder
Handlung Zeugnis ab, indem sie tun, was er will, und
dementsprechend den Namen des Herrn anrufen
Am Tag nach der feierlichen Liturgie der Geburt des Herrn begehen
wir heute das Fest des hl. Stephanus, Diakon und erster Märtyrer der
Kirche. Der Geschichtsschreiber Eusebius von Caesarea nennt ihn den
„vollkommenen Märtyrer“ (Die Kirchengeschichte, V, 2,5: GCS II,1, Leipzig 1903, S. 430), da es in der Apostelgeschichte heißt: „Stephanus
aber, voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen unter dem
Volk“ (6,8).
¬
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WEIHNACHTEN 2011
Mosaik am Triumphbogen der Basilika St. Laurentius vor den Mauern, Rom.
Nach der Generation der Apostel nehmen die Märtyrer einen Platz ersten Ranges in der Wertschätzung der christlichen Gemeinde ein.
Liebe Freunde, die wahre Nachfolge Christi ist die Liebe, die einige
christliche Schriftsteller als das „verborgene Martyrium“ bezeichnet haben. Dazu schreibt der hl. Clemens von Alexandrien: „Alle dagegen, die
die Gebote des Heilands erfüllen, legen mit jeder Handlung Zeugnis ab,
indem sie tun, was er will, und dementsprechend den Namen des Herrn
anrufen“ (Stromatum IV, 7,43,4: SC 463, Paris 2001, S. 130). Wie zu alten
Zeiten kann auch heute die aufrechte Treue zum Evangelium das Opfer
des Lebens verlangen, und viele Christen in verschiedenen Teilen der
Welt sind der Verfolgung und bisweilen dem Martyrium ausgesetzt.
Doch der Herr ruft uns in Erinnerung: „Wer aber bis zum Ende standhaft
bleibt, der wird gerettet“ (Mt 10,22).
© Copyright 2011 - Libreria Editrice Vaticana
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