Splitternackt am Lichterfest

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Splitternackt am Lichterfest
KULTUR
MUSIK
Splitternackt am Lichterfest
Eine kleine Typologie von Chanukka-Songs
03.12.2015 - von Jonathan Scheiner
Alle Jahre wieder Kartoffelpuffer! Latkes mit saurer Sahne, Latkes mit Marmelade und
manchmal auch Latkes mit Kaviar. Gastronomisch dreht sich Chanukka monoton in der
Endlosschleife, immer im Kreis wie der Dreidel: »Nun«, »Gimel«, »He«, »Schin«.
Umso erfreulicher, dass es zu Chanukka ein Füllhorn von großartigen wie einfallsreichen Songs
gibt. Pünktlich zur Geschenkesaison ist nun etwa die neue Scheibe der Maccabeats erschienen,
einer jüdischen Boygroup von der Yeshiva University in New York, die ausschließlich a cappella
singt. Neben dem unvermeidlichen »Maoz Tzur« und »Oh Hanukkah« gäbe es auf der Scheibe
sogar ein paar Entdeckungen zu machen. Doch die werden mit derart viel Schmalz verkleistert,
dass man die CD höchstens seinen Schwiegereltern schenken möchte.
SHAKIRA Dass man religiöse Inhalte auch pfiffiger singen kann, beweisen die Fountainheads
aus Ein Prat. Mit ihren Songs sollen junge Israelis zu besseren Staatsbürgern erzogen werden.
Musikalisch klappt das reibungslos. Zu allen Festen und Feiertagen produzieren die jungen
Studenten großartige Remakes.
Während sie ihre neuesten »Moves« in den Staub der Judäischen Wüste stampfen, singen sie
zum Beispiel den Rosch-Haschana-Song »Dip your Apple«, wobei die Melodie Shakiras WM-Hit
»Waka Waka« zitiert. Das hat offensichtlich genauso viel Spaß gemacht wie der Dreh zum
Chanukka-Klassiker »Light Up the Night«. Jüdisch sein, zumal an Chanukka, kann ja so viel
Freude machen. Und nicht nur in Ein Prat.
Das indes sieht die jüdische Hauptfigur der amerikanischen Animationsserie South Park ganz und
gar anders. Wenn Kyle Broflovski an Chanukka an das üppige Weihnachtsfest seiner christlichen
Mitschüler denkt, bekommt er den Sozialneid-Blues. Kyle glaubt, er sei die ärmste Sau auf Erden:
»I’m a Jew, a lonely Jew, I’d be merry, but I’m Hebrew – on Christmas.« Auch wenn man dem
nicht zustimmt – der Song ist ein moderner Chanukka-Klassiker und hat bei YouTube mehrere
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Millionen Klicks.
ADAM SANDLER In Hollywood erklingt das Hohelied auf Chanukka am häufigsten. Adam
Sandlers »Hanukkah Song« ist vielleicht das berühmteste Beispiel. Der Witz ergibt sich allein
daraus, dass sich rein gar nichts auf »Chanukka« reimen will, außer vielleicht »Jarmulka« – und
das auch nur mit Biegen und Brechen. Doch Sandlers Lied funktioniert auch deshalb, weil er ein
ironisches »Leidens-Wir« erzeugt. Er listet jüdische Promis auf, mit denen wir gemeinsam unter
dem halluzinierten Ausschluss vom Weihnachtsfest leiden.
Hollywood ist auch sonst in Sachen Chanukka überaus fantasievoll. Das Lichterfest versteckt sich
überall, selbst hinter der Titelmelodie der Sitcom The Big Bang Theory , die jede Woche auch im
deutschen TV auf ProSieben zu sehen ist. Die Melodie stammt von den Barenaked Ladies aus
Toronto. Von den drei Kanadiern stammt auch der Klassiker »Hanukkah, o Hanukkah« vom
2004 veröffentlichten Album Barenaked for the Holidays . Dem Titel mag man sich gerne
anschließen, trotz der üblicherweise tiefen Temperaturen an Chanukka!
Um die kalte Jahreszeit geht es auch in dem Song »All I Want for Christmas is ... Jews«, ein
umwerfender Song, auch wenn man Mariah Careys Ohrwurm mit dem gleichklingenden
Songtitel nicht mehr hören kann. Im Wesentlichen geht es bei der Parodie um die Aufzählung
berühmter Promi-»Jews«, deren Vorzüge gelobt werden. Wobei kein Klischee ausgelassen wird,
nicht einmal der berühmte »Big Shtick«, den die Söhne Israels angeblich – und nicht nur
splitternackt am Lichterfest – besitzen. Der Song jedenfalls stammt vom amerikanischen
Komikerinnen-Trio Hot Box (übersetzt: Heiße Büchse), die sich im Video als weihnachtliche
Rentiere verkleidet haben. Sexy ist das allemal.
SCHTETL Das kann man vom ollen »Dreidel-Song« nicht gerade behaupten, denn er klingt
eher nach jiddischem Schtetl-Mief. Doch wer genau hinhört, findet auch unter der Dreidel-Rubrik
ein paar echte Perlen. Zum Beispiel von der »First Lady des Children Song«, der Sängerin Ella
Jenkins. Dabei hatte die Sängerin aus St. Louis mit dem Judentum rein gar nichts am Hut.
Das dachte man auch von Woody Guthrie, dem Altmeister des Protestsong. Guthrie war zwar
nicht jüdisch, wohl aber seine zweite Ehefrau. Mit ihr feierte er Chanukka. Das wurde erst vor
Kurzem bekannt, als die wohl berühmteste Klezmerband, die »Klezmatics«, Songs von Guthrie
aufgenommen und damit einen Grammy gewonnen hat – als erste Klezmerband überhaupt.
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Einen Grammy für ihr Lebenswerk hat auch die jüdische Punkband The Ramones erhalten.
Leider fällt ihr Beitrag zu Chanukka in die falsche Kategorie, denn er heißt »Merry Christmas, I
don’t wanna fight tonight«. Und auch die drei jüdischen Rapper der Beastie Boys schweigen sich
beharrlich über Chanukka aus. Immerhin gibt es eine wunderbare Parodie auf einen ihrer
größten Hits. Er stammt von den B-Boyz. Die drei jüdischen Kids Ben, Jake und Max Borenstein
lassen es bei »Fight for your Right to Dreidel« so richtig krachen. Wehe, wenn Mamme
Borenstein das gewusst hätte!
MATISYAHU Doch es geht auch ganz friedlich: kein Puffer, kein Punk. Einfach nur ein
Hohelied auf die besinnliche Stimmung beim Lichtzünden. Einer der schönsten Songs stammt
von Matisyahu und heißt »Miracle«. Ein Lied, das exemplarisch für die vielen Hits rund ums
Lichterfest steht.
Die ewigen Latkes hin oder her: Zumindest beim Thema Musik gibt es an Chanukka alle Jahre
wieder etwas Neues zu entdecken.
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