Leseprobe - Humboldt
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ANDREA MICUS Partnersuche Ü60 Flirten, verabreden und glücklich bleiben den So fin n e Sie d en end pass n Man Inhalt Ich will nicht mehr allein sein Raus aus der Ü60-Sackgasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nie mehr einsam! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich weiß, was ich will! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Motive habe ich für die Partnersuche? . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie soll mein Wunschpartner sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Es muss einfach stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Man bekommt mehr als einen Partner, und Probleme sind auch dabei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Test: Bin ich bereit für eine neue Liebe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 22 25 Sechs Stolpersteine auf dem Weg zum neuen Glück 1. 2. 3. 4. 5. 6. I ch will nicht, dass die Leute über mich reden! . . . . . . . . . . . . . Mein verstorbener Mann würde das bestimmt nicht mögen! . Ich muss doch für die Kinder da sein! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dann wird er krank und ich muss ihn pflegen! . . . . . . . . . . . . . Die paar Jahre gehen auch vorbei! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mich nimmt doch sowieso kein Mann mehr! . . . . . . . . . . . . . . . 29 So machen Sie sich fit für die Partnersuche Werden Sie mutig! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lernen Sie sich mögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Selbstbewusst werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Test: Kommen Sie bei anderen gut an? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Loslassen ohne wegzuwerfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immer an das Gute glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollieren Sie Ihr Handwerkszeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Small Talk – der liebenswerte Einstieg in die Partnersuche . . . . . . . Flirten kann man lernen! Einfach mal hinsehen . . . . . . . . . . . . . . . . Test: Kann ich gut flirten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 13 14 15 16 20 29 31 34 35 35 36 37 38 40 43 45 48 49 51 51 56 60 Es gibt viele Möglichkeiten, einen Partner zu finden Zufall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Single-Clubs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Single-Events . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kuraufenthalte und Urlaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontaktanzeigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Partnervermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Test: Wie gut ist Ihre Menschenkenntnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Internet – grenzenlose Chancen für die Liebe Single-Börsen versus Partnervermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . So funktioniert die Partnersuche im Netz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was braucht man, um online erfolgreich zu sein? . . . . . . . . . . . . . . So klicken Sie sich zum Happy End . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jetzt dürfen Sie träumen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Foto sagt mehr als 1000 Worte! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sie sind gefragt! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Qual der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bloß keine Hemmungen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erste Mail – so geht’s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absagen und gelöschte Profile! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darf ich auch mehreren Männern schreiben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich habe ein Date – so mache ich alles richtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . Will ich ihn, will er mich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Es ist aus! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Test: Bin ich resilient? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 64 64 65 65 66 67 67 68 69 71 74 74 76 76 78 79 79 80 80 81 81 84 85 87 93 96 97 Einfach weitersuchen 100 Sechs Frauen erzählen 102 Mechthild: „Für mich ist erst einmal der Weg das Ziel“ . . . . . . . . Ines: „Ich habe begriffen, dass man offen für Überraschungen bleiben muss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute: „Mein wunderbarer Ehemann gönnt mir das neue Glück“ . . Renate: „Ich weiß nicht, wo die Männer alle geblieben sind“ . . . . Erika: „Ich bin nicht nur ihre Mutter, sondern auch eine Frau“ . . Verena: „Man hat sich ein Leben aufgebaut, aus dem man nicht heraus will“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 121 135 147 164 176 6 Ich will nicht mehr allein sein Unsere Gesellschaft wird immer älter. Heute sind 15 Millionen Frauen und Männer über 60 Jahre alt. Jeder Dritte von ihnen lebt allein, zum großen Teil nicht freiwillig. Fast alle sehnen sich nach einer er füllten Partnerschaft. Doch der Weg dahin erscheint ihnen mit Ü60 rätselhafter als er in Wirklichkeit ist. Raus aus der Ü60-Sackgasse Brauchen Sie tagsüber ein kleines Nickerchen? Haben Sie bei Smartphones, Instagram und Messenger längst den Überblick verloren? Verzweifeln Sie an den Packstationen der Post genauso wie an den Fahrkartenautomaten der Bahn und fallen in Ihren Gesprächen immer wieder Begriffe wie „Sprechstundenzeiten“ und „ApothekenUmschau“? Alles untrügliche Anzeichen dafür, dass Sie zur Generation der Ü60-Jährigen gehören. Aber bestimmt fühlen Sie sich wie Curd Jürgens noch „kein bisschen weise“, glauben wie Udo Jürgens, dass das Leben jetzt erst „anfängt“ und möchten wie Erika Pluhar „noch ein paar eckige Runden drehen“. Doch etwas bremst den Überschwang: Sie sind allein. Und damit haben Sie viele Weggefährten. Derzeit genau 5,5 Millionen, Tendenz steigend. Denn der Single-Anteil in dieser Altersgruppe nimmt stetig zu. Die Gründe sind vielfältig. Raus aus der Ü60-Sackgasse Zum einen rücken reichlich „Profi-Singles“ nach. Sie leben bereits seit Jahren allein, weil sie bislang nicht den richtigen Partner gefunden haben. Häufige Jobwechsel und Auslandsaufenthalte, aber auch Verpflichtungen für Eltern standen dem im Wege. Dazu kommen zum anderen „Neu-Singles“. Es ist heute nicht ungewöhnlich, dass sich Paare auch nach langer Ehe scheiden lassen, weil sie sich noch etwas anderes vom Leben erhoffen, als in den eingefahrenen Gleisen weiterzumachen. Sie haben das bisherige Leben satt. Die Kinder sind groß, der Alltag fad. Man stellt alles auf den Prüfstand, auch den Partner – und geht. Fast 40 Prozent der Paare trennen sich im Alter zwischen 50 und 60 Jahren, um auch in Sachen Liebe, Sex und Leidenschaft neue Wege zu gehen. In der Mehrzahl sind es die Frauen, die einen Schlussstrich ziehen. Laut Statistischem Bundesamt ist dagegen für 46 Prozent der Männer und 73 Prozent der Frauen Ü60 die Trennung nicht freiwillig. Der Partner stirbt, und wer zurückbleibt, muss erst mühsam lernen, wieder allein zu leben. Oft liegen die Single-Erfahrungen Jahrzehnte zurück, und manche haben überhaupt noch nie allein gelebt, sondern sind aus dem Elternhaus direkt in die Ehe gestolpert. Doch egal, wie alt man ist: Der Wunsch nach Liebe und Zweisamkeit und nach Sicherheit und Geborgenheit besteht immer, verbunden mit der Hoffnung nach glühenden Herzen und wild schwirrenden Schmetterlingen im Bauch. Wenn die Zahl „6“ erst vorne steht, kommt eine gewisse natürliche Unruhe hinzu. Man sagt sich: wenn nicht jetzt, wann dann? Jetzt soll noch mal Leben ins Leben! Doch wo kann man einen Partner finden? Natürlich gibt es König Zufall, an den man ganz fest glauben sollte. Immerhin lernen sich 35 Prozent der Paare nach wie vor an der berühmten Käsetheke im Supermarkt, beim Spazierengehen und im Treppenhausflur der Wohnanlage kennen. Man kann sich auch wirklich überall tief in die Augen sehen: im Theaterfoyer, beim Sprachkurs an der Volkshochschule oder in der Strandbar an der Ostsee. Die Fantasie kennt keine Grenzen. Es gibt Paare, die sich als Konkurrenten bei einer Woh- 7 8 Ich will nicht mehr allein sein nungsbesichtigung begegnen und sich beim Streitgespräch mit dem Makler ineinander verlieben oder die getrennt eine Tiershow im Zoo besuchen und sich zwischen Delfinen und Affen so gut verstehen, dass sie Händchen haltend wieder herauskommen. Wenn sich die Richtigen treffen, sind die so begonnenen Beziehungen genauso stabil wie die Partnerschaften, die mit ganz viel Kopfarbeit und Bedenkzeit beginnen. Sogar in Notfällen ist man vor dem wunderbaren Kribbeln in der Herzgegend nicht gefeit. Die 61-jährige Helga hat sich in den Notfallsanitäter verliebt, der sie nach einem Infarkt in den Krankenwagen schob. Das war vor sechs Jahren. Die beiden sind immer noch zusammen. Als die 66-jährige Karin mit ihrem Wagen auf einer Berliner Landstraße liegen blieb und den Pannenhelfer rief, ahnte sie nicht, dass sie damit auch gleich den künftigen Ehemann kennenlernen würde. „Ich musste mein Auto stehen lassen und er bot mir an, mich nach Hause zu bringen. Ich habe ihn aus Dankbarkeit zum Kaffee eingeladen und – peng – das war’s.“ Übrigens war drei Monate später die Hochzeit! Die Botschaft ist klar: Wer Liebe sucht, kann sie überall finden. Doch nicht bei allen reicht es, die Augen weit geöffnet zu halten. Sie finden einfach nicht den Richtigen. Entweder haben sie in puncto Liebe einen Sehfehler, oder sie nutzen nicht oft genug die Gelegenheiten, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Denn eins ist klar: In den eigenen vier Wänden passiert wenig. Nicht jeder Postbote oder Telefoninstallateur ist ein potenzieller Partner. Damit die vielen Millionen unfreiwilliger Singles Ü60 im Laufe der Zeit nicht in depressive Verstimmungen versinken und durch Wunderlichkeiten auffallen, gibt es ein Meer von Partnervermittlungen und Partnerbörsen, Single-Clubs und Dating-Organisationen, die immer stärker auf diese Zielgruppe spezialisiert ist. Alle bieten mehr oder weniger geschickt und mehr oder weniger kostenintensiv an, den Wunschpartner an die ausgeworfene Angel zu hängen. Raus aus der Ü60-Sackgasse Sieht man jedoch die Vermittlungszahlen an, so ist die Happy-EndQuote bei den Ü60-Jährigen deutlich niedriger als bei den jüngeren Suchenden. Warum finden denn so viele Menschen Ü60 gar nicht so schnell einen neuen Partner? Eigentlich müssten sie es doch leichter haben als die Jüngeren. Sie haben eine oft jahrzehntelange Erfahrung in Sachen Partnerschaft, sind hinreichend erprobt in sozialen Kontakten und kennen sich in den Wirren des Lebensdschungels bestens aus. Alles Pluspunkte, die einen schnellen Erfolg garantieren müssten. Doch das ist nicht so. Was unterscheidet also die Partnersuche Ü60 von der der jüngeren Menschen? Es ist gerade die Erfahrung, die hinderlich ist. Denn aus Erfahrung lernt man. So wissen ältere Menschen besser als jüngere, was ihnen in der Liebe guttut und was nicht und welche quälenden Folgen eine unpassende Beziehung haben kann. Sie sind wählerischer als mit 20 Jahren und gehen nicht mehr so leicht Kompromisse ein. Dazu kommt eine gewisse Bequemlichkeit. Man hat sich in seinem Leben eingerichtet, kommt ganz gut zurecht. So sagt die 62-jährige Single-Frau und Lehrerin Helena: „Was ich habe, weiß ich. Was ich bekomme, nicht“. Sie ist schon viele Jahre geschieden. Ihre Kinder sind aus dem Haus, der Beruf nicht mehr ganz so wichtig. Sie möchte ohne Zwänge noch all das erleben, was sie sich bisher versagen musste: Schöne Reisen unternehmen und ihr Hobby, die Reiterei, pflegen. Ein neuer Partner, mit dem sie wieder „Dinge mitmachen“ muss, empfindet sie als Einschränkung der neuen Freiheit. So wie Helena geht es vielen Singles Ü60. Sie haben Angst, dass in Partnerschaften die Interessen kollidieren. Der eine liebt lange Spaziergänge, aber der neue Partner möchte gern am Wochenende die Bundesligaspiele sehen. Soll man jetzt ihm zuliebe die schönen Spaziergänge mit der Freundin aufgeben und bei strahlendem Sonnenschein vor dem Fernseher hocken? Das heißt, doch wieder nur immer Rücksicht nehmen, wieder Dinge tun, die man eigentlich nicht will, was man sein halbes Leben lang gemacht hat. 9 10 Ich will nicht mehr allein sein Schwierig ist auch das Alter an sich. „Gleichaltrig“ Ü60 heißt nicht, einfach „gleich alt“ zu sein und die gleiche Zahl der Lebensjahre erreicht zu haben. Viele Menschen altern unterschiedlich und haben eine andere Alterswahrnehmung. Man kennt die flotte Frau Mitte sechzig, die mit High Heels durch die Geschäfte stolziert, im Job erfolgreich ist und abends noch im Zonta-Club mit einem Vortrag brilliert. „Du gehst locker für 40 durch“, sagen ihre Freundinnen, wobei sie damit nicht das faltenfreie Gesicht meinen, sondern ihre Lebensaktivität und die dynamisch-sportliche Ausstrahlung. Dann gibt es die gebückt gehende Grauhaarige, die morgens freudlos über den Markt schlurft und sich schon überanstrengt fühlt, wenn sie an zwei Ständen eingekauft hat. Beide sind gleichaltrig und doch trennen sie gefühlt Jahrzehnte. Wer also nach einem Partner Ausschau hält, darf nicht nur auf das Geburtsdatum schielen. Denn das ist längst nicht mehr so aussagekräftig wie bei 40-Jährigen. Und bei Ü60 gilt: Alle wollen jüngere Partner. Männer reizt die größere körperliche Attraktivität. Frauen haben Angst, dass ein älterer Partner krank wird und sie ihn das pflegen müssen. Also orientieren sich alle „nach unten“ und je älter man wird, desto dünner wird die Luft bei der Partnerwahl, denn es gibt immer weniger Auswahl. Für die Frauen wird es jetzt ganz dumm. Denn für sie kommt noch erschwerend hinzu, dass es im Alter insgesamt sowieso schon weniger Männer gibt, weil deren statistische Lebenserwartung kürzer ist. Frauen müssen sich also mit zunehmendem Alter auf eine wachsende Konkurrenz einstellen. Anders als bei jüngeren Menschen sind auch zu feste Weltanschauungen bei der Partnersuche hinderlich. Ältere Menschen sind weniger offen und häufiger festgefahren in ihren Ansichten. „Der ändert sich doch nicht mehr“, hört man häufig und das stimmt auch. Ü60 ist man nicht mehr besonders aufgeschlossen für Neues. Man glaubt, genau zu wissen, was gut und falsch ist. Wer also hofft, sich Raus aus der Ü60-Sackgasse in höherem Alter einen Partner noch zurechtbiegen zu können, irrt sich. Im ersten Liebesrausch passt man sich noch an, nimmt Unordnung, Haustiere und den Lärm durch Enkelkinder lächelnd hin. Man will „unter die Haube“, zeigt seine Schokoladenseite. Doch kaum hat man den begehrten Fisch an der Angel, zeigt man sein wahres Gesicht. Man möchte jetzt doch lieber seine Ruhe, viel lesen, wenig unternehmen, endlich mal ganz in Ruhe einen Quiltkurs besuchen. Die anfängliche Liebe zerfließt in den Alltagsquerelen. Schade, aber auch unnötig. Denn das hätte man wissen können. Wenn etwas am anderen stört, hat man Ü60 nur noch zwei Möglichkeiten: Man lässt die Partnerschaft sausen oder man akzeptiert es und stellt sich darauf ein. Eine dritte Möglichkeit, die Idee, dass sich der Wunschpartner schon ändern wird und seine „Macken“ abstellt, gibt es nicht. Verschwenden Sie keinen Gedanken daran. Vergessen Sie’s. Das wird nichts! Ein weiterer Unterschied ist die Tendenz zu einer größeren Distanz. In jüngeren Jahren kann das Miteinander gar nicht eng genug sein. Man will sich mit einem Partner ein gemeinsames Leben aufbauen. Man kauft oder baut ein Haus, bekommt Kinder, gründet eine Firma. Alles immer zu zweit. Ü60 ist das anders. Wer in diesem Alter ist, hat eine eigene Wohnung, ein eigenes Einkommen beziehungsweise eine Rente, eine eigene Familie. Man muss sich also mit den Bedingungen des anderen arrangieren, das heißt, mit der Region, in der er lebt, den Wohnverhältnissen, den Kindern und Verwandten, den betagten Eltern, die häufig noch wohlbehalten sind. Das ist häufig nur auf Distanz möglich. Deshalb suchen viele Menschen in diesem Alter gar nicht einen Partner zum Zusammenleben, sondern eher jemanden für die Freizeit. Zum Ausgehen, Hobbys teilen, Verreisen. Es geht also nicht mehr darum, sich etwas zusammen aufzubauen, sondern nur noch darum, das Erreichte gemeinsam zu genießen, gern auch in zwei Wohnsitzen. Damit ist man wenigstens klar im Vorteil zu den Jüngeren. Man ist weniger aufeinander angewiesen und behält bei aller Liebe doch 11 12 Ich will nicht mehr allein sein seine Unabhängigkeit. Die 69-jährige Anneliese lebt seit sechs Jahren in einer festen Partnerschaft. Ihr gleichaltriger Freund wohnt zwei Straßen von ihr entfernt. Jeder hat ein eigenes kleines Haus. Sie sehen sich täglich, entscheiden spontan wie lange. Die Vorteile dieser Liebe hat sie locker so formuliert: „Man nervt sich nicht mehr, man stört sich nicht mehr, man engt sich nicht mehr ein. Er kontrolliert und meckert nicht. Ich halte mich heraus und beeinflusse nichts. Aber wir genießen, was uns verbindet: wunderbare Stunden zu zweit, mit angeregten Gesprächen, Zärtlichkeiten und gemeinsamen Erlebnissen.“ Sie haben gelesen, dass die Liebe Ü60 ganz anders ist als die Liebe in jüngeren Jahren, im Detail für manche vielleicht gar nicht mehr so verlockend. Doch es gibt in diesem Lebensabschnitt auch noch eine andere Seite, die zählt, ein sehr praktische. Bei vielen kommen in diesen Jahren besonders häufig Wenn-Fragen auf: Was ist, wenn ich krank werde? Wer ist zuverlässig da, wenn ich verreisen möchte? Habe ich jemanden, wenn ich ins Kino gehen möchte? Wen rufe ich an, wenn mir in der Wohnung etwas kaputt geht? Und wenn wir schon mal bei den ganz praktischen Belangen einer Partnerschaft sind, dürfen wir auch die finanziellen Aspekte nicht vergessen. Gerade ältere Frauen haben durch die Kindererziehungszeiten oft geringere Rentenansprüche erworben und dadurch weniger Geld zur Verfügung als Männer. Sie fragen sich: Ist mein Leben nicht wesentlich schöner, wenn ich mir die Kosten teilen kann? Eine Partnerschaft kann Defizite ausgleichen. Das klingt jetzt nach nüchterner Zweckgemeinschaft. Sucht man Ü60 nur noch seinen Vorteil? Das stimmt so natürlich nicht. Menschen Ü60 lassen erfahrungsgemäß den Kopf etwas mehr sprechen als die jüngeren. Aber ganz oben auf der Motivliste für die Partnersuche steht auch bei ihnen die Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit. Auch wer sich Ü60 bindet, möchte tiefe Gefühle und auch Leidenschaft erleben. Viele, weil sie die große, wahre Liebe noch nie hatten Nie mehr einsam! und eine innere Sehnsucht danach spüren. Andere, weil sie wissen, dass es einfach schön ist, wenn man liebt und geliebt wird. „Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe schützt bis zu einem gewissen Grade vor dem Alter“, sagte einst die französische Schauspielerin Jeanne Moreau. Jeder versteht, was sie meint. Händchen haltend durch die Wiese gehen, knutschend in der Bar am Tresen stehen, mit Herzklopfen auf den Anruf des Liebsten warten. Man möchte als Paar leben und genießen, verreisen, ausgehen, ein bisschen Abenteuer spüren oder sogar zu zweit die Welt nicht nur umarmen, sondern sie sogar erobern. Das ruft Gedanken an früher hervor und man fühlt sich wieder jung. Denn mit der Liebe kommt die Lebensfreude. Etwas unternehmen, etwas ausprobieren, etwas wagen. Am besten zu zweit. Dann scheint Ü60 die Sonne besonders hell. Die Sackgasse wird zur Startrampe, und am Horizont geht’s weiter. Also los! Nie mehr einsam! Sie haben auch genug von einsamen Abenden und Sonntagen, die sich wie Kaugummi in die Länge ziehen, und träumen schon länger von einem neuen Glück? Sie möchten mit pochendem Herzen auf Ihren Liebsten warten und warme Hände auf Ihrer Haut spüren? Dann vergessen „Es ist leichter, einen Sie, was Sie von Skeptikern und unzufrieMann zu finden, als ihn wieder loszuwerden!“ denen Freundinnen garantiert schon zu Gina Lollobrigida hören bekommen haben: „In deinem Alter findest du keinen Mann mehr!“ Falsch! Sie werden sich schneller verlieben, als Sie sich das jetzt vorstellen und ausmalen können. Denn mit den richtigen Tipps ist die Partnersuche fast ein Kinderspiel. Lassen Sie sich symbolisch an die Hand nehmen und Schritt für Schritt erklären, wie es geht. Es gibt 13 14 Ich will nicht mehr allein sein einen Schlüssel zum Glück. Und der funktioniert in jedem Alter. Garantiert! ! D a r u m s i n d v i e l e W i t w e n e i n sa m • Man will dem verstorbenen Partner treu bleiben. • Angst vor den ablehnenden Reaktionen der Kinder. • Finanzielle Sicherheit und Sorge, die Rente oder die Pension zu verlieren. • Zu wenig männliche Bekannte. • Geringes Selbstvertrauen. • Angst, Freiheiten wieder aufgeben zu müssen. • Furcht, an den Falschen zu geraten und betrogen zu werden. • Angst, wieder einen geliebten Menschen zu verlieren. Ich weiß, was ich will! „Bei dicken Männern winke ich sofort ab. So einer kommt mir nicht in die Wohnung“, hat die 62-jährige Kauffrau Brigitte immer in ihrem Freundeskreis getönt. Jetzt liebt sie einen 100-Kilo-Mann und das Gewicht ist überhaupt kein Thema mehr für sie. „Zwischen uns passt alles wunderbar. Wie oberflächlich muss man denn sein, wenn man sich bei so einem Glückstreffer dann an ein paar Kilos zu viel stört“, sagt sie heute und mag an ihre frühere Ablehnung für Übergewichtige nicht mal mehr erinnert werden. Viele Frauen gehen mit festen Vorstellungen in die Partnersuche. Das ist auch gut so. Nur sollten die Vorstellungen dauerhaft sein und nicht nur an einem Tag gelten und am nächsten über den Haufen geworfen werden. Denn ein ständiges Hin und Her, das große Chaos im Kopf, sorgt auch für Chaos im Herzen und das kann man nun wirklich nicht mehr gebrauchen. Ich weiß, was ich will! Bevor Sie also auf die spannende Partnersuche gehen können, bringen Sie sich mental in Schwung, sortieren Sie Ihre Gedanken und sorgen Sie für Klarheit im Kopf. Dazu legen Sie sich als erstes Papier und Stift zurecht. Nehmen Sie sich Zeit. Es ist besser, über die Antworten eine Nacht zu schlafen, als etwas voreilig und halbherzig hinzukritzeln. Schreiben Sie nur auf, was Sie wirklich für richtig und wichtig halten. Wenn Sie unsicher sind, bitten Sie eine gute Freundin oder Ihre Tochter oder Ihren Sohn darum, Ihnen zu helfen. Oft ist es hilfreich zu wissen, wie Nahestehende einen einschätzen. Welche Motive habe ich für die Partnersuche? Beantworten Sie sich jetzt folgende zwei Fragen. Geben Sie jeweils sechs Punkte pro Frage an: 1. Wie bin ich? Schreiben Sie hier sechs Bereiche und Eigenschaften auf, in denen Sie Ihre Stärken sehen, zum Beispiel: Haushaltsführung, Organisationstalent, Nachbarschaftspflege, Hilfsbereitschaft, sportliche Leistungen. Schreiben Sie darunter die Bereiche und Eigenschaften, in denen Sie Schwächen bei sich sehen: Antriebslosigkeit, schlechter Umgang mit Geld, Launenhaftigkeit, Sprunghaftigkeit, Schusseligkeit. 2. Warum suche ich einen Partner? Begründen Sie hier mit sechs Punkten, warum Sie nicht mehr allein sein, sondern lieber mit einem Partner leben möchten. Formulieren Sie Ihre Ansichten in ganzen Sätzen und möglichst konkret. Beispiele: Ich möchte einen Partner, weil ich sehr gerne verreise und es mir allein keine Freude macht. Es ist schöner, wenn man seine Eindrücke mit einem vertrauten Menschen teilen kann. 15 16 Ich will nicht mehr allein sein Ich sehne mich nach einem Partner, damit ich mich nicht mehr einsam fühle. Denn seit dem Tod meines Mannes fällt es mir schwer, den Alltag allein meistern zu müssen. Am schlimmsten ist es für mich, abends in der leeren Wohnung zu sein. Wie soll mein Wunschpartner sein? Schreiben Sie jetzt dreißig (!) Punkte auf, die Ihnen bei einem Partner wichtig sein können. Notieren Sie einfach bunt gemixt, was Ihnen gerade alles dazu in den Kopf kommt und schreiben Sie dahinter „Ja“ oder „Nein“ und kreuzen Sie an, was zutrifft. Die unten stehende Aufstellung soll Ihnen nur Anregungen geben und kann um weitere Punkte ergänzt werden. Humor Ja Nein Reisefreudig Haustiere Kulturinteressiert Alkohol Zigaretten Politische Ansichten Sex Kontaktfreudig Offen Glaube/Religiosität Familienfreundlich ▸ Ich weiß, was ich will! Ausgehen Häuslichkeit Musik Literatur Kinder/Enkelkinder Resilienz Sparsamkeit Großzügig Wandern/Natur Gesundheit Sport Kochen und Genießen Intelligenz Fleiß/Disziplin Engagement Zeit Unkompliziertheit Spontaneität 17 18 Ich will nicht mehr allein sein Entscheidend ist es, die Punkte tatsächlich aufzuschreiben und sich danach ernsthaft Gedanken zu machen, welche Bedeutung diese Eigenschaften in Ihrem Leben haben. Gehen Sie Punkt für Punkt konzentriert durch. Ist es denn wirklich so wichtig, ob jemand unkompliziert ist? Ja, denn wenn Sie es auch sind, kann das Zusammenleben mit einem umständlichen Partner schwierig sein. Ein Beispiel: Sie möchten ein Wochenende in Berlin verbringen, bekommen aber nicht mehr das Hotel, das Sie sich vorgestellt haben. Und? Wo ist das Problem? Dann gehe ich eben in ein anderes, denken Sie. Ja, so kann die Planung eines Städtetrips ganz unkompliziert sein. Aber was ist, wenn der Partner darauf besteht, das ehemals ausgewählte Hotel zu beziehen? Er möchte lieber auf ein anderes Wochenende umbuchen oder am liebsten die Reise ganz stornieren. Die Lust auf ein Berlin-Wochenende ist ihm vergangen. Ein neues Hotel, nein danke! Können Sie sich vorstellen, dass diese Partnerschaft von Dauer ist? Und spielt es wirklich eine Rolle, dass der Künftige betont tierlieb ist? „Wer kann denn etwas gegen meine niedliche kleine Katze haben?“, denken Sie jetzt. Die fällt doch im Haus kaum auf. Doch was passiert, wenn Ihr neuer Freund absolut keine Katzen mag, eine Katzenhaar-Allergie hat und Ihre Mieze nach seinem Einzug kurzerhand in den Keller verbannt? Die Liebe wird in Tränen und bitterbösen Vorwürfen untergehen und Sie haben eine neue Narbe auf dem Herzen. Das hätte man vermeiden können. Diese Beispiele lassen sich zahllos aufzählen. Wenn man sich kennenlernt, scheinen viele Eigenschaften und Vorlieben völlig belanglos zu sein. Doch im Alltag ist es auf Dauer sehr störend, wenn ein sportlicher Mensch auf einen unsportlichen, ein fröhlicher auf einen ernsten, ein unternehmungslustiger auf einen häuslichen trifft. Die spontane Anziehung kann das Herz schnell pochen lassen. Da sind die strahlenden Augen, das verschmitzte Lächeln, die Art, wie der Ich weiß, was ich will! Traummann den Wein nachschenkt. Das alles ist einfach nur zum Verlieben, zumal das Restaurant so stimmungsvoll ist und im Hintergrund gerade die Lieblingsmusik läuft. Dann spürt man noch die warme Hand auf dem Unterarm und ist erst einmal hin und weg vom Gegenüber. Klar kann man jetzt den Gefühlen freien Lauf lassen und sich in die verheißungsvoll offenen Arme fallen lassen. Aber – der Alltag sieht später anders aus. Da kommt es darauf an, dass man bei möglichst vielen Themen gleiche Ansichten hat, bei möglichst vielen Problemen gleiche Lösungsansätze sieht und in möglichst vielen Si tuationen gleich reagiert. Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter ruft an und kündigt ihren Überraschungsbesuch an und der Partner steht auf und stellt spontan die Kaffeemaschine an. Wunderbar einfach und unkompliziert! Wie verzwickt wäre die Situation, wenn der Partner ganz anders reagiert und stattdessen jammert, dass er sich für heute vorgenommen hat, in den Baumarkt zu fahren, und das jetzt unmöglich verschieben kann. Oder Sie bekämen Sätze zu hören wie: „Warum denn jetzt? Einfach so? Ich habe doch auch meine Pläne. Wieso meldet sie sich nicht rechtzeitig an, damit ich mir die Zeit einteilen kann?“ Sie wären enttäuscht, Ihr Partner genervt, die Stimmung am Boden. Ihre Tochter würde in diese Krise platzen und der lieb gemeinte Besuch in Frust und Unzufriedenheit enden. Wollen Sie das? Also: Wenn Sie spontan sind, sollten Sie sich auch einen spontan reagierenden Partner suchen. Kreuzen Sie das „Ja“ bei „Spontaneität“ an. Es wird Ihnen die Zukunft leichter machen. Gehen Sie ebenso sorgfältig auch Ihre anderen aufgeschriebenen Punkte durch. Stellen Sie sich in Ruhe vor, wie der Alltag abläuft, wenn Ihr Partner zum Beispiel gern Tennis spielt oder eine Leseratte ist. Überlegen Sie ganz genau, ob Sie wirklich bereit sind, häufig Flugreisen zu unternehmen oder ob es Ihnen Freude macht, regelmäßig Lokale zu 19 20 Ich will nicht mehr allein sein besuchen. Malen Sie sich aus, wie es ist, wenn Ihr Partner supersportlich ist und gern den New-York-Marathon mitläuft, und finden Sie heraus, wie wichtig es Ihnen ist, dass Sie einen Nichtraucher in der Wohnung haben und Ihr Wunschpartner kein Fleisch isst. Tipp: Nehmen Sie sich Zeit, konkrete Situationen in Ihrem Kopf auszumalen. Konzentrieren Sie sich, schließen Sie die Augen. Tipp: Achten Sie darauf, sich nicht an unsinnigen Vorurteilen wie „rothaarige Männer sind untreu“ oder „wer gerne kocht, ist dick“ zu orientieren. Damit schränken Sie die Partnerauswahl unnötig ein. Hinterfragen Sie Ihre Auswahl. Es muss einfach stimmen Ü60 weiß man, wie wertvoll Zeit ist. Man geht bewusster damit um, als es jüngere Menschen tun. Dafür gibt es zwei Gründe: Die Zeit verrinnt gefühlt viel schneller, weil man mehr Routine erlebt und häufig ein Tag wie der andere ist. Zudem weiß man sehr wohl, dass die noch zu erwartende Lebensspanne überschaubar ist. Wer sich jetzt auf eine Partnerschaft einlässt, will keine dummen Spielchen mehr treiben. Eifersüchteleien, Nörgeleien wegen Nichtigkeiten, Dauerdiskussionen um Alltägliches, Lügereien, um sich wichtig zu machen. Vielleicht hat man sich in seiner Jugend damit herumgeschlagen, vermutlich sogar in seiner Ehe. Aber jetzt, in den reiferen Jahren, hat man dazu wirklich keine Lust mehr. Man ist radikaler und schaltet schneller auf stur. Entweder es geht oder es geht nicht, basta. Was sich im Moment hart liest, ist es nicht, wenn Lebenserfahrung auf Lebenserfahrung trifft. Wer älter ist, hat Täler durchschritten, er ist hingefallen und aufgestanden, er hat gewonnen und verloren. Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn man mit dem Rücken an der Wand steht und weiß, wie es ist, wenn einen das Glück wieder nach oben katapultiert. Man kennt den Freiflug, aber auch den Absturz. Das Es muss einfach stimmen macht einen auf den ersten Blick ein wenig stur. Bei näherem Hinschauen entpuppt sich das aber als Gelassenheit, die das Leben in diesem Lebensabschnitt besonders reizvoll macht. Und was das innere Erleben „Die meisten Frauen betrifft, lässt sich auch auf Falten und setzen alles daran, einen Dellen übertragen. Mit der Geißel des Mann zu ändern, und Jugendwahns hat man sich in diesem wenn sie ihn dann geändert haben, mögen Alter längst auseinandergesetzt. Man sie ihn nicht mehr!“ weiß, dass man auch mit blonden SträhMarlene Dietrich nen und eingezogenen Bauch nicht mehr wie zwanzig aussieht und eindeutig nicht mehr die Schwester der Tochter ist, sondern ihre Mutter – und das bereits auf dem ersten Blick. Man hat Endlos-Diäten satt, steht zu einer Konfektionsgröße mehr und weiß, dass Wabbelbeine in dieser Altersgruppe zumindest keine Seltenheit sind. Man kann sich fit halten so viel man will und seine Ernährung zum Lebensinhalt machen: Jung wird man damit nicht mehr. Man kann sich in Jeans zwängen und sich bunte Tücher umbinden. Wenn man es geschickt macht, sieht man flott und ansprechend aus. Wenn einem das Händchen für passenden Stil fehlt, kann man sich aber auch lächerlich machen. Jeder kennt den dynamisch auftretenden Sechziger mit hautenger Hose, mit roter Bikerjacke und Kreppschal. Er kauft im selben Geschäft ein wie sein 15-jähriger Enkel und hat für sich das Lieblingswort „YOLO“ – „You Only Live Once“ entdeckt. Drei Jahre nachdem es bei Jugendlichen „in“ war, ist es nun auch bei ihm angekommen und er merkt gar nicht, dass er damit alles andere als jugendlich-aktiv wirkt, sondern nur zur Lachnummer wird. Es bringt nichts, sich zu verkleiden oder sich gar unters Messer zu legen. Das Alter sieht man, basta. Irgendwann begreift das jeder der Generation Ü60. Deshalb ist die Zeit, die vor einem liegt, eine ganz besondere. Man erlebt sie bewusster als alle Jahre zuvor. Man will sie genießen, sie wertschätzen, viel mitnehmen. Und wenn 21 22 Ich will nicht mehr allein sein man das zu zweit machen möchte, muss der Partner der Richtige sein. Es reichen nicht ein paar Übereinstimmungen. Es muss insgesamt stimmen, natürlich mit dem Wissen, dass man nicht 100 Prozent Übereinstimmung erreichen wird. Es wird keinen Partner geben, der alle gewünschten Punkte erfüllen kann. Aber die Checkliste hilft bei der Auswahl. Alle Menschen haben auch Macken und Unzulänglichkeiten, sie machen Fehler und haben mehr oder weniger gute Seiten, die man an ihnen als liebenswert empfindet. Das ist normal. Aber das heißt nicht, dass man die eigenen Grundbedürfnisse und Einstellungen auf die Seite schieben muss, um einen Menschen an seiner Seite zu haben. Im Gegenteil: Die Grundbedürfnisse gehören ins Zentrum der Abwägung. Nur wenn sie erfüllt werden, kann man Glück empfinden und gut leben. Man bekommt mehr als einen Partner, und Probleme sind auch dabei Wer Ü60 einen Partner sucht, muss auch bereit sein, seinen Anhang zu akzeptieren. Kinder und Enkelkinder, Ex-Ehepartner und betagten Eltern, alle sind im Paket mit enthalten. Das gilt natürlich auch umgekehrt. In dem Alter sind die ersten Fragen: Haben Sie Kinder? Wie alt sind sie und wo leben sie? Man muss sich genau überlegen, ob man in diesem Alter bereit ist, in eine bestehende Familie einzutauchen. Zumal nicht überall das Miteinander harmonisch ist. Manche haben Spannungen mit ihren Kindern oder gar kaum Kontakt. Letzteres hört sich auf den ersten Blick vielleicht unkompliziert an. Aber Menschen, die ihre Kinder nicht sehen, leiden. Und das Leid spiegelt sich in der Beziehung wider. Hier ist es wichtig, auch in der Kennenlernphase ehrlich zu sein, auch wenn das Ergebnis dann nicht immer positiv ist. Als die 65-jährige Gastronomin Ilona aus Man bekommt mehr als einen Partner, und Probleme sind auch dabei Bautzen den gleichaltrigen Peter im Internet kennenlernte, war sie begeistert. „Er schrieb so nett und wir hatten identische Interessen“, schwärmt sie noch heute. Das Glück schien perfekt, bis sie beim dritten Date erfuhr, dass es große Probleme mit seinen Kindern gab. Der Sohn hatte sich von ihm Geld geliehen und es nicht zurückgezahlt. Mit der Tochter hatte er sich wegen der Erziehung der Enkel komplett zerstritten. In Peters Kopf drehte sich alles darum, wie er sich wieder mit den Kindern versöhnen konnte. Für Ilona war das zu viel Ärger. „Ich bin froh, dass ich mit meinen fünf Töchtern ein tolles Verhältnis habe. Jahrelang habe ich nur geschuftet und mir kaum etwas gegönnt. Jetzt habe ich das Geschäft verkauft und will mein Leben noch etwas genießen. Einen Mann mit familiären Problemen will ich nicht. Ich habe meine eigenen alle bewältigt und wirklich keine Lust, jetzt noch die anderer Familien zu lösen. Ich habe Peter aufgegeben.“ Klingt hart und rücksichtslos. Aber Menschen Ü60 sind häufig konsequent. Sie glauben, sich einen bequemeren Weg verdient zu haben. So sagt die 61-jährige Valerie aus München: „Ich habe drei Krebserkrankungen überlebt und kann mir jetzt Oberflächlichkeit erlauben. Ich möchte Leichtigkeit im Leben und auf keinen Fall Sorgen.“ Und was ist, wenn der neue Partner krank wird? Valerie zuckt mit den Schultern. „Ganz ehrlich? Mein Freund hat zwei Kinder, die über 40 Jahre alt sind und erfolgreich im Berufsleben stehen. Dann müssen die sich einbringen. Die verdanken ihrem Vater viel. Aber ich? Es kann nicht sein, dass ich für zwei Jahre Zweisamkeit mein ganzes Leben aufgeben soll. Im Moment wäre ich dazu nicht bereit.“ Valerie ist ehrlich. Aber sie schränkt auch ein, dass sie nur aus der Theorie heraus spricht. Wenn ihr Dieter wirklich krank wird, weiß sie auch nicht, wie sie sich verhalten wird. „Die Zeit spielt eine große Rolle. Wenn wir noch zehn Jahre so glücklich bleiben wie bisher, werde ich ihn natürlich nicht im Stich lassen. Aber die Verpflichtung ist eine andere, wenn man nicht das ganze Leben miteinander verbracht hat, sondern nur ein paar Jahre.“ 23 24 Ich will nicht mehr allein sein So wie Valerie empfinden viele Menschen. Man weiß, in diesem Alter kann es um alles oder nichts gehen. Mit dem richtigen Partner einen wunderschönen dritten Lebensabschnitt verbringen. Davon träumen alle. Aber es ist auch der Lebensabschnitt, in dem Krankheiten den Träumen einen Strich durch die Rechnung machen können. Von einem Tag zum anderen kann alles aus sein. Natürlich passiert das auch bei jüngeren Menschen. Aber rein statistisch ist es ab Ü60 viel wahrscheinlicher. Und dann zeigt sich die Liebe von einer anderen Seite, sofern es sie gegeben hat. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) schreibt, dass 60 Prozent der Menschen Ü60 mehrfach chronisch krank sind. Bluthochdruck, Rückenschmerzen und Stoffwechselstörungen sind die häufigsten Diagnosen. Die gute Nachricht: Die Meisten fühlen sich trotzdem wohl. Aber sie stehen zumindest mit einem Bein recht nah an der Abrisskante. Wer in diesem Alter lieben will, darf das nicht ausblenden. Wenn man nun weiß, wen man will und bei welchen Punkten man bereit ist, Abstriche zu machen, dann wird die Frage, wo man den Traumpartner findet, leichter zu beantworten. Erst einmal vorweg: Es gibt ihn und womöglich auch ganz in Ihrer Nähe. Sie sollten sich keine überflüssigen Sorgen machen, niemanden kennenlernen zu können. Es gibt zwar weniger alleinstehende Männer als Frauen, aber das muss Sie nicht schrecken. Denn: Sie sind konkurrenzlos, etwas ganz Besonderes und können viele Männer haben! Die Liebe Ü60 ist also ganz anders als davor, weil die Voraussetzungen ganz anders sind. Man hat den größten Teil seines Lebens gelebt, muss sich nicht mehr im Job verausgaben und kann sich im Idealfall auf dem Erreichten ausruhen. Wem das nicht vergönnt ist, dem bleibt aber die Gelassenheit, schon viele Krisen gemeistert zu haben. Erfahrung macht hier auch entspannt und das wiederum kommt der Liebe zugute. Und es gibt noch einen großen Vorteil, wenn man sich mit einer „6“ vorn auf den Partnerschaftsmarkt begibt: Man weiß schnell, was man bekommt. Man muss nicht mehr spekulieren, wie sich der Partner 25 Test: Bin ich bereit für eine neue Liebe? denn entwickeln wird. Er hat die Entwicklung ja schon hinter sich. Männer Ü60 sind fertig. Da wird nicht mehr viel Veränderung kommen. Man weiß, woran man ist. Ist doch prima, nicht wahr? Acht Punkte, die bei der Partnersuche Ü60 anders sind: ! 1. Die Charaktere sind ausgebildet und ziemlich festgelegt. 2. Männer sind knapp. 3. Vernunftargumente dominieren. 4. Egoismus wird großgeschrieben. 5. Man weiß, was man will. 6. Je näher, desto besser. 7. Gleiche Interessen sind wichtiger denn je. 8. Ich heirate eine Familie. Test: Bin ich bereit für eine neue Liebe? Im Café blinzelt Sie ein Mann an. Wie verhalten Sie sich? Ich lächele ihm freundlich zu. 3P Ich tue so, als ob ich das nicht bemerke. 2P Ich hole mir eine Zeitschrift und vertiefe mich in den Lesestoff. 1P Ich finde das aufdringlich und zeige das auch. 0P Was spricht für Sie gegen eine Partnerschaft? Nichts, ich habe nur keine Lust mehr auf einen Mann. 1P Ich will endlich so leben, wie ich will, und nicht auf einen Mann Rücksicht nehmen müssen. 0P Ich glaube, ich bin mittlerweile zu kompromisslos. 2P Ich weiß nicht, wie ich jemanden finden soll. 3P ▸ 26 Ich will nicht mehr allein sein Eine Freundin lädt Sie zur Party ein. Wie bereiten Sie sich vor? Ich gehe zum Friseur. Meine Haare gefallen mir schon lange nicht mehr. 2P Ich mache mir nichts aus Partys und sage ab. 0P Ich nehme mir vor, abzunehmen, damit mir das schicke Kleid wieder passt. 1P Ich freue mich auf interessante Gespräche und neue Begegnungen. 3P In der Stadt geht vor Ihnen eine Frau Ihres Alters. Sie kuschelt mit einem wesentlich jüngeren Mann. Was denken Sie? Schön, dass sie die Liebe genießen kann. 2P Sie wird bestimmt von dem Typen nur ausgenutzt und schon bald den Preis für ihren Leichtsinn bezahlen. 0P Ich würde gern mit ihr tauschen und auch noch einmal so unbekümunbekümmert lieben. 3P Als ich meinen Mann kennenlernte, haben wir uns auch in der Stadt ständig geküsst. 1P Sie haben beim Einkaufen auf dem Markt einen netten Mann kennengelernt und mit ihm ganz spontan einen Kaffee getrunken. Beim Abschied hat er Sie zu einem Spaziergang eingeladen. Was fühlen Sie? Ich freue mich total. Ich mag es, zu flirten. 3P Hoffentlich habe ich nicht falsche Erwartungen bei ihm geweckt. Er ist nämlich überhaupt nicht mein Typ. 1P Es ist immer schön, neue Menschen kennenzulernen. Ich bin gespannt, ob wir uns gut unterhalten werden. 2P Ich ärgere mich, dass ich so spontan zugesagt habe. Eigentlich habe ich keine Lust dazu. 0P ▸ Test: Bin ich bereit für eine neue Liebe? Ein Wochenende im Mai. Sie haben einen Wunsch frei. Was würden Sie gern unternehmen? Mit dem Auto ans Meer düsen und die Sonnenstrahlen im StrandStrandkorb genießen. 3P Mit meiner Freundin ein Wellnesswochenende genießen. 2P Mit meinen Enkelkindern in den Zoo gehen und anschließend eine Riesenparty veranstalten. 1P Im Garten in meiner Lieblingsecke endlich meinen Roman zu Ende lesen. 0P Ihre Freundin hat sich verliebt und erzählt überschwänglich von ihrer ersten Nacht. Wie verhalten Sie sich? Das ist mir zu intim und Sex ist doch eigentlich immer gleich. 0P Ich höre aufmerksam zu und freue mich für sie. 3P Ich bin wehmütig, denn mein letztes Sexerlebnis ist schon lange her. 1P Ich sage ihr, dass ihr Freund einen tollen Fang gemacht hat. 2P Wenn Sie den Tag beginnen, wissen Sie genau, was Sie unternehmen werden. 1P überlegen Sie sich bei einer Tasse Kaffee, wonach Ihnen der Sinn steht. 3P sehen Sie in Ihrem Terminkalender, was Sie sich vorgenommen haben. 2P haben Sie Angst, dass er sich wieder zieht wie Kaugummi. 0P Eine Nachbarin heiratet mit 70 Jahren zum dritten Mal. Was denken Sie? Für die Liebe ist es nie zu spät. 3P Bestimmt hat sie keine ausreichende Rente. 1P Das Beste kommt zum Schluss. 2P Da kommt auch noch Nummer vier. 0P 27 28 Ich will nicht mehr allein sein Auswertung 0–8 Punkte: Gehen Sie mit ganz viel Achtsamkeit an die Partnersuche. Ihre Gedanken drehen sich noch sehr viel um die Vergangenheit. Versuchen Sie, nicht nur der Gegenwart, sondern auch der Zukunft einen Raum in Ihrem Kopf zu geben. Schmieden Sie Pläne und schreiben Sie auf, was Sie mit einem Partner alles erleben möchten. Das weckt die Lust auf mehr. 9–17 Punkte: Sie sind innerlich hin- und hergerissen, oft fehlt Ihnen der Mut, Ihr Leben ganz neu anzupacken. Sie sollten sich Unterstützung suchen, jemand, der Sie ermutigt, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Ihr Herz weiß genau, was es will. Aber Ihr Kopf schiebt Gründe vor, in alten Bahnen zu verharren. Schieben Sie sie weg. Das Leben wartet schon auf Sie. Ab 18 Punkte: Tanzen, Reisen, Träumen. Sie sind hellwach und können es kaum abwarten, in die Arme eines geliebten Partners zu sinken. Und die Voraussetzungen sind gut. So eingestellt, wissen Sie, dass Sie Kompromisse machen müssen und für die Liebe auch Verzicht üben werden. Ideale Voraussetzungen, um ganz schnell den Richtigen zu finden. 102 Sechs Frauen erzählen Liebe Leserin, Sie kennen nun das Handwerkszeug. Richtig angewendet wird Ihre Partnersuche damit garantiert erfolgreich sein. Vielleicht fehlt Ihnen immer noch ein bisschen Mut, um aus der Deckung zu kommen und ganz offen zu zeigen, dass Sie sich nach Liebe, Geborgenheit und Zweisamkeit sehnen. Mit diesen Gefühlen sind Sie nicht allein! Viele Frauen Ü60 brauchen ein bisschen Aufmunterung, um sich auf das spannende Spiel mit den Gefühlen einzulassen. Lesen Sie dazu jetzt, was andere Frauen auf dem Weg zum Glück erlebt haben. Lesen Sie Lebensgeschichten, die sich rund um das Thema Partnersuche drehen. Sie werden sich in einigen Schilderungen wiedererkennen und die gemachten Erfahrungen auf Ihre eigene Situation übertragen können. Und spätestens danach geht es los mit der Suche nach den großen Gefühlen und dem immer wieder wunderbaren Abenteuer Partnerschaft. Sie werden Erfolg haben! Denn seien Sie ganz sicher: Wahre Liebe kennt kein Alter! Ines: „Ich habe begriffen, dass man offen für Überraschungen bleiben muss“ Ines: „Ich habe begriffen, dass man offen für Überraschungen bleiben muss“ Die 69-jährige Ines kommt aus Marburg und ist seit Jahrzehnten Single. Die Künstlerin und Kunsterzieherin hat sich erst im Ruhe stand einsam gefühlt und nach Zugehörigkeit gesehnt. Ihre Suche nach dem Richtigen hat sie genau geplant und Erfolg damit gehabt, aber ganz anders als erwartet. „Prima, also in einer Stunde!“ Ich drücke das Handy aus, setze mich auf die Terrasse und atme tief die würzige Herbstluft ein. In meiner Wohnung stapeln sich Kisten. Ich warte auf das Umzugsunternehmen. Aber ich ziehe nicht, wie viele Frauen in meinem Alter, in eine altersgerechte Wohnung oder gar in ein Altenheim. Ich ziehe zu meinem Freund. Mit fast siebzig Jahren möchte ich dauerhaft mit einem Menschen zusammen sein, mit ihm Geborgenheit und Liebe erleben. Ich freue mich darauf. Ich wollte nicht immer so eine enge Bindung. Nach einer Kurzehe als junge Frau war ich jahrzehntelang überzeugter Single. Anfangs aus Angst, wieder enttäuscht zu werden. Deshalb hielt ich mein Herz ganz fest. Doch mit der Zeit kam ich allein so gut zurecht, dass mir kein Mann mehr fehlte. Zumindest nicht als ein fester Partner. Stattdessen genoss ich es, mit Männern einfach nur Freude zu haben. Die Liebe war für mich ein Spiel. Ich hatte reichlich Affären. Ich bin eben Künstlerin und man sagt uns ja gewisse Leichtlebigkeit auch nach. Mit Anfang 40 kam plötzlich der Wunsch nach Sicherheit, zumindest einer finanziellen, und ich ging in den Schuldienst. Fast 25 Jahre lang arbeitete ich als Kunsterzieherin an einem Gymnasium. Es war beruflich eine sehr schöne Zeit. Ich hatte nette Kollegen und liebenswerte, oft sehr begabte Schüler. Einsam fühlte ich mich in dieser Zeit nie. Jeder Tag war ausgefüllt mit Arbeit, Freunden, viel Engagement in privaten Künstlerkreisen, oft eigenen Ausstellungen meiner Aquarelle. Langeweile hatte ich nie. Und in all den Jahren erlebte ich wunderbare Liebesbeziehungen. Die meisten meiner Männer waren ver- 121 122 Sechs Frauen erzählen heiratet. Aber das störte mich nie. Ich wollte keinen Mann nur für mich, der abends mit mir auf dem Sofa sitzt und am Wochenende mit mir den Einkaufswagen durch den Supermarkt schiebt. Mich reizte immer mehr der Kitzel der frischen Liebe. Das Hoch der Gefühle. Die Spannung vor dem ersten Kuss, das erste Mal, auch die Heimlichkeit einer Romanze, wenn sie verboten ist. Ich hatte vier Beziehungen, die einige Jahre hielten und zwischendurch Affären, oft unverbindliche Urlaubslieben, in Kenia, Marokko, Griechenland. Mit Männern, die ich einfach nur genießen konnte. Ausgehen, Lachen, Lieben. Die Sonne und mein Selbstbewusstsein machten das möglich. Mehr wollte ich nicht, keine Verbindlichkeiten und keine Versprechungen, keine tränenreichen Abschiede und auch keine schmalzigen Liebesschwüre. Ich wollte den Moment genießen. Das tat mir gut. Rückblickend weiß ich nicht mehr sicher, ob ich mein Beziehungsleben wirklich so führen wollte oder ob ich nur nie dem richtigen Mann begegnet bin. Aber das ist nicht mehr wichtig. Ich habe mein Leben gelebt, und es war bis jetzt ein schönes Leben. „Ich kann nicht begreifen, warum du nie wieder geheiratet hast“, fragte mich kurz vor meiner Pensionierung meine Nichte, und in ihrer Stimme lag ein bisschen Mitleid. Ich weiß, was sie damit sagen will: „Jetzt bist du alt und allein.“ Ich lachte nur, drückte sie fest und sagte: „Ach Kind, es geht auch wunderbar ohne Mann!“ Ein Jahr später bin ich mir da nicht mehr sicher. Mit der Pen sionierung werden die Tage doch sehr lang. Mir fehlt nicht nur der Unterricht. Mir fehlen auch die Kontakte. Ich spürte schnell: Mit dem Austritt aus dem aktiven Arbeitsleben wird man auch vom Leben der Aktiven abgeschnitten. „Besuche uns doch mal“, sagte mir mein Schulleiter bei der Verabschiedung. Er meinte es bestimmt auch ernst. Aber als ich nach vier Wochen zu Besuch kam, fühlte ich mich wie ein Störenfried. Meine Kollegen lebten ihren Alltag mit Stress und eingeübten Abläufen. Aber ich stand da in der Feierlaune des Wiedersehens. Es gab ein paar Händedrucke und die Frage, wie es mir gehe. Aber dann sahen die Kollegen Ines: „Ich habe begriffen, dass man offen für Überraschungen bleiben muss“ zur Uhr. Ich hörte Floskeln wie „Man sieht sich bestimmt“ und „Schön, dass du da warst“. Dann waren sie weg und ich begriff, dass meine Zeit vorbei ist. Ich habe in der Schule nichts mehr verloren. Meine Kollegen haben eine berufliche Zukunft. Ich nicht. Damals bekam ich zum ersten Mal Angst vor dem Alter. „Du? Du siehst doch glatt zehn Jahre jünger aus!“, meinte meine Freundin Kerstin, als ich ihr von dieser Angst erzählte. Sie mag recht haben. Ich bin sehr schlank, kann mich deshalb sehr jugendlich kleiden. Aber das ändert nichts, dass ich aus dem Berufsleben herausgefallen bin und jetzt irgendwie neben mir stehe. Meine Freundin ist auch pensionierte Lehrerin. Aber ihre Situation ist anders, denn sie hat mit Ende fünfzig noch einmal geheiratet: Knut, einen Kollegen, den sie über eine Online-Partnerschaftsbörse kennengelernt hat. Die beiden waren von Anfang an so gern zusammen, dass sie beide vorzeitig in den Ruhestand gingen und seitdem die meiste Zeit des Jahres im Wohnmobil durch Europa touren. Sie sind selten in meinem Städtchen, aber wenn, dann besuchen sie mich regelmäßig. „Du brauchst einen Mann, mit dem du etwas unternehmen kannst“, meint Kerstin und hat auch gleich den Plan parat, wie ich ihn finden kann. „Melde dich bei einer Online-Börse an. Das Geld ist gut investiert“, lacht sie und knufft ihren Knut in die Seite. Die beiden zu sehen, macht mich dieses Mal wirklich ganz neidisch. Diese Harmonie, dieses intensive, erfüllte Miteinander. Jetzt, in meinem letzten Lebensabschnitt, möchte ich das auch. Aber kann man quasi per Knopfdruck so eine Liebe finden? Ich habe Zweifel. Aber bei Kerstin hat es doch auch geklappt. Das macht mir Mut. „Trau dich, wenn du jetzt loslegst, treffen wir dich bei unserem nächsten Besuch in drei Monaten schon mit einem netten Partner“, meint sie und zwinkert mir aufmunternd zu. Es wäre zu schön, wenn sie recht hätte. 123 134 Sechs Frauen erzählen A n a lys e Das Problem Ines hat für sich ein „No-Go“ überlegt: Sie mag keine kleineren MänMänner. Wenn Hans nicht so eindeutig und entschlossen auf sie zugeganzugegangen wäre, hätte sie ihn gar nicht als möglichen Partner wahrgenomwahrgenommen. Erst als sie merkt, wie viel Übereinstimmung zwischen ihnen herrscht, gibt sie ihre scheinbar feste Einstellung auf und erkennt, was wirklich wichtig bei der Partnersuche ist: die Übereinstimmung der Herzen. Wenn das eintritt, rutschen andere Dinge in den HinterHintergrund, werden zu unwichtigen Äußerlichkeiten. Ines hat den StellenStellenwert ihrer Abneigung für kleine Männer noch rechtzeitig erkannt und sich das große Glück nicht entgehen lassen. Viele Menschen reagieren jedoch falsch und verpassen so die erfüllte, dauerhafte Liebe – wegen ein paar Zentimetern zu wenig oder ein paar Kilos zu viel. Die Lösung Jeder Mensch hat eine Vorstellung davon, wie der Wunschpartner aussehen soll. Das ist normal. Aber man sollte keine starren Bilder im Kopf haben, sonst bleibt man ewig Single. Äußerlichkeiten wie Größe, Haarfarbe und Kilos sind wichtig, aber nicht ausschlaggebend. Wer auf Partnersuche ist, darf sich nicht nur auf den ersten Eindruck ververlassen. Hans hat es richtig gemacht. Obwohl Ines ihn unangemessen kritisiert hat, hat er auf seine Intuition gehört und sich nicht abschreabschrecken lassen und sie angesprochen. Hans‘ Verhalten zeugt von einer großen Menschenkenntnis, einer klaren Selbsteinschätzung und viel Mut. Er hat sofort gespürt: Mit dieser Frau kann es klappen. Er hat ungewöhnlich offen zu seinen Gefühlen gestanden. Hut ab! Wer sein Lebensglück so gezielt wie Ines in die Hand nimmt und „nach Plan“ sucht, sollte auf oberflächliche Tabus ververzichten und nicht „geht nicht“ sagen. Besser ist es, offen auf MenMenschen zuzugehen. Jeder hat eine Chance verdient, das Herz zu erobern. Gerade Menschen Ü60 sind in ihren Vorstellungen und Lebenswelten häufig besonders festgelegt. Deshalb gilt: Bemühen Sie sich, offen für Neues und Anderes zu werden. Vermeiden Sie ! ▸