Wahre Geschichte_ARGE Oberberg_2010

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Wahre Geschichte_ARGE Oberberg_2010
Hartz IV – ein bundesdeutsches Drama
Eine wahre Geschichte um und mit der ARGE Oberberg und der Sozialgerichtsbarkeit
Kollege M., heute 58 Jahre alt, verlor nach 18 Jahren in der selben Firma seine Arbeit. Insolvenz, raus. Das
war im Oktober 2005.
Dabei hatte er noch Glück. Er bekam noch Arbeitslosengeld I (ALG I) nach der alten Regelung – 26 Monate
lang. Wäre er nur 3 Monate später arbeitslos geworden, hätte er ALG I für 12 Monate bekommen, danach
Hartz IV. Die Zeit verging, er schrieb fleissig seine Bewerbungen, machte eine Qualifizierungsmaßnahme
mit. Alles umsonst. Dann kam die Zeit, da musste er doch Hartz IV beantragen. Das wollte er nicht. Er fand
einen 400 Euro-Job. Damit und mit der Witwenrente seiner Partnerin und vom Ersparten wollten er und sie
erstmal so über die Runden kommen. Er hatte Glück, den 400 Euro-Job machte er 4 Wochen lang, dann
hatte er wieder eine feste Vollzeitstelle in einem Arbeitsbereich, in dem er sich bestens auskannte. Das war
im April 2008.
Kollege M. dachte also, er sei der ARGE noch mal von
der Schippe gesprungen. Denkste, mein Freund. Im
Herbst 2008 verdunkelte sich der kapitalistische
Konjunkturhimmel. Erst hellgrau, dann immer schneller
immer dunkler. Der Auftragseingang brach auch in
„seiner“ Firma drastisch ein. Er und weitere seiner
Kolleginnen und Kollegen bekamen die betriebsbedingte Kündigung. Das war im Januar 2009.
für einen beruflichen Neuanfang.
Seine parallel gestellte Dienstaufsichtsbeschwerde bei
der Agentur für Arbeit in Nürnberg wurde ebenfalls
abschlägig beschieden. Der Vorwurf der Willkür und
Maßregelung „entbehren jeder Grundlage“ wurde ihm
geantwortet.
Dem Kollegen M. fehlten nun 6 Wochen versicherungspflichtige Arbeit, damit er wenigstens für 6 Monate
Arbeitslosengeld I bekommt. Noch einmal hatte er
Glück und bekam eine Aushilfsstelle auf 2 Monate
befristet. Nun bekam er ALG I für 6 Monate. Das
endete am 15.10.2009.
Nun also doch – Hartz IV beantragen. Ab jetzt machte
er selbst viele Erfahrungen mit der ARGE, die er zuvor
vom Hörensagen kannte.
Da sein Arbeitslosengeld am 15. Oktober auslief,
dachte er, er bekäme Hartz IV ab 16. Oktober. Damit
lag er schon falsch. Weil er im Oktober noch Arbeitslosengeld erhielt, wurde ihm ein Anspruch auf Hartz IV
erst ab 1.11.2009 zugestanden.
Bei Antragstellung verlangte die ARGE die Vorlage von
Kontoauszügen der voran gegangen 6 Monate. Er
legte Auszüge von 3 Monaten vor. Für das Verlangen
der ARGE gab es keine rechtliche Grundlage. Die
ARGE reagierte darauf auf ihre Weise. Sie gewährte
Hartz IV für nur 3 Monate statt für 6 Monate.
Die
telefonische
Begründung
der
ARGESachbearbeiterin: Wir machen das, weil Sie uns nicht
die geforderten Kontoauszüge für 6 Monate vorlegen.
Er legte gegen den Bescheid Widerspruch ein. Nach
seiner Auffassung war die Reaktion der ARGE als
Willkür und Maßregelung eines Widerständigen zu
verstehen. Dem Widerspruch wurde natürlich nicht
stattgegeben. Im Widerspruchsbescheid der ARGE
Oberberg vom 18.01.2010 heisst es dann allerdings:
„In Ihrem Fall war es sachgerecht, die Verpflichtung
zur Leistungsgewährung für einen kürzeren Zeitraum
auszusprechen. Damit kann sichergestellt werden,
dass die Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung in regelmäßigeren Abständen neu
überprüft werden können. Bei Ihnen und Ihrer
Lebensgefährtin sind weitere Änderungen in Ihren
Verhältnissen (z.B. durch Arbeitsaufnahme) in den
nächsten Monaten erdenklich; so kann bei Ihnen im
Hinblick auf eine Arbeitsaufnahme von einer positiven
Prognose ausgegangen werden“. Kollege M ist zu
dem Zeitpunkt 57 Jahre alt, seine Partnerin ist fast 60.
Bekanntlich gibt es in dem Alter die besten Perspektiven
Drei Monate später, im Januar 2010 musste er einen
neuen Antrag auf Hartz IV stellen. Diesmal wurden
Kontoauszüge von nur 3 Monaten verlangt (im Nachhinein wurde dem Kollegen M. klar: da er bei Erstantragstellung 3 Monate zuvor schon Kontoauszüge
von 3 Monaten vorlegte, hatte die Arge im Januar die
Kontoauszüge der letzten 6 Monate vorliegen).
Und, siehe da: Nun wurden Leistungen für 6 Monate
gewährt (Da hatte sich wohl die Prognose der beruflichen Entwicklung wieder geändert? Siehe oben).
Es gab also dieses Mal keine Probleme? Liebe(r)
Leser(in), wir berichten aus der Praxis der ARGE und
wie sie mit ihren „Kunden“ umgeht. Natürlich gibt es
prompt wieder einen Stein des Anstosses.
Kollege M. und seine Partnerin bekamen am 5. Januar
2010 138,80 Euro aus einer fehlerhaften Mietnebenkostenabrechnung aus dem Jahr 2007 erstattet.
Dafür hatten sie die Hilfe von 2 Rechtsanwälten
beansprucht und Klage beim Amtsgericht eingereicht.
Der Vermieter zahlte, bevor es zu einer
Gerichtsverhandlung kam. Für die ARGE ist die
Rückerstattung „Einkommen“ und zog den Betrag von
den gewährten Leistungen ab. Für den Kollegen M.
und seine Partnerin ist die Rückerstattung Teil des
anrechnungsfreien Vermögens, das sie bei Erst-
antragstellung haben durften. Doch wer erst einmal
mit der ARGE zu tun hat, der merkt schnell:
Die ARGE ist stur wie eine Betonwand. Eine klärende
Kommunikation ist schlicht undenkbar. Für die ARGE
bleibt die Rückerstattung „Einkommen“. Basta. Des
Kollegen M. Klage gegen die ARGE ist im Juni 2010
beim
Sozialgericht
in
Köln
eingegangen.
Voraussichtlich in 18 bis 24 Monaten wird die Klage
verhandelt.
Juli 2010: M. muss einen neuen Antrag stellen. Er füllt
alle Formulare aus, gibt die Unterlagen persönlich ab,
legt wieder Kontoauszüge von 3 Monaten vor. Alles
geht gut.
Alles? Ach, liebe(r) Leser(in), wir berichten über die
ARGE. Schon am nächsten Tag kam ein Brief von der
ARGE. M. solle Kontoauszüge der letzten 6 Monate
vorlegen. M. verweigerte. Nach seiner Kenntnis gibt
es dafür noch immer keine rechtliche Grundlage. Die
ARGE macht Druck, entweder Kontoauszüge von 6
Monaten oder keine Leistung. Kollege M. beantragt
beim Sozialgericht eine einstweilige Anordnung gegen
die ARGE, vorläufig die Leistungen nach SGB II in
voller Höhe zu bewilligen. Die ARGE Oberberg
argumentierte in einem Schriftsatz mit ihrer liebsten
Standardformel (findet immer, überall und zu allen
Vorgängen Anwendung) „ist seiner Mitwirkungspflicht
nach § 60 SGB I nicht nachgekommen“ und beruft sich
auf 2 Urteile des Bundessozialgerichtes, in denen das
Gericht allerdings die Vorlagepflicht von Kontoauszügen von 3 Monaten bestätigt, nicht für 6 Monate.
Im weiteren berief sich die ARGE auf ein Urteil des
Landesozialgerichtes NRW aus März 2010 in dem die
Vorlagepflicht von Kontoauszügen von 6 Monaten
bestätigt wird. Dabei handelte es sich allerdings um
den Fall einer Erstantragstellung. Das Gericht hatte
das nicht für Folgeantragstellungen formuliert. Doch so
möchte es die ARGE Oberberg natürlich gerne
interpretieren. Kollege M. argumentierte in einem
weieren Schriftsatz an des Sozialgericht: „Sollte es
geltendes
Recht
sein,
wenn
auch
bei
Folgeanträgen auf Leistungen nach dem SGB II
in jedem Fall für die zurückliegenden sechs
Monate
Kontoauszüge
vorgelegt
werden
müssten, wäre das die lückenlose Überwachung
von hilfebedürftigen Menschen. Es wäre damit ein
Merkmal eines Überwachungsstaates geschaffen.
Fraglich ist auch, ob der Grundsatz des Artikel 1
des Grundgesetzes überhaupt noch Beachtung
findet. Auch kann nicht hin genommen werden,
wenn Behörden meinen, sich das Recht selbst
schreiben zu können. Wenn nun die Antragsgegnerin schreibt, es `verschliessen sich (ihr) die
Gründe der Verweigerungshaltung des Antragstellers`, stellt sie sich selbst eine schlechte
Referenz für ihr Verständnis eines sozialen und
rechtsstaatlichen Handelns aus............ Die
Antragsgegnerin hat durch ihr Verhalten die
Situation geschaffen, die einen Antrag auf
einstweilige Anordnung erforderlich machte. Einer
klärenden Kommunikation hatte sie sich durch
Schreiben mit stets gleichlautenden Textbausteinen beharrlich widersetzt“.
Kollege M. dachte sich, seine Ausführungen seien
von so grundsätzlicher Bedeutung, das müsse
dem Gericht zu denken geben. Wir sind ja ein
sozialer und demokratischer Rechtsstaat, heisst
es immer. Er bekam hingegen ein weiteres
Schreiben des Gerichtes, das ihm selbst sehr zu
denken gab. „Warum“ stand darin geschrieben
„haben sie Bedenken die weiteren angeforderten
Kontoauszüge vorzulegen? Da hierfür ein Grund
nicht ersichtlich ist, erscheint ein Eilbedürfnis
fraglich!“ Im ersten Moment war M. schier
fassungslos, als er das las. Dann war ihm klar,
wohin die Reise geht. ARGEn und Gerichte
arbeiten Hand in Hand. M. hat sich näher mit der
Rechtsprechung der Sozialgerichte in NRW und
in anderen Bundesländern befasst und kommt zu
dem Ergebnis, dass Sozialgerichte in NRW,
anders als in einigen anderen Bundesländern
auffallend ARGE-freundlich urteilen.
M. legte keinen Wert auf einen Beschluss des
Sozialgerichtes, den die ARGE wiederum gegen
andere Antragsteller verwenden kann. Er zog
seinen Antrag beim Sozialgericht mit der
Begründung zurück: „Der Antragsteller hatte in
seiner Begründung, warum er die Vorlage von
Kontoauszügen für 6 Monate für nicht rechtmäßig
und zumutbar hält, deutlich gemacht, dass für ihn
seine
verfassungsmäßigen
Grundrechte
elementar sind. Das Gericht hat in seinem
Schreiben vom 30.08.2010 durchblicken lassen,
dass für das Gericht eben diese Grundrechte
nachrangig sind. Das Gericht teilt damit die
Auffassung der Antragsgegnerin ARGE Oberberg.
Den Antrag aufrecht zu halten, erscheint somit als
aussichtslos“.
Inzwischen
schickte
die
ARGE
den
Versagungsbescheid. Also keine Leistungen.
Doch wenn M. die Kontoauszüge für 6 Monate
vorlegt,
bekomme er die Leistungen. Im
Versagungsbescheid heisst es „Mit einer solchen
Prüfung setze ich Sie nicht dem Generalverdacht
strafbarer Handlungen aus.....“ und
„Damit
unterstelle ich Ihnen oder Ihrer Lebensgefährtin
keinen Leistungsmissbrauch; die Vorlage der
Kontoauszüge der letzten sechs Monate steuert
einem möglichen Leistungsmissbrauch vielmehr
entgegen“. Wer den letzten Satz zweimal liest,
versteht, dass gerade in diesem Satz selbst ein
Generalverdacht zum Ausdruck gebracht wird. Es
wird nicht zum Ausdruck gebracht, einem
möglichen Verdacht auf Leistungsmissbrauch
würde entgegengesteuert. Dort steht, mit anderen
Worten: der Leistungsmissbrauch wird durch die
Vorlage von Kontoauszügen verhindert, ohne
Vorlage findet der Leistungsmissbrauch statt. Kein
Generalverdacht?
Was tun, fragte sich M. Er hatte ja keine Wahl.
Sachbearbeiterin angerufen, er kommt vorbei und
legt die geforderten Kontoauszüge vor. Gesagt,
getan. Ihm wurde versichert, er bekomme die
Leistungen bewilligt. M. erklärte der Sachbearbeiterin, dass damit für ihn die Sache noch nicht
erledigt ist. Sie nahm es zur Kenntnis. ARGEMitarbeiter dürfen sich persönlich nicht äussern.
Wenige Tage später kam der Bewilligungsbescheid, rückwirkend ab 1. August 2010. Alles ist
gut? Ach, schon vergessen? Wir berichten über
die ARGE.
M. und seine Partnerin bekommen in den folgenden 6 Monaten jeweils 151 Euro abgezogen.
Denn M. bekam eine Steuerrückerstattung aus
dem Jahr 2009 in Höhe von 906 Euro. Für die
ARGE ist das „Einkommen“, ganz unabhängig
von der Frage, ob diese zuvor zuviel gezahlte
Steuersumme nicht auch als zu berücksichtigendes Vermögen bei Erstantragstellung
gewertet werden kann.
Damit nicht genug. M. bekommt einen Zuschlag zum
ALG II, von Spöttern „Armutsgewöhnungszuschlag“
genannt. Den bekommt, wer vor dem Bezug von Hartz
IV Arbeitslosengeld I erhielt. Dauer und Höhe des
Zuschlages sind in § 24 SGB I festgelegt. Da heisst es:
„Der
Zuschlag
beträgt
zwei
Unterschiedsbetrages zwischen
Drittel
August 2002 der berüchtigte Peter Hartz
(inzwischen vorbestraft wegen Untreue und
Begünstigung). Zu dem Konzept gehörte die
Ausweitung der Leiharbeit (Hartz I), die Ausweitung der Mini- und Midi-Jobs (Hartz II) und
eben Hartz IV. Das Ziel, 2 Millionen weniger Arbeitslose, wurde selbst bis heute nicht erreicht. So
gesehen sind die Hartz-Gesetze auf ganzer Linie
gescheitert. Das hindert die Politik allerdings
nicht, dem Volk die Hartz-Gesetze als Erfolgsgeschichte zu verkaufen.
des
1. dem von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld.........und dem
Arbeitslosengeld II.........“
Der Zuschlag beträgt max. 160 Euro im ersten Jahr,
max. 80 Euro im zweiten Jahr. Dann ist Schluss. M.
bekam bislang 160 Euro für sich und 160 Euro für
seine Partnerin. Das hätten beide auch für den Monat
Oktober 2010 noch zu bekommen. Jedoch, ohne
Erklärung wurde ihm der Betrag für eben diesen
Oktober um 25 % gekürzt. Keine Erklärung, nichts.
Was nun folgte, ist klar. M. schrieb erneut einen
Widerspruch. Die ARGE wird sich mit der
Beantwortung wieder gut 3 Monate Zeit lassen,
den Widerspruch abschlägig bescheiden und M.
wird danach Klage beim Sozialgericht einreichen.
Das Ergebnis ist ungewiss. M`s Vertrauen in die
Justiz ist nachhaltig beschädigt.
Die ARGE: Firma Gucken & Speichern.
Bei der ARGE Oberberg ist es üblich, die
Kontoauszüge, die alle „Kunden“ vorlegen
müssen, zu kopieren und zu den Akten zu
nehmen. M. bekam im September mit, dass in
seiner Akte die Kontoauszüge eines ganzes
Jahres vorrätig gehalten werden. Auf seine Frage,
ob die ARGE das denn darf, wurde ihm
beschieden, dass habe seine Richtigkeit. Hat es
das? Nein, ist M. sich sicher. Behörden, wie etwa
die ARGE, dürfen Daten erheben. Daten
speichern dürfen sie nur unter bestimmten
Voraussetzungen oder mit Einverständnis des
Betroffenen. Diese Voraussetzungen liegen nach
M`s Meinung nicht vor und sein Einverständnis
zur Datenspeicherung hatte M. der ARGE auch
nicht gegeben. Er wurde auch nicht gefragt oder
über die Datenspeicherung informiert. M. hat im
September an den Landesbeauftragten für
Datenschutz eine Beschwerde über die Praxis der
ARGE geschrieben. Aber auch hier ist das
Ergebnis offen.
Vom „Fördern und Fordern“
Das Wesen von Hartz IV sei das „Fördern und
Fordern“, sagen die Befürworter des Systems.
„Heute ist ein schöner Tag für die Arbeitslosen in
Deutschland. Wir haben in der Kommission
einstimmig alle Eckpunkte beschlossen, und
kommen hiermit zu einem Konzept, wie wir in den
nächsten drei Jahren die Arbeitslosigkeit um zwei
Millionen reduzieren wollen."
verkündete am 9.
„Haben Sie es eigentlich an den Ohren?“, fragte
Kollege M. seinen Fallmanager der ARGE am
Telefon. M. hatte gerade eine Einladung zu einem
Gespräch
zwecks
Abschluss
einer
Eingliederungsvereinbarung EGV bekommen. Eine
Eingliederungsvereinbarung
ist
ein
Vertrag
zwischen der ARGE und dem „Kunden“, der der
ARGE viele Rechte und wenige Pflichten
einräumt; dem „Kunden“ dagegen viele Pflichten
und wenige Rechte. M. hatte im Oktober 2009
eine solche EGV abgeschlossen. Sie verpflichtete
ihn zu mindestens 5 Bewerbungen monatlich. M.
merkte nach einigen Monaten, dass dieses
System zu starr ist. Mal ergibt es sich in einem
Monat,
dass
er
6
oder
7
passende
Stellenangebote findet, in manchen Monaten aber
nur 3 oder allenfalls 4. Er aber muss 5 schreiben
und monatlich nachweisen, sonst droht eine
Sanktion (es wird ihm ein Teil der Leistung
gestrichen). So bewarb er sich also auch auf
Stellen, die seinem Bewerberprofil gar nicht
entsprachen. Den Sinn mag der Leser selbst
ergründen.
Jede Bewerbung kostet Geld. Auf seinen Antrag, so in
der EGV vereinbart, solle M. 5 € pro nachgewiesener
Bewerbung erhalten. Nachdem er im Januar 2010 das
Geld für die ersten 15 nachgewiesenen Bewerbungen
anforderte, wurde er aufgefordert, diese Bewerbungen
noch einmal nachzuweisen. M. bekam wieder, was wir
gut verstehen, einen „dicken Hals“, wie es so schön
heisst. Die nächste Klage beim Sozialgericht ist in
Vorbereitung.
Im Juni 2010 war er wieder bei seinem
Fallmanager. Der kündigte an, bald wieder eine
neue EGV mit M. abschliessen zu wollen. M. entgegnete, er werde mit der ARGE keine neue EGV
vereinbaren. Denn 1. ist die ARGE nicht vertragstreu (verweigerte Erstattung der Bewerbungskosten) und 2. ist das System zu starr und gar
nicht hilfreich bei der Arbeitssuche. Der Fallmanager konnte das natürlich nicht nach
vollziehen. Aber er hatte was für M. Eine freiwillige Weiterbildungsmaßnahme beim „Internationalen Bund IB“. Was dort vermittelt wird,
wollte M. wissen. Der Fallmanager wusste es
nicht, M. verzichtete dankend. Er verzichtete nicht
darauf, seinen Fallmanager aufzufordern, ihm zu
seinem Verfassungsrecht auf Arbeit zu einem
Lohn, von dem er leben kann (Art. 24
Landesverfassung NRW) zu verhelfen. Der
Fallmanager: „Ich diskutiere mit Ihnen nicht über
Politik“.
(2) Der Lohn muß der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familie decken. Für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung besteht Anspruch auf gleichen Lohn. Das gilt auch für Frauen und Jugendliche.
M. bekam im Juli wieder eine Einladung zu einem
Gespräch zwecks Abschluss einer neuen EGV. „Haben
Sie es eigentlich an den Ohren? Ich habe Ihnen klipp
und klar gesagt, dass ich mit Ihnen keine neue
Eingliederungsvereinbarung abschliessen werde.“ , las
M. dem Fallmanager am Telefon die Leviten.
Bitte bereiten Sie einen entsprechenden Vertrag für
den 04.08.2010 vor. Lassen Sie sich was einfallen.
Das ist Ihre Aufgabe.............“
M. überlegte. Er schrieb dem Fallmanager: „Ich
werde Sie am 04.08.2010 um 9.00 Uhr in Ihrer
Dienststelle aufsuchen. Nach reiflicher Überlegung
habe ich mich entschlossen, entgegen meiner
bisherigen Weigerungsabsicht doch wieder eine
Eingliederungsvereinbarung
mit
der
ARGE
abschliessen. Diese neue EGV muss allerdings
Maßnahmen der ARGE einschliessen, die darauf
abzielen, mir zu meinem verfassungsmäßigen
Recht auf Arbeit zu einem existenzsichernden
Arbeitslohn zu verhelfen. Sie erinnern sich, ich
hatte schon bei meinem letzten Besuch am
12.07.2010 über dieses Verfassungsrecht gesprochen. Da hatte ich allerdings leider den
Eindruck, daß Sie meine Ausführungen nicht ernst
nehmen wollten. Das ist allerdings eine bedenkliche
Einstellung für einen Beschäftigten im öffentlichen
Dienst. ..............
Noch einmal zu Ihrer Information:
In der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen
heisst es im
Artikel 24
(1) Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit.
Der so niedergeschriebene Verfassungsanspruch ist
eindeutig und bietet keinen Raum für relativierende
Interpretationen. Wer, wenn nicht die Dienststellen
der öffentlichen Hand sind gefordert, Verfassungsansprüche umzusetzen?
M. ging mit Begleitung zu dem Termin. Der Fallmanager hatte eine EGV vorbereitet. Nachdem er
merkte, dass es M. sehr ernst mit seinem Verlangen
ist, zeigte er ihm nicht einmal den Vertrag, er
verweigerte auf M`s zweimaliges Nachfragen, eine
neue Eingliederungsvereinbarung abzuschliessen.
Eine ARGE verweigert eine Eingliederungsvereinbarung! Das dürfte für M. ein historischer Moment
gewesen sein. Indem er seine Verfassungsrechte
ins Spiel brachte, geriet das System ein wenig ins
Straucheln. M. gibt nicht auf. Er schrieb in selbiger
Sache an die Geschäftsführung der ARGE
Oberberg. Das war am 4. August 2010. Eine Antwort
erhielt er bis heute nicht. Wegducken ist angesagt.
M. beabsichtigt, sich jetzt an den Landtag zu
wenden und andere, weitergehende Maßnahmen
werden ausserdem überlegt. Kollege M. besteht auf
seinem Recht auf Arbeit.
Unseren Kollegen M. macht die Geschichte nachdenklich. Wenn, sagte er uns, wenn wir einen Verfassungsschutz hätten, der die Verfassung schützt,
müsste die ARGE von ihm beobachtet werden. Da
wir aber einen Verfassungsschutz haben, der Staat
und Wirtschaft vor der Verfassung und den
Menschen schützt, beobachtet er die Menschen, die
sich auf die Verfassung berufen. Auf diesem gesellschaftlichen Morast gedeihen Leiharbeit, Lohndumping, Hartz IV, Unterdrückung und Bespitzelung.
Es ist längst an der Zeit, die Verhältnisse nachhaltig
zu ändern.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors, dessen Name und Geschichte uns bekannt sind.
Deutsche Kommunistische Partei
DKP
Oberberg
September 2010
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verantwortlich: DKP Oberberg, Dietmar Petri, 51674 Wiehl
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