Die Ankunft über das Meer – die Bewohner der Kanarischen Inseln

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Die Ankunft über das Meer – die Bewohner der Kanarischen Inseln
Die Ankunft über das Meer – die Bewohner der Kanarischen
Inseln in der Jungsteinzeit
Die elysischen Gefilde - es gab sie
Ήλύσιον πεδίον
... und Homer hatte doch recht
HINWEIS:
Der Artikel in der hier vorliegenden Form ist noch nicht veröffentlicht, auch noch nicht zur
Veröffentlichung freigegeben, da noch einiges fehlt !
Soweit erforderlich, wurde für alle Abbildungen bei den entspr. Verfassern die Genehmigung zum
Abdruck beantragt: von den meisten Copyright-Inhabern wurde bereits die Genehmigung erteilt –
einige fehlen noch und werden erwartet.
Der Text wird z.Zt. überarbeitet, fehlende Abbildungen / Photos werden ergänzt !
Die Untersuchung der Gesteinsproben der Obsidiane sowie die entspr. Auswertung ist noch
nicht abgeschlossen.
1
_____________________________________________________________Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung .................................................................................................................. 3
B. Die erste Besiedelung ............................................................................................... 5
B.1
Die Ankunft über das Meer................................................................................ 5
B.2
Die Gründe für die Besiedelung......................................................................... 6
B.2.1
B.2.2
B.2.3
B.2.4
B.3
Der Zeitpunkt der Besiedelung – Überlegungen zur zeitlichen Bestimmung.. 17
B.3.1
B.3.2
B.3.3
B.3.4
B.3.5
B.4
Der Zeitraum vor dem Ende der Bronzezeit ............................................ 17
Der Bau von Pyramiden ........................................................................... 18
Die Hochseefahrt und die Navigation ..................................................... 21
Meeresströmungen und Windverhältnisse ............................................... 25
Mittelamerika – eine Steinzeit-Kultur...................................................... 27
Das Volk der Seefahrer und Besiedeler ......................................................... 28
B.4.1
B.4.2
B.4.3
B.4.4
B.5
Klimatische Bedingungen .......................................................................... 6
Obsidian – das 'schwarze Gold' der Steinzeit............................................. 7
Purpurfarbe – die Orchilla Flechte ........................................................... 12
Die Ansiedlungen im Zeitraum vor 1000 v Chr....................................... 14
Seefahrer im 1.Jtsd v.Chr. im Mittelmeer ................................................ 28
Die frühen Seefahrer ................................................................................ 29
heutige archäologische Kenntnisse und Untersuchungen ........................ 33
Überlegungen zu weiteren Untersuchungen ............................................ 37
Zusammenfassung / Schlußfolgerungen .......................................................... 38
C. Die Bewohner der kanarischen Inseln z.Zt. der spanischen Eroberung........... 40
C.1
Die letzten phönizischen Siedler ...................................................................... 40
C.2
Die letzten Ureinwohner .................................................................................. 41
D. Literaturverzeichnis............................................................................................... 43
E. Abbildungsverzeichnis ........................................................................................... 46
2
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
A. Einleitung
Wenn heute von den Ureinwohnern der kanarischen Inseln gesprochen wird, so sind im
allgemeinen jene Menschen gemeint, die im 15. Jahrhundert bei der Ankunft der Portugiesen
und Spanier auf diesen Inseln lebten. Sie werden heute vereinfachend Guanchen genannt, ein
Name, mit dem ursprünglich nur die Bewohner von Teneriffa bezeichnet wurden. Diese Menschen lebten im 15.Jhdt. auf der Kulturstufe der Steinzeit; sie lebten isoliert auf den Inseln,
kannten kein Metall und keine Schifffahrt. Doch hatten sie kleine Boote, die sie zum Fischfang und für gelegentliche Fahrten zu den nahen Nachbarinseln nutzen konnten. Über dieses
Volk gibt es einige Untersuchungen und Veröffentlichungen, die zum einen auf den wenigen
Berichten der spanischen Priester und Konquistadoren beruhen, zum anderen auf den wenigen
archäologischen Funden, die bis heute gemacht wurden.
Die Geschichte der Bewohner der Inseln vor dem 15. Jahrhundert liegt jedoch weitgehend im Dunkeln, insbesondere für die Zeit deutlich vor Christi Geburt.
Ausführliche Untersuchungen über die Ureinwohner vor der spanischen Eroberung gibt
es in Form einer Artikelserie von M. Jantzon in der Zeitung 'Wochenspiegel' (kanarische Inselzeitung) in den Jahren 2004 und 2005, die im Dezember 2006 als Buch1 erscheinen wird.
Antiken Quellen ist jedoch entnehmbar, dass diese Inseln – die so genannten Purpurinseln – bereits lange vor der Ankunft der Spanier und Portugiesen bekannt gewesen sein müssen. Es ist davon auszugehen, dass bereits die Römer dort gewesen waren und vor ihnen die
Phönizier schon Handelsbeziehungen dort hatten, wenn auch detaillierte Kenntnisse hierüber
nicht bis in unsere Zeiten erhalten sind.
Trotz der Zerstörung der Kultur der Guanchen durch die Spanier2 gibt es mehrere Hinweise bzw. Zeugnisse, die auf höhere kulturelle Strukturen schließen lassen, als es der Begriff
der steinzeitlichen Kulturstufe vermuten ließe: es gab dort bereits die Kenntnis der Mumifizierung der Toten, es gab das Wissen über Schädeloperationen und es gab bzw. gibt dort Pyramiden.
Um hierfür mögliche Erklärungen zu finden, wird im folgenden eine Hypothese hinsichtlich der Gründe der frühen Besiedelung der Inseln aufgestellt, sowie der Versuch einer
zeitlichen Einordnung gemacht.
1
Jantzon, Manfred., 2006, Die Ureinwohner der Kanarischen Inseln
2
NEBEL, G., 1954: Phäakische Inseln – Eine Reise zum kanarischen Archipel
3
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Beweisbar im Sinne von historischen Fakten wird die Hypothese vorerst nicht sein; bislang sind keine Funde bekannt, mit deren Hilfe eine Einordnung der Frühgeschichte der Inseln in die frühgeschichtliche Situation im Bereich des Mittelmeeres sowie angrenzender Regionen – vor allem für den Zeitraum vor 1000 v.Chr. – möglich wäre.
Wenn im folgenden also von den Ureinwohnern gesprochen wird, so sind nicht die
Guanchen gemeint, d.h. die Bewohner z.Zt. der spanischen Eroberung, sondern es sind jene
Bewohner gemeint, die nach den ersten Besiedelungen lange vor der Zeitenwende dort lebten,
vor allem im 2. Jahrtausend v.Chr.
4
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
B. Die erste Besiedelung
B.1 Die Ankunft über das Meer
Abbildung 1: Lage der kanarischen Inseln
[Quelle: Skizze des Verfassers]
Die kanarischen Inseln liegen in einer Entfernung von über 100 km vor dem afrikanischen Kontinent, Fuerteventura liegt 140 km und Teneriffa 360 km entfernt von Cap Juby,
dem nächsten Punkt des afrikanischen Festlandes. Der Teide, mit 3718 m der höchste Berg
von Teneriffa, ist bereits aus einer Entfernung von ca. 232 km von einem Schiff aus zu sehen:
bei einer Entfernung zwischen dem afrikanischen Festland und den Inseln Fuerteventura,
Gran Canaria und Teneriffa von jeweils ca. 140, 120 und 110 km haben die Seefahrer praktisch immer Landsicht, zumindest in eine Richtung. (s. Abb.2)
Ein zufälliges Abtreiben eines Schiffes führt dieses im allgemeinen nicht zu den Inseln:
der dortige Kanarenstrom (ca. 1-2 km/h) fließt in Nord-Süd-Richtung zwischen dem afrikanischen Festland und den Inseln in Richtung Süden. Der vorherrschende Nord-Ost Passatwind
(ca. 25-30 km/h) weht nicht direkt dorthin, d.h. ohne zu navigieren kommt man nur schwer zu
den Inseln.
Außerdem werden bei einem zufälligen Anlanden kaum ganze Familien mit Vieh und
Saatgut auf den Booten sein, was Voraussetzung für eine langfristige Ansiedlung wäre.
5
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Abbildung 2: Sichtweite bis zum Horizont je nach Standhöhe und Höhe der Berge
Berechnung der Sichtweite bis zum Horizont nach dem Satz des Pythagoras:
A1 = √ (r12 – r22), bei r1 = 6.374,718 km und r2=6.371 km (ergibt ca. 215 km für die Sicht des Teide)
vereinfachte Faustformel: A (km) = 2,075 (√A1 + √A2) * 1,852 (sm) = 242 km
[Quelle: Skizze des Verfassers]
Die ersten Menschen kamen zwar vermutlich unbeabsichtigt und eher zufällig, weil sie
mit ihrem Boot abgetrieben wurden, wahrscheinlich schon vor dem 3.Jtsd. v.Chr. auf die Inseln. Die spätere Besiedelung war jedoch geplant:
Es kann also von einer geplanten Besiedelung (nach einer zufälligen Entdeckung) ausgegangen werden – vergleichbares geschah bei der Besiedelung von zB Madeira durch die
Portugiesen, oder von Island und Grönland durch die Wikinger. Bei einer derartigen Besiedelung muß die Kenntnis und die Fähigkeit der Navigation mindestens so gut sein, daß ein
mehrmaliges Hin- und Rückfahren möglich ist.
B.2 Die Gründe für die Besiedelung
B.2.1 Klimatische Bedingungen
Die klimatischen Bedingungen auf diesen Inseln sind ideal; für die Landwirtschaft, für
die Viehzucht, zum Leben für die Menschen. Das war schon in der Antike bekannt; viele der
großen antiken Autoren – angefangen bei Homer bis hin zu Strabon, Plutarch, Plinius, u.a.3 –
berichten davon. Die Beschreibung bei Plutarch klingt fast wie ein 'Geheimtip', dort seinen
Lebensabend in Ruhe und Beschaulichkeit zu verbringen.4
3
Castellano, José M. / Martin, Francisco J. Marcias, 1993: Die Geschichte der Kanarischen Inseln, La Laguna
4
PLUTARCH, 1.Jhdt. n.Chr.: Biographien: Sertorius
6
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Diese Bedingungen sind bis heute unverändert, sie sind die Hauptgründe für die vielen
Genießer dieser Idylle: die Touristen.
Die Veröffentlichungen zu diesem Themenbereich sind mannigfaltig, insofern braucht
in unserem Zusammenhang nicht näher darauf eingegangen zu werden.
B.2.2 Obsidian – das 'schwarze Gold' der Steinzeit
Ein weiterer Grund für die Besiedelung der Inseln beruht auf dem reichen Vorkommen
an Obsidian-Gesteinen. Obsidian gibt es als ein natürlich vorkommendes, glasartiges Vulkangestein auf der Insel Teneriffa. Die dortigen Vorkommen sind sehr groß, sie liegen in der
Caldera de las Cañadas in den Colinas Obsidianas in etwa 1900 m Höhe auf einer Fläche von
mehreren km2 (abb.3) sowie im Bereich von Los Terreros in ca.1.100 m Höhe (Abb.4).
Abbildung 3: Obsidian-Vorkommen in den Cañadas
[Quelle: Photo des Verfassers]
In der Steinzeit war Obsidian sehr begehrt, es wurde verwendet für Pfeil- und Speerspitzen, als Einlegestücke in Holzgeräte und Schwerter und als Schneidewerkzeug vielfältigster Art.
Die Verwendung war ähnlich wie die von Steinsplittern aus Basalt und Feuerstein
('flint'), jedoch ist Obsidian erheblich schärfer.5
5
LOUBOUTIN, C., 1992: Steinzeitmenschen
7
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Abbildung 4: Obsidian-Vorkommen nördlich des Teide
[Quelle: Photo des Verfassers]
Dieses Material wurde wegen seiner Schärfe auch noch lange nach Ende der Steinzeit,
d.h. bis weit in die Bronzezeit hinein verwendet, da es härter und damit schärfer als Bronze
war und es wurde teilweise auch noch in der Eisenzeit verwendet.
Abbildung 5: Obsidian Funde
Abbildung 6: Obsidian Splitter (Halbzeug)
[Quelle: Photo des Verfassers]
[Quelle: Photo des Verfassers]
8
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Am bekanntesten heute ist - neben den Fundstücken aus der Steinzeit wie Pfeilspitzen,
Messer, Schneide- und Schabewerkzeuge - die Verwendung in den Schwertern der Azteken in
Mexiko sowie die Verwendung für medizinische Werkzeuge, z.B. für Schädelpenetrationen
bzw. –operationen im alten Ägypten und auch auf Teneriffa. In Ägypten wurde es außerdem
als Material zur Herstellung von plastischen Objekten verwendet. Der griechische Künstler
Pheidias soll bei der Herstellung der berühmten Zeusstatue in Olympia Obsidian als Schneidewerkzeug benutzt haben. Die Verwendung von Obsidian für die Augen von Statuen findet
sich im alten Ägypten (ca. 2300 v.Chr.), in Kreta (ca. 1200 v.Chr.) und auch noch im römischen Reich.
Obsidian-Vorkommen gibt es im Mittelmeerbereich vor allem auf den Liparischen Inseln vor Süditalien, auf Sardinien und der griech. Insel Melos, sowie in Kleinasien, Armenien
und in der Slowakei.
Außerdem gibt es Fundstätten in Ungarn, Japan, Amerika (Mexiko), Polynesien und
sowie in weiteren Ländern.
Abbildung 7: Holzgerät mit Obsidian-Splittern
Abbildung 8: Obsidian-Werkzeuge
[Quelle: Photo des Verfassers]
[Quelle: Photo des Verfassers]
Im Mittelmeerbereich stieß man bei archäologischen Ausgrabungen aus der Steinzeit
häufig auf Artefakte aus Obsidian, wie Werkzeuge, Waffen, sogar Spiegel, wobei diese Fundstellen sich keineswegs auf die Plätze beschränkten, wo es Obsidian Vorkommen gibt.6
6
REDEN, S.v., 1978: Die Megalith-Kulturen, DuMont
9
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Es wurde festgestellt, daß es ein ausgedehntes Handelsnetz für Obsidian gegeben haben
muß, welches sich über den ganzen Mittelmeerbereich erstreckte; ein Autor spricht sogar von
einem 'obsidian-network'.7
Der älteste datierte Fund stammt aus dem 8.Jahrtausend v.Chr.: es wurde Obsidian in
einer mesolithischen Wohnschicht in der Franchthi-Höhle auf dem Peloponnes gefunden –
mit Hilfe einer petrochemischen Analyse wurde festgestellt, daß es von der Insel Melos
stammt (in einer Entfernung von über 100 km).8
Weitere Funde im Gebiet des westlichen Mittelmeeres belegen ebenfalls diesen ausgiebigen Obsidianhandel, oft mehrere hundert Kilometer über See: mit Hilfe der modernen Verfahren zur Bestimmung der Herkunft der Steine konnte festgestellt werden, aus welchen Vorkommen die Objekte in den verschiedenen Fundstätten stammten: zB von den liparischen
Inseln zum italienischen Festland und über die Insel Malta an die nordafrikanische Küste,
oder von Sardinien über Korsika nach Norditalien (s. Karte).
Abbildung 7: Obsidian-Handel im Mittelmeer
[Quelle: Kopie aus 'Chemical Fingerprinting and Source Tracing of Obsidian: The Central Mediterranean Trade
in Black Gold', Robert H.Tykot, 2001, mit freundlicher Genehmigung von Prof. Robert H.Tykot]
7
SOMMER, M., 2005: Die Phönizier
8
REDEN, S.v., 1978: Die Megalith-Kulturen, DuMont
10
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Hierzu gibt es viele (z.T. unveröffentlichte) Untersuchungen von J. Courtin sowie von
R.H. Tykot.9,
10
Weitere Untersuchungen zu diesem Themenbereich findet man bei der 'In-
ternational Association for Obsidian Studies'.
Archäologische Untersuchungen auf den polynesischen Inseln östlich von Neuguinea
(eh. Bismarck-Archipel) haben ergeben, daß dort Objekte aus Obsidian in Fundstellen aus der
Zeit früher als 3000 v.Chr. in einer Entfernung von über 700 km von den ObsidianVorkommen gefunden wurden – in einem Fall sogar in einer Entfernung von 2000 km – wobei die dortigen Handelswege ausschließlich über das Meer, den Pazifik, führten. Da Obsidian
eine variable chemische Zusammensetzung (Isotopenzusammensetzung) hat, je nach Vorkommen, ist es möglich, seine 'Wanderung' zu verfolgen. Die Dicke der Hydratationsschicht
auf den gefundenen Objekten wird außerdem als Hilfsmittel zur Datierung herangezogen.11
Hieraus geht hervor, welche außerordentliche Bedeutung Obsidian schon in den frühen
Steinzeitkulturen hatte.
Obwohl sich die Obsidian-Fundstellen in unserem Untersuchungsgebiet vorwiegend auf
den mittleren und östlichen Mittelmeerbereich sowie das Gebiet Anatoliens beschränken –
dort in archäologischen Grabungsstätten bis aus der Zeit ca. 6000 v.Chr. -, können für die
westlichen Bereiche ähnliche Fundstellen vermutet werden, was spätere Ausgrabungen sicher
bestätigen werden.
In dem Kontext unserer Hypothese sind die großen Obsidian-Vorkommen auf Teneriffa
von Bedeutung.
Im Verlauf des 'Camino Real de Chasna', ein Weg aus der vor-spanischen Zeit von der
Nordküste durch die Canadas zur Südküste, wurden mehrere Fundstellen alter Siedlungsreste
entdeckt, in denen sich auch Werkzeuge aus Obsidian fanden.12
Eine genaue zeitliche Zuordnung dieser Funde war jedoch noch nicht möglich.
9
TYKOT, R.H., 1996: Obsidian Procurement and Distribution in the Central and Western Mediteterranean
10
TYKOT, R.H., 2001: Chemical Fingerprinting and Source Tracing of Obsidian: The Central Mediterranean
Trade in Black Gold.
11
TORRENCE, R., 2000: Obsidian-Werkzeuge: Eine Studie des vorgeschichtlichen Handels in Melanesien, in:
Burenhult, G. (Hrsg.), Die Menschen der Steinzeit
12
ARNAY, M., NUNEZ, J.R. u.a., Estudio Historico del Camino Real de Chasna, 2003
11
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Wenn es als erwiesen gelten kann, daß auch weit vor dem Jahre 2000 v.Chr. eine Seefahrt auf dem Atlantik möglich und wahrscheinlich war (s. Punkt B.3.3 und B.4), sollten diese
Obsidian-Vorkommen in Teneriffa in die Überlegungen über den steinzeitlichen ObsidianHandel mit einbezogen werden: es könnte hier ein weiteres Zentrum der ObsidianHandelsnetze bestanden haben, es gäbe also einen sehr gewichtigen Grund, diese Inseln zu
besiedeln !
B.2.3 Purpurfarbe – die Orchilla Flechte
Die Herstellung der Purpurfarbe zählte in der Antike zu den bestgehüteten Geheimnissen; das Wissen um die Gewinnung war von großer ökonomischer Bedeutung.13, 14 Angeblich
war es die Basis des enormen Reichtums der Phönizier, weil Purpur die Farbe war, die ausschließlich den Gewändern der Herrscher, der Edlen, der obersten Priester vorbehalten war,
z.B. für die Cäsaren und Kaiser; und heute noch ziert diese Farbe die Gewänder der Kardinäle
und der Universitätsrektoren.
Bekannt war die Herstellung der Purpurfarbe aus der Purpurschnecke (murex truncules).
Die Gewinnung der Farbe aus dem Sekret der Schnecke war mühsam, die Ausbeute minimal,
man benötigte tausende von Schnecken, um nur 100 g Purpurfarbe herzustellen. Außerdem
war das Vorkommen der Schnecken begrenzt, es wurde extremer 'Raubbau' getrieben, z.B. an
der Levanteküste, d.h. an dem Küstenstrich des heutigen Libanon, dem Siedlungsgebiet der
Phönizier im 1 Jtsd. v.Chr.15, 16
Dadurch entstand die Notwendigkeit, nach neuen Plätzen, wo es diese Schnecke gab,
oder gar nach anderen Quellen für die begehrte Purpurfarbe zu suchen.
Als weiterer Rohstoff bzw. 'Lieferant' war schon sehr früh die Orchilla-Flechte (roccella
tinctoria) bekannt, deren Vorkommen ebenso wie die Bearbeitung geheim gehalten wurde.
13
GEHRIG, U., NIEMEYER, H.-G., 1990: Die Phönizier im Zeitalter Homers, Kestner-Museum Hannover
14
HERM, GERHARD: Die Phönizier, Das Purpurreich der Antike, 1985
15
MARKOE, Glenn E. , 2003: Die Phönizier
16
SOMMER, M., 2005: Die Phönizier
12
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Die Orchilla-Flechte braucht eine felsige Küste mit feinem 'Sprühnebel' aus Meereswasser als Lebensgrundlage; dieses Ökosystem und diese Flechte gab es in Teneriffa, und es gibt
sie auch noch heute dort; in geringem Umfang wird sogar heute noch die Flechte zur Herstellung von Spezialfarben exportiert.17 (noch heute zeugen vereinzelte Namen von dieser Nutzung, wie zB das 'Barranco de Orchilla'.
Abbildung 8: Orchilla-Flechte (Roccella tinctoria)
Abbildung 9 : Orchilla-Flechte
[Quelle: Photo Anders Tehler, mit freundlicher Genehmigung
[Quelle: Photo des Verfassers
Naturhistoriska riksmuseet, Stockholm, Schweden]
- Nordküste von Teneriffa -]
Eine versuchte Verpflanzung der Orchilla-Flechte ins Mittelmeer wird zwar häufig
vermutet, ein Erfolg ist aber sehr unwahrscheinlich: neben dem 'Sprühnebel' aus Salzwasser,
auf Teneriffa wegen der dauernden Brandung an der felsigen Küste in Verbindung mit dem
stetigen Passatwind fast immer gegeben, benötigt die Flechte ein bestimmtes Silikat-Gestein
als Basis; außerdem ist die Flechte erst nach ca. 40 Jahren so weit entwickelt, daß nach einem
'Umpflanzen' an eine 'Ernte' zu denken wäre: es kann also davon ausgegangen werden, daß
die Phönizier dauerhaft, d.h. regelmäßig wiederkehrend, nach Teneriffa kamen, um dort die
Orchilla-Flechte zu sammeln.18, 19
17
ROTHER, Almuth und Frank, Die kanarischen Inseln, 1988
18
MARKOE, Glenn E. , 2003: Die Phönizier
19
SOMMER, M., 2005: Die Phönizier
13
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Es gibt zwar eng verwandte Flechten im Mittelmeerraum, die aber zur Gewinnung der
Purpur-Farbe ungeeignet sind.
Einige frühere Berichte stimmen darin überein, daß die Phönizier bereits 1100 v.Chr. zu
den kanarischen Inseln kamen, um die Purpurfarbe aus der Orchilla-Flechte zu gewinnen,
daher stammt auch der damalige Name der Inseln – Die Purpurinseln.20
Auch der Name der Phönizier (φοίνιξ) bedeutet: purpurrot, ist aber vermutlich nicht aus
dem Begriff für die Pupurfarbe aus der Purpurschnecke abgeleitet, denn der griechische Name
für Purpurschnecke lautet Porphyra (πορφύρα).; der Name dürfte also eher mit der (aus der
Orchilla-Flechte gewonnenen) Purpurfarbe zusammenhängen.
Die Orchilla-Flechte wurde in geringem Umfang zur Farbherstellung in Teneriffa noch
bis in das 18. Jahrhundert n.Chr. genutzt
Es gibt zwar keine Belege über eine frühere Verwendung der Orchilla-Flechte auf den
Inseln, d.h. vor 1100 v.Chr., aber wenn es als wahrscheinlich gelten kann, daß die Besiedelung viel früher anzusetzen ist (s.o.), so wird auch diese Nutzung (die geheimgehaltene Gewinnung der Purpurfarbe durch die Phönizier) viel früher begonnen haben – es ist ja bekannt,
daß die Phönizier ihre Unternehmungen im Atlantik geheim hielten und deshalb der Beginn
ihres Handels in dieser Region im Dunkeln liegt. (s. dazu in Punkt B.4.)
Da das Vorkommen der Purpurschnecken stark zurückgegangen war, mußten die Phönizier nach neuen 'Farb-Quellen' suchen: das führte zur 'Neu-Entdeckung' der Purpurinseln
und zur Sicherung dieser Quellen.
Ein Hinweis auf die spätere Gewinnung von roter Farbe aus der Cochenille-Laus darf
hier nicht fehlen: die Züchtung dieser Laus, die auf dem Feigenkaktus Opuntia lebt, war in
Teneriffa erst nach der Besiedelung durch die Spanier möglich, die diesen Kaktus aus Mexiko
mitbrachten.
B.2.4 Die Ansiedlungen im Zeitraum vor 1000 v. Chr.
Um diese Handelsgüter, Obsidian und die Purpurfarbe, regelmäßig abbauen, bearbeiten
bzw. verarbeiten und anschließend transportieren zu können, bedurfte es fester und dauerhafter Ansiedelungen.
20
ROTHER, Almuth und Frank, Die kanarischen Inseln, 1988
14
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Diese Ansiedelungen und ihre Bewohner brauchten ihrerseits eine regelmäßige Versorgung mit Lebensmitteln. Daraus kann geschlossen werden, daß es eine funktionierende Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht gab, die die Bewohner, die Händler sowie die Seefahrer ausreichend mit Nahrungsmitteln und Wasser versorgen konnte.
Von der Caldera, der Hochebene im Zentrum der Insel Teneriffa, wo ObsidianVorkommen liegen, gab es einen Weg an die Küste. Der Weg führt durch die heutige Stadt
Güimar an die Küste, wo sich eine flache, geschützte Bucht befand und damit eine Möglichkeit, die Boote auf das Ufer zu ziehen, wie es bei der Schifffahrt in der Antike üblich war.
Heute befindet sich dort Puerto de Güimar, die dortige Bucht ist mit Anlegeplätzen und
Strandanlagen zugebaut.
Die Wegführung ist z.T. noch erkennbar und verlief von der Küste über die Montaña
Iquerque und Montañas Arenas in die Berge; ein großer Teil dieser Strecke wurde in den Jahren 1705 und 1706 bei einem Vulkanausbruch durch einen Lavastrom verschüttet und danach
als neuer Weg wieder angelegt. Dieser Weg ist heute noch bekannt: es handelt sich um den
sog. 'Pilgerweg' zur heiligen Modonna in der Kirche von Güimar.
Ein weiterer Weg führte von Orotava (im Norden) über die Cañadas nach Granadilla
(im Süden). s.o. (S.11)
Abbildung 10: Weg von Güimar zu dem Obsidian-Vorkommen
[Quelle: Ausschnitt aus Baedeker-Karte Teneriffa; © mit freundlicher Genehmigung Falk Verlag Ostfindern]
15
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Hier nun können wir uns vorstellen:
Nachdem die erste Ansiedelung erfolgt war, wird sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte eine Art Arbeitsteilung entwickelt haben; es gab Arbeiter, die den
Transport der Steine aus den Bergen an die Küste übernahmen, Steinmetze, die die Steine
bearbeiteten, da die fertigen Produkte sich günstiger verschiffen ließen, Zimmerleute, die
Schiffe instand hielten und natürlich Bauern und Handwerker, die das komplexe gesellschaftliche Gebilde, das entstand, versorgten, usw.
Die Bedeutung, die diesen Ansiedelungen – nicht weit entfernt vom Meer - damals zukam, ist noch heute daran erkennbar, daß hier (im Süden im Bereich der heutigen Stadt Güimar sowie im Norden in der Nähe von St.Barbara) große Pyramidenkomplexe liegen, d.h. hier
war das Zentrum der kultischen Handlungen der Menschen jener Zeiten auf dieser Insel. (s.
dazu Punkt B.3.2)
Abbildung 11: Das fruchtbare Tal von Güimar heute
[Quelle: Photo des Verfassers]
Hier nun fanden die Ansiedler das gepriesene Land Elysium.
Es sind vermutlich entlang des Weges mehrere Ansiedlungen mit verschiedenen
Schwerpunkten entstanden:
16
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Unterkünfte und Werkstätten an der Fundstelle in der Hochebene, ein kultisches und
landwirtschaftliches Zentrum oben im Tal im Bereich des heutigen Güimar und Werkstätten,
Lagerräume und Umschlagplätze für die Verschiffung an der Küste im Bereich des heutigen
Puerto de Güimar. Ähnliche Ansiedlungen sind im Norden bei St.Barbara bis hin zu der dortigen Küste mit einem Hafen bei dem heutigen Puerto de San Marcos zu vermuten.
B.3 Der Zeitpunkt der Besiedelung – Überlegungen zur zeitlichen Bestimmung
B.3.1 Der Zeitraum vor dem Ende der Bronzezeit
Auf den kanarischen Inseln gibt es keinerlei Vorkommen an Metallen, weder Zinn noch
Kupfer, sodaß eine Bronzeherstellung dort nicht möglich war. Es gibt auch keinerlei Eisenvorkommen: so konnte weder die Kulturstufe der Bronzezeit noch die der Eisenzeit erreicht
werden.
Als die Spanier im 15.Jhdt. dort ankamen und feststellten, daß die Bewohner nur Steinwerkzeuge (und in geringem Umfang Werkzeuge aus Obsidian) zur Verfügung hatten, hieß es
schon damals, man hätte es mit einer primitiven Steinzeitkultur zu tun, die sich aus einer primitiven Urbevölkerung entwickelt hätte.
Diese - falsche - Schlußfolgerung wird auch heute noch in weiten Bereichen vertreten.
Daß dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit sich dort eine beachtliche Kultur entwickelt hatte, wird wegen des Fehlens von Metallen von vornherein ausgeschlossen, obwohl es
durchaus Beispiele von Hochkulturen gibt, die keine Kenntnis von Metallen hatten.
Der mutmaßlich richtige Schluß (aus dem Fehlen der Metalle) ist, daß diese Ansiedelungen lange vor dem Beginn der Eisenzeit, ja teilweise sogar vor Beginn der Bronzezeit entstanden sein müssen.
In Europa läßt sich der Beginn der Bronzezeit in etwa auf ca. 2000 v.Chr. datieren, wobei große zeitliche Unterschiede je nach Region eingeräumt werden müssen.
Das gleiche gilt für den Beginn der Eisenzeit, der je nach Region, Eisenvorkommen,
Kulturstufe etc nur sukzessive angegeben werden kann; für den östlichen Bereich des Mittel-
17
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
meers, zB in Zypern, ab ca. 1300-1200 v.Chr., im westlichen Mittelmeer und in Mitteleuropa
ab ca. 900-750 v.Chr..21
Der Handel mit Eisen und Eisenprodukten, also Waffen, Geräten und Werkzeugen,
nahm ab etwa 1000 v.Chr. einen großen Umfang an, ausgehend vom Osten (Assyrer, Hethiter) über den ganzen Mittelmeerbereich bis hin nach Spanien und Nordafrika; die starke
Verbreitung wurde außerdem begünstigt durch die in Europa reichlichen Eisenvorkommen,
sodaß sich nach und nach örtliche Förder- und Verarbeitungsstätten entwickeln konnten.
Obsidian war zwar deutlich härter und schärfer als die damaligen Eisenwerkzeuge, aber
es bricht leichter und läßt sich nicht so gut schärfen bzw. nachschärfen wie Eisen und wurde
deshalb relativ schnell als wichtiges Werkzeugmaterial verdrängt.
Während der Bronzezeit dagegen blieb Obsidian weiter in Gebrauch, weil die Bronze
vergleichsweise weich und keine wirkliche Schärfe herstellbar war.
Es kann also aufgrund dieser Tatsachen davon ausgegangen werden, daß die Besiedelung deutlich vor dem Jahr 1000 v.Chr. stattgefunden hat; eine Besiedelung zu einem späteren
Zeitpunkt hätte sicher archäologische Funde von Gegenständen aus Bronze oder gar Eisen mit
sich gebracht.
B.3.2 Der Bau von Pyramiden
Auf den kanarischen Inseln gibt es Pyramidenbauten; es ist jedoch nicht bekannt, wann
und von welchem Volk sie errichtet wurden.22
Viele Menschen, darunter auch Archäologen, behaupten weiterhin, es seien lediglich
Steinhaufen, von den Bauern errichtet, um die Steine von den Feldern zu räumen.
Die Pyramiden von Güimar auf Teneriffa sind aber keineswegs 'Steinhaufen'; es handelt
sich hier um einen Komplex mit mehreren relativ flachen Stufenpyramiden auf rechteckigem
Grundriß, mit jeweils 7 bis 9 Stufen, ca. 50 m lang, 16 m breit und 7 m hoch. Diese Pyramiden sind nach astronomischen Sonnenständen ausgerichtet und wurden also mutmaßlich aus
21
MARKOE, Glenn E. , 2003: Die Phönizier
22
JANTZON, M., 1997: La vida de los aborígines canarios, sowie Artikelserien 2004 bis 2005
18
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
religiösen Gründen gebaut: die Ausrichtung erfolgte nach dem Sonnenstand am Tage der
Sommersonnenwende.2324
Errichtet wurden sie aus Lavagestein, die Kanten- und Ecksteine sind z.T. sorgfältig bearbeitet.
Abbildung 12: Die Pyramiden von Güimar
[Quelle: Photo des Verfassers]
Nach Ankunft der Spanier wurden die Pyramiden bei Güimar noch zu religiösen Zwecken genutzt: "Sie fügten viele Steine in eine pyramidenartige Anhäufung zusammen, so hoch
wie es nur mit losen Steinen möglich war; und an den Tagen, wo sie solche Verehrungsfeste
feierten, kamen alle dorthin, um diese Steinanhäufung herum, und dort tanzten sie und sangen
Klagelieder, übten Ringen und andere Leibesübungen aus, die Ihnen üblich waren; und diese
waren ihre Verehrungsfeste."25
23
JANTZON, M., 1997: La vida de los aborígines canarios, sowie Artikelserien 2004 bis 2005
24
JANTZON, M.., 2006, Die Ureinwohner der Kanarischen Inseln
25
Fray Juan de Abrieu Galindo, 1632
19
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Zu späteren Nutzungen gibt es keine Überlieferungen mehr, nach der zweiten Einwanderungswelle der katholischen Mönche wurden von diesen fast alle alten Aufzeichnungen
vernichtet, sowohl die spanischen als auch die der Guanchen.
Funde in einer Höhle unter einer dieser Pyramiden, Knochen, Scherben, Obsidian,26
wurden datiert auf etwa 700-1000 n.Chr.; das belegt jedoch nur, daß in jener Zeit eine Nutzung der Höhle und der Pyramiden stattfand: der Bau der Pyramiden erfolgte sicher viel früher.
An anderen Orten der Insel wurden ähnliche 'Steinhaufen' abgerissen und beseitigt,
bzw. zum Straßenbau u.ä. abgetragen.
Einige wenige Pyramiden-Reste sind an anderen Stellen noch erhalten (zB bei
St.Barbara), werden aber sicher bald auch verschwinden
Abbildung 13: Die Pyramiden von St.Barbara
[Quelle: Photo des Verfassers]
Auf den Nachbarinseln gibt es ebenfalls Sakralbauten, zT in Form eines Kegels mit abgestumpfter Spitze und einer spiralförmigen Rampe.
Auf Inseln des Mittelmeeres, so zB auf Sardinien, wurden ähnliche Pyramiden gefunden27, als Datierung wird hier ganz grob die Zeit vor 2500 v.Chr. angesetzt. Im Hochland von
Mexiko, am Golf von Mexiko und in weiteren Regionen in Mittelamerika finden sich eben-
26
JANTZON, M., 1997: La vida de los aborígines canarios, sowie Artikelserien 2004 bis 2005
27
BORRIES, U., KIRCHNER, G., 1999: Terra X - Planet der Pyramiden
20
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
falls Pyramiden mit ähnlichen geometrischen Grundstrukturen, wobei das Baumaterial je nach
Lage anders ist, d.h. man verwendete das vorhandene Material.
Die Ähnlichkeit dieser Pyramiden hat schon lange zu mancherlei Spekulationen geführt.
Es wird ein Kulturträger vermutet, der von Europa kommend, auf dem Weg über die kanarischen Inseln das Wissen um den Bau von Pyramiden und anderen kulturellen Errungenschaften nach Amerika brachte; um welches Volk es sich hierbei handeln könnte, ist strittig. (Hierzu
folgen weitere Ausführungen unter Punkt B.4)
Bei den Pyramiden am Golf von Mexiko handelt es sich um Bauten der Olmeken; mit
Hilfe von Radiocarbon-Daten, die für einige der dortigen Bauten zu ermitteln möglich war,
läßt sich die Datierung auf die Zeit zwischen 1400 und 1095 v.Chr. einengen. Ca. 400 v.Chr.
verschwand dieses Volk.
Übernimmt man die Hypothese eines Kulturträgers von Osten nach Westen, so kommt
man wieder zu einem Zeitpunkt der Besiedelung der kanarischen Inseln um 2000 – 1500 v.
Chr.
B.3.3
Die Hochseefahrt und die Navigation
Ein weiterer Punkt zur Datierung der frühen Besiedelungen besteht in der Möglichkeit,
die Art der Hochseefahrt einzuordnen.
Es gab bereits vor dem 12.Jhdt. v.Chr. hochseetaugliche Schiffe im Mittelmeer.
Die Möglichkeit, mit primitiven Seefahrzeugen über die Ozeane fahren zu können, bewies Thor Heyerdahl im Jahre 1947, als er mit dem Floß Kon-Tiki (gebaut aus Balsaholz) von
Südamerika zu den Osterinseln segelte – eine Entfernung von 7800 km in 100 Tagen, sowie
nochmals im Jahre 1970, als er mit der Ra II von Marokko zu den kleinen Antillen vor Amerika segelte – für die Entfernung von 6056 km benötigte er 57 Tage und Nächte.28,
29
Das
Boot Ra II wurde nach altägyptischen Vorbildern aus Papyrusbinsen gebaut, es war 12 m
lang.
28
HEYERDAHL, T., 1949: Kon-Tiki
29
HEYERDAHL, T., 1975: Expedition Ra, Im Papyrusboot über den Atlantik
21
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Altägyptische und phönizische Darstellungen zeigen, daß die Boote in der Regel mit
Segel und Rudern ausgestattet waren, d.h. bei günstigen Winden wurde gesegelt, bei ungünstigen Verhältnissen mußte gerudert werden; gegen den Wind zu kreuzen, war nicht so möglich wie mit heutigen Schiffen, da der Kiel bei antiken Schiffen relativ flach gehalten war,
damit man die Schiffe besser auf den Strand ziehen konnte.
Darstellungen solcher Schiffe finden sich vor allem auf alten ägyptischen Grabreliefs,
zB zeigt das Relief vom Grabe des Pehenuka (ca. 2500 v.Chr.) die Darstellung eines Schiffes
von ca. 42 m Länge, ein Relief aus der Zeit vor 2500 v.Chr. zeigt Schiffe mit Ruder und Segel, eine Darstellung aus der Zeit ca. 2400 v.Chr. zeigt den Bau von Seefahrzeugen, ein Relief
am Felsentempel Deir el-Bahari in Theben zeigt fünf Schiffe mit Segel und Ruder (um 1500
v.Chr.), die Reliefs am Totentempel von RamsesIII zeigen eine große Zahl von Seeschiffen in
einer Schlacht (um 1200 v.Chr.) 30, 31
Auf einer Darstellung (aus einer Fundstätte in Südwestanatolien) aus der Zeit ca.2500
v.Chr. sind neun Schiffe mit Rudern und zT auch Segeln dargestellt.
Abbildung 14: Mittelmeerschiffe, ägypt. Relief, 2.500 v.Chr.
30
[NEUKIRCHEN; Heinz, Seefahrt im Wandel der Jahrtausende, 1987, S.99]
31
[DUDSZUS, A., KÖPCKE, A.: Das große Buch der Schiffstypen, 1990]
22
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
[Quelle: Nachdruck aus: Dudszus, A. Das große Buch der Schiffstypen, 1990, Pietsch Verlag,
mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr.-Ing. A.Dudszus]
Abbildung 15: Lastschiff und Segelschiff, Ägypten, 1.500 v.Chr.
Quelle: Nachdruck aus: M. Reitz, Alltag im Alten Ägypten, Battenberg-Verlag Augsburg 1999,
mit freundlicher Genehmigung von Dr.M.Reitz
Ein weiterer Beweis für die Kenntnisse und damit auch die Fähigkeit zur Hochseefahrt
wird später im Text beschrieben: das Holzboot von über 40 m Länge aus der Zeit vor 2500
v.Chr., das neben der Cheopspyramide gefunden wurde.32
Die zweite Voraussetzung für die Hochseefahrten im 2.Jtsd. v.Chr. war die Kunst des
Navigierens ohne Landsicht.
Bei den Fahrten in der Nacht diente der Nordstern als Fixpunkt für die Orientierung. Bei
Tagesfahrten wurde ein Instrument verwendet, welches auf einer vorgegebenen Linie den
Schatten eines senkrechten Stabes in einem Kreis benutzte, um die richtige Ost-WestRichtung überprüfen zu können; das Instrument beruht auf dem Prinzip der Sonnenuhr, man
kann es als eine Art Vorgänger einer primitiven Form von Kompass bezeichnen, es wurde
32
DUDSZUS, A., KÖPCKE, A.: Das große Buch der Schiffstypen
23
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
benutzt zusammen mit einer Sanduhr als Zeitmesser. Eine erhebliche Verfeinerung dieses
Instrumentes führte in späteren Zeiten zur Entwicklung der verschiedenen Arten des Astrolabium.
Manche berichten auch von dem 'Sonnenstein', mit dessen Hilfe der Stand der Sonne
auch bei bedecktem Himmel ermittelt werden konnte. Es handelt sich hier um undurchsichtige, milchige Kristalle, die jedoch einzelne Lichtwellen in verschiedener Richtung unterschiedlich absorbieren ('Pleochroismus' – die Farbe wechselt von gelblichgrau zu dunkelblau)
und so – auch bei wolkenbedecktem Himmel - die Richtung zur (dem menschlichen Auge
nicht sichtbaren) Sonne aufzeigen.33,34
Abbildung 16: Cordierit (links) bzw. Iolith ('Sonnenstein')
[Quelle: Photo des Verfassers]
Um beim Ansteuern einer noch unbekannten Insel oder bei Kursunsicherheiten die exakte Richtung zu erfahren, wurden die Vogelzüge beobachtet oder mitgenommene Vögel
freigelassen: diese zeigten unbeirrt durch ihren Flug die Richtung zur nächsten Insel oder sie
kehrten zurück; das berichtet nicht nur die Bibel über Noah; auf diese Weise fand auch der
33
EVERS, D., 2000: Die wahre Entdeckung Amerikas
34
WIKEPEDIA, Cordierit, SPIEGEL-Online, 'Reformstau im Drachenboot'
24
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Wikinger Flóki Vilgeròarson Island und eine ähnliche Tradition gab es bei den polynesischen
Seefahrern.35
Es waren also lange vor dem Jahr 1000 v.Chr. beide Voraussetzungen gegeben, die eine
Seefahrt über den Atlantik ermöglichten: es gab die notwendigen Schiffe und es gab die
Kenntnis des Navigierens.
Es wird sogar vermutet, daß die ersten Besiedler Nordamerikas bereits vor 17.000 Jahren mit
kleinen Booten aus Europa kamen.36
B.3.4 Meeresströmungen und Windverhältnisse
Bei Kenntnis der Meeresströmungen und der vorherrschenden Windrichtungen konnten
die Seefahrten weitgehend ohne zu rudern unternommen werden.
Vor dem afrikanischen Festland fließt der Kanaren-Strom in südwestliche Richtung, ebenfalls in diesem Bereich weht aus nordöstlicher Richtung der Passatwind. Wie bereits erwähnt, führt das nicht selbstverständlich zu den Inseln, aber bei Kenntnis der Lage der Inseln,
Kenntnis von Strömung und Wind und bei Kenntnissen des Navigierens wird das Erreichen
der Inseln auch damals verhältnismäßig einfach gewesen sein.
Abbildung 17: Nordostpassat in den Sommermonaten
[Quelle: Dierke Schulatlas, 1926, S.10, mit freundlicher Genehmigung des Westermann-Verlages]
35
EVERS, D., 2000: Die wahre Entdeckung Amerikas
36
LEVY, N., 1996: Die Steinzeit Amerikaner, (Film: ARTE 18.2.06)
25
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Abbildung 18: Westwinde in den Wintermonaten
[Quelle: Dierke Schulatlas, 1926, S.11, mit freundlicher Genehmigung des Westermann-Verlages]
Der Nordost-Passat weht beständig (fast das ganze Jahr) in dieser Region vom Frühling
bis zum Herbst; im Winter jedoch – bedingt durch die Verschiebung des sog. 'meteorologischen Äquators' nach Süden – gerät diese Zone in den Bereich von atlantischen Zyklonen, den
vorherrschenden Westwinden: diese Westwinde erleichtern die Fahrt zurück zum Festland.
An einigen Tagen des Jahres, überwiegend im Sommer, weht ein heißer Wüstenwind der gefürchtete 'Harmattan' - vom afrikanischen Festland zu den kanarischen Inseln. Dieser
Wind ist so kräftig und konstant, daß er nicht nur den feinen Wüstensand der Sahara sondern
sogar riesige Heuschreckenschwärme mitbringt.
Bei Kenntnis dieses, regelmäßig wiederkehrenden Windes, war eine Seefahrt vom afrikanischen Festland zu den Inseln durchaus möglich.
Südlich der kanarischen Inseln ändert der Kanarenstrom die Richtung und fließt als
Nord-Äquatorial-Strom nach Westen und später als Antillen-Strom nach Nordwesten in den
Golf von Mexiko und zu den Antillen; deshalb war schon damals eine Seefahrt von Europa
nach Amerika möglich.
26
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Abbildung 19: Kanarenstrom und die anderen Meeresströmungen
KANAREN
[Quelle: Dierke Schulatlas, 1926, S.12/13, mit freundlicher Genehmigung des Westermann-Verlages]
Der Golf-Strom fließt etwas weiter nördlich von dort (vor der Küste Mittelamerikas) in
Richtung Nord-Osten; die vorherrschenden Westwinde in den gemäßigten Breiten verlagern
sich im Winter nach Süden bis hin zu den kanarischen Inseln; deshalb war bei diesen Kenntnissen auch die Rückfahrt nach Europa schon damals möglich.
B.3.5 Mittelamerika – eine Steinzeit-Kultur
Ausgehend von der bereits erwähnten Hypothese, daß die Seefahrer lange vor 1000
v.Chr. diese Fahrten unternahmen, und daß diese Seefahrer als Kulturträger oder Kulturzeugen mit dem Wissen der frühen Ägypter über den Atlantik fuhren, nachdem sie auf Teneriffa
eine Kolonie gegründet hatten (s. dazu Punkt B.4), ergibt sich ein weiteres Indiz zur zeitlichen
Abgrenzung:
Diese Einwanderung erfolgte lange vor dem Beginn der Eisenzeit in Europa, sie brachte
die Kenntnisse eines Volkes mit sich, das in der Steinzeit und der beginnenden Bronzezeit
lebte, und diese Kenntnisse waren die technische Grundlage der sich in Mittelamerika entwickelnden Hochkulturen: diese Hochkulturen in Mittelamerika kannten bis zur Zeit der 'Entdeckung' Amerikas im Jahre 1492 n.Chr. keine Werkzeuge aus Metall, keine Bronze- oder gar
Eisenwerkzeuge, obwohl es diese Rohstoffe dort schon gab.
In archäologischen Fundstätten fand man nur Gegenstände, Waffen, Werkzeuge etc aus
Stein, Basalt, Granit oder Obsidian.
27
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Mit Hilfe dieser Werkzeuge wurde als Metall nur Gold verarbeitet, um Schmuck und
Kultgegenstände von höchster Feinheit herzustellen.
B.4 Das Volk der Seefahrer und Besiedeler
B.4.1 Seefahrer im 1.Jtsd v.Chr. im Mittelmeer
Die Völker, die an den Küsten des Mittelmeeres lebten, betrieben alle Handel und Seefahrt, jedoch in durchaus unterschiedlichem Umfang.
Die Kelten als Bewohner der iberischen Halbinsel betrieben im wesentlichen Küstenseefahrt zum Zwecke des Fischfanges und kleinerer Transporte; sie wanderten erst nach 1000
v.Chr. dort ein und es ist unwahrscheinlich, daß sie nach Teneriffa gelangten.
Die Tartesser waren kundige Seefahrer; die Stadt Tartessos, das Tarsis oder Tarschisch
der Bibel, gelegen am unteren Guadalquivir (an der Südwestküste Spaniens), war ein Handelszentrum und bekannt für ihren Reichtum an Zinn, Silber und Gold. Die Handelsbeziehungen reichten im Osten bis nach Israel (Jesaja 60,9 und Jeremia 10,9), in westlicher Richtung
erkundeten die Tartesser Wege über den Atlantik: sie waren wahrscheinlich auf Teneriffa und
auch in Amerika.
Sie waren vielleicht ein Teil des Volkes, welches die kanarischen Inseln besiedelte.
Etwa im 6.Jhdt. v.Chr. wurde Tartessos von den Phöniziern überwunden, die Stadt wurde zerstört.
Die Etrusker, ebenfalls ein seefahrendes Volk, kamen etwa im 9.Jhdt. v.Chr. aus Kleinasien und ließen sich in Oberitalien nieder.
Nach mehreren Auseinandersetzungen mit den anderen seefahrenden Völkern, Griechen
und Karthagern, wurden sie schließlich von den Römern 'assimiliert' bzw. gingen in dem
dort entstehenden Staatengebilde auf.
Ein zeitlich früheres Befahren der Meere durch sie ist ebenfalls unwahrscheinlich.
Die Griechen betrieben schon im sog. archaischen Zeitalter ausgedehnt Seefahrt, die
Eroberung Trojas ca. 1200 v.Chr. ist der deutlichste Beweis dafür. Weitere Seefahrten in die
westlichen Bereiche werden aber erst ab dem 6.Jhdt. v. Chr. berichtet.
Erwähnt werden soll immerhin, daß Odysseus schon vor dem Jahre 1000 v.Chr. auf seiner berühmten Irrfahrt in die westlichen Teile des Mittelmeeres verschlagen wurde.
28
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Die Kreter waren schon lange vor 1000 v.Chr. eine beherrschende Seemacht im Mittelmeer, sie betrieben ausgedehnten Handel mit Ägypten; von einem Erreichen der westlichen
Grenze des Mittelmeeres wird aber an keiner Stelle berichtet.
Das Reich der Kreter ging im 14.Jhdt. v.Chr. unter.
Die sog. Seevölker tauchten um 1200 v. Chr. auf. Aus der Zeit von Pharao Ramses II
wird berichtet, daß der Angriff der Seevölker zu einer ernsten Gefahr für das ägyptische Reich
wurde. Die siegreiche Schlacht der Ägypter wurde in mehreren, noch heute vorhandenen Reliefs dargestellt.37, 38
Die Herkunft der Seevölker, von manchen auch mit den Philistern der Bibel gleichgesetzt, ist nach wie vor unbekannt.
B.4.2 Die frühen Seefahrer
Die Phönizier waren das bekannteste Seefahrervolk der Antike.39, 40
Ausgehend von den phönizischen Städten Sidon und Tyros an der östlichen Mittelmeerküste im Bereich des heutigen Libanon befuhren sie die Meere in alle Richtungen: sie befuhren das Schwarze Meer, das Rote Meer, das Mittelmeer und den Atlantik.
Einen eigenen Staat im üblichen Sinne gab es nur kurz, die meiste Zeit waren die Städte
Sidon und Tyros und die dazugehörigen Landstriche unter Fremdherrschaft der angrenzenden
Länder, so der Ägypter, der Assyrer, der Babylonier und der Perser.
In allen diesen Zeiten bewahrten die Phönizier dennoch ihre Unabhängigkeit in der Seefahrt.41
Die ersten Städtegründungen erfolgten vor 1500 v.Chr. im östlichen Mittelmeer (Sidon
und Tyros); später folgten die Gründungen von Karthago (ca. 800 v.Chr.) und Cartagena im
westlichen Mittelmeer.
Schon sehr früh erfolgten auch die bekannten Gründungen von Städten an der Atlantikküste (Lixus ca. 1200 v.Chr. in Marokko und Gadiz ca.1100 v.Chr. in Südspanien).
37
SOMMER, M., 2005: Die Phönizier
38
SPANUTH, J., 1953,: Das enträtselte Atlantis
39
MARKOE, Glenn E. , 2003: Die Phönizier
40
SOMMER, M., 2005: Die Phönizier
41
MARKOE, Glenn E. , 2003: Die Phönizier
29
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Bekannt sind auch die regelmäßigen Fahrten nach Cornwall in Südengland bereits vor
1000 v.Chr. zur Ausbeutung der dortigen Zinnvorkommen, welches die bedeutendsten der
damaligen Welt waren: dieser Grundstoff zur Bronzeherstellung (zusammen mit Kupfer aus
dem Mittelmeerbereich) war die Basis für die Kultur der Bronzezeit in Mitteleuropa.
In späteren Zeiten umsegelten die Phönizier den afrikanischen Kontinent im Auftrag des
Pharao Necho ca. 595 v. Chr. und ca. 100 Jahre später unternahm der Phönizier Hanno ausgedehnte Entdeckungsfahrten an die afrikanische Westküste.42, 43
Zu diesem Themen-Komplex gibt es umfangreiche Veröffentlichungen, wobei immer
wieder die Schwierigkeit auftaucht, daß es praktisch fast keine eigenen schriftlichen Zeugnisse der Phönizier über ihre Seefahrten gibt: zum einen weil sie ihre Entdeckungen geheim hielten, zum anderen weil bei der Zerstörung Karthagos durch die Römer im Jahre 146 v.Chr.
alles systematisch vernichtet wurde – Karthago war zu dem Hauptsitz der Phönizier geworden, insofern blieben kaum Zeichen ihrer Zeit vor Ort. Außerdem waren die Phönizier vorwiegend Händler: eigene kulturelle Leistungen sind nicht viele überliefert außer zB die Glaskunst. Und immer wieder wird es deutlich, daß es den Phöniziern offensichtlich sehr gut gelungen ist, ihre Unternehmungen geheim zu halten.
Abbildung 20: ägypt. Schiff-Darstellung (Steinschnitt), 4.Jtsd.v.Chr.
[Quelle: Neukirchen, H. Seefahrt im Wandel der Jahrtausende, 1987] - Copyright beantragt
42
MARKOE, Glenn E. , 2003: Die Phönizier
43
SOMMER, M., 2005: Die Phönizier
30
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Abbildung 21: Schiff-Darstellung auf Stein (kanar. Inseln)
[Quelle: Harald Braem, Die Inseln des Drachenbaumes, in: TERRA-X, Rätsel alter Welzkulturen, 1990,
mit freundlicher Genehmigung des Autors]
Als früheste Seefahrer im Mittelmeer gelten die Ägypter, auch wenn immer wieder behauptet wird, ihre Kenntnisse seien auf die Binnenfahrt beschränkt gewesen, also auf das Befahren des Nil.
Die Ägypter sollen jedoch bereits um 1200 v.Chr. Expeditionen in den indischen Ozean
bis zur Insel Sumatra durchgeführt haben.44
Derartige Berichte gewinnen erheblich an Glaubwürdigkeit, wenn man das sogenannte
Bestattungsschiff, welches als 'Bausatz' neben der Cheopspyramide im Jahre 1954 entdeckt
wurde, rekonstruiert: es handelt sich um ein hochseetaugliches Holz-Schiff mit einer Länge
von 43,6 m und einer Breite von 5,9 m.
Auch ist bekannt, daß die Phönizier für Salomos Tempelbau und für die Bauwerke der
Ägypter Holz aus dem Libanon mit ihren Schiffen lieferten, und zwar mindestens seit ca.
2000-1500 v.Chr.
Die Ägypter nutzten diese Kenntnisse der Phönizier über die Seefahrt und über den
Schiffsbau auch für sich.
44
STEIN, W., 1954: Kulturfahrplan
31
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Sie unternahmen auch eigene Seefahrten, und sicher gab es auch kombinierte Unternehmungen zur See.
Diese 'Interessen-Gemeinschaft' entstand bereits im frühen 2.Jtsd. v.Chr., das waren die
hier so bezeichneten 'frühen Seefahrer'.
Abbildung 23: phönizische Schiffe (Relief ca. 750 v.Chr.)
Abbildung 22: Begräbnisboot des Cheops
(ca. 2.500 v.Chr.)
[Quelle: Skyllis, mit freundlicher Genehmigung
der DEGUWA] 45
[Quelle: Nachdruck aus: Dudszus, A. Das große Buch der Schiffstypen, 1990, Pietsch Verlag,
mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr.-Ing. A.Dudszus]
Diese Seefahrer, Zeugen einer frühen Hochkultur, kamen auf ihren Fahrten ab etwa
2500 v.Chr. von der Ostküste des Mittelmeeres in Richtung Westen über Zwischenstationen
wie auf einigen Inseln, u.a. Sizilien und Sardinien, wo Kolonien gegründet wurden, bis in den
Atlantik.
45
[Kapitän, Gerhard, 'Irrtümer beim Zusammenbau des Cheops-Schiffes Nr.1 ?', in: Skyllis, Zeitschrift für Un-
terwasserarchäologie, 2.Jahrgang 199, Heft 1, Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie,
e.V. DEGUWA)
32
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Auf mehreren dieser Inseln im Mittelmeer zeugen alte Pyramidenbauten davon.
Daß diese Routen zugleich als Netz für den Obsidian-Handel genutzt wurde, wurde bereits dargestellt (s. Punkt B.2.2)
Im Atlantik erfolgte die Gründung einer weiteren Kolonie auf der Insel Teneriffa. Diese
kanarische Kolonie diente als Handelspunkt und als Stützpunkt für weitere Entdeckungsfahrten bis hin nach Mittelamerika.
Diese Route hat sich später bei den spanischen und portugiesischen Eroberern bewährt,
auch Humboldt ist sie gefahren.
(Außerdem gab es die Seefahrer der sog. Megalith-Kulturen, die ebenfalls in der Zeit
vor 2000 v.Chr. bereits die Westküste Europas befuhren: es gibt erst sehr wenige archäologische Untersuchungen zu diesem Bereich; vor allem ist noch ungeklärt, in welchem Zusammenhang diese Seefahrer mit den frühen Phöniziern bzw. anderen Saeefahrern aus dem Mittelmeerbereich standen.)
B.4.3 heutige archäologische Kenntnisse und Untersuchungen
In den folgenden Punkten werden einige der heute bekannten Untersuchungen zur Herkunft der Ureinwohner der kanarischen Inseln zitiert und kurz zusammengefaßt, um aufzuzeigen, inwieweit durch diese Untersuchungen die Hypothese der frühen Besiedelung unterstützt
wird. Für ausführliche Informationen und Untersuchungen hierzu wird ausdrücklich auf die
Veröffentlichungen von M.Jantzon verwiesen.46, 47
Die zur Bestimmung der Menschenrasse durchgeführten anthropologischen Untersuchungen der zahlreichen Schädel- und Skelettfunde auf Teneriffa aus der Zeit vor der spanischen Eroberung zeigen, daß im wesentlichen zwei Typen zu finden sind: der cromagnide
Typ mit einem breit-niedrigen, derb-knochigen und der mediterrane Typ mit einem schmalhohen, zart-knochigen Gesicht, wobei der erstere vor allem aus dem Gebiet des heutigen Spanien und Marokko stammt und der letztere mehr den Völkern der Phönizier und Ägypter zuzuordnen ist.48
46
JANTZON, M., 1997: La vida de los aborígines canarios, sowie Artikelserien 2004 bis 2005
47
JANTZON, M., 2006, Die Ureinwohner der kanarischen Inseln
48
ROTHER, A. u. F., 1988: Die kanarischen Inseln, DuMont
33
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Diese Untersuchungen wurden vor allem von Frau Dr.Ilse Schwidetzky durchgeführt;
auch sie vermutet eine Besiedelung vom 3. bis 1. Jtsd. v.Chr.
Die Abstammung der Bewohner der Kanarischen Inseln von nordafrikanischen Bevölkerungsgruppen wird auch unter dem Aspekt dermatologischer Betrachtungen in Erwägung
gezogen.49
Das Mumifizieren der Toten, insbesondere der Könige, ist aus einigen frühen Hochkulturen bekannt: außer in Ägypten gab es den Brauch der Mumifizierung auch in Amerika bei
den Inkas und in Mexiko, außerdem in Birma und in der Südsee sowie in Australien und bei
nordamerikanischen Indianer- und Eskimostämmen.
Die Art der Mumifizierung war unterschiedlich; das aufwendigste Verfahren war in
Ägypten üblich: Entleeren und Reinigen des Körpers, Füllen mit erhaltenden Substanzen und
anschließendes Umwickeln, jeweils unter Verwendung vielfältigster Essenzen, Kräuter und
Ingredenzien.
In Teneriffa wurde der Leichnam nur selten entleert, es fehlten auch die kunstvollen
Bandagen.
Da die gefundenen mumifizierten Toten – es waren Mitglieder der Oberschicht – sich
durch besondere Größe und stärker leptosomen Körperbau, d.h. schlank und schmal, auszeichneten, können sie der mediterranen Rasse zugeordnet werden.50
Diese Mumien stammen jedoch nicht aus der Zeit der frühen Besiedelung, sondern aus
den nachchristlichen Jahrhunderten: aufgrund der Art der Konservierung und der Feuchte der
Luft werden sich die frühen Mumien nicht erhalten haben.
Außerdem gab es hier den Brauch der 'Mehrfachnutzung' der Grabstätten: bei einer neuen Bestattung wurden häufig die alten Skelette und Mumien weggeworfen.51
Aus der Tatsache, daß die mumifizierten Toten vorwiegend dem mediterranen Menschentyp zuzuordnen sind, ließe sich der Schluß ziehen, daß dieser Menschentyp in der Oberschicht besonders vertreten war und daß die cromagniden Menschentypen eher den unteren
Schichten des Volkes angehörten.
Die Anthropologin I.Schwidetzky schließt eine Übernahme der Mumifizierungstechnik
aus Ägypten aus und vermutet eher eine frühere, gemeinsame Quelle.
49
REITZ, Dr.M, : Die Hautfarbe der alten Ägypter (in: "Aktuelle Dermatologie", Zeitschrift, 2005)
50
ROTHER, A. u. F., 1988: Die kanarischen Inseln, DuMont
51
BRAEM, H.: Die Inseln des Drachenbaums, in: HILLRICHS, H.- H., 1990: TERRA-X: Rätsel alter Weltkul-
turen, Von den Inseln des Drachenbaums zur Festung der Sturmgötter
34
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Über die Sprache der Ureinwohner, die zur Zeit der spanischen Eroberung dort noch
lebten, ist kaum etwas bekannt; die wenigen heute noch bekannten Überreste lassen auf eine
enge Verbindung zu den Sprachen der Berber schließen, welche dem libyschen Sprachraum
zuzuordnen sind.
Der Ethnologe D.J. Wölfel52 ordnet diese Sprachen dem Zeitraum des Megalithikums
(ca. 3000 – 2500 v.Chr.) zu.
Eine Schrift ist nicht überliefert; es gibt jedoch eine Vielzahl von Inschriften und Felsmalereien, die ebenfalls in megalithische Kulturzusammenhänge eingeordnet werden können.
Diese Petroglyphen (zB Spiral-Darstellungen) lassen wieder auf eine Besiedelung vor 2000
v.Chr. schließen (Wölfel).53
Eine Besonderheit stellt die sog Pfeifsprache El Silbo dar, die heutigen Tages sogar auf
Gomera in der Schule unterrichtet wird. Auf einem Kongreß zur Pfeifsprache (April 2003 auf
Gomera) wurde berichtet, daß bei einem ausgiebigen Versuch die Pfeifsprache von Gomera
von marokkanischen Bewohnern des südlichen Atlasgebirges, die ebenfalls die Pfeifsprache
beherrschen, verstanden wurde.
Diese Kenntnis läßt jedoch keinen Rückschluß auf die Zeit der Besiedelung zu.
Die Funde an Keramik aus der vorspanischen Zeit geben ebenfalls Hinweise auf frühe
Besiedelungen: auf allen Inseln gibt es Funde von sog. Tiefstichkeramik, die aus dem ältesten
Ägypten und Nubien bekannt ist, außerdem besteht eine Verwandtschaft zum frühminoischen
Kreta: aus diesen Gründen schließt Ethnologe D.J.Wölfel hier auf Verbindungen schon aus
der Zeit des 3.Jtsd. v.Chr.54
52
ROTHER, A. u. F., 1988: Die kanarischen Inseln, DuMont
53
ROTHER, A. u. F., 1988: Die kanarischen Inseln, DuMont
54
ROTHER, A. u. F., 1988: Die kanarischen Inseln, DuMont
35
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Abbildung 24: Felszeichnungen und alte Keramik (Reproduktion)
[Quelle: Harald Braem, Die Inseln des Drachenbaumes, in: TERRA-X, Rätsel alter Welzkulturen, 1990,
mit freundlicher Genehmigung des Autors]
Die Bedeutung der Orchilla-Flechte für die wirtschaftliche Nutzung und die Handelsbeziehungen der Kolonie – nach deren früher Gründung – schon in der Steinzeit wurde unter
Punkt B.2.3 bereits dargestellt.
Die Funde von Obsidian wurden bereits erwähnt, sie sind teilweise im Museum in Santa Cruz de Tenerife ausgestellt; zu der Bedeutung des Obsidian wurde bereits in Punkt B.2.2
ausführlich berichtet. (Sowie die laufenden Untersuchungen zu den Obsidian-Vorkommen
und -Fundorten neue Ergebnisse zeigen, werden diese hier mit aufgenommen werden !)
Die umfangreichen Untersuchungen zu Pyramidenbauten, ausgehend von Ägypten, im
gesamten Mittelmeerbereich sollen hier nicht weiter behandelt werden; wie bereits weiter
oben dargestellt, sind jedoch auch die Pyramidenbauten auf Teneriffa ein Indiz für die frühe
Besiedelung: die frühen Pyramidenbauten in Ägypten waren Stufenpyramiden ( ca. 2700
v.Chr.), für die Pyramiden auf Sardinien, die in ihrer äußeren Form denen auf Teneriffa sehr
ähneln, wird eine Entstehungszeit zwischen 3000 und 2500 v.Chr. angesetzt. Ähnlich verhält
36
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
es sich mit den Pyramiden auf Sizilien. Es kann also eine Entwicklung, ausgehend von dem
Bereich des vorderen Orients und Ägyptens im 3.Jtsd. v.Chr. in westlicher Richtung, festgestellt werden, die Mitte des 3.Jtsd. sich auf den Inseln westlich von Italien fortsetzte, dann
etwa 2000 v.Chr. die kanarischen Inseln erreichte und Jahrhunderte später Mittelamerika , wo
sich zu jener Zeit dann die Kultur der Olmeken entwickelte, deren Pyramiden unzweifelhaft
für eine Hochkultur zeugen.55
B.4.4 Überlegungen zu weiteren Untersuchungen
Um weitere Informationen, Materialien oder gar Beweise für die hier vorgestellten
Hypothesen zu erhalten, wären vor allem Untersuchungen in zwei Bereichen hilfreich:
1.
Untersuchungen (petrologische Analysen zur chemischen Zusammensetzung bzw.
Isotopenzusammensetzung) der Obsidianvorkommen auf Teneriffa und Vergleiche mit
Fundstücken im Bereich des Mittelmeeres.
Nach Vorlage von derartigen Analysen und Bestimmungen könnte anhand der Untersuchung von Funden, wie Werkzeugen u.ä., festgestellt werden, in welchem Umfang
und in welche Entfernungen und auch zu welcher Zeit ein Handel mit Obsidian betrieben wurde.
2.
vergleichende DNA-Analysen der gefundenen Mumien und anderen Funde auf Teneriffa mit entsprechenden Daten aus früheren Zeiten und Bereichen des europäischen
Gebietes.
Bisherige Untersuchungen hatten vor allem zum Ziel, den Nachweis zu erbringen, daß in der heutigen
Bevölkerung der Kanaren durchaus noch die Nachkommen der Guanchen vertreten sind, und zu ermitteln, woher diese stammen könnten:
Im Jahre 1993 wurde eine Blutgruppenuntersuchung veröffentlicht: bei dieser Untersuchung
wurde eine Ähnlichkeit der Blutgruppenverteilung der kanarischen Einwohner mit der der maghrebinischen Bevölkerung festgestellt.
Ende der 90er Jahre wurde der DNA-Code des Blutes einer Testgruppe von 300 Personen untersucht und mit den entspr. Informationen der DNA-Ketten von Mumien der Guanchen verglichen sowie
55
REDEN, S.v., 1978: Die Megalith-Kulturen, DuMont
EVERS, D., 2000: Die wahre Entdeckung Amerikas
37
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
mit Menschen aus Nordafrika und anderen Bereichen: es wurde wiederum eine Abstammung von der
maghrebinischen Bevölkerung festgestellt, aber auch von Südeuropäern.56
Wer die frühgeschichtlichen Vorfahren der Guanchen waren, würden vergleichende
DNA-Analysen (Fingerprint Techniken) wohl zeigen. Es könnten sowohl Allele der nukleären DNA, als auch der mitochondrialen DNA zur Untersuchung herangezogen werden. Durch
eine geeignete Auswahl der Probennahmen könnte untersucht werden, ob in der kanarischen
Bevölkerung Erbgut der Guanchen auf molekularer Ebene nachweisbar ist.
Ein Vergleich bisheriger Ergebnisse mit Datenbanken, in denen auch Informationen zu
anderen Frühkulturen, zB der ägyptischen, gespeichert sind, würde weiteren Aufschluß darüber geben können, wer die frühen Vorfahren der Guanchen waren. Dieses Ergebnis könnte
mit den historischen Kenntnissen korreliert werden und möglicherweise auch den Zeitpunkt
der früheren Kulturen genauer eingrenzen.
Mit dieser Methode wurde erst kürzlich festgestellt, daß die erste Besiedlung des nordamerikanischen Kontinentes wahrscheinlich nicht über die damalige Landverbindung von
Asien aus erfolgte, sondern daß bereits vor ca. 17.000 Jahren die ersten Menschen mit kleinen
Booten aus Europa kamen.57
B.5 Zusammenfassung / Schlußfolgerungen
Aus den vorherigen Überlegungen und Schlußfolgerungen kann die Hypothese der frühen, geplanten Besiedelung auf den kanarischen Inseln noch konkretisiert werden:
Nach anfänglichen, zufälligen Anlandungen an den kanarischen Inseln und aufgrund
von antikem Forschungsdrang, begann eine geplante Besiedelung.
Die anfänglichen Besiedelungen, die noch nicht als geplant eingestuft werden müssen,
sind in die Zeit vor 4000 v.Chr. einzuordnen, also in die Zeit der Megalithkulturen in Europa.
Da hier aber keinerlei Monumente wie in anderen Teilen Europas, sondern nur einige jener
Zeit zuzuordnende Felszeichnungen und andere Petroglyphen erhalten sind, spricht man zwar
von einer ersten Besiedelung, aber nicht von einer Kultur oder kulturellen Entwicklung.
56
[ xxxxx]
57
LEVY, N., 1996: Die Steinzeit Amerikaner, (Film: ARTE 18.2.06)
38
__________________________________________________________Die erste Besiedelung
Die spätere, geplante Besiedelung ließe sich grob in 2 Phasen einteilen:
Phase 1:
Die Kulturträger bzw. Kulturzeugen aus dem östlichen Mittelmeerbereich erforschten die Inseln und Länder jenseits der Säulen des Herkules (Gibraltar), an
wichtigen Punkten legten sie Siedlungen (Kolonien) an; sie brachten mit sich
das Wissen einer Zivilisation, darin eingeschlossen das Erbauen von Pyramiden für kultische Handlungen, medizinisch-chirurgische Kenntnisse, ausgefeilte Fertigung von Werkzeugen (Obsidian), u.v.a.
Als Zeitpunkt ist für diese Phase die Zeit ab ca. 2500 v.Chr. anzusetzen.
Phase 2:
Ausgehend von den Kenntnissen aus diesen Besiedelungen begann eine ökonomische Nutzung der neuen Möglichkeiten: Abbau, Verarbeitung und Handel,
vorwiegend mit den Rohstoffen Obsidian und Purpurfarbe aus der OrchillaFlechte.
Träger dieser Phase waren im wesentlichen die Phönizier, die als Experten der Seefahrt in diversen Formen der Übereinkunft mit den Ägyptern die
Entdeckungsfahrten unternommen hatten.
Als Zeitpunkt ist für diese Phase die Zeit ab ca. 1500 v.Chr. anzusetzen.
Der Handel mit Obsidian wurde mit Beginn der Eisenzeit sicherlich deutlich geringer und fand bald sein Ende, während der Handel mit der PurpurFarbe noch mehrere hundert Jahre erfolgreich und gewinnbringend weiter betrieben und ausgeweitet werden konnte.
39
_________________ __Die Bewohner der kanarischen Inseln z.Zt. der spanischen Eroberung
C. Die Bewohner der kanarischen Inseln z.Zt. der spanischen Eroberung
C.1 Die letzten phönizischen Siedler
Mit Beginn der Eisenzeit verlor der Handel mit Obsidian zunehmend an Bedeutung, sodaß nur noch der Handel mit der Purpurfarbe blieb.
Dies ist die Zeit, die von antiken Schriftstellern mehrfach erwähnt wird: Die Sage von
den Purpurinseln, von denen die Phönizier die begehrte Purpurfarbe holten.
Mit der Zerstörung Karthagos im Jahre 146 v.Chr. verschwanden die Phönizier aus dem
Blickfeld der Geschichte, auch aus der Geschichte der kanarischen Inseln. Der Sizilier Diodorus Siculus schrieb im 1.Jhdt. v.Chr. zwar, die Karthager hätten sich die Inseln als geheime
Zufluchtstätte für den Fall der Zerstörung Karthagos bereitgehalten oder auch um überhaupt
dorthin auszuwandern,58 aber offensichtlich kam es nicht mehr dazu.
Zur Zeit der Herrschaft der Römer im Mittelmeer waren die Inseln durchaus noch bekannt: der König Juba II von Mauretanien (gest. 23 n.Chr.) schickte eine Expedition zu den
kanarischen Inseln und versuchte vergeblich, sie zu erobern. Plutarch (45-125 n.Chr.) berichtet ebenfalls über die Inseln, die er in der Biographie über Sertorius (gest.72 v.Chr.)59 die 'Inseln der Seligen' nennt, und der Geograph Ptolemäus legte im 1.Jhdt. n.Chr. den Nullmeridian
seines Kartenwerkes durch die Insel Hierro.
Inwieweit aufgrund der Funde von römischen Amphoren aus dem Jahre 100 n.Chr.60
auf regelmäßige Kontakte in jener Zeit geschlossen werden kann, ist noch nicht erwiesen.
Am Ende des 9.Jhdts. soll eine arabische Flotte unter dem Befehl von Ben-Farrough die
Inseln erreicht haben und mit der dortigen Bevölkerung Handel getrieben haben.
Danach gerieten die Inseln in Vergessenheit; sie tauchen nur noch gelegentlich als ferne
Erinnerung auf oder als weitentlegenes, exotisches Königreich, wie zB in einem der Märchen
aus 1001 Nacht (Die Geschichte des Prinzen Kamr61).
58
DIODORUS, S., 1.Jhdt. v.Chr.: Historische Bibliothek
59
PLUTARCH, 1.Jhdt. n.Chr.: Biographien, (Sertorius)
60
BRAEM, H.: Die Inseln des Drachenbaums, in: HILLRICHS, H.- H., 1990: TERRA-X: Rätsel alter Weltkul-
turen, Von den Inseln des Drachenbaums zur Festung der Sturmgötter
61
TAUSEND und eine Nacht, arabische Erzählungen, 1865 (1984), S.315
40
_________________ __Die Bewohner der kanarischen Inseln z.Zt. der spanischen Eroberung
Die Inseln gerieten nicht nur in Vergessenheit, sondern es verschwanden auch alle Spuren der früheren Besiedelungen.
Die Phönizier haben sicherlich, soweit es möglich war, bei dem Verlassen der Insel alles mitgenommen, was mitzunehmen war. Sie nahmen alles mit, um sich an anderer Stelle,
weit von Karthago, neu anzusiedeln.
Inwieweit in der Zeit von ca. 100 – 1400 n.Chr. Naturkatastrophen die Reste der Siedlungen zerstört haben, ist nicht überliefert, aber Erdbeben, Vulkanausbrüche, Flutwellen
durch Seebeben sind nicht unwahrscheinlich, sodaß sowohl Siedlungen am Meer als auch im
Landesinnern völlig zerstört werden konnten.
Aristoteles (384-322 v.Chr.) behauptet sogar, die Phönizier hätten die Bevölkerung
weitgehend ausgerottet, um einerseits Aufstände zu verhindern und andererseits die Geheimhaltung nicht zu gefährden.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Wirkung der 'Schauergeschichten', die die Phönizier
über Jahrhunderte erfolgreich in die Welt setzten: die Berichte von Seeungeheuern, vom
"Tangmeer", vom "geronnenen Meer"; Berichte, die bis in die Zeit des Columbus weiterwirkten und bei der Entdeckung der Sargossa-See (weit vor der Küste Mittelamerikas) scheinbar
sogar eine Bestätigung fanden.
C.2 Die letzten Ureinwohner
Die verbliebenen Einwohner, Nachkommen der frühen Besiedler aus Spanien und
Nordafrika, lebten von den Kenntnissen und den Ressourcen, die hinterlassen waren: es entstanden zB auf der Insel Teneriffa neun Königreiche, das wichtigste war das von Güimar,
gewiß in Erinnerung daran, daß dort vor Zeiten das kultische Zentrum war. Vermutlich wurden die Pyramiden weiterhin für kultische Handlungen genutzt.
Es gab Landwirtschaft und Viehzucht, als Material für Werkzeuge und Waffen wurde
weiterhin das Obsidian verwendet.
Die Kunst der Seefahrt war in Vergessenheit geraten, ebenso die Kunst des Schiffsbaues, nur kleine Boote wurden verwendet für den Fischfang und Fahrten in Nähe der Inseln.
41
_________________ __Die Bewohner der kanarischen Inseln z.Zt. der spanischen Eroberung
Aufgrund des einzigartigen Klimas auf den Inseln des 'ewigen Frühlings' und der geringen Bevölkerungsdichte gab es auch keine Gründe, die Inseln verlassen zu wollen.
Nicht nur die antiken Schriftsteller, wie Homer, Aristoteles, Plutarch, und viele andere
sprachen von den Inseln der Seeligen, auch heute noch ist es manchem erkennbar:
'Die kanarischen Inseln sind Scheria, Phäakenland – noch kein Besucher hat etwas anderes empfunden.' 62
Abbildung 25: Kein Grund, die Insel verlassen zu wollen
[Quelle: Photo des Verfassers ]
62
[NEBEL, G., 1954: Phäakische Inseln – Eine Reise zum kanarischen Archipel, S.10]
42
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The Central Mediterranean Trade in Black Gold.
45
E. Abbildungsverzeichnis
(Für alle Abbildungen wurde bei den entspr. Verfassern die Genehmigung zum Nachdruck beantragt)
Abbildung 1: Lage der kanarischen Inseln................................................................................. 5
Abbildung 2: Sichtweite bis zum Horizont je nach Standhöhe und Höhe der Berge ................ 6
Abbildung 3: Obsidian-Vorkommen in den Cañadas ................................................................ 7
Abbildung 4: Obsidian-Vorkommen nördlich des Teide........................................................... 8
Abbildung 5: Obsidian Funde
Abbildung 6: Obsidian Splitter (Halbzeug)......................... 8
Abbildung 7: Obsidian-Handel im Mittelmeer ........................................................................ 10
Abbildung 8: Orchilla-Flechte (Roccella tinctoria) ....................................................................... 13
Abbildung 9 : Orchilla-Flechte ................................................................................................ 13
Abbildung 10: Weg von Güimar zu dem Obsidian-Vorkommen ............................................ 15
Abbildung 11: Das fruchtbare Tal von Güimar heute.............................................................. 16
Abbildung 12: Die Pyramiden von Güimar ............................................................................. 19
Abbildung 13: Die Pyramiden von St.Barbara......................................................................... 20
Abbildung 14: Mittelmeerschiffe, ägypt. Relief, 2.500 v.Chr. ................................................ 22
Abbildung 15: Lastschiff und Segelschiff, Ägypten, 1.500 v.Chr. .......................................... 23
Abbildung 16: Cordierit (links) bzw. Iolith ('Sonnenstein')................................................... 24
Abbildung 17: Nordostpassat in den Sommermonaten............................................................ 25
Abbildung 18: Westwinde in den Wintermonaten ................................................................... 26
Abbildung 19: Kanarenstrom und die anderen Meeresströmungen......................................... 27
Abbildung 20: ägypt. Schiff-Darstellung (Steinschnitt), 4.Jtsd.v.Chr. ................................... 30
Abbildung 21: Schiff-Darstellung auf Stein (kanar. Inseln) .................................................... 31
Abbildung 22: phönizische Schiffe (Relief ca. 750 v.Chr.) ..................................................... 32
Abbildung 23: Begräbnisboot des Cheops ............................................................................... 32
Abbildung 24: Felszeichnungen und alte Keramik (Reproduktion) ...................................... 36
Abbildung 25: Kein Grund, die Insel verlassen zu wollen ...................................................... 42
Stand: Hamburg, Dezember 2006
© Hartmut Happ, Hamburg
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