24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte
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24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte
Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge 24 Teil 2 Aufsicht in der Kindertagesstätte 24.10 24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte Grundsätzliche Bemerkungen Inhaltsübersicht 1. Problemstellung 2. Grundlagen der Aufsichtspflicht 3. Zweck der Aufsicht 4. Umfang der Aufsicht 5. Aufsicht während besonderer Veranstaltungen 6. Mögliche Folgen von Aufsichtspflichtverletzungen 1. Problemstellung Die größte Befürchtung des erzieherischen Personals der Kindertagesstätten ist es, dass die Aufsichtspflicht verletzt wird und infolgedessen ein Kind zu Schaden kommt. Diese Furcht wird dadurch genährt, dass Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht gesetzlich nicht geregelt sind. Bezeichnenderweise erwähnt das Bürgerliche Gesetzbuch die Aufsichtspflicht unmittelbar auch nur einmal und dann im Zusammenhang mit (zivilrechtlicher) Haftung.1 Was im Einzelnen zur Aufsichtspflicht gehört, wurde deshalb von der Rechtsprechung entwickelt, wobei zu beachten ist, dass es sich stets um Einzelfallentscheidungen handelt, die nur mit gewissen Einschränkungen verallgemeinerungsfähig sind. Es können deshalb im Folgenden auch nur Hinweise gegeben und kein fertiges Rezept präsentiert werden, was im Einzelnen zu beachten ist. 2. Grundlagen der Aufsichtspflicht Nach § 1631 Abs. 1 BGB ist die Aufsichtspflicht Bestandteil der elterlichen Personensorge. Durch die Anmeldung in der Kindertagesstätte übertragen die Eltern die Aufsichtspflicht für die Betreuungszeit dem Kindertagesstättenträger. Das kann entweder hoheitlich oder privatrecht1. Vgl. § 832 BGB. Handbuch des Rechts für Kindertageseinrichtungen 2453.00 1 24 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge Teil 2 24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte lich erfolgen, je nachdem, welcher Natur das Rechtsverhältnis ist. Der Träger ist als juristische Person aber nicht in der Lage, diese übernommene Aufsichtspflicht selbst auszuüben. Er delegiert diese Pflicht durch die Arbeitsverträge auf das sozialpädagogische Personal in seinen Einrichtungen. Dabei obliegt es dem Träger, seine Mitarbeiter sorgfältig auszuwählen, ihre Eignung zu überprüfen, ihre Einarbeitung sicherzustellen, Fortbildungsangebote zu machen, wichtige Informationen weiterzugeben und die Beschäftigten nicht zu überfordern. Das Personal ist rechtlich gesehen, Erfüllungsgehilfe des Kindertagesstättenträgers. Den Leitungskräften kommt dabei besondere Bedeutung zu, da sie unmittelbar für den Personaleinsatz verantwortlich sind. Sie müssen als Vorgesetzte den Dienstbetrieb regeln und u. a. dafür sorgen, dass neue Mitarbeiterinnen sorgfältig eingewiesen und auf mögliche Gefahrenquellen hingewiesen werden. 3. Zweck der Aufsicht Prävention Die Aufsicht dient zunächst dem präventiven Schutz. Sie soll sicherstellen, dass im Kindertagesstättenbetrieb sonst zu befürchtende Personen- und Sachschäden nach Möglichkeit vermieden werden. Damit dient die Aufsicht den Interessen der Kinder und ihrer Eltern, sowohl in ideeller als auch in materieller Hinsicht. Kein Kind soll Schaden an Körper oder Eigentum erleiden. Daneben bezweckt sie auch den Schutz des Kindertagesstättenträgers vor Sachschäden am Gebäude und der Erzieherinnen vor möglichen Personen- oder Sachschäden. Und schließlich sollen auch Dritte vor solchen Schäden bewahrt werden.2 In der Absicht, Kinder der Kindertagesstätte vor möglichen Verletzungen zu bewahren, ist die Pflicht zur Aufsicht 2. OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. Oktober 1995 – 18 U 225/94 – VersR 1996, 710. Vgl. OLG Celle, Urteil vom 12. Juli 1965 – 5 U 77/64 – NJW 1966, 302. 2 Teil 2 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge 24 Aufsicht in der Kindertagesstätte 24.10 auch gleichzeitig Ausdruck der Fürsorge. Das bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als dass mit der Aufsicht die Sicherheit der von den Eltern der Kindertagesstätte anvertrauten Kinder gewährleistet werden soll. Diese Schutz- und Fürsorgefunktion ist von besonderer Bedeutung, weil die Eltern und sonstigen Erziehungsberechtigten zumindest beim Besuch von Kindergärten in öffentlicher Trägerschaft den gesetzlich normierten Rechtsanspruch auf Betreuung ihrer Kinder nach § 24 Satz 1 SGB VIII geltend machen und einlösen. Für den Krippen- bzw. Hortbereich gilt im Ergebnis nichts anderes, denn nach § 24 Satz 2 SGB VIII ist für ein bedarfsgerechtes Angebot an entsprechenden Plätzen zu sorgen. Die Aufsicht ist natürlicher Bestandteil der in der Kindertagesstätte geleisteten Erziehungsarbeit: Durch die Aufsicht werden die Kinder dazu angehalten, ihr Verhalten so auszurichten, dass sie weder sich selbst noch andere Personen oder deren Eigentum schädigen. So verstanden bedeutet Aufsicht, den Umgang der Kinder mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit fremden Sachen in einer Weise zu regeln, die ein gedeihliches Miteinanderleben – jedenfalls innerhalb der Kindertagesstätte – ermöglicht. Erziehungsarbeit 4. Umfang der Aufsicht § 22 SGB VIII verpflichtet die Kindertagesstätten, die ihr anvertrauten Kinder zu betreuen, zu bilden und zu erziehen. Dabei steht die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit im Mittelpunkt. Die Aufsichtspflicht dient der Verwirklichung dieser gesetzlichen Vorgabe; sie ordnet sich damit dem gesetzlichen Auftrag unter. Sie ist Mittel zum Zweck. In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich die Aufsichtspflicht auf die Betreuungszeit. Sie beginnt mit der Inobhutnahme beim Eintreffen der Kinder in der Einrichtung und endet zeitlicher Aspekt Handbuch des Rechts für Kindertageseinrichtungen 2453.00 3 24 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge Teil 2 24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte mit dem Entlassen am Ende der Betreuungszeit. In Ermangelung einer gesetzlichen oder vertraglichen Regelung besteht keine Aufsichtspflicht über Kinder, die sich auf dem Weg zum oder vom Kindergarten befinden.3 Kinder, die sich unerlaubt vom Gelände entfernen, unterliegen weiter der Aufsichtspflicht.4 Die Aufsicht erstreckt sich auf alle Bereiche, die mit dem Betrieb der Kindertagesstätte im Zusammenhang stehen. Im Einzelnen sind das die gesamte innerhalb der Kindertagesstätte durchgeführte Betreuung, innerhalb der Betreuungszeit zurückgelegte Wege und alle besonderen Veranstaltungen (Ausflüge, Wanderungen o. Ä.). inhaltliche Anforderungen Umfang und Inhalt der Aufsicht entsprechen einer Gleichung mit mehreren Unbekannten. Der Bundesgerichtshof sagt: „Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Eltern in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung [in diesem Fall] Dritter durch ihr Kind zu verhindern.“5 Die inhaltlichen Anforderungen an berufsmäßig tätiges Erziehungspersonal sind dabei naturgemäß höher als an die Eltern, die die Erziehungsarbeit ohne eine derartige Ausbildung leisten müssen. Als pädagogischer Mitarbeiter in einer Kindertagesstätte wünscht man sich allerdings manchmal, dass Eltern, bevor sie Kin3. LG Bielefeld, Urteil vom 21. März 1979 – 2 Ns 10 Ls 21 Js 929/77. Abgedruckt in Pantel, Fürsorge und Aufsicht in Kindergärten und Kindertagesstätten, I II 29. 4. BSG, Urteil vom 30. Juni 1998 – B 2 U 20/97 R – NZS 1999, 42. 5. Urteil vom 1. Juli 1986 – VI ZR 214/84 – NJW-RR 1987, 13: Siebenjähriges Kind spielt mit Feuerzeug. 4 Teil 2 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge 24 Aufsicht in der Kindertagesstätte 24.10 der in die Welt setzen, ebenfalls eine entsprechende Ausbildung machen müssen. Manche Probleme gäbe es dann im Betreuungsalltag nicht oder weniger stark ausgeprägt. Art und Umfang der Aufsichtsführung sind also inhaltlich insbesondere abhängig von den folgenden Faktoren: Alter der Kinder Jüngere Kinder benötigen mehr Aufsicht als ältere Kinder, da sie viele Gefahren nicht erkennen, unberechenbar handeln und oft die Folgen ihres Verhaltens mangels Erfahrung nicht abschätzen können. Alter Entwicklungsstand der Kinder Wichtiger als das Alter ist ein Überblick über den körperlichen, geistigen, emotionalen und sozialen Entwicklungsstand. Unerlässlich sind insoweit Informationen über Gesundheitsschäden, Behinderungen, Allergien und andere einschlägige Informationen, die von den Eltern abgefragt werden müssen. Kinder, die erst seit kurzem in der Einrichtung sind, verlangen mehr Aufsicht, da ihr Verhalten noch nicht abschätzbar ist. Unreife, entwicklungsverzögerte Kinder sind ebenfalls anders zu beaufsichtigen als selbstständige, gehorsame Kinder. Entwicklungsstand Charakter der Kinder Kinder, die durch aggressives Verhalten auffallen6, zu üblen Streichen7 oder zum unerlaubten Entfernen8 neigen, bestimmte schadensstiftende Verhaltensweisen schon 6. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1995 – VI ZR 219/94 – NJW 1995, 3385. 7. BGH, Urteil vom 27. Februar 1996 – VI ZR 86/95 – NJW 1996, 1404. 8. AG Hamburg, Urteil vom 8. November 2002 – 145-27/02 und 145 Ds/4005 Js 864/01. Abgedruckt in Pantel, Fürsorge und Aufsicht in Kindergärten und Kindertagesstätten, I II 26. Handbuch des Rechts für Kindertageseinrichtungen 2453.00 5 24 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge Teil 2 24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte Charakter einmal an den Tag gelegt haben9 oder die eigenen Fähigkeiten überschätzen, erfordern ein erhöhtes Maß an Aufsicht. Größe und Zusammensetzung der jeweils betreuten Gruppe Gruppengröße Die unterschiedlichen Charaktere und Entwicklungsstände der betreuten Kinder haben Einfluss auf die gebotene Aufsicht. Besonders bei altersgemischten Gruppen wird dies von erheblicher Bedeutung sein. Gruppen erzeugen eine eigene Dynamik, die das Verhalten des einzelnen Kindes sehr stark beeinflussen kann. Die natürliche Hemmschwelle wird herabgesetzt. Äußere Faktoren Hier spielen u. a. Umgebung, Spielmöglichkeiten, Gefährlichkeit einer Veranstaltung eine Rolle. Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht lassen sich demnach nicht abstrakt festlegen, sondern richten sich stets nach den besonderen Anforderungen der jeweiligen Situation. So ist beispielsweise die Erzieherin für alle in ihrem Gruppenraum befindlichen Kinder verantwortlich oder auch für die Kinder, die sich an einem von ihr durchgeführten Projekt beteiligen. Darüber hinaus muss die Erzieherin aber auch tätig werden, wenn sie außerhalb ihres gerade aktuellen Einsatzbereiches eine gefährliche Situation erkennt und es an einem Eingreifen der an sich zuständigen Erzieherin fehlt. Kinder, die in einer Spielecke sitzen und mit Legosteinen bauen, erfordern eine andere Art der Aufsicht als Kinder, die im Rahmen von Papierbastelarbeiten mit Scheren und Kleber hantieren. Ähnliches gilt für kleine Kinder, die den Umgang mit Messer und Gabel erlernen. Dabei sind die 9. OLG Köln, Urteil vom 20. Mai 1999 – 7 U 5/99 – MDR 1999, 997. 6 Teil 2 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge 24 Aufsicht in der Kindertagesstätte 24.10 Kinder unter Berücksichtigung des Erziehungsauftrages mit den typischen Eigenarten einer Beschäftigung vertraut zu machen, damit sie lernen, die damit verbundenen Gefahren einschätzen und beherrschen zu können. Gruppenspezifische Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Kindergruppen erfordern eine andere Beaufsichtigung als einzelne Kinder. Insoweit ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Erziehern und betreuten Kindern zu berücksichtigen. Hierbei kommt den in Richtlinien aufgestellten Richtwerten für Gruppengrößen und Personalschlüsseln ein bestimmtes Gewicht zu. Bei der begründeten Gefahr einer wesentlichen Überschreitung dieser Werte (z. B. durch Erkrankung von Mitarbeitern) ist die Kindertagesstättenleiterin verpflichtet, den Einrichtungsträger unverzüglich einzuschalten und auf Abhilfe zu dringen. Besonderes Augenmerk wird auf die wechselnde Gruppenzugehörigkeit bei der so genannten offenen Gruppenarbeit zu legen sein. Durch den Wechsel von einer Gruppe zu einer anderen ist durch ein Ab- und Anmeldesystem zu verhindern, dass „Aufsichtslöcher“ entstehen, innerhalb derer die Kinder außerhalb der Kontrolle der Erzieherinnen geraten. Einen ähnlich sensiblen Umgang erfordert die Übertragung der Aufsichtspflicht auf ein Erzieherteam. Hier ist eine klare und eindeutige Regelung über die Zuständigkeiten in Bezug auf die Ausübung der Aufsichtspflicht unerlässlich, um im Schadensfall ein Hin- und Herschieben der Verantwortlichkeit zu vermeiden. Letzteres führt nämlich regelmäßig dazu, dass unabhängig von der Verantwortlichkeit einzelner Mitarbeiterinnen die Einrichtung an sich ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist. Rechtlich gesehen, wird das als Organisationsverschulden gewertet, das dann der verantwortlichen Kindertagesstättenleiterin anzulasten wäre. Gruppengröße offene Gruppenarbeit Erzieherteam Handbuch des Rechts für Kindertageseinrichtungen 2453.00 7 24 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge Teil 2 24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte Weiterhin richten sich Art und Umfang der Aufsicht nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten. Dabei sind u. a. die Lage der Einrichtung, ihr baulicher Zustand, die Ausstattung der Gruppenräume sowie Lage und Gestaltung des Außengeländes in Betracht zu ziehen. Außengelände Hilfspersonal Für den Aufenthalt auf dem Außengelände gelten grundsätzlich die gleichen Erwägungen. Zusätzlich wird hier der gegenüber dem Gruppenraum erheblich größere Aufsichtsbereich zu berücksichtigen sein. Die notwendige Aufsicht muss hier engmaschig, im Abstand von wenigen Minuten erfolgen.10 Abstände von 15 bis 20 Minuten sind nicht ausreichend. Die Beaufsichtigung darf auch aus einer gewissen Distanz erfolgen; der Standort ist jedoch so zu wählen, dass im Notfall binnen weniger als 30 Sekunden eingegriffen werden kann.11 Im Freien aufgestellte Spielgeräte müssen grundsätzlich zumindest durch Inaugenscheinnahme auf ihre Sicherheit hin überprüft werden. Darüber hinaus sind Kinder durch entsprechende Hinweise zur regelgerechten Nutzung anzuhalten (z. B. durch das Gebot, Rutschen nur vorwärts sitzend zu benutzen o. Ä.). Ergeben sich bei der Benutzung Hinweise auf Gefahrenquellen (z. B. Glasscherben im Sand), so ist auf die Beseitigung hinzuwirken oder der Gefahrenbereich abzusperren. Daneben können weitere Personen mit der Wahrnehmung von Aufsichtspflichten betraut werden. In Betracht kommen hier Praktikanten oder auch Eltern. Zu beachten ist dabei, dass in diesen Fällen die auswählende Erzieherin für die Auswahl der Aufsichtsperson fachlich verantwortlich ist. In welchem Umfang Personen für die Übernahme von Aufsicht geeignet sind, wird sich vor allem danach bemessen, 10. OLG Köln, a. a. O. Eine Überwachung auf „Schritt und Tritt“ wird allerdings ausdrücklich abgelehnt. 11. LG Berlin, Urteil vom 8. Dezember 1976 – 7 O 247/75. Abgedruckt in Pantel, Fürsorge und Aufsicht in Kindergärten und Kindertagesstätten, I II 11. 8 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge 24 Teil 2 Aufsicht in der Kindertagesstätte 24.10 – ob und in welchem Umfang sie bereits zuvor in der Kindertagesstätte tätig waren, – ob und in welchem Umfang Erfahrungen im Umgang mit Kindern bestehen, – ob sie bereit und in der Lage sind, mit den Erzieherinnen zusammenzuarbeiten, – ob sie die zu betreuenden Kinder kennen. Weitere Voraussetzungen für den Einsatz sind: – Die Einsatzsituation muss klar abgegrenzt und einfach zu bewältigen sein, – die nötigen Informationen müssen gegeben sein, – die Anweisungen müssen verständlich und eindeutig sein und – die Ausführung muss in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. 5. Aufsicht während besonderer Veranstaltungen Bei Ausflügen, Wanderungen oder ähnlichen Veranstaltungen kommen weitere Aspekte der Aufsichtspflicht hinzu. So hat sich die Erzieherin sinnvollerweise mit den örtlichen Gegebenheiten vorab vertraut zu machen. Daneben sollten die Veranstaltungen zuvor thematisch mit den Kindern besprochen und auf mögliche Gefährdungen hingewiesen werden. Es empfiehlt sich, insbesondere bei der Teilnahme am Straßenverkehr, bestimmte Verhaltensregeln festzulegen (z. B. paarweises Gehen auf dem Bürgersteig, Sammeln und Ordnen vor Erreichen der Straße)12 und diese vorher einzuüben. Ausflüge Wird beispielsweise mit einer Hortgruppe ein Schwimmbad besucht, so sollte vorab nachweisbar (z. B. durch bei der DLRG erworbene Befähigungsnachweise) festgestellt 12. OLG Schleswig, Urteil vom 22. Juni 1994 – 9 U 95/93 – NZV 1995, 24. Handbuch des Rechts für Kindertageseinrichtungen 2453.00 9 24 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge Teil 2 24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte Schwimmbad werden, welche Kinder schon schwimmen können und welche nicht. Außerdem ist das vorherige Einholen einer schriftlichen Einverständniserklärung der Eltern für die Teilnahme unbedingt anzuraten. Im Übrigen sollten hier mindestens zwei Erzieherinnen für jede Kindergruppe (z. B. Schwimmer/Nichtschwimmer) eingesetzt werden. Eine Aufsicht muss hier lückenlos erfolgen. Diese Erkenntnisse lassen sich aus dem Urteil des LG Hanau zum Schwimmbadunfall in Maintal13 ableiten. 6. Mögliche Folgen von Aufsichtspflichtverletzungen Wie bereits ausgeführt, vertrauen die Erziehungsberechtigten ihre Kinder der Kindertagesstätte an und dürfen dann davon ausgehen, dass die Kindertagesstätte ihrer Verpflichtung, die Kinder vor Schäden zu bewahren, nachkommt. Wenn im Einzelfall dennoch Kinder im Rahmen der Betreuung Schäden erleiden, sind diese ihnen gegenüber auszugleichen. Hierfür kommen mehrere Wege in Betracht: gesetzliche Unfallversicherung Zum einen sind alle Kinder während des Besuchs der Kindertagesstätte nach den Vorschriften des SGB VII über die gesetzliche Unfallversicherung versichert. Dies bedeutet, dass alle Körperschäden, die ein Kind während der Betreuung erleidet, durch die gesetzliche Unfallversicherung reguliert werden. Hierzu gehören auch die bei einem Unfall aufgetretenen Sachschäden an medizinischen Hilfsmitteln, Kleidung o. Ä. Nicht ersetzt werden jedoch immaterielle Schäden. Es gibt also kein Schmerzensgeld. Im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung ist es im Übrigen unerheblich, ob der Unfall durch einen Verstoß einer Aufsichtsperson gegen die Aufsichtspflicht eingetre13. Urteil vom 6. September 2000 – 3 Ns 42/2000, abgedruckt in Pantel, Fürsorge und Aufsicht in Kindergärten und Kindertagesstätten, I II 10. Vgl. auch den Kommentar von Schmidt, ebenda. Das verunglückte Kind wurde für ca. 15 Sekunden aus den Augen gelassen. 10 Teil 2 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge 24 Aufsicht in der Kindertagesstätte 24.10 ten ist. Die Haftung der gesetzlichen Unfallversicherung ist insoweit verschuldensunabhängig. Maßgeblich ist allein, ob der Unfall während des Kindertagesstättenbetriebes oder auf dem Weg von und zur Kindertagesstätte eingetreten ist. Hat die Erzieherin den Unfall vorsätzlich14 oder grobfahrlässig15 herbeigeführt, kann der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung von ihr nach § 110 SGB VII den Ersatz der Aufwendungen verlangen. Sofern der Schaden eines Kindes auf einen Aufsichtspflichtverstoß einer Aufsichtsperson zurückzuführen ist, kann darüber hinaus ein Schadensersatzanspruch bei öffentlich-rechtlichem Benutzungsverhältnis nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG, bei privatrechtlichem Benutzungsverhältnis nach § 832 BGB in Verbindung mit §§ 31, 89, 276 BGB gegen den Kindertagesstättenträger in Betracht kommen. Leistungen, die die gesetzliche Unfallversicherung erbracht hat, werden auf den Schadensersatzanspruch angerechnet. Liegen die anspruchsbegründenden Voraussetzungen vor, trifft die Pflicht zum Schadensersatz den Arbeitgeber der Erzieherin. Dieser leistet dem geschädigten Kind den erforderlichen Schadensersatz. Ein Rückgriff auf die handelnde Erzieherin kommt dabei, soweit dem Arbeitsverhältnis der BAT16 zugrunde liegt, nur in Betracht, wenn diese vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt haben sollte, was bei verantwortungsbewusst handelnden Erzieherinnen regelmäßig ausscheidet. Bei Arbeitsverhältnissen außerhalb der Geltung des BAT17 kann eine zumindest anteilige Haftung der Erzieherin bereits bei mittlerer Schadensersatz Regresshaftung 14. Also bewusst und gewollt. 15. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1992 – XI ZR 265/91 – NJW 1992, 3235 (3236) m. w. N. 16. Gleiches gilt für BAT-O, BAT-KF, AVR. 17. Gleiches gilt für BAT-O, BAT-KF, AVR. Handbuch des Rechts für Kindertageseinrichtungen 2453.00 11 24 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge Teil 2 24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte Fahrlässigkeit18 in Betracht kommen. Gleiches gilt seit dem 1. Oktober 2005 für Beschäftigte im Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD), da die alte Haftungsregelung des § 14 BAT in den neuen Tarifvertrag nicht aufgenommen wurde. In Fällen, in denen der Schaden durch das Verhalten eines anderen Kindertagesstättenkindes herbeigeführt worden sein soll, kann schließlich ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB gegen das den Schaden verursachende Kindertagesstättenkind in Betracht kommen, soweit Verschulden zugrunde gelegen hat.19 In der Praxis werden derartige Fälle meist über die Haftpflichtversicherung der Erziehungsberechtigten reguliert werden können. Abmahnung Straftat Arbeitsrechtlich können Verletzungen der Aufsichtspflicht, auch wenn kein Schaden eingetreten ist, mit einer Abmahnung durch den Arbeitgeber geahndet werden. Aufsichtspflichtverletzungen können schließlich auch strafrechtlich relevant werden. Hierfür ist Voraussetzung, dass ein tatbestandsmäßiger Erfolg (Körperverletzung oder Tod) eingetreten ist und der Erfolg auf einer Aufsichtspflichtverletzung beruht. Die Handlung muss vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein. Die Verantwortung im strafrechtlichen Sinne ist immer personengebunden. Der strafrechtlich bedeutsame Vorwurf trifft mithin nicht den Arbeitgeber, sondern die verantwortliche Erzieherin persönlich und unmittelbar. Es ist aber festzuhalten, dass Strafverfahren im Zusammenhang mit Aufsichtspflichtverletzungen in der Praxis äußerst selten vorkommen. Die in 18. Mittlere Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde und der missbilligte Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vorhersehbar und vermeidbar gewesen wäre. 19. Zu beachten ist hier, dass Kinder, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für Schäden aller Art nicht haftbar gemacht werden können, § 828 Abs. 1 BGB. 12 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge 24 Teil 2 Aufsicht in der Kindertagesstätte 24.10 der Presse dargestellten Fälle dürfen mithin nicht überbewertet werden. Bei Betrachtung der dargestellten Aufsichtsregeln dürften einerseits die berechtigten Forderungen der Erziehungsberechtigten nach Schutz und Fürsorge ihrer der Kindertagesstätte anvertrauten Kinder erfüllt werden und andererseits die Erzieherin vor denkbaren Regressforderungen bei eventuell eintretenden Schadensfällen weitgehend geschützt sein. Magistratsoberrat Christian Schmidt, Frankfurt am Main Handbuch des Rechts für Kindertageseinrichtungen 2453.00 13 24 Aufsicht, Sicherheit, Fürsorge 24.10 Aufsicht in der Kindertagesstätte 14 Teil 2