Patienteninfomationen

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Patienteninfomationen
Nutzen und Kosten der Wurzelkanalbehandlung Fachliches zum Thema Wurzelkanalbehandlung Die Wurzelkanalbehandlung ist eine Maßnahme zum Erhalt eines stark erkrankten
Zahnes.
Die Behandlung besteht darin, das lebende, stark entzündete oder bereits abgestorbene
Weichgewebe (Zahnnerv)1; im Inneren des Zahnes zu entfernen, den Hohlraum bis in die
Spitze der Wurzel so zu gestalten und zu desinfizieren, dass er durch eine Wurzelfüllung
hermetisch verschlossen werden kann. So wird, bei anschließender entsprechender
Versorgung des Zahnes mit einer dichten Füllung oder einer Krone, der Zahn
beschwerdefrei und voll belastbar im Mund verbleiben. Über den Zahn werden keine
Temperaturunterschiede mehr registriert2.
Seine Berührungsempfindlichkeit bleibt durch den weiterhin gesunden Zahnhalteapparat
erhalten. Das Kaugefühl ist das gleiche wie vor der Behandlung.
Die Ursache für die Entzündung des Weichgewebes im Inneren des Zahnes ist meist eine
Karies. Erreichen die Krankheitserreger die Nähe des Weichgewebes im Zahninneren,
reagiert dies mit einer Entzündung3 und stirbt letztlich ab. Die Entzündung ist meist
extrem schmerzhaft, in anderen Fällen spürt der Patient nur leichte oder gar keine
Schmerzen. Unbehandelt greift die Entzündung auf den Knochen über und kann zu
schweren Infektionen mit Fieber, Schwellungen und starker Beeinträchtigung des
Allgemeinzustandes führen.
Das Absterben des Weichgewebes im Zahninnern kann aber auch durch andere zu
starke Reize oder Einwirkungen verursacht werden. Beispiele sind Unfälle4 oder das
Überhitzen des Zahnes.
1
Das Weichgewebe heißt Pulpa, umgangssprachlich „Nerv“. Das Pulpengewebe besteht aus Bindegewebe, Blutgefäßen, Lymphgefäßen und Nerven. 2
Der Zahn selbst ist devital. 3
Pulpitis 4
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Allgemeiner Behandlungsablauf •
Diagnose
Befunderhebung, Sensibilitätsprüfung, Röntgenbild
•
Lokalanästhesie (vergleichbar wie bei einer Füllung oder Zahnentfernung)
•
Der Zahn wird in der Regel durch eine gelochte Gummimembran5 geknöpft und so
gegenüber der Mundhöhle isoliert. Damit wird vermieden, dass mit Keimen
durchsetzter Speichel in den Zahn und damit bis in den Knochen eindringt.
Desinfizierende Spüllösungen kommen nicht an die Mundschleimhäute.
•
Ggf. Beseitigung des kariösen Gewebes und dichte Füllung
•
Eröffnung des Zugangs6 zur Weichgewebshöhle im Zahninnern7
•
Entfernung des lebenden oder abgestorbenen Weichgewebes aus der
Pulpenhöhle, Suche der Kanaleingänge. Jede Wurzel hat einen oder auch
mehrere Wurzelkanäle.
•
Entfernung des lebenden oder abgestorbenen Weichgewebes aus den
Wurzelkanälen
•
Bestimmung der Länge der Wurzelkanäle (z.B. Röntgen); ggf. auch mehrfach
notwendig
•
Aufbereitung der Wurzelkanäle; d.h. Abtragen der Kanalwände, um mit Keimen
oder Zellgiften durchsetztes Hartgewebe zu entfernen8. Gleichzeitig muss eine
Form geschaffen werden, die später einen gleichmäßig dichten Verschluss des
5
Cofferdam 6
Trepanation 7
Pulpenkavum 8
Das Hartgewebe im Inneren des Zahns (Dentin) ist von mikroskopisch feinen röhrenartigen Hohlräumen (Tubuli) durchzogen. 2
Hohlraums ermöglicht.
Dazu werden meist Feilen eingesetzt. Zur Desinfektion und zum Abtransport
gelöster Späne werden wiederholt Spüllösungen verwendet.
9
•
Oft kann die Behandlung nicht in einer Sitzung abgeschlossen werden. Dann wird
ein desinfizierendes Medikament in die Wurzelkanäle eingebracht.
•
Wenn in der Folgesitzung festgestellt wird, dass die Kanäle sauber und trocken
sind, also auch keine Feuchtigkeit aus dem Knochen in die Kanäle eintritt, werden
die Wurzelkanäle mit einer Wurzelfüllung hermetisch dicht verschlossen. Es darf
dauerhaft keine Gewebsflüssigkeit aus dem Knochen eindringen können. Dadurch
könnten eventuell noch vorhandene Zellgifte9 oder Keime ausgespült werden. Dies
würde zu einer Entzündung im Knochen führen.
•
Eine absolut dichte Füllung10 verschließt den Zugang zum Mund hin.
Wenn wenig Zahnsubstanz vorhanden ist, sollte wie bei vitalen Zähnen auch,
später eine Überkronung erfolgen.11
•
Das Behandlungsergebnis wird durch eine Röntgenaufnahme kontrolliert und
dokumentiert.
•
Später (je nach Ausgangsbefund nach 3 bis 12 Monaten) sollte röntgenologisch
kontrolliert werden, ob der die Wurzelspitzen umgebende Knochen frei von
Entzündungen ist.
Damit kann davon ausgegangen werden, dass keine weiteren Maßnahmen
notwendig sind und der Zahn eine gute Langzeitprognose hat.
Endotoxine = Produkte des Gewebszerfalls 10
Es hat sich bewährt Schmelz‐Dentin‐adhäsive Füllungen zu legen, die wirklich Feuchtigkeitsdicht sind. 11
Wurzelbehandelte Zähne können sich verfärben und dadurch ästhetisch stören. Wenn nicht ohnehin eine Überkronung durchgeführt wird, kann diese Verfärbung durch internes Bleichen des Zahnes korrigiert werden. 3
Mehr Aufwand – mehr Erfolg? Der oben beschrieben Ablauf kann bei fast allen beschriebenen Punkten durch
Spezialverfahren und/oder den Einsatz besonderer Instrumente und Materialien ergänzt
werden.
Alles zielt darauf ab
•
durch gute Diagnostik mit bildgebenden Verfahren eine genaue Vorstellung vom
Zahn mit seiner Wurzelgestalt, seinen Wurzelkanälen und dem vorliegenden
Problem zu erhalten.
•
alle Kanäle aufzufinden (Was schwierig genug ist, da nicht bekannt ist wie viel
Kanäle der Zahn haben wird.)
•
die Kanäle vollständig bis in die Spitze der Wurzel und in erforderlichem
Querschnitt aufzubereiten
•
vollständig zu desinfizieren
•
und mit der Wurzelfüllung dicht zu verschließen
Die Statistik zeigt jedoch die Komplexität der Behandlung. Die Erfolgswahrscheinlichkeit
aller Wurzelbehandlungen in Deutschland liegt bei nur 45%.
Durch Erfahrung und Spezialisierung lässt sich die Qualität einer Wurzelbehandlung
verbessern. Für fast jeden Schritt sind zusätzliche Techniken und Materialien verfügbar,
die in den Händen eines versierten Zahnarztes den Erfolg wahrscheinlicher machen.
Spezialisten arbeiten vermehrt mit einem dentalen Operationsmikroskop. Für die
Diagnostik bietet sich ein digitales Röntgengerät an, das sofortige Ergebnisse liefert.
Besonders komplexe Wurzelformen können auch mit 3D-Verfahren (z.B. digitale
Volumentomographie) erfasst werden. Zur Aufbereitung der Kanäle gibt es besonders
aufwändige elastische und biegsame Instrumente (z.B. aus Nickel-Titan). Maschinelle
Aufbereitungssysteme bieten viele Vorteile. Die Spülung der Kanäle kann mit besonderen
Kanülen, speziell erwärmten Spüllösungen und unter Ultraschall-Einsatz erfolgen. Neben
dem Röntgen haben sich elektronische Messgeräte für die Längenbestimmung der
Kanäle als schnell und präziser erwiesen. Die Desinfektion der komplex geformten
Kanäle kann sehr wirksam mittels Laser, Ozon oder einer photoaktivierten Therapie
erfolgen. Zum Abfüllen der Wurzelkanäle gibt es hochwertige Systeme, die z.B. erwärmte
und verflüssigte Materialien besonders abdichtend einbringen.
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Die Behandlung eines oberen ersten Backenzahns (2 Wurzelkanäle) kann bei einem
besonders qualifizierten Zahnarzt innerhalb von 2 Stunden erledigt sein, je nach
Verhältnissen kann sie aber auch nach 3-4 Stunden noch nicht beendet sein.
Die Erfolgsquote der Behandlung beim Spezialisten liegt bei annähernd 90%.
Die ökonomische Seite Im Durchschnitt liegt der Kostenstundensatz deutscher Zahnärzte bei ca. 230 € (PrognosStudie um Auftrag der Bundeszahnärztekammer –das Bundesministerium hat vor Jahren
noch unter Ulla Schmidt 198 € als Durchschnittswert bestätigt.)
Für die Behandlung eines Zahnes mit 2 Wurzelkanälen kann der Zahnarzt den
gesetzlichen Krankenkassen ca. 233 €12 berechnen. Das finanziert gut 1 Stunde
Behandlung.
Eine solche Behandlung wird eine geringere Erfolgswahrscheinlichkeit haben, als eine
Behandlung für die mehr Zeit, aufwändigere Ausrüstung und teuere, wirksamere
Instrumente zur Verfügung stehen. Die deutschlandweite Erfolgsquote von 45-55% mag
sicherlich auch dadurch begründet sein, dass eine Wurzelbehandlung nach aktuellem
Stand des wissenschaftlichen Fortschritts aus wirtschaftlichen Gründen nur in der
privatzahnärztlichen Therapie und nicht im Rahmen der Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung möglich ist.
Als besonders problematisch erweist sich der alte Sachleistungsgrundsatz der
gesetzlichen Krankenversicherung. Wenn eine Leistung besonders zeitaufwändig und mit
besonderem technischen Aufwand oberhalb des Standards der gesetzlichen
Krankenversicherung erbracht wird, darf nicht der Mehraufwand mit dem Patienten
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vereinbart und berechnet werden. Wird nicht die Vertragsleistung erbracht, geht bei
Wurzelbehandlungen anders als in der Füllungstherapie der Anspruch auf die
Kassenleistung ganz verloren.13
Um gesetzlich versicherten Patienten gleichwohl den Zugang zu einer aufwändigeren
Wurzelbehandlung zu ermöglichen, werden die zusätzlich zu den Kassenleistungen
anfallenden Privatleistungen (z.B. die elektronische Längebestimmung oder apparativ
aufwändige Desinfektionsverfahren) privat mit dem Patienten so vereinbart, dass mit dem
Honorar insgesamt die erforderliche Behandlungszeit für die aufwändigere
Wurzelbehandlung abgedeckt ist.
Nicht jede Wurzelbehandlung wird übrigens von der Krankenkasse übernommen.
Dies ist unter anderem abhängig von der Position und dem Zustand der Versorgungsform
des Zahnes. So ist z.B. eine Wurzelbehandlung an einem hinteren Backenzahn, wenn der
Zahn davor fehlt, nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse vorhanden.
Auch Kosten für die erneute Behandlung unvollständig wurzelgefüllter Zähne werden
nicht übernommen, obwohl die Prognose gut ist.
Die Zahnärzteschaft (über Verbände und vor allem die Kassenzahnärztliche
Bundesvereinigung) wirbt dafür, u.a. die Wurzelbehandlung so durch ein FestzuschussSystem kassenseitig zu finanzieren, wie es sich für den Zahnersatz bewährt hat.
Alternativen Chirurgische zahnerhaltende Maßnahmen
Traditionell werden entzünde, unvollständig wurzelgefüllt Zähne chirurgisch behandelt
indem die Wurzelspitzen gekappt werden. Nach aktuellem Wissenstand ist dies nur
2.Wahl; wenn möglich ist eine Revision der Wurzelbehandlung vorzuziehen.
Zahnentfernung
Als ultimative Lösung immer dann sinnvoll, wenn keine hinreichende Erfolgsaussicht für
eine Wurzelbehandlung besteht oder der Zahn auch aus anderen Gründen nicht
erhaltungswürdig ist.
Falls erforderlich kann der Zahnverlust durch konventionellen herausnehmbaren
(Teilprothese) oder festsitzenden Zahnersatz (Brücke) kompensiert werden. Das
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Aus einem Vertrag zwischen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen‐Lippe und der DAK vom 12.10.2010: „Ist eine Behandlung nach privat abzurechnender Methodik angezeigt, um einen erkrankten Zahn durch Wurzelkanalbehandlung zu erhalten und führt der Vertragszahnarzt diese im Einverständnis mit dem Patienten durch, so verliert der Patient seinen Sachleistungsanspruch gegen die GKV vollständig, obwohl an sich Behandlungsbedürftigkeit besteht. Umgekehrt bildet der Einheitliche Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen (BEMA) nicht mehr das gesamte Therapiespektrum der endodontischen Behandlung ab, das sich heute aufgrund innovativer Behandlungsgeräte und neuer diagnostischer Verfahren in der Endodontie eröffnet.“ 6
Implantat als künstliche Zahnwurzel ist nach Zahnentfernung die ursachengerechteste
Versorgungsmöglichkeit.
Zukunftsmusik?: Im November 2010 wurden in Berlin auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft
für Endodontie erstmals Untersuchungen zur Verwendung von Stammzellen in der
Endodontie vorgestellt.
Man arbeitet daran, Stammzellen aus der Wurzelspitzenregion der Weisheitszähne zu
gewinnen. Diese Stammzellen werden mit bestimmten Blutzellen des Patienten unter
Verwendung von Wachstumsfaktoren in den gereinigten Wurzelkanal eingebracht und
bilden ein neues vitales Innenleben des Zahnes aus. - Leider zurzeit noch Science
Fiktion.
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