Microsoft stoppt BI-Tool

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Microsoft stoppt BI-Tool
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Microsoft stoppt BI-Tool
Martin Schindler, Silicon.de
Der PerformancePoint Server galt lange Zeit als Microsofts großes strategisches Produkt, mit dem der Hersteller jenseits
des SQL Server Business Intelligence anbieten will. Offenbar haben sich Redmonds Erwartungen nicht erfüllt, denn nun
soll PerformancePoint nicht mehr weiter entwickelt werden.
Eigentlich hätte es den PerformancePoint Server gar nicht geben dürfen,
glauben einige Analysten. Daher
scheint es in gewisser Weise richtig,
dass Microsoft nach knapp zwei Jahren
ab dem nächsten Servicepack den PerformancePoint nicht mehr fortführen
will. Das Servicepack 3 ist für den Sommer geplant. Ganz verabschieden will
sich der Hersteller von den Planungsfunktionen des Stand-alone-Produktes
und offenbar auch von den WorkflowKomponenten zur Prozessunterstützung bei größeren Szenarien auf Basis
des SQL Server.
Andere Bereiche wie das Monitoring,
Dashboard, Scorecard sowie die Analysefunktionen, die noch aus der Übernahme von ProClarity stammen, will
Microsoft in Sharepoint Server Enterprise integrieren, wodurch das Produkt
natürlich aufgewertet wird. Ab April
2009 will Microsoft den PerformancePoint nicht mehr verkaufen. Support
leistet der Hersteller noch bis 2018.
Noch vor wenigen Tagen hatte
Microsoft CEO Steve Ballmer in einer
Konferenzschaltung mit Journalisten,
die Microsoft zu den geplanten Entlassungen von weltweit 5000 Mitarbeitern
gegeben hat, erklärt: „Ich mag unser
Portfolio.“ Auch das Board hat offenbar keine Änderungswünsche. Bislang
war der Sicherheitsservice Windows
Live OneCare das einzige Produkt, das
Microsoft gestrichen hat. Das soll aber
mit einem Gratis-Produkt mit dem
Codenamen ‚Morro‘ ersetzt werden.
Vielleicht war Ballmer da der PerformancePoint Server noch nicht vertraut,
denn ein großer Verkaufsrenner schien
er nie gewesen zu sein: „Das größte
Fragezeichen hinter PerformancePoint
war schon immer die Produkt- und
Vertriebsstrategie. Planungs- und andere Finanzapplikationen müssen anders vertrieben werden als es Microsoft
im Massengeschäft gewohnt ist“, kom-
76 | www.doag.org
mentiert dazu der BI-Spezialist Axel
Bange, Analyst bei dem Würzburger
Beratungshaus Business Application
Research Center (BARC).
Microsoft musste das Partnerprogramm zunächst erst einmal auf die
Besonderheiten von BI-Projekten ausrichten. „Planung erfordert im Vergleich zu Reporting und Analyse ein
differenziertes Know-how des Vertriebs
und Consulting-Kapazitäten.“ Anwender von Planungsanwendungen seien
jedoch meist im eher technikfernen
Fachbereich zu finden und die suchen
Applikationen mit einer klaren Fachanwenderausrichtung, so Bange weiter.
Folglich kommt der Analyst zu dem
Schluss, dass es, zumindest was den Bereich der Planungsmodule anbelangt,
die Architektur des PerformancePoint
nie hätte geben dürfen: „Planungsfunktionen gehören eigentlich in die
Datenbank, aber die Rückschreibfähigkeiten der SQL Server Analysis Services
sind auch nach mehr als zehn Jahren
im Portfolio immer noch unzureichend.“
Microsoft Deutschland begründet
den Schlussstrich unter dem PerformancePoint folgerndermaßen: „Aufgrund von Kundenwünschen integrieren wir Scorecard-, Dashboard- und
analytische Funktionen von Microsoft
Office PerformancePoint Server zu
Office SharePoint Server Enterprise.
Damit stehen diese Funktionen im gesamten Unternehmen zu geringeren
Gesamtkosten zur Verfügung“, erklärte
Tobias Schmidt, Produktmanager SQL
Server und BI, schriftlich auf Anfrage
von silicon.de.
Mitte 2009 werde Microsoft das
PerformancePoint Server 2007 Service
Pack 3 herausgeben, das Updates für
das aktuelle Planungsmodul enthalte.
„Mit der Integration des Produktes in
SharePoint werden Business Intelligence Innovationen in den neuen Of-
fice SharePoint Komponenten stattfinden“, so Schmidt weiter. Entsprechend
werde ab dem 1. April 2009 PerformancePoint Server 2007 nicht mehr
als eigenständiges Produkt auf der
Preisliste von Microsoft erscheinen.
Ohne den PerformancePoint Server werde es Microsoft jedoch noch
schwieriger haben, sich als strategischer BI-Anbieter zu positionieren,
glauben die Experten von BARC, denn
Planung sei eine wesentliche Aufgabe
der BI und nun täte sich im Portfolio
eine klare Lücke auf.
Microsoft räumt das Feld als Komplettanbieter für BI und überlässt es
den großen dreien: Oracle, SAP und
IBM. Dabei haben diese Anbieter mit
ähnlichen Problemen zu kämpfen.
SAP etwa portiert das Planungstool
BPC derzeit auf Netweaver BI. IBM integriert Cognos Planning mit Applix
TM1 und Oracle hat ohnehin mit der
Integration von Hyperion zu tun. Und
auch diese Anbieter, so Bange weiter,
hätten ein Problem mit dem Vertrieb
sowie mit der Integration von Planung
mit Reporting und Analyse.
Freuen können sich daher vor allem
kleinere und auf bestimmte Regionen
und Bereiche spezialisierte Anbieter,
die Planungswerkzeuge auf Basis des
SQL Server anbieten. Die heißen unter
anderem CoPlanner, Corporate Planning, Cubeware, CUBUS, Denzhorn,
evidanza, macs Software, Orbis, Prevero, Software4You oder Winterheller.
Andererseits, so vermuten die Analysten von BARC, könnte Microsoft
schon bald diesen „strategischen Fehler“ bereuen und versuchen ihn mit
dem Zukauf eines Spezialisten oder die
Integration von Planungsfunktionen
in ein anderes Produkt wieder gut zu
machen. Von Microsoft heißt es zu einer möglichen Übernahmen in diesem
Bereich: „Informationen dazu liegen
uns nicht vor.“