Rechtliche Hinweise bei Wild- und Jagdschäden Dr. Sixt Seewald

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Rechtliche Hinweise bei Wild- und Jagdschäden Dr. Sixt Seewald
Rechtliche Hinweise
bei Wild- und Jagdschäden
Dr. Sixt Seewald
Landesjagdverband Bayern e.V.
Folie 1
Bundesjagdgesetz
Bayerisches Jagdgesetz
in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1976 (BGBl. I S.
2849), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 10 des Sechsten Gesetzes zur
Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164)
Bayerisches Jagdgesetzes - BayJG - (BayRS 792-1-L), zuletzt geändert
durch § 7 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007 (GVBl S. 958)
BJG § 1 Inhalt des Jagdrechts
BayJG Art. 1 Gesetzeszweck
(1)
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
Das Jagdrecht ist die ausschließliche Befugnis, auf einem
bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht
unterliegen (Wild), zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und
sie sich anzueignen. Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur
Hege verbunden.
Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den
landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen
angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes
sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen; auf
Grund anderer Vorschriften bestehende gleichartige
Verpflichtungen bleiben unberührt. Die Hege muss so
durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer
ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen
Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden
werden.
Bei der Ausübung der Jagd sind die allgemein anerkannten
Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit zu beachten.
Die Jagdausübung erstreckt sich auf das Aufsuchen,
Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild.
Das Recht zur Aneignung von Wild umfasst auch die
ausschließliche Befugnis, krankes oder verendetes Wild,
Fallwild und Abwurfstangen sowie die Eier von Federwild sich
anzueignen.
Das Jagdrecht unterliegt den Beschränkungen dieses
Gesetzes und der in seinem Rahmen ergangenen
landesrechtlichen Vorschriften.
Landesjagdverband Bayern e.V.
(2)
1.
2.
3.
4.
1
Die freilebende Tierwelt ist wesentlicher Bestandteil
der heimischen Natur. 2 Sie ist als Teil des natürlichen
Wirkungsgefüges in ihrer Vielfalt zu bewahren.
Dieses Gesetz soll neben dem Bundesjagdgesetz 1)
dazu dienen:
einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem
ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen
Lebensgrundlagen zu erhalten,
die natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes zu sichern
und zu verbessern,
Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forstund fischereiwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild
möglichst zu vermeiden, insbesondere soll die Bejagung
die natürliche Verjüngung der standortgemäßen
Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen
ermöglichen,
die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen
Belangen, insbesondere mit den Belangen der
Landeskultur, des Naturschutzes und der
Landschaftspflege auszugleichen.
1)BGBl. FN 792-1
Folie 2
Bundesjagdgesetz
§ 29 Schadensersatzpflicht
(1) Wird ein Grundstück, das zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehört oder einem
gemeinschaftlichen Jagdbezirk angegliedert ist (§ 5 Abs. 1), durch Schalenwild, Wildkaninchen oder
Fasanen beschädigt, so hat die Jagdgenossenschaft dem Geschädigten den Wildschaden zu ersetzen.
Der aus der Genossenschaftskasse geleistete Ersatz ist von den einzelnen Jagdgenossen nach dem
Verhältnis des Flächeninhalts ihrer beteiligten Grundstücke zu tragen. Hat der Jagdpächter den Ersatz
des Wildschadens ganz oder teilweise übernommen, so trifft die Ersatzpflicht den Jagdpächter. Die
Ersatzpflicht der Jagdgenossenschaft bleibt bestehen, soweit der Geschädigte Ersatz von dem Pächter
nicht erlangen kann.
(2) Wildschaden an Grundstücken, die einem Eigenjagdbezirk angegliedert sind (§ 5 Abs. 1), hat der
Eigentümer oder der Nutznießer des Eigenjagdbezirks zu ersetzen. Im Falle der Verpachtung haftet der
Jagdpächter, wenn er sich im Pachtvertrag zum Ersatz des Wildschadens verpflichtet hat. In diesem
Falle haftet der Eigentümer oder der Nutznießer nur, soweit der Geschädigte Ersatz von dem Pächter
nicht erlangen kann.
(3) Bei Grundstücken, die zu einem Eigenjagdbezirk gehören, richtet sich, abgesehen von den Fällen des
Absatzes 2, die Verpflichtung zum Ersatz von Wildschaden (Absatz 1) nach dem zwischen dem
Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten bestehenden Rechtsverhältnis. Sofern nichts
anderes bestimmt ist, ist der Jagdausübungsberechtigte ersatzpflichtig, wenn er durch unzulänglichen
Abschuss den Schaden verschuldet hat.
(4) Die Länder können bestimmen, dass die Wildschadensersatzpflicht auch auf anderes Wild ausgedehnt
wird und dass der Wildschadensbetrag für bestimmtes Wild durch Schaffung eines
Wildschadensausgleichs auf eine Mehrheit von Beteiligten zu verteilen ist
(Wildschadensausgleichskasse).
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Bundesjagdgesetz
§ 32 Schutzvorrichtungen
(1) Ein Anspruch auf Ersatz von Wildschaden ist nicht gegeben, wenn der Geschädigte die von dem
Jagdausübungsberechtigten zur Abwehr von Wildschaden getroffenen Maßnahmen unwirksam macht.
(2) Der Wildschaden, der an Weinbergen, Gärten, Obstgärten, Baumschulen, Alleen, einzelstehenden
Bäumen, Forstkulturen, die durch Einbringen anderer als der im Jagdbezirk vorkommenden
Hauptholzarten einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, oder Freilandpflanzungen von Garten- oder
hochwertigen Handelsgewächsen entsteht, wird, soweit die Länder nicht anders bestimmen, nicht
ersetzt, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter
gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen. Die Länder können bestimmen,
welche Schutzvorrichtungen als üblich anzusehen sind.
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Folie 4
Berücksichtigung des Flächenanteils aller Flächen des
Geschädigten an der Gesamtfläche der Jagdgenossenschaft
Gesamtfläche der Jagdgenossenschaft
Gesamtflächen des Geschädigten in der JG
Leistung der Jagdgenossenschaft =
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100%
x%
100% - x%
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„Der Grundeigentümer hat keinen Anspruch auf
Erstattung eines jeden Wildschadens. Als Ausdruck der
Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 II GG) hat er
Wildschaden auf seinem Eigentum entschädigungslos
hinzunehmen…Wildschäden, die trotz des ökonomisch
oder ökologisch ausgeglichenen Zustands eintreten,
stellen sich danach grundsätzlich als Ausdruck der
Sozialbindung dar.“
(Urteil BGH vom 5.5.1988, III ZR 116/87)
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Folie 6
Bundesjagdgesetz
§ 33 Schadensersatzpflicht
(1) Wer die Jagd ausübt, hat dabei die berechtigten Interessen der Grundstückseigentümer oder
Nutzungsberechtigten zu beachten, insbesondere besäte Felder und nicht abgemähte Wiesen tunlichst
zu schonen. Die Ausübung der Treibjagd auf Feldern, die mit reifender Halm- oder Samenfrucht oder
mit Tabak bestanden sind, ist verboten; die Suchjagd ist nur insoweit zulässig, als sie ohne Schaden für
die reifenden Früchte durchgeführt werden kann.
(2) Der Jagdausübungsberechtigte haftet dem Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigten für
jeden aus missbräuchlicher Jagdausübung entstehenden Schaden; er haftet auch für den
Jagdschaden, der durch einen von ihm bestellten Jagdaufseher oder durch einen Jagdgast angerichtet
wird.
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Folie 7
Bürgerliches Gesetzbuch - Recht der Schuldverhältnisse
BGB § 254 Mitverschulden
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die
Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen,
insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil
verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er
unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu
machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den
Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
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Bürgerliches Gesetzbuch - Recht der Schuldverhältnisse
BGB § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der
zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten,
so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der
Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit
ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
BGB § 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung
(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der
Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit
unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres
entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert
erheblich übersteigen.
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Folie 9
Rechtliche Hinweise bei Wild- und Jagdschäden im
Wald – überarbeitete Version
Dr. Sixt Seewald
BJV-Mitglied im Rechtsausschuss
Februar 2009, Schwerpunktseminar des BJV „Wildschäden in der Forstwirtschaft“
Die wichtigsten Vorschriften
Nach § 1 BJagdG und Art. 1 BayJG besteht die Verpflichtung zur Erhaltung eines
artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie zur Pflege und Sicherung seiner
Lebensgrundlagen. Diese Verpflichtung trifft jeden, also auch jeden Jagdgenossen
bzw. Grundeigentümer, dessen Grundstück in einem Jagdrevier liegt. Die Hege soll
so ausgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land -, forstund fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden und die Bejagung die natürliche Verjüngung der standortgemäßen
Baumarten im wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht. Diese Verpflichtung richtet sich vornehmlich an den Jagdausübungsberechtigten. Wichtig ist aber,
und das darf nie aus dem Blick geraten, wenn es um Wildschadenersatz geht, dass
bereits in diesen grundlegenden, programmatischen Vorschriften auch der Grundeigentümer in die Pflicht genommen wird.
Die Schadenersatzpflicht selber regelt dann § 29 BJagdG, und zwar Abs. I für das
Gemeinschaftsjagdrevier mit der grundsätzlichen Haftung der Jagdgenossenschaft
im Rahmen einer Ausgleichsverpflichtung in Form einer Art Gefährdungshaftung, die
vertraglich auch auf den Jagdpächter übertragen werden kann, Abs II für Grundstücke, die einem Eigenjagdrevier angegliedert sind, und Abs. III für das Eigenjagdrevier, wobei die Haftung als Verschuldenshaftung ausgestaltet ist.
Zentrale Norm für den Wildschadenersatz im Wald ist § 32 BJagdG, der in Abs. I bestimmt, dass Wildschaden nicht zu ersetzen ist, wenn der Geschädigte die vom Jagdausübungsberechtigten zur Abwehr von Wildschäden getroffenen Maßnahmen unwirksam macht, und in Abs. II, dass Wildschaden nicht ersetzt wird, wenn Forstkulturen, die durch Einbringung anderer als der im Jagdrevier vorkommender Haup tbaumarten einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, nicht durch die Herstellung
von üblichen Schutzvorrichtungen, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwehr
des Schadens ausreichen, geschützt wurden. Diese Vorschrift wird uns noch intensiv
beschäftigen.
In § 33 BJagdG ist bestimmt, dass bei der Jagdausübung die Interessen der Grundeigentümer durch Verbote geschützt werden (Abs. I) und dass der Jagdausübungsberechtigte für jeden aus missbräuchlicher Jagdausübung entstandenen Schaden
haftet (Abs.II), auch für den durch Jagdgäste oder Jagdaufseher angerichteten
Schaden. Hier handelt es sich wiederum um eine Verschuldenshaftung. Für Schäden
aus normaler bzw. ordnungsgemäßer Jagdausübung wird nicht gehaftet.
1
§ 254 BGB regelt schließlich, dass bei einem Mitverschulden des Geschädigten die
Schadenstragung sich nach dem jeweiligen Verschuldensanteil richtet. Dies gilt
auch, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines
ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Diese Grundsätze für das Mitverschulden sind auch beim
Wildschadenersatz anzuwenden.
Der Wildschadenersatz im Wald ist nach §§ 249, 251 BGB im allgemeinen in Geld zu
leisten ohne Umsatzsteuer, sofern der Geschädigte nicht den tatsächlichen Anfall der
Umsatzsteuer bei der Schadensbehebung nachweist. Naturalersatz kommt nur in
den seltensten Fällen in Betracht und nur dann, wenn er Geschädigte einverstanden
ist.
Würdigung der rechtlichen Vorschriften zur Haftung
§ 29 BJagdG und die Übertragbarkeit der Ersatzpflicht auf den Jagdpächter
Wie sich bereits aus der obigen Darstellung ergibt, sind die im Gesetz getroffenen
Haftungsregelungen nicht aus einem Guss. So haben wir gesehen, dass einerseits
beim Wildschaden im Gemeinschaftsjagdrevier eine Art Gefährdungshaftung, beim
Eigenjagdrevier und beim Jagdschaden aber andererseits eine Verschuldenshaftung
Platz greift. Dies bedarf einer näheren Betrachtung.
Grundsätzlich gilt bei Schadenersatzansprüchen im deutschen Rechtssystem die
Verschuldenshaftung, wonach jemand für einen Schaden haftet, den er schuldhaft
verursacht hat. Dies kennt jeder vom Straßenverkehr und ganz allgemein von der
Haftung des Bürgers im Alltag. Sodann gibt es in Spezialfällen die Gefährdungsha ftung, die aber voraussetzt, dass ein gefährdender Tatbestand geschaffen wurde, z.B.
die Haltung eines PKW, die Inverkehrbringung eines Arzneimittels, die Haltung eines
Tiers u.a.
Die Gefährdungshaftung kommt also zur Anwendung bei Gefährdungstatbeständen
wie der Tierhalterhaftung nach § 833 BGB, der Produkthaftung nach § 1 Produktha ftungsgesetz oder der Haftung des Inhabers einer Anlage nach § 1 Umwelthaftungsgesetz. Die echte Gefährdungshaftung ist somit eine Haftung für Schäden, die sich
aus einer erlaubten Gefahr ergeben. Wer erlaubter Weise eine gefährliche Einrichtung betreibt, soll auch für den Schaden eines Dritten haften, wenn sich die Gefahr
realisiert.
Wendet man diese Unterscheidungsmerkmale an, ist bereits fraglich, ob die Haftung
der Jagdgenossenschaft gem. § 29 BJagdG überhaupt eine Gefährdungshaftung,
wie vielfach auch in der Rechtsprechung angenommen, darstellt bzw. darstellen
kann. Die Jagdgenossenschaft schafft nämlich keinen Gefährdungstatbestand, für
den eine Haftung geregelt werden müsste.
Prof. Dr. Martin Moog weist demgemäß folgerichtig als nichtjuristischer, unabhängiger Fachmann auf Seite 14 seines Buches „Bewertung von Wildschäden im Wald“
darauf hin, der Zweck der Norm des § 29 BJagdG bestehe primär darin, einen Ausgleich zwischen den Jagdgenossen herbeizuführen. Danach werde der Nachteil des
einzelnen Jagdgenossen im Vergleich mit dem Eigenjagdeigentümer ausgeglichen,
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nicht autonom im Rahmen des Jagdausübungsrechts durch jagdliche Maßnahmen
Wildschäden vermeiden zu können. Der einze lne Jagdgenosse besitze daher einen
Anspruc h gegen die Jagdgenossenschaft, müsse aber entsprechend seinem Anteil
an der Gesamtfläche der Jagdgenossenschaft einen Teil des Schadens selbst tragen. Dies lege die Interpretation nahe, dass es sich tatsächlich um einen Anspruch
mit dem Charakter einer Entschädigung oder eines Ausgleichs handelt, für den die
den Schadenersatzanspruch konkretisierenden Regelungen des Privatrechts nicht
unbedingt heranzuziehen seien.
Dieser Darlegung von Herrn Prof. Moog kann ich nur beipflichten. In § 29 BJagdG
handelt es sich somit tatsächlich um einen Ausgleichsanspruch innerhalb der Jagdgenossenschaft. Die Jagdgenossenschaft als wirtschaftliche Nutznießerin des Jagdrechts der einzelnen Jagdgenossen muss dem Jagdgenossen einen Ausgleich für
den Wildschaden leisten, den dieser hinnehmen muss, weil er zwangsweise auf sein
Jagdausübungsrecht verzichten und dieses auf die Jagdgenossenschaft übertragen
muss. Der Anspruch auf Wildschadenersatz nach § 29 Abs. I BJagdG ist somit nichts
anderes als ein Ausgleichsanspruch innerhalb der Jagdgenossenschaft.
Wenn dann aber in § 29 BJagdG weiter geregelt ist, der Jagdpächter könne die Verpflichtung zur Ersatzleistung ganz oder teilweise übernehmen, so dass ihn dann die
Ersatzpflicht trifft, erscheint diese Regelung systemwidrig. Eine innerhalb einer Gesellschaft bestehende Ausgleichsverpflichtung kann nämlich qua definitione nicht auf
einen Außenstehenden, der nicht Mitglied der Gesellschaft ist, übertragen werden.
Da der Sinn der Vorschrift ausschließlich im internen Ausgleich besteht, erscheint
eine Übertragbarkeit auf einen Außenstehenden systemwidrig und damit willkürlich
und möglicherweise verfassungswidrig.
Ohne der Problematik weiter nachzugehen wird in fast allen Veröffentlichungen zum
Wildschadenersatz etwa so formuliert, primär schadenersatzpflichtig sei die Jagdgenossenschaft, die Haftung werde jedoch regelmäßig durch den Jagdpachtvertrag auf
den Jagdpächter übertragen. Die systematischen Widersprüche im Gesetz werden
nicht beachtet. Tatsächlich handelt es sich nämlich unter den Jagdgenossen nicht
um eine Schadenersatzpflicht, sondern um eine Ausgleichspflicht, eine Ausgleichspflicht innerhalb der Jagdgenossenschaft dafür, dass der einzelne Jagdgenosse kein
Jagdausübungsrecht hat und daher nicht selbst zur Verhinderung oder Verminderung des Schadens beitragen kann. Ein Schadenersatzanspruch aufgrund einer
echten Gefährdungshaftung kann es auch deshalb nicht sein, weil die Jagdgenossenschaft keinen Gefährdungstatbestand geschaffen hat. Allein ihre Existenz und die
Zwangsmitgliedschaft beruhen nämlich auf dem Willen des Gesetzgebers und nicht
der Jagdgenossenschaft.
Die Regelung in § 29 BJagdG, wonach der Jagdpächter den Wildschaden ganz oder
teilweise übernehmen kann, ist daher als systemwidrig entweder ganz zu streichen
oder anders zu formulieren, nämlich so, dass bei einer Übernahme durch den Jagdpächter § 29 Abs. III gilt, also die gleiche Regelung wie beim Eigenjagdrevier. Es
würde dann konsequent beim Ersatz von Wildschäden durch den Jagdpächter nur
noch einheitlich das Verschuldensprinzip gelten und das Wildschadenersatzrecht
würde sich wieder nahtlos in das System des deutschen Schadenersatzrechts eingliedern. Ein systemwidriger Fremdkörper wäre beseitigt. An der grundsätzlichen
Haftung der Jagdgenossenschaft würde sich nichts ändern.
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Auch bei der subsidiären Haftung der Jagdgenossenschaft könnte und sollte es bleiben, soweit der Geschädigte nicht aus Rechtsgründen, sondern aus Gründen, die in
der Person des Verpflichteten liegen, seinen festgestellten Anspruch nicht oder nicht
vollständig realisieren kann. Folge der konsequenten Verschuldenshaftung wäre,
dass der Geschädigte nur bei nachgewiesenem Verschulden Ersatz erlangt, allerdings dann ohne prozentualen Abzug seines Fläche nanteils an der Gesamtfläche der
Jagdgenossenschaft. Es würde sich dann nämlich um einen unmittelbaren, vertraglichen Anspruch und nicht um einen abgeleiteten Anspruch gegen den Jagdpächter
handeln. Der Anspruch würde sich auch inhaltlich von dem unterscheiden, den der
Grundeigentümer nach dem Gesetz gegen die Jagdgenossenschaft hat, anders als
beim geltenden Recht, bei dem sich beide Ansprüche inhaltlich deckungsgleich entsprechen. Ein anteiliger Abzug für den aus der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmenden Schaden wäre dann allerdings anderweitig zu berücksichtigen.
Die gesetzliche Ausgestaltung der Verpflichtung zum Wildschadenersatz durch den
Jagdpächter als auf ihn übertragene Gefährdungshaftung ist auch deshalb systemwidrig und willkürlich, weil auch der Jagdpächter wie die Jagdgenossenschaft keinen
Gefährdungstatbestand geschaffen hat und weil heute, wie jedem bekannt, insbesondere durch Beunruhigung und Freizeitgestaltung eine wesentliche Ursache für
Wildschäden gesetzt wird, auch bei angepassten bzw. geringen Wilddichten, so dass
der Jagdpächter auf die Entstehung von Wildschäden so gut wie keinen Einfluss
mehr hat. Es ist daher auch unbillig, ihm dafür eine Gefährdungshaftung aufzuerlegen. Dies sollten wir im Blick behalten, auch wenn wir uns an das geltende Recht
halten müssen, auf das ich nun wieder zurückkomme.
§ 32 BJagdG und die Frage des Wildschadenersatzes im Zaun
Nach § 32 BJagdG sind Schadenersatzansprüche ausgeschlossen, wenn vom Geschädigten Schutzvorkehrungen des Jagdausübungsberechtigten unwirksam gemacht werden oder wenn für das Wild besonders interessante, nicht zu den Haup tbaumarten des Reviers zählende Baumarten eingebracht werden, ohne dass geeignete und ausreichende Schutzvorkehrungen getroffen werden. Anders herum gibt die
Vorschrift Auskunft darüber, dass Wildschaden dann zu ersetzen ist, wenn Haup tbaumarten geschädigt werden. Hauptbaumarten müssen ohne Schutz in ausreichender Zahl verjüngt werden können, und zwar sowohl durch Pflanzkulturen als
auch durch Naturverjüngung.
Bei der seit jeher strittigen Definition der Hauptbaumarten bzw. der Sonderbaumarten
herrscht, jedenfalls in der Kommentarliteratur, weitgehend Einigkeit darüber, dass es
sich nicht um eine forstliche Definition, sondern um eine jagdrechtliche Definition
handeln muss. Sonderbaumarten sind demgemäß solche Baumarten, die auf das
verbeißende Schalenwild deshalb eine besondere Anziehungskraft ausüben, weil sie
wesentlich seltener vorkommen als Allerweltsbaumarten, nämlich die Hauptbaumarten eines Reviers. Die Hauptbaumarten müssen sich im Altbestand zeigen, der das
alleinige Kriterium darstellt. Das vorhandene Verjüngungspotential oder sonstige
Wunschvorstellungen sind nicht maßgeblich.
Letztlich wird das Betriebsziel durch den Grundeigentümer bestimmt und dieser ist
an die gesetzlich vorgeschriebenen Mittel zur Erreichung dieses Ziels gebunden, er
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muss also bei Einbringung von Sonderbaumarten die notwendigen Schutzvorkehrungen ergreifen.
Ein ganz besonderes Kapitel ist daher die Frage des Mitverschuldens des Geschädigten bei der Entstehung von Wildschäden in einer gezäunten Fläche. Bei der Darstellung der Rechtslage zum Wildschadenersatz im Zaun gehe ich davon aus, dass
die herrschende Meinung, die auch im Zaun den Wildschaden an Hauptbaumarten
für ersatzpflichtig hält, bekannt ist. Diese Auffassung stellt sich jedoch gegen das
Gesetz und gegen zwingende Denkgesetze.
Jährlich zwei Mal steht die Anmeldung von Wildschäden im Wald an (§ 34 BJagdG,
zum 1.5. und zum 1.10.). Dabei kommt es alljährlich zu Schwierigkeiten und rechtlichen Zweifelsfragen, wenn es sich um Wildschäden in gezäunten Flächen handelt. In
der überwiegenden Praxis wird bei Hauptbaumarten ein Schadenersatz zugesprochen, bei Sonderbaumarten nicht. Diese Auffassung entspricht aber bei kritischer
Würdigung weder der Rechtslage, noch der Logik. Sie missachtet das RegelAusnahme-Verhältnis der allgemeinen Bestimmungen über Wildschadenersatz außerhalb des Zauns und der Sonderregelungen über Wildschäden im Zaun.
Außerhalb von Zäunen gilt der Grundsatz, dass der Wildbestand so zu regulieren ist,
dass die Hauptbaumarten des jeweiligen Reviers ohne Schutz in der notwendigen
Anzahl aufkommen können, unabhängig davon, ob es sich um Pflanzungen oder Naturverjüngungen handelt.
Nach § 32 Abs. I BJagdG gilt, dass ein Ersatzanspruch dann nicht besteht, wenn der
Geschädigte zur Abwehr von Wildschäden getroffene Schutzmaßnahmen des Jagdausübungsberechtigten unwirksam macht. Diese Regelung ist rechtlich klar und
eindeutig und wirft in der Praxis höchstens Beweisprobleme auf. Wohlgemerkt: Es
besteht überhaup t kein Ersatzanspruch, weder für Haupt-, noch für Sonderbaumarten.
Anders wird dies bei § 32 Abs. II BJagdG gesehen, der regelmäßig fehlinterpretiert
wird und im Lichte von Abs. I gesehen werden muss. Es ist nämlich nicht zu erkennen, wieso Abs. I und Abs. II in der Konsequenz zu einem unterschiedlichen Ergebnis führen sollten. In beiden Fällen muss jeglicher Schadenersatzanspruch abgelehnt
werden, nicht nur bei Abs. I. In Abs. II wird nämlich bestimmt, dass es für Forstkulturen, die durch Einbringung anderer als im Revier vorkommender Hauptbaumarten
einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, beim Eintritt von Wildschäden keinen
Ersatzanspruch gibt, wenn die üblichen Schutzvorkehrungen unterblieben sind. Dazu
zählen auch Zäune und es ist einhellige Meinung, dass der Ersatza nspruch auch
dann entfällt, wenn die Schutzvorrichtungen nicht ausreichend waren oder nicht ordnungsgemäß unterhalten wurden, also auch dann, wenn schadhafte Zäune nicht
wieder dicht gemacht wurden oder auch nur das Tor offen gelassen wurde.
§ 32 BJagdG bestimmt somit in seiner Gesamtheit, dass immer dann ein Ersatza nspruch nicht gegeben ist, wenn der Geschädigte Schutzmaßnahmen des Jagdausübungsberechtigten unwirksam macht oder wenn der Geschädigte bei Einbringung
von Sonderbaumarten die Herstellung der üblichen Schutzvorkehrungen unterlässt
oder diese nicht unterhält. Dass dies in zwei Absätzen geregelt ist, ist keinerlei Begründung dafür, dass die jeweiligen Handlungen des Geschädigten zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen sollen. Ank nüpfungspunkt für den Ausschluss des Scha5
denersatzanspruchs ist vielmehr immer das Unwirksammachen, das Unterlassen
oder die mangelhafte Unterhaltung von Schutzvorkehrungen. Eine Unterscheidung
nach Hauptbaumarten und Sonderbaumarten ist daher im Rahmen dieser Vorschrift
nicht zulässig. Die Unterscheidung wird in Abs. I vom Wortlaut her ausgeschlossen
und in Abs. II mit keinem Wort verlangt, so dass kein Anlass für eine Differenzierung
besteht.
Verlangt wird nämlich ein Zaun, der Wildschäden sicher verhindert, so dass als Ursache für trotzdem eintretende Schäden nur das Unterlassen der Errichtung ausreichender Schutzvorkehrungen oder die mangelhafte Unterhaltung in Betracht kommt.
Ist ein Zaun hingegen dicht und gegen das Eindringen von Wild ausreichend, kann
kein Schaden entstehen, weder an Sonderbaumarten, noch an Hauptbaumarten.
Das Gesetz macht somit, wenn ein Zaun vorhanden ist, den Ausschluss von Ersatzansprüchen ausschließlich davon abhängig, dass die Schutzvorrichtung vom Geschädigten selbst entweder nicht ausreichend hergestellt oder nicht ausreichend unterhalten wurde, da andernfalls ein Schaden ausgeschlossen sein muss. Es verpflichtet also einesteils den Grundeigentümer zur Herstellung und Unterhaltung von
Schutzvorkehrungen und entlastet andernteils des Jagdausübungsberechtigten, weil
ein etwaiger Schaden nicht auf mangelnde Jagdausübung, sondern ausschließlich
auf ein Eigenverschulden des Grundeigentümers zurückzuführen ist. Es geht hier um
alleiniges Verschulden, so dass ein Mitverschulden des Jagdausübungsberechtigten
nicht in Betracht kommt. Für eine Differenzierung nach Haupt- und Sonderbaumarten
ist somit auch in Abs. II kein Raum.
Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 32 Abs. II BJagdG. Nur bei den ta tsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift wird zwischen Hauptund Sonderbaumarten unterschieden, nicht aber bei den Rechtsfolgen. Dies wird
häufig übersehen. Die Rechtfolgen beider Absätze sind immer gleich, nämlich der
Ausschluss jeglichen Ersatzanspruchs.
Es kann also nicht die Grundregel, die außerhalb von Zäunen gilt, auf den Wildschadenersatz in Zaunflächen angewandt werden, weil es hierzu in § 32 BJagdG eine
Spezialnorm gibt. Und diese Spezialnorm knüpft nur daran an, ob der Zaun ausreichend und dicht war oder nicht. War er ausreichend und dicht, gibt es normalerweise
keinen Schaden, war er nicht ausreichend oder nicht dicht, gibt es keinen Schadenersatz. Dann hat nämlich alleine die Nachlässigkeit des Grundeigentümers zum
Schaden geführt.
Ein weiterer Beweis dafür, dass im Zaun bei den Rechtsfolgen nicht nach Haupt- und
Sonderbaumarten zu differenzieren ist, ist aus der Praxis darin zu sehen, dass bei
einem undichten Zaun zunächst die Sonderbaumarten verbissen werden. Macht der
Geschädigte den Zaun dann zu, bevor auch Hauptbaumarten verbissen werden, soll
er nach der herrschenden Meinung nichts bekommen. Lässt er aber den Zaun offen
und setzt damit sein schuldhaftes Handeln fort, lässt er also bewusst Hauptbaumarten verbeißen, soll er Schadenersatz erhalten. Dies widerspricht jeder Vernunft.
Wenn nämlich der Gesetzgeber einen Ersatzanspruch dann ve rweigert, wenn der
Geschädigte den Schaden durch unzureichendes Handeln oder durch Unterlassen
selbst herbeiführt, kann es somit logischerweise keinen Unterschied mache n, an welchem Objekt der Schaden eintritt.
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Außerdem ist § 32 BJagdG auch und vor allem eine Vorschrift, die eine Mitwirkung
des Grundeigentümers zur Begrenzung der Ersatzpflicht der Jagdgenossenschaft
verlangt. Dieser Grundgedanke ergibt sich auch bereits aus der Einbindung des Eigentümers in die Jagdgenossenschaft und der daraus fließenden Verpflichtung zu
gemeinschaftsfreundlichem Verhalten. Er ist in das Gemeinschaftsinteresse eingebunden. Besonders schadensträchtige Verhaltensweisen dürfen daher nicht zu einer
unverhältnismäßigen Ersatzpflicht der anderen Genossen führen. Auch dies ist ein
Argument dafür: kein Schadenersatz im Zaun, auch nicht an Hauptbaumarten, wenn
der Schaden nur deshalb entstanden ist, weil der Zaun nicht ausreichend war oder
nicht ordnungsgemäß unterhalten wurde. Wer sehenden Auges, z.B. durch mangelhafte Aufrechterhaltung des Zauns, einen Eigenschaden unter grober Vernachlässigung zumindest auch der schutzwürdigen Interessen anderer, die unter Umständen
für den Schaden aufzukommen haben (Jagdgenossenschaft), in Kauf nimmt, kann
die anderen nicht einfach in Anspruch nehmen. Dies ist ein allgemein anerkannter
Rechtsgrundsatz. Er gilt auch zugunsten des Jagdpächters, weil die Jagdgenossenschaft auf ihn nicht mehr Verpflichtungen übertragen kann, als sie selbst hat. Wer
also seinen Zaun nicht ordentlich herstellt oder aufrecht erhält, hat keinen Ersatza nspruch gegen die Jagdgenossenschaft und folglich auch nicht gegen den Jagdpächter.
Zum gleichen Ergebnis kommt man bereits bei einer wö rtlichen Auslegung von § 32
BJagdG. Dort heißt es, dass Wildschaden, der an Forstkulturen entsteht, die durch
Einbringung anderer als der im Jagdrevier vorkommenden Hauptbaumarten einer
erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind, nicht ersetzt wird, wenn die Herstellung der
üblichen Schutzvorkehrung unterblieben ist. Das Gesetz bezieht sicht somit vom
Wortlaut her auf die gesamte Kultur, also die gesamte eingezäunte Fläche, nicht nur
auf die eingebrachten Sonderbaumarten. Forstkulturen sind insgesamt schutzpflichtig, wenn sie Sonderbaumarten enthalten, wie das Landgericht Köln bereits 1958
(RdL 58/101) festgestellt hat. Es kann daher im Zaun keine Differenzierung nach
Haupt- und Sonderbaumarten geben und damit auch keinen Schadenersatz.
Als einzige Ausnahme von dieser Regel ist der Fall anzuerkennen, dass trotz einem
ausreichend hergestellten und unterhaltenen Zaun Wild eingedrungen ist, wie es z.B.
bei einer hohen Schneelage gelegentlich vorkommt. In solchen Fällen sollten die Regeln über die Umkehr der Beweislast zur Anwendung kommen. Dies bedeutet, dass
der Grundeigentümer beweisen muss, dass der Zaun ausreichend und geeignet war
und ordnungsgemäß unterhalten wurde, also über den gesamten fraglichen Zeitraum
dicht war und trotzdem aufgrund besonderer Umstände ein Wildschaden entstanden
ist. Nur in diesem Ausnahmefall wäre dann bei einer Zaunfläche der an Hauptbaumarten entstandene Wildschaden zu ersetzen.
Es ist also folgende Regel aufzustellen: Im Zaun gibt es keinen Schadenersatz, es
sei denn, der Grundeigentümer weist nach, dass ein Wildschaden aufgrund besonderer, natürlicher Umstände entstanden ist, obwohl der Zaun ordnungsgemäß errichtet und unterhalten wurde, also ununterbrochen dicht war.
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Berücksichtigung des Flächenanteils aller Flächen des Geschädigten an der Gesamtfläche der Jagdgenossenschaft
Wie bereits dargestellt, haftet für Wildschäden im Gemeinschaftsjagdrevier primär die
Jagdgenossenschaft und sie bleibt auch subsidiär in der Haftung, wenn die Ersatzpflicht vertraglich auf den Jagdausübungsberechtigten übertragen ist. Daraus folgt,
dass der Jagdausübungsberechtigte, der den Wildschadenersatz übernommen hat,
nur den Ersatz schulden kann, den auch die Jagdgenossenschaft schuldet. Die
Jagdgenossenschaft kann nämlich nicht mehr übertragen, als sie schuldet. Dies ist
allgemein anerkannt. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, weil manche
Schadenschätzer dies nicht berücksichtigen und die Jagdpächter aus Unkenntnis
darauf nicht achten. Die Jagdgenossenschaft schuldet nämlich nicht den vo llen
Schadenersatz, sondern nur einen Teil, weil der Geschädigte als Mitglied der Genossenschaft sich anteilig entsprechend seiner Fläche an der Umlage beteiligen muss.
Dies ergibt folgende Rechnung:
Gesamtfläche der Jagdgenossenschaft
100%
Gesamtflächen des Geschädigten in der JG
x%
Leistung der Jagdgenossenschaft =
100% - x%
Die flächenmäßige Beteiligung des Geschädigten an dem Schadenersatz ergibt sich
bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes und ist allgemein anerkannt. So heißt es in §
29 BJagdG, die Jagdgenossenschaft habe den Schaden zu ersetzen, der Ersatz
werde aus der Genossenschaftskasse geleistet, und zwar von allen Jagdgenossen
nach dem Verhältnis des Flächeninhalts ihrer beteiligten Grundstücke. Es heißt nicht
die anderen Jagdgenossen oder die übrigen Jagdgenossen, sondern die ganze
Jagdgenossenschaft. So ist auch der Ersatz aus dem vorhandenen, also der gesamten Genossenschaftskasse zu leisten, also incl. den Beiträgen, die vom Geschädigten eingebracht wurden. Die Verteilung des Schadenersatzes findet also im gleichen
Verhältnis statt wie die Verteilung des Erlöses aus der Jagdpacht. Wenn ein Jagdgenosse x% aus dem Erlös bekommt, muss er sich selbstverständlich die gleichen
x% vom Schadenersatz abziehen lassen, wenn er der Geschädigte ist, weil er dafür
schon den Anteil aus dem Pachterlös kassiert hat. Er kann quasi nicht etwas „verkaufen“ und dann noch einmal kassieren. Anders herum gesagt, er muss das, was er
über die Jagdgenossenschaft verpachtet, erst einmal in seiner Gesamtheit mit allen
Vor- und Nachteilen selbst haben, um es abtreten zu können und dafür aus dem Erlös beteiligt zu werden, oder noch anders gesagt, es gibt kein Jagdrecht ohne Wild
und wenn es Wild gibt, gibt es naturgemäß immer auch Schaden, den der Jagdgenosse auch hätte, wenn es die Jagdgenossenschaft nicht geben würde. Es kann also
aus naturgesetzlichen Gründen niemand ein Jagdausübungsrecht zur Verpachtung
an die Jagd-genossenschaft abtreten, ohne einen bestimmten Umfang des Wildschadens naturimmanent hinnehmen zu müssen. Dies ist anders nicht denkbar und
so ist auch der Wortlaut des § 29 Abs. I BJagdG zu sehen, was auch in der gesamten Jagdrechtsliteratur so gesehen wird, ohne dies weiter zu problematisieren.
(Nick/Frank zu § 29 BJagdG, Leonhardt, Wild- und Jagdschadenersatz, Nr. 11 Ziff.
2.1, Kaestl/Krinner, Bayerisches Jagdrecht, Ziff. 11. zu § 29 BJagdG, Lauven, Wildschadenersatz…, Schriftenreihe des BJV Bd. 3, S. 52, Moog, Bewertung von Wildschäden im Wald, S. 14) Gegenteilige Urteile sind nicht bekannt.
Die Haftungsquote der Jagdgenossenschaft ist also um den prozentualen Anteil gemindert, den alle Flächen des geschädigten Grundeigentümers an der Gesamtfläche
der Jagdgenossenschaft ausmachen. Dies kann erhebliche Auswirkungen haben.
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Die gleiche Formel muss auch dann gelten, wenn die Ersatzpflicht vom Jagdausübungsberechtigten übernommen wurde, weil es sich schlicht um eine abgeleitete
Verpflichtung handelt. Falls etwas anderes gewollt sein soll, muss dies ausdrücklich
im Jagdpachtvertrag vereinbart werden. Jede nicht weiter bestimmte vertragliche
Übernahme bedeutet immer nur die Übernahme der Verpflichtung, wie sie auch die
Jagdgenossenschaft treffen würde.
Die Leistungsverpflichtung ist also bei derzeitiger Gesetzeslage immer gleich, unabhängig davon, ob sie von der Jagdgenossenschaft aus originärer Haftung, vom Jagdausübungsberechtigten aus abgeleiteter Haftung oder wieder von der Jagdgenossenschaft aus subsidiärer Haftung zu tragen ist.
Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 GG
Sodann ist neben der Verpflichtung zu gemeinschaftsfreundlichem Verhalten die Sozialbindung des Eigentums zu berücksichtigen, was auch in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung anerkannt ist. Pflanzen, auch Waldpflanzen, gehören nun einmal
zum Nahrungsspektrum des Schalenwilds, so dass ein gewisser Verbiss, der auch
bei angepassten Wildbeständen nicht zu vermeiden ist, als naturgegeben hingenommen werden muss. Der BGH hat, zwar in anderem Zusammenhang, aber doch
in allgemeiner Weise folgendes ausgeführt:
„Der Grundeigentümer hat keinen Anspruch auf Erstattung eines jeden Wildschadens. Als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 II GG) hat er Wildschaden auf seinem Eigentum entschädigungslos hinzunehmen…Wildschäden, die
trotz des ökonomisch oder ökologisch ausgeglichenen Zustands eintreten, stellen
sich danach grundsätzlich als Ausdruck der Sozialbindung dar.“ (Urteil vom 5.5.1988,
III ZR 116/87) Diese Sätze beanspruchen Allgemeingeltung, auch wenn es sich bei
dem entschiedenen Fall um Schäden von Graugänsen handelte. Die grundsätzliche
Auslegung des Gesetzes kann nämlich nicht unterschiedlich sein, je nach dem, um
welche Wildart es sich handelt.
Nach der Regel der verfassungskonformen Auslegung der Gesetze sind diese Ausführungen auch bei der Anwendung der Vorschriften zum Wildschadenersatz im
Jagdrecht zu beachten.
Exkurs
Auch die bisherige Begründung des Ausgleichsanspruchs unter den Jagdgenossen
ist übrigens nicht mehr ganz zeitgemäß. Sie geht nämlich von der nicht mehr haltbaren Annahme aus, der Wildschaden werde vor allem durch mangelhafte Bejagung
bzw. durch Überhege verursacht, sei also durch Jagdausübung steuerbar. Weil der
Jagdgenosse diese Möglichkeit zur Steuerung verliert, sei ein Ausgleich innerhalb
der Jagdgenossenschaft erforderlich. Diese dem Gesetz zugrundeliegende Vorste llung ist eigentlich antiquiert. Wir wissen heute alle, dass Wildschäden im Wald in den
meisten Fällen nicht durch eine zu hohe Wilddichte, sondern vielmehr durch Beunr uhigungen verschiedenster Art, durch Mangel an Deckung und Äsung in der Feldflur
und dadurch Konzentration des Wildes im Wald und ganz allgemein durch die Störung des Äsungs- und Ruherhythmus verursacht werden. Dies aber nur am Rande.
Jedenfalls steht heute fest, dass der Einfluss durch jagdliche Eingriffe relativ begrenzt ist, wenn man tatsächlich Wald und Wild will und nicht Wald ohne Wild. Der
Ausgleichsanspruch des Jagdgenossen gegenüber der Jagdgenossenschaft lässt
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sich daher heute eher mit der Sozialbindung des Eigentums begründen (so auch
Hinweise aus der Rechtsprechung).
Ergebnis muss jedenfalls immer sein, dass ein gewisses Maß an Wildschaden ersatzlos hinzunehmen ist, nämlich das Maß, das auch bei angepasstem bzw. geri ngem Wildbestand nicht zu vermeiden ist. Dieses Maß kann nur von Fall zu Fall unter
Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse bestimmt werden.
Aus der Erfahrung muss ich sagen, dass die Vorstellungen des geschädigten Jagdgenossen und des Jagdausübungsberechtigten oft sehr weit auseinander liegen und
somit eine gerichtliche Auseinandersetzung unumgänglich erscheint. Davon kann ich
nur abraten, weil Jagdsachen nicht zum täglichen Geschäft der Gerichte gehören
und daher oft eine sachgemäße Entscheidung nicht zu erwarten ist. Sehr häufig werden übertriebene Vorstellungen des Jagdgenossen bereits durch den Sachverstä ndigen erheblich zusammengestutzt, so dass es spätestens dann empfehlenswert ist,
eine vergleichsweise Einigung zu versuchen, die aber unbedingt auch eine Kla usel
über die Tragung der bis dahin angefallenen Kosten enthalten sollte. Diese sollte
sich in der Quote nach der Quote des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens richten,
wobei die ursprüngliche Vorstellung des Jagdgenossen zur Schadenshöhe maßgeblich sein muss.
Urteile und ergänzende Hinweise
LG Landshut AktZ 13 S 105/99, Urteil vom 2.2.2000: Christbaumkulturen sind Sonderkulturen. Fehlt die übliche Schutzvorrichtung oder wird diese nicht ordnungsgemäß unterhalten, entfällt der Schadenersatzanspruch.
LG Hagen, AktZ 1 S 291/97, Urteil vom 17.2.1998: Lässt sich nicht feststellen, ob der
Schaden vor oder nach der Anmeldeperiode entstanden ist, ist er nicht zu ersetzen.
AG Fürstenfeldbruck, AktZ 4 C 1196/99, Urteil vom 17.12.1999: Der Sachverständige
hatte einen Leittriebverbiss von 3,4%, einen Seitentriebverbiss von 17,54% und ein
Absterben durch Verfegen von 0,52% festgestellt. Das Gericht hielt den Verbiss für
so gering, dass er vom Waldbesitzer hinzunehmen und nicht nach § 29 Abs. 1
BJagdG auszugleichen ist. Ein gewisses Maß an Verbiss sei hinzunehmen, nämlich
das Maß, das auch bei geringer Wilddichte nicht zu vermeiden ist. Die Schädigung
treffe einen Eigentümer wie ihn z.B. auch der Schaden durch Borkenkäfer, Hasen
usw., der insoweit nicht ausgleichspflichtig ist, treffe. (Das Urteil wurde nicht rechtskräftig, ist aber wegen der grundsätzlichen Feststellungen trotzdem interessant)
LG München, AktZ 8 S 1073/00, Urteil vom 29.6.2000: Die Regelung des § 29
BJagdG bewirkt, dass ein Schaden, der einem Eigentümer entsteht, auf die Gemeinschaft der Eigentümer abgewälzt wird. Eine solche Regelung ist gerade Ausfluss der
Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
LG Schwerin, AktZ 6 S 269/01, Urteil vom 8.11.2002: Die Ersatzpflicht kann ganz
oder teilweise entfallen, wenn ein Mitverschulden des Geschädigten vorliegt (§§ 32
BJagdG, 254 BGB). Ein Mitverschulden wird angenommen, wenn der Geschädigte
Schutzvorrichtungen unwirksam macht oder die Herstellung üblicher Schutzvorrichtungen unterlässt. Ein Mitverschulden liegt auch dann vor, wenn der Geschädigte
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dem Schadenseintritt durch eine nicht ordnungsgemäße Landbewirtschaftung Vorschub leistet.
AG Leverkusen, AktZ 28 C 489/99, Urteil vom 4.4.2000: Der Jagdausübungsberechtigte ha ftet nicht für die Kosten zur Errichtung eines Schutzzauns, auch wenn dies in
einer Klausel des Jagdpachtvertrags festgehalten ist, da eine solche Vertragsklausel
der Inhaltskontrolle unte rliegt und als überraschende, unklare und unbillige Klausel
nichtig ist.
BGH, AktZ III ZR 116/87, Urteil vom 5.5.1988 (MDR 1988, 1033): Als Ausdruck der
Sozialpflichtigkeit hat der Grundeigentümer Wildschaden auf seinem Eigentum in
gewissem Umfang entschädigungslos hinzunehmen. Insoweit lösen die jagdgesetzlichen Bestimmungen über das Jagdrecht (§§ 1-3 BJagdG) und die Wild- und Jagdschäden (§§ 29-35 BJagdG) den Interessenwiderstreit zwischen dem freilebenden
heimischen Wild und dem mit ihm in natürlicher Lebensgemeinschaft befindlichen
Grundeigentümer und Nutzungsberechtigten im Interesse des Schutzes und des Erhalts des Wildes dahin, dass gewisse Wildschäden hingenommen werden müssen.
Wildschäden, die trotz eines ökonomisch oder ökologisch ausgeglichenen Zustands
eintreten, stellen sich danach grundsätzlich als Ausdruck der Sozialbindung dar. Dieses Urteil erging zwar hinsichtlich einer in § 29 BJagdG nicht aufgeführten Wildart,
muss aber in seiner grundsätzlichen Aussage auch auf den nach lokalen Gegebenheiten zu bemessenden Grundbestand der im Gesetz aufgeführten Wildarten übertragbar sein.
Lesenswert zur gesamten Problematik:
Prof. Dr. Martin Moog, „Bewertung von Wildschäden im Wald“, Verlag NeumannNeudamm
Revierkurier des BJV Dezember 2008 „Hauptholzarten – Nebenholzarten“
Revierkurier des BJV September 2008 „Wildschadenersatz – auch der Landwirt in
der Pflicht“
Schriftenreihe des BJV Band 3 „Jagdrechtsseminar Wildschadenersatz“
Jagdrechtskommentare
u.a.
Dr. Sixt Seewald, Februar 2009
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