Aufteilung der gesamtschuldnerischen Haftung

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Aufteilung der gesamtschuldnerischen Haftung
Aufteilung der gesamtschuldnerischen Haftung von
Ehegatten im Rahmen der Einkommenssteuer
Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzlei
Agnes Fischl, Michael Lettl und Dr. Ulrike Tremel, Unterhaching
Im Heft Februar 2006 (Seite 74 f) wurde die Haftung der Eheleute für Verbindlichkeiten beschrieben. Das Ergebnis war, dass Ehegatten als Gesamtschuldner im Zweifel jeweils zur
Hälfte haften, unabhängig davon, ob sie diese Schuld auch jeweils zur Hälfte veranlasst haben oder intern tragen wollen.
Dieses Prinzip findet sich auch im Steuerrecht wieder. In § 44 Abs. 1 Abgabenordnung
(AO) ist geregelt, dass Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften oder die zusammen zu einer Steuer zu veranlagen sind, Gesamtschuldner sind. Werden also Ehegatten im Rahmen der Einkommenssteuer zusammen veranlagt, haften sie automatisch als Gesamtschuldner und damit per Gesetz jeweils zur Hälfte unabhängig von den tatsächlich vorhandenen Einkommensverhältnissen.
Ehegattenveranlagung allgemein
Nach § 26 Einkommenssteuergesetzes (EStG) können Ehegatten, die beide unbeschränkt
einkommenssteuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 oder des § 1 a EStG sind,
nicht dauernd getrennt leben und bei denen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraumes vorgelegen haben oder im Laufe des Veranlagungszeitraumes eingetreten
sind, zwischen der getrennten Veranlagung und der Zusammenveranlagung wählen. Die
Zusammenveranlagung muss nach § 26 Abs. 2 EStG von beiden Ehegatten ausdrücklich
gewünscht werden.
Unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist dabei jede Person, die in Deutschland ihren
Wohnsitz hat.
Außerdem verlangt das Gesetz für die Zusammenveranlagung der Ehegatten, dass die Ehegatten im Veranlagungszeitraum nicht dauernd getrennt gelebt haben. Dies ist steuerrechtlich gesehen dann der Fall, wenn sie an einem einzigen Tag im Veranlagungszeitraum zusammengelebt haben. Damit ist es möglich, als Ehegatten zusammen veranlagt zu werden,
wenn man am 31.12. des Jahres heiratet.
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Das Finanzgericht Nürnberg (FG Nürnberg, Urteil vom 07.03.2005, AZ VI 160/04, DStRE
2005, 938) hatte sich jetzt gerade mit der Frage zu beschäftigen, ab wann das Tatbestandsmerkmal des „nicht dauernd Getrenntlebens“ wieder vorliegt, wenn sich die Ehegatten getrennt haben und eigentlich die Scheidung anstreben, dann aber noch einmal einen Versöhnungsversuch starten.
Die Rechtsprechung hat dabei schon früher klargestellt, dass für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals bei vorher erfolgter Trennung ein Tag des Zusammenlebens nicht ausreicht. Der Versöhnungsversuch der Ehegatten muss langfristig und ernsthaft angelegt sein,
hier wird von der steuerlichen Rechtssprechung gefordert, dass die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft wieder vollständig aufleben muss.
Wann dies der Fall ist, muss jeweils im Einzelfall entschieden werden. Das Urteil des FG
Nürnberg sagt beispielsweise aus, dass ein Versöhnungsversuch von einer Woche nicht
ausreichen wird, ein Versuch von einem Monat allerdings ausreichen könnte.
Noch strenger ist im Übrigen die familienrechtliche Rechtsprechung. Hier kann ein Versöhnungsversuch von 2 - 3 Monaten das Trennungsjahr manchmal noch nicht unterbrechen. Es
kann also die Konstellation eintreten, dass steuerlich zwar die Ehegattenveranlagung wieder
möglich ist, während daneben das Scheidungsverfahren weiter betrieben wird, da die Trennung – auch trotz des steuerlich gesehenen Versöhnungsversuchs – familienrechtlich nicht
unterbrochen worden ist.
Vorteil der Zusammenveranlagung ist gemäß § 26 b EStG, dass die Einkünfte der Ehegatten
zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet, und die Ehegatten dann zusammen gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden. Im Endeffekt wird dadurch fingiert, dass zwei einzelne Steuersubjekte, also die beiden Ehegatten, ein einzelnes Steuersubjekt werden. Technisch werden die Einkommen der Ehegatten zusammengerechnet
und jedem Ehegatten jeweils die Hälfte des Einkommens zugerechnet, was gerade in Ehen,
in welchen ein Ehegatte geringere Einkünfte hat, bzw. aufgrund von Kindererziehung überhaupt nicht arbeitet, dazu führt, dass der Progressionsvorbehalt deutlich abgemildert wird,
die steuerliche Belastung der Familie also sinkt.
Gesamtschuldnerstellung
Die Zusammenveranlagung führt aber auch dazu, und dies wurde oben schon angesprochen, dass nach § 44 Abs. 1 AO die Ehegatten als Gesamtschuldner der gesamten Steuerschuld angesehen werden, sodass die gesamte Steuerschuld gegen jeden einzelnen Ehegatten geltend gemacht werden kann. Dies kann also dazu führen, dass hohe Steuerschulden des einen Ehegatten gegenüber dem eventuell solventeren anderen Ehegatten seitens
des Finanzamts vollstreckt werden.
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Nach § 5 AO ist dies dem Finanzamt auch ohne weiteres möglich, da das Finanzamt ein so
genanntes Auswahlermessen hat, welchen der beiden Gesamtschuldner es zur Leistung der
Steuerschuld auffordert. Insbesondere kann das Finanzamt auch die Höhe des Anteils, mit
dem er den einzelnen Ehegatten in Anspruch nimmt, selbst bestimmen.
Aufteilung der Gesamtschuld
Die Abgabenordnung sieht allerdings eine Möglichkeit vor, die Gesamtschuld im Rahmen
eines Aufteilungsbescheides nach den §§ 268 ff. AO – gerecht – aufzuteilen. Dies bedeutet,
dass die Gesamtschuld der Ehegatten zum Zwecke der Vollstreckung in Teilschulden aufgespaltet und damit die Vollstreckung auf jeden einzelnen Ehegatten beschränkt wird. Das Finanzamt kann nach einer Aufteilung nur noch gegenüber dem Ehegatten tatsächlich vollstrecken, welchem die Steuerschuld effektiv auch aufgrund der Einkommensverhältnisse zuzuordnen ist.
Diese Aufteilung der Gesamtschuld gemäß §§ 268 ff. AO ist schriftlich beim zuständigen
Wohnsitzfinanzamt zu beantragen, von Amts wegen haben die Finanzämter diese Aufteilung nicht durchzuführen.
Der Aufteilungsbescheid an sich führt zu der Beschränkung der Vollstreckungsmöglichkeiten
des Finanzamtes.
Beantragt werden kann ein solcher Aufteilungsbescheid ab Bekanntgabe des Einkommenssteuerbescheids bis zur vollständigen Tilgung der Schuld. Danach ist ein Antrag nicht mehr
zulässig.
Der Aufteilungsmaßstab richtet sich nach § 270 AO, welcher vorschreibt, dass die rückständige Steuer nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen ist, die sich bei getrennter Veranlagung ergeben würden. Das Finanzamt führt daher fiktiv eine getrennte Veranlagung der
Ehegatten durch und ermittelt auf diese Weise die sich im Falle einer getrennten Veranlagung ergebenden jeweiligen Steuerschulden.
Um die effektiv sich aus der Zusammenveranlagung ergebende Steuerschuld auf die Ehegatten aufzuteilen, muss diese nun im Verhältnis der getrennten Veranlagung aufgeteilt werden. Der Aufteilungsanteil wird dann wie folgt berechnet:
Steuer Ehegatte nach der getrennten Veranlagung x aufzuteilender Betrag aus der Zusammenveranlagung
durch Summe der Steuer beider Ehegatten aus der getrennten Veranlagung
Von diesem Ergebnis werden dann Vorauszahlungen oder auch vorab abgeführte Lohnsteuer abgezogen. Der sich dann ergebenden Betrag ist der Betrag, welcher tatsächlich gegenüber den einzelnen Ehegatten vollstreckt werden kann.
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Sollten Vorauszahlungen geleistet worden sein, sollte auf jeden Fall sofort mit dem Antrag
der Beweis angetreten werden, welcher Ehegatte die Vorauszahlungen geleistet hat, damit
diese richtig verrechnet werden.
Beispiel:
Der Ehemann erzielt ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von € 90.000,00, die Ehefrau
in Höhe von € 30.000,00. Gesamt verfügt das Ehepaar also über ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von € 120.000,00.
Werden sie zusammen veranlagt, würde sich nach der Splittingtabelle eine Einkommensteuer in Höhe von € 34.578 ergeben, für welche beide nach den Regelungen der Gesamtschuldnerschaft jeweils hälftig haften. Eben diesen Betrag kann das Finanzamt von einem
der Ehegatten, also auch von der Ehefrau, in voller Höhe vollstrecken.
Die Eheleute beantragen nach Erlass des entsprechenden Einkommensteuerbescheides
beim für sie zuständigen Finanzamt einen Aufteilungsbescheid.
Das Finanzamt nimmt nun fiktiv eine getrennte Veranlagung vor. Die Ehefrau müsste auf ihr
zu versteuerndes Einkommen danach € 5.814,00, der Ehemann auf sein zu versteuerndes
Einkommen € 29.899,00 Einkommensteuer bezahlen. Für das Ehepaar würde sich im Rahmen der getrennten Veranlagung also eine steuerliche Belastung in Höhe von gesamt €
35.713,00 errechnen.
Der Haftungsanteil der Ehefrau errechnet sich nun nach der oben genannten Formel:
€ 5.814,00 (Steuer der Ehefrau nach getrennter Veranlagung)
€35.713,00 (Summe der Steuer nach getrennter Veranlagung beider Ehegatten)
Der Haftungsanteil der Ehefrau beläuft sich danach auf 16%, womit das Finanzamt nach
Erlass des Aufteilungsbescheides gegenüber der Ehefrau nur einen Betrag in Höhe von
€ 5.532,00 (16% von € 34.578,00) vollstrecken kann.
Der restliche Steuerbetrag kann nur noch beim Ehemann vollstreckt werden, unabhängig
davon, ob dieser zahlungsfähig ist.
Gerade in Ehen, in welcher einer der Ehegatten ein Gewerbe oder eine anderweitige freiberufliche Tätigkeit ausübt, in welcher es also eher zu höheren Steuernachforderungen kommen kann, bieten sich zum Schutz des anderen Ehegatten, aber auch zum Schutz des Familienvermögens solche Aufteilungsbescheide an.
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Dieser Schutz ist selbstverständlich auch bei dauernd getrennt lebenden oder auch bereits
geschiedenen Ehegatten bei Steuerschulden, welche noch aus der Zeit der Ehe herrühren,
möglich. Also auch der dauernd getrennt lebende oder der geschiedene Ehegatte kann bei
noch nicht erfolgter Vollstreckung der Steuerschuld eine Aufteilung der Schulden beantragen.
Die familienrechtliche Beratung ist auch um diesen steuerlichen Hintergrund zu ergänzen.
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