Neuregelung der Pendlerpauschale gem. § 9 Abs. 2 EStG zum
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Neuregelung der Pendlerpauschale gem. § 9 Abs. 2 EStG zum
19. März 2007 Bearbeitung: Rechtspraktikantin Ute König Sabine Hibben Landtag Nordrhein-Westfalen 14. Wahlperiode Information 14/406 alle Abg. Neuregelung der Pendlerpauschale gem. § 9 Abs. 2 EStG zum 01.01.2007 Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27.02.2007 Aktenzeichen: 8 K 549/06 Kernaussage des Gerichts Der Senat hält die seit dem 01.01.2007 geltende Neuregelung des § 9 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG), nach der die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr als Werbungskosten qualifiziert werden, sondern lediglich ab dem 21. Streckenkilometer wie Werbungskosten im Rahmen der Lohnsteuer geltend gemacht werden können, für verfassungswidrig und holt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein. Sachverhalt Bis zum 31.12.2006 definierte § 9 Abs. 2 Nr. 4 EStG alte Fassung (a.F.) Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zur Arbeitsstätte ausdrücklich als Werbungskosten. Der Arbeitnehmer konnte somit die Aufwendungen für die gesamte Strecke im Rahmen der Einkommensteuererklärung pauschal mit 0,30 Euro pro Streckenkilometer abgelten. Diese Regelung wurde mit Wirkung zum 01.01.2007 dahingehend geändert, dass Aufwendungen für Fahrtkosten zur Arbeitsstätte ausdrücklich keine Werbungskosten mehr darstellen. Daher können sie nun nicht mehr in voller Höhe, sondern nach § 9 Abs. 2 S. 2 EStG neue Fassung (n.F.) erst ab dem 21. Entfernungskilometer als sogenannte erhöhte Aufwendungen "wie Werbungskosten" abgegolten werden. Die ersten 20 Kilometer bleiben demnach unberücksichtigt. Die Kläger, ein Ehepaar, erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr Weg zur Arbeitsstätte beträgt für den Kläger 41 km, für die Klägerin 54 km. In Anwendung der gesetzlichen Regelung bis zum 31.12.2006 beantragten sie für diese Entfernungskilometer die Eintragung eines Freibetrags in ihre Lohnsteuerkarten. Entsprechend der Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG n.F. berechnete das Finanzamt den Freibetrag jedoch nur unter Berücksichtigung der Fahrtkosten ab dem 21. Entfernungskilometer. Gegen diese Entscheidung erhoben die Kläger nach erfolgloser Einlegung eines Einspruchs Klage vor dem Niedersächsischen Finanzgericht mit dem Antrag auf -2vollständige Eintragung des Freibetrags unter Berücksichtigung der jeweils gesamten Strecke. Der zuständige Senat hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 2 EStG n.F.. Er hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorgelegt. Wesentliche Entscheidungsgründe Die Vorlage an das BVerfG ist geboten, weil der beschließende Senat die Neuregelung des § 9 Abs. 2 EStG insoweit für verfassungswidrig hält, als die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr als Werbungskosten qualifiziert werden. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des Senats den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum überschritten und den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Die Regelung des § 9 Abs. 2 EStG n.F. verstoße einerseits gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit als auch gegen das Gebot der Folgerichtigkeit. Im Zusammenhang mit beiderseits berufstätigen Ehegatten verfehle der Gesetzgeber zudem den nach Art. 3 in Verbindung mit Art. 6 GG gebotenen Schutz der Doppelverdienerehe. Im Einzelnen begründet der Senat seinen Vorlagebeschluss wie folgt: Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der Gesetzgeber nach dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip. Nach dem objektiven Nettoprinzip unterliegt grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, also der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den Erwerbsaufwendungen (vgl. §§ 4, 9 EStG) sowie den privaten Existenz sichernden Aufwendungen andererseits, der Einkommensteuer. Das subjektive Nettoprinzip besagt, dass zur Sicherung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird. Mit der Neufassung des § 9 Abs. 2 EStG hat der Gesetzgeber gegen beide Prinzipien verstoßen. 1. Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip Der Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip ergibt sich daraus, dass die für die Erzielung von Einahmen tatsächlich notwendigen Aufwendungen für die Fahrten zu der Arbeitsstätte bei der Bemessung der Einkommensteuer nicht mehr als Werbungskosten berücksichtigt werden können. Nach den Vorgaben des BVerfG kommt es für eine steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen darauf an, ob es sich um freie oder beliebige Einkommensverwendung handelt oder ob ein Aufwand für den Steuerpflichtigen zwangsläufig oder pflichtbestimmt ist. Trifft letzteres zu, gebietet das objektive Nettoprinzip auch dann die steuerliche Berücksichtigung der Kosten, wenn eine private Mitveranlassung für den Aufwand gegeben ist. Bei den Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt es sich nicht um eine beliebige Einkommensverwendung. Die Kosten sind vielmehr zwangsläufig, wenn z. B. bei bestehender Ehe beide Ehegatten an unterschiedlichen Orten ihrer Berufstätigkeit nachgehen oder es keine Alternativen zur ausgeübten Tätigkeit am entfernten Arbeitsort gibt, ein Steuerpflichtiger seine Arbeit verliert und an einem auswärtigen Ort eine neue Arbeit aufnehmen muss oder der Betriebsitz verlegt wird. Werden solche tatsächlich erforderlichen, zwangsläufigen Aufwendungen nicht angerechnet, erfolgt eine Besteuerung über das Nettoeinkommen hinaus. -3Mit der durch die Neuregelung in § 9 Abs. 2 EStG erfolgten Einschränkung des Prinzips der finanziellen Leistungsfähigkeit hat der Gesetzgeber ferner das Gebot der Folgerichtigkeit nicht beachtet. Die grundsätzliche Entscheidung, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zu qualifizieren, ist durch die Neuregelung - entgegen der Gesetzesbegründung - nicht durch einen Übergang zu einem "Werkstorprinzip" geändert worden. Dies ergibt sich daraus, dass bei der Ermittlung der Einkünfte diese Kosten ab einer bestimmten Größenordnung bzw. die Aufwendungen für Familienheimfahrten weiterhin steuermindernd berücksichtigt werden und der Gesetzgeber daher inhaltlich keine neue Qualifizierung vorgenommen hat. Ein sachlicher Grund, diejenigen, die nicht unter die Härtefallregelung für Fernpendler fallen, von der Begünstigung auszuschließen, ist nicht ersichtlich. Allgemeine verkehrspolitische Erwägungen, die das BVerfG bereits als sachlichen Grund für eine Einschränkung des objektiven Nettoprinzips anerkannt hat, sind nicht erkennbar. Allein das in der Gesetzesbegründung genannte Ziel der Haushaltskonsolidierung rechtfertigt die gesetzliche Neuregelung nicht. 2. Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip Der Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip ergibt sich daraus, dass die Neuregelung bei Steuerpflichtigen der unteren Einkommensklassen zu einer - verfassungswidrigen - Besteuerung des Existenzminimums führen würde. Dabei handelt es sich um Fälle, bei denen unter Berücksichtigung der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten keine Einkommensteuer anfallen würde, weil das zu versteuernde Einkommen unter den Grundfreibetrag sinkt, im umgekehrten Fall jedoch, d.h. bei fehlender Abzugsfähigkeit der Kosten, Steuer zu entrichten wäre. Dies hätte eine Besteuerung existenzieller Aufwendungen zu Folge, womit ebenfalls das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit durchbrochen wird. Zudem findet durch die Neuregelung keine - bisher als zulässig angesehene - betragsmäßige Einschränkung des Werbungskostenabzuges statt, sondern dieser wird für eine große Gruppe von Steuerpflichtigen gänzlich abgeschafft. 3. Verstoß gegen den Schutz von Ehe und Familie Schließlich verfehlt der Gesetzgeber zudem den nach Art. 3 in Verbindung mit Art. 6 GG gebotenen Schutz der Doppelverdienerehe. Durch eine Regelung wie die des § 9 Abs. 2 EStG n.F. sind solche Familien steuerlich benachteiligt, in denen beide Ehegatten örtlich voneinander entfernt eine Berufstätigkeit ausüben, da der Gesetzgeber Aufwendungen, die immer jedenfalls für einen der Ehepartner zwangsläufiger Aufwand sind, nicht mehr zum Abzug zulässt. Daher greift der Gesetzgeber unzulässigerweise in die Wahlfreiheit der Ehepartner über die Aufgabenverteilung in der Ehe ein. -4Auszug aus den wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen: § 9 EStG n.F. (gültig ab dem 01.01.2007): (1) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch Nr. 1. - 7. (…) (2) Keine Werbungskosten sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten. Zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ist ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, für jeden vollen Kilometer der Entfernung eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro wie Werbungskosten anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. (…) Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich wie Werbungskosten abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen für eine Familienheimfahrt ist eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Beschäftigungsort anzusetzen; die Sätze 3 bis 5 sind entsprechend anzuwenden. Aufwendungen für Familienheimfahrten mit einem dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart überlassenen Kraftfahrzeug werden nicht berücksichtigt. Durch die Entfernungspauschalen sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind. (…) § 9 EStG a.F. (gültig bis 31.12.2006): (1) Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch Nr. 1. - 3. (…) Nr. 4. Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 Euro im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Nr. 5. - 7. (…) (2) Durch die Entfernungspauschalen sind sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind. Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel können angesetzt werden, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen. (…)