Streit um die Pendlerpauschale

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Streit um die Pendlerpauschale
Streit um die Pendlerpauschale
Das Finanzgericht Niedersachsen hat in einem weiteren Beschluss vom 2.3.2007
(7V21/07) das Finanzamt verpflichtet, die Pendlerpauschale ab dem 1. Kilometer auf der
Lohnsteuerkarte einzutragen. Nach Auffassung des 7. Senates bestehen jedoch
ernstliche rechtliche Zweifel an der ab 2007 geltenden gesetzlichen Regelung. Es gibt
durchaus berechtigte Hoffnung auf ein „Kippen“ der gekürzten Pendlerpauschale.
Zum 1.1.2007 hatte die große Koalition des sog. Werkstor-Prinzip eingeführt und die
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur „Privatangelegenheit“ erklärt. Lediglich
zur „Abgeltung erhöhter Aufwendungen“ können diese Aufwendungen für Wege zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte ab dem 21. Kilometer wie Werbungskosten abgezogen
werden. Der Abzug „wie Werbungskosten“ bringt aber unmissverständlich zum Ausdruck,
dass es grundsätzliche keine beruflich veranlassten Kosten mehr sind, sondern steuerlich
der Privatsphäre zugeordnet werden. Dementsprechend entfällt auch die Möglichkeit,
Unfallkosten auf dem Weg zur Arbeit abzusetzen, unabhängig davon, ob es bei Kilometer
19 oder 21 zum Unfall gekommen ist.
Die Änderung der Pendlerpauschale ist eine reine verdeckte Steuererhöhungsmaßnahme
und verstößt nach Meinung vieler Fachleute gegen den im Einkommensteuerrecht
geltenden Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Hierbei
sind vom Bruttoeinkommen (Bruttolohn) die durch die Erwerbstätigkeit veranlassten
Erwerbsaufwendungen wie z. B. die Fahrtkosten in Abzug zu bringen (objektives Nettoprinzip). Ebenfalls sind in die Steuerbemessungsgrundlagen existenzsichernde private
Aufwendungen, beispielsweise Versicherungsbeiträge, Krankheitskosten etc. einzubeziehen (subjektives Nettoprinzip) und das Existenzminimum ist von der Steuer
freizustellen. Diese Grundsätze haben Verfassungsrang und sind vom Steuergesetzgeber
einzuhalten.
Das Niedersächsische Finanzgericht hält die Neuregelung zur Pendlerpauschale ab 2007
für verfassungswidrig, weil das Werkstor-Prinzip eine reine Fiktion darstellt. So können
nicht sämtliche Beschäftigten eines Großbetriebes gleichzeitig direkt „am Werkstor“
wohnen. Auch entstehen die Fahrtkosten nur dann, wenn der Steuerpflichtige einer
Erwerbstätigkeit nachgeht.
Wie das angerufene Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entscheiden wird, hängt davon
ab, ob es die Fahrtkosten als privat veranlasste oder für die Erwerbstätigkeit
zwangsläufige Aufwendung beurteilt. Die Rechtsprechung des BVerfG zur doppelten
Haushaltsführung gibt Anlass zur Hoffnung, dass die 2007-Pendlerpauschale keinen
Bestand haben könnte.
Einem Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung 2007 (Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte) wird
das Finanzamt für die volle Pendlerpauschale nicht stattgeben können. Deshalb muss im
Rahmen der Einkommensteuererklärung 2007 die Entfernungspauschale ab dem 1.
Kilometer angesetzt werden. Bis zur Entscheidung des BVerfG sind die entsprechenden
Steuerbescheide offen zu halten.