Passions- und Osterbild im Detail
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Passions- und Osterbild im Detail
Passions- und Osterbild im Detail Ein Rundgang Liebe Besucherinnen und Besucher der Innenstadtkirche St. Ludwig, die Darmstädter Innenstadtgemeinde St. Ludwig begeht seit einigen Jahren die Fasten- und Osterzeit mit Hilfe eines Bilderzyklus. Jedem Fastensonntag und den Festtagen der Heiligen Woche ist dabei ein Bild zugeordnet, das im Gottesdienst betrachtet, auf dem Hintergrund der Schriftlesung oder des Festgeheimnisses und im Blick auf die Biographie und das Genie des jeweiligen Malers interpretiert wird. Dabei spielen die entsprechenden Zeitumstände eine Rolle. Sie stehen für die Erfahrungen unserer Zeit, auf deren Hintergrund das bebilderte Evangelium relevant zur Sprache kommt. Diese Form der Verkündigung spricht sowohl unseren Bildsinn und also das Sehen, den Intellekt und also unser Denken als auch unser musikalisches Gehör an. Den jeweiligen Bildern wird in den Gottesdiensten neben der verbalen Interpretation ein entsprechendes Stück Orgelliteratur beigesellt. So entsteht ein „Gesamtkunstwerk“, das den Zuhörern und Zusehern eine ganzheitliche oder eben auch selektive Wahrnehmung erlaubt. Die Piktoralisierung der Heilsereignisse bildet das Erzählte tiefer ein als das nur flüchtig gehörte und immer wiederholte Wort der scheinbar vertrauten Evangelientexte. In den vergangenen Jahre feierten wir 2011 „Ostern mit Salvador Dalí“ und 2012 „Ostern mit Max Beckmann“. Während in den Vorjahren Bildzyklen die Fasten- und Osterzeit begleiteten, haben wir dieses Jahr ein einziges Bild in Details zerlegt, so dass sich das Passions- und Osterbild 2013 erst langsam aus Details zusammensetzen wird. Es handelt sich um das Mittelbild eines Triptychonaltares des wenig bekannten niederländischen Künstlers Jacob van Utrecht. Das Original befindet sich in der Berliner Gemäldegalerie am Potsdamer Platz. Die 1513 entstandene Mitteltafel zeigt eine Totale der Ereignisse der Heiligen Woche. Die die Epoche niederländischer Renaissancemalerei kennzeichnende Lust am Detail legt es nahe das Bild in ebendiese zu zerlegen und sie einzeln in Augenschein zu nehmen. Der Betrachter ist dabei eingeladen unerwartete Details der Passions- und Ostererzählungen zu entdecken. Dabei scheint uns außergottesdienstlich die räumliche Verortung von besonderer Bedeutung zu sein. Die Detaildarstellungen Jacob van Utrechts finden Sie dem im Rund der Ludwigskirche etablierten Kreuzwegreliefs zur Seite gestellt, die die Brüder Albermann aus Köln 1906 geschaffen haben. Diesen Tiefenreliefs sind jeweils Details des sogenannten „Berliner Altars“ zugeordnet. Sie treten somit in einen inhaltlichen und über die Jahrhunderte und Stilepochen hinweg geführten formsprachlichen Dialog. Begehen Sie zunächst vom Eingang aus das rechte Rund. Der zweiten Kreuzwegstation „Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern“ ist der Hintergrund beigegeben, auf dem Jacob van Utrecht das Passionsgeschehen darstellt. Er zeigt seine Heimatstadt Utrecht. Das Detail ist getitelt: „Im Hintergrund die Stadt“. Die Gebrüder Albermann deuten im Hintergrund ihres Reliefs die Stadt Jerusalem als Ort des Geschehens an. Der Betrachter ist eingeladen das Passionsgeschehen mit seinem „Hintergrund“ in Verbindung zu bringen. Der vierten Kreuzwegstation „Jesus begegnet seiner Mutter“ korrespondiert das Detail „Stabat mater“, das das diesjährige Passionskonzert gleichen Titels piktoralisiert. Die fünfte Kreuzwegstation „Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen“ zeigt den erschöpften Christus, dem der in Jerusalem einziehende Christus ins Auge sieht. Die Installation nimmt den Blickwinkel des einziehenden Christus (Palmsonntag) nicht auf die Stadt, sondern auf sein eigenes Kreuz auf. Der Betrachter ist eingeladen seiner Erschöpfung, seinem „Kreuz“ und seinen „Helfern“ ins Auge zu sehen. Der sechsten Kreuzwegstation „Veronica reicht Jesus das Schweißtuch“ korrespondiert ein Bilddetail, das Frauen und Männer unter dem Kreuz zeigt. Der Betrachter ist eingeladen die „Geschlechterpolarität unter dem Kreuz“ wahrzunehmen und seinen „Animus“ bzw. seine „Anima“ zu erkennen, der bzw. die sich differenziert zum Phänomen des eigenen und fremden Schmerzes verhält. Im vom Eingang aus linken Rund treffen Sie auf die zentrale zwölfte Kreuzwegstation „Jesus stirbt am Kreuz“. Sie ist gefaßt von den zwei ungewöhnlichen Detailbildern, auf denen Jacob van Utrecht die beiden Schächer Dysmas und Gestas zeigt. Sie fehlen in der Reliefdarstellung der Gebrüder Albermann und komplettieren das Bild. Der Betrachter ist eingeladen sich bzw. seine divergierenden Persönlichkeitsanteile in ihnen wahrzunehmen. Unter dem Kreuzwegrelief findet sich der von Jacob van Utrecht piktoralisierte „Schädel Adams“, dem die Blumen / Blüte des Lebens beigesellt sind. Während der Schädel Adams daran erinnert, dass durch ihn die Sünde und als deren Sold der Tod in die Welt kam, der durch Christi Tod überwunden ist, erzählen die Blumen vom durch Christi Tod errungenen Sieg des Lebens. Der Betrachter ist eingeladen „Tod“ und „Auferstehung“ oder besser „keimendes Leben“ auf dem Grund seiner Seele aufzuspüren. Der dreizehnten Station „Jesus wird vom Kreuz abgenommen“ entspricht das Zentralbild des Berliner Altares, der auch „Kreuzabnahme“ genannt wird. Das Details Jacob van Utrechts titelt „Vier Männer und der Gekreuzigte“. Während die Gebrüder Albermann die Kreuzabnahme von Männern und Frauen umstanden darstellen, zeigt Meister Jacob im Detail ausschließlich Männer hantieren. Darunter: Josef von Arimatäa und Nikodemus. Die letzte und vierzehnte Station zeigt die Grablegung Jesu. Das Detailbild aus dem Berliner Altar zeigt die drei Frauen vor dem leeren Grab, in dem ein Engel wacht während die Wächter geblendet zu Boden gefallen sind. Dieses Detail beschreibt die Tiefensicht der Grablegung, die hinter dessen Faktizität das österliche Heilsgeheimnis aufleuchten lässt. Der Betrachter ist eingeladen hinter der Wirklichkeit die österliche Wirklichkeit zu entdecken, zu vermuten, zu glauben oder zu erahnen. Das zentrale Auferstehungsbild zeigt ohne Zuordnung zu einer Kreuzwegstation – also jenseits des Kreuzweges – den schwebenden Auferstandenen. Diesen Schwebezustand begreift Jacob van Utrecht als einen Hinweis auf die metaphysische und entmaterialisierte Daseinsweise des Auferstandenen, der über (griechisch „meta“) der Physis lebt. In eindrucksvoller Weise zeigt das Bild das osternächtliche Geschehen des Abstieges Jesu ins Totenreich, aus dem er Adam und Eva befreit bevor es in sich selbst zusammenstürzt und birst. Der Betrachter ist eingeladen den Auferstandenen in seinen eigenen Höllen zu ersehnen und aus ihnen seine Hand zu greifen, die rettet und befreit. Er darf weiterhin mit einer meta-physischen Zukunft rechnen. Durch Christi Auferstehung erhalten wir Zugang zur „schwebenden Wirklichkeit“ des Himmels, der durch Engel flankiert und das wallende Gewand des Auferstandenen bewegtes und kommunikatives Leben verheißt. Eine gute „Betrachtung“ wünscht Ihnen im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Innenstadtkirche St. Ludwig Dr. Thomas Krenski Fastenpredigten 2013 Jacob van Utrechts Berliner Altar 17.02.2013 | 10.00 Uhr | Hochamt Erster Fastensonntag Die Stadt im Hintergrund Max Reger (1873-1916) Choralvorspiel „Jerusalem, du hochgebaute Stadt“ op.67 Jan P. Sweelinck (1562-1621) Paduana Lachrimae 24.02.2013 | 10.00 Uhr | Hochamt Zweiter Fastensonntag Die Schächer Dysmas und Gestas Dietrich Buxtehude (1637-1707) „Ach Herr mich armen Sünder“ Charles Tournemire (1870-1939) „Hodie mecum eris in paradiso“ op.67 03.03.2013 | 10.00 Uhr | Hochamt Dritter Fastensonntag Geschlechterpolarität unter dem Kreuz Marcel Dupré (1886-1971) Le Chemin de la Croix Station VI: Une femme pieuse essuise la face de Jesus Station VIII: Jesus console les filles d'Israel qui le suivent 17.03.2013 | 10.00 Uhr | Hochamt Fünfter Fastensonntag Der Tod und die Blumen Johann Sebastian Bach (1685-1750) „Durch Adams Fall ist ganz verderbt“ Flor Peeters (1903-1986) Lied to the Flowers op. 66/3 Arnold Schlick (1460-1521) “Maria zart” Prediger: Pfarrer Dr. Thomas Krenski Organist: Regionalkantor Jorin Sandau Heilige Woche 2013 Ostern mit Jacob van Utrecht 24.03.2013 | 10.00 Uhr | Palmsonntag Der Esel, die Stadt und das Kreuz Anthoni van Noordt (1619-1675) Psalm 24 Jean Langlais (1907-1991) Dominica in Palmis 29.03.2013 | 15.00 Uhr | Karfreitag Die Arme, das Tuch und die Krone Christoph Dematius (1567-1643) Johannespassion Ökumenisches Projektensemble Leitung : Kantor Christian Roß / Regionalkantor Jorin Sandau 30.03.2013 | 21.30 Uhr | Osternacht Der Satan, die Wächter und die Frauen Heinrich Scheidemann (1596-1663) „Dic nobis Maria“ Max Reger (1873-1916) Fuge B-A-C-H op. 46 31.03.2013 | 10.00 Uhr | Ostersonntag Der Engel, die Wächter und der schwebende Christus Peeter Cornet (1562-1633) Regina coeli Charles Tournemire (1870-1939) Victimae pascali laudes Prediger: Pfarrer Dr. Thomas Krenski Organist: Regionalkantor Jorin Sandau